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Zahnmedizin up2date 3 August 2025 Seite 169–256 19. Jahrgang CME-Fortbildung ▪ Materialunverträglichkeiten bei dentalen enossalen Implantaten ▪ Narkosebehandlung in der Kinderzahnmedizin im Klinikkontext ▪ Das aktualisierte Würzburger Konzept zur MIH ▪ Zukunft der Zahnmedizin Perspektiven in Deutschland: Heraus- forderungen und SOP / Arbeitsablauf ▪ Zahnärztliche Radiologie und Röntgendiagnostik – Teil 3 Schritt für Schritt ▪ Anwendung dentaler Isolationssysteme als Hilfsmittel zur Trockenlegung
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Zahnmedizin up2date 3 · 2025 August 2025 · 19. Jahrgang · Seite 169–256 171 Editorial · 172 Herausgeberboard · 174 Studienreferate 177 SOP Zahnärztliche Radiologie und Röntgendiagnostik – Teil 3 185 Anwendung dentaler Isolationssysteme als mögliche, alternative Hilfsmittel zur Trockenlegung – Schritt für Schritt 191 Impressum 193 Materialunverträglichkeiten bei dentalen enossalen Implantaten Lena Katharina Müller-Heupt, Elisabeth Jacobi-Gresser, Bilal Al-Nawas 209 Narkosebehandlung in der Kinderzahnmedizin im Klinikkontext Maria Hofmann, Nelly Schulz-Weidner 225 Das aktualisierte Würzburger Konzept zur Molaren- Inzisiven-Hypomineralisation: klinischer Leitfaden Ramy Gaballah, Stefanie Amend, Norbert Krämer 245 Zukunft der Zahnmedizin in Deutschland: Herausforderungen und Perspektiven Alexander-Simon Engel, Peter Engel Covergestaltung: © Thieme Bildnachweis Cover: © Thieme 2 Implantologie 4 Kinder- und Jugendzahnheilkunde 4 Kinder- und Jugendzahnheilkunde 11 Varia Die Übersicht über alle Rubriken Ihrer up2date erhalten Sie unter: https://eref.thieme.de/7CWZC
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Editorial Dr. med. dent. Dr. phil. Hans Ulrich Brauer Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ihnen vorliegende Sommer-Ausgabe der Zahnmedizin up2date strahlt wieder in unter- schiedliche zahnmedizinische Fachbereiche hinein. Der Fokus dieser Ausgabe liegt auf der Kinder- und Jugendzahnheilkunde. Zunächst betrachtet die Autorengruppe um Dr. Dr. Lena Katharina Müller-Heupt von der Uni- versitätsmedizin Mainz näher Materialunverträglichkeiten bei dentalen enossalen Implanta- ten. Der Beitrag dient der Versachlichung bei der Identifikation allergischer Erscheinungen und Unverträglichkeiten in der Mundhöhle. Diese fachlichen Informationen können bei der Materialauswahl, Abklärung und natürlich beim Management betroffener Patientinnen und Patienten äußerst wertvoll sein sowie auch bei gutachterlichen Fragestellungen Nutzen stif- ten. Kurz: Dieser Beitrag bringt Licht ins Dunkel. Dies ist freilich nicht verwunderlich, da die drei Autoren bei der Erstellung der entsprechenden, aktuell gültigen S3-Leitlinie [1] maßgeb- lich beteiligt waren. Das Autorenduo Dr. Maria Hofmann und PD Dr. Nelly Schulz-Weidner vom Universitätszahn- klinikum Gießen und Marburg nehmen im Kliniksetting die zahnärztliche Behandlung von Kindern und Jugendlichen unter Allgemeinanästhesie in den Blick. Anhand eines anschau- lichen klinischen Falls deklinieren sie das erforderliche Vorgehen für uns einmal komplett durch. Die Autoren Dr. Ramy Gaballah, Dr. Stefanie Amend, M. Sc. und Prof. Dr. Norbert Krämer, Universitätszahnklinikum Gießen und Marburg, widmen sich ausführlich der Molaren-Inzisi- ven-Hypomineralisation (MIH), die für praktizierende und forschende Zahnmediziner immer noch anteilig eine „Blackbox“ darstellt, obwohl die Prävalenz dieses Krankheitsbilds stark zugenommen hat. Die Expertengruppe stellt einen aktualisierten, klinischen Leitfaden vor. Dieser rekurriert auf die diagnostische Kategorisierung der MIH [2]. Die Autoren präsentieren die therapeutische Bandbreite, wobei die klinisch-praktischen Empfehlungen mit eindrück- lichen Bildern und Röntgenaufnahmen illustriert sind. Dr. Alexander-Simon Engel und Dr. Peter Engel werfen abschließend mit ihrem Aufsatz „Zukunft der Zahnmedizin in Deutschland: Herausforderungen und Perspektiven“ einen Blick in die Glaskugel. Die Autoren legen damit eine lesenswerte Bestandsaufnahme vor, in der sie zentrale Bereiche der Zahnmedizin anhand ihrer berufspolitischen Kompetenz und Erfahrung ausleuchten und dabei wahrgenommene Problemfelder reflektieren, um im zweiten Teil aus- sichtsreiche Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Bei der Lektüre dieses Weckrufs wird evident, dass sich unser Berufsstand nicht allein auf die Delegation dieser enorm wichtigen Aufgabe an die Akteure der Standesorganisationen begnügen darf, sondern alle in der Zahnmedizin täti- gen Personen gefragt sind, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Ziel ist es, im europäischen Kontext die Weichen für die Zukunft der zahnärztlichen Berufsausübung zu stellen. Viel Freude bei der Lektüre und Ihnen einen angenehmen Sommer wünscht Ihr Dr. Dr. Hans Ulrich Brauer, M. A., M. Sc. Literatur [1] DGI, DGZMK. Materialunverträglichkeiten bei dentalen, enossalen Implantaten. Langfassung, Version 1.0, 2022, AWMF-Registriernummer: 083-041. Zugriff am 29. Juni 2025 unter: https://www.awmf.org/ leitlinien/detail/ll/083-041.html [2] Steffen R, Krämer N, Bekes K. The Würzburg MIH concept: the MIH treatment need index (MIH TNI): A new index to assess and plan treatment in patients with molar incisior hypomineralisation (MIH). Eur Arch Paediatr Dent 2017; 18(5): 355–361. DOI: 10.1007/s40368-017-0301-0 Zahnmedizin up2date 2025; 19: 171 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 171
Editorial Board Schriftleitung Karl-Rudolf Stratmann Jahrgang 1951, Dr. med. dent., niedergelassener Zahnarzt in Köln. Studium der Zahnmedizin in Köln, 1978 Promo- tion, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abt. für Zahn- erhaltung an der Universitätszahnklinik zu Köln. Seit 1980 in eigener Praxis. Kurse in Funktionslehre, Implantologie und forensischer Zahnheilkunde. 1999 Abschluss des Curri- culums Implantologie. Mitglied der APW, DGZMK, DGFDT, DGI, DGP, DGZ, DGZPW, AgKi und Ehrenmitglied des AkFos. 1999–2009 General- sekretär der DGZMK. Seit 2006 Spezialist für Funktionsdiagnostik und ‑therapie der DGFDT. Tätigkeit als Gutachter für Krankenkassen und Ge- richte. 2012 Preisträger des Gösta-Gustafson-Award. 2013 Ehrennadel in Gold der DGZMK. Und – last but not least: Schriftleitung der Zahnmedizin up2date. Weitere Herausgebende Hans Ulrich Brauer Jahrgang 1975, Dr. med. dent. Dr. phil. M. A. M. Sc., Fach- zahnarzt für Oralchirurgie. Studium der Zahnmedizin in Freiburg und Tübingen. 2001 Promotion zum Dr. med. dent. 2003–2006 Postgraduierten-Ausbildung an der Aka- demie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe. 2005–2007 Masterstudiengang Integrated Dentistry – Wissensent- wicklung und Qualitätsförderung. 2006–2009 Weiterbildung zum Fach- zahnarzt für Oralchirurgie. 2013–2021 Mitglied im Beirat der ZWR – Das Deutsche Zahnärzteblatt, zuletzt Rubrik-Herausgeber. 2015–2019 Chef- zahnarzt, Schönheitsklinik Lörrach. 2016 Promotion zum Dr. phil. 2018– 2021 Masterstudium Ästhetisch-Rekonstruktive Zahnmedizin. 2019 Wie- dereintritt in die Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe. 2021–2024 Leitender Oberarzt und Stv. Leiter der Poliklinik der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe. 2025 Wissenschaftlicher Refe- rent, Fachbereich Zahnmedizin, Institut für medizinische und pharmazeu- tische Prüfungsfragen (IMPP), Mainz. Thomas Connert Jahrgang 1981, Prof. Dr. med. dent., Stellvertretender Leiter der Klinik für Parodontologie, Endodontologie und Kariologie am Universitären Zentrum für Zahnmedizin Basel (CH), Studium der Zahnmedizin in Tübingen, Staats- examen 2007. 2007–2014 Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Promotion an der Poliklinik für Zahnerhaltung der Uni- versität Tübingen, 2012 Stipendiat der Walter und Anna Körner Stiftung mit Forschungsaufenthalt an der ACTA, Amsterdam (NL) zum Thema en- dodontische Mikrobiologie. 2014 Oberarzt der Klinik für Parodontologie, Endodontologie und Kariologie der Universität Basel, seit 2015 Mitglied des Zahnunfallzentrums Basel. 2016 Forschungsaufenthalt an der Julius- Maximilians-Universität Würzburg zum Thema digitale Endodontie. 2019 Leitender Oberarzt Klinik und Fachbereich Endodontologie der Klinik für Parodontologie, Endodontologie und Kariologie, Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel (UZB). 2019 Habilitation und Venia docendi der Universität Basel, 2021 Stellvertretender Klinikleiter ebendort. 2020 Mit- glied des Vorstandes der Schweizerischen Gesellschaft für Endodontolo- gie (SSE) und Präsident des Wissenschaftlichen Komitees. Schwerpunkt in Forschung, Lehre und Patientenbehandlung ist die Endodontologie. Zahnmedizin, Universität Kiel. Henrik Dommisch Univ.-Prof. Dr. med. dent., Leiter der Abteilung für Paro- dontologie und Synoptische Zahnmedizin, Charité Cen- trum für Zahn-, Mund-, Kieferheilkunde, Berlin. 1996–2002 Studium der 2002 Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Poliklinik für Parodonto- logie, Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde, Uni- versität Bonn (Direktor: Prof. Dr. Dr. S. Jepsen, M.S.). 2004 Promotion. 2006–2007 Postdoctoral Fellowship, Department of Oral Biology Univer- sity of Washington, Seattle, WA, USA. 2007–2013 Affiliate Assistant Pro- fessor, University of Washington, Seattle,WA, USA. 2008 Habilitation. 2010 Spezialist für Parodontologie der DGParo. 2013 Spezialist für Endo- dontologie der DGET. 2010–2014 Oberarzt in der Poliklinik für Parodon- tologie, Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde, Universität Bonn. 2014 Affiliate Associate Professor, University of Washington, Seattle, WA, USA. 2014 Ruf an die Charité, Universitätsmedizin Berlin, Professur für Parodontologie. Søren Jepsen Jahrgang 1958, Prof. Dr. med. dent. Dr. med. MS, Direktor der Poliklinik für Parodontologie, Zahnerhaltung und Prä- ventive Zahnheilkunde im Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde an der Universität Bonn. Studium der Zahnmedizin, Medizin an der Universität Hamburg. 1982– 1985 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abt. Zahnärzt- liche Prothetik und Werkstoffkunde an der Universität Hamburg. 1987– 1988 Postgraduate-Programm Parodontologie, Loma Linda University (LLU), Kalifornien, USA. 1989 Praxisvertretung in Hamburg, 1990–1991 Postdoktorand im Laboratory for Mineral Metabolism und Master of Science-Programm (Parodontologie/Implantologie) an der LLU. 1990 US- Certificate in Periodontics. 1992–2002 Oberarzt in der Klinik für Zahn- erhaltungskunde und Parodontologie an der Universität Kiel. 1997 Eugen-Fröhlich-Preis der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DGP), 1999 Diplomate of the American Board of Periodontology. 1998– 2006 Vorstandsmitglied der DGP. 2002–2008 Research Committee der European Federation of Periodontology. 2005 Gewähltes Mitglied der Leopoldina. 2007 Cochrane-Preis für Evidenzbasierte Zahnmedizin, Ruf an die Universität Bern, Schweiz. Seit 2008 Sprecher der DFG‑Klinischen Forschergruppe 208 („Ursachen und Folgen von Parodontopathien“) in Bonn. Seit 2012 Vorstandsmitglied und seit 2015 Präsident der European Federation of Periodontology (EFP). Schwerpunkte: Parodontologie und Präventive Zahnmedizin. Till Köhne Univ.-Prof. Dr. med. dent. Dr. rer. biol. hum., Direktor der Poliklinik für Kieferorthopädie, Universitätsklinikum Leip- zig. 2004–2006 Studium der Mathematik, Universität Hamburg. 2006–2011 Studium der Zahnmedizin, Univer- sität Hamburg. 2012–2020 Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. 2013 Promo- tion zum Dr. med. dent. 2016 Promotion zum Dr. rer. biol. hum. 2016 Fachzahnarzt für Kieferorthopädie. 2018 Habilitation. 2017–2020 Ober- arzt und Stellvertretender Leiter, Eltz Institut für Kieferorthopädie, Wien. Seit 2021 Direktor der Poliklinik für Kieferorthopädie, Universitätsklini- kum Leipzig. 172 Zahnmedizin up2date 2025; 19 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
Thomas Weischer Jahrgang 1964, Prof. Dr. med. dent, Zahnarzt, Oralchirurg, M. Sc, MOM, seit 4/2025 Leiter des Zentrums für Implanto- logie und Oralchirurgie der Kliniken Essen-Mitte, akademi- sches Lehrkrankenhaus der Universität Duisburg-Essen; bis 3/2025 Leiter des Implantatzentrums der Universitätsklinik für MKG-Chirurgie Essen und Stellvertreter des Direktors der Universitätsklinik für MKG-Chirurgie Essen, Kliniken Essen-Mitte. Aktuelle Tätigkeiten u.a.: Vize-Direktor des International Medical College, Münster; Vorsitzender des Prüfungsausschusses Oralchirurgie der ZÄK Nordrhein; Mitglied des Herausgebergremiums der Zeitschrift „Zahn- medizin up2date“, Thieme-Verlag, Stuttgart; Mitglied des Vorstandes des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI); Gutachter der ZÄK Nordrhein und der Konsen- suskonferenz Implantologie. Seit 1996 Gutachter für Amts-, Land- und Oberlandesgerichte. Diana Wolff Prof. Dr. med. dent. Frau Professorin Wolff studierte in Hei- delberg und war anschließend wissenschaftliche Mitarbei- terin und später Oberärztin an der Poliklinik für Zahnerhal- tungskunde des dortigen Universitätsklinikums. Seit 2007 ist sie Spezialistin in Zahnerhaltung (Präventiv-Restaurativ) der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung. 2012 wur- de ihr die „Venia legendi“ im Fach Zahn-, Mund- und Kiefer- heilkunde und 2015 der Titel einer Außerplanmäßigen Professorin der Medizinischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg verlie- hen. 2017 wurde Frau Professorin Wolff auf die W3-Professur für Zahner- haltung an der Universität Tübingen berufen. Zugleich wurde sie Direkto- rin der zugehörigen Poliklinik. Sie war Studiendekanin Zahnmedizin an der Medizinischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und Sprecherin der Studiendekane Baden-Württemberg. 2021 erhielt Frau Professorin Wolff den Ruf auf die W3-Professur für Zahnerhaltungskunde der Universität Heidelberg und leitet seither dort als Ärztliche Direktorin die zugehörige Poliklinik. Seit 2021 ist Frau Professorin Wolff im Vorstand der Vereinigung der Hochschullehrer für Zahn-, Mund- und Kieferheilkun- de (VHZMK). Ihre Schwerpunkte liegen unter anderem in der Erforschung und Vermittlung neuartiger und innovativer Techniken und Behandlungs- methoden im Bereich der direkten Versorgungen mittels Kompositen und in der oralen Biofilmforschung. Norbert Krämer Jahrgang 1959, Prof. Dr. med. dent., Direktor der Poliklinik für Kinderzahnheilkunde am Universitätsklinikum Gießen- Marburg. 1986 Staatsexamen. 1987 Promotion. 1997 Ha- bilitation. 2000 1. Vorsitzender der Gesellschaft für Kinder- zahnheilkunde und Primärprophylaxe in der DGZMK. 2001 Mitglied im Vorstand der DGZMK (Delegierter des Bei- rates). 2002 Präsident der DGK, Mitglied im Vorstand der DGZMK (Fach- vertreter Kinderzahnheilkunde), beratendes Mitglied im Direktorium der APW/ DGZMK. 2003 Ernennung zum wissenschaftlichen Berater der LAGZ Bayern e. V. 2004 Schriftleiter Oralprophylaxe und Kinderzahnheilkunde. Seit 2005 Mitglied im Editorial Board verschiedener Zeitschriften. 2006 2. Vorsitzender der APW. 2006–2009 Professur für Kinderzahnheilkunde an der TU Dresden. 2009 Professur für Kinderzahnheilkunde an der Justus- Liebig-Universität in Gießen. 2010–2012 Präsident der European Academy of Paediatric Dentistry (EAPD). 2015–2019 Präsident der Deutschen Ge- sellschaft für Kinderzahnheilkunde. 2017 – 2020 Board Member der Inter- national Association of Paediatric Dentistry (IAPD). Schwerpunkte: Epi- demiologie, Prävention, Kariesfrüherkennung, Betreuungsprogramme für Kinder mit erhöhtem Kariesrisiko, adhäsive Zahnheilkunde. Friedrich-Schiller-Universität Ralph Luthardt Jahrgang 1966, Prof. Dr. med. dent., Ärztlicher Direktor der Klinik für Zahnärztliche Prothetik der Universität Ulm. Stu- dium der Zahnmedizin an der Johann-Wolfgang-Goethe- Universität, Frankfurt am Main. 1992 Staatsexamen. 1992 – 1994 Tätigkeit als Ausbildungsassistent in freier Pra- xis. 1994 Promotion. 1994 – 1998 Zahnarzt in der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik der Jena. 1998 – 2003 Oberarzt der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik an der Me- dizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dres- den. 2003 Habilitation über das Thema „Eine quantitative und qualitative Analyse der 3D-Genauigkeit zahnärztlicher Abformungen“. 2003 For- schungsaufenthalt an der Tufts University, School of Dental Medicine, Boston, MA, USA. Seit 2007 Professor für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde an der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm, Stu- diendekan Zahnmedizin, Präsident der VHZMK e. V. Arbeitsschwer- punkte: Interaktion oraler Weichgewebe mit zahnärztlichen-protheti- schen Restaurationen. Klinische Studien zu Therapiekonzepten. Implanto- logie und Implantattechnik. Peter Pospiech Jahrgang 1962, Prof. Dr. med. dent., Stellvertretender Ab- teilungsleiter der Zahnärztlichen Prothetik, Alterszahnme- dizin und Funktionslehre an der Charité Berlin. 1982 – 1987 Studium der Zahnheilkunde an der Heinrich-Heine-Univer- sität Düsseldorf. 1988 Promotion in Düsseldorf zum Thema „Vollkeramik-Kronen aus Dicor-Glaskeramik“. 1987–1990 Assistent, Zahnärztliche Prothetik der Universität Regensburg. 1989 Stu- dienaufenthalt an der University of Adelaide (Australien). 1991–2002 Oberarzt an der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik der LMU München, 1997 Habilitation: „Klinische und werkstoffliche Untersuchungen zur voll- keramischen Klebebrücke“. 1999 Gründungsmitglied und wissenschaft- licher Beirat der Arbeitsgemeinschaft für Keramik in der Zahnheilkunde. 1999–2000 Forschungsaufenthalt an der University of Washington, Se- attle, USA. 2002 Direktor der Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Werk- stoffkunde und Vorklinische Zahnmedizin der Universität des Saarlandes. 2011–2012 Direktor des Zentrums für Prothetische Zahnheilkunde und Biomaterialien an der Danube Private University in Krems. Seit 2012 Mit- glied des Wehrmedizinischen Beirates des BMVG. 2012–2013 Oberarzt an der Poliklinik für Prothetik des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus der TU Dresden. 2013 – 2015 Stellvertreter des Direktors der Klinik für Zahnärztliche Prothetik der Universität Würzburg. Von 2015–2019 an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Wissenschaftliche Schwerpunk- te: Vollkeramische Systeme, Teilprothetik (Doppelkronen, Adhäsivprothe- tik, Versorgung des Lückengebisses). Zahnmedizin up2date 2025; 19 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 173
Studienreferate Behandlungsgespräche: Shared-Decision-Making- Maßnahmen helfen Führen Maßnahmen zur Unterstützung einer gemeinsamen Entscheidungsfin- dung von Patientin oder Patient und Ärztin oder Arzt in Gesprächen über Screeningverfahren, Diagnose und The- rapiewahl zu besseren Ergebnissen? Diese Frage hat ein interdisziplinäres Forschungsteam unter Leitung von DARUM Marion Danner & Anne Rummer GbR in Köln im Rahmen des IQWiG- ThemenCheck Medizin untersucht. Die Wissenschaftlerinnen und Wissen- schaftler werteten sieben systematische Übersichten aus, in die rund 250 Einzelstu- dien eingeschlossen waren. In drei Über- sichten lag der Fokus auf Entscheidungshil- fen für Patientinnen und Patienten, in den vier anderen wurden verschiedene weitere Maßnahmen für eine gemeinsame Ent- scheidungsfindung betrachtet. Kommunikation auf Augenhöhe In Deutschland und anderen Ländern gel- ten ethische und rechtliche Regeln, nach denen Patientinnen und Patienten bei me- dizinischen Fragen ausführlich aufgeklärt werden müssen. Diese Gespräche sollen so stattfinden, dass sie eine gemeinsame Ent- scheidungsfindung ermöglichen: Damit ist gemeint, dass Patientinnen oder Patienten und Ärztinnen oder Ärzte auf Augenhöhe miteinander sprechen und sich gemein- sam für oder gegen eine bestimmte Be- handlung entscheiden. Oft wird auch in Deutschland dafür der englische Begriff „Shared Decision Making“ (SDM) verwen- det. Verschiedene Maßnahmen sollen die gemeinsame Entscheidungsfindung gezielt unterstützen. Im Rahmen des ThemenCheck Medizin wollte eine Bürgerin unter anderem wis- sen, ob eine gemeinsame Entscheidungs- findung Einfluss auf das Behandlungs- ergebnis und die Patientenzufriedenheit haben kann. Im Auftrag des IQWiG unter- suchte das Forschungsteam unter Leitung von DARUM daher einerseits, welche Vor- oder Nachteile SDM-Maßnahmen für den Entscheidungsprozess haben – beispiels- weise, wie zufrieden Patientinnen und Pa- tienten mit dem Arztgespräch oder der ge- troffenen Entscheidung sind. Andererseits analysierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die gesundheitlichen Vor- oder Nachteile für Patientinnen und Pa- tienten, zum Beispiel im Hinblick auf die Krankheitsbeschwerden oder Lebensquali- tät. Dazu wurde nach Studien zu solchen Maßnahmen bei der Behandlung von Er- wachsenen gesucht – egal mit welcher Er- krankung. Vor allem Entscheidungs- hilfen haben Vorteile für den Entscheidungsprozess Für die SDM-Maßnahme „Entscheidungs- hilfen“ zeigten sich im Vergleich zu einer Standardversorgung für sechs von 17 un- tersuchten SDM-bezogenen Aspekten Vor- teile. So führten Entscheidungshilfen zum Beispiel dazu, dass die Patientinnen und Patienten stärker eingebunden waren, mehr Wissen über ihre Erkrankung und die Therapiemöglichkeiten hatten, Risiken besser einschätzen konnten und mehr Ver- trauen in ihre Entscheidung hatten. Die SDM-Maßnahme „Decision Coaching plus evidenzbasierte Information“ führte im Vergleich zu einer Standardversorgung zwar zu mehr Wissen bei den Betroffenen, hatte aber auf andere Aspekte keinen po- sitiven Einfluss. Bei weiteren untersuchten Maßnahmen wurden keine Vor- oder Nachteile festgestellt; zum Teil gab es auch zu wenig Daten. Zu den Auswirkungen der SDM-Maßnah- men auf die Gesundheit enthielten die in die systematischen Übersichten einge- schlossenen Einzelstudien deutlich weniger Daten. Zudem wurde die Qualität der meisten Studien als gering bewertet. Ins- gesamt gibt es daher keinen Nachweis für einen positiven oder negativen Einfluss von SDM-Maßnahmen auf gesundheitsbezoge- ne Aspekte. Die Kosten für die Entwicklung und Bereit- stellung von SDM-Maßnahmen weisen eine breite Spanne auf. In einzelnen Krankheits- bildern wie Brustkrebs oder Gicht schien die jeweilige SDM-Maßnahme kostenwirk- sam zu sein; allgemeingültige Aussagen zur Kostenwirksamkeit wurden auf dieser Basis allerdings nicht getroffen. Zur Frage, ob SDM-Maßnahmen Unter-, Über- oder Fehlversorgung verringern und dadurch die Effizienz im Gesundheitssystem erhö- hen könnten, betont das Team, dass SDM- Maßnahmen nicht als Steuerungsinstru- ment angelegt seien. Es braucht einheitliche Instrumente und gute Studien Die ausgewerteten Daten zeigen, dass Ent- scheidungshilfen die gemeinsame Entschei- dungsfindung unterstützen können. Damit die Daten zu den Wirkungen von SDM- Maßnahmen auf SDM- und auch auf ge- sundheitsbezogene Aspekte in Zukunft noch besser zusammengefasst und inter- pretiert werden können, braucht es zum einen ein einheitliches Set an zu unter- suchenden Aspekten und Instrumenten zu deren Messung – und zum anderen aus- sagekräftige Studien zu weiteren SDM- Maßnahmen neben Entscheidungshilfen. Entscheidungshilfen auf www.gesundheits- information.de Das IQWiG hat bereits zu einer Reihe von Fragen passende Entscheidungshilfen in verschiedenen Formaten entwickelt und auf seiner Website https://www.gesund- heitsinformation.de veröffentlicht. Zu den behandelten Themen zählen unter ande- rem: Diabetisches Fußsyndrom: Lässt sich eine Amputation vermeiden? Endometriose: Welche Behandlungsmög- lichkeiten habe ich? Mandelentzündung bei Kindern: Sollen die Gaumenmandeln operiert werden? Das Angebot wird stetig ausgebaut. Das Informationsmaterial kann kostenfrei als PDF heruntergeladen werden. 174 Zahnmedizin up2date 2025; 19 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
Der ThemenCheck Medizin Interessierte können im Rahmen des The- menCheck Medizin Vorschläge für die Be- wertung von medizinischen Verfahren und Technologien einreichen. In einem zwei- stufigen Auswahlverfahren, an dem auch Bürgerinnen und Bürger beteiligt sind, werden aus den eingereichten Vorschlägen pro Jahr bis zu fünf neue Themen ausge- wählt. Laut gesetzlichem Auftrag sollen dies Themen sein, die für die Versorgung von Patientinnen und Patienten von beson- derer Bedeutung sind. Die ThemenCheck- Berichte werden nicht vom IQWiG selbst verfasst, sondern von externen Sachver- ständigen. Deren Bewertung wird gemein- sam mit einer allgemein verständlichen Kurzfassung und einem IQWiG-Herausge- berkommentar veröffentlicht. Die vorläufigen Ergebnisse des Berichts „Behandlungsgespräche: Führt eine ge- meinsame Entscheidungsfindung von Arzt und Patient bei der Therapiewahl zu besse- ren Ergebnissen?“ hatte das Institut im September 2023 als vorläufigen Themen- Check-Bericht veröffentlicht und zur Dis- kussion gestellt. Nach Ende des Stellung- nahmeverfahrens wurde der Bericht über- arbeitet und jetzt in seiner finalen Fassung veröffentlicht. Nach Angaben des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen Experten prognostizieren Anstieg von Todesfällen durch Antibiotikaresis- tenzen GBD 2021 Antimicrobial Resistance Collaborators. Global burden of bacterial antimicrobial resistance 1990–2021: a systematic analysis with forecasts to 2050. Lancet 2024; 404: 1199–1226. DOI: 10.101 6/S0140-6736(24)01867-1 Die Antibiotikaresistenz (AMR) stellt eine große Herausforderung für die globale Gesundheit dar. Bislang gab es keine Studien, die umfassende Schät- zungen der AMR-Belastung für verschie- dene Standorte erstellten und dabei historische Trends und künftige Prog- nosen berücksichtigten. Die Antimicro- bial-Resistance-Kollaborateure der GBD- Studie 2021 (GBD: Global Burden of Disease) präsentierten nun die ersten globalen und regionalen Schätzungen und Prognosen zur AMR-Sterblichkeit. Diese Studie stellt die erste umfassende Bewertung der globalen Belastung durch AMR von 1990–2021 dar, wobei Ergebnis- se bis 2050 prognostiziert werden. Die Er- gebnisse zeigen die Wichtigkeit der Infek- tionsprävention auf, unterstreichen den besorgniserregenden Trend der AMR-Belas- tung bei den über 70-Jährigen und erklä- ren den mäßigen künftigen Anstieg der weltweiten Zahl der behinderungsberei- Anzeige
i e g e z n A nigten Lebensjahre (Disability-adjusted life years, DALYs) gegenüber der Zahl der To- desfälle. Die Mitglieder der Expertenrunde der GBD-Studie sammelten Daten aus ver- schiedenen Quellen (Publizierte Studien, Berichte aus Patientenakten und Netzwer- ken, pharmazeutische Erhebungen zu Ver- käufen von Medikamenten etc.). Die Wis- senschaftler schätzten die AMR-Belastung für Infektionen der Blutbahn, Meningitis, Infektionen der unteren Atemwege, Endo- karditis, peritoneale und intraabdominale Infektionen, Diarrhöe, Harnwegsinfektio- nen und Pyelonephritis; außerdem für In- fektionen von Knochen, Gelenken und ver- wandten Organen, Infektionen der Haut und des subkutanen Systems, Tuberkulose, Typhus, Paratyphus und invasive, nicht typhoide Salmonellen sowie für bakterielle Krankheitserreger, Arzneimittelkategorien oder Kombinationen von Arzneimitteln, ge- gen die Resistenzen bestehen und für Erre- ger-Wirkstoff-Kombinationen. Zudem mo- dellierten die Experten altersübergreifende und altersspezifische Todesfälle und DALYs für 204 Länder und präsentierten aggre- gierte Schätzungen weltweit. Für das Jahr 2021 schätzen die Wissen- schaftler, dass 4,71 Millionen Todesfälle mit bakterieller AMR in Verbindung stehen, darunter 1,14 Millionen Todesfälle, die de- finitiv auf bakterielle AMR zurückzuführen sind. Von 1990–2021 ging die Sterblichkeit durch AMR bei Kindern unter 5 Jahren um mehr als 50 % zurück, während sie bei Er- wachsenen ab 70 Jahren um über 80 % an- stieg. Die Anzahl der durch den Methicillin- resistenten Staphylococcus aureus ausgelös- ten Todesfälle stieg weltweit mit 550 000 AMR-assoziierten und 130 000 auf AMR zu- rückzuführende Todesfälle am stärksten an. Bei den gramnegativen Bakterien nahm die Resistenz gegen Carbapeneme stärker zu als bei jeder anderen Antibiotikaklasse. Die Prognosen zeigen, dass im Jahr 2050 weltweit schätzungsweise 1,91 Millionen auf AMR zurückzuführende Todesfälle und 8,22 Millionen mit AMR assoziierte Todes- fälle auftreten könnten. Die Superregionen mit der höchsten altersübergreifenden AMR-Sterblichkeitsrate im Jahr 2050 wer- den voraussichtlich Südasien sowie Latein- amerika und die Karibik sein. Der Anstieg der auf AMR zurückzuführenden Todesfälle wird auch in Zukunft bei den 70-Jährigen und Älteren am stärksten sein. Im Gegen- satz zu dem starken Anstieg der Zahl der durch AMR verursachten Todesfälle um 69,6 % von 2022–2050 ist die Zahl der DALYs mit 9,4 % auf 46,5 Millionen im Jahr 2050 wesentlich geringer. Im Rahmen ei- ner besseren Versorgung könnten in allen Altersgruppen zwischen 2025 und 2050 kumulativ 92,0 Millionen Todesfälle durch eine bessere Behandlung schwerer Infek- tionen und einen verbesserten Zugang zu Antibiotika vermieden werden. Im Rahmen einer Versorgung mit Arzneimitteln gegen gramnegative Bakterien könnten außer- dem 11,1 Millionen AMR-Todesfälle ver- mieden werden. FAZIT Dieses Referenzszenario zeigt, dass die Sterblichkeit durch AMR bis 2050 zunehmen wird, wenn keine Abhilfe- maßnahmen ergriffen werden. An- gesichts der hohen Variabilität der AMR-Belastung je nach Ort und Alter ist es wichtig, dass Maßnahmen zur Infektionsprävention, Impfungen, Minimierung des unangemessenen Antibiotika-Einsatzes in der Land- wirtschaft und beim Menschen so- wie die Erforschung neuer Antibio- tika kombiniert werden, um die für 2050 prognostizierte Zahl der AMR- Todesfälle zu verringern. Dr. Maddalena Angela Di Lellis, Tübingen PREISANPASSUNG Die Bezugspreise für die Zahnmedizin up2date werden zum 1. Januar 2026 wie folgt angepasst: Der persönliche Jahresbezugspreis mit 438,00 €, der institutionelle Jahresbezugspreis mit 672,00 €, jeweils inklusive Versand- kosten, das Einzelheft mit 92,00 €. 176 Zahnmedizin up2date 2025; 19 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
SOP/Arbeitsablauf Zahnärztliche Radiologie und Röntgendiagnostik – Teil 3 Thomas Weber Qualitätssicherung in der zahnärztlichen Röntgendiagnostik soll sicherstellen, dass optimale diagnostische Ergebnisse effizient erzielt und gleichzeitig Risiken für Patienten und Personal minimiert werden können. Diese Maßnahmen zur Sicherstellung der Bildqualität und Minimierung der Strahlenbelastung umfassen Ab- nahmeprüfungen der Geräte vor der Inbetriebnahme mit Einweisung in die sachgerechte Handhabung, regelmä- ßige Konstanzprüfungen und regelmäßige Kontrolle der Prüfergebnisse sowie ausgewählter Patientenaufnahmen durch die Zahnärztliche Stelle in einem Zeitraum von 32– 40 Monaten, im Regelfall alle 3 Jahre [1]. Zahnärztliche Röntgeneinrichtungen müssen zudem vor Inbetriebnah- me und dann alle 5 Jahre von einem behördlich bestimm- ten Sachverständigen auf ordnungsgemäße Funktion, Sicherheit und Strahlenschutz geprüft werden [2]. Vor allem die vom Betreiber durchzuführenden Konstanzprü- fungen sind ein essenzieller Pfeiler der Qualitätssicherung in der zahnärztlichen Röntgendiagnostik. Grundlagen ▪ Der Betrieb von Röntgeneinrichtungen unterliegt bei der Anwendung am Menschen der Qualitätssicherung. ▪ Sie umfasst im Wesentlichen zum einen die Abnahme- prüfung vor der Inbetriebnahme (StrlSchV § 115) und die Konstanzprüfung im laufenden Betrieb (StrlSchV § 116): – Die Abnahmeprüfung wird nach der Installation vom Hersteller bzw. Lieferanten (z. B. Dental-Depot) durchgeführt. Im Rahmen der Prüfung werden die Bezugswerte für die Konstanzprüfung von Röntgen- einrichtungen festgelegt. – Sowohl für Abnahme- als auch Konstanzprüfung bestehen normative Vorgaben für die Durchfüh- rung und Mindestanforderung bezüglich der Leis- tungsfähigkeit der Röntgeneinrichtung. – Fristen und Zeitabstände der Konstanzprüfungen richten sich nach der Qualitätssicherheitsrichtlinie Röntgen (QS-RL) (▶ Tab. 1). Merke Konstanzprüfungen dienen der Sicherstellung einer konstanten Bildqualität, der Minimierung der Strahlen- belastung für Patienten und Personal und der frühzeiti- gen Erkennung von Defekten oder Fehlfunktionen an Röntgen-, Entwicklungs- oder Bildwiedergabegeräten. Konstanzprüfung gemäß § 116 StrlSchV (Film) Die analoge zahnmedizinische Röntgenuntersuchung nutzt Röntgenfilme zur Bildgebung, die nach Strahlen- exposition entwickelt und dann auf einem Röntgenfilm- betrachter interpretiert werden können. Die Konstanzprü- fung erfolgt über einen visuellen Vergleich der Konstanz- aufnahme mit der Referenz-/Uraufnahme (▶ Abb. 1). ▶Tab. 1 Fristen und Zeitabstände nach der Qualitätssicherheitsrichtlinie Röntgen (QS-RL [3]). Überprüfung von Häufigkeit gemäß Röntgeneinrichtungen 2D (Tubusgeräte, Panoramageräte, FRS) monatlich 3D (DVT) monatlich Befundmonitor Filmverarbeitung Dunkelkammerbeleuchtung täglich, halbjährlich, jährlich oder alle 5 Jahre wöchentlich jährlich DIN 6868-5 DIN 6868-15 DIN 6868-157 DIN 6868-5 DIN 6868-2 Weber T. Zahnärztliche Radiologie und ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 177–183 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 177
