Kardiologie up2date 1 März 2020 Seite 1–92 16. Jahrgang CME-Fortbildung ▪ Katheterablation von Vorhofflimmern ▪ Pulmonalklappen- insuffizienz bei EmaH – interventionelle Therapie ▪ Die bikuspide Aortenklappe ▪ Frauen und Arrhythmien SOP / Arbeitsablauf ▪ Notfallechokardiografie

Kardiologie up2date 1 · 2020 März 2020 · 16. Jahrgang · Seite 1–92 2 Herausgeberboard · 3 Editorial · 4 Studienreferate 9 SOP Notfallechokardiografie · 15 Impressum 2 Herzrhythmusstörungen 19 Katheterablation von Vorhofflimmern Korbinian Lackermair, Heidi L. Estner 3 Herzklappen- erkrankungen 6 Aorten- und Gefäßerkrankungen 9 Spezialthemen 43 Pulmonalklappeninsuffizienz bei EmaH – interventionelle Therapie Peter Ewert 59 Die bikuspide Aortenklappe Stefanos Sakellaropoulos, Thomas Baumgartner, Andreas Mitsis, Xun Yuan, Christoph A. Nienaber 75 Frauen und Arrhythmien Isabel Deisenhofer Titelbild: © Sebastian Kaulitzki / Fotolia.com Die Übersicht über alle Rubriken Ihrer up2date erhalten Sie unter: https://eref.thieme.de/R7BH3

Editorial Liebe Leserinnen und Leser, das erste Heft der Kardiologie up2date 2020 bietet Ihnen interessante CME-Fort- bildungsbeiträge u. a. in den Schwerpunkten der Herzrhythmusstörungen, Herzklap- penerkrankungen und den Aorten- und Gefäßerkrankungen. In ihrem Beitrag „Katheterablation von Vorhofflimmern“ (S. 19) geben Lackermair et al. einen Überblick über katheterablative therapeutische Optionen bei Vorhofflimmern. Vorhofflimmern – die häufigste Form der Herzrhythmusstörung – nimmt im Alter deutlich an Relevanz zu (Inzidenz bei < 40 Jahre etwa 0,1% und > 80 Jahre mehr als 10%). Professor Ewert beschäftigt sich in seinem Beitrag „Pulmonalklappeninsuffizienz bei EmaH – interventionelle Therapie“ (S. 43) mit den jüngeren Patienten. Mittlerweile er- reichen mehr als 95% der Kinder mit angeborenem Herzfehler das Erwachsenenalter, die Zahl der Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler nimmt daher (immer noch) stetig zu. Bei diesen Patienten kann eine Pulmonalinsuffizienz ein führender Residual- defekt sein – mit erheblichen Auswirkungen auf die Langzeitprognose. Diese zu diag- nostizieren, den Schweregrad zu beurteilen und die verschiedenen Therapieverfahren zu betrachten ist daher essenziell. Der häufigste kongenitale Herzfehler, die bikuspide Aortenklappe, kommt bei ca. 0,5– 2% der Bevölkerung vor. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. In Ihrem Beitrag „Die bikuspide Aortenklappe“ (S. 59) gehen Sakellaropoulos et al. auf die verschiede- nen Aspekte der bikuspiden Aortenklappe ein, ihre Komplikationen wie die Aorten- klappenstenose betrachten die Autoren unter klinischen Gesichtspunkten. Neben der Therapie beleuchtet das Autorenteam auch interventionelle Aspekte. In den letzten Jahren wurden geschlechtsspezifische Unterschiede in Inzidenz und Ätiologie bei Herzrhythmusstörungen, aber auch im Therapieansprechen und dem Therapiezugang zunehmend erkannt. Im 4. CME-Beitrag in diesem Heft („Frauen und Arrhythmien“ [S. 75]) geht Professor Deisenhofer auf die frauenspezifischen Unter- schiede in der Behandlung und Ätiologie verschiedener Herzrhythmusstörungen ein. Auch in diesem Heft gibt es wieder einen SOP-Beitrag – dieses Mal zur Notfallecho- kardiografie (S. 9). Die Notfallsonografie erhöht die diagnostische Sicherheit und er- möglicht schnelle Therapieentscheidungen in der Klinik. Das Autorenteam Schnorbus et al. beschreibt die standardisierte Untersuchung von Notfallpatienten in der Notauf- nahme, im Schockraum und in der Chest Pain Unit. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen des aktuellen Heftes! Ihr Kardiologie up2date Team Kardiologie up2date 2020; 16 3

Die EMPRISE-Studie (EMPRISE: Empagliflo- zin Comparative Effectiveness and Safety) basiert auf 2 kommerziellen und einer staatlichen US-amerikanischen Daten- bank, in denen zwischen 2014 und 2019 die klinischen Verläufe von mehr als 200 000 Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 und der Neuein- nahme von Empagliflozin erfasst werden sollen. Geplant sind insgesamt 4 Interims- analysen sowie eine finale Analyse; die ak- tuelle Publikation stellt die Ergebnisse der ersten Interimsanalyse mit Daten aus den Jahren 2014 bis 2016 vor. Es erfolgte ein Propensity-Score-Matching zwischen Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2, die eine Therapie mit Empagliflozin bzw. dem DPP-4-Inhibitor Sitagliptin be- gonnen hatten. Sitagliptin hatte in der Vergangenheit keine relevanten Effekte auf die Herzinsuffizienz-Hospitalisierungs- rate gezeigt. Im Gegensatz zur EMPA‑REG OUTCOME-Studie wurden sowohl Patien- ten mit als auch ohne vorbekannte kardio- vaskuläre Erkrankungen in die Analysen eingeschlossen. Als primäre Endpunkte definierten die Autoren das Risiko für eine stationäre Aufnahme mit „Herzinsuffi- zienz“ entweder als Haupt- oder Neben- entlassungsdiagnose. Insgesamt konnten 16 443 statistische Paarbildungen vorgenommen werden. Die Patienten waren im Mittel 59 Jahre alt und 54% waren Männer. Eine kardiovasku- läre Erkrankung war bei einem Viertel der Studienteilnehmer bekannt und bei 5% war in der Vergangenheit die Diagnose einer Herzinsuffizienz gestellt worden. Im Vergleich zu Sitagliptin ergab sich unter der Einnahme von Empagliflozin innerhalb einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 5,3 Monaten eine Risikoreduktion für beide Endpunkte um 50 bzw. 49%. Die Er- gebnisse waren auch in der Gruppe der Patienten mit bekannter kardiovaskulärer Erkrankung konsistent. Die Inzidenzraten lagen allerdings mit 2,1 versus 6,7 pro 1000 Personenjahre bzw. 10,5 versus 22,2 pro 1000 Personenjahre für Herzinsuffi- zienz als Haupt- bzw. Nebendiagnose in- nerhalb der relativ kurzen Nachbeobach- tungszeit noch niedrig. FA Z I T Die Ergebnisse untermauern die Er- kenntnis aus der EMPA‑REG OUT- COME-Studie in einer heterogenen Kohorte von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2: Empagliflozin senkt die Häufigkeit stationärer Aufnahmen aufgrund einer Herzinsuffizienz. Mit Spannung können die folgenden Analysen der EMPRISE-Studie erwar- tet werden, in denen innerhalb einer größer werdenden Kohorte weitere Endpunkte und Subgruppen unter- sucht werden sollen. Dr. Katharina Franke, Darmstadt Erhöhte Prävalenz für Herzstillstand bei Tako- Tsubo-Kardiomyopathie Gili S et al. Cardiac arrest in takotsubo syndrome: results from the InterTAK Registry. Eur Heart J 2019; 40: 2142–2151. doi:10.1093/eurheartj/ ehz170 Das Tako-Tsubo-Syndrom galt lange Zeit als zwar akute, aber meist harmlos verlaufende Erkrankung. In den letzten Jahren wurde deutlich, dass dennoch häufig lebensbedrohliche Komplikatio- nen vorkommen. Da es dazu bisher keine präzisen Daten gibt, haben die Autoren das International Takotsubo Registry (InterTAK Registry) gegründet mit dem Ziel, dieses Krankheitsbild systematisch zu untersuchen. Das internationale Tako-Tsubo-Register ist als multizentrisches prospektives und re- trospektives Register unter Beteiligung von 35 Zentren aus 11 Ländern angelegt. Ein Kernteam von Wissenschaftlern der Universität Zürich wertete von 2011 bis 2017 die Krankenakten von 2098 Patien- ten aus, die zwischen 1998 und 2017 an einem Tako-Tsubo-Syndrom (TTS) er- krankt waren. Als primäre Endpunkte die- ser Analyse galten die Mortalität nach 60 Tagen und nach 5 Jahren. Behandlungs- strategien und Komplikationen wurden systematisch ausgewertet auch mit dem Ziel, unabhängige Risikofaktoren für Herz- stillstand und Mortalität herauszufinden. In dieser Registerkohorte mussten 170 Pa- tienten (8,1%) reanimiert werden. Davon waren 46 Fälle unzureichend dokumen- tiert, von den verbleibenden 124 Patien- ten war bei 103 Patienten der Herzrhyth- mus beim Eintritt des Herzstillstandes be- kannt. Prädiktoren für einen Herzstillstand waren hierbei jüngeres Alter, männliches Geschlecht, apikale Form des Tako-Tsubo- Syndroms, Vorhofflimmern, neurologi- sche Komorbiditäten, verlängerte QT-Zeit und reduzierte linksventrikuläre Pump- funktion. 57,1% der TTS-Patienten, die einen Herz- stillstand erlitten, hatten bei Aufnahme Kammerflimmern oder ventrikuläre Ta- chykardie, 73,7% in der akuten Phase des Kreislaufstillstandes Asystolie oder puls- lose elektrische Aktivität. Patienten mit Herzstillstand wiesen mit 40,3 vs. 4,0% eine weitaus höhere 60-Ta- ge-Mortalität auf als Patienten, die nicht reanimiert werden mussten. Dies spiegelt sich ebenso in der 5-Jahres-Mortalität mit 68,9 vs. 16,7%. Als unabhängige Risikofaktoren für einen höhere 60-Tage-Mortalität nach Herzstill- stand stellten sich T-Wellen-Inversionen und intrazerebrale Hämorrhagien heraus. Bei Frauen kam Herzstillstand seltener vor, während das Risiko bei Patienten erhöht war, die bei Aufnahme Vorhofflimmern, ST-Streckenhebung und erhöhtes CRP bo- ten. FA Z I T Herzstillstand kommt bei Tako-Tsu- bo-Syndrom häufig vor und tritt überwiegend schon bei Aufnahme auf, manchmal erst in der darauf fol- genden Akutphase. Klinische und echokardiografische Befunde erlau- ben die Identifikation von Patienten mit erhöhtem Risiko, während der Akutphase einen Herzstillstand zu er- leiden. Dr. med. Peter Pommer, Parsberg Kardiologie up2date 2020; 16 5

Metaanalyse konnte jetzt gezeigt wer- den, dass die Identifizierung kardialer Synkopen häufig klinisch gut gelingt. rend körperlicher Anstrengung oder im Liegen auftraten, ergaben sich inkonsis- tente Zuordnungen. Syncope Study) oder dem Calgary-Syn- cope-Score erfolgen, ohne dass hierdurch allerdings eine eindeutige Klassifizierung möglich wäre. Kardiale Synkopen definieren sich über eine vorübergehende Verringerung der Herzauswurfleistung mit verminderter Hirnperfusion, die durch kardiopulmonale Erkrankungen, wie Herzrhythmusstörun- gen, strukturelle Herzerkrankungen oder Lungenembolien, verursacht wird. Reflex- synkopen entstehen hingegen durch eine zentral vermittelte Reduktion des Gefäß- widerstandes und/oder der Herzfrequenz infolge verschiedener externer Auslöser; als häufigste Form ist hier die vasovagale Synkope zu nennen. Orthostatische Syn- kopen entstehen durch einen verringerten venösen Rückstrom zum Herzen, beispiels- weise infolge einer Volumendepletion oder einer Vasodilatation. Epileptische Anfälle sind hingegen durch ein Ungleichgewicht von Erregung und Hemmung in neurona- len Netzen gekennzeichnet. In die Analysen gingen 11 Studien mit ins- gesamt 4317 Teilnehmerinnen und Teil- nehmern ein, in denen untersucht wurde, ob eine Synkope jeweils als kardial oder an- derer Genese einzuordnen war. Neun der Studien waren prospektiv angelegt. Die Autoren werteten demografische Fak- toren, Umgebungsfaktoren/auslösende Momente sowie Symptome aus, die der Synkope vorausgingen bzw. während oder nach der Synkope auftraten. Außerdem gingen kardiale Biomarker in die Analysen ein. Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusam- menfassen: Demografische Faktoren: Mit einer höhe- ren Wahrscheinlichkeit für eine kardiale Synkope assoziiert waren ein Patienten- alter ≥ 35 Jahre sowie Vorhofflimmern, Herzinsuffizienz bzw. eine bekannte struk- turelle Herzerkrankung in der Vorgeschich- te. Umgebungsfaktoren/auslösende Momen- te: Mit einer niedrigeren Wahrscheinlich- keit für eine kardiale Synkope assoziiert waren vorausgehender Schmerz bzw. eine medizinische Prozedur, langes Stehen oder Sitzen, ein Toilettengang sowie eine war- me Umgebung. Für Synkopen, die wäh- Kardiologie up2date 2020; 16 Symptome vor dem Bewusstseinsverlust: Mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für eine kardiale Synkope assoziiert waren Dyspnoe bzw. Thoraxschmerzen vor der Synkope. Für eine nicht kardiale Genese sprachen hingegen Stimmungsänderun- gen, Detailversonnenheit, Kältegefühl, Kopfschmerzen sowie abdominelle Be- schwerden. Inkonsistente Ergebnisse fan- den sich zu Palpitationen. Das Auftreten von Blässe sowie das Fehlen von Prodromi waren nicht richtungsweisend. Symptome während und nach dem Be- wusstseinsverlust: Patienten, bei denen während der Episode eine Zyanose beob- achtet wurde, hatten eine höhere Wahr- scheinlichkeit für eine kardiale Synkope. Stimmungsveränderungen nach dem Er- eignis und eine retrograde Amnesie für das eigene Verhalten vor der Bewusstlosig- keit sprachen hingegen gegen eine kar- diale Synkope. Verletzungen waren nicht mit einer höheren oder niedrigeren Wahr- scheinlichkeit für eine kardiale Synkope as- soziiert. Biomarker: Ein normales hochsensitives Troponin bzw. ein normaler NT-proBNP- Serumspiegel deuteten auf eine nicht kar- diale Genese der Bewusstlosigkeit hin. Allerdings müssen diagnostische Schwel- lenwerte in weiteren Studien validiert wer- den, so die Autoren. Für einen epileptischen Anfall sprachen vor allem eine Kopfwendung und ungewöhn- liche Körperhaltungen während des Ereig- nisses, Einnässen, ein sogenannter Zun- genbiss und die fehlende Erinnerung an ungewöhnliches Verhalten vor der Be- wusstlosigkeit. Kurzandauernde krampf- artige Entäußerungen zu Beginn oder nach Einsetzen der Bewusstlosigkeit kön- nen auch bei Synkopen vorkommen, so die Autoren. Letztlich lässt sich die Ursache eines Be- wusstseinsverlustes am besten unter Ein- beziehung mehrerer Parameter erkennen, so die Autoren. Dies kann auch mithilfe von Scoring-Systemen, wie dem EGSYS- Score (EGSYS: Evaluation of Guidelines in FA Z I T Die Diskriminierung kardialer Syn- kopen von Reflexsynkopen, orthosta- tischen Hypotonien und epilepti- schen Anfällen ist mit guter Genau- igkeit anhand klinischer Parameter möglich. Im Vordergrund steht eine detaillierte Anamnese, möglichst unter Einbeziehung von Zeugen des Ereignisses. Kardiale Biomarker soll- ten weiter im Hinblick auf diagnosti- sche Schwellenwerte evaluiert wer- den, so die Autoren. Dr. Katharina Franke, Darmstadt Synkope: Lungenembolie als Ursache eher unwahr- scheinlich Badertscher P et al. Prevalence of Pulmonary Em- bolism in Patients With Syncope. J Am Coll Cardiol 2019; 74: 744–754 Ist ein systematisches Screening auf Lungenembolien sinnvoll, wenn sich ein Patient mit stattgehabter Synkope in der Notaufnahme vorstellt? Dieser Frage ging jetzt eine internationale Ar- beitsgruppe nach. Ergebnis: Die Präva- lenz von Lungenembolien ist in dieser Patientengruppe niedrig. Klinisch relevante Lungenembolien lassen sich hocheffektiv mittels oraler Antikoagu- lanzien behandeln und sollten daher nicht übersehen werden. Die Autoren der Basel- IX-Studie untersuchten daher prospektiv, wie häufig Lungenembolien bei hämody- namisch stabilen Patienten für Synkopen ursächlich sind. In die multizentrische Stu- die wurden zwischen 2010 und 2017 ins- gesamt 1397 Patientinnen und Patienten > 40 Jahre aufgenommen, die sich auf- grund einer innerhalb von 12 Stunden zu- vor erlittenen Synkope in einer Notaufnah- me vorstellten. Dabei wurden Patienten ausgeschlossen, die ein orales Antikoagu- 7

SOP / Arbeitsablauf SOP Notfallechokardiografie Boris Schnorbus, Teresa Gößler, Andreas Fischbach, Martin Geyer, Ralph Stefan von Bardeleben Bettseitig rund um die Uhr verfügbar, erhöht die Notfallsonografie die diagnostische Sicherheit und ermöglicht schnelle Therapieentscheidungen. Bei der Notfallecho- kardiografie des Herzens ist die begriffliche Trennung zwischen der Notfallecho- kardiografie durch einen kardiologischen Facharzt und der fokussierten Notfall- sonografie wichtig. Diese SOP behandelt die standardisierte Untersuchung von Notfallpatienten in der Notaufnahme, im Schockraum und in der Chest Pain Unit. Basisuntersuchung und Besonderheiten Die Notfallechokardiografie stellt den Untersucher vor besondere Herausforderungen. Zeitdruck bei der Diag- nostik, parallel durchgeführte Untersuchungen, erweiter- tes Monitoring (EKG-Elektroden, Defi-Patches), Dyspnoe und eingeschränkte Lagerungsmöglichkeiten können die achsengerechte Anlotung und damit die Untersuchung erschweren [1]. Trotzdem ist es auch im Notfall sinnvoll, den Patienten bestmöglich zu lagern, die EKG-Elektroden anzulegen und auf keine der Standardebenen zu verzichten. So wer- den keine wichtigen diagnostischen Aspekte übersehen. Ist beispielweise bereits in der ersten Anlotung eine Peri- kardtamponade zu sehen, könnte eine Aortendissektion der Grund für die Tamponade sei. Vorrangige diagnostische Schritte oder Therapiemaß- nahmen dürfen jedoch nicht verzögert werden. Auf eine sorgsame Befunddokumentation ist zu achten, um einen objektiven Vergleich bei Wiederholungsuntersuchungen zu ermöglichen [2]. Idealerweise sollten die Standardschnitte (parasternal lange und kurze Achse, 2-, 3-, 4- und 5-Kammerblick so- wie die subkostale Anlotung) durchgeführt werden (▶ Tab. 1, Abb. 1). Wenn dies nicht möglich ist, müssen die Anlotungen angepasst werden, damit die Fragestel- lungen beantwortet werden können. Bei besonderen Fra- gestellungen kann auch eine zusätzliche Bildgebung mit- tels transösophagealer Echokardiografie (TEE) notwendig sein (V. a. Endokarditis). ▶ Tab. 1 Beurteilbare Strukturen und Funktionen in den Anlotebenen. Anlotebenen beurteilbare Struktur/Funktion parasternal lange Achse (PLAX) parasternal kurze Achse (PSAX) apikaler Vierkammerblick (4CH) Aorta ascendens, Dimensionen der Herzhöhlen, Septumdicke, LV-Funktion, linksseitige Klappenvitien, Perikarderguss, Differenzierung Pleuraerguss/Perikarderguss Aortenklappe, RV/LV-Größenverhältnis, D-Sign, LV-Funktion, RV-Funktion, Pulmonal- klappe, RWBS (Versorgungsgebiete aller Koronararterien) LV-Funktion/RWBS (inferoseptale/-laterale Wand), AV-Klappenvitien, LA/RA-Größe, interatriales Septum (Druckindikator, Hinweise für Shunt im Farbdoppler), rechtsventrikuläre Funktion apikaler Zweikammerblick (2CH) LV-Funktion/RWBS (inferiore/anteriore Wand), LA-Größe, Blick auf Mitralklappen- Kommissur apikaler Dreikammerblick (3CH) LV-Funktion/RWBS (inferolaterale/anteroseptale Wand), Aortenklappenvitium apikaler Fünfkammerblick (5CH) Aortenklappenvitium subkostal (SVCI) V. cava inferior, Perikarderguss subkostaler Vierkammerblick (S4CH) Perikarderguss, RV/LV-Dimension, freie RV-Wand suprasternal Aortenbogen LV = linker Ventrikel, RV = rechter Ventrikel, RWBS = regionale Wandbewegungsstörungen, LA = linker Vorhof, RA = rechter Vorhof Schnorbus B et al. SOP Notfallechokardiografie Kardiologie up2date 2020; 16: 9–13 9