SOP/Arbeitsablauf 1-mal pro Woche 1-mal pro Monat 1-mal pro Jahr Fehlerbehebung durch Betreiber selbst oder durch Hersteller/Lieferant ggf. Neufestlegung der Bezugswerte bzw. Teilabnahmeprüfung Wiederholung der Konstanzprüfung ▶ Abb. 1 Konstanzprüfung gemäß § 116 StrlSchV (Film) (Quelle: Weber T. Zahnärztliche Radiologie und Röntgendiagnostik. In: Weber T, Hrsg. Memorix Zahnmedizin. 6., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2024. DOI: 10.1055/b-004-140696). ▪ Nachteile: – höhere Anschaffungskosten – PC-Ausstattung/Monitore an allen Behandlungs- plätzen und deren Vernetzung erforderlich – ggf. Nachteile der Folientechnik: • Verkratzen von Folien führt zu deren Unbrauch- barkeit • erforderliche Anschaffung Scanner – ggf. Nachteile der Sensortechnik: • Positionierung intraoral schwieriger als Zahnfilm • Sensoren meist kleiner als Zahnfilm • Sensoren empfindlich und teuer – Drucker mit Befundungsqualität erforderlich, wenn Röntgenbilder zur Weitergabe gedruckt werden sollen – arbeitstägliche Konstanzprüfung des Befundungs- monitors Die Technik wird aufgrund ihrer Nachteile wie höherer Strahlendosis und höheren Aufwands für die Entwicklung und Archivierung zunehmend durch digitale Röntgen- techniken ersetzt. Konstanzprüfung bei digitalen bildgebenden Verfahren Überblick Digitale bildgebende Verfahren haben heute in der Zahn- medizin in ihrer diagnostischen Aussagekraft die konven- tionellen Verfahren erreicht und ersetzen zunehmend die klassische analoge Bildgebung mit Filmen. ▪ Vorteile: – schnelle Bilderzeugung – Wegfall der Entwicklungsanlage: • Chemie und Entsorgung entfallen. • Wöchentliche Konstanzprüfung entfällt. – Wegfall von Filmverbrauchsmaterial – weniger Belichtungsfehler – Möglichkeit der digitalen Bildbearbeitung – reduzierte Strahlenexposition – einfacher Datentransport/Kopierbarkeit auf Daten- träger, digitale Weitergabe (E-Mail, verschlüsselt), einfache Archivierung 178 Weber T. Zahnärztliche Radiologie und ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 177–183 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
Gegenüberstellung verschiedener Verfahren Aus technischer Sicht führt der Wechsel vom Analog- zum Digitalröntgen zu geringerer Strahlenexposition. Di- gitale Geräte ermöglichen durchschnittlich mit weniger Dosisleistung gleichwertige oder bessere Abbildungs- ergebnisse. Weit mehr als die Hälfte intraoraler Kleinbildaufnahmen mit Tubusgeräten werden heute mit digitalen Bildemp- fängersystemen erstellt. Dies können intraorale Speicher- foliensysteme (CR-Systeme, „Computed Radiography“) oder Röntgendetektoren (DR-Systeme, „Direct Radio- graphy“) sein (▶ Abb. 2, ▶ Tab. 2). ▶ Abb. 2 Verschiedene Prinzipien digitaler bildgebender Verfahren (Quelle: Weber T. Digitale bildgebende Verfahren. In: Weber T, Hrsg. Memorix Zahnmedizin. 6., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2024. DOI: 10.1055/b-004- 140696). ▶Tab. 2 Verschiedene Prinzipien digitaler bildgebender Verfahren. Prinzip indirekte digitale Radiografie mit Sensor direkte digitale Radiografie mit Sensor Lumineszenzradiografie mit Speicherfolien Funktionsweise und Hand- habung ▪ Röntgenstrahlenrelief wird in einer Leuchtschicht in Lichtimpulse umge- wandelt, die von einem Sensor (CCD- oder CMOS-Chip) aufgenommen und in ein elektrisches Signal umgewandelt werden. ▪ Sensor über Kabel an Rechner gekoppelt ▪ Bild erscheint sofort auf Monitor ▪ können heute eine Auflösung von bis zu 20 Lp/mm erreichen (wie Zahnfilm) ▪ Röntgenstrahlenrelief wird von einem HD-Sensor (CCD-Chip) aufgenommen und direkt in ein elektrisches Signal umgewandelt. ▪ Sensor über Kabel an Rechner gekoppelt ▪ Bild erscheint sofort auf Monitor. ▪ Pixelgröße noch größer als bei indirekter digitaler Radiografie, d. h. Auflösung noch schlechter ▪ Röntgenstrahlenrelief wird auf Halb- leiterplatte (Bariumfluorhalid-Kristall- schicht mit 2-wertigem Europium dotiert) in Form eines latenten „Ener- giebildes“ gespeichert. ▪ Speicherfolien lichtempfindlich! ▪ Schutzhüllen verwenden ▪ Speicherfolie wird in Lesegerät von HeNe-Laser systematisch abgetastet → Lichtemission, Lichtausbeute pro- portional der Röntgenquantenenergie → wird in Fotomultiplier aufgefangen und in elektrische Signale transferiert. Vor- und Nachteile ▪ gute Auflösung, Röntgenbild sofort verfügbar ▪ Sensoren meist dicker als Zahnfilme, Handling gegenüber Zahnfilmen ungewohnt ▪ Speicherfolien sind vom Handling „filmähnlich“ (Hygieneschutzhülle, Kabelführung); Formatwahl eingeschränkt, oft kleiner als 3 × 4 cm ▪ Formate entsprechen Zahnfilmen. ▪ Bissflügel- und Aufbissfolien erhältlich ▪ Ausblendung am Tubus notwendig ▪ spezielle Halter erforderlich ▪ sehr empfindlich auf Stoß und Herunterfallen (ggf. zusätzliche ▪ Scannertrommel erforderlich) ▪ normale Filmhalter verwendbar ▪ Oberfläche empfindlich auf Kratzer (Fingernägel!) ▪ begrenzte Lebensdauer (ca. 1000 Auf- nahmen), Röntgenbild nicht sofort verfügbar (abhängig von Scanzeit) Weber T. Zahnärztliche Radiologie und ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 177–183 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 179
SOP/Arbeitsablauf Konstanzprüfung bei digitalem Bildempfänger ▪ Überprüft wird die gesamte Abbildungskette: Rönt- genröhre, Bildempfänger, ggf. Ausleseeinheit, Compu- ter und Befundungsmonitor (Bildwiedergabegerät, BWG). Panoramaschichtgerät ▪ Prüfkörper exakt nach den Vorgaben der Abnahme- prüfung positionieren ▪ Aufnahmewerte der Abnahmeprüfung einstellen ▪ Menüpunkt „Konstanzprüfung“ am Rechnersystem anwählen ▪ Aufnahmebereitschaft des zu prüfenden Gerätes ▪ Die Qualität eines digitalen Röntgenbilds wird durch herstellen folgende 3 Kenngrößen beschrieben: ▪ Auflösung (Ortsauflösung, Hochkontrast): – Sichtbarkeit von Linienpaaren (Lp)/mm eines Bleistrichrasters – Mindestanforderungen: • Tubusgeräte: 5 Lp/mm • PSA-Geräte: 2,5 Lp/mm • FRS-Geräte: 2,5 Lp/mm ▪ Strahlung auslösen ▪ (bei Speicherfolien: Bild auslesen) ▪ Ur- und Konstanzaufnahme nebeneinander am Befundungsmonitor darstellen und vergleichen ▪ Auflösung und Mindestkontrast prüfen ▪ Artefaktfreiheit prüfen ▪ (Helligkeit/Grauwerte im definierten Bereich vergleichen bzw. Pixelwerte ermitteln) ▪ Mindestkontrast (Kontrastauflösung, Niedrigkontrast): ▪ prüfen, ob ein umlaufender unbelichteter Rand – Sichtbarkeit von 4 Bohrungen in wenig kontrast- erkennbar ist gebendem Material – Mindestanforderungen: • Tubusgeräte: alle 4 Kreise sichtbar • PSA-Geräte: 2 Kreise sichtbar • FRS-Geräte: 1 Kreis sichtbar ▪ Grauwert (dosisäquivalente Größe): – Wird durch die Helligkeit in einem festgelegten Bereich im Röntgenbild dargestellt. – Manche Prüfkörper beinhalten zur besseren Auswertbarkeit verschiedene Materialschichten, die unterschiedliche Grauwerte ergeben. – Zum Grauwertvergleich kann auch der Vergleich der Pixelwerte, die vom Rechnersystem für einen definierten Grauwertbereich zur Verfügung stehen, herangezogen werden. Checkliste Konstanzprüfung: Röntgengeräte mit digitaler Bildaufzeichnung (monatlich durchzuführen) Tubusgerät ▪ Prüfkörper mit eingeschobenem Bildempfänger (Sensor/Speicherfolie) und Tubus justieren ▪ Aufnahmewerte der Abnahmeprüfung einstellen ▪ Menüpunkt „Konstanzprüfung“ am Rechnersystem anwählen ▪ Aufnahmebereitschaft des zu prüfenden Gerätes her- stellen ▪ Strahlung auslösen ▪ (bei Speicherfolien: Bild auslesen) ▪ Ur- und Konstanzaufnahme nebeneinander am Befundungsmonitor darstellen und vergleichen ▪ Auflösung und Mindestkontrast prüfen ▪ Artefaktfreiheit prüfen ▪ (Helligkeit/Grauwerte im definierten Bereich vergleichen bzw. Pixelwerte ermitteln) ▪ Sichtkontrolle des Tubus auf mechanische Schäden ▪ Ergebnisse dokumentieren ▪ Beurteilung, ob die Bewegungen des Gerätes während der Belichtung gleichmäßig sind ▪ Ergebnisse dokumentieren Konstanzprüfung: Bildwiedergabegeräte Merke Mindestens 1 Monitor muss in jeder Praxis, in der digi- tale Röntgenbilder befundet werden, als „Befundungs- monitor“ deklariert werden. Monitor und Grafikkarte müssen bestimmten Anforderungen genügen, die bei der Abnahmeprüfung kontrolliert und dokumentiert werden. Jeder Befundungsmonitor in der Praxis muss an jedem Arbeitstag auf seine Konstanz geprüft wer- den, und zusätzlich je nach Raumklasse und Geräteart halbjährlich, jährlich und 5-jährlich. Bildwiedergabegeräte, die seit dem 01.05.2025 in Betrieb genommen wurden Mit der DIN 6868–157 wurde das Konzept der Raumklas- sen eingeführt, welche die Umgebung beschreiben, in der ein diagnostisches Display (LCD-Monitor) aufgestellt wird. Die Befundung zahnärztlicher Röntgenbilder erfolgt in Raumklasse 5 (zahnärztlicher Befundarbeitsplatz, maxi- male Beleuchtungsstärke nicht mehr als 100 lx) und Raumklasse 6 (zahnärztlicher Behandlungsplatz, maxima- le Beleuchtungsstärke von maximal 1000 lx). Die Bildwie- dergabegeräte müssen mindestens eine Auflösung (Ma- trix) von 1024 × 768 Pixeln und eine Pixelgröße von 140 μm besitzen. Weiterhin ist eine maximale Display- Leuchtdichte von 200 cd/m
▪ Tägliche visuelle Prüfung mit dem Testbild TG18-OIQ (▶ Abb. 3): – unverfälschte Sichtbarkeit der Linienpaar-Raster ohne Schlieren, Verwischungen oder Auslöschun- gen und Sichtbarkeit der 2 Pixel breiten Linienpaar- Raster mit niedrigem Kontrast in der Mitte und den 4 Ecken (Testbildelement 1) – Sichtbarkeit der 5 %- und 95 %-Felder (Testbild- element 2) – Sichtbarkeit der Buchstaben mit niedrigem Kon- trast (Schriftzug „QUALITY CONTROL“) (Testbild- element 3) – Sichtbarkeit der Grenzen und Linien des Rasters und der Zentrierung des Rasters im aktiven Bereich des Bildwiedergabegerätes (Testbildelement 5) – Kontinuität des Erscheinungsbilds der Verlaufs- balken (Testbildelement 7) ▪ halbjährliche visuelle Prüfung mit dem Testbild TG18-OIQ: – Homogenität der Leuchtdichte: visuelle Beurteilung des Testbilds auf störende Ungleichmäßigkeiten von der Mitte zu den Rändern (Testbildelement 6) – halbjährliche Prüfung des Farbeindrucks und der Gleichmäßigkeit: visuelle Prüfung des Farbein- drucks und der Farbgleichmäßigkeit des angezeig- ten Testbilds über den Bildschirm (die Prüfung muss auch an Mehrfach-Bildwiedergabegeräten desselben Typs, die mit demselben Bildwieder- gabesystem verbunden und nebeneinander auf- gestellt sind, durchgeführt werden. Hierbei ist auf wahrnehmbare Farbunterschiede zwischen den ein- zelnen Bildwiedergabegeräten zu prüfen) (Testbild- element 8) – Zusätzlich wird mit dem TG18-UN80-Testbild die Homogenität der einheitlichen grauen Fläche ge- prüft. ▪ jährliche messtechnische Prüfung: Für Raumklasse 6 (zahnärztlicher Behandlungsplatz) und für Monitore in Verbindung mit DVT-Geräten ist eine messtechnische Prüfung verschiedener Parameter nach DIN 6868-157 mit einem kalibrierten Messgerät durchzuführen. ▪ 5-jährliche messtechnische Prüfung: Für Raumklasse 5 (zahnärztlicher Befundungsarbeitsplatz) ist bei Tubus-, Panoramaschicht- und Fernröntgengeräten eine mess- technische Prüfung verschiedener Parameter nach DIN 6868-157 mit einem kalibrierten Messgerät durchzuführen (z. B. im Rahmen der 5-jährlichen Sach- verständigenprüfung). ▪ Ursachen mangelnder Konstanz: – Umgebungsbeleuchtung zu hell → Wiederher- stellung des Zustands der Abnahmeprüfung – Monitor verstellt → Wiederherstellung von Kontrast und Helligkeit über die OSD-Einstellungen des Mo- nitors auf die Bezugswerte der Abnahmeprüfung. ▶ Abb. 3 Testbild TG18-OIQ (Quelle: Weber T. Digitale bildgebende Verfahren. In: Weber T, Hrsg. Memorix Zahnmedizin. 6., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2024. DOI: 10.1055/b-004-140696). Konstanzprüfung: Bildwiedergabegeräte, die vor dem 01.05.2025 in Betrieb genommen wurden ▪ Monitore, die vor dem Stichtag 01.05.2015 in Betrieb genommen wurden, haben zumeist eine Abnahme nach der alten DIN-Norm 6868–57. Seit dem 01.01.2025 müssen sie zusätzlich jährlich messtech- nisch und visuell geprüft werden. ▪ Jeder Befundungsmonitor in der Praxis muss an jedem Arbeitstag auf seine Konstanz geprüft werden werden und zusätzlich monatlich. ▪ Die Qualitätskennzeichen des Monitors werden mit- hilfe des SMPTE-Testbilds auf ihre Konstanz geprüft. Eine genaue Anleitung dazu findet sich als kostenloser Download hier: https://www.blzk.de/blzk/site.nsf/id/ pa_monitore_vor_01052015_qsr.html Konstanzprüfungen an DVT gemäß der DIN 6868-15 Neben der Sichtprüfung auf mechanische Unversehrtheit (z. B. beschädigte Gehäuseteile, lockere oder fehlende Schrauben, beschädigter Auslöseknopf, Folie vom Bedien- feld abgelöst oder zerkratzt) ist zu prüfen: ▶ Tab. 3. Weber T. Zahnärztliche Radiologie und ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 177–183 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 181
SOP/Arbeitsablauf ▶Tab. 3 Konstanzprüfungen an DVT gemäß der DIN 6868–15. Nr. Prüfposition QS-Anforderungen 1 2 3 4 5 visuelles Auflösungsvermögen (Ortsauflösung) → Modulati- onsübertragungsfunktion (MÜF, oder im Englischen MTF) Auflösungsindikator 10 ≥ 1 Lp/mm (mit Prüfkörper im Scanzentrum); Auflösungsindikator 50 (MTF 50) ≤ ± 50 % Bildelementrauschen – Kontrast-Rausch-Indikator (KRI) → Algorithmus zur Berechnung vom Kontrast, der eine Kantenanhebung adäquat berücksichtigt Homogenitätsindikator → Messung der Pixelwerte innerhalb 5 Regionen, die im Zentrum, oben, unten, rechts und links der Abbildung eines homogenen Phantoms liegen, normiert mit dem vorher kalkulierten Kontrast KRI darf höchstens um ± 40 % vom Bezugswert abweichen. Homogenitätsindikator muss mehr als 5 betragen. Ein großer Wert entspricht einer hohen großflächigen Homogenität. Positionierhilfe Artefaktfreiheit Differenz des Abstandes zwischen den Lagen des Pilotlichts und der Strahlenfeldlage ≤ ± 5 mm Artefakte können u. a. sein: Aufhärtungsartefakte, Aus- löschungsartefakte, Ringartefakte, Bewegungsartefakte, Aliasing-Artefakte, partielle Volumeneffekte ▪ zusätzlich bei DVT-Geräten erforderlich: jährliche Interessenkonflikt Prüfung (durch einen Röntgentechniker): – Dosis: Dosismesswert darf höchstens 40 % vom Wert der Uraufnahme abweichen. – Blendenposition (nur bei Geräten erforderlich, deren Blenden sich mechanisch verändern lassen) ▪ jährliche Prüfung am DVT-Monitor: messtechnische Prüfung mit einem kalibrierten Messgerät gem. DIN 6868-157, wenn Monitor nach dem 01.05.2015 in Betrieb genommen wurde. Dokumentation Die Dokumentation der Konstanzprüfung und ihrer Er- gebnisse erfolgt auf entsprechenden Protokoll-Formblät- tern. Jedes Röntgengerät benötigt ein eigenes Formblatt. Entsprechende Vorlagen können bei verschiedenen Lan- deszahnärztekammern downgeloadet werden. Die Auf- zeichnung der Prüfergebnisse bei digitalen Geräten kann ggf. auch in der Software in entsprechenden Formularen vorgenommen werden. Wird in einem der geprüften Parameter ein Mangel fest- gestellt, muss unverzüglich eine Fehlerbehebung ver- anlasst werden, bevor die nächste Röntgenaufnahme an einem Patienten angefertigt wird. Nach der Fehler- behebung ist zudem eine erneute Prüfung durchzuführen und deren Ergebnis in einer neuen Spalte mit Angabe des Prüfdatums aufzuzeichnen. Konstanzaufnahmen sowie Aufzeichnungen über Inhalt, Ergebnis und Zeitpunkt der Prüfung (§ 117 Abs. 2 Nr. 2 StrlSchV) sind 5 Jahre nach Abschluss der Prüfung aufzubewahren. Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Autorinnen/Autoren Dr. Thomas Weber Jahrgang 1963. 1982–1989 Studium der Zahn- medizin in Freiburg, 1987 Auslandsfamulatur an der Harvard School of Dental Medicine, Boston. 1991 Promotion an der Albert-Ludwigs-Univer- sität, Freiburg. Nach Assistenzzeit in Iserlohn und wehrpflichtiger Stabsarzt in Leer (Ostfries- land) von 1990–1992 Wissenschaftlicher Mitarbeiter bzw. Wis- senschaftlicher Assistent an der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie der Julius-Maximilians-Universität. 1993 Vertragszahnärztliche Niederlassung in Krumbach (Schwaben) und Arbeit als Fachbuchautor, 1997 erschien das Kitteltaschen- buch „Memorix Zahnmedizin“ (Chapmann und Hall). Das Buch wurde bisher in drei Sprachen übersetzt und liegt heute in der 6. deutschsprachigen Auflage als Thieme-Buch vor. Seit 1999 Seminare und Praxiskurse im Bereich Qualitätsmanagement, Evidence Based Dentistry und Praxisorganisation. Seit 2007 Co-Autor einiger Publikationen im Bereich der Endodontologie. Mitglied der DGZMK, der DGZ, des AKFOS, der DGET, der DGParo und der IGMed. Korrespondenzadresse Dr. Thomas Weber Karl-Mantel-Str. 18 86381 Krumbach dr.th.weber@t-online.de 182 Weber T. Zahnärztliche Radiologie und ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 177–183 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
Zitierweise für diesen Artikel [3] Weber T. Zahnärztliche Radiologie und Röntgendiagnostik. In: Weber T, Hrsg. Memorix Zahnmedizin. 6., vollständig über- arbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2024. DOI: 10.1055/b-004-140696 Literatur [1] [2] Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Maß- nahmen zur Qualitätssicherung durch ärztliche und zahnärzt- liche Stellen Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) § 130. Zu- griff am 04. Juli 2025 unter: http://www.gesetze-im-internet. de/strlschv_2018/__130.html Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Qua- litätssicherung vor Inbetriebnahme; Abnahmeprüfung Strah- lenschutzverordnung (StrlSchV) § 115. Zugriff am 04. Juli 2025 unter: http://www.gesetze-im-internet.de/strlschv_2018/ __115.html Bundesministerium für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Qualitätssicherungs-Richtlinie für Abnah- me- und Konstanzprüfungen gemäß den §§ 115, 116 und 117 Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) bei Röntgeneinrichtun- gen zur Untersuchung am Menschen vom 10. Januar 2025 (QS-RL Röntgendiagnostik). Zugriff am 04. Juli 2025 unter: https://www.bundesumweltministerium.de/gesetz/qualitaets- sicherungs-richtlinien-fuer-abnahme-und-konstanzpruefun- gen-gemaess-den-115-116-und-117-strahlenschutzverord- nung-strlschv Bibliografie Zahnmedizin up2date 2025; 19: 177–183 DOI 10.1055/a-2640-0029 ISSN 1865-0457 © 2025. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany Anzeige Service für unsere Leser up2date immer dabei! Wissens portal eRef plus App. CME-Beitrag SOP/Arbeitsablauf Schritt-für-Schritt ... ... ... ... Jetzt downloaden: up2date – Fortbildung mit dem roten Faden Weber T. Zahnärztliche Radiologie und ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 177–183 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 183
Digitale Arzt-Patienten- Kommunikation Von der Erfassung der Anamnesedaten zu Hause, über die Aufnahme bis zur Aufklärung Patient*innen erfassen die Anamnesedaten zu Hause – losgelöst von Ort und Zeit. Kundeneigene Dokumente werden bereits bei der Aufnahme digital ausgefüllt und unterschrieben. Die Ärzt*in klärt Ihre Patient*in über den bevor stehenden Eingriff auf. Die erfassten Anamnesedaten werden strukturiert weiterge geben und stellen eine bedarfsgerechte Versorgung sicher. Mehr Informationen unter www.thieme-compliance.de
Schritt für Schritt Anwendung dentaler Isolationssysteme als mögliche, alternative Hilfsmittel zur Trockenlegung Will Qian, Hans Ulrich Brauer Die suffiziente Trockenlegung ist ein entscheidender Aspekt bei vielen zahnärztlichen Behandlungen. Probleme entstehen, wenn die herkömmlichen Verfahren zur Trockenlegung nicht funktionieren. Eine Alternative hierzu stellen dentale Isolations- systeme dar, welche simultan die Trockenlegung in zwei Quadranten sowie die gleichzeitige Zungen- und Wangenretraktion ermöglichen sollen. Im vorliegenden Schritt-für-Schritt-Beitrag möchten die Autoren daher die klinische Anwendung dieser Absaugvorrichtungen demonstrieren. Sie möchten keine generelle klinische Empfehlung aussprechen. Ob diese Systeme als Alternative in Betracht kommen, muss jeder Behandler stets individuell abwägen. Hintergrund Im klinischen Alltag spielen die absolute Trockenlegung mit Kofferdam und die relative Trockenlegung mit Watte- rollen, Parotisrollen/-pflaster, Wangenhaltern, kleinem/ großem Speichelsauger etc. eine Rolle [1]. Die Anwen- dung von Kofferdam ermöglicht häufig eine klare Darstel- lung des Arbeitsfeldes durch das Abhalten von Weichge- webe, verhindert die Kontamination durch Speichel und Blut und beugt dem Beschlagen des zahnärztlichen Spie- gels sowie dem Verschlucken oder der Aspiration von zahnärztlichem Instrumentarium oder Material vor [2, 3, 4]. Weiterhin reduziert der Kofferdam das Risiko der Kreuz- infektion. Während der COVID-19-Pandemie wurde daher vielerorts die Empfehlung zur Verwendung eines Koffer- dams zur Reduzierung dieses Risikos ausgesprochen [5]. Eine Modifikation der konventionellen Anwendung von Kofferdam stellt die Schlitz-Technik [6] dar, bei welcher die Löcher des Kofferdams zur einfacheren Applikation durch einen Schnitt miteinander verbunden werden. Die- se Technik findet z. B. in der Kinderbehandlung Anwen- dung und hält dann zumindest Zunge und Wangen ab. Trotz dieser unbestrittenen Vorteile bestehen auch Nach- teile, welche die Indikation zur Nutzung von Kofferdam etwas einschränken. Die am häufigsten genannten Grün- de für die Nichtverwendung von Kofferdam sind die man- gelnde Akzeptanz durch die Patienten und der Zeitauf- wand für das Anbringen eines Kofferdams [5, 7]. Absolute Kontraindikationen ergeben sich nur aus allgemeinmedi- zinischen Gründen, wie z. B. bei Patienten mit Ersti- ckungsangst, Klaustrophobie, Epilepsie, Nickel- oder La- tex-Allergie [8]. Bei Allergien schaffen latexfreier Gummi und Kunststoffklammern Abhilfe [8]. Die relative Trockenlegung mit Watterollen ist zwar eine kosten- und zeiteffiziente Alternative, stellt jedoch sehr hohe Anforderungen an die zahnärztliche Assistenz [3]. Zudem kann die mangelnde Compliance des Patienten den Behandler sowohl bei der absoluten und auch der re- lativen Trockenlegung vor Herausforderungen stellen [1]. Metaanalysen von Miao et al. und Heintze et al. fanden Belege dafür, dass direkte Kompositrestaurationen mit signifikant höheren Überlebensraten assoziiert sein kön- nen, wenn die Therapie unter absoluter Trockenlegung mit Kofferdam anstelle von relativer Trockenlegung mit Watterollen stattgefunden hat [3]. Eine relativ neue Alternative zu den herkömmlichen Tro- ckenlegungstechniken könnten die dentalen Isolations- systeme sein. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Absaugvorrichtung zur zeitgleichen Isolierung zweier Quadranten, welche laut der Hersteller gleichzeitig als Zungen- und Wangenretraktion sowie als kontinuierliche Absaugung dienen soll. Ein Produktbeispiel stellt der von den Autoren zu Demonstrationszwecken verwendete Iso- vac (Zyris Inc., Santa Barbara, USA) dar. Auf dem Markt existieren einige Varianten und Modifikationen dentaler Isolationssysteme. Beispielsweise besitzt das Gerät Isolite (Zyris Inc., Santa Barbara, USA) eine integrierte Beleuch- tung. Es gibt aber selbstverständlich weitere Anbieter und Geräte. Qian W, Brauer HU. Anwendung dentaler Isolationssysteme ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 185–190 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 185
Schritt für Schritt ▶Tab. 1 Vor- und Nachteile dentaler Isolationssysteme [1, 10]. Vorteile dentaler Isolationssysteme Nachteile dentaler Isolationssysteme ▪ Zeitersparnis durch einfache Einbringung ▪ weniger Patienten berichten von Gefühl von Unwohlsein ▪ deutlich höhere Kosten in der Anschaffung, insbesondere bei Systemen mit Lichtquelle (z. B. durch den Druck einer Kofferdam-Klammer) ▪ bei Patienten mit leicht auslösbarem Würgereflex ungeeignet PR A XISTIPP Das Mundstück könnte ggf. dem Patienten bei mehreren, in sehr engem zeitlichem Abstand statt- findenden Behandlungssitzungen zur erneuten Verwendung mitgegeben werden. Schritt 1 Der Adapter (Markierung „2“ in ▶ Abb. 1) ist autoklavier- bar – laut Herstellerangaben sei dieser einmal in der Wo- che zu autoklavieren, bis dahin sei die Wischdesinfektion ausreichend. ▪ von Kindern für Folgebehandlungen bevorzugt ▪ vergleichbare Durchlässigkeit wie Kofferdam ▪ erleichterte Mundöffnung durch eingearbeiteten Gummi-Aufbiss im Mundstück Im direkten Vergleich des Einsatzes von dentalen Isola- tionssystemen zur Anwendung von Kofferdam verspüren weniger Patienten ein Gefühl von Unwohlsein [1]. Im Ver- gleich zur Anwendung von Watterollen war die Behand- lung mit weniger Auslaufen von Flüssigkeit und einer sel- teneren Auslösung von Würgereflexen assoziiert. Dentale Isolationssysteme wurden von Kindern für zukünftige zahnärztliche Behandlungen häufiger bevorzugt als Kof- ferdam bzw. die relative Trockenlegung mit Watterollen [1]. Weiterhin sind dentale Isolationssysteme auch mit einer mit der Anwendung von Kofferdam vergleichbaren Reduktion von Spritzern und Aerosolen assoziiert. Sie könnten somit eine Rolle in der Infektionsprophylaxe spie- len [9]. In Untersuchungen zu hochkonzentrierten antimi- krobiellen Flüssigkeiten bei Parodontitistherapien konnte festgestellt werden, dass sowohl Kofferdam als auch den- tale Isolationssysteme verhindern können, dass große Mengen an Spülflüssigkeiten in den Mund gelangen kön- nen, aber beide letztlich nicht vollständig dicht sind. Bei beiden Verfahren würden etwa 10 % der Spülflüssigkeit dennoch in den Mund treten. Somit scheinen beide Syste- me das Arbeitsfeld zu einem ähnlichen Grad abschirmen zu können. Mögliche Vor- und Nachteile des Isolite-Sys- tems im direkten Vergleich mit der Kofferdam-Anwen- dung sind im Folgenden dargestellt (▶ Tab. 1) [1, 10]. Klinisches Vorgehen Die Anwendung dentaler Isolationssysteme erfordert etwas Übung (▶ Abb. 1, ▶ Abb. 2, ▶ Abb. 3, ▶ Abb. 4, ▶ Abb. 5, ▶ Abb. 6, ▶ Abb. 7, ▶ Abb. 8, ▶ Abb. 9, ▶ Abb. 10). Diese bestehen zumeist aus einem Adapter und dem Einmalmundstück (▶ Abb. 1). Merke Bei dem Mundstück (Markierung „1“ in ▶ Abb. 1) handelt es sich um ein Einmalprodukt. ▶ Abb. 1 Isovac-Gerät in der Frontalansicht. Das Isola- tionssystem besteht aus zwei Teilen, dem Einmalmund- stück (mit „1“ markiert) und dem Adapter (mit „2“ mar- kiert), den man an die Absaugvorrichtung der Behand- lungseinheit anschließen kann. Die Vakuumsteuerhebel sind mit „3“ markiert und regulieren die Saugstärke. 186 Qian W, Brauer HU. Anwendung dentaler Isolationssysteme ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 185–190 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
Das Mundstück existiert in vier Größen. Die Anzahl der Querfinger, die bei maximaler Mundöffnung zwischen die Schneidekanten der Oberkiefer- und Unterkiefer-Front- zähne passen, ist ein Anhaltspunkt für die zu verwenden- de Größe des Mundstücks. Ein Querfinger bedeutet Kin- dergröße, zwei Querfinger entspricht der Größe S, drei Querfinger sind Größe M und vier Querfinger entspre- chen der Größe L. In diesem Fall war ein Mundstück der Größe M geeignet (▶ Abb. 2). Schritt 3 Im befeuchteten Zustand lässt sich das Mundschild erfah- rungsgemäß etwas leichter einbringen (▶ Abb. 4). Bei der Einbringbewegung handelt es sich um eine Lateralbewe- gung, um ein Auslösen des Würgereizes zu vermeiden (▶ Abb. 5). ▶ Abb. 4 Befeuchtung des Mundstücks für eine leichtere Einbringung der Vorrichtung in die Mundhöhle. ▶ Abb. 2 Bestimmung der Größe des Mundstücks. Schritt 2 Vor dem Einbringen des Isolationssystems empfiehlt es sich, die Innenseiten der Wangen des Patienten mit einem Finger abzufahren. Wenn dies nicht zur Auslösung des Würgereizes führt, toleriert der Patient in den meis- ten Fällen auch das Isolationssystem im eingebrachten Zustand (▶ Abb. 3). ▶ Abb. 5 Einbringen des Isolationssystems mit zusam- mengedrücktem Mundschild zur leichteren Adaptation. Die Bewegungsrichtung ist von lateral nach medial (nicht von anterior nach posterior), um ein Auslösen des Würge- reflexes zu vermeiden. ▶ Abb. 3 Beidseitiges Entlangfahren an den Wangen- innenseiten zum Austesten des Würgereizes. Wenn der Patient keinen Würgereiz empfindet, wird das Isolations- system durch den Patienten zumeist toleriert. Qian W, Brauer HU. Anwendung dentaler Isolationssysteme ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 185–190 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 187
Schritt für Schritt Schritt 4 Nach Einbringen in die Umschlagfalte der Arbeitsseite (▶ Abb. 6) wird das andere Ende des Mundstücks zur kon- tralateralen Kieferhälfte gezogen (▶ Abb. 7), bis die kon- tralateralen Zahnreihen auf dem eingearbeiteten Aufbiss zu liegen kommen (▶ Abb. 8). ▶ Abb. 6 Einbringen in die Umschlagfalte der Arbeitsseite. ▶ Abb. 8 In der kontralateralen Kieferhälfte besitzt das Mundstück einen Aufbiss. Schritt 5 Trockenlegung In diesem Zustand kann durch gleichzeitiges Abhalten von Zunge und Wange simultan in zwei Quadranten unter weitgehender werden (▶ Abb. 9). Die Entnahmebewegung entspricht (analog der Einbringbewegung) einer Lateralbewegung, um auch hier ein Auslösen des Würgereflexes zu umgehen (▶ Abb. 10). gearbeitet ▶ Abb. 7 Loslassen des Mundstücks und Entlangziehen des anderen Endes des Mundstücks zur kontralateralen Kieferhälfte hin. ▶ Abb. 9 Eingebrachtes Isolationssystem: Zunge und Wange werden abgehalten. Die Absaugung findet über die Fläche des Schildes statt. 188 Qian W, Brauer HU. Anwendung dentaler Isolationssysteme ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 185–190 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
▶ Abb. 10 Entnahme des Isolationssystems in der Koronaransicht. Die Bewegung bei der Entnahme entspricht einer einfachen durchgängigen Bewegung nach anterolateral, um auch hier wieder das Auslösen des Würgereizes zu vermeiden. Interessenkonflikt Korrespondenzadresse Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Autorinnen/Autoren ZA Will Qian Zahnmedizinstudium an der Universität Ulm. 2022 Preis „Goldene Hedströmfeile“, Quint- essenz Endodontie. 2024 „Preis für das beste soziale Projekt der Zahnmedizinischen Fach- schaften“, BDZM e. V. 2024 Zahnärztliches Staatsexamen und Approbation. 2024 Eintritt in die Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe. Dr. Dr. Hans Ulrich Brauer, M. A., M. Sc. Zahnmedizinstudium in Freiburg und Tübingen. 2001 Dr. med. dent. 2003–2006 Postgraduier- ten-Ausbildung, Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe. 2005 Stv. Oberarzt. 2005–2007 Masterstudiengang Integrated Dentistry. 2006–2009 Weiterbildung zum Fachzahnarzt für Oralchirurgie. 2015–2019 Chefzahnarzt, Schönheitsklinik Lörrach. 2016 Dr. phil. 2019 Wiedereintritt in die Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe. 2018– 2021 Masterstudium Ästhetisch-rekonstruktive Zahnmedizin. 2021–2024 Leitender Oberarzt und Stv. Leiter der Poliklinik der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe. 2025 Wissenschaftlicher Referent, Fachbereich Zahnmedizin, Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP), Mainz. ZA Will Qian Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe Lorenzstr. 7 76135 Karlsruhe Deutschland will_qian@za-karlsruhe.de Literatur [1] Bagher SM, Sabbagh HJ. A literature review of clinical effi- ciency, patient satisfaction, and future preference of Isolite and DryShield dental isolation systems among pediatric pa- tients. J Clin Pediatr Dent 2023; 47: 1–8. DOI: 10.22514/jocpd. 2023.029 [2] Bhuva B, Chong BS, Patel S. Rubber dam in clinical practice. ENDO (Lond Engl) 2008; 2008; 2: 131–141 [3] Miao C, Yang X, Wong MC et al. Rubber dam isolation for re- storative treatment in dental patients. Cochrane Database Syst Rev 2021(5): CD009858. DOI: 10.1002/14651858.CD009858. pub3 [4] [5] [6] Berglund A, Molin M. Mercury levels in plasma and urine after removal of all amalgam restorations: the effect of using rubber dams. Dent Mater 1997; 13: 297–304. DOI: 10.1016/s0109-5 641(97)80099-1 Kumbargere Nagraj SK, Eachempati P, Paisi M et al. Interven- tions to reduce contaminated aerosols produced during dental procedures for preventing infectious diseases. Cochrane Data- base Syst Rev 2020(10): CD01386. DOI: 10.1002/14651858. CD013686.pub2 Perrine GA. A simplified rubber-dam technique for preparing teeth for indirect restorations. J Am Dent Assoc 2005; 136: 1560–1561. DOI: 10.14219/jada.archive.2005.0087 Qian W, Brauer HU. Anwendung dentaler Isolationssysteme ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 185–190 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 189
Schritt für Schritt [7] Slawinski D, Wilson S. Rubber dam use: a survey of pediatric dentistry training programs and private practitioners. Pediatr Dent 2010; 32: 64–68 [8] Weber T. Memorix Zahnmedizin. 6 ed. (vollständig überarbei- tete und erweiterte Auflage) Stuttgart, New York: Thieme; 2024. [9] Dahlke WO, Cottam MR, Herring MC et al. Evaluation of the spatter-reduction effectiveness of two dry-field isolation tech- niques. J Am Dent Assoc 2012; 143: 1199–1204. DOI: 10.142 19/jada.archive.2012.0064 [10] Gigandet M, Hofer D, Attin T et al. Assessment of treatment field isolation during scaling, root planing and rinsing. Swiss Dent J 2018; 128: 490–496. DOI: 10.61872/sdj-2018-06-422 [11] Heintze SD, Rousson V. Clinical effectiveness of direct class II restorations – a meta-analysis. J Adhes Dent 2012; 14: 407– 431. DOI: 10.3290/j.jad.a28390 Bibliografie Zahnmedizin up2date 2025; 19: 185–190 DOI 10.1055/a-2588-7345 ISSN 1865-0457 © 2025. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany Anzeige
Impressum Zahnmedizin up2date 19. Jahrgang Die Zahnmedizin up2date erscheint 6-mal jährlich. ISSN (Print): 1865-0457 eISSN: 1865-0465 Copyright & Ownership Wenn nicht anders angegeben: © 2025. Thieme. All rights reserved. Die Zeitschrift Zahnmedizin up2date ist Eigentum von Thieme. Georg Thieme Verlag KG, Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany Schriftleitung Dr. Karl-Rudolf Stratmann Robertstr. 26, 50999 Köln Weitere Herausgebende Dr. Dr. Hans Ulrich Brauer, M. A., M. Sc. Fachbereich Zahnmedizin, Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP), Mainz Rheinstraße 4F, 55116 Mainz Prof. Dr. Thomas Connert Klinik für Parodontologie, Endodontologie und Kariologie; Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB Mattenstrasse 40, CH-4058 Basel Univ.-Prof. Dr. Henrik Dommisch Abteilung für Parodontologie und Synoptische Zahnmedizin, Charité – Centrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Aßmannshauser Straße 4–6, 14197 Berlin Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen Poliklinik für Parodontologie, Zahnerhaltung und Präv. Zahnheilkunde, Universitätsklinikum Bonn Welschnonnenstraße 17, 53111 Bonn Univ.-Prof. Dr. Dr. Till Köhne Poliklinik für Kieferorthopädie Universitätsklinikum Leipzig Liebigstraße 12, Haus 1, 04103 Leipzig Prof. Dr. Norbert Krämer Poliklinik für Kinderzahnheilkunde, Universitätsklinikum Gießen Schlangenzahl 14, 35392 Gießen Prof. Dr. Ralph Luthardt Klinik für Zahnärztliche Prothetik, Department für Zahnheilkunde, Universitätsklinikum Ulm Albert-Einstein-Allee 1, 89081 Ulm Prof. Dr. Peter Pospiech Vogelweidestraße 5 97230 Estenfeld Prof. Dr. med. dent. Thomas Weischer Zentrum für Implantologie und Oralchirurgie der Kliniken Essen-Mitte, akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Duisburg-Essen Henricistraße 92, 45136 Essen Prof. Dr. Diana Wolff Mund-, Zahn- und Kieferklinik, Poliklinik für Zahnerhaltungs- kunde, Universitätsklinikum Heidelberg Im Neuenheimer Feld 400, 69120 Heidelberg Bezugspreise 2026* persönlicher Jahresbezugspreis Vorzugspreis für Ärzt*innen in der Weiterbildung und Studierende Abo 438,00 277,00 institutioneller Jahresbezugspreis 672,00** * Jährliche Bezugspreise in € (unverbindlich empfohlene Preise) inkl. der gesetzl. MWSt. und inkl. der Versand- und Handlingkosten. Preisänderungen vorbehalten. Nach einer Mindestlaufzeit von 12 Monaten verlängert sich das persönliche Abonnement unbe- fristet und kann jederzeit mit Wirksamkeit zum Monatsende des folgenden Monats gekündigt werden. Für institutionelle Abon- nements gilt eine Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Kalender- jahresende. 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Zahnmedizin up2date 3 · 2025 Implantologie 2 Materialunverträglichkeiten bei dentalen enossalen Implantaten Lena Katharina Müller-Heupt Elisabeth Jacobi-Gresser Bilal Al-Nawas DOI: 10.1055/a-2343-8078 Zahnmedizin up2date 2025; 19 (3): 193–205 ISSN 1865-0457 © 2025 Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
CME-Fortbildung Unter dieser Rubrik sind bereits erschienen: Patientenindividuelle Evaluation des Implantationszeit- punktes I. Becker, C. Walter, K. Sagheb Heft 2/2025 Differenzialdiagnostische Erwägungen zur Periimplantitis A.-K. Ha-Phuoc, T. Weischer Heft 1/2020 Apikale Implantatosteolysen – Ursachen und Therapien J. Lohmann, T. Weischer Heft 1/2025 Implantate und Kieferhöhle aus HNO-Sicht H. Behrbohm Heft 1/2020 Dentale Implantate und Unterkieferfrakturen – Ursachen, Therapie, Vorbeugung R. Damyanov, T. Weischer Heft 5/2024 Forensik in der Oralchirurgie/Implantologie – ein Überblick zu Haftungsfragen S. Zentai Heft 1/2020 Die implantatprothetische Rehabilitation von Tumorpatienten unter Berücksichtigung digitaler Operationsplanungs- methoden A.-S. Engel, T. Weischer Heft 2/2023 Die digitale Prozesskette in der Implantologie T. Flügge Heft 6/2019 Anwendung der aktuellen S3-Leitlinie „Dentale Implantate bei Patienten mit Immundefizienz“ in der Praxis F. Duttenhoefer, K. A. Grötz Heft 6/2022 Update Oberflächenanalysen: steril verpackte Implantate unter der Lupe D. U. Duddeck, C. M. L. Bollen Heft 3/2022 Implantologische Indikationen zur Anwendung von Knochen- ersatzmaterialien A. Pabst, P. W. Kämmerer, M. Tröltzsch, B. Al-Nawas Heft 2/2022 Anatomieassoziierte Blutungskomplikationen im Rahmen implantologischer Versorgungen des Unterkiefers L. Hart, T. Weischer Heft 1/2022 Blended-Learning in der postgraduierten oralmedizinischen Ausbildung – ein Gesamtkonzept U. Joos, U. Wegmann, C. Klümper Heft 6/2019 Implantationsassoziierte Nervschädigungen D. Kreuziger, T. Weischer Heft 5/2019 Keramikimplantate: Was wissen wir? S. Pieralli, R. Kohal, M. Bruhnke, B. Spies Heft 5/2018 Kurze und durchmesserreduzierte Implantate C. Walter Heft 2/2018 Implantatprothetische Rehabilitationen im Oberkiefer M. Fröhlich, F. Nagel Heft 6/2015 Zahnmedizin in Sedierung oder Intubationsnarkose – was ist zu beachten? A. Börgers, H. Groeben Heft 3/2021 Keramische Zahnimplantate S. Röhling, M. Gahlert Heft 5/2015 Weichgewebschirurgie in der Implantologie M. Joos, S. Kühl Heft 1/2021 Identifikation von inserierten Implantattypen C. Müller, J. Röckl Heft 3/2015 Explantation: Indikation, Technik, Folgebehandlung M. Eisenkopf, T. Weischer Heft 5/2020 Computergestützte Implantation M. Stoetzer, B. Rahlf, N.-C. Gellrich Heft 1/2015 Periimplantitis – Diagnostik und Therapie R. Thierbach Heft 5/2020 Indikationen zur dreidimensionalen Röntgendiagnostik in der oralen Implantologie J. Fleiner, A. Stricker Heft 4/2014 Membrananwendungen in der ZMK-Heilkunde A. Pabst, P. W. Kämmerer Heft 3/2020 Implantologie im Alter F. Kloss, I. Grunert Heft 6/2013 ALLES ONLINE LESEN IHR ONLINE-SAMMELORDNER JETZT FREISCHALTEN Mit der eRef lesen Sie Ihre Zeitschrift: online wie offline, am PC und mobil, alle bereits erschienenen Artikel. Für Abonnenten kostenlos! https://eref.thieme.de/68ZCJ Sie möchten jederzeit und überall auf Ihr up2date-Archiv zu- greifen? Kein Problem! Ihren immer aktuellen Online- Sammelordner finden Sie unter: https://eref.thieme.de/GWGJG Sie haben Ihre Zeit- schrift noch nicht freigeschaltet? Ein Klick genügt: www.thieme.de/eref-registrierung
CME-Fortbildung Materialunverträglichkeiten bei dentalen enossalen Implantaten Lena Katharina Müller-Heupt, Elisabeth Jacobi-Gresser, Bilal Al-Nawas Materialunverträglichkeiten sind in der Implantologie ein komplexes und zunehmend relevantes Thema, da immer mehr Patienten mit dentalen Implantaten versorgt werden. Das Verständnis der Unterschiede zwischen Allergien und Un- verträglichkeiten sowie der zugrunde liegenden immunologischen Mechanismen ist entscheidend, um die komplexe Thematik fassen zu können und potenzielle Symptome sowie laborchemische Testresultate richtig einordnen zu können. Definition und Klassifikation von allergischen Reaktionen DEFINITION Allergien sind spezifische immunologische Reaktio- nen, die durch eine Sensibilisierung des Immun- systems auf ein Allergen ausgelöst werden und sofortige oder verzögerte Symptome hervorrufen können. Die Klassifikation nach Coombs und Gell teilt allergische Reaktionen in 4 Typen ein: ▪ Typ I (Soforttyp): IgE-vermittelte Reaktion, die sofort nach Kontakt mit dem Allergen auftritt, z. B. eine aller- gische Reaktion auf Latexhandschuhe ▪ Typ II (zytotoxischer Typ): IgG- oder IgM-vermittelte Reaktion, die eine Zellzerstörung verursacht, jedoch in der Zahnmedizin selten ist ▪ Typ III (Immunkomplex-Typ): durch Immunkomplexe vermittelte Reaktion, ebenfalls selten in der Zahn- medizin ▪ Typ IV (verzögerter Typ): T-Zell-vermittelte Reaktion, die 24–72 Stunden nach Kontakt auftritt; sie ist in der Zahnmedizin am häufigsten, z. B. eine allergische Reaktion auf Metalle wie Nickel oder Acrylate Bedeutung von allergischen Reaktionen in der Zahnmedizin Allergische Reaktionen sind im oralen Bereich seltener als auf der Haut, weil die Mundschleimhaut weniger häufig potenziellen Induktoren von Kontaktallergien ausgesetzt ist als die Haut. Außerdem hat Speichel eine „Rinse-off“- Funktion [1], welche die Kontaktzeit zwischen der Schleimhaut und möglichen Allergenen verkürzt. Zudem gibt es im Mund eine geringere Dichte an dendritischen Zellen [2], welche für die Antigenprozessierung und -prä- sentation notwendig sind. Dies führt zu einer geringeren Wahrscheinlichkeit, dass eine Immunreaktion ausgelöst wird. Allergische Kontaktreaktionen an der Mundschleim- haut fallen zudem meist geringer aus als auf der Haut. Für den Behandler kann es herausfordernd sein, subjek- tive Empfindungen und objektive Symptome der Patien- ten im Zusammenhang mit Allergien oder Materialunver- träglichkeiten korrekt zu bewerten. Dies liegt u. a. daran, dass in der Zahnmedizin eine große Bandbreite an Werk- stoffen mit potenziellem Sensibilisierungspotenzial zum Einsatz kommt. Die Symptomatik bei Patienten, die eine Kontaktallergie auf ihre zahnärztlichen Restaurationsmaterialien ver- muten, ist häufig unspezifisch und schwer zuzuordnen. Beschwerden wie Mundtrockenheit, Schmerzen oder ein brennendes Gefühl werden nicht nur von Patienten mit tatsächlicher Materialunverträglichkeit berichtet, sondern treten auch bei anderen oralen Erkrankungen oder Reizre- aktionen auf [3]. Zu den objektivierbaren Symptomen einer kontaktallergischen Reaktion zählen die Stomatitis sowie lichenoide Reaktionen an der Mundschleimhaut [3]. Merke Die Überschneidung von Symptomen erschwert die eindeutige Diagnose einer echten kontaktallergischen Reaktion. Müller-Heupt L et al. Materialunverträglichkeiten bei dentalen ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 193–205 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 195
CME-Fortbildung Typ-IV-Sensibilisierung (Kontaktallergie) gegenüber Dentalmaterialien Pathophysiologie Für die Induktion einer Typ-IV-Sensibilisierung ist Voraus- setzung, dass sich gelöste Metallionen oder auch Kunst- stoffmonomere an körpereigene, in der Regel zelluläre Proteine binden und diesen durch Veränderung ihrer räumlichen Struktur (Hapten-Effekt) eine allergene Kom- petenz verleihen (▶ Abb. 1). Bis auf wenige Ausnahmen wie eine mögliche (Sofort-) Typ-1-Allergie auf Acrylatmonomere handelt es sich vor- wiegend um Typ-IV-Sensibilisierungen (Allergien vom Spät-Typ). Anders als bei der Sofort-Typ-Allergie, welche durch IgE-Antikörper vermittelt wird, bilden sich bei der Spät-Typ-Allergie (Allergie Typ IV nach Coombs und Gell) spezifisch gegen das Allergen gerichtete T-Lymphozyten, welche das Allergen bzw. allergenveränderte körperei- gene Protein (Hapten) als fremd erkennen und bei einem wiederholten bzw. dauerhaften Kontakt das Immunsys- tem aktivieren. Durch die bei Kontakt zum Allergen aus- gelöste Proliferation der spezifischen T-Lymphozyten kommt es zur Freisetzung von proentzündlichen Zyto- kinen aus den aktivierten T-Lymphozyten. Diese schütten im Wesentlichen Interferon-γ als Effektorzytokin aus. Da- raus resultieren eine lokale Symptomatik und/oder syste- mische Entzündungsreaktion. Diagnostik einer Typ-IV-Sensibilisierung Epikutantest (ECT) Eine bewährte Methode zur Diagnostik ist der Epikutan- test, der von einem Dermatologen durchgeführt wird. Dabei werden standardisierte Testreihen auf die Haut auf- getragen, die potenziell sensibilisierende Substanzen in dermatologisch geprüften und validierten Konzentratio- nen enthalten. Diese Testreihen werden von der Deut- schen Kontaktallergie-Gruppe (DKG), einer Arbeits- gemeinschaft der Deutschen Dermatologischen Gesell- schaft (DDG), entwickelt und dienen der zuverlässigen Identifikation von Materialunverträglichkeiten gegenüber Dentallegierungen, Kunststoffen und anderen zahnmedi- zinischen Werkstoffen. Lymphozytentransformationstest Der Lymphozytentransformationstest (LTT) weist eine al- lergische Reaktion des Patientenbluts in vitro nach. Der Nachweis von Metall- oder auch Monomersensibilisierun- gen erfolgt hierbei im heparinisierten Patientenblut [4, 5, 6, 7]. Hierbei werden die Lymphozyten und Monozyten des Patienten aus heparinisiertem Venenblut isoliert und in Zellkultur mit potenziellen Allergenen in Kontakt ge- bracht. Liegt eine Sensibilisierung vor, aktivieren und teilen sich die Lymphozyten spezifisch, was durch den Einbau radio- aktiv markierten Thymidins in die DNA nachgewiesen wird. Das Ergebnis wird als Stimulationsindex (SI) dar- gestellt, der das Verhältnis der Zellproliferation ohne All- ergen zur Proliferation nach Allergenkontakt angibt. Für die Durchführung stehen entsprechende Testpanels mit den gebräuchlichsten Dentalmaterialien zur Ver- fügung. Eine Abklärung individueller nativer Materialien ist ebenso möglich. Ein Fallbeispiel zeigt eine allergische Reaktion auf eine nickelhaltige Multibandapparatur (▶ Abb. 2). ▶ Abb. 1 Immunologischer Ablauf einer Typ-IV-Reaktion. Die Proliferation von spezifischen T-Lymphozyten wird im standardisierten Lymphozytenproliferationstest (LTT) gemessen. Quelle: Frau S. Thiel, IMD Berlin 196 Müller-Heupt L et al. Materialunverträglichkeiten bei dentalen ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 193–205 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
▶ Abb. 2 a Klinisches Bild einer allergischen Reaktion auf eine nickelhaltige Multibandapparatur, die sich nach Entfernung der Metall- bänder rasch zurückbildete; b im Lymphozytentransformationstest wurde eine Sensibilisierung auf Nickel nachgewiesen. Allergische oder sensibilisierende Substanzen in zahnmedizinischen Materialien In der Zahnmedizin werden zahlreiche Materialien ver- wendet, die potenziell allergische oder sensibilisierende Substanzen enthalten. Dentalmetalle wie Palladiumchlo- rid, Ammoniumtetrachloroplatinat und Kupfersulfat sind wesentliche Bestandteile von Edelmetall- und Nichtedel- metall-Legierungen, die in Kronen, Brücken, Inlays und Prothesen eingesetzt werden (▶ Tab. 1). Zu bedenken Die in zahnmedizinischen Restaurationsmaterialien enthaltenen Metalle wie Palladium, Platinverbindungen und Kupfer finden auch in Schmuck, chirurgischen Instrumenten und in der Industrie (z. B. Automobil- industrie) Verwendung. Müller-Heupt L et al. Materialunverträglichkeiten bei dentalen ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 193–205 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 197
CME-Fortbildung ▶Tab. 1 Dentalmetalle nach der DKG. Nr. Substanz Konzentration Einheit Lösungsmittel 1 2 3 4 5 6 Natriumthiosulfatoaurat Palladiumchlorid Zinn(II)-chlorid Kupfer(II)-sulfat-Pentahydrat Ammoniumtetrachloroplatinat Quecksilber(II)-amidchlorid ▶Tab. 2 Zahntechniker-Reihe nach der DKG. 0,25 1,0 0,5 1,0 0,25 1,0 % % % % % % Vas. Vas. Vas. Aqu. Vas. Vas. Nr. Substanz Konzentration Einheit Lösungsmittel 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 Ethylenglykoldimethacrylat (EGDMA) 2-Hydroxyethylmethacrylat (HEMA) Triethylenglykoldimethacrylat (TEGDMA) Methylmethacrylat 2-Hydroxypropylmethacrylat (HPMA) Benzoylperoxid Ethylacrylat 1,4-Butandioldimethacrylat (BUDMA) Ethylmethacrylat Melamin-Formaldehydharz Tetrahydrofurfurylmethacrylat Diurethandimethacrylat Glutaraldehyd 2,0 1,0 2,0 2,0 2,0 1,0 0,1 2,0 2,0 7,0 2,0 2,0 0,3 % % % % % % % % % % % % % Vas. Vas. Vas. Vas. Vas. Vas. Vas. Vas. Vas. Vas. Vas. Vas. Vas. Im Bereich der kunststoffbasierten Dentalmaterialien sind Methylmethacrylat (MMA), Ethylmethacrylat und Hydro- xyethylmethacrylat (HEMA) wichtige Bestandteile von Prothesenkunststoffen, Adhäsiven und Kompositfüllungs- materialien. Triethylenglykoldimethacrylat (TEGDMA) und Benzoylperoxid werden als Vernetzer und Initiatoren in Kunststofffüllungen, Prothesenmaterialien und Bonding- systemen verwendet (▶ Tab. 2). E XKURS Methacrylate als Kontaktallergene Methacrylate sind bekannte Kontaktallergene, die aufgrund einer Dauerexposition insbesondere auch in dentalen Berufen auftreten. Da Kunststoffe durch Speichelenzyme abgebaut werden können [8] lässt ein ausbleibender Nachweis eines Acrylats 2 mögli- che Schlüsse zu: Entweder wird das Monomer nicht freigesetzt, oder es wird im Speichel schnell zu anderen Metaboliten umgewandelt, und die Aus- gangssubstanz ist deshalb nicht mehr nachweisbar. Ein bekanntes Abbauprodukt ist Bisphenol A (BPA). Ein weiteres Abbauprodukt, Methacrylsäure (MA), entsteht aus verschiedenen Acrylaten und wird wohl in der Leber in das hochtoxische 2,3-Epoxy-MA um- gewandelt [9]. Die Identifikation von MA ist allerdings derzeit nur in der Grundlagenforschung möglich. Monomere in Kompositen können neben Sensibili- sierungen über Metaboliten auch toxische Wirkun- gen (Epoxidbildung) entfalten. Aufgrund der kom- plexen Zusammensetzung von Kompositmateria- lien ist eine absolute Sicherheit in der Aussage einer Verträglichkeitstestung kaum möglich. Nicht für alle Inhaltsstoffe sind bisher standardisierte Nach- weismethoden verfügbar. 198 Müller-Heupt L et al. Materialunverträglichkeiten bei dentalen ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 193–205 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
Titanunverträglichkeit: keine klassische Allergie Titan ist in der Zahnmedizin aufgrund seiner hervorragen- den Biokompatibilität ein weit verbreitetes Material für Implantate. Kontaktallergien, die gemäß der Klassifikation von Coombs und Gell als verzögerte Überempfindlich- keitsreaktionen vom Typ IV eingestuft werden, treten bei Titan jedoch äußerst selten auf [10]. Dies ist darauf zu- rückzuführen, dass Titan eine hohe Affinität zu Sauerstoff besitzt, wodurch es nach Kontakt mit Luft oder Gewebe sofort eine stabile Schicht aus Titanoxid bildet [11, 12]. Diese Schicht ermöglicht die Adsorption von Proteinen auf der Implantatoberfläche, ohne dass deren natürliche Konformation (räumliche Struktur) wesentlich verändert wird [12]. Merke Haptene sind kleine Moleküle, die für sich alleine keine Immunantwort auslösen, jedoch immunogen werden, wenn sie an ein Trägerprotein binden (▶ Abb. 3). Wenn Proteine in ihrer natürlichen Konformation auf der Titanoxidschicht verbleiben und sich nur schwach elektro- statisch an die Oberfläche binden, wird die Bildung von Hapten-Protein-Komplexen erschwert. Veränderungen in der Struktur körpereigener Proteine verändern diese zu einem Fremdprotein, und somit wird eine Immunreaktion hervorgerufen. Merke Die geringe elektrostatische Wechselwirkung von Titan- oxid mit Proteinen trägt dazu bei, dass es als biologisch inert angesehen wird und darüber hinaus kein allerge- nes Potenzial besitzt [12]. Bei der Bewertung wissenschaftlicher Literatur zu diesem Thema sollte berücksichtigt werden, dass Titandioxid nicht nur in dentalen und medizinischen Materialien, son- dern auch in Kosmetika wie Zahnpasta sowie in Arznei- mitteln vorkommen kann. Aufgrund möglicher genotoxischer Effekte, also eines po- tenziellen Risikos für DNA-Schäden, wurde Titaniumdioxid (E171) in der EU ab dem 7. August 2022 als Lebensmittel- zusatzstoff verboten. Die Europäische Behörde für Le- bensmittelsicherheit (EFSA) konnte eine gesundheitliche Unbedenklichkeit nicht mehr bestätigen, weshalb das Verbot ausgesprochen wurde. Vor dem Verbot war E171 unter anderem in Kaugummi, Süßwaren, Suppen und Farbstoffen für Lebensmittel weit verbreitet. Eine Studie konnte nachweisen, dass Titanpartikel in Zell- abstrichen aller untersuchten Gruppen vorhanden waren – selbst bei Probanden, welche keine Titanimplantate tru- gen [13]. Wurde jedoch die Aufnahme titanhaltiger Le- bensmittel und Zahnpasta kontrolliert, fanden sich keine Titanpartikel im Gewebe von klinisch gesunden Implanta- ten. Dies deutet darauf hin, dass externe Titanquellen, wie titandioxidhaltige Lebensmittel, die Analyse von Titan- partikeln beeinflussen und somit zu methodischen Ver- zerrungen führen könnten. Wie gelangen Titanpartikel in das periimplantäre Gewebe? Histopathologische Untersuchungen von humanem Ge- webe belegen, dass Titanpartikel aus Implantaten in das umliegende Gewebe übertreten können (▶ Abb. 4). In- wieweit dies zur Entstehung einer Periimplantitis beiträgt, ist jedoch weiterhin Gegenstand wissenschaftlicher Dis- kussion. Titanpartikel durch mechanischen Abrieb konn- Metallionen (Hapten) Titandioxid Partikel Protein Hapten- Protein- Komplex Makro- phagen T-Gedächtniszell- Proliferation aktivierte Makrophagen ▶ Abb. 3 Allergie versus Materialunverträglichkeit. Müller-Heupt L et al. Materialunverträglichkeiten bei dentalen ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 193–205 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 199
CME-Fortbildung gend immunologische Reaktionen im umliegenden Ge- webe auslösen [17, 18, 19]. Die Intensität dieser Reaktion ist hierbei von individuellen immunologischen Faktoren abhängig. Auch die Abgrenzung von einer bakteriell be- dingten Periimplantitis ist schwierig, da sowohl bakterielle Trigger als auch partikelinduzierte Entzündungsreaktio- nen sich gegenseitig verstärken und möglicherweise in einem pathophysiologischen Zusammenhang stehen. Merke Eine genetische Entzündungsprädisposition verstärkt die Reaktion auf Titanpartikel. In der wissenschaftlichen Literatur konnte eine Assozia- tion zwischen einer genetischen Entzündungsprädispositi- on [20] und einem verstärkten Auftreten von periimplan- tären Entzündungen bei erhöhtem Partikelaufkommen im periimplantären Gewebe gezeigt werden (▶ Abb. 5). Durch Polymorphismen auf zytokinproduzierenden Ab- schnitten des TNFα- und IL-1-Gens kommt es zu einer verstärkten proentzündlichen Immunreaktion auf einen Partikelreiz. Vor allem bei gleichzeitigem Vorliegen meh- rerer dieser Polymorphismen zeigt sich eine Assoziation für das Risiko, eine Periimplantitis zu entwickeln oder ei- nen Implantatverlust zu erleiden [21]. Weitere Studien zum Pathomechanismus der periimplantären Entzündung und den daraus abzuleitenden Präventions- und Therapie- strategien sind erforderlich. ▶ Abb. 4 Titanpartikel-Konglomerate in periimplantärer Schleimhaut um ein Titanimplantat umgeben von Entzün- dungszellen. ten in Konzentrationen zwischen 100 und 300 ppm nach- gewiesen werden [14]. Mechanische Belastungen wäh- rend der Insertion des Implantats sowie Mikrobewegun- gen an der Implantat-Abutment-Schnittstelle können in Kombination mit korrosiven Prozessen zur Freisetzung von Titanpartikeln führen – ein Phänomen, das als Biotri- bokorrosion bezeichnet wird [15, 16]. Auch das Scaling der Implantatoberfläche kann zur Freisetzung von Titan- partikeln in das umliegende Gewebe führen [15]. Die Ti- im periimplantären Bereich können nachfol- tanpartikel ▶ Abb. 5 Pathomechanismus der durch Titanpartikel getriggerten periimplantären Entzündung mit Makrophagenaktivierung. Quel- le: S. Thiel, IMD-Berlin 200 Müller-Heupt L et al. Materialunverträglichkeiten bei dentalen ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 193–205 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
Eine klare Abgrenzung von einer bakteriell bedingten Peri- implantitis ist schwierig, da sowohl bakterielle Trigger als auch partikelinduzierte Entzündungsreaktionen sich ge- genseitig verstärken und möglicherweise in einem patho- physiologischen Zusammenhang stehen [22]. Es konnte eine Assoziation von pathogenem Mikrobiom (vorwie- gend Veilonella) in tief periimplantären Taschen entzünde- ter Implantate gefunden werden, die ebenfalls eine deut- lich erhöhte Titanpartikelbeladung aufwiesen – im Ver- gleich zu gesunden Implantaten mit wesentlich geringe- rem Partikelaufkommen. Diagnostik einer Titanunverträglichkeit Ein gründliches Anamnesegespräch und eine klinische Diagnostik sind essenziell, wenn der Verdacht auf eine Unverträglichkeit gegenüber Titanimplantaten besteht. Bei Verdacht auf eine Unverträglichkeitsreaktion sind die klinischen Symptome der Patienten für die therapeutische Entscheidungsfindung entscheidend. Diese Symptome zeigen sich durch lokale entzündlich bedingte Immunre- aktionen, welche die Osseointegration beeinträchtigen. Merke Klassische Allergietests werden zur Diagnose einer möglichen Titanunverträglichkeit nicht empfohlen. Da Titanoxid keine Allergie im engeren Sinne auszulösen vermag und es sich laut aktueller Evidenz eher um eine Unverträglichkeitsreaktion handelt, sind klassische Aller- gietests wie der Epikutantest oder der Lymphozytentrans- formationstest laut der aktuellen S3-Leitlinie (▶ Tab. 3) keine geeigneten Tests für die Diagnostik. Sie sollten daher weder für eine routinemäßige Unter- suchung aller Patienten noch für solche mit relevanten Vorerkrankungen oder Verdacht auf postimplantations- bedingte Unverträglichkeiten eingesetzt werden. (LTT) Potenzielles Allergierisiko durch Suprakonstruktionen Bei der Diskussion über Metallallergien oder Unverträg- lichkeitsreaktionen gegenüber Titan ist es wichtig zu be- achten, dass enossale Implantate hauptsächlich aus Rein- titan (Grad 4) bestehen. Dieses Material ist aufgrund sei- ner hervorragenden Biokompatibilität und Stabilität be- sonders geschätzt. Es enthält in der Regel nur minimale Mengen an anderen Elementen und ist daher weniger verdächtig für allergische Reaktionen. ▶Tab. 3 Empfehlungen der Leitlinie „Materialunverträglichkeiten bei dentalen, enossalen Implantaten“, Langfassung, Version 1.0, 2022, AWMF-Registernummer 083-041. evidenzbasierte Empfehlung Qualität der Evidenz 1: Prädiktiver Epikutantest auf Titan (starker Konsens). Der ECT zur Abklärung einer potenziell bestehenden Sensibilisierung (in der Literatur als prophetische Testung bezeichnet) soll nicht durchgeführt werden. moderat (++++) 2: Prädiktiver Epikutantest auf Titan mit anamnestisch allergischen Symptomen (starker Konsens). Der ECT soll auch bei Patienten mit anamnestisch relevanten Vorerkrankungen nicht durchgeführt werden. 3: Epikutantest auf Titan bei klinischem V. a. Unverträglichkeitsreaktion (starker Konsens). Der ECT soll auch bei Patienten mit Verdacht auf klinische Unverträglichkeitsreaktion nicht durchgeführt werden. 4: Prädiktiver LTT bezüglich Titan (starker Konsens). Der LTT zur Abklärung einer potenziell bestehenden Sensibilisierung gegenüber Titan (in der Literatur als prophetische Testung bezeichnet) soll nicht durchgeführt werden. gering (++−−) gering (++−−) gering (++−−) 5: Prädiktiver LTT bezüglich Titan mit anamnestisch allergischen Symptomen (starker Konsens). Der LTT in Bezug auf Titan soll auch bei Patienten mit anamnestisch relevanten Vorerkrankungen nicht durchgeführt werden. gering (++−−) 6: Diagnose bei klinischem Verdacht auf Unverträglichkeitsreaktion auf Titan (starker Konsens). Der LTT soll auch bei Patienten mit Verdacht auf klinische Unverträglichkeitsreaktion auf Titan nicht durchgeführt werden. gering (++−−) 7: Suprakonstruktionen (starker Konsens). Es soll bedacht werden, dass die Suprakonstruktion zu Unverträglich- keitsreaktionen bzw. Allergien führen kann. Es ist hierbei an andere Legierungsbestandteile und Verunreinigungen sowie Klebstoffe zu denken. sehr gering (+−−−) 8: Therapieoptionen bei Titanunverträglichkeit (starker Konsens). Für Patienten mit vermuteter Titan- unverträglichkeit können auch dentale Keramikimplantate als Therapieoption in Betracht gezogen werden. Wir verweisen an dieser Stelle auf die S3-Leitlinie Keramikimplantate (AWMF-Registernummer 083-039). gering (++−−) Die Qualität der Evidenz wurde in 4 Stufen als hoch (++++), moderat (+++), gering (++) oder sehr gering (+) bewertet. Konsensstärke: „Starker Konsens“ bedeutet die Zustimmung von > 95 % der Teilnehmer der Abstimmung in der Leitliniengruppe. Empfehlungsgrade: soll/soll nicht = starke Empfehlung; sollte/sollte nicht = Empfehlung; können/kann verzichten = Empfehlung offen. ECT = Epikutantest; LTT = Lymphozytentransformationstest Müller-Heupt L et al. Materialunverträglichkeiten bei dentalen ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 193–205 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 201