▶ Abb. 2 Hochgradige Aortenklappenstenose. AK = Aortenklappe, AS = Aortenklappenstenose, TK = Trikuspidalklappe, RVOT = rechtsventrikulärer Ausflusstrakt. a CW-Doppler einer hochgradigen AS. b SAX-Ansicht einer sklerosierten AK bei hochgradiger AS. ▶ Abb. 3 Hochgradige primäre Mitralklappeninsuffizienz. LV = linker Ventrikel, RV = rechter Ventrikel, RA = rechter Vorhof. ▶ Abb. 4 Hochrisiko-Lungenembolie mit dilatiertem rechten Ventrikel (RV) und D-Sign. LV = linker Ventrikel, RV = rechter Ventrikel. Lungenembolie/Rechtsherzbelastung Die Verlegung des pulmonalarteriellen Querschnitts führt gemeinsam mit der Freisetzung von Vasokonstrik- toren zu einer akuten Zunahme des pulmonalvaskulären Widerstands und damit der rechtsventrikulären Nachlast. Gegenüber Nachlasterhöhungen ist der rechte Ventrikel wesentlich empfindlicher als der linke Ventrikel. Je nach Ausmaß resultiert daraus eine rechtsventrikuläre Funk- tionseinschränkung und Dilatation. Konsekutiv sinkt das Herzzeitvolumen mit möglicher Schocksymptomatik. Entwicklung einer Nach den folgenden echokardiografischen Zeichen wird bei der Frage nach einer Rechtsherzbelastung gesucht: ▪ rechtsventrikuläre Dilatation (RV/LV > 0,6 bei normal großem LV, RV-Spitzenbildung) ▪ D-Sign (D-Konfiguration des LV in der parasternal kur- zen Achse) Schnorbus B et al. SOP Notfallechokardiografie Kardiologie up2date 2020; 16: 9–13 11

Schock auszulösen. Das häufig zu findende epikardiale Fettgewebe stellt sich in der Regel echoreich dar und ist wenige Millimeter ohne Kontraktionsvariabilität stark. Ein linksseitiger Pleuraerguss kann in der langen Achse mit Darstellung der A. descendens ausgeschlossen wer- den, falls sich Flüssigkeit zwischen zwischen linkem Vor- hof und der A. descendens befindet. Fazit Die Notfallechokardiografie bildet als bettseitige umfas- sende Notfallbildgebung ein solides Gerüst für die Beur- teilung von Notfallpatienten. Sie sollte in Kooperation mit den Abteilungen für Kardiologie indikationsgerichtet, standardisiert und mit nachvollziehbarer Bild- und Be- funddokumentation eingesetzt werden. Interessenkonflikt Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessen- konflikt besteht. Martin Geyer Dr. med., Facharzt für Innere Medizin und Kar- diologie, Zentrum für Kardiologie, Abteilung für Interventionelle Herzklappentherapie, Universitätsmedizin Mainz. Ralph Stefan von Bardeleben Dr. med., Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie, Zentrum für Kardiologie, Leiter Abteilung für Interventionelle Herzklappen- therapie, Universitätsmedizin Mainz. Korrespondenzadresse Dr. med. Boris Schnorbus Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie Zentrum für Kardiologie Kardiologie I Abteilung für Interventionelle Herzklappentherapie Universitätsmedizin Mainz Langenbeckstraße 1 55131 Mainz boris.schnorbus@web.de Autorinnen/Autoren Boris Schnorbus Literatur Dr. med., Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie, Zentrum für Kardiologie, Abteilung für Interventionelle Herzklappentherapie, Universitätsmedizin Mainz. [1] Michels G, Zinke H, Möckel M et al. Empfehlungen zur Ultra- schallausbildung in der internistischen Intensiv- und Notfall- medizin: Positionspapier der DGIIN, DEGUM und DGK. Kardio- loge 2017; 11: 285–290. doi:10.1007/s12181-017-0157-x Theresa Gößler Dr. med., Fachärztin für Innere Medizin, Zentrum für Kardiologie, Abteilung für Inter- ventionelle Herzklappentherapie, Universitäts- medizin Mainz. Andreas Fischbach [2] Hagendorff K, Tiemann G, Simonis M et al. Empfehlungen zur 45–64. Notfallechokardiographie, Kardiologe 2014; doi:10.1007/s12181-013-0531-2 8: [3] [4] Flachskampf FA, Hrsg. Praxis der Echokardiographie. Stutt- gart: Thieme; 2007 Lancellotti P, Cosyns B. The EACVI Echo Handbook (The Euro- pean Society of Cardiology Series). Oxford: Oxford University Press; 2016 Dr. med., Ärztlicher Leiter der Konservativen Notaufnahme, Universitätsmedizin Mainz. Bibliografie DOI https://doi.org/10.1055/a-0983-5677 Kardiologie up2date 2020; 16: 9–13 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 1611-6534 Schnorbus B et al. SOP Notfallechokardiografie Kardiologie up2date 2020; 16: 9–13 13

Impressum Kardiologie up2date 16. Jahrgang Die Kardiologie up2date erscheint 4-mal jährlich. ISSN (Print): 1611-6534 eISSN: 1860-3513 Eigentümer & Copyright © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York 2020 Herausgeber Prof. Dr. Isabel Deisenhofer Klinik an der Technischen Universität München Lazarettstraße 36, 80636 München deisenhofer@dhm.mhn.de Prof. Dr. Dr. Markus Ferrari HELIOS Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden Ludwig-Erhard-Straße 100, 65199 Wiesbaden markus.ferrari@helios-kliniken.de Prof. Dr. Meinrad Gawaz Universitätsklinikum Tübingen Postfach 2669, 72016 Tübingen meinrad.gawaz@med.uni-tuebingen.de Prof. Dr. Markus Haass Theresienkrankenhaus Bassermannstraße 2, 68165 Mannheim m.haass@theresienkrankenhaus.de Prof. Dr. Utz Kappert Universitätsklinik an der TU Dresden Fetscherstraße 76, 01307 Dresden utz.kappert@herzzentrum-dresden.com Prof. Dr. Nikolaus Marx Universitätsklinikum Aachen Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen nmarx@ukaachen.de Prof. Dr. Martin Moser Universitäts-Herzzentrum Bad Krozingen Südring 15, 79189 Bad Krozingen martin.moser@universitaets-herzzentrum.de Prof. Dr. Christoph A. Nienaber Imperial College Sydney Street, London SW3 6NP, UK c.nienaber@rbht.nhs.uk Prof. Dr. Andreas Zirlik LKH-Universitätsklinikum Graz Auenbruggerplatz 15, A-8036 Graz, Österreich andreas.zirlik@medunigraz.at Die Herausgeber sind nicht verantwortlich für die Rubrik „Forum der Industrie“ sowie für in der Zeitschrift enthaltene Anzeigen und Beilagen. Verlag Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart oder Postfach 30 11 20, 70451 Stuttgart Tel.: + 49 711 8931-0, Fax: + 49 711 8931-298 www.thieme.de, www.thieme.de/kardiologie-u2d www.thieme-connect.de/products Web-App: www.thieme.de/eref-app Redaktion Sie erreichen die Redaktion unter: kardio-u2d.impressum@thieme.de V. i. S. d. 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Printed in Germany Umschlaggestaltung: Thieme Gruppe Satz: Ziegler und Müller, text form files, Kirchentellinsfurt Druck und Bindung: Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG, Calbe (Saale) Kardiologie up2date 2020; 16 15

Kardiologie up2date 1 · 2020 Herzrhythmusstörungen 2 Katheterablation von Vorhofflimmern Korbinian Lackermair Heidi L. Estner VNR: 2760512020158724183 DOI: 10.1055/a-0674-6738 Kardiologie up2date 2020; 16 (1): 19–37 ISSN 1611-6534 © 2020 Georg Thieme Verlag KG

CME-Fortbildung Katheterablation von Vorhofflimmern Korbinian Lackermair, Heidi L. Estner Vorhofflimmern ist die häufigste supraventrikuläre Arrhythmie mit einer deutlichen Zunahme im Alter. Die Behandlung richtet sich nach der Dauer, dem klinischen Er- scheinungsbild, hämodynamischen Auswirkungen, zugrunde liegenden kardialen Erkrankungen und Risikofaktoren für einen Schlaganfall. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die katheterablativen therapeutischen Optionen bei Vorhofflimmern. ABKÜR ZUNGEN AT CFAE atriale Tachykardie komplex fraktioniertes atriales Elektro- gramm kardiale Resynchronisationstherapie direkte orale Antikoagulanzien CRT DOAK HOCM hypertroph-obstruktive Kardiomyopathie LAA LGE LV LVA PVI RF linksatrialer Appendage Late Gadolinium Enhancement linker Ventrikel Low-Voltage-Areal Pulmonalvenenisolation Radiofrequenz Hintergrund Vorhofflimmern Klinik Vorhofflimmern führt zum Verlust geordneter biatrialer Kontraktilität. Dies begünstigt zum einen Thrombusbil- dung mit der möglichen Folge der Thrombembolie (etwa 20–30% der Schlaganfälle sind durch Thrombembolien bei Vorhofflimmern verursacht). Zum anderen kann der Verlust des atrialen Beitrags zur Füllung des linken Ventri- kels, insbesondere bei einer bereits bestehenden struktu- rellen Herzerkrankung und während der tachykarden Phasen des Vorhofflimmerns, zu einer Herzinsuffizienz führen. Das Spektrum der Symptome ist insgesamt sehr breit, die Schwere der Symptomatik zeigt eine deutliche Abhängigkeit von der Kammerfrequenz und von der Ein- schränkung der LV-Funktion und kann bis hin zu einer kardialen Dekompensation mit Lungenödem reichen. Viele Patienten mit Vorhofflimmern sind aber asympto- matisch und die Erkrankung fällt häufig in einer Routine- untersuchung als Zufallsbefund auf. Definition Klassifikation Während Vorhofflimmern besteht ungeordnete biatriale elektrische Aktivität, elektrokardiografisch bilden sich folglich keine geordneten P-Wellen. Pathophysiologisch wird Vorhofflimmern durch ektope Trigger der Pulmonal- venen induziert [1], die klinische Erscheinungsform ist dabei anfangs häufig intermittierend. Im Verlauf der Er- krankung bewirkt Vorhofflimmern atrial elektrische Ver- änderungen, sodass die Bedeutung der pulmonalvenösen Trigger abnimmt und die Arrhythmie klinisch anhaltend auftreten kann [2]. Epidemiologie Vorhofflimmern ist eine chronisch-progrediente Erkran- kung und die häufigste supraventrikuläre Herzrhyth- musstörung. Betroffen sind ca. 2% der Bevölkerung mit einer deutlichen Zunahme im Alter (Inzidenz bei < 40 Jah- re etwa 0,1% und > 80 Jahre mehr als 10%) [3]. Vorhofflimmern kann eingeteilt werden in (▶ Tab. 1) [3]: ▪ paroxysmales (anfallartiges, < 7 Tage anhaltendes) Vorhofflimmern, ▪ persistierendes (> 7 Tage) Vorhofflimmern, ▪ permanentes (nicht mehr konvertierbares) Vorhof- flimmern. Diagnostik Die Diagnostik von Vorhofflimmern kann im 12-Kanal- EKG oder Langzeit-EKG erfolgen. Im Falle selten auftre- tender Vorhofflimmerepisoden kann durch wiederholte Langzeit-EKG-Untersuchungen die diagnostische Sensiti- vität gesteigert werden. Sehr seltene Vorhofflimmerepi- soden können z. B. im Rahmen der ätiologischen Einord- nung eines Apoplexes mit einem implantierbaren Ereig- nisrekorder nachgewiesen werden. Lackermair K, Estner HL. Katheterablation von Vorhofflimmern Kardiologie up2date 2020; 16: 19–37 19

mechanische Herzklappen oder mittelschwere oder schwere Mitralklappenstenose ja Vitamin-K- Antagonist nein CHA DS -VASc 2 2 Männer 0 1 2 und größer Antikoagulation mit DOAK (bevorzugt) Frauen 1 keine sonstigen Risikofaktoren 2 weibliches Geschlecht plus 1 Risikofaktor 3 und größer keine Anti- koagulation (auch keine Thrombozyten- Aggregations- hemmung!) Antikoagula- tion erwägen Antikoagula- tion empfohlen ▶ Abb. 1 Indikation zur oralen Antikoagulation. Patienten mit mechanischer Mitralklappenprothese und einer mind. mittelgradigen Mitralstenose (ehem. valvuläres Vorhofflimmern) müssen mit Vitamin-K-Antagonisten therapiert werden. Bei allen anderen Patienten mit Vorhofflimmern sollte die Indikation zur oralen Antikoagulation mittels CHA2DS2-VASc-Score überprüft werden. Frauen > 65 Jahre haben zwar per se einen Punkt nach dem CHA2DS2-VASc-Score, dieser führt aber nur dann zu einem erhöhten Thrombembolierisiko, wenn ein zweiter Risikofaktor vorhanden ist. Ab 2 bzw. 3 Risikofaktoren ist eine orale Antikoagulation vorzugsweise mit einem DOAC indiziert. DOAK: direkte orale Antikoagulanzien; VKA: Vitamin-K-Antagonist ▶ Tab. 2 Zerebrales Thrombembolierisiko bei Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern in Abhängigkeit von der Summe bedeutsamer Risikofaktoren nach dem CHA2DS2-VASc-Score (nach ESC-Guidelines Vorhofflimmern). CHA2DS2-VASc-Score [4] Risikofaktoren ohne Risiko systolische Herzinsuffizienz Zeichen/Symptome der Herzinsuffizienz oder objektiver Nachweis für verminderte LVEF arterielle Hypertonie Ruheblutdruck > 140/90 mmHg bei mindestens 2 Messungen oder aktuelle antihypertensive Therapie Alter > 75 Jahre Diabetes mellitus Nüchtern-Blutzucker > 125 mg/dl (7 mmol/l) oder Behandlung mit oralen Antidiabetika und/oder Insulin stattgehabter Insult/TIA vaskuläre Erkrankungen früherer Myokardinfarkt, periphere arterielle Verschlusskrankheit oder aortale Plaque Alter 65–74 Jahre weibliches Geschlecht maximaler Wert Jährliche Schlaganfallrate [5] Punkte Score (kumuliert) Embolierisiko (pro Jahr) 1 1 2 1 2 1 1 1 9 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0,78% 2,01% 3,71% 5,92% 9,27% 15,26% 19,78% 21,50% 22,38% 23,64% Lackermair K, Estner HL. Katheterablation von Vorhofflimmern Kardiologie up2date 2020; 16: 19–37 21

FALLBEISPIEL Vorstellung eines 76-jährigen Patienten über den Rettungsdienst in der Notaufnahme bei anhaltenden Palpitationen. Als relevante Vorerkrankung besteht eine medikamentös gut behandelte arterielle Hyper- tonie. Im EKG erfolgt die Erstdiagnose von (tachy- kardem) Vorhofflimmern. Nach Akuttherapie und Erreichen einer adäquaten Frequenzkontrolle ist der Patient weiter symptomatisch, sodass die stationäre Aufnahme zur elektrischen Kardioversion erfolgt. Über Nacht kommt es zur spontanen Konversion des Vorhofflimmerns. Die transthorakale Echokardiogra- fie zeigt keine relevanten Pathologien. Die antihyper- tensive Therapie wird, zur Rezidivprophylaxe eines erneuten, ausgeprägt tachykarden Vorhofflimmerns, von einem ACE-Hemmer auf einen Betablocker um- gestellt. Zudem wird bei einem CHA2DS2-VASc von 3 eine Antikoagulation mit einem DOAK begonnen. Nach wenigen Wochen erfolgt die Vorstellung des Patienten über die rhythmologische Ambulanz mit dem Wunsch nach einer Katheterablation. In der Zwi- schenzeit hätten sich keine erneuten Episoden ge- zeigt, der Betablocker sei gut vertragen worden. Der Patient gibt an, von Bekannten erfahren zu haben, dass die Katheterablation von Vorhofflimmern Er- folgsaussichten im Hinblick dauerhafter Arrhythmie- freiheit von über 90% hätte und zumindest „auf keinen Fall schaden könne“. Die Erfolgsaussicht einer Katheterablation bei diesem Patienten mit Erstdiagnose von paroxysmalem Vor- hofflimmern und ohne relevante kardiale Vorerkran- kung kann als gut eingeschätzt werden. Die erste Epi- sode des Vorhofflimmerns war deutlich symptoma- tisch (EHRA III–IV). Ein rhythmuserhaltender Thera- pieansatz scheint also gerechtfertigt. Sofern die Pa- tientenpräferenz so lautet, rechtfertigen die Leitlinien auch hier bereits die Katheterablation. Es ist jedoch notwendig, die inkorrekte Annahme des Patienten bez. Erfolgsaussichten und Risiken zu berichtigen. Nach adäquater Aufklärung möchte der Patient zu- nächst den weiteren klinischen Verlauf abwarten und sich beim nächsten Rezidiv wahrscheinlich zur Kathe- terablation vorstellen. lation unter Fortführung einer zuvor ineffektiven medika- mentösen Therapie asymptomatisch [8]. Im aktuellen Verständnis der Pathophysiologie ist der von Haissaguerre beschriebene Mechanismus der Triggerung durch Ektopie aus den Pulmonalvenen vor allem gültig für Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern, sodass eine Durchtrennung der elektrischen Verbindung zwi- schen Pulmonalvenen und linkem Atrium mechanistisch plausibel und vom Ablationsansatz ausreichend erscheint [6]. Weit schwieriger ist die pathophysiologische Erklärung des Vorhofflimmerns bei Patienten, bei denen pulmonal- venöse Trigger nicht im Vordergrund stehen. Auch wenn es Hinweise gibt, dass diese Zuordnung zu den rein kli- nischen Erscheinungsformen des Vorhofflimmerns unzu- reichend ist, werden diese nicht Pulmonalvenen-Trigger- abhängigen Formen von Vorhofflimmern landläufig bei Patienten mit persistierendem Vorhofflimmern ange- nommen. Hintergrund sind im Allgemeinen schlechtere Raten der Rezidivfreiheit nach Pulmonalvenenisolation (PVI) [8]. Aus diesem Grund haben sich ergänzende Stra- tegien der Katheterablation von Vorhofflimmern wie An- lage von Linien oder Ablation von komplexen fraktionier- ten Elektrogrammen (CFAE) entwickelt. Die STAR‑AF‑II-Studie untersuchte in einem prospektiven multizentrischen Studiendesign, ob bei Patienten mit persistierendem Vorhofflimmern die Strategie der Abla- tion einen relevanten Einfluss auf die Rezidivfreiheit hat. Rund 600 Patienten wurden randomisiert auf entweder alleinige PVI, PVI plus Anlage von Linien oder PVI plus Ab- lation von komplexen fraktionierten Potenzialen. Pro- zedural führten zusätzliche Ablationen nachvollzieh- barerweise dabei zu einer Zunahme der Prozedurdauer und Strahlenbelastung ohne relevante Zunahme von Komplikationsraten. Ohne signifikanten Unterschied blie- ben jedoch auch die Erfolgsraten, sodass die Studie das Konzept unterstützt, auch bei Patienten mit persistieren- dem Vorhofflimmern beim Ersteingriff einen auf Isolation der Pulmonalvenen limitierten Ansatz zu wählen [9]. Ge- genstand der Untersuchung bleibt aktuell die optimale Ablationsstrategie (spätestens) bei Patienten mit isolier- ten Pulmonalvenen oder allen mit einem Rezidiv nach PVI während der erneuten Ablation. Vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Evidenz zur Effektivität der Ablation von Vorhofflimmern darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Überlegenheit der Katheterablation gegenüber der rein medikamentösen Therapie im Hinblick auf „harte“ Endpunkte wie Letalität weit weniger gut belegt ist [6]. Die im vergangenen Jahr publizierte CABANA-Studie untersuchte an etwa 2200 Pa- tienten in randomisiertem Studiendesign, ob die Kathe- terablation im Vergleich zur rein medikamentösen Thera- pie eine Reduktion des kombinierten Endpunkts Tod, schwerer Schlaganfall, schwere Blutung oder Herzstill- stand bewirkt [10]. In der „Intention-to-treat“-Analyse zeigte sich der primäre Endpunkt ebenso wie die Gesamt- letalität nicht signifikant unterschiedlich. Erwähnt wer- den muss eine hohe Rate an „Cross-over“ zwischen den Studiengruppen: ca. 10% aus der „Ablationsgruppe“ und 27,5% (!) aus der „Nichtablationsgruppe“. Bei aller Ein- schränkung der wissenschaftlichen Qualität dieser Form der Analyse deutet die „Per-Protokoll“-Analyse einen Lackermair K, Estner HL. Katheterablation von Vorhofflimmern Kardiologie up2date 2020; 16: 19–37 23

zeigte sich die Laserablation im Hinblick auf Rezidivfrei- heit nach 12 Monaten nicht unterlegen (61 vs. 62%). Bei ansonsten vergleichbaren Komplikationsraten traten in der Laserablationsgruppe signifikant häufiger Phrenikus- paresen auf (3,5% vs. 0,6% in der RF-Gruppe) [14]. Kryoablation von Vorhofflimmern Die Idee der ballonbasierten Kryoablation von Vorhof- flimmern liegt in der Isolation einer Lungenvene mit einer einzigen Abgabe von Kryoenergie. Hierzu wird ein Ballon in die jeweilige Pulmonalvene platziert und dieser aktiv gekühlt, sodass ein irreversibler Gewebsschaden entsteht [6]. Die Kryoballonsysteme der aktuellen Generation küh- len die gesamte distale Hemisphäre des Ballons, was das Erreichen einer kompletten zirkumferentiellen Isolation (im Vergleich zu den zirkulären RF-Single-Shot-Devices und dem Kryoballon der ersten Generation mit Kühlung nur eines äquatorialen Bereichs) deutlich erleichtert. Im Gegensatz zur RF-Ablation entfällt das Erstellen einer 3-D-Karte. Die Kontrolle der Elimination von Leitung zwi- schen Atrium und Pulmonalvene erfolgt über einen intra- luminal geführten Spiralkatheter. Die Effektivität einer Kryoablation im Vergleich zu einer rein medikamentösen Therapie wurde in der STOP‑AF- Studie untersucht [15]. Obwohl sich eine deutliche Über- legenheit bez. des Endpunkts der Arrhythmiefreiheit (70 vs. 7%) zeigte, waren die Prozedurzeiten lange (im Mittel 371 min) und die Komplikationsraten sehr hoch (Schädi- gung des N. phrenicus: 13,5%, Schlaganfall: 2,5%, Pul- monalvenenstenose: 3,1%). Erklärend muss hier die ge- ringe Erfahrung der Studienzentren mit der damals neu- artigen Technologie angeführt werden. Einen direkten Vergleich zwischen Radiofrequenz- und Kryoablation von Vorhofflimmern liefert die Fire-and-Ice- Studie [16]. Im Unterschied zur STOP‑AF-Studie waren hier nur Zentren beteiligt, die über Routine in beiderlei Verfahren verfügten. Etwa 800 Patienten wurden rando- misiert auf Kryo- oder RF-Ablation. Der primäre Endpunkt war die Nichtunterlegenheit des Kryoverfahrens hinsicht- lich des ersten dokumentierten Auftretens eines Vorhof- flimmerrezidivs, von Vorhofflattern oder anderen Vorhof- tachykardien, der Gabe von Klasse-I- oder Klasse-III-Anti- arrhythmika oder einer Re-Ablation innerhalb eines Jah- res. Es zeigten sich nicht unterschiedliche Ereignisraten für beide Technologien (Kryo 34,6%, RF 35,9%, p < 0,001 für Nichtunterlegenheit). Daneben zeigten sich für das Kryoverfahren Prozedurzeiten (124 ± 39 min vs. 141 ± 55 min, p < 0,001) sowie nied- rigere Raten an Re-Ablationen (Kryo 11,8%, RF 17,6 %, p = 0,03), Kardioversion (Kryo 3,2 %, RF 6,4%, p = 0,04) und kardial bedingter Re-Hospitalisierung (Kryo 23,8%, RF 35,9%, p < 0,01). signifikant kürzere FALLBEISPIEL Vorstellung eines 54-jährigen Patienten mit post- myokarditischer dilatativer Kardiomyopathie, aktuell mittelgradig reduzierter LV-Funktion und ohne rele- vante linksatriale Dilatation. Bei im Vorfeld hochgra- dig reduzierter LV-Funktion war ein primärprophylak- tischer ICD mit DX-Sonde implantiert worden. In der Routinekontrolle des ICD kann paroxysmales Vorhof- flimmern mit zunehmender Arrhythmielast (zuletzt 15%) dokumentiert werden. Die Episoden sind trotz ausdosierter Betablockertherapie mit eher tachykar- der Überleitung einhergehend. Der Patient verspürt in den Episoden Palpitation, fühlt sich dabei aber nicht relevant eingeschränkt (EHRA IIa). Mit dem Patienten wird vor dem Hintergrund der Daten der CASTLE‑AF-Studie besprochen, dass eine Katheterablation für ihn von prognostischem Vorteil sein könnte. Die alternativ angebotene medikamen- töse Rhythmisierung (Amiodaron, Sotalol) wird auf- grund des Nebenwirkungsprofils und der erwartbaren Langzeittherapie über mehrere Jahrzehnte vom Pa- tienten nicht gewünscht. Der Patient willigt ein und es erfolgte die komplikationslose PVI. Praktische Durchführung Voraussetzung zur Indikation einer Katheterablation von Vorhofflimmern ist die EKG-Dokumentation von sympto- matischem Vorhofflimmern. Der Eingriff wird stationär durchgeführt. Obligatorisch ist vorbereitend eine Blut- entnahme zur Bestimmung von Elektrolyten, Retentions- parametern ebenso wie von Parametern der zellulären und plasmatischen Gerinnung. Von Bedeutung ist diese vor allem vor dem Hintergrund, dass ein Großteil der Pa- tienten unter einer dauerhaften oralen Antikoagulation steht. Im Fall von einer oralen Antikoagulation mit einem Vitamin-K-Antagonisten konnte eine Fortführung gegen- über einer Unterbrechung und einem Bridging mit Hepa- rin als überlegen belegt werden [17]. Für die Gruppe der DOAK ist die optimale Strategie bezüglich periprozedura- ler Unterbrechung und deren optimaler Dauer noch Ge- genstand der Untersuchung. Der Eingriff kann unter Sedierung durchgeführt werden, in speziellen Konstellationen kann auch eine Vollnarkose notwendig sein. Der venöse Zugang erfolgt über die fe- moralen Venen, der linksatriale Zugang durch Punktion des interatrialen Septums. Die weit zirkumferenzielle PVI ist momentan der am bes- ten untersuchte Endpunkt der Katheterablation [9, 16]. Lackermair K, Estner HL. Katheterablation von Vorhofflimmern Kardiologie up2date 2020; 16: 19–37 25

Komplex fraktionierte atriale Elektrogramme Isolation des linksatrialen Appendage Di Biase u. Mitarb. untersuchten in der einzigen randomi- sierten Studie ein Vorgehen, wonach die empirische Iso- lation des linksatrialen Appendage (LAA) die Erfolgsraten insbesondere bei langanhaltendem persistierendem Vor- hofflimmern steigern soll [28]. Bisher liegen nur diese eine randomisierte Studie und Metaanalysen vor, wonach die Erfolgsraten besser sein sollen als die alleinige PVI. Es fehlen aber multizentrische Studien. Die Schwierigkeit dieses Ablationskonzepts ist die häufige Rekonnektion des LAA und das erhöhte thrombembolische Risiko nach LAA-Isolation, das in einigen Zentren als derart hoch ein- geschätzt wird, dass ein interventioneller LAA-Verschluss im Anschluss propagiert wird. Ablation der Fibrose in der Magnetresonanztomografie Wie bereits erwähnt wird angenommen, dass man Fibro- se mit Late-Enhancement-MRT (LGE‑MRT) visualisieren kann. Es wurde bereits atriale Fibrose mit der MRT korre- liert und der Nachweis einer Stadienunterteilung er- bracht (Utah-Klassifikation 0–4) [20]. Marrouche konnte auch zeigen, dass Patienten mit einem Rezidiv nach PVI signifikant mehr LGE aufweisen als rezi- divfreie [29]. Entsprechend ist eine Ablationsstrategie, die mittels MRT detektierte Fibrose zu abladieren und so- mit das Substrat zu modifizieren (DECAAF‑II-Studie: ran- domisiert alleinige PVI vs. PVI plus MRT-geführte Sub- stratmodifikation). Momentan rekrutiert die DECAAF‑II- Studie noch Patienten, um dieses Ablationskonzept mul- tizentrisch randomisiert zu untersuchen. Ablation von Low-Voltage-Arealen [30] Die individualisierte Ablation von Low-Voltage-Arealen (LVA) im linken Vorhof scheint ein erfolgversprechendes Konzept darzustellen. In mehreren Studien konnte ge- zeigt werden, dass die Ablation von LVA erfolgreicher ist als eine PVI alleine und als eine Ablationsstrategie mit PVI plus empirische Linien (70 vs. 43%). Erfreulicherweise scheint dies nicht mit einer Steigerung von atrialen Ta- chykardien (AT) im Verlauf einherzugehen (14 vs. 46% bei PVI + Linien). Allerdings fehlen für diesen Ansatz ebenfalls noch große multizentrische randomisierte Stu- dien. Komplex fraktionierte atriale Elektrogramme (CFAE) wäh- rend Vorhofflimmern entsprechen einer Leitungsver- zögerung und Angelpunkten von Erregungsfronten. Die Definition eines CFAE wurde ursprünglich von Nadema- nee (dem Erstbeschreiber) festgelegt: ein fraktioniertes Elektrogramm mit ≥ 2 Deflektionen, kontinuierliche De- flektionen oder Elektrogramme mit einer Zykluslänge ≥ 120 ms (vereinfacht zusammengefasst). Diese Definiti- on wird heutzutage dadurch aufgeweicht, dass elektro- anatomische Mappingsysteme mit einem automatischen Algorithmus CFAE objektiv detektieren sollen. Die Abla- tion dieser Elektrogramme führte zu einer Termination von Vorhofflimmern intraprozedural [25] und zu erfolg- versprechenden Langzeiterfolgsraten. Leider war die CFAE-Ablation in multizentrischen Studien additiv zur PVI der alleinigen PVI aber nicht überlegen [9]. Nachteil der CFAE-Ablation ist die große Untersuchervariabilität, die schlechte räumliche und zeitliche Auflösung von CFAE, deren Instabilität und somit einhergehend eine hohe Proarrhythmogenität als Folge der Vorhofflimmer- ablation in Form von atypischem Flattern. Dennoch muss betont werden, dass die Definition von CFAE komplex ist und in randomisierten Studien meist die o. g. automati- sierten Algorithmen verwendet wurden, die schlecht mit der „subjektiven“ Bewertung der Untersucher korrelier- ten. Es mag auch sein, dass die Kombination und Detek- tion von CFAE mit neuen hochauflösenderen Mapping- systemen von Vorteil sein könnte. Rotoren Mit der Rotorablation wird ein Verfahren beschrieben, bei dem fokale Impulse und Rotoren (FIRM) mittels eines 64- poligen Basketkatheters und eines automatischen Soft- warealgorithmus demaskiert werden [26]. Interessanter- weise finden sich diese Rotoren häufig entlang der Areale, die ohnehin mittels einer zirkumferenziellen PVI abladiert werden (entlang der Pulmonalvenen oder am Dach). Nachteil dieses Rotorenmappings ist, dass der hierfür ver- wendete Basketkatheter sehr weiche Streben hat, die nicht uniform in den Atrien zu liegen kommen. Die auto- matische Berechnung trägt die Erregung auf einer zwei- dimensionalen 8 × 8-Feldertafel auf (entsprechend den Elektrogrammen) und gibt somit eine sehr ungenaue räumliche Auflösung wieder. Die Ergebnisse einer multi- zentrischen Studie waren bisher ernüchternd. Nicht invasives Rotorenmapping Rotoren darzustellen gelang auch nicht invasiv mit einem 256-Oberflächen-EKG [27]. Der Vorteil einer nicht invasi- ven Visualisierung liegt auf der Hand, der Nachteil liegt darin, dass die Analyse wieder eine Signalprozessierung benötigt, die zu weiten Teilen weder nachvollziehbar ist noch beeinflusst werden kann. Es fehlen auch noch multi- zentrische, randomisierte Studien, um den Wert dieses Verfahrens abschätzen zu können. Lackermair K, Estner HL. Katheterablation von Vorhofflimmern Kardiologie up2date 2020; 16: 19–37 27

Prozedurale Risiken Tod Die Spanne der publizierten 30-Tages-Letalitäts-Daten nach Vorhofflimmerablation reicht von 0–0,8% [6]. Die aktuelle ESC-Leitlinie Vorhofflimmern gibt tödliche Kom- plikationen mit < 0,2% an [3]. Intraprozedural verursacht werden diese Todesfälle durch nicht traktable Perikard- tamponaden (z. B. bei durch Perikardpunktion nicht sta- bilisierbaren Patienten und fehlendem Zugang zu zeit- naher herzchirurgischer Versorgung) und Schlaganfälle. Etwa ein Drittel der Todesfälle tritt mit einer Latenz von einigen Tagen, und damit in der Regel nach Entlassung des Patienten, auf und ist zuvorderst verursacht durch atrioösophageale Fistelbildung [6]. Perikardtamponade Perikardtamponaden entstehen bei der Katheterablation von Vorhofflimmern durch 3 Mechanismen: ▪ Perforation im Rahmen der transseptalen Punktion, ▪ Perforation mit dem Ablationskatheter bei Manövrie- ren im linken Vorhof, ▪ Perforation während der Applikation von RF-Energie durch lokales Überhitzen des Myokards („Steam Pop“) [6]. Die ESC-Leitlinie gibt das Auftreten von Perikardtampo- naden mit 1–2% an [3]. Um die damit assoziierte Letalität zu reduzieren, ist neben rascher Diagnose die standardi- sierte Akuttherapie (Perikardpunktion ggf. mit Retrans- fusion) wichtig. Da die interventionelle Entlastung in etwa 10% der Fälle nicht zur Stabilisierung des Patienten ausreicht [6], ist eine herzchirurgische Abteilung im Haus zwar nicht obligatorische Voraussetzung zur Durchfüh- rung einer Vorhofflimmerablation, wohl aber eine Koope- rationsvereinbarung mit einer naheliegenden Abteilung für Kardiochirurgie, die eine Übernahmegarantie beinhal- tet. Der größte Teil der periprozeduralen Perikardtampona- den manifestiert sich unmittelbar beim Eingriff, es muss jedoch berücksichtigt werden, das es in bis zu 0,2% aller Eingriffe auch verzögert (im Verlauf von Stunden oder wenigen Tagen) zu Tamponaden kommt [6]. Im Gegen- satz zu den anderen aufgeführten Komplikationen gilt die Inzidenz der periprozeduralen Perikardtamponade als unabhängig von Untersucher- und Zentrumserfah- rung. Schlaganfall/TIA/Silent cerebral Events Die Angaben zur Rate von klinisch manifesten Schlag- anfällen/TIA nach Vorhofflimmerablation liegen im Be- reich von 0–7% [6], die ESC-Leitlinie nennt eine Inzidenz von < 1% [3]. Mechanistisch werden diese kardialen Em- bolien entweder verursacht durch Mobilisation vorbeste- hender intraatrialer Thromben, Luftembolisation, Throm- benbildung an Kathetern oder aber, zeitlich verzögert, durch Thrombenbildung im Bereich der Ablationsläsio- nen im Verlauf von Wochen nach der Ablation. Zur Ver- meidung von Verschleppung vorbestehender Thromben kommt der präprozeduralen Antikoagulation und echo- kardiografische Bildgebung die größte Bedeutung zu. Während die Luftembolisation durch penible Kontrolle linksatrial infundierter Spülungen auf Luftfreiheit verhin- dert werden kann, ist die intraprozedurale Heparingabe zum Erreichen einer ACT > 300 s die entscheidende Maß- nahme zur Verhinderung von akuter Thrombenbildung an Kathetern und Ablationsläsionen. Unter Berücksichtigung der hohen Thrombogenität der Ablationsläsionen kommt der strikten Indikation zur Anti- koagulation in den ersten 3 Monaten nach Ablation eine große Bedeutung zu. Diese besteht unabhängig vom in- dividuellen Thrombembolierisiko (CHA2DS2-VASc-Score) und sollte, von vitalen Indikationen abgesehen, nicht un- terbrochen werden. Diese Überlegungen müssen im Vor- feld der Ablation Berücksichtigung finden, wenn bei einem Patienten mit per se niedrigem Thrombembolie- risiko z. B. ein dringlich elektiv durchzuführender chirurgi- scher Eingriff geplant ist. Unabhängig von klinisch manifester Embolisation lassen sich in bis 45% der Patienten nach Vorhofflimmerablation asymptomatische prozedurassoziierte Mikroembolien („silent cerebral lesions“) MR-radiologisch nachweisen [6]. Wie oben dargestellt zeigt sich für dieses Phänomen eine Abhängigkeit von der Verwendung bestimmter Ab- lationssysteme. Obwohl man anhand des Auftretens von Silent cerebral Lesions die Thrombogenität des Eingriffs erahnen kann, ist die klinische Bedeutung ungeklärt [6]. Phrenikusparese Die Phrenikusparese beschreibt eine Lähmung des Zwerchfells durch Schädigung des Phrenikusnervs. Die ablationsassoziierte Parese betrifft aufgrund der anato- mischen Nähe zum rechten Pulmonalvenenfach bzw. zur rechten oberen Vene typischerweise den rechten Phreni- kusnerv. Klinisch unterschieden werden: ▪ passagere Läsionen (vollständig regredient zum Zeitpunkt der Entlassung), ▪ persistierende Läsionen (regredient innerhalb von 12 Monaten), ▪ permanente Läsionen [6]. Die Inzidenz der anhaltenden Phrenikusparese wird in der ESC-Leitlinie mit 1–2% angegeben [3]. Merke Die höchste Inzidenz der Phrenikusparese findet sich nach Ablationen mit Kryoenergie, sodass hier ein kontinuierliches Phrenikusmonitoring obligat ist [4]. Eine geringere, aber im Vergleich zur RF-Ablation ebenfalls erhöhte Inzidenz findet sich bei der Laser- ablation [4]. Lackermair K, Estner HL. Katheterablation von Vorhofflimmern Kardiologie up2date 2020; 16: 19–37 29

(nicht mehr Vorhofflimmern), so werden Fünfteingriffe zu 90% aufgrund durch AT indiziert [33]. Dabei sind Linien anscheinend das proarrhythmischste Ablationskonzept mit bis zu 60% an AT im Follow-up. Auch die Erfolgsrate der Ablation von atypischem Vorhof- flattern ist zwar akut sehr hoch (mit > 90%), aber doch mit nur 50% nach 1 Jahr deutlich limitiert. Je mehr AT in der Prozedur auftreten, desto niedriger ist der Langzeiterfolg. Hilfreich scheinen Ultrahigh-Density- Mapping-Technologien zu sein, die sowohl das Akut- ergebnis als auch die Erfolgsraten nach 12 Monaten sig- nifikant steigerten [34]. FAZIT Zusammenfassend muss im Hinblick auf die Kompli- kationen bei der Vorhofflimmerablation festgehalten werden, dass die Untersuchererfahrung und Zahl der Ablationen im jeweiligen Zentrum wesentlichen Ein- fluss auf die Rate schwerer und tödlicher Komplika- tionen haben. Untersucher mit weniger als 25 Vor- hofflimmerablationen und Zentren mit weniger als 100 Vorhofflimmerablationen pro Jahr zeigen sig- nifikant höhere Komplikationsraten [6]. Daneben sind Patientencharakteristika wie Alter > 75 Jahre, Herzinsuffizienz, weibliches Geschlecht oder Über- gewicht mit einem erhöhten Risiko vergesellschaftet [6]. Indikationsstellung zur Katheterablation von Vorhofflimmern Bezogen auf Rezidivfreiheit und damit einhergehend Bes- serung der Lebensqualität ist die Katheterablation der medikamentösen Rhythmuskontrolle zweifelsfrei überle- gen [35]. Wie oben dargestellt gibt es jedoch wenig gesicherte Evi- denz, die einen Vorteil der Katheterablation verglichen zu medikamentöser Rhythmuskontrolle im Hinblick auf End- punkte wie Hospitalisierung oder Letalität belegt. Gene- rell muss zudem berücksichtigt werden, dass auch medi- kamentöse Rhythmuskontrolle einem rein frequenzkon- trollierenden Therapieansatz im Hinblick auf Letalität nicht überlegen ist. Vielmehr zeigte sich in der AFFIRM- Studie [36] und RACE-Studie [37] eine, wohl durch Ne- benwirkungen, erhöhte Letalität in der Gruppe der medi- kamentös rhythmuskontrollierten Patienten. Aus den dargestellten Überlegungen kann also keine ge- nerelle Indikation zur Katheterablation bei Vorhofflim- mern abgeleitet werden. Vielmehr ist die Indikation, un- ter Berücksichtigung der Überlegenheit der Ablation im Hinblick auf Reduktion der Arrhythmielast, bei den Pa- tienten zu stellen, die symptomatisch sind. Zur Einteilung der Symptomatik ist die EHRA-Klassifika- tion gebräuchlich, es werden dabei 4 Stufen unterschie- den [3]: ▪ EHRA I: Vorhofflimmern ist diagnostiziert, verursacht aber keine Beschwerden. ▪ EHRA II: – leichte Symptome: Die Patienten verspüren das Vorhofflimmern, alltägliche Tätigkeiten bleiben aber davon unbeeinträchtigt. – mittelschwere Symptome: Alltägliche Tätigkeiten bleiben unbeeinträchtigt, das Vorhofflimmern führt aber zu Beunruhigung. ▪ EHRA III: schwere Symptome: Alltägliche Tätigkeiten sind durch das Vorhofflimmern beeinträchtigt. ▪ EHRA IV: behindernde Symptome: Alltägliche Tätig- keiten sind im Vorhofflimmern nicht mehr möglich. Die ESC-Leitlinie Vorhofflimmern empfiehlt bei allen symptomatischen Patienten (EHRA ≥ II, unabhängig da- von, ob Vorhofflimmern als paroxysmal oder persistie- rend vorliegt), als ersten Schritt die Rhythmuskontrolle medikamentös zu versuchen (Klasse-I-Empfehlung), räumt jedoch ein, nach Patientenpräferenz auch als ers- ten Therapieansatz mit Katheterablation zu behandeln (Klasse-IIa-Empfehlung) [3]. Nach einem Scheitern jed- weder medikamentöser Therapie wird die Katheterabla- tion im zweiten Schritt als Klasse-I-Empfehlung (für par- oxysmales Vorhofflimmern) bzw. Klasse-IIa-Empfehlung (für persistierendes Vorhofflimmern) geführt [3]. Da die initial zu wählende Therapie vor allem von der Pa- tientenpräferenz abhängt, erfordert dies eine dezidierte Aufklärung des Patienten über die verfügbaren Therapie- optionen und die präzise Darstellung von Chancen und Risiken. Besonders für den Ansatz der primären Katheter- ablation müssen den überlegenen Erfolgsaussichten, im Hinblick auf Reduktion der Arrhythmielast, die oben im Detail dargestellten prozeduralen Risiken im Detail ge- genübergestellt werden, um dem Patienten die Möglich- keit zur informierten Entscheidung zu geben. Lackermair K, Estner HL. Katheterablation von Vorhofflimmern Kardiologie up2date 2020; 16: 19–37 31