CME-Fortbildung In Suprakonstruktionen finden jedoch häufig Titanlegie- rungen (Grad 5) und andere Metalllegierungen Verwen- dung. Diese Legierungen bestehen typischerweise aus 90 % Titan, 6 % Aluminium und 4 % Vanadium. Leider sind auch geringste Anteile an Nickel enthalten, die bei Nickel- sensibilisierten Beachtung finden müssen. Die Zugabe von Aluminium und Vanadium verbessert die mecha- nischen Eigenschaften der Legierung, kann jedoch auch zu allergischen Reaktionen führen, da diese Metalle aller- genes Potenzial haben können. Explantation nur als letzte Option nach leitlinienkonformer Periimplantitis-Therapie Die Explantation von Implantaten sollte nur als letzte Op- tion in Betracht gezogen werden und erfordert eine äu- ßerst strenge Indikationsstellung. Für Patienten, bei de- nen eine Titanunverträglichkeit vermutet wird, könnten zahnmedizinische Keramikimplantate eine mögliche The- rapieoption darstellen. Hierbei wird auf die S3-Leitlinie für Keramikimplantate (AWMF-Registernummer: 083-039) verwiesen. Da es für kieferorthopädische Verankerungs- schrauben keine keramischen Alternativprodukte gibt, empfiehlt es sich, auf herkömmliche Verankerungsmetho- den zurückzugreifen, da diese nur eine begrenzte Verweil- dauer in situ haben. KERNAUSSAGEN ▪ Titan wird in der Zahnmedizin aufgrund seiner guten Biokompatibilität häufig verwendet. ▪ Klassische Allergien gegen Titan sind extrem selten. ▪ Histopathologische Studien zeigen, dass Titan- partikel im periimplantären Gewebe nachgewie- sen werden können, ihr Einfluss auf die Entste- hung von Periimplantitis wird jedoch noch kon- trovers diskutiert. ▪ Bei der therapeutischen Entscheidungsfindung führt die Klinik des Patienten, klassische Allergie- tests werden nicht empfohlen. ▪ Alternative Auslöser, wie beispielsweise Metalle in Suprakonstruktionen und Klebstoffe oder Zemente, sollten bei der Entscheidungsfindung mitbedacht werden. ▪ Eine Explantation sollte nur als letzte Option erwogen werden. ▪ Zur Vermeidung titanassoziierter Reaktionen können Keramikimplantate eine mögliche Alter- native bieten. Interessenkonflikt Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Autorinnen/Autoren Dr. Dr. Lena Katharina Müller-Heupt 2008–2018 Studium der Medizin und Zahnme- dizin an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz; 2017–2019 Fernstudium in Journalismus an der Freien Journalistenschule Berlin. Seit 2019 Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbei- terin in der Poliklinik für Parodontologie und Zahnerhaltung, Universitätsmedizin Mainz. Wissenschaftliche Schwerpunkte: dentale Biomaterialien und Tissue Engineering, Phytotherapeutika, translationale Zahnmedizin und orales Mikrobiom. Dr. Elisabeth Jacobi-Gresser 1972 bis 1977 Studium, anschließend Ausbil- dung in Oralchirurgie an der Unimedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, seit 1981 Fachzahnärztin für Oralchirurgie, TSP Implantologie. Ausbildungen und Diplome in komplementärmedizinischen Bereichen (CAM). 1982–2018 niedergelassen in Praxisgemeinschaft, danach bis 2025 angestellt tätig. Tätigkeitsschwerpunkte: Implantologie, Umweltzahnmedizin. Aktuell in Privatpraxis niedergelassen. Univ.-Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas 1986–1996 Studium und Promotion in Medizin und Zahnmedizin, 2004 Habilitation. Seit 2001 Facharzt für Mund-Kiefer und Gesichtschirurgie, Zusatzbezeichnung Plastische und ästhetische Operationen, seit 2001 Fachzahnarzt für Oral- chirurgie. DGI Spezialist für Implantologie. Seit 2009 Gastprofessor an der Kyung Hee University Department of Oral and Maxillofacial Surgery, Seoul, Korea und am Kanga- wa Dental College, Yokohama, Japan. Seit 2017 Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie – plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz. Prodekan Lehre des Fachbereichs Medizin. Korrespondenzadresse Dr. Dr. Lena Katharina Müller-Heupt Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Augustusplatz 2 55131 Mainz Deutschland Lena_Katharina.Mueller@unimedizin-mainz.de Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungs- bestimmungen: Dr. Dr. Lena Katharina Müller-Heupt, Mainz 202 Müller-Heupt L et al. Materialunverträglichkeiten bei dentalen ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 193–205 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
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CME-Fortbildung Punkte sammeln auf CME.thieme.de Die Teilnahme an dieser Fortbildungseinheit ist in der Regel 12 Monate möglich, solange ein aktives Abonnement besteht. Unter https://eref.thieme.de/CXNTD7C oder über den QR-Code kommen Sie direkt zur Startseite des Wissenstests und zum Artikel. Sie finden dort auch den genauen Einsendeschluss. Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, finden Sie unter https://cme.thieme.de/hilfe eine ausführliche Anleitung. Wir wünschen viel Erfolg beim Beantworten der Fragen! Frage 1 Welche Aussage zur Coombs- und Gell-Klassifikation der Hyper- sensitivitätsreaktionen ist korrekt? A Typ-I-Reaktionen sind durch T-Zell-vermittelte Mechanismen gekennzeichnet. Frage 3 Wie wird der Epikutantest (ECT) zur Diagnostik von Kontakt- allergien gegenüber Dentalmaterialien durchgeführt? A Die Testsubstanzen werden subkutan injiziert und nach 15 Minuten auf eine Sofortreaktion überprüft. B Typ-II-Reaktionen beruhen auf Immunkomplexen, die in B Die Testsubstanzen werden auf eine Schleimhautoberfläche Geweben abgelagert werden. C Typ-III-Reaktionen spielen bei Kontaktallergien eine zentrale Rolle. D Typ-IV-Reaktionen sind durch eine zellvermittelte Immun- antwort (T-Lymphozyten) charakterisiert. aufgetragen und nach 24 Stunden ausgewertet. C Die Testsubstanzen werden in definierten Konzentrationen unter Okklusion auf die Haut aufgebracht und nach 24, 48 und 72 Stunden abgelesen. D Die Testsubstanzen werden mit einer feinen Lanzette in die E Alle Hypersensitivitätsreaktionen werden ausschließlich durch Epidermis eingebracht und nach 20 Minuten bewertet. Antikörper vermittelt. E Die Testsubstanzen werden nasal appliziert, um eine Schleim- Frage 2 Warum sind allergische Reaktionen in der Mundhöhle seltener als auf der Haut? A Die Mundschleimhaut besitzt eine höhere Dichte an dendri- tischen Zellen. hautreaktion zu provozieren. Frage 4 Welche Aussage zu Titanunverträglichkeiten ist korrekt? A Titan verursacht häufig IgE-vermittelte Typ-I-Allergien. B Der Epikutantest ist ein zuverlässiger Nachweis für eine B Der Speichel hat eine „Rinse-off“-Funktion und verkürzt die Titanallergie. Kontaktzeit mit Allergenen. C Titanhaltige Implantate führen immer zu einer immunologi- C Immunzellen der Mundschleimhaut reagieren empfindlicher schen Reaktion. auf Allergene. D Titan kann immunologische Reaktionen durch Partikelabrieb D Die Antigenpräsentation in der Mundschleimhaut erfolgt hervorrufen. verstärkt durch Mastzellen. E Titan ist biologisch vollständig inert und kann keine Immun- E Die Mundschleimhaut hat eine dickere Keratinschicht als die reaktionen auslösen. Haut. Frage 5 Welche Eigenschaft eines Dentalmaterials kann zur Sensibilisie- rung und zu möglichen Unverträglichkeitsreaktionen beitragen? A hohe mechanische Stabilität und Biokompatibilität B hohe Abriebfestigkeit und geringe Löslichkeit C niedrige Wärmeleitfähigkeit und chemische Inertheit D Freisetzung von Metallionen oder Monomeren, die mit körpereigenen Proteinen interagieren können E vollständige Korrosionsresistenz ohne Materialabrieb 204 Müller-Heupt L et al. Materialunverträglichkeiten bei dentalen ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 193–205 | © 2025. Thieme. All rights reserved. ▶ Weitere Fragen auf der folgenden Seite …
Punkte sammeln auf CME.thieme.de Fortsetzung … Frage 6 Was beschreibt den Hapten-Effekt im Zusammenhang mit Dentalmaterialien? A Eine Substanz kann eine Immunreaktion auslösen, ohne vorherige Sensibilisierung des Immunsystems. Frage 9 Welche Aspekte sollten bei Verdacht auf eine Materialunverträg- lichkeit gegenüber Implantaten in die Therapieentscheidung einfließen? A Eine Explantation sollte frühzeitig erfolgen, um mögliche B Metallionen und andere kleine Moleküle verhindern die Immunreaktionen zu vermeiden. B Nur das Implantatmaterial selbst kann zu Unverträglichkeits- reaktionen führen, nicht jedoch Suprakonstruktionen oder Klebstoffe. C Die klinische Symptomatik ist entscheidend, eine leitlinienge- rechte periimplantäre Therapie sollte stets vor einer Explanta- tion erfolgen, zudem sollten auch Suprakonstruktionen und Klebstoffe als mögliche Ursache geprüft werden. D Ein Verdacht auf Materialunverträglichkeit kann ausschließlich durch Laboruntersuchungen diagnostiziert werden. E Keramikimplantate stellen keine Alternative zu Titanimplanta- ten dar. Frage 10 Welche Substanz wird in zahnmedizinischen Kunststoffen verwendet und kann allergische Reaktionen hervorrufen? A Aluminiumoxid B Glaskeramik C Kalziumphosphat D Methylmethacrylat (MMA) E Titanoxid Aktivierung von T-Lymphozyten. C Immunreaktionen auf Dentalmaterialien entstehen aus- schließlich durch dendritische Zellen. D Kleine Moleküle wie Metallionen oder Monomere binden an körpereigene Proteine und werden dadurch für das Immun- system erkennbar. E Der Hapten-Effekt spielt nur bei IgE-vermittelten Soforttyp- Allergien eine Rolle. Frage 7 Warum werden klassische Allergietests (Epikutantest, LTT) für die Diagnose einer Titanunverträglichkeit nicht empfohlen? A Titan ist ein zu starkes Allergen für diese Tests. B Diese Tests sind nur für Typ-I-Allergien geeignet. C Die immunologische Reaktion auf Titan ist keine klassische Allergie. D Es gibt keine standardisierten Testsubstanzen für Titan. E Titan kann im Körper nicht freigesetzt werden. Frage 8 Was ist eine potenzielle Folge der Freisetzung von Titanpartikeln im periimplantären Gewebe? A Stimulierung der Osseointegration B sofortige allergische Reaktion mit anaphylaktischem Schock C Schutz vor bakteriellen Infektionen durch antimikrobielle Wirkung von Titan D verstärkte Aktivierung von Makrophagen und Freisetzung proinflammatorischer Zytokine E Bildung von Antikörpern gegen Titanpartikel Müller-Heupt L et al. Materialunverträglichkeiten bei dentalen ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 193–205 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 205
INTERDISZIPLINÄR INTERDISZIPLINÄR UND MAXIMAL PRAXISNAH UND MAXIMAL PRAXISNAH BERUHT AUF BERUHT AUF MEHREREN AGZSH-STUDIEN MEHREREN AGZSH-STUDIEN Welche Therapieoptionen gibt es bei obstruktiver Schlafapnoe und Schnarchen? Dieses interdisziplinäre Kompendium zeigt Ihnen die Möglichkeiten und Grenzen der zahnärztlichen Therapie. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Behandlung mit intraoralen Protrusionsschienen, die für Erwachsene jetzt neu zur Kassenleistung zählen. Abgerundet wird das Thema mit Diskussionen von Teil- und Misserfolgen, sowie Komplikationsmanagement. Rund 80 Fallbeispiele, eine Fülle von Abbildungen und ca. 100 Videoclips von Somnoskopien sorgen für maximale Praxisnähe. Buch + Online-Version in der eRef ISBN 978 3 13 241970 4 www.thieme.de/shop . 9 9 4 3 A R H , t r a g t t u t S r e t s i g e r s l e d n a H d n u - z t i S , G K g a l r e V e m e h T g r o e G i . t e n h c e r e b r e t i e w n e t s o k d n a s r e V n e d n e l l i a f n a e d n e d r e w ] D l [ b a h r e ß u a n e g n u r e f e i L i e B . n e t l a h e b r o v r e m ü t r r I d n u n e g n u r e d n ä s i e r P
Weil man nicht alles im Kopf haben kann Welche Okklusionskonzepte gibt es? Wie plane ich ein Implantat? Was tun bei anaphylaktischem Schock? Endokarditisprophylaxe? Zahnbehandlung in der Schwangerschaft? Milchzahnendodontie? Veneers? Im Memorix Zahnmedizin findest du Antworten auf all deine Fragen. Es vermittelt Fakten, gibt praktische Tipps für den zahnmedizinischen Alltag und für Notfallsituationen – das Memorix ist ein MUSS für jede Zahnärztin/jeden Zahnarzt. Kompakter und schneller geht’s nicht. Jetzt wieder auf dem aktuellen Stand: Im neuen Format und jetzt endlich auch in Farbe! Online in via medici ISBN 978 3 13 241776 2 shop.thieme.de i e m e h T © . 9 9 4 3 A R H , t r a g t t u t S r e t s i g e r s l e d n a H d n u - z t i S , G K g a l r e V e m e h T g r o e G i . t e n h c e r e b r e t i e w n e t s o k d n a s r e V n e d n e l l i a f n a e d n e d r e w ] D l [ b a h r e ß u a n e g n u r e f e i L i e B . n e t l a h e b r o v r e m ü t r r I d n u n e g n u r e d n ä s i e r P
Zahnmedizin up2date 3 · 2025 Kinder- und Jugendzahnheilkunde 4 Narkosebehandlung in der Kinderzahnmedizin im Klinikkontext Maria Hofmann Nelly Schulz-Weidner DOI: 10.1055/a-2343-7809 Zahnmedizin up2date 2025; 19 (3): 209–223 ISSN 1865-0457 © 2025 Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
CME-Fortbildung In dieser Rubrik sind bereits erschienen: Pädiatrische Aspekte in der Kinderzahnheilkunde – Teil 1 J. de Laffolie Heft 5/2024 Milchzahnendodontie K. Bekes Heft 5/2018 Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko S. Hertel, J. Timpel Heft 3/2023 Frühzeitiger Milchzahnverlust und deren Ersatz durch Lückenhalter und Kinderprothesen N. Schulz-Weidner, C. Uebereck Heft 1/2018 Zahnärztliche Röntgendiagnostik bei Kindern und Jugend- lichen R. Heinrich-Weltzien, J. Kühnisch Heft 5/2022 Lachgassedierung in der Kinderzahnheilkunde I. von Gymnich Heft 5/2016 Anästhesie bei Kindern und Jugendlichen mit Behinderung M. Laschat, J. Kaufmann, F. Wappler Heft 4/2022 Traumatologie der unreifen bleibenden Dentition N. Schulz- Weidner, C. Uebereck, N. Krämer Heft 2/2016 Interdisziplinäre Früherkennungsuntersuchungen in der Kinderzahnmedizin A. Geiken, L. Holtmann C. Graetz Heft 4/2022 Aktuelle Präventionsansätze bei Kleinkindern U. Schiffner Heft 5/2021 Hypnose bei der Zahnbehandlung von Kindergarten- und Grundschulkindern G. Zehner, H.-C. Kossak Heft 1/2016 Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation R. Steffen, N. Krämer, H. van Waes Heft 4/2015 (Nicht-)Invasive Konzepte bei Frühkindlicher Karies S. Amend, N. Krämer Heft 4/2021 MTA in der Kinderzahnmedizin – Grundlagen zum Material und Anwendungen in der Kinderzahnmedizin R. Steffen, N. Krämer, H. van Waes Heft 6/2014 Traumatologie im Milchgebiss – ein Update M. Möhn, N. Krämer Heft 4/2021 Zahnärztlich-chirurgische Maßnahmen bei Kindern G. Viergutz, G. Hetzer Heft 5/2013 Standards der Fissuren- und Grübchenversiegelung R. Heinrich-Weltzien, J. Kühnisch Heft 6/2020 Mundgesundheitsförderung ab der Geburt Y. Wagner Heft 5/2019 Aktuelle Präventionskonzepte bei Kleinkindern mit erhöhtem Kariesrisiko U. Schiffner Heft 4/2019 Schmerzausschaltung bei Kindern und Jugendlichen – Grund- lagen der Lokalanästhesie R. Steffen, E. Stratigaki Heft 6/2018 Milchzahnkronen – vom Klassiker zur High-End-Versorgung A. Lauenstein-Krogbeumker Heft 6/2018 Gruppenprophylaxe für Kinder von 0 bis 6 Jahren A. Thumeyer Heft 6/2018 Zahnärztliche Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen R. Heinrich- Weltzien, J. Kühnisch, K. Bücher Heft 4/2013 Problem Milch-5er – Persistenz, Nichtanlage, erschwerter Durchbruch, Ankylose R. Steffen, H. van Waes Heft 6/2012 Behandlungskonzept von Kindern in Sedierung oder Vollnarkose V. Bürkle Heft 4/2011 Schmerzausschaltung bei Kindern und Jugendlichen M. Daubländer, N. Shabazfar, P. Kämmerer Heft 3/2011 Kariesprophylaxe in der Kinderzahnheilkunde U. Schiffner Heft 6/2010 ALLES ONLINE LESEN IHR ONLINE-SAMMELORDNER JETZT FREISCHALTEN Mit der eRef lesen Sie Ihre Zeitschrift: online wie offline, am PC und mobil, alle bereits erschienenen Artikel. Für Abonnenten kostenlos! https://eref.thieme.de/68ZCJ Sie möchten jederzeit und überall auf Ihr up2date-Archiv zu- greifen? Kein Problem! Ihren immer aktuellen Online- Sammelordner finden Sie unter: https://eref.thieme.de/GWGJG Sie haben Ihre Zeit- schrift noch nicht freigeschaltet? Ein Klick genügt: www.thieme.de/eref-registrierung
CME-Fortbildung Narkosebehandlung in der Kinderzahnmedizin im Klinikkontext Maria Hofmann, Nelly Schulz-Weidner Die Narkosebehandlung ermöglicht im Bereich der Kinderzahnmedizin für viele Patienten mit eingeschränkter Compliance und/oder mit besonderen Gesundheits- bedürfnissen (Co-Morbiditäten) überhaupt erst einen Zugang zu einer zahnmedizi- nischen Behandlung. Diese Patienten werden dabei in der Regel in spezialisierten Zentren behandelt. Der vorliegende Artikel stellt die Planung und Durchführung der Behandlung eines Patienten mit einem komplexen Herzfehler dar. Anamnese, Befunderhebung und Diagnose Die allgemeine und spezielle Anamnese stellt die Voraus- setzung zur zahnärztlichen Weiterbehandlung dar. Hier erfolgt neben der Erhebung möglicher Allgemeinerkran- kungen auch die Ernährungs- und Mundhygieneanam- nese sowie eine Schmerzanamnese, um die Dringlichkeit der Akuttherapie festzustellen. Insbesondere bei Patien- ten mit Co-Morbiditäten müssen eingenommene Medika- mente dokumentiert werden. So ist bei Kindern mit Herz- erkrankungen neben möglichen Medikationen, wie Blut- drucksenkern und Blutverdünnern, auch die Endokarditis- prophylaxe zu bedenken. In der Regel liegen hierfür spe- zielle Ausweise (Endokarditisprophylaxe-Pass) vor. Darü- ber hinaus muss die Gefahr der Ausbildung dentogener Infektionen bei Nichtbehandlung, insbesondere im Hin- blick auf ein Bakteriämierisiko, vor allem bei Kindern mit Herzbefund beachtet werden. Die Ernährungs- und Mundhygieneanamnese zeigt dabei die Frequenz der zuckerreichen Ernährung/Trinkgewohn- heiten. Inwiefern die Mundhygiene wie und in welchem Maße stattfindet, sollte ebenfalls dokumentiert werden, damit hier im Rahmen der Früherkennungsuntersuchun- gen die zahnmedizinische Prophylaxe besser ansetzen kann. Der Anamnese schließt sich die klinische und röntgenolo- gische Diagnostik an. Mittels visueller Inspektion wird da- bei die Karieserfahrung beurteilt. Falls möglich, wird die klinische Diagnostik durch eine röntgenologische Untersuchung untermauert. Hierfür eignen sich vor allem Bissflügelaufnahmen. Orthopanto- mogramme (OPG) können jedoch auch zum Einsatz kom- men. FALLBEISPIEL ▶ Abb. 1 und ▶ Abb. 2 zeigen die klinische Situation eines 6-jähri- gen Jungen mit kariösem Gebisserkrankungszustand mit einem komplexen angeborenen Herzfehler (hypoplastisches Linksherz- syndrom mit multiplen Voroperationen) bei Erstvorstellung in der Poliklinik für Kinderzahnheilkunde. Weitere Korrekturoperationen des Herzens sind bereits geplant. Der Patient nimmt täglich Blut- drucksenker (Spironolacton) und Blutverdünner (Marcumar) ein. Weiterhin erfordert der Herzbefund des Patienten eine Endokar- ditisprophylaxe vor zahnmedizinischen Eingriffen mit Bakteri- ämierisiko. ▶ Abb. 1 Oberkieferaufbissaufnahme bei Erstaufnahme (zusam- mengesetzte Fotodokumentation). Frühes Wechselgebiss mit durchgebrochenen bzw. durchbrechenden bleibenden Zähnen 16, 26 bzw. 11, 21. Dentinläsionen mit Schmelzeinbruch der Milchzäh- ne 64 distal und 65 mesial. Hofmann M, Schulz-Weidner N. Narkosebehandlung in der ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 209–223 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 211
CME-Fortbildung FALLBEISPIEL – FORTSETZUNG Laut Aussage des Patienten bestehen Spontanbeschwerden auf der linken Seite des Unterkiefers. Die eingehende Untersuchung ergab dabei keine auffälligen Gesichtsasymmetrien oder Schwel- lungen. ▶ Abb. 2 Unterkieferaufbissaufnahme bei Erstaufnahme (zusam- mengesetzte Fotodokumentation). Dentinläsionen mit Schmelz- einbruch der Milchzähne 75 mesial-lingual, 74 distal und 85 mesial- lingual. Wurzelrest Zahn 84. Platzmangel in der Unterkieferfront mit lingualem Durchbruch des Zahnes 32 bei Persistenz des Milch- zahnes 72. ▶ Abb. 3 zeigt das zugehörige OPG des 6-jährigen Patienten. ▶ Abb. 3 Orthopantomogramm (OPG) zum Zeitpunkt der Erstauf- nahme: Anlagen aller bleibender seitlicher Inzisivi, Canini, Prämola- ren und zweiter Molaren sichtbar. Anlage dritter bleibender Mola- ren alterstypisch noch nicht feststellbar. C3-Läsionen der Milchzäh- ne 55 mesial und 54 distal. C4-Läsionen der Milchzähne 64 distal, 65 mesial, 75 mesial, 74 distal und 85 mesial. Wurzelrest in Regio des Zahnes 84, Verdacht auf eine interradikuläre Aufhellung in Regio des Zahnes 75. Indikationsstellung zur Narkosebehandlung Vor einer Indikationsstellung für eine Zahnsanierung in Allgemeinanästhesie sollten immer andere behandlungs- unterstützende Methoden wie Verhaltensführung, Hyp- nose oder (Lachgas-)Sedierung, in Betracht gezogen wer- den [1, 2]. Hierbei zeigt sich, ob die Behandlungsbereit- schaft des Kindes für die erforderliche Therapie am Stuhl ausreicht. Merke Indikationen für eine Behandlung unter Allgemeinanäs- thesie stellen zum Beispiel folgende Gegebenheiten dar [1, 3]: ▪ Die Extraktion multipler Milchzähne nach Episoden signifikanter Schmerzzustände und Infektionen. ▪ Die Notwendigkeit essenzieller dentaler Behandlun- gen zum Erhalt der oralen Gesundheit im Sinne eines Langzeitbehandlungsplans, auch infolge von Trauma- ta. ▪ Das Scheitern einer adäquaten Schmerzausschaltung mit alternativen Behandlungsmethoden. ▪ Die Extraktion erster bleibender Molaren mit ungünstiger Prognose im Wechselgebiss. In der Literatur werden kieferorthopädische Extraktionen gesunder bleibender Prämolaren am gesunden kindlichen Patienten hingegen als kaum gerechtfertigt zur Anzeige einer Behandlung unter Allgemeinanästhesie angesehen [1]. Die Deutsche Gesellschaft für Kinderzahnmedizin (DGKiZ) empfiehlt eine umfassende klinische Erfahrung der behandelnden Zahnärzte, welche die Indikation zur dentalen Rehabilitation unter Narkose stellen [2]. Häufig ist eine dentale Behandlung unter Allgemeinanästhesie die einzige Möglichkeit, eine vollständige dentale Rehabi- litation bei unkooperativen Patienten und auch bei Patien- ten mit Co-Morbiditäten zu erreichen und somit weitere dentogene Komplikationen zu vermeiden [1]. Vorteile einer Allgemeinanästhesie sind zum Beispiel eine sichere Atemwegskontrolle, das konstante Monitoring der Vitalparameter, inklusive eines EKGs, und ein gut aus- gebildetes Personal, das die Narkose durchführt und die Vitalparameter überwacht [1]. Den Allgemeinstatus des Patienten betreffend können auch Verhaltensstörungen oder Vorerkrankungen und allgemeinmedizinische Risi- ken, wie zum Beispiel geistige oder körperliche Behin- derungen, eine Indikationsstellung zur Narkosebehand- lung rechtfertigen [3]. Allerdings besteht bei Behandlungen in Allgemeinanäs- thesie neben höheren Kosten im Vergleich zur Behand- lung in Lokalanästhesie, ein höheres potenzielles Risiko für ernste allgemeingesundheitliche Komplikationen bis hin zum Tod des Patienten und dies insbesondere bei Pa- 212 Hofmann M, Schulz-Weidner N. Narkosebehandlung in der ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 209–223 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
tienten mit Co-Morbiditäten [1]. Gerade vor diesem Hin- tergrund muss die Indikationsstellung zur Behandlung un- ter Allgemeinanästhesie in jedem Fall sorgfältig abge- wogen werden. So sollte aufgrund des besonders hohen Risikos für Anästhesiekomplikationen die Versorgung von Neugeborenen, Kindern unter zwölf Monaten sowie ehe- maligen Frühgeborenen und den meisten jüngeren Kin- dern bis zu einem Alter von drei Jahren in spezialisierten Zentren erfolgen [9]. Cave In speziellen Patientenfällen mit generellen Bedenken gegen eine Narkose müssen Risiken einer nur einge- schränkt oder sogar nicht durchgeführten zahnmedizi- nischen Therapie immer abgewogen werden [3]. FALLBEISPIEL – FORTSETZUNG Vorliegender Fall rechtfertigte die Indikationsstel- lung zur zahnärztlichen Therapie unter Allgemein- anästhesie aufgrund der eingeschränkten Koope- rationsbereitschaft bei gleichzeitiger Behandlungs- dringlichkeit vor dem Hintergrund des Risikos loka- ler wie systemischer Komplikationen. Der komplexe Herzbefund mit zugehöriger Medikation schloss oben genannte alternative Therapieverfahren aus. Bei der Inspektion der Mundhöhle wirkte der Patient zurückhaltend, skeptisch und ängstlich. Maßnahmen, die eine rein visuelle Untersuchung der Mundhöhle überstiegen, wurden vom Patienten nicht toleriert, sodass eine zahnärztliche Behand- lung in Allgemeinanästhesie geplant wurde. welche die Dauer einer Mundsanierung unter Intubations- narkose beeinflussen, sind bspw. die Erfahrenheit des Operateurs, die Art der Intubation sowie das Alter und der ASA-Status des Patienten [6]. Der Zahnarzt sollte den Anästhesisten frühestmöglich über den geplanten Eingriff informieren, um dem Anäs- thesisten ausreichend Zeit für Voruntersuchungen, Auf- klärungsgespräche und Prämedikation zur Verfügung zu stellen. Das Operationsprogramm sollte dem Anästhesis- ten spätestens am frühen Nachmittag des Vortages vor- liegen [5]. FALLBEISPIEL – FORTSETZUNG Im Fall des 6-jährigen Patienten wurde folgende Be- handlungsplanung vorgenommen: Aufgrund des Ri- sikos intra- und postoperativer Blutungskomplika- tionen sollten das Antikoagulans Marcumar umge- stellt und für beide Kiefer Bluterplatten angefertigt werden. Hierfür waren Absprachen mit den behan- delnden Pädiatern und dem Dentallabor notwendig. Aufgrund der geringen Compliance des Patienten sollten die Abformungen für die Bluterplatten nach der Einleitung der Allgemeinanästhesie erfolgen. Die Planung auf dentaler Ebene ist in ▶ Abb. 4 (zahn- ärztliche OP-Aufklärung) dargestellt. Aufgrund der Notwendigkeit der Sicherung der Atemwege bei an- stehenden Füllungstherapien im Seitenzahngebiet sowie aufgrund einer erhöhten Blutungsneigung bei Zahnextraktionen, sollte die Allgemeinanästhesie in Form einer Intubationsnarkose erfolgen. Behandlungsplanung Die Durchführung von Allgemeinanästhesien ist Fachärz- ten für Anästhesiologie vorbehalten [3, 4]. Daher verlangt die zahnärztliche Behandlung unter Allgemeinanästhesie eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit beider Dis- ziplinen. Für die Indikationsstellung, Behandlungsplanung und -durchführung ist der Operateur, also in diesem Fall der Zahnarzt, verantwortlich, während der Anästhesist für die Betäubungsverfahrensplanung und -durchführung sowie für die Aufrechterhaltung und Überwachung der Vital- funktionen zuständig ist [5]. Der Behandlungsplan sollte hochindividuell auf den Pa- tienten zugeschnitten sein und eine ganzheitliche dentale Rehabilitation des Patienten vorsehen [1]. Wiederholun- gen von Behandlungen unter Allgemeinanästhesie sollten in jedem Fall vermieden werden [1]. Auch darf nicht aus- schließlich aufgrund der Präferenz des Patienten oder der Erziehungsberechtigten die Indikation zur Behandlung unter Allgemeinanästhesie gestellt werden [1]. Faktoren, Allgemeinmedizinische präoperative Diagnostik Im Vergleich zu Erwachsenen besteht bei Kindern eine er- höhte anästhesiebedingte Morbidität und Mortalität, die unter anderem durch den allgemeingesundheitlichen Sta- tus beeinflusst wird [7, 8]. Daher spielt die präoperative Diagnostik, welche aus einer detaillierten Anamneseerhe- bung und einer körperlichen Untersuchung besteht, eine entscheidende Rolle für die Planung einer Behandlung un- ter Allgemeinanästhesie [7]. Die Anamnese ist bei Kindern immer eine Fremdanamnese [7], die in der Regel über die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten der Patienten erfolgt. Aktuelle Arztbriefe sind hierfür dringend erforderlich. Bei Verdacht auf Vorliegen typischer infektiöser Kinderkrank- heiten sowie kürzlich durchgeführter Impfungen sollte bei elektiven Eingriffen, vor dem Hintergrund der Prophy- laxe respiratorischer Komplikationen sowie der Prävention des Verwechselns von Impfnebenwirkungen mit Anästhe- siekomplikationen, ein zeitlicher Abstand zum Narkoseter- min eingehalten werden. Dieser zeitliche Abstand kann, je nach Kinderkrankheit, bis zu 24 Tage betragen. Bei Hofmann M, Schulz-Weidner N. Narkosebehandlung in der ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 209–223 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 213
CME-Fortbildung Impfungen mit Lebend-Vakzinen wird ein zeitlicher Ab- stand von 14 Tagen, bei Totimpfstoffen ein Abstand von drei Tagen empfohlen. Bei Vorliegen eines akuten Krank- heitszustandes mit Fieber sollte mindestens das Abklin- gen der Akutphase abgewartet werden, bevor eine Be- handlung unter Allgemeinanästhesie stattfindet [7]. Das Anfertigen eines Blutbildes ist bei allgemeingesunden Patienten nicht grundsätzlich notwendig. Bei spezifischen Vorerkrankungen, wie zum Beispiel Gerinnungsstörungen, ist die Erhebung spezifischer Laborwerte zur Prävention von Komplikationen jedoch sinnvoll [7]. Bei Patienten mit intra- und postoperativen Blutungsrisiko findet in der Regel eine Blutentnahme statt, um den INR- Wert zu ermitteln. Je nach Ziel-INR kann so in Absprache mit den betreuenden Pädiatern eine Dosisreduktion des gerinnungshemmenden Medikaments rund um den OP- Tag besprochen werden. In besonderen Fällen, wie bei dem vorgestellten 6-jährigen Patienten, kann auch eine Umstellung des Marcumar-Präparats auf ein Heparin-Prä- parat stattfinden. OP-Aufklärungen Vor der zahnmedizinischen Behandlung unter Allgemein- anästhesie sind sowohl ein zahnmedizinisches als auch ein anästhesiologisches Aufklärungsgespräch notwendig. In diesem Rahmen sollten die Patienten und deren Eltern über die geplanten operativen sowie anästhesiologischen Maßnahmen aufgeklärt werden und nach mündlicher In- formation ihr schriftliches Einverständnis geben [9]. Bei der Narkosebehandlung von Kindern und Jugendlichen, die ab einem Alter von 14 Jahren als einwilligungsfähig gelten [10], sind sowohl die Patienten als auch die Erzie- hungsberechtigten, in der Regel die Eltern, in die OP-Auf- klärungen miteinzubeziehen [9]. Bei Kindern, also minder- jährigen Patienten, müssen beide Elternteile in den elekti- ven Eingriff, den zahnmedizinische Therapien unter Allge- meinanästhesie in der Regel darstellen, einwilligen [10]. Patienten, die im Rahmen ihrer zahnärztlichen Sanierung interdisziplinär im Rahmen einer Klinik eine Mundsanie- rung unter Allgemeinanästhesie erhalten, werden in der Regel zunächst zahnmedizinisch aufgeklärt, bevor sie sich zur sogenannten „Prämed“, dem Anästhesie-Aufklärungs- gespräch, begeben. Ohne die Indikationsstellung und OP- Planung des Zahnarztes erfolgt an dieser Stelle kein anäs- thesiologisches Aufklärungsgespräch. Zahnmedizinische Aufklärung Im Rahmen der zahnmedizinischen Aufklärung erfolgt die letzte präoperative intraorale Untersuchung. Unter Zuhil- fenahme der dokumentierten klinischen und röntgenolo- gischen Befunde werden mit den Eltern/Erziehungs- berechtigten zunächst die geplanten Therapien für die einzelnen Zähne besprochen. Bei Verhinderung eines El- ternteils muss das Einverständnis bei gemeinsamem Sor- gerecht bestätigt sein. Für ein verbessertes Verständnis können die betreffenden Zähne in einem Schaubild im Aufklärungsbogen markiert werden (▶ Abb. 4). Die zahn- medizinische Aufklärung umfasst dabei die Aufklärung über die Art und den Umfang der zahnmedizinischen The- rapie sowie Behandlungsalternativen. Allgemeine Kompli- kationen durch die zahnmedizinische Behandlung, wie al- lergische Reaktionen, werden besprochen. Die aktuelle allgemeine Anamnese, inklusive der Angaben zu Körper- gewicht und -größe der Patienten, wird reevaluiert. Wei- terhin werden die Art sowie Vor- und Nachteile der ver- wendeten Restaurationsmaterialien und deren mögliche Nebenwirkungen thematisiert. Im Hinblick auf Extraktio- nen werden Komplikationen wie Nachblutungen, Wund- infektionen sowie die Folgen des frühzeitigen Milchzahn- verlusts, ungeplante Weichgewebeverletzungen oder Schädigungen von Zahnkeimen im Rahmen der Milch- zahnextraktion besprochen. Die Eltern werden darüber aufgeklärt, dass Zahnextraktionen mit einer zusätzlichen Lokalanästhesie durchgeführt werden, um Blutungen im OP-Gebiet zu reduzieren und eine intra- und postopera- tive Analgesie zu erreichen und damit die Notwendigkeit weiterer Narkosemittel zu reduzieren. Bei Patienten mit Co-Morbiditäten, wie zum Beispiel an- geborenen Herzerkrankungen, müssen neben möglichen Medikamentenumstellungen und anderen pädiatrischen Konsilen auch zahnärztlich weitere Aspekte berücksichtigt werden. Bei Risiko auf intra- und postoperative Blutungs- komplikationen sollten für die betreffenden Kiefer Bluter- platten angefertigt werden. Abhängig von der Behand- lungsbereitschaft des Patienten kann dafür die Abfor- mung auch in Allgemeinanästhesie erfolgen (▶ Abb. 5). Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass bei Kindern vor Herzoperationen auf kompromissbehaftete endodonti- sche Maßnahmen zugunsten von Extraktionen verzichtet werden sollte, um potenzielle Infektionsherde zu vermei- den [11]. Die Eltern sollten ausreichend Gelegenheiten haben, Zwischenfragen zu stellen. Anästhesiologische OP-Aufklärung An die zahnmedizinische Aufklärung schließt sich die anästhesiologische OP-Aufklärung in der Prämedikations- ambulanz an. Die anästhesiologische OP-Aufklärung um- fasst die Auswahl des Anästhesieverfahrens, die mögliche Gabe einer Prämedikation zur Anxiolyse und Beruhigung vor der Einleitung der Narkose, die Notwendigkeit der An- lage eines intravenösen Katheters für die Gabe der Nar- kosemedikamente, die mögliche Narkoseeinleitung über eine Atemgasmaske, verschiedene Arten der Möglichkeit der Sicherung der Atemwege sowie die Gabe von Muskel- relaxanzien zur schonenden Einführung eines Tubus oder einer Larynxmaske. 214 Hofmann M, Schulz-Weidner N. Narkosebehandlung in der ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 209–223 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