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Punkte sammeln auf CME.thieme.de Diese Fortbildungseinheit ist in der Regel 12 Monate online für die Teilnahme verfügbar. Den genauen Einsendeschluss finden Sie unter https://cme.thieme.de. Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, finden Sie unter https://cme.thieme.de/hilfe eine ausführliche Anleitung. Wir wünschen viel Erfolg beim Beantworten der Fragen! Unter https://eref.thieme.de/CXBBPBK oder über den QR-Code kommen Sie direkt zur Startseite des Wissenstests. VNR 2760512020158724183 Frage 1 Frage 3 Welche Aussage zu paroxysmalem Vorhofflimmern ist richtig? A Das paroxysmale Vorhofflimmern ist typischerweise die Spät- manifestation nach vielen Jahren des Vorhofflimmerns. B Das paroxysmale Vorhofflimmern kann leicht mittels Lang- zeit-EKG diagnostiziert werden. C Die Indikation zur oralen Antikoagulation wird anhand des CHA2DS2-VASc-Scores gestellt. D Eine Lebensstiländerung hat vernachlässigbaren Einfluss auf die Symptomatik und das Rezidivrisiko von Vorhofflimmern. E Eine Behandlungsindikation besteht nur bei paroxysmalem Vorhofflimmern. Frage 2 Welche Aussage zum Thrombembolierisiko bei Vorhofflimmern oder Vorhofflattern ist richtig? A Im Gegensatz zu Vorhofflimmern geht Vorhofflattern nur mit einem marginalen Thrombembolierisiko einher und bedarf in der Regel keiner Antikoagulation. B Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern haben ein ge- ringeres Risiko als Patienten mit persistierendem Vorhofflim- mern. C Bei einem Patienten mit CHA2DS2-VASc 3 und hochsympto- matischem Vorhofflimmern, der sich nach einer Ablations- therapie „geheilt“ fühlt, kann die Thrombembolieprophyalxe abgesetzt werden, wenn kein Hinweis auf ein Rezidiv besteht. D Wenn eine Indikation zur Thrombembolieprophylaxe be- steht, dann dauerhaft (nicht nur während der Episoden). Welche Aussage zur Frequenzkontrolle bei Vorhofflimmern ist nicht richtig? A Eine Ruheherzfrequenz < 110 bpm (d. h. moderate Frequenz- kontrolle) sollte als initiale Zielherzfrequenz der frequenz- regulierenden Therapie erwogen werden. B Eine AV-Knoten-Ablation sollte zur Kontrolle der Herzfre- quenz bei Patienten, die auf eine intensive frequenz- und rhythmusregulierende Therapie nicht ansprechen oder diese nicht vertragen, erwogen und es in Kauf genommen werden, dass die Patienten schrittmacherabhängig werden. C Bei Patienten mit permanentem Vorhofflimmern (d. h. wenn kein Versuch zur Wiederherstellung des Sinusrhythmus ge- plant ist) können Antiarrhythmika routinemäßig zur Fre- quenzkontrolle eingesetzt werden. D Betablocker und/oder Digoxin werden bei Vorhofflimmerpa- tienten mit linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF) < 40% zur Regulierung der Herzfrequenz empfohlen. E Betablocker, Digoxin, Diltiazem und Verapamil werden bei Vorhofflimmerpatienten mit LVEF ≥ 40% zur Regulierung der Herzfrequenz empfohlen. Frage 4 Welche Aussage zur rhythmuserhaltenden Therapie ist richtig? A Bei jedem Patienten sollte der Erhalt des Sinusrhythmus ers- tes Ziel sein. B Gewichtsabnahme fördert den Erhalt des Sinusrhythmus. C Blutdruckeinstellung ist nebensächlich, da während tachykar- E ASS ist effektiv zur Thrombembolieprophylaxe. der Phasen der Blutdruck ohnehin niedriger sein dürfte. D Bei herzinsuffizienten Patienten mit Vorhofflimmern ist der Erhalt des Sinusrhythmus einfach, da der Betablocker auch hierfür wirksam ist. E Eine Katheterablation ist bei allen Patienten zielführend, um Hospitalisierung und Letalität zu reduzieren. ▶ Weitere Fragen auf der folgenden Seite … Lackermair K, Estner HL. Katheterablation von Vorhofflimmern Kardiologie up2date 2020; 16: 19–37 35

Punkte sammeln auf CME.thieme.de Fortsetzung… Frage 9 Frage 10 Welche Aussage zur Prozedur der PVI ist nicht richtig? A Bei paroxysmalem Vorhofflimmern ist die PVI Grundpfeiler Welche Aussage zur Substratablation ist nicht richtig? A Fibrose kann sogar bei Patienten mit paroxysmalem Vorhof- der Katheterablation von Vorhofflimmern. flimmern vorkommen. B Komplikationsraten der Katheterablation betragen etwa 5%, auch Todesfälle können auftreten. C RF‑One-Shot-Devices haben sich im Alltag mittlerweile durchgesetzt, da deren Effektivität multizentrisch untersucht worden ist. B Fibrose kann mittels MRT visualisiert werden. C Die Ablation komplexer fraktionierter atrialer Elektrogramme ist von Vorteil bei der initialen Ablation von persistierendem Vorhofflimmern. D Rotoren können nur mit einer speziellen Software und spe- D Die Phrenikusparese ist eine klassische Komplikation bei der ziellen „Basket“-Kathetern visualisiert werden. Kryoablation. E Auch bei einer weit zirkumferenziellen PVI wird ein gewisses E Radiofrequenz- und Kryoablation sind etwa gleich effektiv in Substrat erfasst und abladiert. der Behandlung von Vorhofflimmern. Lackermair K, Estner HL. Katheterablation von Vorhofflimmern Kardiologie up2date 2020; 16: 19–37 37

Herzkatheter Step-by-Step Sie möchten sich in das Thema Herzkatheter einarbeiten? Sie suchen ein systematisches Nachschlagewerk? Dieses Buch zeigt Schritt- für-Schritt, wie Sie bei allen wichtigen Interventionen praktisch vorgehen. Konkrete Anleitungen am Kathetertisch: • Indikation und Durchführung invasiver kardiologischer Prozeduren • diagnostische und therapeutische Interventionen • Integration aktueller Behandlungskonzepte • Hybridverfahren im Heart-Team Plus 120 Erklärvideos als Standbilder im Buch, direkt über QR Code abrufbar und weitere 430 Videos ebenfalls online verfügbar Das Herzkatheterbuch Lapp 2019. 5., vollst. überarb. u. erw. Aufl. 480 S., 600 Abb., geb. ISBN 978 3 13 241481 5 179,99 € [D] N E U Buch plus Online-Version in der eRef www.thieme.de/shop . ff u a H . A . r D : n e t s o k d n a s r e V n e d n e l l i a f n a e d n e d r e w ] D l [ b a h r e ß u a n e g n u r e f e i L i e B . n e t l a h e b r o v r e m ü t r r I d n u n e g n u r e d n ä s i e r P G h p , 9 9 4 3 A R H , t r a g t t u t S r e t s i g e r s l e d n a H d n u - z t i S , G K g a l r e V e m e h T g r o e G i . t e n h c e r e b r e t i e w

Kardiologie up2date 1 · 2020 Herzklappenerkrankungen 3 Pulmonalklappeninsuffizienz bei EmaH – interventionelle Therapie Peter Ewert VNR: 2760512020158724191 DOI: 10.1055/a-0674-8350 Kardiologie up2date 2020; 16 (1): 43–54 ISSN 1611-6534 © 2020 Georg Thieme Verlag KG

CME-Fortbildung Pulmonalklappeninsuffizienz bei EmaH – interventionelle Therapie Peter Ewert Heute erreichen mehr als 95% der Kinder mit angeborenen Herzfehlern das Erwach- senenalter. Eine Pulmonalklappeninsuffizienz kann dabei ein führender Residual- defekt mit erheblichen Auswirkungen auf die Langzeitprognose sein. Daher ist es essenziell, eine Pulmonalklappeninsuffizienz zu diagnostizieren, ihren Schweregrad zu beurteilen und über die unterschiedlichen Therapieverfahren informiert zu sein. Einleitung Die Pulmonalklappeninsuffizienz spielt in der Kardiologie eher eine untergeordnete Rolle. Meist handelt es sich um ein sekundäres Phänomen bei einem Anstieg des pulmo- nalarteriellen Drucks aufgrund einer Linksherzinsuffizienz oder einer primären pulmonalen Hypertonie. Dies ist bei Patienten mit angeborenen Herzfehlern ganz anders. Da sich die moderne Kinderherzchirurgie in den 1970er Jahren flächendeckend durchsetzte, erreichen heute mehr als 95% der Kinder mit angeborenen Herzfehlern das Erwachsenenalter [1]. Die Zahl der Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern (EmaH) nimmt daher immer noch stetig zu (▶ Abb. 1). Diese Zahlen werden sich – je nach geschätzter mittlerer Lebenserwartung – nicht vor 2035 stabilisieren. Aber selbst wenn man die Zahl der heute lebenden Patienten mit angeborenen Herzfehlern in Deutschland auf 300 000 schätzt und jährlich maximal 6000 Kinder mit angebore- nen Herzfehlern geboren werden, so kommen in den nächsten 15 Jahren keine 100 000 Patienten dazu. Im Ver- gleich zu den erworbenen Herzerkrankungen mit vielen Erwachsene mit AHF 18-Jährige mit AHF (80% der Kinder mit AHF) Kinder mit AHF (90% der Lebendgeborenen mit AHF) Lebendgeborene mit AHF (0,8% aller Lebendgeburten) n e t n e i t a P 400000 350000 300000 250000 200000 150000 100000 50000 0 1970– 1974 1975– 1979 1980– 1984 1985– 1989 1990– 1994 1995– 1999 2000– 2004 2005– 2009 2010– 2014 2015– 2019 2020– 2024 2025– 2029 Jahre ▶ Abb. 1 Die Entwicklung der Patientenzahlen mit angeborenen Herzfehlern (AHF) in Deutschland, Daten nach Schätzung des Kompetenznetz Angeborene Herzfehler. Ewert P. Pulmonalklappeninsuffizienz bei EmaH … Kardiologie up2date 2020; 16: 43–54 43

Wegen dieser zeitlich begrenzten Prothesenfunktion von z. B. 7–10 Jahren kommt im Lauf des Lebens eine erhebli- che Zahl an erneuten Eingriffen auf die jungen Patienten zu. Entsprechend der oben formulierten übergeordneten Behandlungsstrategie für EmaH ist es daher die Heraus- forderung für das behandelnde EmaH-Zentrum, die Indi- kation für einen erneuten Eingriff so zu stellen, dass die Klappe einerseits rechtzeitig gewechselt wird, um eine gute Herzfunktion zu bewahren, und andererseits die Zahl der voraussichtlichen weiteren Operationen so ge- ring wie möglich ausfällt (optimale „Procedure-Life-Bal- ance“). Schon heute sind wiederholte operative Eingriffe bei EmaH trotz einer vermeintlich „einfachen“ Prozedur wie einem Klappenwechsel langwierige, hochkomplexe Eingriffe mit einem erheblichen Komplikationsrisiko [5]. Pathophysiologie Eine gute Pulmonalklappenfunktion ist für die körperliche Leistungsfähigkeit wichtig [6, 7]. Bei EmaH ist sie Voraus- setzung für einen langfristig suffizient arbeitenden rech- ten Ventrikel. Während eine relevante Pulmonalklappenstenose das maximale Herzzeitvolumen und damit die körperliche Leistungsfähigkeit unmittelbar einschränkt, sind die pa- thophysiologischen Auswirkungen einer Pulmonalklap- peninsuffizienz anders: Unter körperlicher Belastung führt die ansteigende Herzfrequenz zu einer Verkürzung der Diastole und damit zu einer Verringerung des Regur- gitationsvolumens, d. h. unter Belastung kann das effekti- ve Schlagvolumen durchaus wirksam gesteigert werden. Die körperliche Belastbarkeit allein ist daher kein guter In- dikator für einen erneuten Eingriff [7 – 9]. Die Regurgitation über die Pulmonalklappe führt zu einer chronischen Volumenbelastung des rechten Ventrikels und damit zu einer Dilatation und schließlich auch zu einer Einschränkung der Ejektionsfraktion. Beides macht den Ventrikel vulnerabel für ventrikuläre Tachyarrhyth- mien, Kammerflattern und Kammerflimmern [10, 11]. Die meisten EmaH haben zudem am rechtsventrikulären Ausflusstrakt Narben nach vorherigen Operationen, so- dass hier ein zusätzliches Risiko für maligne Rhythmus- störungen besteht. Sie haben unmittelbaren Einfluss auf die Überlebensrate der Patienten [12]. Merke Die Indikationen für einen Klappeneingriff bei Pul- monalklappeninsuffizienz leiten sich daher von die- sen Parametern ab: Als besonders wichtig werden die Größe und die Funktion des rechten Ventrikels er- achtet [13]. Neu auftretende ventrikuläre Rhythmusstörungen sollten dabei auch als Hinweis auf eine progrediente Rechtsherz- belastung gewertet und nicht allein als Symptom sui ge- neris behandelt werden. Pulmonal- klappe Pulmonalklappe + transanulärer Patch a b ▶ Abb. 2 Transanuläre Patch-Erweiterung des Pulmonalklappenrings. Quelle: Kleideiter U, Dalla Pozza R, Haas N. Fallot-Tetralogie. In: Kleideiter U, Dalla Pozza R, Haas N, Hrsg. Pädiatrische Echokardiografie. 1. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2018. doi:10.1055/b-006-149618 Bei einer Fallot-Tetralogie ist die Pulmonalklappe, wie hier dargestellt, oft bikuspide angelegt. a Für die Erweiterung wird der Klappenring inzidiert und mit einem Patch erweitert. Durch das Auseinanderweichen der Klap- pensegel resultiert eine Insuffizienz. b Der Patch reicht vom rechtsven- trikulären Ausflusstrakt über den Klappenring bis zur Pulmonalarterien- bifurkation. Quelle: Haas NA, Kleideiter U. Kinderkardiologie. Klinik und Praxis der Herzerkrankungen bei Kindern, Jugendlichen und jungen Er- wachsenen. Stuttgart: Thieme; 2018; Abb. 15.46. Diagnostik Echokardiografie Echokardiografisch gelingt allenfalls eine semiquantita- tive Einschätzung der Insuffizienz. Biologische klappen- tragende Conduits sind z. T. schwer einsehbar, insbeson- dere wenn sie verkalkt sind oder direkt hinter dem Ster- num liegen. Eine verlässliche Volumetrie des rechten Ventrikels ist ebenfalls schwierig. Als indirekter Hinweis bei bereits erheblich dilatierten oder auch druckbelaste- ten Ventrikeln kann eine Zunahme einer Trikuspidalklap- peninsuffizienz gewertet werden. MRT Sie ist die Methode der Wahl und bietet den Goldstan- dard zur Beurteilung von Funktion und Größe des rechten Ventrikels sowie zur Bestimmung der Regurgitationsfrak- tion [14, 15]. Die MRT sollte je nach Befund in einem Ab- stand von einem bis mehreren Jahren am besten in einem Zentrum, das viele EmaH mit komplexen Vitien betreut, durchgeführt werden. Rhythmusdiagnostik Regelmäßige Langzeit-EKG-Kontrollen in jährlichem bis mehrjährlichem Abstand gehören zur Betreuung bei allen Patienten mit Operationen am rechtsventrikulären Aus- flusstrakt zum festen Repertoire. Bei ventrikulären Tachy- kardien ist vor einer Indikation zur Defibrillatorimplanta- Ewert P. Pulmonalklappeninsuffizienz bei EmaH … Kardiologie up2date 2020; 16: 43–54 45

▶ Abb. 4 Die Melody-Klappe (Medtronic) ist die erste ka- thetergestützte Herzklappe, die klinische Bedeutung er- langte (Erstimplantation im Jahr 2000). Quelle: Medtronic GmbH. ▶ Abb. 5 Die Sapien Pulmonic Klappe (Edwards) ist bau- gleich mit der abgebildeten Edwards SAPIEN XT™ Trans- katheter Herzklappe und wird auch auf demselben Ein- führsystem implantiert. Quelle: Abbildung mit freundli- cher Genehmigung der Edwards Lifesciences Corporation. Sie ist identisch mit der Edwards Sapien XT für die Aor- tenposition und wird auf dem Retroflex-3-Einführsystem implantiert. Die Zulassung des Nachfolgemodells Sapien 3 für die Pulmonalposition steht kurz bevor. Die Sapien- Klappen gibt es in 23 mm, 26 mm und 29 mm Außen- durchmesser, sie sollten idealerweise auch in diesen Nenndurchmessern implantiert werden, um die ein- wandfreie Funktion zu gewährleisten. Die Edwards Sapien Pulmonic THV benötigt Einführschleusen mit größerem Außendurchmesser. Ein besonderes, elastisches Einführ- system (E-Sheath, Edwards Lifescience), bei dem nur bei der Passage der Klappe durch die V. femoralis und die V. iliaca externa kurzzeitig der volle erforderliche Durch- messer von bis zu 28 F zum Tragen kommt, soll das effek- tive Trauma reduzieren. Implantationstechnik Bei einer reinen Pulmonalklappeninsuffizienz liegt meist ein sog. „nativer Ausflusstrakt“ vor, d. h. bei der Korrek- turoperation des Vitiums wurde der native Klappenring mittels eines transanulären Patches erweitert. Durch die zwangsläufige Regurgitation dilatiert der verbleibende Ring. Merke Die Herausforderung bei der Klappenimplantation ist es daher, in einen weiten elastischen Ausflusstrakt eine ballonexpandierbare Klappe zu verankern [18]. Die dazu notwendigen Schritte sind im Einzelnen: Screening Anhand von MRT- oder CT-Aufnahmen wird die Morpho- logie des Ausflusstrakts abgeschätzt. Der Durchmesser an seiner engsten Stelle darf einen Wert von 30 mm nicht übersteigen, da mit den heute verfügbaren Klappen ein maximaler Außendurchmesser bis 31 mm erreicht wird und die Klappe nur über die Klemmwirkung, die durch ein gewisses Überdehnen des Gefäßes entsteht, sicher verankert wird. Bei Patienten mit besonders hohem Ope- rationsrisiko kann bei sehr weitem Ausflusstrakt auch mittels Verankerung eines langen Pre-Stents in der linken oder rechten Pulmonalarterie eine Landungszone für eine Transkatheterklappe im Ausflusstrakt geschaffen werden (▶ Abb. 6). Herzkatheter Über einen venösen Zugang in der Leiste wird eine rechtsventrikuläre Angiografie durchgeführt. Sie dient als Orientierung der nachfolgenden Schritte. Um die Elas- tizität des Ausflusstrakts zu testen, führt man einen gro- ßen Dilatationsballon mit dünner Hülle ein und füllt ihn mit wenig Druck. Gleichzeitig werden eine rechtsventri- kuläre Angiografie und eine Koronarangiografie angefer- tigt. Im Idealfall blockiert der Ballon den Kontrastmittel- fluss in die Pulmonalarterien und zeigt dabei leichte Ein- kerbungen im Verlauf des Ausflusstrakts, die dann als Zielregion für die Klappenimplantation herangezogen werden können. Die simultane Koronarangiografie muss ausreichend Abstand des inflatierten Ballons zu den Ko- ronararterien dokumentieren, um eine mögliche Koro- narkompression durch die Klappenimplantation sicher auszuschließen (▶ Abb. 7). Ewert P. Pulmonalklappeninsuffizienz bei EmaH … Kardiologie up2date 2020; 16: 43–54 47