FALLBEISPIEL – FORTSETZUNG ▶ Abb. 4 zeigt den Ausschnitt der Behandlungsplanung des Patienten mit komplexen Herzbefund. Die zahnärztliche Therapieplanung bestand aus der Extraktionsplanung der Zähne 65, 64, 75, 74, 85 sowie des Wurzelrests in Regio 84. Für die Zähne 55 und 54 war eine Füllungstherapie (Komposit) vorgesehen. Darüber hinaus sollten aufgrund des hohen Kariesrisikos des Patienten die ersten bleibenden Molaren aller vier Quadranten Fissurenversiegelungen erhalten. ▶ Abb. 4 Schaubild Behandlungsplanung aus der zahnmedizinischen OP-Aufklärung des vorliegenden Patientenfalles. Ge- plant wurden die Extraktionen (x) der Zähne 65, 64, 75, 74, 72, 82, 84, 85 sowie die Füllungen der Zähne 55, 54 und die Fissurenversiegelungen der Zähne 16, 26, 36, 46. Aufklärungsbogen: dokumentierte Patientenaufklärung. Herausgeber: Thieme Compliance GmbH. Fachgebiets-Hrsg.: Prof. Dr. M. Pelka. Autor(in): Prof. Dr. M. Pelka. Medizinrecht: RA Dr. jur. K. Thumer. Weiterhin werden Risiken der geplanten Verfahren im Zu- sammenhang mit der Narkose, wie zum Beispiel Aspira- tion von Mageninhalt oder Nebenwirkungen von Medika- menten bis hin zum Kreislaufschock und lebensbedrohli- chen Stoffwechselentgleisungen, besprochen. Entspre- chende Nüchternzeiten vor einer Behandlung unter Allge- meinanästhesie (s. u.) sind einzuhalten. Komplikationen im Rahmen vorangegangener Allgemeinanästhesien wer- den besprochen, um das Narkoseprotokoll patientenge- recht anzupassen. Nach Einverständnis der Erziehungs- berechtigten erfolgt die OP-Freigabe durch die Anästhe- sie. Bei Kindern mit Co-Morbiditäten erfolgt eine stationäre Aufnahme in der Kinderklinik. Hier erfolgt in der Regel präoperativ bereits die Anlage eines intravenösen Venen- katheters. Am Folgetag findet dann der zahnmedizinische Eingriff unter Allgemeinanästhesie im Operationsbereich des Klinikums statt. Raum- und Ausstattungsanforderungen für Narkosebehandlungen Sowohl für ambulante als auch stationäre Eingriffe unter Narkose sind spezielle Raum- und Ausstattungsanforde- rungen für die jeweilige Altersgruppe der zu behandeln- den Patienten zu erfüllen. Am anästhesiologischen Arbeitsplatz müssen ein Anäs- thesie-Atemsystem inklusive Überwachungsgeräten, Schutzvorrichtungen und Alarmsystemen, ein Pulsoxy- meter, ein EKG-Monitor, ein System zur Blutdruckmes- sung und eine patientennahe Atemgasmessung vorhan- den sein. Weiterhin sollten ein Defibrillator, ein Relaxo- meter, ein Blutzuckermessgerät und eine Möglichkeit zur Messung der Körpertemperatur in der jeweiligen Einrich- tung vorhanden sein [4]. Weiterhin vorzuweisen sind, un- ter anderem, ein adäquates Notfall-Equipment, Arbeits- und Ablageflächen sowie eine zuverlässige Sauerstoffquel- le [4]. Zusätzlich müssen ein Organisationsplan für Notfäl- le vorliegen sowie regelmäßige hausinterne Fortbildun- Hofmann M, Schulz-Weidner N. Narkosebehandlung in der ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 209–223 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 215
CME-Fortbildung gen hinsichtlich des Managements von Notfällen stattfin- den [12]. Der Operationsraum für die Durchführung von Narkose- behandlungen muss ausreichend groß sein, um den Pa- tienten liegend zu transportieren sowie eine Notfallver- sorgung zu ermöglichen, und die Beleuchtung muss Ta- geslichtverhältnissen äquivalent sein. Gerade bei zahnme- dizinischen Behandlungen in Räumen mit feststehender zahnmedizinischer Behandlungseinheit muss ein uneinge- schränkter Zugang zum Patienten ermöglicht werden [4]. Was das zahnmedizinische Equipment betrifft, sollte auf Speichelsauger mit abnehmbaren Kappen aufgrund der Aspirationsgefahr verzichtet werden [4]. Für ambulante Eingriffe gilt, dass über die lokalen Anfor- derungen hinaus die Erreichbarkeit eines beteiligten Arz- tes über 24 Stunden hinaus garantiert und eine Zusam- menarbeit mit einem aufnahmebereiten Krankenhaus ge- sichert sein sollte [12]. Grundsätzlich muss die Sicherheit des Patienten am anäs- thesiologischen Arbeitsplatz Vorrang vor jeglichen wirt- schaftlichen Überlegungen haben [4]. Peri- und intraoperatives Monitoring und Management Rund um die Narkose und die zahnmedizinische Therapie selbst sind verschiedene Punkte hinsichtlich des Patien- tenmonitorings und -managements zu beachten. Hierzu zählen die perioperativen Nüchternzeiten, die Prämedika- tion, die Lagerung des Patienten während der Narkose so- wie die Einleitung der Narkose und die Intubation. Perioperative Nüchternzeiten Merke Um eine Aspiration von Mageninhalt unter der Narkose zu vermeiden, sollen perioperativ Nüchternzeiten, in denen weder gegessen noch getrunken werden soll, eingehalten werden [13]. Speziell bei Kindern (bis 18 Jahre) sollten die Nüchternzei- ten hierbei möglichst kurz sein, um Stress, Blutdruck- abfällen, Dehydratation, Befindlichkeitsstörungen sowie Ketoazidosen vorzubeugen [13]. Nach den konsentierten Empfehlungen der AWMF S1-Leitlinie zur perioperativen Nüchternzeit von Kindern und Jugendlichen der Deut- schen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedi- zin (2022) ist eine vollwertige Mahlzeit bis sechs Stunden vor der Narkoseeinleitung erlaubt, während kleinere, leichte Mahlzeiten mit fester Nahrung, nicht-klarer Flüs- sigkeit, wie zum Beispiel ein Becher Milch, oder Brei bis vier Stunden vor der Einleitung der Narkose erlaubt wer- den können [13]. Für Säuglinge und Neugeborene gilt, dass Muttermilch (auch angereichert) bis drei Stunden vor der Narkoseeinleitung zugeführt werden darf [13]. Außerdem sollen Kinder vor elektiven Eingriffen, wozu in der Regel Mundsanierungen zählen, auch bis eine Stunde vor der Einleitung der Narkose zum Trinken klarer Flüssig- keit animiert werden [13]. Die gleichen Nüchternzeiten gelten dabei auch für Patienten, die über eine Sonde er- nährt werden [13]. Um Missverständnissen vorzubeugen, sind die Nüchternzeiten den Erziehungsberechtigten prä- zise und in schriftlicher Form, zum Beispiel über den Anäs- thesie-OP-Aufklärungsbogen, wie auch im Fall des 6-jähri- gen Patienten erfolgt, mitzuteilen [13]. Postoperativ sol- len Kinder, nach Leitlinie, hingegen zu einer frühzeitigen Flüssigkeitsaufnahme ermuntert werden [13]. FALLBEISPIEL – FORTSETZUNG Im Rahmen des stationären Aufenthaltes des vorlie- genden Patientenfalles wurden die perioperativen Nüchternzeiten zusätzlich durch das Stationsper- sonal organisiert, gemonitort und die Überprüfung dokumentiert. Am Morgen des Tages nach der sta- tionären Aufnahme sollte die Narkosebehandlung stattfinden. Prämedikation Kinder sollten vor Beginn der Narkose eine adäquate Prä- medikation erhalten. Hierzu zählen zum Beispiel Beruhi- gungsmittel sowie lokale schmerzlindernde Salben [9]. Die schmerzlindernden Salben sollen die Anlage eines int- ravenösen Zugangs erleichtern, während Beruhigungs- mittel eingesetzt werden können, um eine Anxiolyse, un- ter anderem vor dem Hintergrund der Trennung des Pa- tienten von den Eltern für die Narkosebehandlung, eine Sedierung oder auch eine Amnesie ohne Bewusstseinsver- lust zu erreichen [14, 15]. Als Beruhigungsmittel wird hierbei häufig Midazolam verwendet, welches dem Pa- tienten oral oder rektal verabreicht wird [14]. Bei Kindern mit Co-Morbiditäten erfolgt die stationäre Aufnahme einen Tag präoperativ. Hier wird häufig bereits ein intravenöser Zugang gelegt, sodass Medikamenten- gaben sofort möglich sind bzw. bereits auf Station ver- abreicht werden. Auch im vorliegenden Patientenfall wurden über den int- ravenösen Zugang Prämedikationsmedikamente zur Be- ruhigung des aufgeregten Patienten bei der Trennung von den Eltern unmittelbar vor dem Eingriff verabreicht. Auch bot sich eine kurze Gelegenheit für letzte Rückfra- gen an das OP-Team, bestehend aus dem Anästhesisten und einer Anästhesiepflegekraft, zwei Zahnärzten und einer zahnmedizinischen Fachangestellten. Nach einer kurzen Verabschiedung von den Eltern wurde der junge Patient anschließend in den Operationssaal eingeschleust und vom Stationsbett auf eine OP-Liege umgelagert. An- schließend startete die Narkoseeinleitung. 216 Hofmann M, Schulz-Weidner N. Narkosebehandlung in der ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 209–223 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
Einleitung der Narkose und Intubation Nach dem Ausfüllen des „Sign-in“-Teils der Sicherheits- checkliste der WHO für chirurgische Eingriffe [16] erfolgt die Umlagerung des Patienten auf den OP-Tisch. Die Ein- und Ausleitung der Narkose verlangen die Anwe- senheit einer adäquat qualifizierten Anästhesie-Assistenz, die ausreichend Erfahrung auf dem Gebiet der Kinder- anästhesie vorweisen kann [4]. Hinsichtlich der Intubati- onsart, ob nasal oder oral, müssen therapiespezifische Anforderungen des Zahnmediziners berücksichtigt wer- den. Die finale, individuelle Entscheidung über die Art der Intubation obliegt jedoch dem Anästhesisten [3]. Grund- sätzlich bietet sich dabei für zahnmedizinische Eingriffe die nasale Intubation an, auch, um Manipulationen am Tubussystem durch die operativen Maßnahmen innerhalb der Mundhöhle vorzubeugen und das Arbeitsfeld des Operateurs möglichst wenig einzuschränken. Am Univer- sitätsklinikum Gießen wird im Rahmen von Mundsanie- rungen bei Kindern und Jugendlichen, unter anderem auf- grund der Gefahr der Gewebeschädigung im Nasen- und Rachenbereich, in der Regel eine orale Intubation vom Anästhesieteam bevorzugt. Nach der Narkoseeinleitung wird die korrekte Lagerung überprüft und, wo notwendig, angepasst. Patientenlagerung während der Narkose Cave Auch bei der Lagerung der Patienten während der Narkose sollten spezielle Anforderungen erfüllt werden. Der Kopf des Patienten muss sicher stabil, druckstellenfrei und achsengerecht gelagert werden. Rumpf und Extremi- täten sind entsprechend den körperlichen Ausmaßen des Patienten abzupolstern. Überhänge von Körperpartien sind im Sinne der Prävention von Druckstellen zu vermei- den. Auch muss der intravenöse Zugang während der ge- samten Eingriffszeit für den Anästhesisten uneinge- schränkt zugänglich sein [4]. Werden Kinder auf der zahn- medizinischen Behandlungseinheit in Allgemeinanästhe- sie behandelt, müssen entsprechende Lagerungskissen und Armhalterungen verwendet werden, wobei auf eine Lagerung in ausgestreckter Körperhaltung zu achten ist [4]. Für die gepolsterte Lagerung des vorgestellten Patienten wurde in diesem Fall ein weicher Silikongel-Kopfring ge- wählt, Extremitäten sowie Kabel und Tubus wurden mit Bauchtüchern unterfüttert, um Druckstellen zu vermei- den. Während der gesamten Narkosedauer werden die Vital- parameter, die Narkosetiefe und die korrekte Tubusposi- tion durch das Anästhesieteam überwacht. ▶ Abb. 5 Intraoperative Abformung des Oberkiefers nach der Intubation zur Herstellung einer Bluterplatte. Dentale Rehabilitation unter Allgemeinanästhesie Nach dem chirurgischen Händewaschen und einer an- schließenden Desinfektion legt das zahnmedizinische Operationsteam sterile Kittel und Handschuhe sowie Schutzbrillen an. Notwendige Abformungen des Ober- und Unterkiefers zwecks Herstellung von Bluterplatten werden durchgeführt (▶ Abb. 5) und umgehend in ein Dentallabor überführt, um eine direkte postoperative Nutzbarkeit der Wundverbandplatten zu ermöglichen. Die Mundsanierung erfolgt anschließend seiten- bzw. qua- drantenweise: Pro Seite werden zunächst konservierende Behandlungen durchgeführt, um eine Kontamination durch Blutungen aus Extraktionswunden zu vermeiden. Nach der Ausarbeitung und Politur der Füllungen findet die Gabe eines Lokalanästhetikums, bei Kindern mit Herz- erkrankungen mit verringertem Adrenalinzusatz, statt. Es schließt sich die quadrantenweise Extraktion an. Resorbier- bare Nähte und lokale Blutstillung mittels Tupfer sowie die Einlage von Kollagenmatrizes ermöglichen die Blutkontrol- le. Nach erfolgter Sicherstellung der Blutstillung aller vier Quadranten und der Zählkontrolle der im Mund verwende- ten Materialien wird der Patient zur Ausleitung der Narkose an das Anästhesieteam übergeben. Nach der Extubation wird der Patient in sein Krankenbett verlagert. FALLBEISPIEL – FORTSETZUNG ▶ Abb. 6 zeigt die Durchführung der umfassenden Gebisssanie- rung bei dem 6-jährigen Patienten. Die Zähne 16, 26, 36 und 46 erhielten Fissurenversiegelungen nach der Säure-Ätz-Technik. An den Zähnen 55 und 54 erfolgten eine Präparation, eine Karies- exkavation und eine direkte Füllungstherapie mittels eines Bulk- Fill-Komposits. Anschließend fand die Extraktion der Zähne 85, 64, 65, 75, 74 sowie die Entfernung des Wurzelrestes 84 statt. Die unmittelbare postoperative Situation wird in ▶ Abb. 7 und ▶ Abb. 8 dargestellt. Hofmann M, Schulz-Weidner N. Narkosebehandlung in der ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 209–223 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 217
CME-Fortbildung FALLBEISPIEL – FORTSETZUNG ▶ Abb. 6 Mundsanierung unter Narkose. Überwachung des Patien- ten während der Allgemeinanästhesie durch den Anästhesisten. ▶ Abb. 7 Postoperativer Befund (zusammengesetzte Fotodoku- mentation). Füllungstherapie der Zähne 55 okklusal-mesial und 54 okklusal-distal, Extraktion der Zähne 64 und 65. Resorbierbare Nähte. Postoperative Überwachung Im Anschluss an den operativen Eingriff unter Allgemein- anästhesie findet die postoperative Überwachung der Pa- tienten statt. Diese ist vom Anästhesisten selbst oder von Personal mit einer adäquaten Ausbildung und Erfahrung in der Handhabung postoperativer Patienten durchzufüh- ren [12, 17]. Speziell für die postoperative Überwachung sind in den Zentren, in denen operative Eingriffe durchgeführt wer- den, sogenannte „Aufwacheinheiten“ oder „Aufwachräu- me“ einzurichten. Ein geeigneter Aufwachraum stellt ei- nen Übergangsbereich zwischen der Operationseinheit und dem übrigen Einrichtungsbereich dar und muss sich in der Nähe des Operationsraumes befinden und verschie- dene weitere Kriterien erfüllen. Hierzu zählt, unter ande- rem, die ausreichende Anzahl an Belegplätzen, welche sich nach der Anzahl der regulär behandelten Patienten pro Zeiteinheit ausrichtet. Wände, Decke und Fußböden des Aufwachraumes sollten weiterhin nach krankenhaus- hygienischen Anforderungen gestaltet sein [17]. Die postoperative Überwachung muss während der un- mittelbaren postoperativen Aufwachphase stetig erfol- gen, bis keine anästhesiebedingten Beeinträchtigungen vitaler Funktionen sowie resultierende Komplikationen mehr zu erwarten sind [5, 17]. Dies meint, dass der Pa- tient so lange beobachtet werden sollte, bis er aus der Narkose erwacht und wieder im Besitz seiner Schutzrefle- xe ist [5]. Weiterhin sollten eine Spontanatmung ohne re- spiratorische Einschränkungen sowie eine stabile Kreis- laufsituation ohne zusätzliche Therapie, mindestens dem präoperativen Zustand entsprechend, bestehen [12, 17]. Des Weiteren sollte eine Nahrungsaufnahme möglich sein und es sollte eine adäquate Schmerzfreiheit vorliegen. Eine Hypo- oder Hyperthermie sowie signifikante Blutun- gen sollten ausgeschlossen sein [12, 17]. Außerdem dür- fen kein akutes postoperatives Erbrechen und keine un- mittelbaren Komplikationen seitens vitaler Funktionen mehr erwartbar sein [5, 12]. Die Dauer der postoperati- ven Überwachung ist daher zwischen wenigen Minuten bis hin zu mehreren Stunden variabel [17]. Für ambulante Narkosepatienten gilt im Vergleich dazu: Bevor ein ambulanter Patient entlassen wird, erfolgt im Anschluss an die postoperative Überwachungsphase eine Abschlussvisite, welche schriftlich zu dokumentieren ist [12]. ◀ ▶ Abb. 8 Postoperativer Befund (zusammenge- setzte Fotodokumentation). Extraktion der Zähne 74, 75, 72, 82, 84 und 85. Resorbierbare Nähte. Hofmann M, Schulz-Weidner N. Narkosebehandlung in der ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 209–223 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
Postoperative zahnmedizinische Kontrolluntersuchungen In der Regel finden postoperative Visiten nach der zahn- ärztlichen Narkosesanierung statt, um vor allem postope- rative Komplikationen im Sinne von Nachblutungen fest- zustellen sowie die Eltern über die durchgeführte Thera- pie zu informieren. Bei ambulanten Patienten kann eine Notfallnummer ausgehändigt werden. Bei stationären Pa- tienten wird der Patient bei komplikationslosem Verlauf am Folgetag in das häusliche Umfeld entlassen. Die DGKiZ empfiehlt einen Kontrolltermin ein bis zwei Wochen nach dem Eingriff unter Allgemeinanästhesie [2]. Aufgrund der Tendenz des Rückfalls hin zu einem kariesbegünstigenden oralen Keimspektrum sind regelmäßige Recall-Unter- suchungen im dreimonatigen Rhythmus sinnvoll [20]. Noch am OP-Tag fanden zwei postoperative Visiten bei dem jungen Patienten statt. Die allgemeinmedizinische Visite ergab einen stabilen Allgemeinzustand, regelrechte Vitalparameter und ein adäquates Reaktionsvermögen. Bei der zahnmedizinischen Visite waren keine postopera- tiven Komplikationen im Sinne von Nachblutungen fest- zustellen, alle konservierenden Versorgungen befanden sich in situ. Am Folgetag wurde der Patient in das häusli- che Umfeld entlassen. Ein Termin zur zahnmedizinischen Kontrolle und Prophylaxe sowie Notfallkontaktnummern wurden mitgegeben. Fazit Die zahnärztliche Behandlung unter Allgemeinanästhesie stellt eine effektive Methode zur vollständigen Gebiss- sanierung bei Patienten mit geringer Compliance und auch Co-Morbiditäten dar. Zu unterstreichen ist die inter- disziplinäre Kooperation der verschiedenen Disziplinen in Planung und Durchführung der Behandlung: Kinderzahn- heilkunde, Dentallabor, (kardiologische) Pädiatrie und Anästhesiologie. FALLBEISPIEL – FORTSETZUNG Der 6-jährige Patient wurde im Anschluss an die Extubation und die Umlagerung in sein Stations- krankenbett in einen zwei Zimmer weiter gelege- nen Aufwachraum gebracht und wurde hier 20 Mi- nuten nachüberwacht. Nach Sicherstellung eines stabilen Allgemeinzustandes durch den Anästhesis- ten konnte der Patient im Krankenbett vom Pflege- personal und seinen glücklichen, erleichterten Eltern zurück auf die Station begleitet werden. Dem Stationspersonal wurden Tupfer und die in- zwischen fertiggestellte Bluterplatte für erste Maß- nahmen bei Blutungskomplikationen mitgegeben. Postoperative Komplikationen Im Kindesalter zählen postoperative Übelkeit und post- operatives Erbrechen ohne präventive Therapie nach Be- handlungen unter Allgemeinanästhesie zu den häufigsten Komplikationen [18]. Hiervon sind vor allem Kinder ab dem vierten Lebensjahr bis hin zur Pubertät betroffen. Auch eine Operationsdauer von über 30 Minuten erhöht das Risiko für postoperatives Erbrechen [18]. Mittels eines medikamentösen, antiemetischen Konzepts sollte daher der Gefahr von postoperativer Übelkeit und postoperati- vem Erbrechen vorgebeugt werden [18]. Weiterhin können postoperativ Schmerzen auftreten. Die Schmerzstärke und die Analgesiemaßnahmen müssen analog zu den Vitalparametern stetig dokumentiert wer- den. Außerdem sollte schmerztherapeutisch ein multi- modales Konzept angewandt werden, welches die An- wendung von systemischer Pharmakotherapie, Regional- anästhesie und die Befriedigung der Grundbedürfnisse der kindlichen Patienten umfasst [19]. Als Regionalanäs- thesien in Kombination mit der Allgemeinanästhesie bie- ten sich zum Beispiel Oberflächen- sowie Infiltrationsanäs- thesien an [19], wie es im vorliegenden Patientenfall in Form von Lokalanästhesien in Ober- und Unterkiefer bei multiplen Zahnextraktionen erfolgte. Im ambulanten Be- reich sollte dabei die Wirkdauer der Regionalanästhesie bei der Planung besondere Berücksichtigung finden [19]. Begleitend bieten sich als systemische Schmerztherapie Nichtopioid-Analgetika und Opioid-Analgetika an. Hierbei sollten Maximaldosen eingehalten und unterschwellige Dosierungen vermieden werden. Analgetika, die häufig bei Kindern für die systemische Schmerztherapie ange- wandt werden, sind zum Beispiel Ibuprofen, Diclofenac, Paracetamol oder Metamizol [19]. Hofmann M, Schulz-Weidner N. Narkosebehandlung in der ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 209–223 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 219
CME-Fortbildung KERNAUSSAGEN ▪ Die zahnmedizinischen Narkosebehandlung von Kindern und Jugendlichen mit seltenen oder ernsten Allgemeinerkrankungen sollte in spezia- lisierten Zentren erfolgen [9]. ▪ Die Indikationsstellung zur Behandlung unter Narkose bei Kindern sollte, vor dem Hintergrund möglicher lebensbedrohlicher Komplikationen, sorgfältig abgewogen werden. ▪ Der Zahnarzt, der die Indikation zur dentalen Rehabilitation unter Narkose stellt, sollte eine umfassende klinische Erfahrung vorweisen [2]. ▪ Bei minderjährigen Patienten müssen beide Elternteile in die zahnmedizinische Behandlung unter Allgemeinanästhesie einwilligen [10]. ▪ Für die Behandlung unter Allgemeinanästhesie sind perioperative Nüchternzeiten einzuhalten. ▪ Die finale, individuelle Entscheidung über die Art der Intubation, ob nasal oder oral, obliegt dem Anästhesisten [3]. ▪ Die postoperative Überwachung muss während der unmittelbaren Aufwachphase stetig erfol- gen, bis keine anästhesiebedingten Beeinträchti- gungen vitaler Funktionen sowie resultierende Komplikationen mehr zu erwarten sind [5, 17]. Interessenkonflikt Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Autorinnen/Autoren Dr. med. dent. Maria Hofmann Jahrgang 1995. 2013–2018 Studium der Zahn- heilkunde (JLU Gießen). Seit 2019: Zahnärztin und wissenschaftliche Mitarbeiterin. 2020– 2021: Curriculum Kinder- und Jugendzahnheil- kunde. Seit 2022: Studium Kinderzahnheil- kunde und JLU CAREER Programm (DFG-ge- fördertes Clinician-Scientist-Programm). 2023: Promotion (JLU Gießen). Schwerpunkte: Patienten mit Allgemeinerkran- kungen, Narkosebehandlungen, Chirurgie und Endodontie in der Kinder-/Jugendzahnmedizin. PD Dr. med. dent. Nelly Schulz-Weidner Jahrgang 1976. Seit 2001: Zahnärztin und wis- senschaftliche Mitarbeiterin. 2007: Spezialistin für Kinder- und Jugendzahnheilkunde. 2008: Oberärztin. 2009: Zulassung zur ambulanten Versorgung von Kindern mit Allgemeinerkran- kungen in Intubationsnarkose. 2023 Habilita- tion (JLU Gießen). Schwerpunkte: Kinder mit Allgemeinerkran- kungen und/oder Behinderungen, Zahnärztliche Versorgung von Kindern in Allgemeinanästhesie, Digitale Kinderzahnheil- kunde. Korrespondenzadresse Dr. med. dent. Maria Hofmann Poliklinik für Kinderzahnheilkunde Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH (Standort Gießen) Schlangenzahl 14 35392 Gießen Deutschland maria.hofmann2@dentist.med.uni-giessen.de Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungs- bestimmungen: Dr. med. dent. Maria Hofmann, Gießen Literatur [1] Dziedzic A. The role of general anaesthesia in special care pae- indications. inclusion criteria and clinical diatric dentistry; SAAD Dig 2017; 33: 48–54 [2] [3] [4] [5] [6] [7] Rahman A, Hinrichs-Priller J. Ambulante zahnärztliche Behand- lung von Kindern und Jugendlichen in Allgemeinanästhesie. Oralprophylaxe Kinderzahnheilkd 2022; 44: 22–25 Lipp M. Die zahnärztliche Behandlung von Kindern in Intuba- tionsnarkose. Stellungnahme der DGZMK. Dtsch Zahnärztl Z 1995; 50: 432–433 Beck G, Becke K, Biermann E et al. Mindestanforderungen an den anästhesiologischen Arbeitsplatz. Anästh Intensivmed 2013; 54: 39–42 Berufsverband Deutscher Anästhesisten, Berufsverband der Deutschen Chirurgen. Zusammenarbeit bei der operativen Pa- tientenversorgung. Vereinbarung des Berufsverbandes Deut- scher Anästhesisten und des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen. Anästh Intensivmed 2016; 57: 213–215 Yi Y, Lee J, Yi H et al. Variables affecting general anesthesia time for pediatric dental cases. Pediatr Dent 2015; 37: 508– 512 Becke K, Giest J, Strauß J. Handlungsempfehlungen zur präope- rativen Diagnostik, Impfabstand und Nüchternheit im Kindes- alter. Anästh Intensivmed 2007; 48: 62–66 [8] Murat I, Constant I, Maud’huy H. Perioperative anaesthetic morbidity in children: a database of 24 165 anaesthetics over a 30-month period. Paediatr Anaesth 2004; 14: 158–166. DOI: 1 0.1111/j.1460-9592.2004.01167.x [9] Europäische Vereinigung für Kinderanästhesie (FEAPA). Emp- fehlungen für die anästhesiologische Versorgung von Kindern in Europa. Anästh Intensivmed 2007; 48: 107–108 [10] Flammang I, Senninger N. Das Aufklärungsgespräch. All- gemein- und Viszeralchirurgie up2date 2018; 12: 135–150. DOI: 10.1055/a-0586-1253 [11] Deppe H, Wolff K-D, Pistner H. Zahnsanierung vor Herzklap- penersatz (S2k). 2017. Zugriff am 25. März 2025 unter: https://register.awmf.org/assets/guidelines/007-096l_S2k_ Zahnsanierung_vor_Herzklappenersatz_2017-12_01-abgelau- fen.pdf 220 Hofmann M, Schulz-Weidner N. Narkosebehandlung in der ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 209–223 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
[12] Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA), Deutsche Ge- sellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), Be- rufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC). Vereinbarung zur Qualitätssicherung ambulante Anästhesie. Anästh Intensivmed 2006; 47: 50–51 [13] Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e. V. (DGAI). S1-Leitlinie Perioperative Nüchternzeiten bei Kin- dern und Jugendlichen AWMF Registernummer 001–047, Gül- tigkeit bis 28.2.2027. 2022. Zugriff am 25. März 2025 unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/001-047 [14] Becke K, Landsleitner B, Strauß J. Narkoseeinleitung bei Kin- dern. Anästh Intensivmed 2010; 51: 347–360 [15] Grapengeter M, Freesemann H. Prämedikation. Standl T, Lussi C (Hrsg.). Ambulantes Operieren in Klinik, Praxis und MVZ: Rahmenbedingungen – Organisation – Patientenversorgung. Berlin, Heidelberg: Springer; 2016: 155–166 [16] Mahajan RP. The WHO surgical checklist. Best Pract Res Clin Anaesthesiol 2011; 25: 161–168. DOI: 10.1016/j.bpa.2011.02. 002 [17] BDAktuell, DGAInfo. Empfehlungen zur Überwachung nach Anästhesieverfahren. Anästh Intensivmed 2009; 50: 486–489 [18] Becke K. Risikoeinschätzung, Prophylaxe und Therapie von postoperativem Erbrechen im Kindesalter: Vorwort zur Hand- lungsempfehlung. Anästh Intensivmed 2007; 48: S94 [19] Rakow H, Finke W, Mutze K et al. Handlungsempfehlung zur perioperativen Schmerztherapie bei Kindern. Anästh Intensiv- med 2007; 48: 99–103 [20] Klinke T, Urban M, Luck C et al. Changes in Candida spp., mu- tans streptococci and lactobacilli following treatment of early childhood caries: a 1-year follow-up. Caries Res 2014; 48: 24– 31. DOI: 10.1159/000351673 Bibliografie Zahnmedizin up2date 2025; 19: 209–223 DOI 10.1055/a-2343-7809 ISSN 1865-0457 © 2025. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany Hofmann M, Schulz-Weidner N. Narkosebehandlung in der ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 209–223 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 221
CME-Fortbildung Punkte sammeln auf CME.thieme.de Die Teilnahme an dieser Fortbildungseinheit ist in der Regel 12 Monate möglich, solange ein aktives Abonnement besteht. Unter https://eref.thieme.de/CXNTCYF oder über den QR-Code kommen Sie direkt zur Startseite des Wissenstests und zum Artikel. Sie finden dort auch den genauen Einsendeschluss. Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, finden Sie unter https://cme.thieme.de/hilfe eine ausführliche Anleitung. Wir wünschen viel Erfolg beim Beantworten der Fragen! Frage 1 Welche zahnmedizinische Behandlung stellt per se eine Indika- tion zur Narkosebehandlung dar? A eine professionelle Zahnreinigung B Kleben von Brackets für kieferorthopädische Maßnahmen C reine Extraktionen von Prämolaren aus kieferorthopädischen Gründen Frage 4 Welche Aussage hinsichtlich perioperativer Nüchternzeiten trifft zu? A Eine vollwertige Mahlzeit ist bis sechs Stunden vor der Narkoseeinleitung erlaubt. B Eine vollwertige Mahlzeit ist bis vier Stunden vor der Narkose- einleitung erlaubt. D hoher invasiver Behandlungsbedarf bei mangelnder Compli- ance und nach mehrmaligen gescheiterten Behandlungsver- suchen am Behandlungsstuhl C Eine vollwertige Mahlzeit ist bis acht Stunden vor der Narkoseeinleitung erlaubt. D Eine vollwertige Mahlzeit ist bis zwei Stunden vor der E Wunsch der Eltern des Patienten, die notwendigen zahn- Narkoseeinleitung erlaubt. medizinischen Maßnahmen schnell abzuschließen E Eine vollwertige Mahlzeit ist bis vierzehn Stunden vor der Frage 2 Wofür ist der Anästhesist nicht zuständig? A Betäubungsverfahrensplanung B Indikationsstellung zur Allgemeinanästhesiebehandlung C Betäubungsdurchführung D Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen E Überwachung der Vitalfunktionen Frage 3 Welches Equipment darf am unmittelbaren anästhesiologischen Arbeitsplatz fehlen? A Pulsoxymeter B EKG-Monitor C System zur Blutdruckmessung D patientennahe Atemgasmessung E Terminkalender Narkoseeinleitung erlaubt. Frage 5 Wer fällt die finale Entscheidung über die Art der Intubation (oral/nasal) des Patienten? A der Operateur B der behandelnde Hals-, Nasen-, Ohrenarzt C der Anästhesist D der behandelnde Internist E der Hausarzt Frage 6 Auf welches Equipment sollte bei der zahnmedizinischen Sanie- rung unter Allgemeinanästhesie verzichtet werden? A zahnmedizinische Sonde B Mundspiegel C Sauger mit Schutzkappe D Watterollen E Phosphorsäure 222 Hofmann M, Schulz-Weidner N. Narkosebehandlung in der ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 209–223 | © 2025. Thieme. All rights reserved. ▶ Weitere Fragen auf der folgenden Seite …
Punkte sammeln auf CME.thieme.de Fortsetzung … Frage 7 Welcher Faktor beeinflusst die Dauer der Mundsanierung unter Narkose nicht? A die Erfahrenheit des Operateurs B die Art der Intubation C das Alter des Patienten D der ASA-Status des Patienten E die Haltbarkeit der Füllungsmaterialien Frage 8 Wie lange dauert die unmittelbare postoperative Überwachung nach einer Mundsanierung unter Allgemeinanästhesie? A 15 Minuten B 2 Stunden C 24 Stunden D variable Dauer: wenige Minuten bis Stunden E eine halbe Stunde Frage 9 Welche Anzeichen sprechen für eine postoperative Komplikation nach einer Narkosebehandlung? A Der Patient ist wach. B Der Patient ist nicht im Besitz seiner Schutzreflexe. C Der Patient atmet spontan. D Der Patient weist eine stabile Kreislaufsituation auf. E Der Patient weist eine physiologische Körpertemperatur auf. Frage 10 Wann sollte ein zahnmedizinischer Kontrolltermin nach der Nar- kosebehandlung von Kindern und Jugendlichen erfolgen? A ein bis zwei Wochen nach dem Eingriff B drei bis vier Wochen nach dem Eingriff C fünf bis sechs Wochen nach dem Eingriff D zwei Monate nach dem Eingriff E drei Monate nach dem Eingriff Service für unsere Leser Sammelordner voll? Anzeige Neuen Ordner bestellen: www.thieme.de/mein-up2date-ordner up2date – Fortbildung mit dem roten Faden Hofmann M, Schulz-Weidner N. Narkosebehandlung in der ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 209–223 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 223
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Zahnmedizin up2date 3 · 2025 Kinder- und Jugendzahnheilkunde 4 Das aktualisierte Würzburger Konzept zur Molaren-Inzisiven- Hypomineralisation: klinischer Leitfaden Ramy Gaballah Stefanie Amend Norbert Krämer DOI: 10.1055/a-2343-7855 Zahnmedizin up2date 2025; 19 (3): 225–244 ISSN 1865-0457 © 2025 Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
CME-Fortbildung In dieser Rubrik sind bereits erschienen: Pädiatrische Aspekte in der Kinderzahnheilkunde – Teil 1 J. de Laffolie Heft 5/2024 Milchzahnendodontie K. Bekes Heft 5/2018 Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko S. Hertel, J. Timpel Heft 3/2023 Frühzeitiger Milchzahnverlust und deren Ersatz durch Lückenhalter und Kinderprothesen N. Schulz-Weidner, C. Uebereck Heft 1/2018 Zahnärztliche Röntgendiagnostik bei Kindern und Jugend- lichen R. Heinrich-Weltzien, J. Kühnisch Heft 5/2022 Lachgassedierung in der Kinderzahnheilkunde I. von Gymnich Heft 5/2016 Anästhesie bei Kindern und Jugendlichen mit Behinderung M. Laschat, J. Kaufmann, F. Wappler Heft 4/2022 Traumatologie der unreifen bleibenden Dentition N. Schulz- Weidner, C. Uebereck, N. Krämer Heft 2/2016 Interdisziplinäre Früherkennungsuntersuchungen in der Kinderzahnmedizin A. Geiken, L. Holtmann C. Graetz Heft 4/2022 Aktuelle Präventionsansätze bei Kleinkindern U. Schiffner Heft 5/2021 Hypnose bei der Zahnbehandlung von Kindergarten- und Grundschulkindern G. Zehner, H.-C. Kossak Heft 1/2016 Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation R. Steffen, N. Krämer, H. van Waes Heft 4/2015 (Nicht-)Invasive Konzepte bei Frühkindlicher Karies S. Amend, N. Krämer Heft 4/2021 MTA in der Kinderzahnmedizin – Grundlagen zum Material und Anwendungen in der Kinderzahnmedizin R. Steffen, N. Krämer, H. van Waes Heft 6/2014 Traumatologie im Milchgebiss – ein Update M. Möhn, N. Krämer Heft 4/2021 Zahnärztlich-chirurgische Maßnahmen bei Kindern G. Viergutz, G. Hetzer Heft 5/2013 Standards der Fissuren- und Grübchenversiegelung R. Heinrich-Weltzien, J. Kühnisch Heft 6/2020 Mundgesundheitsförderung ab der Geburt Y. Wagner Heft 5/2019 Aktuelle Präventionskonzepte bei Kleinkindern mit erhöhtem Kariesrisiko U. Schiffner Heft 4/2019 Schmerzausschaltung bei Kindern und Jugendlichen – Grund- lagen der Lokalanästhesie R. Steffen, E. Stratigaki Heft 6/2018 Milchzahnkronen – vom Klassiker zur High-End-Versorgung A. Lauenstein-Krogbeumker Heft 6/2018 Gruppenprophylaxe für Kinder von 0 bis 6 Jahren A. Thumeyer Heft 6/2018 Zahnärztliche Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen R. Heinrich- Weltzien, J. Kühnisch, K. Bücher Heft 4/2013 Problem Milch-5er – Persistenz, Nichtanlage, erschwerter Durchbruch, Ankylose R. Steffen, H. van Waes Heft 6/2012 Behandlungskonzept von Kindern in Sedierung oder Vollnarkose V. Bürkle Heft 4/2011 Schmerzausschaltung bei Kindern und Jugendlichen M. Daubländer, N. Shabazfar, P. Kämmerer Heft 3/2011 Kariesprophylaxe in der Kinderzahnheilkunde U. Schiffner Heft 6/2010 ALLES ONLINE LESEN IHR ONLINE-SAMMELORDNER JETZT FREISCHALTEN Mit der eRef lesen Sie Ihre Zeitschrift: online wie offline, am PC und mobil, alle bereits erschienenen Artikel. Für Abonnenten kostenlos! https://eref.thieme.de/68ZCJ Sie möchten jederzeit und überall auf Ihr up2date-Archiv zu- greifen? Kein Problem! Ihren immer aktuellen Online- Sammelordner finden Sie unter: https://eref.thieme.de/GWGJG Sie haben Ihre Zeit- schrift noch nicht freigeschaltet? Ein Klick genügt: www.thieme.de/eref-registrierung
CME-Fortbildung Das aktualisierte Würzburger Konzept zur Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation: klinischer Leitfaden Ramy Gaballah, Stefanie Amend, Norbert Krämer Neue Perspektiven für die Behandlung der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH): Das aktualisierte Würzburger Konzept bietet Zahnärztinnen und Zahnärzten eine präzise Struktur zur Therapieplanung und integriert aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zur MIH der Kinderzahnmedizin. Erfahren Sie, wie das Update 2022 die Behandlungsmöglichkeiten erweitert und praxisnahe Lösungen für die Versorgung von MIH-Patienten bietet. ABKÜR ZUNGEN CCP CPP-ACP Caseinphosphopeptid Caseinphosphopeptid-amorphes Calciumphosphat Decayed/Missing/Filled Teeth Fissurenversiegelung Glasionomerzement Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation DMFT FV GIZ MIH MIH-TNI MIH-Treatment Need Index SDF SMART Silberdiaminfluorid silbermodifizierte atraumatische restaurative Therapie Stainless Steel Crown Tricalciumphosphat SSC TCP Einleitung Die Mundgesundheit von Kindern in industrialisierten Län- dern hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Wäh- rend die Karies an bleibenden Zähnen rückläufig ist [1], rückt die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) zu- nehmend in den Fokus. Eine epidemiologische Studie aus Bayern aus dem Jahr 2023 zeigte eine MIH-Prävalenz von 17,5 % bei 8- bis 10-Jährigen, während nur 11,1 % dieser Altersgruppe bereits eine Karieserfahrung im bleibenden Gebiss (DMFT > 0) aufwiesen [2]. Diese Ergebnisse ver- deutlichen den Wandel in den Anforderungen an die zahnmedizinische Diagnostik und Therapie und heben die Bedeutung einer gezielten Sensibilisierung für MIH in der Praxis hervor. Grundlagen Definition Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) ist die aktuel- le Bezeichnung für ein Phänomen, das bereits seit den 1980er Jahren beschrieben wird. Früher wurde dieses Krankheitsbild unter verschiedenen Namen geführt, z. B. ▪ „non-endemic mottled enamel” (nichtendemischer fleckiger Schmelz), ▪ „cheese molars“ (Käsemolaren), ▪ „chalky teeth“ (Kreidezähne), ▪ „non-fluoride-associated enamel opacities” (nicht fluoridassoziierte Schmelzopazitäten) oder ▪ „idiopathic enamel hypomineralization“ (idiopathische Schmelzhypomineralisation) [3, 4, 5, 6, 7]. Heute werden diese Begriffe unter dem Begriff der MIH zusammengefasst. Die Nomenklatur wurde 2001 von Weerheijm et al. eingeführt; 2003 wurden diagnostische Kriterien festgelegt, welche bis heute international aner- kannt sind [8, 9]. Klinisches Bild Klinisch zeigt sich die MIH durch scharf begrenzte, weiße oder gelb-bräunliche Opazitäten, die nach dem Zahn- durchbruch vor allem an kaubelasteten Zahnflächen zu Schmelzeinbrüchen führen können. Der betroffene Zahn- schmelz wirkt oft weich und porös, was ihm ein kreidiges oder käsiges Erscheinungsbild verleiht und früher zur Be- zeichnung „cheese molars“ oder „chalky molars“ führte [5, 10]. Merke Für die Diagnose MIH muss mindestens ein bleibender erster Molar betroffen sein, häufig sind jedoch auch die bleibenden Schneidezähne beteiligt (▶ Abb. 1) [8]. Gaballah R et al. Das aktualisierte Würzburger ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 225–244 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 227
CME-Fortbildung ▶ Abb. 1 Typisches Befallsmuster der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisa- tion (MIH) mit abgegrenzten Opazitäten (Zähne 16, 21 und 32), post- eruptiven Schmelzeinbrüchen (Zahn 46) und atypischen Restaurationen (Stahlkronen an den Zähnen 26 und 36). Die Veränderungen betreffen klassischerweise die Schlüsselzähne – die ersten bleibenden Molaren und die oberen mittleren Inzisivi – in variabler Ausprägung. ▶ Abb. 2 Ausgedehntes Befallsmuster von Hypomineralisationen mit klar abgegrenzten Opazitäten und teils posteruptiven Schmelzeinbrüchen, das nicht nur die klassischen Schlüsselzähne betrifft, sondern nahezu jeden Zahn im Oberkiefer einschließt. Die Diagnose MIH wird durch den deut- lichen Befall der ersten bleibenden Molaren gestützt. Pathogenese Die Tatsache, dass MIH-ähnliche Hypomineralisationen außer an den Indexzähnen an weiteren bleibenden Zäh- nen diagnostiziert werden können, hängt eng mit der Pathogenese zusammen. Hypomineralisationen, wie der Begriff nahelegt, entstehen durch eine unzureichende Mi- neralisation des Zahnschmelzes und weisen auf eine Stö- rung in der Amelogenese hin [14]. Insbesondere in der Maturationsphase der Amelogenese kommt es zu einem unvollständigen Abbau der protein- reichen Matrix, vor allem durch das Enzym Kallikrein 4. Dies führt zu einer abnormen Proteinretention im Schmelz, sodass der Proteingehalt etwa 3- bis 21-fach hö- her sein kann als im gesunden Schmelz. Folglich sind die Schmelzkristalle weniger dicht gepackt, mit einem erhöh- ten Anteil an inter- und intraprismatischen organischen Bestandteilen [15, 16]. Merke Je nach Zeitpunkt und Dauer dieser Störung sowie dem Entwicklungsstadium der betroffenen Zähne kann sich der Phänotyp der MIH unterschiedlich darstellen. Da die ersten bleibenden Molaren als Schlüsselzähne für die Diagnose gelten, wird vermutet, dass der schädigende Einfluss, bedingt durch die Mineralisationszeiten dieser Zähne, entweder perinatal oder meist im 1. Lebensjahr des betroffenen Kindes auftritt [17]. Die genaue Ätiologie dieser mittlerweile als Volkskrankheit angesehenen Mine- ralisationsstörung der Zähne ist bislang unbekannt und bleibt Gegenstand der Forschung. Es wurde eine multifak- torielle Pathogenese mit einer möglichen genetischen so- wie epigenetischen Komponente vermutet [18]. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die MIH nicht nur die Schlüsselzähne, sondern potenziell jeden Zahn be- treffen kann (▶ Abb. 2), einschließlich der Milchzähne. Merke Ein rein präventiver Therapieansatz ist derzeit nicht möglich [18, 19, 20]. DEFINITION Wenn die Milchzähne betroffen sind, spricht man von einer Milch-Molaren-Hypomineralisation (MMH) [11, 12, 13]. Cave Die Diagnose MIH setzt voraus, dass mindestens ein bleibender erster Molar (Sechs-Jahres-Molar) betroffen ist. Sind nur Schneidezähne oder generell andere Zähne involviert, spricht man zwar von einer Hypominerali- sation, jedoch zählt dies definitionsgemäß nicht zur Gruppe der MIH [9]. Therapeutische Herausforderungen Die MIH ist eine Erkrankung mit unterschiedlichen Aus- prägungen, Schweregraden und daraus resultierenden Therapieimplikationen. Relativ häufig sind die Hypomi- neralisationen mit ausgeprägten Hypersensibilitäten ver- knüpft, was die adäquate Mundhygiene und letztlich auch die Lebensqualität der betroffenen Kinder erheblich ein- schränkt [21, 22, 23]. Aufgrund der unterschiedlichen Schwere der Erkrankung ist die therapeutische Bandbreite bei MIH vielfältig und umfasst nahezu alle Disziplinen der Zahnmedizin – von der Prophylaxe über die konservierend-restaurativen Zahnerhaltung bis hin zur Endodontie, Prothetik und chi- rurgischen Maßnahmen wie der Extraktion mit anschlie- ßender kieferorthopädischer Betreuung [24]. Der thera- peutische Bedarf variiert nicht nur zwischen den Patien- 228 Gaballah R et al. Das aktualisierte Würzburger ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 225–244 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
ten, sondern auch zahnweise innerhalb derselben Person. Hypomineralisierter Schmelz kann, auch wenn dies nicht immer der Fall ist, leicht frakturieren, was freiliegendes Dentin und eine beschleunigte Kariesprogression zur Fol- ge haben kann [16, 25]. Merke Aufgrund der unterschiedlichen Schwere der Erkran- kung ist die therapeutische Bandbreite bei MIH vielfältig und umfasst nahezu alle Disziplinen der Zahnmedizin. Dabei variiert der therapeutische Bedarf nicht nur zwi- schen den Patienten, sondern auch zahnweise innerhalb derselben Person. Da die Erstdiagnose von MIH meist bei Kindern und Ju- gendlichen erfolgt, müssen bei der Wahl der optimalen Therapie besondere Faktoren berücksichtigt werden, ins- besondere die Behandlungsbereitschaft und -fähigkeit. Sind diese eingeschränkt, sollten zunächst weniger inva- sive, auch provisorische Therapieansätze in Betracht ge- zogen werden. In schwerwiegenden Fällen kann es wie- derum für das Kind vorteilhafter sein, eine Extraktion mit anschließendem kieferorthopädischen Lückenschluss zu bevorzugen, anstatt eine langwierige, kostenintensive und belastende Behandlung mit geringer Langzeitprog- nose durchzuführen. Es wird deutlich, dass aufgrund des jungen Alters der Pa- tientengruppe und der Vielseitigkeit der Erkrankung unter Umständen therapeutische Unsicherheiten bestehen kön- nen. Gerade bei Kolleginnen und Kollegen, die wenig mit MIH konfrontiert werden, stellt sich die Frage: behandeln oder weiterüberweisen? Merke Die langfristige Betreuung von MIH-Patienten erfordert immer eine sorgfältige, meist auch interdisziplinäre Planung, insbesondere im Hinblick auf die Gebiss- entwicklung und das Management eines potenziell erhöhten Kariesrisikos. Bis vor Kurzem fehlte eine umfassende Klassifikation, die sowohl alle diagnostischen Kriterien, einschließlich der Hypersensibilität, berücksichtigte und gleichzeitig mit kla- ren Therapieempfehlungen verknüpft war. Genau in die- sem Punkt hat das Würzburger Konzept, das auf der Früh- jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahn- medizin 2016 entwickelt wurde, einen entscheidenden Fortschritt gebracht [26]. Das Würzburger Konzept Das Würzburger Konzept, entwickelt von einer deutsch- österreichisch-schweizerischen Delegation, verfolgt das Ziel, die Diagnose von MIH mit klar definierten therapeu- tischen Konsequenzen zu verknüpfen. Neben dem Defekt selbst sollte auch die Hypersensibilität als diagnostisches Kriterium berücksichtigt werden. Das Würzburger Kon- zept stützt sich somit auf 2 zentrale Pfeiler, den MIH Treatment Need Index (MIH-TNI) zur Diagnose und Gra- duierung der Erkrankung und ein dazugehöriges Stufen- behandlungskonzept [26, 27]. MIH Treatment Need Index (MIH-TNI) Der MIH-TNI ist ein 4-stufiger Index, der zur Graduierung der MIH auf Zahnebene dient. Er kann für alle Zähne an- gewendet werden, nicht nur für spezifische Zahngrup- pen, und ist unabhängig davon einsetzbar, ob es sich um bleibende oder Milchzähne handelt. Der Index ist sowohl im klinischen Kontext auf individueller Ebene als auch in epidemiologischen Studien an großen Kohorten geeignet [26, 27]. Der Index unterscheidet zum einen nach dem Vorhanden- sein oder Nichtvorhandensein von Substanzdefekten und zum anderen nach dem Vorhandensein oder Nichtvor- handensein von einer MIH-bedingten Hypersensibilität: ▪ Bei MIH-TNI 1 sind weder Substanzdefekte noch Hypersensibilität vorhanden. ▪ Bei MIH-TNI 2 liegt ein Substanzdefekt ohne eine Hypersensibilität vor. ▪ Bei MIH-TNI 3 besteht eine Hypersensibilität ohne Substanzdefekt. ▪ Bei MIH-TNI 4 treten sowohl Substanzdefekte als auch eine Hypersensibilität auf. Zusätzlich kann bei Vorliegen eines Substanzdefekts das Ausmaß relativ zur Zahnoberfläche graduiert werden: a) Defekte, die weniger als ⅓ der Zahnoberfläche betref- fen b) Defekte, die ⅓ bis ⅔ der Zahnoberfläche betreffen c) Defekte, die mehr als ⅔ der Zahnoberfläche betreffen Die detaillierte Graduierung sowie klinische Beispiele sind in ▶ Abb. 3 dargestellt. Merke Der MIH-TNI basiert bei der Graduierung auf 2 wesent- lichen Kriterien, dem Vorhandensein bzw. Fehlen von Substanzdefekten einerseits und von Hypersensibilität andererseits. Gaballah R et al. Das aktualisierte Würzburger ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 225–244 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 229
CME-Fortbildung MIH-Befund Hypersensibilität Beispiel nein ja abgegrenzte Opazität MIH-TNI 1 MIH-TNI 3 < ⅓ MIH-TNI 2a MIH-TNI 4a Schmelzeinbruch/ atypische Restauration ≥ ⅓ < ⅔ MIH-TNI 2b MIH-TNI 4b ≥ ⅔ MIH-TNI 2c MIH-TNI 4c ▶ Abb. 3 Kreuztabelle zur diagnostischen Kategorisierung der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) nach dem MIH Treatment Need Index (MIH-TNI). Bei der Kategorisierung sind stets 2 Faktoren zu berücksichtigen: Vertikal wird in der 1. Spalte der MIH-Befund unterteilt (abgegrenzte Opazität ohne Substanzdefekt vs. Schmelzeinbruch/atypische Restauration). Liegt ein Substanzdefekt vor, wird in der nächsten Spalte das Ausmaß des Defekts in Bezug auf die Gesamtoberfläche des Zahns klassifiziert (a < ⅓; b ≥ ⅓ < ⅔; c ≥ ⅔). Horizontal wird in der 1. Zeile das Vorhandensein von Hypersensibilität berücksichtigt (nein/ja). Nach Berücksichtigung beider Faktoren (Substanzdefekt: nein/ja; Hypersensibilität: nein/ja) kann der MIH-TNI für den jeweiligen Zahn ermittelt werden: MIH-TNI 1: kein Substanzdefekt, keine Hypersensibilität MIH-TNI 2: Substanzdefekt vorhanden, keine Hypersensibilität MIH-TNI 3: kein Substanzdefekt, aber Hypersensibilität vorhanden MIH-TNI 4: Substanzdefekt und Hypersensibilität vorhanden Die Substanzdefekte bei MIH-TNI 2 und MIH-TNI 4 werden zusätzlich nach Defektgröße in a, b oder c unterteilt. Der MIH-TNI kann für jeden Zahn angewendet werden (Seitenzähne/Frontzähne). Ganz rechts in der Tabelle sind klinische Beispiele für jeden MIH-TNI abgebildet. Therapiekonzept 1.0 (2016) Ziel des zweiten Teils des Würzburger Konzepts war es, nach der Graduierung durch den MIH-TNI auch ein pas- sendes Therapiekonzept anzubieten. Die therapeutischen Optionen sind den meisten Praktikern grundsätzlich be- kannt, jedoch ist oft unklar, welche Therapie im jeweiligen Fall die beste ist. Die Behandlung einer MIH ist komplex, da verschiedene Faktoren berücksichtigt werden müssen: ▪ Alter und Compliance des Kindes ▪ Schweregrad der Defekte ▪ Vorhandensein von Hypersensibilitäten ▪ ästhetische Bedenken ▪ individuelles Kariesrisiko ▪ Erwartungen von Kind und Eltern Das Würzburger Konzept (2016) war der erste Index, der eine Graduierung unter zusätzlichem Einschluss von Hy- persensibilität und ein darauf aufbauendes Therapiekon- zept in einem System vereinte. Unabhängig davon ver- öffentlichte vor Kurzem auch die European Academy of Paediatric Dentistry (EAPD) 2022 ihre überarbeitete „Best Clinical Practice Guidance“, die ebenfalls eine umfassende Behandlungsempfehlung für MIH enthält [28]. Das Therapiekonzept der Würzburger Arbeitsgruppe ist in Form eines tabellarischen Flowcharts dargestellt. In der ersten Zeile sind horizontal die MIH-TNI-Diagnosen (MIH- TNI 1–4) aufgeführt. In der ersten Spalte (vertikal) sind die Therapieempfehlungen nach aufsteigender Invasivität angeordnet: von intensiver Prophylaxe (in der Praxis und zu Hause), über Fissurenversiegelungen und provisorische Versorgungen (kurzfristig und langfristig), bis hin zu defi- nitiven Restaurationen und Extraktionen. 230 Gaballah R et al. Das aktualisierte Würzburger ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 225–244 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
Die Anwender graduieren zunächst jeden Zahn gemäß dem MIH-TNI und können dann in der Tabelle die entspre- chende Therapieoption in der jeweiligen Zeile finden. Da sich die individuelle Therapie auch am Kariesrisiko orien- tiert, wurden 2 strukturell identische Flowcharts ent- wickelt: eines für Patienten mit geringem und eines für Patienten mit hohem Kariesrisiko [26]. Therapiekonzept 2.0 (Update 2022) Mit dem Fortschritt der MIH-Forschung in den letzten Jah- ren haben sich seit der Vorstellung des Würzburger The- rapiekonzepts 2016 einige Aspekte geändert und neue Punkte wurden ergänzt. Therapieformen, die mittlerweile häufiger Anwendung finden, wie z. B. die Verwendung von Silberdiaminfluorid (SDF), sind hinzugekommen. Dementsprechend wurden auch die Therapieüberschrif- ten angepasst [27]. Die zuvor getrennten Flowcharts in Abhängigkeit vom Kariesrisiko sind nun vereint und die Behandlungsoptionen für Seiten- bzw. Frontzähne klar voneinander getrennt (▶ Abb. 4). Seitenzähne Frontzähne Therapie A Prophylaxe/Regeneration A1 (häuslich) Fluorid, TCP, CPP-ACP A2 (ambulant) Fluoridlack Therapie B invasive Therapie n icht B1 FV (Adhäsiv + Versiegler oder Flowable) B2 GIZ (niedrigviskös) B3 bleichen B4 Mikroabrasion B5 Infiltration B6 Etch-Bleach-Seal Therapie C provisorische Therapie (Kurzzeit) C1 GIZ C2 GIZ plus Orthoband C3 SDF plus GIZ C4 SDF Therapie D provisorische Therapie (Langzeit) D konfektionierte Krone (Stahl [konv./Hall], Zirkon [konv.]) Therapie E definitive Therapie E1 direkte Restauration (Komposit) E2 indirekte Restauration Therapie F Extraktion MIH-TNI 1 MIH-TNI 2 MIH-TNI 3 MIH-TNI 4 A1 und A2 A1 und A2 A1 und A2 A1 und A2 B1 oder B2 B3 – B6 einzeln oder in Kombi- nation TNI 2a: oder B2 B1 Einbruch nicht in der Fissur B3 – B6 einzeln oder in Kombi- nation B1 oder B2 B3 – B6 einzeln oder in Kombi- nation TNI 4a: oder B2 B1 Einbruch nicht in der Fissur B3 – B6 einzeln oder in Kombi- nation TNI 2a/2b/2c: , C2 C4 C1 C3 oder oder keine Compliance, Karies TNI 2a/2b/2c: D TNI 4a/4b/4c: , C2 C4 C1 C3 oder oder keine Compliance, Karies TNI 4a/4b/4c: D E1 oder E2 TNI 2a/2b/2c: E1 oder E2 E1 oder E2 E1 oder E2 TNI 4a/4b/4c: E1 oder E2 E1 oder E2 TNI 2c: F TNI 4c: F ▶ Abb. 4 Flowchart des Therapiekonzepts der Würzburger Arbeitsgruppe basierend auf dem MIH-Treatment Need Index (MIH-TNI) – Update 2022. Daten nach: Bekes K, Steffen R, Krämer N. Update of the molar incisor hypomineralization: Würzburg concept. Eur Arch Paediatr Dent 2023; 24: 807–813 [27]. CPP-ACP = Caseinphosphopeptid-amorphes Calciumphosphat; FV = Fissurenversiegelung; GIZ = Glasionomerzement; SDF = Silber- diaminfluorid; TCP = Tricalciumphosphat. Gaballah R et al. Das aktualisierte Würzburger ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 225–244 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 231
CME-Fortbildung Therapiestufe A: Prophylaxe/Regeneration Die erste Stufe des Therapiekonzepts bei MIH umfasst im- mer die Prophylaxe/Regeneration, unabhängig vom Schweregrad des diagnostizierten MIH-TNI. Die Prophy- laxe ist von großer Bedeutung, da Substanzdefekte Reten- tionsnischen für Plaque bieten und eine angemessene Mundhygiene häufig erschweren, was durch mögliche Hy- persensibilität der Zähne zusätzlich beeinträchtigt wird [29]. Während einige Studien in Deutschland keine Korre- lation zwischen MIH und einem erhöhten Kariesrisiko fest- stellen konnten [2, 30, 31], wird dieser Zusammenhang in anderen internationalen Studien bestätigt [25, 32, 33]. Merke Die Therapiestufe A (Prophylaxe/Regeneration) ist bei MIH-Patienten stets die grundlegende Basistherapie. Sie steht unabhängig vom Schweregrad, den betroffenen Zähnen, der Compliance oder dem Kariesrisiko an erster Stelle. Prophylaxe und Regeneration beinhalten die topische Fluoridanwendung (zu Hause und in der Praxis). Für die häusliche Anwendung werden fluoridhaltige Zahnpasten mit Tricalciumphosphat (TCP) ab einem Alter von 6 Jahren (1450 ppm Fluorid 2-mal täglich) empfohlen. Zur Behandlung von Hypersensibilitäten kann die Anwen- dung von Caseinphosphopeptid-amorphem Calciumphos- phat (CPP-ACP) 1-mal täglich abends, in einer Schiene sinnvoll sein. Eine lokale Fluoridierung sollte „chairside“ 2- bis 4-mal jährlich, je nach Kariesrisiko, durchgeführt wer- den [27]. Cave CPP-ACP-haltige Präparate sind nicht geeignet für Patienten mit Milcheiweißallergie oder Empfindlichkeit gegenüber benzoathaltigen Konservierungsmitteln. Therapiestufe B: nichtinvasive Therapie Therapiestufe B, die nichtinvasive Therapie, ersetzt den früheren Begriff „Versiegelung“, da das Update nun auch Frontzähne mit einbezieht. Für Molaren bleibt die Fissu- renversiegelung die zentrale Maßnahme. Dies kann nach vollständigem Zahndurchbruch unter Anwendung eines Adhäsivs und Sealers oder Flowable (B1) erfolgen. Ist der Zahndurchbruch noch nicht abgeschlossen und die Tro- ckenlegung erschwert, wird ein niedrigvisköser Glasiono- merzement (B2) empfohlen. Frontzähne können minimal- invasiv mit Bleaching (B3), Mikroabrasion (B4), Infiltration (B5) oder der Etch-Bleach-Seal-Technik (B6) behandelt werden [27]. ZUSATZINFO Regenerative Präparate: Caseinphosphopeptid-amorphes Calciumphosphat (CPP-ACP) Der Einsatz regenerativer Präparate zielt darauf ab, den Mineral- gehalt hypomineralisierter Zahnstrukturen zu erhöhen, ihre physi- kalischen Eigenschaften zu verbessern und so die Widerstands- fähigkeit gegenüber Substanzverlust und Karies zu steigern [34]. In den letzten Jahren hat neben Fluorid vor allem der Einsatz von kalziumphosphathaltigen Präparaten wie Caseinphosphopeptid- amorphem Calciumphosphat (CPP-ACP) verstärkte Aufmerksam- keit erhalten [35, 36]. Caseinphosphopeptid (CPP), ein Bestandteil des Milchproteins Casein, stabilisiert Kalzium- und Phosphationen in Form von amorphem Calciumphosphat (ACP). Dieses lösliche ACP wirkt als Reservoir für Kalzium und Phosphat an der Zahnoberfläche und in der Plaque, wodurch eine hohe Sättigung dieser Mineralien in unmittelbarer Nähe des Zahnschmelzes gewährleistet wird. Sind ausreichend Kalzium- und Phosphationen vorhanden, fördert dies die Remineralisation, indem diese Ionen als Bausteine für Apatit- kristalle im Zahnschmelz dienen [37]. Die Wirksamkeit von CPP- ACP als remineralisierendes und desensibilisierendes Mittel ist durch wissenschaftliche Studien belegt [36, 38]. Für die häusliche Anwendung von Produkten mit CPP-ACP wie Recaldent (Wirkstoff in GC Tooth Mousse, GC Corporation, Tokyo, Japan) empfiehlt es sich, das Präparat abends vor dem Zubett- gehen aufzutragen und über Nacht auf den Zähnen zu belassen – idealerweise mithilfe einer Schiene [36]. INFO Mikroabrasion, Kunststoffinfiltration und Etch-Bleach-Seal-Technik Diese Techniken bieten unterschiedliche Ansätze zur ästhetischen Behandlung von MIH-Läsionen: ▪ Bei der Mikroabrasion wird eine Mischung aus Säure (z. B. Salzsäure) und Schleifpartikeln (z. B. Siliziumpartikel) eingesetzt, um bis zu 0,2 mm des oberflächlichen Zahnschmelzes abzutragen [39]. Ergänzend kann ein Home-Bleaching ver- bleibende Farbunterschiede reduzieren. ▪ Die Kunststoffinfiltration ist ein moderner Ansatz für die mikroinvasive Behandlung von ästhetisch sichtbaren Mineralisationsverän- derungen an Frontzähnen [40]. Dabei wird die hypomineralisierte Schmelzoberfläche durch Ätzen mit Salzsäure erodiert, getrocknet und mit niedrigviskösem Kunststoff infiltriert, der lichtgehärtet wird. Diese Methode füllt die Poren und passt die Lichtbrechung an, was die Ästhetik verbessert [41]. Allerdings bleibt die Wirkung bei MIH oft eingeschränkt: MIH-Läsio- nen sind in der Regel tiefer und weisen höhere organische Anteile auf als nicht kavitierte Karies- läsionen. Diese Faktoren können das Infiltra- tionsergebnis beeinflussen, weil oft poröser Schmelz im dentinnahen Bereich verbleibt, was sich auf das ästhetische Ergebnis auswirken kann (▶ Abb. 5) [42]. 232 Gaballah R et al. Das aktualisierte Würzburger ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 225–244 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
▪ Die Etch-Bleach-Seal-Technik kombiniert das Ätzen mit Phosphorsäure, ein Bleaching und eine abschließende Versiegelung mit tief ein- dringendem Harz [43]. Bei MIH-Läsionen ist häu- fig eine Kombination aus verschiedenen Verfah- ren wie Mikroabrasion, Infiltration und in einigen Fällen sogar die Überdeckung mit Komposit er- forderlich, um optimale ästhetische und funktio- nale Ergebnisse zu erzielen [44]. Therapiestufe C: provisorische Therapie – Kurzzeit Die bisherige Bezeichnung „provisorische Versorgung“ wurde in „provisorische Therapie“ geändert. Diese Stufe umfasst neben den bisher vorhandenen Maßnahmen – Glasionomerzement (GIZ), mit/ohne Orthoband (C1, C2) – nun auch die Anwendung von Silberdiaminfluorid (SDF) mit/ohne GIZ (C3, C4) [27]. INFO Silberdiaminfluorid (SDF) SDF ist eine farblose, alkalische Flüssigkeit, die Sil- ber, Fluorid und Ammoniak enthält. In Deutschland ist 38 %iges SDF für die Desensibilisierung über- empfindlicher Zähne zugelassen [45, 46]. Es wird jedoch häufig „off-label“ in der Kinderzahnmedizin eingesetzt, besonders zur Kariesarretierung und -prävention [46]. Zudem zeigt sich SDF als wirksam bei MIH-bedingter Hypersensibilität [47], indem es durch Bildung von Fluorohydroxyapatit die Dentin- tubuli verschließt und die Mineraldichte des Gewe- bes erhöht [48]. Zur Förderung der Gewebereparatur und Hem- mung der Biofilmakkumulation wird SDF oft mit Glasionomerzement abgedeckt – diese Methode ist als SMART (silbermodifizierte atraumatische restau- rative Therapie) bekannt [49, 50]. Cave SDF verfärbt alle Bereiche, die damit in Kontakt kom- men, reversibel schwarz. Eine vorherige Aufklärung ist daher äußerst wichtig. Zum Schutz sollten Lippen und Schleimhaut mit Vaseline abgedeckt und eine ausrei- chende kurzzeitige Trockenlegung sichergestellt wer- den. Therapiestufe D: provisorische Therapie – Langzeit Analog zur Therapiestufe C wurde auch bei der Stufe D der Begriff „provisorische Versorgung“ in „provisorische Therapie“ geändert. Die langzeitprovisorische Therapie schließt neben den bisher gelisteten Stahlkronen (Stain- less Steel Crowns, SSC) auch Zirkonkronen sowie deren je- weilige Präparationsformen (konventionell/Hall-Technik) ein [27]. Zirkonkronen zeichnen sich durch eine hervorragende Äs- thetik und Biokompatibilität aus. Allerdings ist die Präpa- ration für Zirkonkronen mit einem erheblichen Substanz- verlust verbunden, was das Risiko einer iatrogenen Pul- paeröffnung, selbst bei weniger stark beschädigten Zäh- nen, erhöht [51]. Die Hall-Technik ist bei Zirkonkronen aufgrund ihrer Materialeigenschaften nicht möglich. ZUSATZINFO Hall-Technik Die Hall-Technik, benannt nach der schottischen Zahnärztin Dr. Norna Hall, ist eine minimalinvasive Methode zur Versorgung kariöser Milchmolaren. Hierbei wird eine konfektionierte Stahlkrone ohne Anästhesie, Kariesentfernung oder Zahnpräparation direkt auf den betroffenen Zahn zementiert [52]. Die Hall-Technik kann auch bei bleibenden Molaren mit großflächigen Läsionen angewendet werden. Sie basiert auf den Prinzipien des biologischen Ka- riesmanagements, und ihre Wirksamkeit ist in meh- reren klinischen Studien belegt [52, 53, 54]. Therapiestufe E: definitive Therapie Diese Therapiestufe bleibt, abgesehen von der Anpassung des Begriffs (nun „Therapie“ statt „Versorgung“), weit- gehend unverändert gegenüber Version 1.0. Sie umfasst die definitive direkte Restauration mit Komposit (E1) so- wie die indirekte Restauration (E2) [27]. Therapiestufe F: Extraktion Die letzte Stufe des Therapieplans ist die Extraktion. Diese ist bei schweren MIH-Fällen mit ausgedehnten posterupti- ven Schmelzeinbrüchen, Pulpabeteiligung oder Abszedie- rung die Therapie der Wahl [27]. Cave Da die Extraktion der ersten bleibenden Molaren oft komplexe kieferorthopädische Folgebehandlungen er- fordert, ist eine enge interdisziplinäre Abstimmung mit der Kieferorthopädie wesentlich. Der ideale Zeitpunkt für die Extraktion liegt in einem Alter zwischen 8 und 11,5 Jahren. Voraussetzung hierfür ist, dass radiologisch die Kronenmineralisation der zweiten Molaren abgeschlossen, die Bifurkationen dieser Zähne sichtbar und die Keimanlage der Weisheitszähne erkenn- bar ist [28, 55, 56]. Bei Platzmangel können sich die zwei- ten Molaren dann meist spontan korrekt einordnen. Er- folgt die Extraktion außerhalb dieser Phase, sind oft auf- wendigere und langwierigere kieferorthopädische Be- handlungen erforderlich [57, 58]. Gaballah R et al. Das aktualisierte Würzburger ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 225–244 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 233
CME-Fortbildung ▶ Abb. 5 Fallbeispiel: Mikroabrasions-Vorbehandlung und Kunststoffinfiltration von MIH-Opazitäten an Zahn 21 mittels Icon (DMG, Hamburg). a Ausgangssituation: Zahn 21 zeigt im oberen Kronendrittel 2 abgegrenzte weißliche Opazitäten mesial und distal, ohne Hypersensibilität. Der Zahn wurde gemäß dem MIH-Treatment-Need-Index (MIH-TNI) als MIH-TNI 1 graduiert. b Kofferdamanlage und Mikroabrasion: Nach Anlegen des Koffer- dams wurde an Zahn 21 eine Mikroabrasion mit Opalustre (Ultradent Products, Inc., South Jordan, UT, USA) für 1 min durchgeführt. c Zustand nach Mikroabrasion: Die Oberfläche des koronalen Drittels von Zahn 21 erscheint matt und opak als Ergebnis der Mikroabrasion. d Erste Säureätzung: Applikation von 15 %iger Salzsäure (Icon-Etch, DMG, Hamburg) für 2 min. e Zustand nach erster Säureätzung: minimal sichtbare Mattung der Opazi- täten nach der initialen Ätzung. f Zweite Säureätzung: erneute Applikation von 15 %iger Salzsäure (Icon-Etch, DMG, Hamburg) für weitere 2 min. 234 Gaballah R et al. Das aktualisierte Würzburger ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 225–244 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