Ergebnisse Eine der wichtigsten Studien zum Langzeitverlauf der Ka- theterklappen in Pulmonalposition ist die Munich Com- parative Study [16]. In ihr wurden 211 Patienten nach operativem und 241 Patienten nach katheterinterventio- nellem Klappenersatz prospektiv nachverfolgt. Dabei war die Funktion der Klappen gut, unabhängig davon, ob sie operativ oder per Katheter eingesetzt wurden (▶ Abb. 3). Wird die Klappeninsuffizienz rechtzeitig behandelt, kann das rechtsventrikuläre Volumen wieder abnehmen und die Leistungsfähigkeit steigen [18]. Allerdings ist dieser Effekt in vielen Fällen relativ gering, sodass die Frage of- fenbleibt, ob die Behandlung einer Pulmonalklappen- insuffizienz noch früher als bisher beginnen sollte, wenn dies per Katheter minimalinvasiv möglich ist. Auch der Umstand, dass der interventionelle Klappenersatz nur bis zu einem bestimmten Durchmesser des rechtsventri- kulären Ausflusstrakts technisch durchführbar ist, könnte ein Argument dafür sein, im Sinne der „Procedure-Life- Balance“ die Intervention früher durchzuführen, um eine Operation zu vermeiden. Da nach einer erfolgreichen Klappenintervention eine weitere Implantation einer „valve-in-valve“ in der Regel nichts im Wege steht, sobald die erste Klappe degeneriert ist, spricht auch dies für eine rechtzeitige Intervention. Bezüglich der Haltbarkeit der Klappe haben in unserer ei- genen großen prospektiven Kohorte noch 87% der Pa- tienten 10 Jahre nach Implantation eine funktionsfähige Klappe [16]. Dabei hat sich gezeigt, dass die Prognose für die Katheterklappe davon abhängt, dass sie ohne Restgradient implantiert wird, was bei Patienten mit Pul- monalklappeninsuffizienz in der Regel der Fall ist [16]. Ein weiterer Faktor ist die Endokarditis. Nachdem Berichte aus Frankreich über ein besonders hohes Endokarditisrisi- ko bei allerdings kleinen Fallzahlen zunächst beunruhig- ten [21, 22], konnte dies aber an größeren Studien mit kontrollierten Einschluss- und Nachuntersuchungsbedin- gungen relativiert werden [19, 20]. In der Munich Com- parative Study liegt das Endokarditisrisiko nach Operation bei 0,9% und nach Intervention bei 1,6% (p = 0,08). Auf das Outcome im Langzeitverlauf hat dieser geringe Un- terschied keinen Einfluss (▶ Abb. 3). Ausblick Der interventionelle Pulmonalklappenersatz ist ein Mei- lenstein in der Behandlung von Erwachsenen mit angebo- renem Herzfehler. Er verringert die Zahl der erneuten Operationen im Lauf des Lebens für Patienten mit Fallot- Tetralogie, Pulmonalatresie, Truncus arteriosus und an- deren Vitien erheblich. FAL L B E I S P I E L Um sich ein Bild von der kardialen Funktion zu ma- chen, führen Sie eine Echokardiografie durch. Sie fin- den einen linken Ventrikel mit paradoxer Septumbe- weglichkeit bei ansonsten guter Funktion. Der rechte Ventrikel ist deutlich vergrößert und von befriedigen- der Kontraktilität. Die Trikuspidalklappe ist gering bis mittelgradig insuffizient, es lässt sich ein Gradient von 25–30 mmHg dopplern. Der rechtsventrikuläre Aus- flusstrakt ist schwer einsehbar, nachzuweisen ist aber ein deutlicher systolisch-diastolischer Pendelfluss. Ein Langzeit-EKG ist unauffällig, in der Spiroergo- metrie erreicht die Patientin eine Leistung von 90% der Norm. Sie veranlassen eine MRT-Untersuchung: Das Regur- gitationsvolumen über der Pulmonalklappe beträgt 40%, das rechtsventrikuläre enddiastolische Volumen liegt bei 160 ml/m2 Körperoberfläche, die EF des rechten Ventrikels ist leicht erniedrigt. In der Gesamtschau der Befunde raten Sie der Patien- tin trotz des subjektiven Wohlbefindens zum kathe- terinterventionellen Pulmonalklappenersatz. Der rechte Ventrikel ist deutlich dilatiert und in seiner Funktion eingeschränkt; der QRS-Komplex ist mit 180 ms grenzwertig breit. Diese Entwicklung gilt es bei der jungen Patientin zu stoppen. Insbesondere vor geplanter Schwangerschaft sollte die pathologische Volumenbelastung des rechten Ventrikels aufgrund der fehlenden Klappe behandelt werden. Die Tri- kuspidalklappeninsuffizienz hat bei erfolgreicher Klappenimplantation eine gute Prognose [23]. Die Schwangerschaft sollte kardiologisch begleitet werden, hat aber gute Aussicht auf einen kardial un- komplizierten Verlauf. Einer vaginalen Entbindung steht aus kardiologischer Sicht nichts im Wege. Um noch mehr Patienten mit nativem Ausflusstrakt katheterinterventionell behandeln zu können, werden neue, selbstexpandierende Klappen entwickelt, die bisher noch keine CE-Zertifizierung haben (▶ Tab. 1) [24]. Daneben beschäftigen sich einige Arbeitsgruppen mit der Entwicklung von Katheterklappen, die von auto- logem Gewebe durchdrungen werden, um dann wie eine autologe Klappe nicht mehr zu degenerieren. Abgerun- det wird die Idee von Bestrebungen, den Trägerstent der Klappe aus resorbierbarem Material anzufertigen, damit die Klappe auch im Kindesalter implantiert werden kann und nach Resorption des Stents im Rahmen der hämody- namischen Erfordernisse während des Körperwachstums ungehindert mitwachsen kann [25, 26]. Ewert P. Pulmonalklappeninsuffizienz bei EmaH … Kardiologie up2date 2020; 16: 43–54 49

Interessenkonflikt Korrespondenzadresse Erklärung zu finanziellen Interessen Forschungsförderung erhalten: ja, von einer anderen Institu- tion (Pharma- oder Medizintechnikfirma usw.); Honorar/geld- werten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: ja, von einer anderen Institution (Pharma- oder Medizintechnikfirma usw.); Bezahlter Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfän- ger: ja, von einer anderen Institution (Pharma- oder Medizin- technikfirma usw.); Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/ Partner, Ehepartner, Kinder) an im Bereich der Medizin aktiven Firma: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an zu Sponsoren dieser Fortbildung bzw. durch die Fortbildung in ihren Geschäftsinteressen berührten Firma: nein. Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen Mitgliedschaften P. Ewert: Deutsche Gesellschaft für Pädia- trische Kardiologie, Deutsche Gesellschaft für Kardiologie, European Society of Cardiology, Association for European Paediatric and Congenital Cardiology. Autorinnen/Autoren Peter Ewert Prof. Dr. med. 1983–1989 Medizinstudium in Freiburg und Göttingen. 1990–1993 Assistenz- arzt an der Klinik für Pädiatrie an der Medizini- schen Hochschule Lübeck. 1992 Promotion in Göttingen. 1994 Wechsel an das Deutsche Herzzentrum Berlin in die Klinik für Angeborene Herzfehler/Kinderkardiologie. 1996 Facharzt für Kinderheil- kunde und Schwerpunktbezeichnung Kinderkardiologie, 2001 Schwerpunktbezeichnung Pädiatrische Intensivmedizin. 2003 Habilitation. 2009 Zusatzbezeichnung für Erwachsene mit an- geborenen Herzfehlern („EMAH-Kardiologe“). 2000 Oberarzt, 2002 Leiter des Herzkatheterlabors, 2008 Stellvertretender Direktor der Klinik für angeborene Herzfehler/Kinderkardiolo- gie am Deutschen Herzzentrum Berlin. Seit Oktober 2012 Ärztlicher Direktor der Klinik für Angeborene Herzfehler/Kin- derkardiologie am Deutschen Herzzentrum München. Andreas Eicken Prof. Dr. med. 1977–1984 Medizinstudium in Münster und Lübeck. 1984–1988 Assistenzarzt am Kinderkrankenhaus an der Lachnerstraße, München. 1988–1997 Assistenzarzt in der Klinik für Angeborene Herzfehler/Kinderkardio- logie am Deutschen Herzzentrum München. 1990 Facharzt für Pädiatrie und Promotion. 1997 Oberarzt in der Kinderkardiologie an der Universitätsklinik Innsbruck und Schwerpunktbezeichnung Pädiatrische Kardiologie. Seit 1998 Oberarzt in der Klinik für Angeborene Herzfehler/Kinderkar- diologie am Deutschen Herzzentrum München. Seit 1999 Stellvertretender Direktor der Klinik für Angeborene Herzfeh- ler/Kinderkardiologie am Deutschen Herzzentrum München. 2007 Habilitation. Seit 2008 Leiter des Herzkatheterlabors in der Klinik für Angeborene Herzfehler/Kinderkardiologie am Deutschen Herzzentrum München. Zusatzbezeichnung für Er- wachsene mit Angeborenen Herzfehler („EMAH-Kardiologe“). Prof. Dr. med. Peter Ewert Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler Deutsches Herzzentrum München Lazarettstr. 36 80636 München ewert@dhm.mhn.de Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungs- bestimmungen für diesen Beitrag ist Prof. Dr. med. Peter Ewert, München. Literatur [1] Deutsche Herztifung e.V. Deutscher Herzbericht 2018. Frank- furt: Deutsche Herzstiftung e.V.; 2019 [2] [3] [4] [5] [6] Therrien J, Siu SC, McLaughlin PR et al. Pulmonary valve re- placement in adults late after repair of tetralogy of fallot: are we operating too late? J Am Coll Cardiol 2000; 36: 1670–1675 Singh GK, Greenberg SB, Yap YS et al. Right ventricular func- tion and exercise performance late after primary repair of te- tralogy of Fallot with the transannular patch in infancy. Am J Cardiol 1998; 81: 1378–1382 Fathallah M, Krasuski RA. 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Punkte sammeln auf CME.thieme.de Diese Fortbildungseinheit ist in der Regel 12 Monate online für die Teilnahme verfügbar. Den genauen Einsendeschluss finden Sie unter https://cme.thieme.de. Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, finden Sie unter https://cme.thieme.de/hilfe eine ausführliche Anleitung. Wir wünschen viel Erfolg beim Beantworten der Fragen! Unter https://eref.thieme.de/CXBBQQZ oder über den QR-Code kommen Sie direkt zur Startseite des Wissenstests. VNR 2760512020158724191 Frage 1 Frage 4 Welche der folgenden Aussagen ist nicht richtig? Eine Pulmonal- klappeninsuffizienz … A verläuft auch bei erheblichem Regurgitationsvolumen häufig klinisch stumm. B führt zu einer Dilatation des rechten Ventrikels. C ist in ihrer hämodynamischen Bedeutung am besten mittels MRT zu beurteilen. Welche der folgenden Aussagen ist richtig? A Analog zur TAVI wird der kathetergestützte Pulmonalklap- penersatz meist im höheren Lebensalter durchgeführt. B Der kathetergestützte Pulmonalklappenersatz ist bereits im Säuglingsalter möglich. C Der kathetergestützte Pulmonalklappenersatz ist vom Klein- kind- bis ins hohe Erwachsenenalter möglich. D spielt insbesondere im jungen Erwachsenenalter prognos- D Der kathetergestützte Pulmonalklappenersatz sollte jenseits tisch eine untergeordnete Rolle. des 70. Lebensjahres nicht mehr durchgeführt werden. E kann sowohl operativ als auch katheterinterventionell behan- E Der kathetergestützte Pulmonalklappenersatz sollte bevor- delt werden. Frage 2 zugt in der 3. Lebensdekade durchgeführt werden. Frage 5 Welche der folgenden Aussagen ist richtig? Eine Indikation zur Behandlung einer Pulmonalklappeninsuffizienz … A kann am besten mittels der Echokardiografie gestellt wer- den. B sollte bei einer Vergrößerung des rechten Ventrikels gestellt werden. C liegt vor, wenn das Regurgitationsvolumen mindestens 50% beträgt. Welche der folgenden Aussagen ist nicht richtig? Im Vergleich zur Operation ist der kathetergestützte Pulmonalklappen- ersatz … A ohne Herz-Lungen-Maschine möglich. B ohne maschinelle Beatmung möglich. C ohne Thorakotomie möglich. D ohne intensivmedizinische Nachsorge möglich. E ohne Ballondilatation möglich. D liegt bei Patienten mit angeborenen Herzfehlern in der Regel erst jenseits des 40. Lebensjahres vor. Frage 6 E kann auch vom Auftreten von klinischen Symptomen, Herz- rhythmusstörungen, der Breite des QRS-Komplexes oder der Schwere einer Trikuspidalklappeninsuffizienz abhängen. Welche der folgenden Aussagen zur Implantation katheter- gestützter Pulmonalklappen ist nicht richtig? A Der Durchmesser der Landungszone sollte 30 mm nicht über- Frage 3 Bei Patienten mit in der Kindheit erfolgreich operiertem angebo- renem Herzfehler muss an eine prognostisch bedeutsame Pul- monalklappeninsuffizienz gedacht werden. Für welchen Herz- fehler bzw. welche Operation trifft dies in der Regel nicht zu? A Ross-Operation B Truncus arteriosus communis C Fallot-Tetralogie D Vorhofseptumdefekt E Pulmonalatresie mit VSD steigen. B Bei sehr weiten und elastischen Ausflusstrakten kann ein zweizeitiges Vorgehen sinnvoll sein. C Paravalvuläre Lecks sind ein häufiger Grund für hämodyna- misch unbefriedigende Ergebnisse. D Bei verkalkten Conduits kann es bei Dilatation mit sehr ho- hem Druck zur Ruptur kommen. E Bei der Implantation muss ein besonderes Augenmerk auf die Koronararterien gelegt werden. ▶ Weitere Fragen auf der folgenden Seite … Ewert P. Pulmonalklappeninsuffizienz bei EmaH … Kardiologie up2date 2020; 16: 43–54 53

k c o t S e b o d A – s d r a w y h © n e t s o k d n a s r e V n e d n e l l i a f n a e d n e d r e w ] D l [ b a h r e ß u a n e g n u r e f e i L i . ff u a H . A . c . h . r D : G h p , 9 9 4 3 A R H , t r a g t t u t S r e t s i g e r s l e d n a H d n u - z t i S , e B . n e t l a h e b r o v r e m ü t r r I d n u n e g n u r e d n ä s i e r P G K g a l r e V e m e h T g r o e G i . t e n h c e r e b r e t i e w Über 120 Diagnosen der Herzbildgebung – folgen Sie den Diagnosepfaden Über 1200 brillante Bilder Das Buch führt Sie schnell und sicher zu über 120 Diagnosen der Herzbildgebung sowie der großen Gefäße. Der Zugang zur Diagnose via Differenzialdiagnosebaum ist auf zweifache Weise möglich: über die Anatomie oder über den Befund. Jede Diagnose ist mit den Hauptmodalitäten bebildert und folgt einem klaren Schema: Kernaussagen, Definition, Pathophysiologie, Ätiologie, Demografie, Klinik, Therapie, Prognose, Bildgebung und Differenzialdiagnose. Besonders hilfreich in der Online-Version: Klickpfade zum Befund und 60 Videos. Folgen Sie den Diagnosepfaden! Radiologische Differenzialdiagnostik Herz und große Gefäße Nikolaou et al. 2018. 704 S., 1260 Abb., geb. ISBN 978 3 13 205151 5 249,99 € [D] Buch plus Online-Version in der eRef www.thieme.de/shop

Kardiologie up2date 1 · 2020 Aorten- und Gefäßerkrankungen 6 Die bikuspide Aortenklappe Stefanos Sakellaropoulos Thomas Baumgartner Andreas Mitsis Xun Yuan Christoph A. Nienaber VNR: 2760512020158721759 DOI: 10.1055/a-0994-0032 Kardiologie up2date 2020; 16 (1): 59–71 ISSN 1611-6534 © 2020 Georg Thieme Verlag KG

CME-Fortbildung Die bikuspide Aortenklappe Stefanos Sakellaropoulos, Thomas Baumgartner, Andreas Mitsis, Xun Yuan, Christoph A. Nienaber Die bikuspide Aortenklappe ist der häufigste kongenitale Herzfehler und gleichzeitig die häufigste angeborene Fehlbildung der Aortenklappe bei Erwachsenen. In dieser Übersichtsarbeit werden die verschiedenen Aspekte der bikuspiden Aortenklappe einschließlich ihrer Komplikationen unter klinischen Gesichtspunkten dargestellt. DEFINITION ACC ACTA2 AHA BAK CT GLS LV LVEF MRT TAK American College of Cardiology „anabolic catabolic transforming agent 2“ American Heart Association bikuspide Aortenklappe Computertomografie Global Longitudinal Strain linker Ventrikel, linksventrikulär linksventrikuläre Ejektionsfraktion Magnetresonanztomografie trikuspide Aortenklappe Einleitung Die Aortenklappe ist als sog. Taschenklappe am Ende des Ausflusstraktes des linken Herzens lokalisiert. Sie hat 3 taschenförmige Segel mit Kommissuren zwischen jeweils 2 benachbarten Klappentaschen. Sie ist auch der Bereich, in dem der obere Teil der Segel an der Aortenwand befes- tigt ist. Oberhalb der Aortenklappe buchtet sich die Aor- tenwand zu den Sinus Valsalvae aus. Daraus entstammen die Herzkranzgefäße und führen zur Namensgebung: Aus dem Sinus des rechten Segels entspringt das rechte Herz- kranzgefäß, aus demjenigen des linken Segels das linke Herzkranzgefäß. Das dritte Segel ist das nichtkoronare oder akoronare Segel. Eine Ausnahme bildet die bikuspide Aortenklappe (BAK). Paget erkannte bereits 1844, dass die bikuspide Aorten- klappe als pathologische Kuriosität zu Komplikationen führen kann. Unterschieden werden die bikuspide Klap- pe, die sich durch die Anlage von nur 2 Klappensegeln und 2 Sinus auszeichnet, und die häufigere „bikuspidali- sierte“ Klappe, bei der rein anatomisch jeweils 3 Sinus und Klappentaschen angelegt, davon 2 jedoch ver- schmolzen sind: ▪ Bei der bikuspiden Aortenklappe mit 2 Sinus Valsalvae bestehen 2 Segel, die entweder anterior–posterior mit von links nach rechts verlaufender Kommissur oder la- teral zueinander mit von vorn nach hinten verlaufen- der Kommissur orientiert sind. Hierbei handelt es sich um eine wahre bikuspide Aortenklappe (Typ 0 in ▶ Abb. 1). ▪ Weitaus häufiger sind bikuspide Aortenklappen mit 3 Sinus Valsalvae. Hier ist ein Segel größer als das zweite und weist eine zentrale Verdickung auf (Raphe). Diese Klappen entstehen durch die prä- oder postnatale Fu- sion zweier Segel einer primär trikuspiden Klappe bzw. mit 3 angelegten Sinus. Dadurch ergibt sich eine sog. funktionelle bikuspide Aortenklappe. Bei postnatal fu- sionierten Segeln handelt es sich um eine erworbene bikuspide Aortenklappe. Die Raphe mit ungleichen Segeln findet sich in unterschiedlicher Ausrichtung, abhängig davon, welche Segelanteile unifiziert sind, mit hier häufiger Fusion von rechts- und linkskorona- rem Segel (Typen 1 und 2 in ▶ Abb. 1). Prävalenz Die bikuspide Aortenklappe ist der häufigste kongenitale Herzfehler mit einer Inzidenz von 0,5 bis 2% und gleich- zeitig die häufigste angeborene Fehlbildung der Aorten- klappe bei Erwachsenen. Sie tritt bei Männern bis zu vier- mal häufiger auf als bei Frauen. Die Häufigkeit aller ande- ren angeborenen Herzerkrankungen beträgt zusammen ca. 0,8% [1]. Merke Nur der L/R-Fusionstyp ist mit einer Aortenisthmus- stenose vergesellschaftet. Sakellaropoulos S et al. Die bikuspide Aortenklappe Kardiologie up2date 2020; 16: 59–71 59

Obwohl weitere Studien erforderlich sind, um die Grund- lage für ein genetisches Screening zu etablieren, zeigten bisherige klinische Studien eine über 9%ige Prävalenz von bikuspiden Aortenklappen bei Verwandten ersten Grades von BAK-Patienten. Basierend auf diesen Daten und Ex- pertenmeinungen wird nach den aktuellen Leitlinien des American College of Cardiology (ACC) bzw. der American Heart Association (AHA) ein echokardiografisches Scree- ning auf BAK bei Verwandten ersten Grades von Patien- ten mit BAK empfohlen [4]. Merke Ein echokardiografisches Screening der erstgradig Verwandten sollte erwogen werden. Diagnostik Zu den auskultatorischen Befunden gehört ein Herz- geräusch, entweder ein damit verbundenes Systolikum der Aortenklappenstenose oder ein Diastolikum der Aor- tenklappeninsuffizienz. Zusätzlich kann eine Koarktation der Aorta vorhanden sein. Eine transthorakale Echokar- diografie (TTE) kann aufgrund der Sensitivität von 92% und der Spezifität von 96% in der Regel die Diagnose be- stätigen. Bislang ist eine – im Rahmen der präoperativen Beurtei- lung besonders wichtigen – Differenzierung zwischen einer schweren bikuspiden und einer unikuspiden Aor- tenklappe schwierig. Während der Diastole kann die Ra- phe der Klappe visuell die Klappe als trikuspid erscheinen lassen. In der Diastole hat die Öffnung eine charakteristi- sche „Fisch“-Morphologie. Bleibt die Diagnose unsicher, sollte eine transösophageale Echokardiografie (TEE) durchgeführt werden. Echokardiografie und Global Longitudinal Strain Die LVEF ist ein wichtiger echokardiografischer Prognose- marker bei Patienten mit Herzklappenerkrankungen und eine wichtige Determinante in der klinischen Entschei- dungsfindung bei diesen Patienten. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne BAK berichteten Kurt et al., dass der linksventrikuläre GLS bei 33 BAK-Patienten trotz norma- ler LVEF signifikant schlechter war, was auf eine subkli- nische systolische linksventrikuläre Dysfunktion bei BAK hindeutet. Zhang et al. [5] berichteten bei 32 BAK-Patien- ten mit verschiedenen Schweregraden von Klappenfunk- tionsstörungen, dass die globale Funktion bei Aorten- klappeninsuffizienz stärker beeinträchtigt war als bei Pa- tienten mit normaler Klappenfunktion und dass Patien- ten mit Aortenklappenstenose und ‑insuffizienz eine stär- kere Beeinträchtigung der linksventrikulären GLS zeigten als die Gruppe mit normaler Klappenfunktion. HINTERGRUNDWISSEN Der echokardiografisch bestimmbare Global Longitu- dinal Strain erlaubt eine Aussage, wie stark sich das Myokard verkürzt. Dabei ist die Funktion umso besser, je stärker diese Verkürzung ausfällt. Darüber hinaus beschrieben Stefani et al. bei 20 jungen Athleten mit BAK und milder Aortenklappeninsuffizienz einen Trend zu einer stärkeren Beeinträchtigung des linksventrikulären GLS als bei gesunden Probanden, trotz normaler LVEF [6]. Als erweiterte Präzisionsdiagnostik eignen sich insbeson- dere die MRT und die CT, einerseits zur Charakterisierung der Klappenanatomie und andererseits zur Darstellung der Aorta (▶ Tab. 1). Der linksventrikuläre GLS war bei Patienten mit mittel- schwerer und schwerer gemischter Aortenklappenste- nose und Aortenklappeninsuffizienz am stärksten beein- trächtigt, gefolgt von Patienten mit mittelschwerer und ▶ Tab. 1 Diagnose- und Therapiekriterien bei Patienten mit bikuspiden Aortenklappen. Untersuchung Diagnostik Follow-up Kriterien/Vorgehen ▪ TTE (Beurteilung von Aortenwurzel und Aorta ascendens) ▪ CT und MRT (Präzisionsdiagnostik bei nicht ausreichender TTE-Beurteilung) ▪ Herzbildgebung alle 2 Jahre, falls Aortenwurzeldurchmesser < 40 mm und ohne Vitium ▪ TTE-Kontrolle einmal im Jahr, falls Weite > 45 mm ▪ TTE-Kontrolle einmal im Jahr, falls Anstieg > 3 mm pro Jahr ▪ CT- oder MRT-Screening, falls Weite > 50 mm operative Sanierung ▪ Weite der Aorta ascendens > 55 mm ▪ Weite der Aorta ascendens > 50 mm, falls Aortenisthmusstenose, familiäre Prädisposition, Bluthochdruck ▪ Weite der Aorta ascendens > 45 mm, bei geplanter Klappenoperation TTE = transthorakale Echokardiografie Sakellaropoulos S et al. Die bikuspide Aortenklappe Kardiologie up2date 2020; 16: 59–71 61

Prävalenzschätzungen dieser Komplikationen und Ergeb- nisse variieren je nach Alter der Studie, untersuchter Ko- horte und Diagnosemethode der BAK (klinische Unter- suchung vs. Herzkatheteruntersuchung vs. Echokardio- grafie). Zwei große neuere Fallserien haben dazu bei- getragen, den klinischen Verlauf ohne Operation besser zu definieren [11]. FALLBEISPIEL Eine 40-jährige Patientin stellte sich mit Waden- schmerzen sowie Lumbalgien und Fieber seit ca. einem Monat vor. Duplexsonografisch konnte eine TVT ausgeschlossen werden. Laborchemisch fiel eine eindeutige Infektkonstellation auf (CRP 143 mg/l und Leukozyten 13 000), die Blutkulturen enthielten grampositive Kokken. In einer CT von Thorax und Abdomen wurden weder ein Infektfokus noch eine Lungenembolie nachgewiesen. Am Folgetag wurde eine ambulante Antibiotikathera- pie mit Amoxicillin/Clavulansäure begonnen (1 g p. o. 3 × täglich). Im Verlauf war die Patientin afebril. In 2 weiteren Blutkulturen wurde schließlich ein Strep- tococcus sanguinis nachgewiesen (sensibel auf Peni- cillin, resistent auf Clindamycine). In der daraufhin durchgeführten TTE wurde eine bikuspide Aorten- klappe mit Vegetation und einer schweren Insuffizienz diagnostiziert. MR-tomografisch konnte eine Spon- dylitis als Ursache der Rückenschmerzen festgestellt werden. Aufgrund dieser Konstellation und der Nativ-Klappen- endokarditis erhielt die Patientin – unter fortgeführter antibiotischer Therapie – einen mechanischen Aor- tenklappenersatz. Postoperativ wurde eine orale Antikoagulation begonnen. Die Kontrollechokardio- grafie zeigte einen regelrechten postoperativen Be- fund mit guter Lage und Funktion der mechanischen Aortenklappenprothese. Komplikationen Infektiöse Endokarditis Aufgrund der Infektion treten Ablagerungen, Abszesse oder Perforationen auf den Klappensegeln oder auf dem Myokard auf. Zwischen 10 und 30% der Patienten mit BAK werden im Lauf ihres Lebens an einer infektiösen En- dokarditis leiden. Umgekehrt wird bei 25% der infektiö- sen Endokarditiden eine BAK festgestellt [12]. Die infek- tiöse Endokarditis der BAK ist häufiger bei jüngeren Pa- tienten festzustellen, gemäß der Studie von Yener et al. in einem mittleren Alter zwischen 38 und 53 Jahren. Des Weiteren wurde gezeigt, dass eine deutliche Dominanz des männlichen Geschlechts besteht (73–100 %). Aortendilatation, Aortendissektion und Koarktation Dilatation der Aorta Die bikuspide Aortenklappe steht in Zusammenhang mit der Entstehung einer Dilatation der Aorta, vor allem der Aortenwurzel und der Aorta ascendens. Dabei wird dis- kutiert, ob diese Aufweitung durch die Malformation der Klappe begründet ist und durch die abnorme hämodyna- mische Belastung der Aortenwand entsteht oder ob sie Folge eines gemeinsamen Defekts in der Entwicklung von Aortenklappe und ‑wand ist [13]. Eine Begründung für die besondere Anfälligkeit in diesem Bereich ist die modifizierte Aktivität der Matrix-Metalloproteine 2 und 9. Diese sind Endopeptidasen, die beim Turnover der Zell- matrix eine Rolle spielen. Für die Matrix-Metalloproteine lässt sich eine höhere Aktivität in der Wand der Aneurys- men von Patienten mit bikuspider Aortenklappe nach- weisen als bei Patienten mit trikuspider Aortenklappe. Histologisch liegt eine zystische Medianekrose mit Dege- neration der Media und konsekutiver Hohlraumbildung vor. Koarktation der Aorta Eine Koarktation der Aorta und eine bikuspide Aorten- klappe treten häufig gleichzeitig auf, daher sollte die Aor- tenkoarktation weniger als eigenständige Erkrankung als vielmehr als Bestandteil einer generalisierten Aortopathie betrachtet werden. Eine bikuspide Aortenklappe an sich, oder in Kombination mit einer Koarktation, ist häufig mit einer abnormen Aortenstruktur verbunden, die zu einer Aortendilatation und einer Neigung zur Aneurysmabil- dung prädisponiert [14]. Dissektion der Aorta Junge Patienten mit einer Dissektion haben im Vergleich zu älteren Patienten besondere Risikofaktoren: Marfan- Syndrom, bikuspide Aortenklappen und größere Aorten- dimensionen. Überraschenderweise ist das Mortalitäts- risiko für junge Patienten bei einer Dissektion nicht gerin- ger als für ältere Patienten [15]. Sakellaropoulos S et al. Die bikuspide Aortenklappe Kardiologie up2date 2020; 16: 59–71 63

Aortenklappeninsuffizienz eines unvollständigen Klappenschlusses Aufgrund kommt es bei einer Insuffizienz zu einer diastolischen Flussumkehr (▶ Abb. 2, Abb. 3). Ursachen dafür sind Ringdilatation oder Prolaps, Dilatation der Aortenwurzel, eine infektiöse Endokarditis oder auch Kalzifikationen: ▪ Kalzifikationen sind bei der Aortenklappeninsuffizienz seltener als bei der Aortenklappenstenose. Tatsächlich kann jedoch eine Insuffizienz durch Kalzifikationen be- gründet sein, wenn die Segel dadurch in der geöff- neten Position fixiert werden. ▪ Die akute Aortenklappeninsuffizienz entsteht meist infolge einer infektiösen Endokarditis. Nach Aushei- lung von nicht entdeckten Endokarditiden kommt es manchmal zu einer chronischen Insuffizienz. In verschiedenen Studien wurde festgestellt, dass eine Aortenklappeninsuffizienz im Vergleich zur Aortenklap- penstenose früher operationspflichtig wird – im mitt- leren Alter von jeweils 46 Jahren und 63 Jahren [21]. Therapie Medikamentöse Therapie Merke Als Basis gilt die aggressive Behandlung des Blut- hochdrucks bei Patienten mit BAK-Krankheit. Bei Marfan-assoziierter Aortopathie ist die Behandlung mit Betablockern zur Verlangsamung der Progressions- rate in vielen Zentren der Versorgungsstandard, wobei es eine Debatte über ihre Wirksamkeit gibt. Die ACC/AHA-Leitlinien für die Behandlung angeborener Herzkrankheiten von Erwachsenen und die Leitlinien für die Behandlung von Patienten mit Herzklappenerkran- ▶ Abb. 2 Parasternale lange Achse (Dreikammerblick, TEE) bei einem Patienten mit BAK und schwerer Insuffizienz. kungen legen nahe, dass es sinnvoll ist, Betablocker in dieser Population zu verwenden (Klasse-IIa-Empfehlung). Es gibt erste Daten aus Tiermodellen und aus einer klei- nen Studie am Menschen, welche die Verwendung von Angiotensin-II-Rezeptorblockern zur Verringerung der Aortenwurzeldilatation beim Marfan-Syndrom nahelegen [22]. Ob die o. g. Medikamente eine Rolle bei der BAK-Aorto- pathie spielen, wurde letztlich noch nicht klar gezeigt. Schließlich wird eine langfristige Vasodilatator-Therapie bei BAK-Erkrankungen mit Aortenklappeninsuffizienz nur empfohlen, wenn gleichzeitig eine arterielle Hyper- tonie vorliegt. ▶ Abb. 3 Weiterer Patient mit BAK und schwerer Aortenklappeninsuffizienz. Die Exzentrizität des Regurgitationsjets ist typisch bei BAK. a TTE, parasternal kurze Achse. b TTE, parasternal kurze Achse. c TTE, parasternal lange Achse. Sakellaropoulos S et al. Die bikuspide Aortenklappe Kardiologie up2date 2020; 16: 59–71 65

Risiken einher und sollten daher nur wenn nötig durch- geführt werden. Meist kann die Schwangerschaft erfolgreich abgeschlos- sen werden, in einigen Fällen kann eine Operation bei Frauen mit schwerer Aortenklappenstenose früh nach der Schwangerschaft erforderlich werden. Die Schwangerschaft selbst scheint die Notwendigkeit einer Operation nach der Geburt bei Frauen mit mittel- schwerer oder schwerer Aortenklappenstenose zu be- schleunigen [26]. Es ist deshalb wichtig, dass Frauen mit einer bikuspiden Aortenklappe hinsichtlich des Risikos einer Schwangerschaft sowie der Gefahr von Spätkompli- kationen beraten werden. Zusätzlich empfehlen die Richtlinien sich „gegen das hohe Risiko einer Schwangerschaft“ bei Frauen mit BAK und signifikanter Aortopathie (Durchmesser der Aorta ascendens 4,5 cm) zu entscheiden, aber auf individueller Basis. Follow-up Um den Krankheitsfortschritt zu verfolgen, sollten seriel- le transthorakale Echokardiografien bei allen Patienten durchgeführt werden. Eine mindestens jährliche Herz- bildgebung wird für Patienten mit einer signifikanten Klappenläsion oder bei einem Durchmesser der Aorten- wurzel > 40 mm empfohlen. Bei Patienten ohne signifi- kante Herzklappenläsionen und einem Aortenwurzel- durchmesser < 40 mm ist eine Herzbildgebung alle 2 Jah- re ausreichend. Merke Der Durchmesser der Aortenwurzel sollte auf die Körperoberfläche bezogen werden. Ein Wert von 2,1 cm/m2 gilt als Obergrenze des Normwerts [27]. Regelmäßig sollte die thorakale Aorta komplett dar- gestellt und damit überwacht werden. Weil die CT mit er- heblicher Strahlenexposition assoziiert ist, sollte sie bei jungen Patienten nur bei Bedarf durchgeführt werden und wenn andere Bildgebungsmodalitäten nicht verfüg- bar sind. Die Aortenelastizität nimmt bei Patienten mit BAK und Aortenklappeninsuffizienz ab [28]. In der Zukunft wer- den solche physiologischen Messgrößen möglicherweise eine Rolle bei der Risikoeinschätzung spielen können. Zukünftig könnten Biomarker für die Herzklappenerkran- kung, die Reaktion des Ventrikels auf die Klappenkrank- heit und die Aortenwurzelkrankheit nützlich sein. Zum Beispiel hat sich bei der degenerativen Aortenklappen- erkrankung Brain Natriuretic Peptide (BNP) als prognos- tisch wichtig erwiesen [29]. Serummarker wie Matrix-Me- talloproteinase, aminoterminales Propeptid vom Typ-III- Kollagen, Fibrinogen und systemische Inflammations- marker sind bei Personen mit Aneurysmen der Bauchaor- ta erhöht [30]. KERNAUSSAGEN ▪ Die bikuspide Aortenklappe ist der häufigste kon- genitale Herzfehler mit einer Inzidenz von 0,5 bis 2% und gleichzeitig die häufigste angeborene Fehl- bildung der Aortenklappe bei Erwachsenen. ▪ Aufgrund des genetischen Hintergrunds ist ein echokardiografisches Screening wertvoll. ▪ Die Echokardiografie ist der diagnostische Gold- standard. CT und MRT gehören ebenfalls zum diagnostischen Armamentarium. ▪ Aufgrund der Pathogenität treten häufig Kompli- kationen auf, am häufigsten ist dabei die Aorten- klappenstenose. ▪ Die Therapieoptionen sind die medikamentöse Behandlung, interventionelle und operative Be- handlung, z. B. TAVI und der Aortenklappenersatz. ▪ Im Rahmen einer interventionellen Behandlung kann es zu Komplikationen kommen, die meist akut behandelt werden müssen, z. B. hochgradige AV- Blockierung oder schwere Blutung. ▪ Nicht nur der Klappenapparat, sondern auch Bio- marker und insbesondere die Aorta müssen im Verlauf kontrolliert werden. Interessenkonflikt Erklärung zu finanziellen Interessen Forschungsförderung erhalten: nein; Honorar/geldwerten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: nein; Bezahlter Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an im Bereich der Medizin aktiven Firma: nein; Patent/ Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an zu Sponsoren dieser Fortbildung bzw. durch die Fortbil- dung in ihren Geschäftsinteressen berührten Firma: nein. Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessen- konflikt besteht. Sakellaropoulos S et al. Die bikuspide Aortenklappe Kardiologie up2date 2020; 16: 59–71 67

[16] Bossone E, Pyeritz RE, OʼGara Pet al.; International Registry of Acute Aortic Dissection (IRAD) Investigators. Acute aortic dis- section in blacks: insights from the International Registry of Acute Aortic Dissection. Am J Med 2013; 126: 909–915 [17] Fenoglio JJ, McAllister HA, DeCastro CM et al. Congenital bi- cuspid aortic valve after age 20. Am J Cardiol 1977; 39: 164 [18] Bauer M, Pasic M, Meyer R et al. Morphometric analysis of aor- tic media in patients with bicuspid and tricuspid aortic valve. Ann Thorac Surg 2002; 74: 58–62 [19] Turina J, Turina M, Krayenbühl HP. Die Bedeutung der bikuspi- den Aortenklappe für die Entstehung des Aortenklappenviti- ums bei Erwachsenen. Schweiz med Wschr 1986; 116: 1518– 1523 [20] Roberts WC. The congenitally bicuspid aortic valve. A study of 85 autopsy cases. Am J Cardiol 1970; 26: 72–83 [21] Sabet HY, Edwards WD, Tazelaar HD et al. Congenitally bicus- pid aortic valves: A surgical pathology study of 542 cases (1991 through 1996) and a literature review of 2715 addition- al cases. Mayo Clin Proc 1999; 74: 14–26 [22] Brooke BS, Habashi JP, Judge DP et al. Angiotensin II blockade and aortic-root dilation in Marfanʼs syndrome. N Engl J Med 2008; 358: 2787–2795 [23] Cowell SJ, Newby DE, Prescott RJ et al. A randomized trial of in- tensive lipid-lowering therapy in calcific aortic stenosis. N Engl J Med 2005; 352: 2389–2397 [24] Rosenfeld HM, Landzberg MJ, Perry SB et al. Balloon aortic val- vuloplasty in the young adult with congenital aortic stenosis. Am J Cardiol 1994; 73: 1112–1117 [25] Yap SC, Drenthen W, Pieper PG et al. Risk of complications during pregnancy in women with congenital aortic stenosis. Int J Cardiol 2008; 126: 240–246 [26] Tzemos N, Silversides CK, Colman JM et al. Late cardiac out- comes after pregnancy in women with congenital aortic ste- nosis. Am Heart J 2009; 157: 474–480 [27] Johnston KW, Rutherford RB, Tilson MD et al. Suggested stan- dards for reporting on arterial aneurysms. Subcommittee on Reporting Standards for Arterial Aneurysms, Ad Hoc Commit- tee on Reporting Standards, Society for Vascular Surgery and North American Chapter, International Society for Cardiovas- cular Surgery. J Vasc Surg 1991; 13: 452–458 [28] Grotenhuis HB, Ottenkamp J, Westenberg JJ et al. Reduced aortic elasticity and dilatation are associated with aortic regur- gitation and left ventricular hypertrophy in nonstenotic bicus- pid aortic valve patients. J Am Coll Cardiol 2007; 49: 1660– 1665 [29] Weber M, Hausen M, Arnold R et al. Diagnostic and prognostic value of N-terminal pro B-type natriuretic peptide (NT- proBNP) in patients with chronic aortic regurgitation. Int J Car- diol 2008; 127: 321–327 [30] Golledge J, Tsao PS, Dalman RL et al. Circulating markers of ab- dominal aortic aneurysm presence and progression. Circula- tion 2008; 118: 2382–2392 Bibliografie DOI https://doi.org/10.1055/a-0994-0032 Kardiologie up2date 2020; 16: 59–71 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 1611-6534 Service für unsere Leser up2date immer dabei! Wissens portal eRef plus App. CME-Beitrag SOP/Arbeitsablauf Schritt-für-Schritt ... ... ... ... Jetzt downloaden: up2date – Fortbildung mit dem roten Faden Sakellaropoulos S et al. Die bikuspide Aortenklappe Kardiologie up2date 2020; 16: 59–71 69

Punkte sammeln auf CME.thieme.de Fortsetzung … Frage 8 Frage 10 Welche der folgenden Erkrankungen/Veränderungen ist die häufigste Komplikation der BAK? A Aortenklappenstenose B Aortenklappeninsuffizienz C Dilatation der Aorta D infektiöse Endokarditis E Ruptur kongenitaler intrakranieller Berry-Aneurysmen Frage 9 Wie hoch ist die geschätzte Häufigkeit von klinisch betroffenen Kindern mit BAK? A 1 von 5 B 1 von 50 C 1 von 500 D 1 von 5000 E 1 von 50 000 Welche der folgenden Aussagen ist richtig? Bei Patienten mit BAK ist gemäß der aktuellen ACC/AHA-Leitlinien eine Therapie mit Statinen … A bei einem LDL > 2 mmol/l zu empfehlen. B bei einem LDL > 3 mmol/l zu empfehlen. C nicht zur Verlangsamung des degenerativen Prozesses zu be- fürworten. D bei einem HDL < 20 mmol/l zu empfehlen. E bei einem LDL > 1,4 mmol/l zu empfehlen. Die Schlagzeilen l e w a r / a l i l Sie möchten Studienergebnisse, neue Erkenntnisse tragen? Hatten schon einmal eine unangenehme Begegnung mit den Medien? Kennen die Situation, Journalisten gegenüber Rede und Antwort zu stehen? ankommen. Dazu bieten wir Ihnen ein modular aufgebautes Medientraining für Einzelpersonen und Kleingruppen. Interessiert? www.thieme.de/medientraining o t o F © Sakellaropoulos S et al. Die bikuspide Aortenklappe Kardiologie up2date 2020; 16: 59–71 71