▶ Abb. 5 Fortsetzung. g Zustand nach zweiter Säureätzung und Ethanolapplikation: Nach der zweiten Ätzung wurde Ethanol (Icon-Dry, DMG, Hamburg) für 30 Sekunden appliziert, um die zuvor erodierte Schmelzoberfläche zu trocknen und Wasser aus den freigelegten Poren zu ent- fernen. Durch die Ethanolbenetzung zeigte sich bei der distalen Opazität eine optische Annäherung an das spätere ästhetische Er- gebnis. Anschließend erfolgte eine gründliche Trocknung des Zahnes mit öl- und wasserfreier Luft für ca. 10 s. h Kunststoffinfiltra- tion: Applikation des Kunststoffinfiltranten (Icon-Infiltrant, DMG, Hamburg) mit sanftem Einmassieren in die Läsion. i Einwirkzeit des Infiltranten: Der Infiltrant wurde für 3 min unter einer Lichtschutzhaube einwirken gelassen, um eine vorzeitige Polymerisation zu vermeiden und die Eindringtiefe in den Schmelz zu maximieren. Dieser Vorgang wurde insgesamt 4-mal wiederholt, sodass eine Gesamteinwirkzeit von 12 min erreicht wurde. j Polymerisation: Nach der Gesamteinwirkzeit wurden Interdentalstreifen (Frasaco, Tettnang) mesial und distal zu den Nachbarzähnen eingefügt. Die Lichthärtung erfolgte mittels einer Polymerisationslampe (Blue- phase Style, Ivoclar Vivadent, Schaan, Liechtenstein) für 30 s. k Zustand nach Lichthärtung: Die Opazitäten sind klinisch kaum noch sichtbar. l Politur: Entfernung der Sauerstoffinhibitionsschicht mit einer Okklubrush-Bürste (KerrHawe SA, Bioggio, Schweiz). Über- schüsse wurden kontrolliert und, falls vorhanden, mit einem Frontzahn-Scaler (Hu-Friedy, Chicago, IL, USA) entfernt. m Ergebnis nach Politur und Entfernung der Überschüsse: glatte und ästhetisch ansprechende Oberfläche ohne sichtbare Opazitäten. n Ergebnis nach Entfernung des Kofferdams (Tag 0): Die Opazitäten an Zahn 21 sind nahezu vollständig maskiert. Die Zähne 13–23 erscheinen aufgrund der Austrocknung durch den Kofferdam heller. o Ergebnis des 1-Wochen-Recalls (Tag 7): Die Zähne 13–23 haben sich wieder zu ihrer natürlichen Farbe aufgedunkelt. Die mesiale Opazität an Zahn 21 ist nahezu vollständig maskiert, während die distale Opazität noch leicht durchschimmert. Im Vergleich zum Ausgangszustand zeigt diese vollständig mikroinvasive Therapie eine sicht- bare Verbesserung. Dennoch könnte eine Kombination mit anderen Verfahren, wie Bleaching und/oder einer Kompositüberschich- tung, erforderlich sein, um eine vollständige Maskierung zu erreichen. Therapiekonzept für Seitenzähne MIH-TNI 1 Bei Seitenzähnen ohne Substanzdefekt und ohne Hyper- sensibilität sind die Therapiestufen A und B die Mittel der Wahl. Neben einer intensiven Prophylaxe ist eine Versie- gelung sinnvoll. Abhängig vom Zahndurchbruch kann die Versiegelung entweder nach vorheriger Anwendung eines Adhäsivs mit Sealer oder Flowable erfolgen (bei abge- schlossenem Zahndurchbruch), anderenfalls wird ein niedrigvisköser GIZ verwendet (bei nicht abgeschlosse- nem Zahndurchbruch) [27]. MIH-TNI 2 Ein MIH-TNI 2 impliziert das Vorliegen eines Substanzver- lusts, jedoch ohne Hypersensibilität. Je nach Ausmaß und Lokalisation des Defekts sind verschiedene Therapieansät- ze möglich. Beträgt der Defekt weniger als ein Drittel der Zahnoberfläche und liegt er nicht in der Fissur, kann eine Versiegelung (B1 oder B2) der erste Behandlungsschritt sein. Bei Defekten, die ein Ausmaß von einem Drittel bis zwei Dritteln der Zahnoberfläche erreichen oder pulpen- nah sind, ist eine provisorische Versorgung mit GIZ mit oder ohne Orthoband (C1, C2) die bevorzugte Lösung. Diese kann später durch eine definitive Restauration (E1, E2, direkte oder indirekte Restauration) ersetzt werden [27]. Bei Patienten mit eingeschränkter Kooperationsbereit- schaft und zusätzlichem Kariesbefall kann die Anwendung von SDF mit oder ohne anschließende GIZ-Abdeckung (C3, C4) in Betracht gezogen werden. Alternativ ist eine langfristige provisorische Versorgung mit konfektionier- ten Stahl- oder Zirkonkronen möglich, wobei die Präpara- tionstechnik entweder konventionell (beide Materialien) oder nach der Hall-Technik (SSC) erfolgen kann. In Fällen mit MIH-TNI 2 c sollte die Extraktion als Therapieoption erwogen werden. FALLBEISPIEL 1 MIH und altersbedingt eingeschränkte Compliance Ein 6-jähriger Patient ohne bekannte Allgemeinerkrankungen stellt sich mit Hypomineralisationen der ersten bleibenden Mola- ren vor. Klinische Untersuchung: großflächige posteruptive Schmelzein- brüche, teils mit kariösen Defekten und ausgeprägter Hypersensi- bilität an den Zähnen 16 (MIH-TNI 4a), 36 (MIH-TNI 4 c) und 46 (MIH-TNI 4 c). Zahn 26 weist hingegen keine Schmelzeinbrüche auf und zeigt keine Hypersensibilität (MIH-TNI 1). Diagnose: MIH im Wechselgebiss bei altersgerechter Gebissent- wicklung (erste Wechselgebissperiode). Therapie: Aufgrund der altersbedingt eingeschränkten Compli- ance werden die betroffenen Zähne nach dem Würzburger Thera- piekonzept unter relativer Trockenlegung atraumatisch proviso- risch restauriert (▶ Abb. 6). Bei 3 Zähnen (16, 36 und 46) erfolgt eine Behandlung mit SDF (Riva Star, SDI Limited, Bayswater, Victoria, Australien) und einem niedrigviskösen GIZ (Fuji TRIAGE, GC Corporation, Tokyo, Japan) (C3). Ein Zahn (26) mit milderen Defekten wird adhäsiv mit einem lichthärtenden Fissurenversieg- ler auf Kompositbasis versiegelt (Vococid Ätzgel, VOCO GmbH, Cuxhaven/Scotchbond Universal, 3M Deutschland GmbH, Neuss/ Helioseal, Ivoclar Vivadent AG, Schaan, Liechtenstein). Weiteres Vorgehen: Nach Erreichen eines behandlungsfähigen Alters und Abklingen der Hypersensibilität sollen die provisori- schen Versorgungen sukzessiv durch definitive Restaurationen (E1, E2) ersetzt werden. Auch hier dient die Prophylaxe und Rege- neration (A1, A2) als Basistherapie. Der Patient wird in 6-mona- tigen Intervallen einbestellt, um die SDF/GIZ-Applikation zu kon- trollieren und ggf. zu wiederholen. Gaballah R et al. Das aktualisierte Würzburger ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 225–244 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 235
CME-Fortbildung FALLBEISPIEL 1 – FORTSETZUNG ▶ Abb. 6 a Orthopantomogramm (OPG): Alle bleibenden Zähne sind angelegt. Die Keimanlagen der Weisheitszähne sind noch nicht erkenn- bar. Schmelzdefekte an den ersten bleibenden Molaren, vereinzelt mit Dentinbeteiligung (Zahn 46), Wurzelwachstum der 6-Jahr-Molaren noch nicht abgeschlossen. b Zahn 16: MIH-TNI 2a, Therapiestufe C3 (SDF + GIZ). c Zahn 26: MIH-TNI 1, Therapiestufe B1 (Fissurenversiege- lung). d Zahn 36: MIH-TNI 2 c, Therapiestufe C3 (SDF + GIZ). e Zahn 46: MIH-TNI 2 c, Therapiestufe C3 (SDF + GIZ). Bei allen Zähnen erfolgt die Basistherapie A1/A2 (Prophylaxe/Regeneration). 236 Gaballah R et al. Das aktualisierte Würzburger ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 225–244 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
Merke Eine enge interdisziplinäre Abstimmung ist notwendig, um den optimalen Zeitpunkt der Extraktion zu bestim- men und sicherzustellen, dass Folgezähne sich mög- lichst ohne großen Behandlungsaufwand einordnen. Ist der kieferorthopädisch empfohlene Extraktionszeit- punkt noch nicht erreicht, sollte der Zahnerhalt bis dahin mit den Therapiestufen B, C und ggf. D angestrebt wer- den [27]. MIH-TNI 3 Ein MIH-TNI 3 bedeutet das Vorliegen von Hypersensibili- tät ohne Substanzdefekt. Neben der Prophylaxe und Re- generationsansätzen (z. B. mittels CPP-ACP) sollte hier eine Versiegelung der Seitenzähne erfolgen. Dies kann adhäsiv mit Sealer oder Flowable (B1) bei abgeschlosse- nem Zahndurchbruch oder mit niedrigviskösem GIZ bei noch nicht abgeschlossenem Zahndurchbruch durch- geführt werden [27]. MIH-TNI 4 MIH-TNI 4 beschreibt das Vorhandensein eines Schmelz- einbruchs in Kombination mit Hypersensibilität. Die Be- handlungsstrategie entspricht weitgehend der bei MIH- TNI 2. Bei Defekten, die weniger als ein Drittel der Zahn- oberfläche betreffen (TNI 4a) und nicht in der Fissur loka- lisiert sind, ist eine Versiegelung der erste Schritt. Bei größeren Defekten (> ⅓, < ⅔ der Zahnoberfläche) oder bei pulpennahen Defekten ist die provisorische Versor- gung mit niedrigviskösem GIZ mit oder ohne Orthoband (C1, C2) die Therapie der Wahl. Bei fehlender Compliance und hoher Kariesaktivität kann die Anwendung von SDF mit oder ohne GIZ-Abdeckung (C3, C4) sinnvoll sein. Die provisorische Kurzzeittherapie kann, nach Abklingen der Hypersensibilität oder bei gesteigerter Compliance, durch eine definitive Therapie ersetzt werden. Hier kom- men entweder direkte Kompositrestaurationen oder indi- rekte Versorgungen (E1, E2) in Frage. Alternativ kann auch eine langfristige provisorische Versorgung mit kon- fektionierten Stahl- oder Zirkonkronen (D1, D2) in Be- tracht gezogen werden. Bei MIH-TNI 4 c sollte zum pas- senden Zeitpunkt auch eine Extraktion erwogen werden [27]. FALLBEISPIEL 2 MIH und hohes Kariesrisiko Ein 8-jähriger Patient, allgemeinanamnestisch un- auffällig, nach abgeschlossener Behandlung einer Gaumenspalte, wird von der Mund-, Kiefer- und Ge- sichtschirurgie (MKG) mit umfangreichem Behand- lungsbedarf überwiesen. Der Patient hatte bisher keinen Hauszahnarzt und keine Zahnarztbesuche. Gelegentlich klagt er über Hypersensibilitäten ein- zelner Zähne bei der Nahrungsaufnahme, ansons- ten bestehen keine Beschwerden. Klinische Untersuchung: generalisierte Gingivitis der Mundschleimhaut, ohne Schwellungen oder Fisteln. Der Patient befindet sich in der frühen zwei- ten Wechselgebissperiode. An den ersten bleiben- den Molaren sind großflächige Substanzdefekte, Karies und Plaque in den Kavitäten erkennbar. An- grenzend an die Defekte sind umschriebene, weiß- gelbliche Opazitäten zu sehen, die auf eine MIH mit posteruptivem Schmelzeinbruch hinweisen. Alle ersten bleibenden Molaren reagieren auf die Sensi- bilitätsprobe mit Kältespray positiv und sind bei Pal- pation und Perkussion unempfindlich. Zahn 16 zeigt jedoch eine deutliche Hypersensibilität auf Luftstrom (Patient bittet nach 1–2 s Luftstimulus um Unterbrechung). Zusätzlich werden mehrere kariöse Milchzähne diagnostiziert. Diagnose: MIH und Karies im Wechselgebiss; kie- ferorthopädisch Kreuzbiss im Bereich 22/32 und to- taler Platzmangel für Zahn 42 mit Labialstand. Therapie: Auf Basis des Würzburger Therapiekon- zepts und unter Berücksichtigung des hohen Ka- riesrisikos, des Alters, des Schweregrads der Defek- te und der bestehenden Symptome wird eine lang- fristige provisorische Therapie (Stufe D) mit konfek- tionierten Stahlkronen (3 M ESPE Stainless Steel Crowns, 3 M Deutschland GmbH, Neuss) für die ersten bleibenden Molaren durchgeführt (▶ Abb. 7). Die kariösen Milchzähne werden adhä- siv konservierend versorgt (Scotchbond Universal, 3M Deutschland GmbH, Neuss/SDR flow + Dents- ply Sirona, York, PA, USA) oder, wenn eine konser- vierende Therapie nicht möglich ist, extrahiert. Weiteres Vorgehen: Eine Überweisung an die Kie- ferorthopädie zur weiteren Planung erfolgt im An- schluss. Gaballah R et al. Das aktualisierte Würzburger ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 225–244 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 237
CME-Fortbildung FALLBEISPIEL 2 – FORTSETZUNG Diagnose Ausgangssituation Zwischensituation Abschlusssituation 16: MIH-TNI 4a 15: MIH-TNI 1 26: MIH-TNI 2b 65: MIH-TNI 2c 64: MIH-TNI 2a 36: MIH-TNI 2b 46: MIH-TNI 2c a c g j m dd h k n e o b f ii ll pp ▶ Abb. 7 a, b Frontalansicht vor (a) und nach (b) konservativer/chirurgischer Erstsanierung; Platzmangel und Engstand der UK-Frontzähne. c Zahn 16 mit hypersensibler Reaktion, klinisch posteruptiver Schmelzeinbruch und kariöser Defekt (< ⅓ der Zahnoberfläche). d Röntgenolo- gisch Defekt bis ins mittlere Dentindrittel erkennbar. e Zustand nach Applikation von Silberdiaminfluorid (SDF, schwarz) und provisorischer Füllung/Versiegelung mit dünnfließendem Glasionomerzement (GIZ, orange) unter relativer Trockenlegung, atraumatisch ohne Exkavation; lediglich Reinigung der Kavität (C3). f Zahn 16 nach konventioneller Präparation und Versorgung mit konfektionierter Stahlkrone (SSC), Zahn 15 mit palatinalen Opazitäten ohne Schmelzeinbruch, prophylaktische Maßnahmen (A1, A2). g–i Zahn 26 mit okklusal-bukkalem Schmelz- einbruch (> ⅓ und < ⅔ der Zahnoberfläche) und kariösem Defekt, röntgenologisch pulpanah (inneres Dentindrittel); anschließende Versor- gung mit einer SSC (i), Zähne 65, 64 und 63 extrahiert. j–l Zahn 36 mit analogem Befund und Therapie wie bei Zahn 26. m Zahn 46 mit okklusal-bukkalem Schmelzeinbruch und Karies; an den Kavitätenrändern scharf begrenzte Opazitäten. n Röntgenologisch pulpanaher Defekt (inneres Dentindrittel) ohne deutliche Dentinbarriere zur Pulpa. o Kontrollröntgenbild 12 Monate nach zervikaler Pulpotomie unter Lokalanästhesie (Biodentin als Wundverband) und Überkronung des Zahns. p SSC auf Zahn 46 in situ, adhäsive Füllung distal an Zahn 84. Therapiekonzept für Frontzähne MIH-TNI 1–4 Hypomineralisierte Frontzähne müssen aus zahnärztlicher Sicht nicht immer therapiert werden. Bei der Entschei- dungsfindung sollten jedoch neben dem Vorhandensein von Hartsubstanzdefekten auch die Ästhetik und die da- mit verbundene mundgesundheitsbezogene Lebensquali- tät berücksichtigt werden. Es ist bekannt, dass MIH-be- troffene Frontzähne die mundgesundheitsbezogene Le- bensqualität von Kindern beeinträchtigen können; es wurden Probleme im sozialen und emotionalen Wohl- befinden beschrieben [59]. Aufgrund der anatomischen Gegebenheiten bei Kindern und Jugendlichen – wie gro- ßen Pulpakammern, ausgeprägten Pulpahörnern und sich ändernden Gingivaverhältnissen – sollte jedoch stets ein konservativer Behandlungsansatz verfolgt werden. Merke Eine MIH-Therapie kann die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität positiv beeinflussen [60]. Es sollte jedoch stets ein konservativer Behandlungsansatz verfolgt werden. 238 Gaballah R et al. Das aktualisierte Würzburger ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 225–244 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
Therapie A Prophylaxe/Regeneration A1 (häuslich) Fluorid, CPP-ACP A2 (ambulant) Fluoridlack Therapie B nichtinvasive Therapie B1 FV (Adhäsiv + Versiegler oder Flowable) B2 GIZ (niedrigviskös) Therapie C provisorische Therapie (Kurzzeit) C1 GIZ C2 SDF plus GIZ C3 SDF Therapie E definitive Therapie E1 direkte Restauration (Kompomer, Komposit) E2 konfektionierte Krone (Stahl [konv./Hall], Zirkon [konv.]) Therapie F Extraktion MMH-TNI 1 MMH-TNI 2 MMH-TNI 3 MMH-TNI 4 A1 und A2 A1 und A2 A1 und A2 A1 und A2 B1 oder B2 TNI 4a: oder B2 B1 Einbruch nicht in der Fissur B1 oder B2 TNI 2a: oder B2 B1 Einbruch nicht in der Fissur TNI 2a/2b: oder C3 C1, C2 keine Compliance, Karies TNI 2a: E1 TNI 2b: E1 oder E2 TNI 2c: E2 TNI 2c: F TNI 4c: F ▶ Abb. 8 Flowchart des Therapiekonzepts der Würzburger Arbeitsgruppe basierend auf dem MMH-Treatment Need Index (MMH-TNI) – Update 2024. Daten nach: Bekes K, Steffen R, Krämer N. Hypomineralised second primary molars: the Würzburg concept. Eur Arch Paediatr Dent 2024; 25: 597–602 [61]. CPP-ACP = Caseinphosphopeptid-amorphes Calciumphosphat; FV = Fissurenversiegelung; GIZ = Glasionomerzement; SDF = Silber- diaminfluorid; TCP = Tricalciumphosphat. Minimalinvasive Maßnahmen ermöglichen es, Zahnhart- substanz für mögliche zukünftige Restaurationsmaßnah- men zu erhalten [27]. Die Therapieoptionen umfassen bei Frontzähnen zusätzlich zur Prophylaxe (A1, A2) das Blea- ching (bei Jugendlichen) (B3), die Mikroabrasion (B4), die Infiltration (B5) und die Etch-Bleach-Seal-Technik (B6) so- wie Kombinationen dieser Methoden. Auch definitive Res- taurationen (E) können bei Frontzähnen in Betracht gezo- gen werden. Die Restauration kann entweder mit oder ohne vorherigen Schmelzabtrag erfolgen und dient zur Maskierung von Opazitäten oder zur Versorgung posteruptiver Schmelzeinbrüche. Indirekte Restaurationen sollten erst bei älteren Jugendlichen erwogen werden [27]. Therapiekonzept 2.0 (Update 2024) – Erweiterung für die MMH-Behandlung Bisher konzentrierte sich das Würzburger Therapiekon- zept ausschließlich auf die Behandlung bleibender Zähne. Trotz der bislang geringen Evidenzlage für die verschiede- nen Behandlungsoptionen zielte dieses Update darauf ab, das Konzept auf die MMH auszuweiten [61]. Ähnlich wie bei der MIH umfasst das MMH-Therapiekonzept präven- tive Maßnahmen und regenerative Ansätze (A1/A2), nichtinvasive Therapien (B1/B2) sowie temporäre (C1/C2/ C3) und definitive Restaurationen (E1/E2) bis hin zur Ex- traktion (F) betroffener Milchzähne. Der Aufbau des Flowcharts ähnelt dem für die MIH-Therapie und wird in gleicher Weise gelesen (▶ Abb. 8). Unterschiede zum MIH-Therapie-Flowchart (▶ Abb. 4): ▪ Therapie für Frontzähne entfällt: Anders als bei MIH ist die Therapie für Frontzähne im MMH-Flowchart nicht vorgesehen. ▪ Änderungen in Therapiestufe D und E: Die ursprüng- liche Therapiestufe D (Provisorische Therapie – Lang- zeit) wurde entfernt, und die konfektionierten Kronen wurden in die Therapiestufe E (Definitive Therapie) in- tegriert. Diese Kronen werden bei Milchzähnen als de- finitive Therapie betrachtet. Gaballah R et al. Das aktualisierte Würzburger ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 225–244 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 239
CME-Fortbildung Schlussfolgerung Interessenkonflikt MIH variiert je nach Fall, Kariesrisiko und Compliance. Die Aktualisierungen des Würzburger Konzepts bestätigen den MIH-Treatment Need Index als ersten Teil und opti- mieren den Behandlungsplan als zweiten Teil. Neue mini- malinvasive Ansätze der Kinderzahnmedizin wie SDF + GIZ, die Hall-Technik und regenerative, prophylaktische Maßnahmen sind wertvolle Werkzeuge, die in der Betreu- ung von MIH-Patienten nicht fehlen sollten. Die Autoren hatten während der letzten 3 Jahre wirtschaftliche oder persönliche Verbindungen im genannten Sinne wie folgt: Vortragstätigkeit für Zahnärztekammer und Industrie (Kulzer, Viviadent, Oral-B, Dentsply, Stiftung Innovative Zahnheilkunde, GC). Autorinnen/Autoren KERNAUSSAGEN ▪ Die Zahngesundheit von Kindern und Jugendlichen verändert sich dynamisch: In industrialisierten Ländern nimmt die Karies- prävalenz an bleibenden Zähnen ab, während MMH/MIH stär- ker in den Fokus rücken. Das 2016 eingeführte und 2022/2024 überarbeitete Würzburger Konzept verbindet erstmals Diag- nostik und Therapie für MIH in einem 2-gleisigen Ansatz. ▪ Der erste Pfeiler des Konzepts ist der MIH-TNI, der eine präzise Graduierung der betroffenen Zähne anhand von Strukturde- fekten und Hypersensibilität in 4 Scores ermöglicht. Dieser Teil blieb im Update 2022 unverändert. ▪ Der zweite Pfeiler, ein auf dem MIH-TNI basierendes Flowchart zur Therapieempfehlung, wurde im Update 2022 erweitert und bietet spezifische Ansätze für kariesanfällige und wenig kooperative Patienten. ▪ Die Therapiestufe A (Prophylaxe und Regeneration) bildet die Basis aller Behandlungen und umfasst im Update neue Ansätze zur Regeneration und zum Sensibilitätsmanagement, wie z. B. die Anwendung von CPP-ACP. ▪ Das Update 2022 ergänzt die Therapiestufen B und C um Op- tionen für die Behandlung von Frontzähnen und den akuten, provisorischen Umgang mit MIH, darunter moderne Techniken wie die Anwendung von SDF in Kombination mit einem nied- rigviskösen GIZ. ▪ Therapiestufe D enthält nun zusätzlich zu konfektionierten Stahlkronen auch Zirkonkronen in Kombination mit der konventionellen Präparationstechnik oder der Hall-Technik. Die Hall-Technik eignet sich speziell für Stahlkronen und stellt eine langfristige Lösung für größere Defekte und einge- schränkte Behandlungsfähigkeit dar. ▪ Das Konzept legt besonderen Wert auf ein alters- und gebiss- entwicklungsorientiertes, schrittweises Vorgehen. Die Mög- lichkeit zur Extraktion (Therapiestufe F) besteht weiterhin in schweren Fällen und sollte interdisziplinär geplant werden, um komplexe kieferorthopädische Folgebehandlungen möglichst zu vermeiden. ▪ Update 2024: Analog zur MIH wurde ein Flowchart für das Therapiekonzept der MMH eingeführt. Die langfristige proviso- rische Therapie entfällt hier; stattdessen sind konfektionierte Kronen als definitive Therapie (Therapiestufe E) integriert. Dr. med. dent. Ramy Gaballah Jahrgang 1998, ist seit 2022 Zahnarzt und wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Poliklinik für Kinderzahnheilkunde am Universitätsklini- kum Gießen und Marburg, Standort Gießen. Er studierte Zahnmedizin an der Justus-Liebig- Universität Gießen (2016–2022) und pro- movierte im Jahr 2025. Dr. med. dent. Stefanie Amend Jahrgang 1987, ist seit 2012 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Poliklinik für Kinderzahn- heilkunde am Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen. Sie studierte Zahn- medizin an der Justus-Liebig-Universität Gießen (2006–2012) und promovierte im Jahr 2017. Von 2014 bis 2017 absolvierte sie den Weiterbildungsstudien- gang Kinderzahnheilkunde an der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Philipps-Universität Marburg (M. Sc.). Prof. Dr. med. dent. Norbert Krämer Jahrgang 1959, ist seit 2009 Direktor der Poli- klinik für Kinderzahnheilkunde am Universitäts- klinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen. Er studierte Zahnmedizin an der Fried- rich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (1981–1986), promovierte 1987 und habilitier- te 1997. Von 2006 bis 2009 leitete er die Poliklinik für Kinder- zahnheilkunde am Universitätsklinikum der Technischen Uni- versität Dresden. Er war Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnmedizin (DGKiZ) (2000–2004, 2015–2019) und der European Academy of Paediatric Dentistry (EAPD) (2008–2014) und ist seit 2016 Hauptschriftleiter der Zeit- schrift Oralprophylaxe und Kinderzahnheilkunde. Seine Expertise liegt in den Bereichen Zahnärztliche Werkstoffe, Versorgungsforschung und kontrollierte klinische Studien. Korrespondenzadresse Dr. med. dent. Ramy Gaballah Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH Schlangenzahl 14 35392 Gießen Deutschland ramygaballah@yahoo.com Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungs- bestimmungen: Prof. Dr. med. dent. Norbert Krämer, Gießen 240 Gaballah R et al. Das aktualisierte Würzburger ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 225–244 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
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Punkte sammeln auf CME.thieme.de Die Teilnahme an dieser Fortbildungseinheit ist in der Regel 12 Monate möglich, solange ein aktives Abonnement besteht. Unter https://eref.thieme.de/CXNTDZS oder über den QR-Code kommen Sie direkt zur Startseite des Wissenstests und zum Artikel. Sie finden dort auch den genauen Einsendeschluss. Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, finden Sie unter https://cme.thieme.de/hilfe eine ausführliche Anleitung. Wir wünschen viel Erfolg beim Beantworten der Fragen! Frage 1 Wie hoch war laut einer epidemiologischen Studie aus Bayern im Jahr 2023 die MIH-Prävalenz bei 8- bis 10-Jährigen? A 10 % B 12,5 % C 15 % D 17,5 % E 19 % Frage 2 Welches Kriterium ist neben Hypersensibilität für die Graduie- rung des MIH-TNI ausschlaggebend? A Vorhandensein von Karies B Lage der betroffenen Zähne (Front- vs. Seitenzähne) C Vorhandensein von Substanzdefekten D Compliance der Patienten E Anzahl der betroffenen Zähne Frage 3 Was wird in der Basistherapie (Therapiestufe A) im MIH-Therapie- konzept betont? A regelmäßige Anwendung von Chlorhexidin-Lösungen B Prophylaxe und regenerative Maßnahmen unabhängig von Schweregrad und Kariesrisiko C prophylaktische Versiegelung aller betroffenen Zähne D direkte Restauration aller defekten Zähne E Anwendung der Hall-Technik bei kariösen Zähnen Frage 4 Was umfasst die Therapiestufe D im Therapiekonzept 2.0? A nichtinvasive Therapie B Extraktion C kurzzeitprovisorische Therapie D langzeitprovisorische Therapie E definitive Therapie Frage 5 Welche Therapieoption ist für einen Zahn mit MIH-TNI 4 bei einem Patienten mit hoher Kariesaktivität und fehlender Compliance besonders geeignet? A direkte Kompositrestauration B Anwendung von Silberdiaminfluorid und Glasionomerzement C Fissurenversiegelung mit niedrigviskösem Glasionomer- zement D Extraktion E Prophylaxe und Regeneration Frage 6 Im Fall eines MIH-TNI 3 empfiehlt das Würzburger Konzept eine spezifische Versiegelungsmethode abhängig vom Zahndurch- bruch. Welche Methode ist korrekt, wenn der Zahndurchbruch unvollständig ist? A Versiegelung mit kolophoniumhaltigem Fluoridlack B Säureätztechnik und lichthärtender Fissurenversiegler auf Kompositbasis C Versiegelung mit konfektionierten Stahlkronen D Versiegelung mit niedrigviskösem GIZ E Versiegelung mit hochviskösem GIZ Frage 7 Wie wird der MIH-TNI zur Festlegung des Therapiebedarfs für Patienten mit MIH angewendet, insbesondere, wenn mehrere Zähne betroffen sind? A Der höchste MIH-TNI-Wert eines Zahns bestimmt die Thera- pie für alle betroffenen Zähne. B Die Therapie wird nach dem durchschnittlichen MIH-TNI aller betroffenen Zähne ausgerichtet. C Jeder Zahn wird unabhängig behandelt, basierend auf seinem individuellen MIH-TNI-Wert. D Eine Behandlung erfolgt nur, wenn der MIH-TNI für die Mehr- heit der Zähne 4 beträgt. E Ein konservativer Ansatz wird bevorzugt, unabhängig vom MIH-TNI der einzelnen Zähne. Gaballah R et al. Das aktualisierte Würzburger ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 225–244 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 243 ▶ Weitere Fragen auf der folgenden Seite …
CME-Fortbildung Punkte sammeln auf CME.thieme.de Fortsetzung … Frage 8 Was impliziert die Einteilung eines MIH-betroffenen Zahnes in MIH-TNI 1 für das klinische Vorgehen gemäß dem Würzburger Konzept? A Notwendigkeit einer sofortigen restaurativen Therapie B Anwendung von präventiven und regenerativen Maßnahmen C kein sofortiger Behandlungsbedarf, aber regelmäßige Über- wachung D vorläufige Versorgung mit temporären Restaurationen E Vorbereitung zur Extraktion des Zahnes aufgrund schlechter Prognose Frage 9 Welche langfristigen Managementansätze empfiehlt das Würz- burger Konzept für Kinder mit MIH-TNI 2, bei denen die Defekte weniger als ein Drittel der Zahnoberfläche betreffen? A regelmäßige Anwendung von Tricalciumphosphatpasten zur Remineralisation B Durchführung präventiver Extraktionen zur Vermeidung späterer Komplikationen C Anwendung adhäsiver restaurativer Techniken im direkten Verfahren D langzeitprovisorische Versorgung mit konfektionierten Kronen zum Schutz des Zahnes E keine spezifischen Maßnahmen erforderlich, da die Defekte als geringfügig betrachtet werden Frage 10 Was ist bezüglich des Therapiekonzepts speziell an Frontzähnen nicht zutreffend? A Hypomineralisierte Frontzähne müssen aus zahnärztlicher Sicht stets therapiert werden. B MIH-betroffene Frontzähne können die mundgesundheits- bezogene Lebensqualität von Kindern beeinträchtigen. C Eine Therapie kann die mundgesundheitsbezogene Lebens- qualität positiv beeinflussen. D Aufgrund der anatomischen Gegebenheiten bei Kindern und Jugendlichen sollte stets ein konservativer Behandlungsansatz verfolgt werden. E Minimalinvasive Maßnahmen ermöglichen es, Zahnhartsub- stanz für mögliche zukünftige Restaurationsmaßnahmen zu erhalten. Service für unsere Leser Schön aufgeräumt? Der Sammelordner bringt Struktur in Ihre up2date. Anzeige Kostenlosen Ordner bestellen: www.thieme.de/mein-up2date-ordner up2date – Fortbildung mit dem roten Faden 244 Gaballah R et al. Das aktualisierte Würzburger ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 225–244 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
Zahnmedizin up2date 3 · 2025 Varia 11 Zukunft der Zahnmedizin in Deutschland: Herausforderungen und Perspektiven Alexander-Simon Engel Peter Engel DOI: 10.1055/a-2345-3769 Zahnmedizin up2date 2025; 19 (3): 245–254 ISSN 1865-0457 © 2025 Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
CME-Fortbildung Unter dieser Rubrik sind bereits erschienen: Seniorenzahnmedizin: ein wichtiger Baustein zur Infektions- prävention in Pflegeheimen D. Jäger Heft 2/2025 Hautveränderungen als Schlüssel zur Diagnose systemischer Erkrankungen T. Mettang, M. Streit Heft 4/2022 Demenz im Fokus: im Kontakt die richtigen Worte finden A. Spiegler, M. Kammermeier Heft 1/2025 Penicillin-Allergie – tödliche „Fake News“ in der Krankenakte? S. Schulz-Stübner Heft 3/2022 Ursachen und Behandlung von Unverträglichkeitsreaktionen auf Zahnersatz W. Niedermeier Heft 5/2024 Substanzschonende restaurative Rekonstruktion im Abrasionsgebiss C. Hoder-Przyrembel Heft 5/2021 Anwendung von autologen Blutkonzentraten in der Zahnarztpraxis T. Conrad Heft 2/2024 Zahnärztliche Schlafmedizin Teil 4 – Diagnostik bei intraoralen Protrusionsschienen (Modem AGZSH) U. Fremder Heft 6/2023 J. Langenhan, Zahnärztliche Schlafmedizin Teil 3 – Schienenarten und Schienentypen: Klassifikation und Beschreibung J. Langenhan, S. Kopp, P. Schäfthaler Heft 5/2023 Zahnärztliche Schlafmedizin Teil 2 – Zahnärztlich relevante Atmungsstörungen und IPS bei Schlafapnoe und Schnarchen U. Fremder, J. Langenhan, S. Kopp Heft 5/2023 DVT in der Zahnarztpraxis E. Hirsch, B. Lethaus Heft 4/2021 Betreuungskonzepte für Kinder mit Allgemeinerkrankungen N. Schulz-Weidner Heft 3/2021 Bildgebung zur forensischen Altersdiagnostik bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen A. Schmeling, K.-F. Kreitner, W. Heindel, V. Vieth Heft 1/2021 Okklusale Dysästhesie – die S1-Leitlinie in der Praxis B. Imhoff Heft 4/2020 Update: Riech- und Geschmacksstörungen N. Davaris, A. Palm, S. Voigt-Zimmermann, C. Arens Heft 5/2018 Zahnärztliche Schlafmedizin Teil 1 – Grundlagen der Schlafmedizin M. Kühnemund, M. Specht, S. Volk, E. Peterich Heft 4/2023 Partizipative Entscheidungsfindung (PEF) – Patient und Arzt als Team C. Bieber, K. Gschwendtner, N. Müller, W. Eich Heft 6/2017 Zahnmedizin trifft Humanmedizin – eine ganzheitliche Betrachtung F. J. Saha Heft 3/2023 MRT der Zähne und des Zahnhalteapparats T. Hilgenfeld, M. Bendszus, S. Hähnel Heft 3/2017 Nachhaltigkeit in der Zahnmedizin M. Hegenauer, H. U. Brauer, K. Bernhardt, A. Bartols, D. Hellmann Heft 2/2023 Psychologie der Händehygiene-Compliance: Von der Motivation zum Verhalten T. von Lengerke, S. Schulz-Stübner, I. F. Chaberny, B. Lutze Heft 3/2017 Blutkrankheiten – Teil 1: Erkrankungen der Erythropoese und des leukozytären Systems B. Wörmann Heft 6/2022 Unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Interaktionen wichtiger zahnärztlicher Wirkstoffe F. Halling Heft 5/2022 Indikation versus Kosmetik – die wunscherfüllende Zahnheil- kunde in kritischer Sicht D. Groß Heft 2/2017 Systematische Teamarbeit und Organisation in der Zahn- medizin R. Hilger, R. A. Hilger, S. Hilger Heft 1/2017 ALLES ONLINE LESEN IHR ONLINE-SAMMELORDNER JETZT FREISCHALTEN Mit der eRef lesen Sie Ihre Zeitschrift: online wie offline, am PC und mobil, alle bereits erschienenen Artikel. Für Abonnenten kostenlos! https://eref.thieme.de/68ZCJ Sie möchten jederzeit und überall auf Ihr up2date-Archiv zu- greifen? Kein Problem! Ihren immer aktuellen Online- Sammelordner finden Sie unter: https://eref.thieme.de/GWGJG Sie haben Ihre Zeit- schrift noch nicht freigeschaltet? Ein Klick genügt: www.thieme.de/eref-registrierung
CME-Fortbildung Zukunft der Zahnmedizin in Deutschland: Herausforderungen und Perspektiven Alexander-Simon Engel, Peter Engel Die Zahnmedizin in Deutschland hat sich in den letzten drei Jahrzehnten rasant weiterentwickelt und zum Teil grundlegend verändert. Nachgewiesenermaßen und allgemeinpolitisch bedeutend ist die Verbesserung der Mundgesundheit in Deutschland [1]. Doch das hieraus häufig abgeleitete Postulat, die wesentliche Aufgabe der Zahnmedizin sei die Prävention, ist zu kurz gegriffen und lässt entschei- dende Weiterentwicklungen in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde unbeachtet. Im Fokus steht hier vor allem eine Neuorientierung im biologischen und oralmedizinischen Kontext durch neue- re wissenschaftliche Erkenntnisse, die zunehmend auch durch Zusammenarbeit mit der Humanmedizin entstan- den sind [2]. So weiß man heute, dass Erkrankungen im Mund- und Kieferbereich im Zusammenhang mit systemi- schen Erkrankungen stehen. Sie können dabei sowohl Ur- sache (Stichwort Parodontitis) als auch Konsequenz einer solchen systemischen Erkrankung sein [3]. Dies bekräftigt die Relevanz der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde als wichtige Teildisziplin der Medizin. Auch der technologische Fortschritt der letzten Dekaden ist im Besonderen erwähnenswert. Dieser beschränkt sich nicht nur auf Weiterentwicklungen im Bereich digitaler Abformungen und bei CAD/CAM-Anwendungen, sondern zeigt sich zunehmend auch im Bereich der künstlichen In- telligenz. War ihr Einsatz in den ersten Jahren eher auf Bild und Videoanalyse beschränkt und somit auf die Befun- dung und Auswertung von Röntgenaufnahmen begrenzt, beziehen einige Softwareanwendungen KI mittlerweile schon in die Therapieplanung mit ein. Dies wird sich in den nächsten Jahren beschleunigen und zunehmend auch Einzug in den zahnärztlichen Alltag halten. Dies im Übri- gen nicht nur im Bereich der unmittelbaren Patientenver- sorgung, sondern auch im Bereich des Praxismanage- ments und der Verwaltung [4, 5]. Doch nicht nur das Innovationstempo hat zugenommen, auch die Patientenklientel hat sich verändert. Die erste Karieserfahrung erfolgt im bleibenden Gebiss später, und der Versorgungsbedarf bei jüngeren Erwachsenen nimmt aufgrund der Erfolge im Bereich der Prävention ab. Auf der anderen Seite gibt es zunehmend ältere, zum Teil multimorbide Patienten, die aufgrund des medizinischen und pharmakologischen Fortschrittes trotz schwerer Vor- erkrankung einen guten Allgemeinzustand mit einer ho- hen Lebenserwartung haben [1]. Diese Patienten haben nicht nur zahnmedizinischen Versorgungsbedarf, sondern weiterhin einen hohen Anspruch an die mundbezogene Lebensqualität. In vielen Fällen steigt dadurch gerade bei chirurgischen Behandlungen die Komplexität und somit der Anspruch an den Behandler. Denn Therapiekonzepte müssen zunehmend individuell auf das allgemeinana- mnestische Risikoprofil abgestimmt werden [6]. Der de- mografische Wandel wird diesen Trend noch verstärken. Demgegenüber stehen aber zum Teil ausufernde gesetzli- che Auflagen und Anforderungen, wie zum Beispiel Maß- nahmen im Hygienebereich und dem Datenschutz, die nachgewiesenermaßen keine positiven Auswirkungen auf die Qualität oder die Quantität der zahnärztlichen Be- handlung haben. Die Tendenz zur Ausweitung der staatli- chen Regulierung und dadurch implizierter zunehmender Bürokratisierung wird sich in den nächsten Jahren eher verstetigen. Dies lässt sich in allen Politikbereichen fest- stellen. Doch der Gesundheitsbereich sticht im Besonde- ren hervor. Bei der großflächig angestrebten Entbürokra- tisierung durch die mittlerweile gescheiterte Bundes- regierung wurden seitens des Bundesministeriums für Ge- sundheit bislang nicht einmal Vorschläge zur Entlastung unterbreitet und Vorschläge des Berufsstandes immer wieder ignoriert. Hinzu kommen budgetäre Einsparungen, allem voran bei der Parodontitis, die letztlich den zahnmedizinisch-wis- senschaftlichen Fortschritt konterkarieren. Auch eine aus- bleibende Novellierung und Honoraranpassung der GOZ wird zukünftig zu Problemen führen, wenn dadurch unter anderem innovative Behandlungsmethoden schlicht kei- nen Einzug mehr in die zahnärztliche Praxis in Deutsch- land erhalten. Die Tendenz, dass medizinische und zahnmedizinische Versorgung einem Großteil der Politik zu teuer erscheint, lässt sich auch am zunehmenden Drang zur Deprofessio- Engel AS, Engel P. Zahnmedizin Quo vadis ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 245–254 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 247
CME-Fortbildung nalisierung erkennen. Die Akademisierung klassischer Aus- und Weiterbildungsberufe an Fachhochschulen, wie zum Beispiel in der Dentalhygiene, scheinen auf den ers- ten Blick vernünftig zu sein, insbesondere wenn dadurch die Patientenversorgung unter Beaufsichtigung eines ap- probierten Zahnarztes verbessert wird. Verfestigt sich aber diese Tendenz durch allgemeinpolitische Einfluss- nahme, ist es nicht abwegig, dass zukünftig Bachelor- absolventen ursächlich zahnärztliche Leistungen erbrin- gen, diese aber geringer vergütet werden. Spätestens wenn diese Leistungen nicht mehr durch einen approbier- ten Zahnarzt beaufsichtigt werden, leidet die Versor- gungsqualität. Dies konterkariert im Besonderen auch die eingangs erwähnte Neuorientierung im biologischen und oralmedizinischen Kontext. Es zeigt sich, dass die Zahnmedizin in Deutschland struk- turell eine kritische Phase durchläuft. Während technolo- gische und oralmedizinische Entwicklungen die Fort- schrittlichkeit der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde be- legen, bremsen vor allem bürokratische, finanzielle und politische Hürden diese Entwicklungen immer weiter aus. Wie bereits im Positionspapier der DGZMK „Perspektive Zahnmedizin 2030“ festgehalten, bedarf es besonderer Konzentration, Aufmerksamkeit und Intervention aus dem Berufsstand heraus, um die Relevanz Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde als Teildisziplin der Medizin zu si- chern [2]. Ziel dieses Artikels ist es, die Komplexität dieser multifaktoriellen Herausforderung zu kategorisieren und Handlungsansätze vorzustellen. Dabei erhebt der Artikel keineswegs Anspruch auf Vollständigkeit. Ausbildung Die zahnmedizinische Ausbildung in Deutschland richtet sich nach der 2019 aktualisierten Approbationsordnung. Diese Novellierung ist in weiten Teilen stark an die bis 2019 geltende Approbationsordnung aus dem Jahr 1955 angelehnt. Doch die moderne Zahnmedizin ist epidemio- logisch nicht mit der Zahnmedizin im Jahr 1955 vergleich- bar. Insofern sprechen Frankenberger et al. richtigerweise von einer Kompromissnovelle [2]. In der Patientenversorgung von heute werden therapeu- tisch andere Schwerpunkte gesetzt und andere Krank- heitsbilder und Komorbiditäten festgestellt. Die zuneh- menden oralmedizinischen Schwerpunkte der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde werden in der Ausbildung zu wenig berücksichtigt, und die essenzielle Vernetzung mit der Allgemeinmedizin findet nur in reduziertem Maße und somit unzureichend statt. Die in den ersten Entwür- fen der Novellierung angestrebte gemeinsame vorkli- nische Ausbildung von Medizin- und Zahnmedizinstuden- ten ist aus unterschiedlichen Gründen nicht umgesetzt wurden. Auch eine Angleichung an das voraussichtlich 2025 modernisierte Medizinstudium ist nicht in Aussicht. Resultierend ist es somit dringend erforderlich, dass die Hochschulen in der konkreten Ausgestaltung des Stu- diums die Interdisziplinarität und den Austausch mit der Allgemeinmedizin fördern [2]. Dazu braucht es aber eine solide finanzielle Ausgestaltung der Zahnmedizin in Deutschland. Dass diese unzurei- chend ist, hat schon der Wissenschaftsrat 2005 fest- gestellt [7]. Viel passiert ist seitdem aber nicht. An eini- gen Hochschulstandorten fließen mehr als 20 % der Gel- der, die eigentlich für die Zahn-, Mund- und Kieferheilkun- de vorgesehen sind, in die allgemeinmedizinischen Aus- bildungsbereiche [7]. Unter anderem deshalb weist die Zahnmedizin in Deutschland nicht nur im Vergleich zur Humanmedizin ein deutlich schlechteres Betreuungsver- hältnis auf. Auch im internationalen Vergleich mit wissenschaftlich führenden Ländern in der Zahnmedizin zeigt sich, dass die Zahnmedizin in Deutschland im Verhältnis zum einge- setzten wissenschaftlichen Personal deutlich höhere An- fängerzahlen aufweist. Nicht ganz so ungünstig ist das Verhältnis bei den Hochschullehrern. Im Jahr 2005 kamen in der Humanmedizin auf jede klinische Professur 5,2 Stu- dienanfänger, in der Zahnmedizin sind es mit 11,4 mehr als doppelt so viele Studienanfänger [7]. In den letzten 20 Jahren hat sich diese Situation wenig geändert. So werden beispielsweise zunehmend oralchirurgische Lehr- stühle geschlossen und gehen vollständig in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie auf. Dies führt zu einer im- mer schlechter ausdifferenzierten Binnenstruktur, die im Zweifel die stetig zugenommene Komplexität des Faches der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in den letzten 30 Jahren nicht mehr abbildet. Es muss an dieser Stelle ausdrücklich festgehalten werden, dass die universitäre Zahnmedizin insbesondere im theoretischen Bereich nach wie vor hervorragende Resultate bei Forschung, Lehre und Krankenversorgung erzielt. Doch ohne eine Verände- rung der Rahmenbedingungen wird es zunehmend schwieriger, moderne Zahnmedizin zu lehren und zu praktizieren. Forschung Unverkennbar hat sich die Forschung im Bereich der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in den letzten Jahr- zehnten positiv verändert. So werden mittlerweile eine Großzahl hervorragender Forschungsleistungen insbeson- dere durch Einzelwissenschaftler erbracht [2]. Dennoch rangiert die deutsche Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde quantitativ weiter hinter den USA, dem Vereinigten Kö- nigreich und Japan. Das international geringere wissen- schaftliche Leistungsspektrum muss in Relation zu der schlechteren finanziellen Ausgestaltung der zahnmedizi- nischen Forschung gesetzt werden. 248 Engel AS, Engel P. Zahnmedizin Quo vadis ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 245–254 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
In den meisten vergleichbaren Industrieländern werden erheblich mehr Ressourcen zur Förderung der zahnmedi- zinischen Forschung aufgebracht. 2005 standen beispiels- weise im Durchschnitt nur knapp über 300 Quadratmeter Forschungsfläche zur Verfügung, wobei es an einigen Standorten weniger als 100 Quadratmeter waren [7]. An diesen Zahlen dürfte sich bislang wenig geändert haben. Doch zahnmedizinische Forschung ist nicht nur durch mangelnden Ressourceneinsatz erschwert. Es braucht auch für Studenten und junge Zahnmediziner eine Anreiz- struktur, eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen. Hier kann möglicherweise der neu geschaffene „Scientific Track“ im Zahnmedizinstudium ein wenig Abhilfe schaf- fen. Doch dazu braucht es zusätzlich attraktive Karriere- möglichkeiten an den Hochschulen selbst, um nach Pro- motion und Habilitation eine Perspektive zu haben. Befris- tete Verträge ohne wirklich planbare Zukunft sind da nur schwer mit der eigenen Lebensvorstellung in Überein- stimmung zu bringen. Zwangsläufig müsste also die fi- nanzielle Ausgestaltung der universitären Zahnmedizin nicht nur im Sinne der Ausbildung, sondern auch im Sinne der Forschungsquantität an der zunehmenden Komplexi- tät des Fachgebietes ausgerichtet werden. Einerseits wür- de dies die Karrieremöglichkeiten für wissenschaftlich in- teressierte Zahnmediziner verbessern. Andererseits wür- de so aber auch die Relevanz der Zahn-, Mund- und Kie- ferheilkunde als universitäres Studium entscheidend be- kräftigt und zusätzlich eine intensive Vernetzung mit den verschiedenen Fachdisziplinen der Medizin mit Blick auf die wichtiger werdenden oralmedizinischen Dimensionen ermöglicht werden. Weiterbildung Nach Paragraf 1 Absatz 2 der Approbationsordnung ver- mittelt die zahnärztliche Ausbildung grundlegende Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten in allen Fächern, die für die zahnmedizinische Versorgung der Bevölkerung erforderlich sind. Konkret bedeutet dies, dass durch die Approbationsordnung die Berufsfähigkeit des Absolven- ten sichergestellt wird. In keinem Fall bedeutet dies, dass der frisch approbierte Zahnarzt in allen Teildisziplinen der Zahnmedizin Spezialist ist und hierfür notwendige tiefer- greifende Fähigkeiten besitzt. Dies mag mit Inkrafttreten der ersten Approbationsordnung 1955 noch der Fall ge- wesen sein, doch durch die beschriebene rasante Weiter- entwicklung der Zahnmedizin ist dies heute nicht mehr möglich. Hierdurch wächst die Bedeutung der postgra- dualen Fort- und Weiterbildung. Belegbar ist dies durch das in den letzten 15 Jahren zu- nehmende und stark nachgefragte Angebot von Curricu- lum-Fortbildungen und Masterstudiengängen, um tief- ergreifende Fähigkeiten in spezialisierten Teilbereichen zu entwickeln. Ein Großteil dieser Masterstudiengänge findet zwar in Kooperation mit Fachgesellschaften, aber den- noch an Fachhochschulen oder ähnlichen Institutionen und somit abseits der universitären Strukturen statt [8]. Die fachliche Qualität soll an dieser Stelle nicht in Frage gestellt werden, im Gegenteil hier werden auf hohem Ni- veau Wissen und Fähigkeiten vermittelt. Politisch ist dies aber dennoch problematisch. Wenn qualitativ hochwerti- ge, fachhochschulgebundene Masterstudiengänge nicht nur Spezialisten ausbilden, sondern womöglich Lücken des hochschulgebundenen Zahnmedizinstudiums füllen, wird der Gesetzgeber unter Umständen auf die Idee kom- men, diese Hochschulbindung in Frage zu stellen. So lie- ßen sich Zahnmediziner nicht nur günstiger ausbilden, sie könnten auch – so das mögliche Denken unserer gesund- heitspolitischen Antagonisten – in der späteren Leistungs- erbringung möglicherweise günstiger sein. Begrüßens- wert ist es aber, dass zunehmend auch Hochschulen Post- graduiertenprogramme anbieten. Eine weitere tragende Rolle ist die Weiterbildung zum Fachzahnarzt. Auch hier zeigt sich im universitären Be- reich ein Defizit, da Weiterbildungsassistenten nur noch beschränkt eingestellt werden können. Grund hierfür sind die für die Finanzierung der Weiterbildungsstellen verant- wortlichen Landesregierungen. Hier wird die Meinung vertreten, dass Assistenzzahnärzte zwar Lehre betreiben und Patienten behandeln, aber sich nicht auf Kosten des Staates weiterbilden sollen. Diese Auffassung läuft nicht nur der Tendenz einer in Teilbereichen hochspezialisierten Zahnmedizin entgegen, sondern auch der Überzeugung des Wissenschaftsrats. Dieser hielt bereits in seinem Be- richt 2005 fest, dass durch den Fortschritt in der Zahnme- dizin mit immer weiter ausdifferenzierten Behandlungs- möglichkeiten das gesamte moderne Behandlungsreper- toire nicht von jedem einzelnen Zahnarzt abgedeckt wer- den kann [7]. Vor diesem Hintergrund werden Weiterbil- dungsordnungen in ihrer konkreten Ausgestaltung nach unten nivelliert, wenn für die Qualifikation als Fachzahn- arzt zunehmend weniger oder gar keine Klinikjahre mehr notwendig sind. Der von Teilen der Standespolitik geforderte „starke Ge- neralist“ als einzige Perspektive zahnärztlicher Berufsaus- übung wird vor dem geschilderten Hintergrund immer fragwürdiger. Selbstredend braucht es den starken Gene- ralisten, der qualitativ hochwertige Breitenversorgung insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Regi- onen sicherstellt und anbietet. Gleichwohl muss es aber im Interesse des gesamten Berufsstandes in Deutschland hochwertige Spitzenzahnmedizin – nicht nur an Universitäten – anbieten zu können. An dieser Stelle sei ergänzend gesagt, dass auch ein starker Generalist gute Aus-, Fort- und Weiterbildung benötigt. Wenn dies die Universitäten quantitativ und qualitativ nicht mehr in ausreichendem Umfang anbieten können, muss gerade die Assistenzzeit in den Praxen speziellen, durch die Struk- sein, Engel AS, Engel P. Zahnmedizin Quo vadis ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 245–254 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 249
CME-Fortbildung turen der Selbstverwaltung zu entwickelnden Qualitäts- kriterien unterliegen. Berufsausübung In Deutschland werden 80 % der Zahnarztpraxen als Ein- zelpraxis betrieben. Sie haben nur einen Inhaber und stel- len die klassischste Form der freiberuflichen Berufsaus- übung dar. Obwohl der Anteil der Einzelpraxis in Deutsch- land vergleichsweise hoch ist, nimmt er in den letzten Jah- ren zunehmend ab [9]. Denn vor allem jüngere Kollegin- nen und Kollegen ziehen die Berufsausübung in größeren Zusammenschlüssen, wie Berufsausübungsgemeinschaf- ten oder Medizinischen Versorgungszentren zunehmend vor. Ein Grund hierfür ist die zunehmende Bürokratisie- rung und Reglementierung, die in den Praxen zu immer mehr Arbeitsaufwand abseits des Patienten führt [10]. Der Behandler wird somit zunehmend zum Verwaltungs- beauftragten seiner eigenen Praxis. Entweder geht dies von der eigenen Behandlungszeit ab oder erfordert zu- sätzliches Personal. In jedem Fall verursacht es Kosten, die in größeren Praxen aufgrund von Skalierungseffekten bes- ser abzufangen sind. Die Forderung aus den Standesorga- nisationen, bürokratische Hürden zu senken und Regle- mentierungen zurückzufahren, ist richtig und notwendig. Gleichwohl zeigt die Entwicklung der letzten 20 Jahre auch, dass eine Rücknahme von Anforderungen und Ge- setzen nicht zu erwarten ist. Die politischen Mehrheitsver- hältnisse im Bund und in den Ländern geben dies nicht her [11]. Neben bürokratischen Herausforderungen nimmt das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei jüngeren Zahnärztinnen und Zahnärzten einen größeren Stellen- wert ein als früher [9]. Dies erfordert eine andere, zu- kunftsweisende Berufsausgestaltung, die vor allem der Pluralität verschiedener, persönlicher Lebensausgestal- tung Rechnung trägt. Hier hat die Einzelpraxis genauso ih- re Berechtigung wie größere Berufsausübungsgemein- schaften oder Medizinische Versorgungszentren. Und wenn mittlerweile 30 % der Zahnärzte in einem abhängi- gen Beschäftigungsverhältnis arbeiten, kann nicht igno- riert werden, dass auch diese Form der zahnärztlichen Be- rufsausübung ihre Berechtigung hat [4]. Die Tendenz, zukünftig eher in größeren Zusammen- schlüssen zu arbeiten, hat darüber hinaus ihre Ursache auch in der rasanten Weiterentwicklung der Zahnmedizin in den letzten Jahrzehnten. Hier stehen vor allem tech- nische Innovationen im Mittelpunkt, die das Behandlungs- spektrum zwar deutlich erweitern, aber gleichzeitig in der Anschaffung und im Betrieb hohe Kosten verursachen. Aufgrund der Geschwindigkeit, mit der Weiterentwicklun- gen und neue Technologien in den Markt eingeführt wer- den, ist für einen einzelnen Behandler die Amortisation der Investition kaum mehr möglich [12, 13]. Innovative Zahnmedizin lässt sich in der Praxis häufig nur durch den Zusammenschluss von mehreren Behandlern realisieren. Die Standesorganisationen müssen dieser neuen Pluralität der zahnärztlichen Berufsausübung zukünftig erheblich mehr Aufmerksamkeit widmen. Dazu gehört es dann auch, Probleme zu identifizieren, die aus diesem Transfor- mationsprozess entstehen. Dies betrifft beispielsweise die zunehmenden Versor- gungsengpässe in ländlichen Regionen [10]. Sicherlich gibt es diverse Gründe, weshalb jüngere Kolleginnen und Kollegen lieber in Ballungsräumen leben und arbeiten. Grundsätzlich ist der Verdienst in ländlichen Regionen auch nicht schlechter als in Ballungsräumen [14]. Zumeist ist sogar Gegenteiliges der Fall, wenn durch Praxisauf- gaben immer mehr Patienten auf einen Behandler kom- men. Ein Grund für die gesunkene Attraktivität des länd- lichen Raumes für die zahnärztliche Berufsausübung ist si- cherlich die Schwierigkeit, größere Praxisstrukturen mit mehreren Behandlern zu betreiben. Hier ist nämlich ein deutlich größeres Einzugsgebiet notwendig, um Skalen- effekte nutzen zu können. Dies birgt ein höheres wirt- schaftliches Risiko, wenn im Einzugsgebiet weitere Praxen eröffnen und Patienten aufgrund kürzerer Wege diese vorziehen. Ob sich dies zukünftig bewahrheitet, ist letzt- lich eine Glaubensfrage; wenn es aber die Entscheidungen von jungen Zahnmedizinern und finanzierenden Banken beeinflusst, ist es eine Herausforderung, der die Standes- organisationen begegnen müssen. Eine mögliche Lösung könnte sein, größeren Praxen in Kreisstädten die Grün- dung von Zweigpraxen in kleineren Ortschaften zu er- leichtern. Hier wäre es auch denkbar, entsprechende Räumlichkeiten mit anderen Arztgruppen zu teilen, um zu vermeiden, dass an einigen Tagen in der Woche Leer- stand herrscht. 250 Engel AS, Engel P. Zahnmedizin Quo vadis ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 245–254 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
KERNAUSSAGEN ▪ Zusammenfassend zeigt sich deutlich, dass sich die Zahnmedizin in Deutschland in einem fort- währenden Strukturwandel befindet, der zahl- reiche Herausforderungen mit sich bringt. Die traditionelle Arbeitsweise der Zahnärzteschaft steht zunehmend unter Druck, sich den Ver- änderungen in Gesellschaft, Politik und Berufs- struktur anzupassen. ▪ Der demografische Wandel, die Digitalisierung, der wissenschaftliche Fortschritt und der An- spruch der Patienten prägen die neuen Rahmen- bedingungen. ▪ Gleichzeitig ändern sich die Erwartungen junger Zahnärzte, die nicht nur vermehrt Wert auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie legen, son- dern auch andere Erwartungen an das Berufsbild haben. Die führt zu vielfältigeren Strukturen der Berufsausübung. ▪ Um die geschilderten Entwicklungen zu beglei- ten, bedarf es gemeinsamer Strategien. Ein ein- heitliches und starkes Auftreten aller zahnärzt- lichen Organisationen gegenüber Politik und Gesellschaft ist unerlässlich. Nur durch Zusam- menhalt und klare Kommunikation können die Freiberuflichkeit und die hohe Qualität der zahn- ärztlichen Versorgung gesichert werden. ▪ Die Kammern spielen hierbei eine zentrale Rolle. Sie müssen sich als moderne, zukunftsfähige In- stitutionen positionieren, die nicht nur effizient arbeiten, sondern auch den Dialog mit ihren Mitgliedern, der Politik und den Patienten för- dern. Gleichzeitig müssen Vorschriften konsoli- diert und die internen Strukturen der Kammern modernisiert werden. ▪ Die Zahnmedizin muss zudem ihre Stellung in einem zunehmend europäischen Kontext be- haupten. Eine aktive Mitgestaltung auf europä- ischer Ebene ist notwendig, um den Interessen der Zahnärzteschaft Gehör zu verschaffen und die hohen Standards der deutschen Zahnmedi- zin zu bewahren. ▪ Die Zukunft der Zahnmedizin kann nur durch einen entschlossenen Wandel bei gleichzeitiger Rückbesinnung auf die zentralen Werte ge- sichert werden. Die Herausforderungen sind groß, doch ebenso bieten sich Chancen, um den Beruf nachhaltig und zukunftssicher zu gestalten. Interessenkonflikt Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Autorinnen/Autoren Dr. med. dent. Alexander-Simon Engel Facharzt für Oralchirurgie, Evang. Kliniken Essen-Mitte gGmbH, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Dr. med. dent. Peter Engel Ehrenpräsident der Bundeszahnärztekammer, von 2008 bis 2021 Präsident der Bundeszahn- ärztekammer, davor langjähriger Präsident der ZÄK Nordrhein. Korrespondenzadresse Dr. med. dent. Alexander-Simon Engel KEM | Evang. Kliniken Essen-Mitte gGmbH Henricistr. 45136 Essen Deutschland alexandersimon.engel@icloud.com Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungs- bestimmungen: Dr. med. dent. Alexander-Simon Engel, Essen Literatur [1] [2] Institut der Deutschen Zahnärzte. Sechste Deutsche Mund- gesundheitsstudie (DMS V). Köln: Deutscher Zahnärzteverlag 2025. Zugriff am 16. Juni 2025 unter: https://www.quintessen- ce-publishing.com/deu/de/issue-download/6138869/deut- sche-zahnaerztliche-zeitschrift/2025/02 Frankenberger R, Weng D, Wucherpfennig G et al. Perspektive Zahnmedizin 2030 – Positionspapier der Deutschen Gesell- schaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK). DZZ 2020; 75: D1–D8 [3] Caton J, Armitage G, Berglundh T et al. A new classification scheme for periodontal and peri-implant diseases and condi- tions – Introduction and key changes from the 1999 classifica- tion. J Clin Periodontol 2018; 45: S1–S8 [4] [5] BZÄK, KZBV. Zahnärztliche Versorgung: Daten und Fakten 2024. 2024. Zugriff am 09. Juli 2025 unter: https://www.bza- ek.de/ueber-uns/daten-und-zahlen.html Schwendicke F, Krois J. Künstliche Intelligenz: Die Perspektiven der Datenzahnmedizin. zm online 2021; 111: 58–64 Engel AS, Engel P. Zahnmedizin Quo vadis ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 245–254 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 251
CME-Fortbildung [6] Jordan R. Krankheitslasten verschieben sich ins höhere Lebens- alter. 2016. Zugriff am 09. Juli 2025 unter: https://www.zm- online.de/artikel/2016/das-ist-auch-ihr-haus/krankheitslasten- verschieben-sich-ins-hoehere-lebensalter [7] Wissenschaftsrat. Empfehlung zur Weiterentwicklung der Zahnmedizin an den Universitäten in Deutschland. Berlin 2005. Zugriff am 09. Juli 2025 unter: https://www.wissen- schaftsrat.de/download/archiv/6436-05.pdf?__blob=publicati- onFile&v=1 [8] [9] Zahnmedizinische Mitteilung. Der Zahnarzt als Master. 2005. Zugriff am 09. Juli 2025 unter: https://www.zm-online.de/arti- kel/2005/der-zahnarzt-als-master/der-zahnarzt-als-master Bischoff J. Betriebswirtschaft trifft Zahnmedizin: Rechtsformen und ihre Konsequenzen. DZW 2024. Zugriff am 09. Juli 2025 unter: https://bwl.bischoffundpartner.de/ [10] Kettler N. Junge Zahnärztinnen und -ärzte: Berufsbild, Patien- Institut der Deutschen tenversorgung, Standespolitik. Köln: Zahnärzte (IDZ); 2021. [11] Zahnmedizinische Mitteilung. Zahnärzte machen Vorschläge zum Bürokratieabbau. 2023. Zugriff am 09. Juli 2025 unter: https://www.zm-online.de/artikel/2023/zm-2023-20/zahna- erzte-machen-vorschlaege-zum-buerokratieabbau [12] Wang J, Wang B, Liu YY et al. Recent Advances in Digital Tech- nology in Implant Dentistry. J Dent Res 2024; 103: 787–799. DOI: 10.1177/00220345241253794 [13] Patel N. Integrating three-dimensional digital technologies for comprehensive implant dentistry. J Am Dent Assoc 2010; 141 (Suppl 2): 20S–24S. DOI: 10.14219/jada.archive.2010.0357 [14] Willeweit H. Quo vadis, Niederlassung? DZW 2023. Zugriff am 09. Juli 2025 unter: https://dzw.de/niederlassung-zahnarztpra- xis-vergleich-imvz Bibliografie Zahnmedizin up2date 2025; 19: 245–254 DOI 10.1055/a-2345-3769 ISSN 1865-0457 © 2025. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany Anzeige Service für unsere Leser Schon registriert? Bei Thieme CME Punkte online einreichen und verwalten Gleich anmelden: www.cme.thieme.de up2date – Fortbildung mit dem roten Faden 252 Engel AS, Engel P. Zahnmedizin Quo vadis ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 245–254 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
Punkte sammeln auf CME.thieme.de Die Teilnahme an dieser Fortbildungseinheit ist in der Regel 12 Monate möglich, solange ein aktives Abonnement besteht. Unter https://eref.thieme.de/CXNTRRU oder über den QR-Code kommen Sie direkt zur Startseite des Wissenstests und zum Artikel. Sie finden dort auch den genauen Einsendeschluss. Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, finden Sie unter https://cme.thieme.de/hilfe eine ausführliche Anleitung. Wir wünschen viel Erfolg beim Beantworten der Fragen! Frage 1 Was bekräftigt die Relevanz der Zahn-, Mund- und Kiefer- heilkunde als wichtige Teildisziplin der Medizin? A Alleiniger Fokus auf Präventionsmaßnahmen. B Die Möglichkeit, Röntgenaufnahmen zu indizieren und Frage 3 Welche Aussage ist richtig? A Die erste Karieserfahrung im bleibenden Gebiss erfolgt später. B Präventionsmaßnahmen haben keinen Einfluss auf die erste anzufertigen. Karieserfahrung. C Eine Neuorientierung im biologischen und oralmedizinischen Kontext mit besonderem Fokus auf Erkrankungen im Mund- und Kieferbereich, die im Zusammenhang mit systemischen Erkrankungen stehen. C Aufgrund ihrer Morbidität haben ältere Patienten einen deut- lich niedrigeren Anspruch an die mundbezogene Lebens- qualität. D Anamnestische Aspekte haben nur einen geringen bis gar D Die Zahnmedizin kann grundsätzlich gar nicht erst als Teil- keinen Effekt auf die zahnmedizinische Behandlung. disziplin der Medizin gesehen werden. E Die Patientenklientel hat sich in den vergangenen 30 Jahren E Nur wenige Entwicklungen in den letzten Jahren haben dazu beigetragen, dass die Zahnmedizin als Teildisziplin der Medi- zin wahrgenommen wird. Frage 2 Welche Aussage ist falsch? A Anwendungen der künstlichen Intelligenz erhalten zuneh- mend Einzug in die Zahnmedizin. B Praxismanagement und Verwaltung profitieren von Digitali- sierungsmaßnahmen. C Digitalisierung in der Zahnmedizin beschränkt sich auf digita- le Abformmethoden. im Querschnitt nicht verändert. Frage 4 Welche Aussage bezüglich der Bürokratisierung in der Zahn- medizin ist falsch? A Zunehmende, ausufernde gesetzliche Auflagen und Anforde- rungen beispielsweise im Hygienebereich und beim Daten- schutz. B Die bürokratischen Anforderungen und der damit verbunde- ne Zeitaufwand sind in den Zahnarztpraxen merklich gesun- ken. C Der Trend zur zunehmenden Bürokratisierung wird sich in D Anwendungen der künstlichen Intelligenz halten auch Einzug den nächsten Jahren eher verstärken. in die Therapieplanung. E Das Innovationstempo im Bereich der Digitalisierung nimmt stetig zu. D Das Bundesministerium für Gesundheit hat in der letzten Legislatur keine Vorschläge zur Entbürokratisierung unter- breitet. E Nachgewiesenermaßen hat zunehmende Bürokratisierung kaum einen Einfluss auf die Qualität der Behandlung. Engel AS, Engel P. Zahnmedizin Quo vadis ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 245–254 | © 2025. Thieme. All rights reserved. 253 ▶ Weitere Fragen auf der folgenden Seite …
CME-Fortbildung Punkte sammeln auf CME.thieme.de Fortsetzung … Frage 5 Die Approbationsordnung wurde 2019 aktualisiert. Aus welchem Jahr stammt die ursprüngliche Approbationsordnung, auf der die nun novellierte Fassung aufbaut? A 1996 B 1983 C 1955 D 1962 E 1975 Frage 6 Welche Aussage bezüglich der zahnmedizinischen Ausbildung ist nicht korrekt? A Die zunehmenden allgemeinmedizinischen Schwerpunkte der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde werden in der Ausbildung zu wenig berücksichtigt. B Die Vernetzung mit der Allgemeinmedizin findet nur in redu- ziertem Maße statt. C Die in den ersten Entwürfen der Novellierung angestrebte gemeinsame vorklinische Ausbildung von Medizin- und Zahn- medizinstudenten ist im Rahmen der Novellierung der Appro- bationsordnung nicht umgesetzt wurden. Frage 8 Welche Aussage bezüglich der Weiterbildung in der Zahnmedizin ist falsch? A In der Approbationsordnung steht, dass die zahnmedizinische Ausbildung grundlegende Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertig- keiten vermitteln soll. B Das Angebot von Curriculum-Fortbildungen und postgradua- len Masterstudiengängen hat in den letzten Jahren zugenom- men. C Weiterbildungsassistenten können nur noch beschränkt ein- gestellt werden. D Die postgraduale Weiterbildung spielt in der Zahnmedizin eine untergeordnete Rolle. E Die Zahnmedizin unterliegt in den letzten Jahren einem zu- nehmenden Spezialisierungsdruck. Frage 9 Welche Aussage bezüglich der zahnärztlichen Berufsausübung ist falsch? A 80 % der Praxen werden als Einzelpraxen betrieben. B Der Anteil der Einzelpraxen nimmt stetig zu. C Jüngere Kollegen ziehen zunehmend größere BAGs oder MVZ D Es braucht eine solide finanzielle Ausgestaltung der Zahn- vor. medizin in Deutschland. E Die finanzielle Ausgestaltung der Zahnmedizin in Deutschland ist ausreichend. D Der Arbeitsaufwand abseits des Patienten nimmt stetig zu. E Die Entwicklung der letzten 20 Jahre zeigt, dass eine Rück- nahme von Gesetzen nicht zu erwarten ist. Frage 7 Welche Aussage bezüglich der zahnmedizinischen Forschung ist nicht korrekt? A Die Qualität der zahnmedizinischen Forschung in Deutsch- land hat in den letzten Jahren nachgelassen. B Die Forschung in der Zahnmedizin hat sich in den letzten Jahren positiv verändert. Frage 10 Welche Aussage bezüglich der Zahnmedizin in Deutschland ist falsch? A Die Zahnmedizin in Deutschland befindet sich in einem fort- währenden Strukturwandel, der zahlreiche Herausforderun- gen mit sich bringt. B Ein einheitliches Auftreten aller zahnärztlichen Organisatio- C Es gibt eine Großzahl hervorragender Forschungsleistungen nen gegenüber Politik und Gesellschaft ist unerlässlich. im Bereich der Zahnmedizin in Deutschland. C Die Mitgestaltung auf europäischer Ebene ist zu vernachlässi- D In den meisten vergleichbaren Industrienationen werden gen. erheblich mehr Ressourcen zur Förderung der zahnmedizi- nischen Forschung aufgebracht. E Im Jahr 2005 standen in Deutschland durchschnittlich 300 m2 D Der demografische Wandel, die Digitalisierung, der wissen- schaftliche Fortschritt und der Anspruch des Patienten prä- gen die neuen Rahmenbedingungen der Berufsausübung. Fläche für zahnmedizinische Forschung zur Verfügung. E Standesorganisationen müssen der neuen Pluralität zahnärzt- licher Berufsausübung mehr Aufmerksamkeit widmen. 254 Engel AS, Engel P. Zahnmedizin Quo vadis ... Zahnmedizin up2date 2025; 19: 245–254 | © 2025. Thieme. All rights reserved.
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