Kardiologie up2date 1 · 2020 Spezialthemen 9 Frauen und Arrhythmien Isabel Deisenhofer VNR: 2760512020158724209 DOI: 10.1055/a-0674-6750 Kardiologie up2date 2020; 16 (1): 75–90 ISSN 1611-6534 © 2020 Georg Thieme Verlag KG

CME-Fortbildung Frauen und Arrhythmien Isabel Deisenhofer In den letzten Jahren wurde zunehmend erkannt: Bei der Inzidenz und Ätiologie von Herzrhythmusstörungen gibt es große geschlechtsspezifische Unterschiede – oft auch beim Therapieansprechen und dem Zugang zu einer Therapie. Dieser Beitrag zeigt, wie die geschlechtsbedingt unterschiedliche Ätiologie und Pathophysiologie bestimmter Herzrhythmusstörungen letztlich zu frauenspezifischen Behandlungs- strategien führen können. Einleitung In klinischen Studien zu Herzrhythmusstörungen sind weibliche Patienten traditionell stark unterrepräsentiert und stellen oft weniger als 20% der Studienpopulation dar [1]. Trotzdem wurden über Jahrzehnte hinweg die Er- gebnisse solcher Studien auch auf weibliche Patienten extrapoliert. Dabei wurde angenommen, dass diese Ex- trapolation im Wesentlichen zulässig ist und korrekte Ein- schätzungen erlaubt. Aktuellere Publikationen lassen je- doch zunehmend Zweifel aufkommen, ob bei Männern etablierte Therapiekonzepte wirklich 1 : 1 auf Frauen übertragbar sind [1]. Frauen haben ein „anderes“ EKG Im Folgenden wird zunächst der Einfluss des Geschlechts auf elektrophysiologische Basisparameter dargestellt. Erregungsbildung und ‑ausbreitung Es ist lange bekannt, dass die Herzgröße einen bedeut- samen Einfluss auf elektrophysiologische Basiswerte wie die mittlere Herzfrequenz haben kann: Die mittlere (Si- nusknoten-)Herzfrequenz der Maus liegt bei ca. 450– 550/min und damit in einem Frequenzbereich, der dem von Vorhofflimmern beim Menschen entspricht [1, 2]. Bei Frauen sind das mittlere Herzgewicht und die Dia- meter der Herzkammern im Schnitt etwas kleiner als bei Männern. Allerdings sind – zusätzlich zur mittleren Herz- frequenz – noch viele andere basale elektrophysio- logische Messdaten gegenüber Männern verändert (▶ Abb. 1). So sind bei Frauen die Sinusknotenerholungs- zeit, die AV-Überleitung und die Erregung der Ventrikel über das spezifische Reizleitungssystem (entsprechend der QRS-Dauer) kürzer bzw. schneller als bei Männern. Exemplarisch kann dies für die AV-Überleitung am Beispiel des AV-Wenckebach-Punktes (Sinusknotenfrequenz, ab der keine 1 : 1-Überleitung der atrialen Erregung auf die Ventrikel mehr erfolgt) dargestellt werden: Der „Wencke- bach-Punkt“ liegt bei Frauen ca. 10–15 Schläge/min über dem von Männern [1, 2]. Ursächlich für dieses im Schnitt „schnellere“ Erregungs- und Reizleitungssystem sind wahrscheinlich Unterschie- de in der Expression und Funktionalität von Ionenkanälen AV-Knoten: AH-Zeit ERP W-CL F < M F M F M < < Sinusknoten: Frequenz SKEZ F > M F < M Vorhöfe: PWD ERP F < M F < M Ventrikel: QRS ERP QTc F < M F M F M > > His-Bündel: HV-Zeit F < M ▶ Abb. 1 Unterschiede in basalen elektrophysiologischen Parametern bei Frauen und Männern. F: Frauen, M: Männer, SKEZ: Sinusknoten- erholungszeit, AH-Zeit: Überleitungszeit Atrium → His-Bündel, ERP: effektive Refraktärperiode, W‑CL = Wenckebach-Zykluslänge, HV-Zeit: Überleitungszeit His-Bündel → Ventrikel, PWD: P-Wellen-Dauer, QTc: frequenzkorrigierte QT-Dauer. Deisenhofer I. Frauen und Arrhythmien Kardiologie up2date 2020; 16: 75–90 75

Eine weitere pathophysiologisch wichtige Tatsache ist: Sowohl durch die geschlechtsspezifisch verzögerte Repo- larisation als auch durch eine größere Heterogenität der Repolarisation kann es zu mehr sog. spontanen Nach-De- polarisationen (delayed after-depolarizations, DAD) kom- men [1]. Diese Nach-Depolarisationen können die Nei- gung zu allen Arten von ventrikulären Arrhythmien, vor allem ventrikulären Extrasystolen (VES), steigern (s. auch Abschnitt „Ventrikuläre Tachykardien“). Einfluss des vegetativen Nervensystems Unser Herzrhythmus wird in bedeutendem Maße über die beiden Gegenspieler des vegetativen Nervensystems – Sympathikus und Parasympathikus – beeinflusst. Von der übergeordneten Steuerung durch das vegetative Ner- vensystem ist neben der (Sinusknoten-)Herzfrequenz ins- besondere auch die Herzfrequenzvariabilität betroffen. Dabei scheinen Frauen unter stärkerem vagalem Einfluss zu stehen als gleichaltrige Männer. Dies führt z. B. dazu, dass Frauen im Rahmen eines Herzinfarktes weniger stark sympathikoton reagieren und deshalb weniger zu ischä- mievermittelten (tödlichen) ventrikulären Tachyarrhyth- mien neigen [1] (s. auch Abschnitt „Plötzlicher Herz- tod“). Geschlechtshormone: wichtige Modulatoren In den letzten Jahren trat die Rolle weiblicher Ge- schlechtshormone und des weiblichen Zyklus immer mehr in den Fokus der elektrophysiologischen For- schung. In einer Reihe wichtiger Grundlagenstudien, aber auch durch großangelegte Populationsstudien konnte nachgewiesen werden: Vor allem mit Eintritt der Pubertät kommt es zu einer „Geschlechter-Trennung“ hinsichtlich wichtiger elektrophysiologischer Eigenschaften von Kar- diomyozyten [1]. Bereits erwähnt wurden die Verlängerung des QTc-Inter- valls und die Akzeleration der (Sinus-)Herzfrequenz bei Mädchen nach Einsetzen der Pubertät. Spiegelbildlich zu den Veränderungen in der Pubertät kommt es bei Frauen nach der Menopause wieder zu einer „Annäherung“ z. B. der Herzfrequenz und der QTc-Dauer an männliche Wer- te. Diese werden jedoch nicht ganz erreicht. Inwieweit dieses „Auseinanderdriften“ eher ein „positiver“ Testo- steron-Effekt oder ein „negativer“ Östrogen-Effekt ist, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen. Merke Einen wichtigen Einfluss auf die Suszeptibilität für Arrhythmien hat auch der weibliche Zyklus. Der weibliche Zyklus kann vereinfachend in die „follikulä- re“ und die „luteale Phase“ unterteilt werden (▶ Abb. 3). Leider sind die Ergebnisse von Untersuchungen zum Ein- fluss des weiblichen Zyklus auf die kardiale Elektrophysio- logie nicht konsistent. Die meisten Ergebnisse deuten da- rauf hin, dass während der follikulären Phase vagale Ein- flüsse vorherrschen mit: LH Progesteron Östrogen FSH follikuläre Phase luteale Phase ▶ Abb. 3 Der weibliche Zyklus kann in die „follikuläre“ und die „luteale“ Phase unterteilt werden. Allgemein gilt, dass Frauen in der lutealen Phase eher zu Arrhythmien neigen. Deshalb sollte bei „Nichtinduzierbarkeit“ einer (vermuteten oder sogar schon doku- mentierten) Arrhythmie eine eventuelle elektrophysiologische Untersuchung eher für die „luteale“ Phase geplant werden. FSH: follikelstimulierendes Hormon, LH: luteinisierendes Hormon. Deisenhofer I. Frauen und Arrhythmien Kardiologie up2date 2020; 16: 75–90 77

tuiert wird. Für diese Post-partum-Zeit wird dringend eine präventive Betablockade und sogar eine AED-Versor- gung (AED: automatisierter externer Defibrillator) zu Hause empfohlen – falls eine ICD-Implantation (noch) nicht gewünscht oder akzeptiert wird. Merke Frauen haben bei den meisten Long-QT-Syndrom- Typen ein höheres Risiko für maligne Arrhythmien. Dabei verstärkt sich dieses Risiko abhängig von hor- monellen Einflüssen, z. B. mit der Pubertät (LQTS 1) oder post partum (LQTS 2). Eine antiarrhythmische Medikation mit Klasse-IA- bzw. -III-Antiarrhythmika sollte daher bei Frauen niemals ohne EKG- und ggf. Langzeit-EKG-Kontrollen begonnen wer- den. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf die nächtlichen Aufzeichnungen gelegt werden, denn gera- de unter Bradykardien treten vermehrt TDP-Tachykardien auf. Wichtig ist es im weiteren Verlauf auch, die Verträg- lichkeit der antiarrhythmischen Medikation zumindest jährlich zu reevaluieren. Denn durch die oben beschriebe- ne Altersabhängigkeit des QTc-Intervalls kann eine einst- mals ungefährliche Medikation zu verlängertem QT füh- ren – und damit gefährlich werden. LQTS Typ 3 (SCN5A-Gen) Brugada-Syndrom Bei diesem LQTS‑Typ sind am wenigsten geschlechtsspe- zifische Unterschiede festzustellen. Ganz generell treten Arrhythmien, die oft bereits fatal sein können, schon in der frühen Kindheit auf. Man nimmt sogar an, dass das LQTS 3 eine der Ursachen für den plötzlichen Kindstod ist. Männer scheinen nach der Pubertät ein gering höhe- res Arrhythmierisiko zu haben als Frauen. Erworbenes Long-QT-Syndrom Frauen haben – wie oben ausgeführt – postpubertär per se ein längeres QTc-Intervall als Männer. Selten kann die- ses subklinisch verlängerte QTc unter entsprechend un- günstigen Umständen auch bei genetisch völlig unauffäl- ligen Frauen durch entsprechende QT-verlängernde Me- dikation zu einem „erworbenen“ LQTS führen [1, 4]. Letztlich kommt es bei den betroffenen Frauen meist zum Zusammentreffen mehrerer Faktoren: Bei (präpu- bertär) bereits längerem Ausgangs-QTc kommt es unter Einfluss der weiblichen Geschlechtshormone und durch den physiologischen altersgebundenen QTc-Anstieg zu einem „kritisch“ langen QTc von ca. 450–460 ms. Dies ist – wegen des Alterseffektes bei der QTc-Verlängerung – oft erst bei Frauen über 50 Jahren der Fall. Wenn dann – oft wegen paroxysmaler supraventrikulärer Tachykardien oder paroxysmalen Vorhofflimmerns – Antiarrhythmika der Klasse IA oder III verabreicht werden, treten nach entsprechend pathologischer QTc-Verlänge- rung typischerweise Torsades de pointes (TDP) bis hin zu Kammerflimmern (ventricular fibrillation, VF) auf. Merke In großen pharmakologischen Studien ist das weib- liche Geschlecht neben Hypokaliämie und Leber-/ Nieren-Funktionsstörungen der wichtigste Risiko- faktor für das Auftreten von TDP-Tachykardien unter Antiarrhythmika-Therapie. „Klassische“ Vertreter der Klasse-IA- und ‑III-Antiarrhyth- mika, die zu solchen Effekten führen können, sind Chini- din (Klasse IA) sowie Sotalol und Dofetilid (Klasse III). Im Gegensatz zum Long-QT-Syndrom findet sich beim Brugada-Syndrom nur in etwa 20–30% der Fälle eine Kor- relation mit einem Gendefekt. Wenn ein Gendefekt nach- gewiesen wird, handelt es sich fast ausnahmslos um Mu- tationen in demselben SCN5A-Gen, das auch beim LQTS 3 betroffen ist [4]. Auch beim Brugada-Syndrom ist ein klarer Einfluss des Geschlechts auf das Arrhythmierisiko nachweisbar, dies- mal sind Frauen allerdings eher vor malignen Rhythmus- störungen „geschützt“: Sowohl ein spontanes Typ-I-Bru- gada-EKG mit der Brugada-typischen „domed“ ST-Stre- cken-Elevation in den präkordialen Ableitungen (V1–V2) als auch klinische Arrhythmien treten signifikant häufiger bei postpubertären Männern auf [1, 4] (▶ Abb. 5). Merke Als Faustregel für die Praxis gilt, dass die Penetranz und die Schwere der Erkrankung beim Brugada- Syndrom bei Männern wesentlich höher sind als bei Frauen. Männer im mittleren Alter (30–50 Jahre) haben das höchste Risiko für maligne Arrhythmien. Spezifische Kardiomyopathien Auch bei den „klassischen“ Kardiomyopathien spielt das Geschlecht eine große Rolle. Auch hier wird vor allem die Penetranz der Erkrankung durch das Geschlecht be- einflusst, obwohl es sich um autosomal-dominante Erb- gänge handelt [1, 4]. Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie Bei der arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyo- pathie (ARVC) ist die Erkrankungspenetranz bei gleichem Gendefekt bei Männern dreimal so hoch wie bei Frauen. Wenn allerdings klinisch eine ARVC besteht, dann ist das Arrhythmierisiko bei Frauen genauso hoch wie bei Män- nern. Bei beiden Geschlechtern treten ventrikuläre Ar- rhythmien vor allem unter physischer Aktivität auf, sind also sympathikoton vermittelt [1, 5]. Deisenhofer I. Frauen und Arrhythmien Kardiologie up2date 2020; 16: 75–90 79

INFO KHK und plötzlicher Herztod Frauen haben ein deutlich niedrigeres Risiko für KHK als Männer. Daher ist man lange Zeit davon aus- gegangen, dass Frauen aus diesem Grund signifikant weniger oft am plötzlichen Herztod sterben – sie litten einfach viel seltener an dem wichtigsten „Risikofak- tor“. Es konnte nun aber mehrfach nachgewiesen werden, dass das SCD-Risiko für Frauen auch nach Adjustierung für die KHK und Herzinfarkt immer noch signifikant niedriger ist – wenn auch etwas weniger deutlich als unadjustiert. Das heißt im Umkehrschluss, dass die KHK bei Frauen weniger oft zu tödlichen ven- trikulären Arrhythmien führt als bei Männern. erlitten, konnte eine KHK nachgewiesen werden – die KHK ist also bei Frauen nicht der häufigste Mechanismus, der zum SCD führt [1] (s. „Info – KHK und plötzlicher Herztod“). An dieser Stelle sei auf die unterschiedliche pathophysio- logische „Reaktion“ des vegetativen Nervensystems auf Stress hingewiesen (s. Abschnitt „Einfluss des vegetativen Nervensystems“): Bei Frauen kommt es bei der Maximal- ausprägung der KHK, nämlich im Rahmen eines Myokard- infarktes, seltener und im Ausmaß geringer zu sympathi- kotonen Reaktionen [1, 6]. Herzinsuffizienz (egal welcher Ätiologie) ist ebenfalls ein Risikofaktor für den plötzlichen Herztod, und auch hier lassen sich Geschlechtsunterschiede feststellen: Wäh- rend bei Männern mit einer Herzinsuffizienz das Risiko für einen plötzlichen Herztod um das 4,8-Fache erhöht ist, ist es bei Frauen nur um das 1,9-Fache erhöht [9]. Da- bei ist das Risiko, an einer terminalen Herzinsuffizienz zu sterben, bei beiden Geschlechtern gleich hoch. Auch hier scheinen also Frauen bezüglich lebensbedrohlicher Ar- rhythmien geschützt zu sein. Die Mechanismen hierfür sind unklar, könnten aber mit einiger Wahrscheinlichkeit ebenfalls bei Unterschieden im vegetativen Tonus und dem protektiven Effekt weiblicher Geschlechtshormone zu suchen sein. Ventrikuläre Tachykardien: Inzidenz, Ätiologie, Therapie Bei ventrikulären Tachykardien (VT) sollte klar unterschie- den werden, ob es sich um VT auf dem Boden einer struk- turellen Herzkrankheit handelt (90%) oder um sog. „idio- pathische“ VT. Letztere machen insgesamt ca. 10% aller VT aus. Idiopathische ventrikuläre Tachykardien Bei idiopathischen VT gibt es 2 vorherrschende Entitäten: ▪ die (rechtsventrikulären [RV] oder linksventrikulären [LV]) Ausflusstrakt-Tachykardien (meist handelt es sich um VES, keine anhaltenden VT) und ▪ sog. faszikuläre VT, die aus dem spezifischen Reizlei- tungssystem stammen. Bei den Ausflusstrakt-Arrhythmien (outflow tract ar- rhythmias, OT-Arrhythmien) liegt am ehesten eine ge- triggerte Aktivität vor. Diese wird vermutlich auch durch spontane Nach-Depolarisationen befördert [1] – also ei- nen Mechanismus, der bei Frauen öfter zu beobachten ist als bei Männern (s. Abschnitt „Erregungsrückbil- dung“). Merke Ein wichtiger Modulator für die Genese von OT‑VES ist das vegetative Nervensystem. Es wird vermutet, dass OT‑VES durch eine gewisse Disbalance zwischen sympathikotonen und vagalen Inputs begünstigt werden. In einem großen Kollektiv von OT‑VES-Patienten, die sich zur Ablation vorstellten, konnte nachgewiesen werden, dass RV‑OT‑VES doppelt so häufig bei Frauen wie bei Männern auftreten. Bei den LV‑OT‑VES scheinen dagegen Männer und Frauen ca. gleich oft betroffen zu sein. Bei Patienten mit LV‑OT‑VES liegen aber auch öfter Komorbi- ditäten wie arterielle Hypertonie oder KHK vor. Die „echt“ idiopathischen OT‑VES treten also bei Frauen signifikant häufiger, wahrscheinlich sogar 2-mal häufiger als bei Männern auf [1, 10]. Im Rahmen einer gehäuften (idiopathischen) Extrasysto- lie kann es zur Entwicklung einer sog. arrhythmieindu- zierten Kardiomyopathie mit teils bedeutsamer Reduk- tion der Pumpfunktion kommen. Risikofaktoren für die Entwicklung einer solchen „Kardiomyopathie“ sind > 20% VES, ein epikardialer Ursprung der VES und das männ- liche Geschlecht. Obwohl also Frauen öfter eine (bedeut- same) RV‑OT-Extrasystolie aufweisen als Männer, ent- wickelt sich daraus seltener eine arrhythmieinduzierte Kardiomyopathie als bei Männern [10]. An der Therapieempfehlung ändert sich jedoch nichts: Bei Frauen wie bei Männern sollte bei einer symptomati- schen ventrikulären Extrasystolie > 15 % aller QRS-Kom- plexe zunächst eine Therapie mit Betablockern versucht werden. Da diese jedoch nur bei ca. 12% aller Patienten zum Erfolg führt, wird schließlich bei einem Großteil der Patienten eine Katheterablation der Extrasystolie durch- geführt. Deisenhofer I. Frauen und Arrhythmien Kardiologie up2date 2020; 16: 75–90 81

Bei der AVNRT zeigt sich eine klare Abhängigkeit des Auf- tretens und auch der Induzierbarkeit vom weiblichen Menstruationszyklus: Durch eine Verkürzung der Refrak- tärzeit des langsamen AV-Knoten-Leitungsweges in der lutealen Phase kommt es in dieser Phase unter dem Ein- fluss von Progesteron zu einer anhaltenden AVNRT (s. ▶ Abb. 3). Diese Zyklusabhängigkeit könnte man sich zu- nutze machen, wenn z. B. im Rahmen einer früheren elek- trophysiologischen Untersuchung keine AVNRT induzier- bar war [16]. Heutzutage ist die Katheterablation mit ihrer sehr hohen Erfolgsrate (ca. 96%) und ihrer sehr niedrigen Komplika- tionsrate (< 0,8%) die Therapie der Wahl. Dabei gibt es keinerlei Unterschiede bezüglich der Erfolgs- und Kompli- kationsraten zwischen Männern und Frauen [1, 17]. Aller- dings sind Frauen bei Ablation statistisch älter und haben bereits signifikant länger unter den typischen Sympto- men der AVNRT (Palpitationen, Herzrasen) gelitten als Männer [17]. Dies ist umso erstaunlicher, als Frauen durch eine AVNRT eine signifikant stärkere Einschrän- kung ihrer Lebensqualität erleiden, vor allem im Sinne von Angst und Depression. Die Gründe für diese spätere und zögerliche Überweisung zur Ablation sind nicht ganz klar. Die AVNRT ist aber wahrscheinlich die am häufigsten nicht erkannte Arrhythmie des Menschen: ▪ Die Episoden treten sehr unregelmäßig, oft auch nur selten auf, ▪ das Ruhe-EKG ist normal und ▪ es gibt – anders als z. B. beim Vorhofflimmern oder WPW-Syndrom – keinen Hinweis auf die Arrhythmie wie z. B. eine offene Präexzitation oder häufige SVES. Es gibt Patientinnen, die erst nach einer z. T. jahrelangen Odyssee von einem Arzt zum nächsten oder sogar nach psychotherapeutischen Interventionen zur elektrophy- siologischen Untersuchung überwiesen werden [18]. Merke Die AV-Knoten-Reentry-Tachykardie tritt wesentlich häufiger bei Frauen auf als bei Männern – und sie wird häufig nicht erkannt. Therapie der Wahl ist die Katheterablation. Fokale atriale Tachykardie Bei der fokalen atrialen Tachykardie (FAT) scheinen keine relevanten geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Inzidenz zu bestehen [1]. Es ist eine für beide Geschlech- ter eher seltene Arrhythmie, die auch keinen so klaren Al- tersgipfel wie die AVNRT aufweist. Die Diagnosesicherung ist allerdings ähnlich schwierig wie bei der AVNRT – oft wird die FAT erst nach vielen Langzeit-EKGs „eingefangen“. In den (wenigen) publizier- ten Studien ist die Katheterablation einer FAT bei Män- nern und Frauen sowohl bezüglich des Erfolges (70–90%) als auch der Komplikationen (< 3%) vergleichbar [1]. WPW-Syndrom – orthodrome Reentry-Tachykardien Akzessorische Leitungsbahnen – ob mit oder ohne offene Präexzitation – haben eine doppelt so hohe Inzidenz bei Männern wie bei Frauen [1, 15]. So verwundert es auch nicht, dass die zweithäufigste paroxysmale SVT, die or- thodrome Reentry-Tachykardie, auch bei Männern ca. doppelt so häufig auftritt wie bei Frauen. Soweit es dazu Zahlen gibt, ist die Ablation der akzessorischen Leitungs- bahn bei Männern und Frauen gleich erfolgreich [17]. Al- lerdings liegt die akzessorische Leitungsbahn bei Frauen öfter am Trikuspidalklappenring, also rechtsseitig. Dies ist insofern von Bedeutung, als rechtsseitige akzessori- sche Bahnen eine schlechtere Erfolgsrate bei der Ablation aufweisen als linksseitige [1]. Wenn keine offene Präexzitation vorliegt – also ein „ver- borgenes“ WPW-Syndrom – ergibt sich das gleiche Prob- lem wie bei der AVNRT: Frauen werden manchmal (sehr) spät zur Ablation überwiesen, weil die klassischen Symp- tome funktionellen/psychosomatischen Beschwerden zu- geordnet werden [1, 18]. Vorhofflimmern Epidemiologie, Inzidenz, Komorbiditäten Vorhofflimmern ist mit weitem Abstand die häufigste kardiale Arrhythmie, so auch bei Frauen. Allerdings sind die Inzidenz und die altersadjustierte Prävalenz von Vor- hofflimmern bei Frauen signifikant niedriger als bei Män- nern. Frauen mit Vorhofflimmern sind älter als Männer und sie leiden öfter unter arterieller Hypertonie, Klappen- vitien und diastolischer Dysfunktion (heart failure with preserved EF, HFpEF). Dafür liegt signifikant seltener eine KHK als Begleiterkrankung vor [1] (▶ Abb. 6). Symptome und Lebensqualität Mehrere große Studien, so z. B. die EuroObservational Study mit mehr als 3000 eingeschlossenen Patienten, konnten objektivieren, dass Frauen häufiger unter symp- tomatischem Vorhofflimmern leiden als Männer [19]. Im „EHRA AF Symptoms Severity Score“ (▶ Tab. 1), der die Beeinträchtigung des alltäglichen Lebens durch Vor- hofflimmern evaluiert, haben Frauen einen signifikant höheren Score-Wert als Männer. Dazu zeigen standardi- sierte Quality-of-Life-Erhebungen (z. B. mit dem SF-36 Score): Insbesondere die Symptome „Palpitationen“ und „Besorgnis/Angst“ sind bei Frauen signifikant häufiger und auch signifikant stärker ausgeprägt als bei Männern [1, 19] (▶ Abb. 6). Merke Frauen leiden mehr unter den Symptomen von Vor- hofflimmern als Männer. Deisenhofer I. Frauen und Arrhythmien Kardiologie up2date 2020; 16: 75–90 83

Risiko-Punkt“ wohl vor allem in der Altersklasse der 65- bis 75-Jährigen einen signifikanten Einfluss auf das Schlaganfallrisiko hat [1]. Durch Vorhofflimmern induzierte Schlaganfälle sind in der Regel mit einer größeren Mortalität und mit mehr und dauerhafteren Beeinträchtigungen assoziiert als Schlaganfälle aufgrund anderer Ursachen. Merke Bei Patienten mit Vorhofflimmern und akutem Schlaganfall hatten Frauen initial schwerwiegendere Schlaganfälle mit größeren residuellen Ausfällen und Behinderungen als Männer [1, 20] (▶ Abb. 6). Antikoagulation In Metaanalysen konnte nachgewiesen werden, dass eine orale Antikoagulation (OAK) mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA) bei Frauen ein gegenüber Männern erhöhtes Schlaganfallrisiko birgt: So hatten Frauen unter VKA ge- genüber Männern ein um 28–54% erhöhtes Risiko für ei- nen Schlaganfall – selbst mit einer guten bis sehr guten INR-Einstellung (time in therapeutic range [TTR] zwi- schen 65 und 70%). Dazu kommt, dass das weibliche Ge- schlecht mit niedrigeren TTR assoziiert wird, eine suffi- ziente OAK mit VKA bei Frauen also signifikant seltener gelingt [21]. Die in den verschiedenen Zulassungsstudien gezeigte Überlegenheit (oder non-inferiority) von NOAK (nicht-Vi- tamin-K-antagonistische orale Antikoagulanzien) gegen- über VKA ist dagegen unabhängig vom Geschlecht. Bei keiner der neuen Substanzen zeigte sich ein geschlechts- spezifischer Unterschied in der Wirksamkeit, und auch die Neigung zu Blutungen war geschlechtsspezifisch nicht unterschiedlich [22]. Therapiekonzepte Frequenz- oder Rhythmuskontrolle bei Frauen? Da Frauen in der Regel mehr unter Vorhofflimmern leiden als Männer, wäre die natürliche Schlussfolgerung, dass mehr Frauen einer Rhythmuskontrolle als einer Frequenz- kontrolle zugeführt werden. Tatsächlich ist aber genau das Gegenteil der Fall. In der ORBIT‑AF-Studie wurden signifikant weniger Patientinnen kardiovertiert (26,7 vs. 32,4% der Männer). Es wurde bei signifikant mehr Frauen als Männern eine AV-Knoten-Ablation mit Schrittmacher- implantation durchgeführt [1, 23] (▶ Abb. 6). (2,9 vs. 1,7%) Die Verwendung von Antiarrhythmika war bei beiden Ge- schlechtern vergleichbar häufig (28,6 vs. 28,9%). Allerdings konnte in der randomisierten RACE-Studie (Rate control vs. Electrical Cardioversion) nachgewiesen werden: Die Ver- wendung insbesondere von Klasse-IA‑und ‑III-Antiarrhyth- mika ging bei Frauen mit signifikant mehr proarrhyth- mischen Nebenwirkungen einher als bei Männern [24]. Katheterablation von Vorhofflimmern Zuweisung Auch bei allen publizierten Studien zur Katheterablation von (paroxysmalem oder persistierendem) Vorhofflim- mern wurden nur unzureichend viele Patientinnen einge- schlossen: Der Frauenanteil liegt konsistent bei ca. 12– 35% [1, 19] (s. „Info – Frauenanteil in Studien“) Betrachtet man die demografischen Daten der Frauen, die zur Ablation überwiesen werden, so fällt auf: Frauen sind zum Zeitpunkt der Ablation signifikant älter und ha- ben öfter begleitende Klappenvitien, dafür aber seltener eine KHK [1, 19, 25] (▶ Abb. 6). Erfolgsaussichten und Komplikationen Zu den Erfolgsaussichten einer Katheterablation von Vor- hofflimmern gibt es widersprüchliche Ergebnisse. Die meisten Untersuchungen kommen aber zu dem Ergeb- nis, dass Frauen signifikant schlechtere Erfolgsaussichten haben als Männer. So wurde das weibliche Geschlecht in 2 publizierten Scores, die den zu erwartenden Erfolg einer Vorhofflimmer-Ablation abschätzen sollen, als un- abhängiger (negativer) Risikofaktor aufgenommen [1]. Die Gründe für die schlechteren Erfolgsaussichten der Ablation bei Frauen sind nicht ganz klar, aber das signifi- kant höhere Alter der Frauen spielt sicher eine wichtige Rolle: Das Patientenalter ist ein wichtiger Risikofaktor für die Entstehung von atrialer Fibrose, die wiederum die Er- folgsaussichten einer Vorhofflimmer-Ablation senkt. Hin- zu kommt, dass Frauen einen höheren Anteil von extra- pulmonalvenösen arrhythmogenen Trigger-Foci haben. Diese extrapulmonalvenösen Trigger werden bei einer reinen Pulmonalvenen-Isolation nicht abladiert und stel- len so einen unabhängigen Risikofaktor für ein Versagen der Pulmonalvenen-Isolation dar (▶ Abb. 6). INFO Frauenanteil in Studien In einer großen US-amerikanischen Registerstudie waren das weib- liche Geschlecht und die Zugehörigkeit zu einer Minderheit (hispa- nische Herkunft oder Schwarze) der stärkste Prädiktor, nicht abla- diert zu werden [25]. Aber auch in Deutschland beträgt der Frauen- anteil bei Publikationen zur Vorhofflimmer-Ablation, z. B. im deut- schen Ablationsregister, selten mehr als 30% [26]. Die genauen Ursachen dafür sind nicht ganz klar. Diskutiert wird einerseits eine Zurückhaltung der Frauen selbst gegenüber einer invasivenTherapie. Es kommen aber auch ein Zuweisungs-„Bias“ sowie eine unbewusste Zurückhaltung der abladierenden Elektrophysiologen infrage. Noch ausgeprägter als bei paroxysmalem Vorhofflimmern ist der niedrige Frauenanteil bei der Katheterablation von persistierendem Vorhofflimmern. In der multizentrischen STAR‑AF‑II-Studie, in der in 49 Zentren weltweit fast 570 Patienten eingeschlossen wurden, lag der Frauenanteil bei nur 19% [27]. Deisenhofer I. 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durch die geringere Wanddicke – vor allem bei Frauen mit einem BMI < 25 – erklärt werden kann. Es treten aber auch signifikant häufiger Verletzungen der Trikuspidal- klappe, vor allem bei Verwendung von Laser-Extraktions- systemen, auf. KERNAUSSAGEN ▪ Ausgehend von Unterschieden in der zellulären Elektrophysiologie, der Epidemiologie und wahr- scheinlich auch in genetischen Komponenten be- stehen für viele kardiale Arrhythmien geschlechts- spezifische Unterschiede. ▪ Aufgrund eines signifikant längeren QTc sind Frauen sowohl bei genetisch gesichertem LQTS, aber auch bei erworbenem LQTS gefährdeter, ventrikuläre Arrhythmien zu entwickeln. ▪ Im Kontrast dazu kommt es bei Frauen seltener zum plötzlichen Herztod und seltener zu ventri- kulären Tachykardien aufgrund struktureller Herz- erkrankungen als bei Männern. ▪ Die AVNRT betrifft deutlich mehr Frauen als Män- ner. Bei der AVNRT und bei Vorhofflimmern, das bei Männern signifikant häufiger ist, sind arrhythmie- induzierte Einschränkungen der Lebensqualität bei Frauen erheblich ausgeprägter als bei Männern. ▪ Auch das Risiko für mit Vorhofflimmern assoziierte Schlaganfälle ist bei Frauen größer als bei Männern. Eine OAK mit klassischen VKA hat bei Frauen ein signifikant höheres residuelles Schlaganfallrisiko – auch bei optimaler INR-Einstellung. ▪ Bei Vorhofflimmern, aber auch bei ventrikulären Tachykardien, sind die betroffenen Patientinnen im Schnitt deutlich älter als betroffene Männer, was die Therapieergebnisse negativ beeinflusst. ▪ Herzschrittmacher werden (fast) genauso häufig bei Frauen wie bei Männern implantiert und beide Geschlechter profitieren gleichermaßen von einer antibradykarden Therapie. Frauen sind bei Implan- tation älter und die Indikation ist häufiger ein Sick- Sinus-Syndrom. ▪ Im Gegensatz dazu werden bei Frauen bei gleicher Indikation signifikant weniger ICD implantiert als bei Männern. Wegen ihrer geringen Repräsentation in Studien kann keine definitive Aussage zum Benefit einer ICD-Therapie bei Frauen getroffen werden. Interessenkonflikt Erklärung zu finanziellen Interessen Forschungsförderung erhalten: nein; Honorar/geldwerten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: nein; Bezahlter Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an im Bereich der Medizin aktiven Firma: nein; Patent/ Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an zu Sponsoren dieser Fortbildung bzw. durch die Fortbil- dung in ihren Geschäftsinteressen berührten Firma: nein. Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessen- konflikt besteht. Autorinnen/Autoren Isabel Deisenhofer Prof. Dr. med., Medizinstudium in München. 1999–2006 Assistenzärztin an der 1. Medizi- nischen Klinik, Klinikum rechts der Isar und in der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen am Deutschen Herzzentrum München. 2007– 2013 Oberärztin und leitende Oberärztin der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen am Deutschen Herzzentrum München. Seit 2014 Leitung der neu gegrün- deten Abteilung für Elektrophysiologie am Deutschen Herz- zentrum München. Korrespondenzadresse Prof. Dr. med. Isabel Deisenhofer Abteilung für Elektrophysiologie Deutsches Herzzentrum München Lazarettstraße 36 80636 München deisenhofer@dhm.mhn.de Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungs- bestimmungen für diesen Beitrag ist Prof. Dr. med. Isabel Deisenhofer, München. Literatur [1] Linde C, Bongiorni MG, Birgersdotter-Green U et al.; ESC Sci- entific Document Group. Sex differences in cardiac arrhyth- mia: a consensus document of the European Heart Rhythm Association, endorsed by the Heart Rhythm Society and Asia Pacific Heart Rhythm Society. Europace 2018; 20: 1565a– 1565ao. doi:10.1093/europace/euy067 [2] Gaborit N, Varro A, Le Bouter S et al. Gender related differ- ences in ion-channel and transporter subunit expression in non-diseased human hearts. J Mol Cell Cardiol 2010; 49: 639–646 [3] Rautaharju PM, Zhou SH, Wong S et al. Sex differences in the evolution of the electrocardiographic QT interval with age. Can J Cardiol 1992; 8: 690–695 Deisenhofer I. Frauen und Arrhythmien Kardiologie up2date 2020; 16: 75–90 87

Punkte sammeln auf CME.thieme.de Diese Fortbildungseinheit ist in der Regel 12 Monate online für die Teilnahme verfügbar. Den genauen Einsendeschluss finden Sie unter https://cme.thieme.de. Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, finden Sie unter https://cme.thieme.de/hilfe eine ausführliche Anleitung. Wir wünschen viel Erfolg beim Beantworten der Fragen! Unter https://eref.thieme.de/CXBBPBX oder über den QR-Code kommen Sie direkt zur Startseite des Wissenstests. VNR 2760512020158724209 Frage 1 Frage 3 Welche Aussage zur Erregungsbildung und ‑ausbreitung ist rich- tig? A Der Wenckebach-Punkt ist bei Frauen und Männern gleich. B Der Wenckebach-Punkt liegt bei Frauen ca. 10–15 Schläge/ min über dem der Männer. C Der Wenckebach-Punkt liegt bei Männern 10–15 Schläge/ min über dem der Frauen. D Bei Frauen im Pubertätsalter liegt der Wenckebach-Punkt deutlich über dem von Frauen > 70 Jahre. E Bei weiblichen Patienten ist im Gegensatz zu männlichen Pa- tienten eine Verlängerung des PQ-Intervalls bis an die obere Norm unter Betablockertherapie häufig zu beobachten. Frage 2 Welche Aussage zur Erregungsrückbildung ist richtig? A Das auf die Herzfrequenz korrigierte QT-Intervall (QTc) weist keine geschlechterspezifischen Unterschiede auf. B Während die QTc-Zeit zunächst bei Mädchen und Jungen gleich ist, kommt es bei Männern mit der Pubertät zu einer messbaren Verlängerung des QTc. C Bei jungen Frauen kommt es, vermutlich durch den Einfluss weiblicher Sexualhormone, zu einer kontinuierlichen Verkür- zung des QTc. D Das QTc ist bei Frauen jenseits der Pubertät ca. 20 ms länger als bei gleichaltrigen Männern. E Bei beiden Geschlechtern kommt es, ausgehend von unter- schiedlichen Ausgangswerten nach der Pubertät, über die Jahre zu einer langsam zunehmenden QTc-Verkürzung. Welche Aussage zu Ionenkanalerkrankungen ist falsch? A Beim Brugada-Syndrom haben Frauen ein höheres Risiko für maligne Arrhythmien. B Ionenkanalerkrankungen folgen einem autosomal-dominan- ten Erbgang, dennoch variiert die Penetranz bzw. der Phäno- typ erheblich in Abhängigkeit vom Geschlecht. C Wenn bei nachgewiesenem LQTS 1 bis zum 16. Lebensjahr keine verdächtigen (Prä-)Synkopen aufgetreten sind, sinkt bei jungen Männern das Arrhythmierisiko, während es bei jungen Frauen gleichbleibt oder sogar ansteigt. D Beim LQTS 2 haben Frauen in allen „hormonellen“ Lebens- abschnitten ein deutlich höheres Arrhythmierisiko als Män- ner. E Beim LQTS 3 bestehen am wenigsten geschlechtsspezifische Unterschiede. Frage 4 Welche Aussage ist richtig? Bei der arrhythmogenen rechtsven- trikulären Kardiomyopathie (ARVC) ist die Erkrankungspene- tranz bei gleichem Gendefekt … A bei Männern und Frauen gleich hoch. B bei Frauen doppelt so hoch wie bei Männern. C bei Männern doppelt so hoch wie bei Frauen. D bei Frauen dreimal so hoch wie bei Männern. E bei Männern dreimal so hoch wie bei Frauen. ▶ Weitere Fragen auf der folgenden Seite … Deisenhofer I. Frauen und Arrhythmien Kardiologie up2date 2020; 16: 75–90 89

Fort- und Weiterbildung mit dem roten Faden Gastroenterologie Geriatrie Geriatrie Geriatrie Gastroenterologie Gastroenterologie up2date up2date up2date up2date up2date up2date Kardiologie Kardiologie Kardiologie Kardiologie Kardiologie Kardiologie up2date up2date up2date CME-Fortbildung CME-Fortbildung CME-Fortbildung Komplikationen der Komplikationen der Komplikationen der Komplikationen der Komplikationen der Komplikationen der Komplikationen der Komplikationen der Komplikationen der Komplikationen der Komplikationen der Komplikationen der Leberzirrhose Leberzirrhose Leberzirrhose ▪ mmunvermittelte ▪ mmunvermittelte ▪ mmunvermittelte sophagitiden sophagitiden sophagitiden ▪ astrointestinale ▪ astrointestinale ▪ astrointestinale SrittfrSritt SrittfrSritt SrittfrSritt ▪ Endosonografi sche ▪ Endosonografi sche ▪ Endosonografi sche ▪ Endosonografi sche ▪ Endosonografi sche ▪ Endosonografi sche SOP/Arbeitsablauf SOP/Arbeitsablauf SOP/Arbeitsablauf ▪ Entlassungsmanagement ▪ Entlassungsmanagement ▪ Entlassungsmanagement ▪ Entlassungsmanagement ▪ Entlassungsmanagement ▪ Entlassungsmanagement CME-Fortbildung CME-Fortbildung CME-Fortbildung Herzinsuffizienz Herzinsuffizienz Herzinsuffizienz pdate kardiovaskulre pdate kardiovaskulre pdate kardiovaskulre pdate kardiovaskulre pdate kardiovaskulre pdate kardiovaskulre isikofaktoren isikofaktoren isikofaktoren antithrombotische antithrombotische antithrombotische antithrombotische antithrombotische antithrombotische Therapiestrategien Therapiestrategien Therapiestrategien Therapiestrategien Therapiestrategien Therapiestrategien Kardiomyopathie Kardiomyopathie Kardiomyopathie erzschrittmacher erzschrittmacher erzschrittmacher erzschrittmacher erzschrittmacher erzschrittmacher SrittfrSritt SrittfrSritt SrittfrSritt Herzens Herzens Herzens Onkologie Onkologie Onkologie up2date up2date up2date Genau das, was Sie in der Praxis brauchen: Fortbildungsbeiträge aus allen Bereichen Ihres Fachgebiets. Wir aktualisieren mit System – Sie bleiben ganz automatisch dran. Mit den eigenen Patienten vergleichen: Die konkreten Fallbeispiele in den Beiträgen machen es möglich. Immer souverän handeln: CME-Beiträge ausgewiesener Experten, Schritt-für-Schritt-Anleitungen, Handlungspfade zur Qualitätssicherung – evidenzbasiert und gesichert. Entspannt weiterkommen: Die klare Sprache und Gestaltung sorgen für hohen Lesekomfort. Und Sie füllen nebenbei noch Ihr CME-Punkte-Konto auf. 4-MAL JÄHRLICH – Einstiegspreis für Neuabonnenten! ONLINE & OFFLINE – mit der kostenlosen eRef App www.thieme.de/up2date

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