Großtiere / Nutztiere G Tierärztliche Praxis 1 2023 ▪ Phänotypisierung des 51. Jahrgang Seite 1–56 Schafschwanzes – Darstellung von Methoden zur Charakterisierung im Rahmen der Zucht auf Kurzschwänzigkeit ▪ Tierschutz bei Transport und Schlachtung von Rindern – Hintergründe und Wissenswertes ▪ Definition, Häufigkeit und Ursachen der Dystokie beim Pferd – eine Literatur- übersicht ▪ 3 Fälle von Abomasitis im Zusammenhang mit einer Infektion mit Sarcina sp. beim Kalb ▪ Sohlenabszess (Pododermatitis purulenta superficialis) bei einem Trampeltier Offizielles Organ der DVG-Fachgruppen: • Innere Medizin und klinische Labordiagnostik • Pathologie • Veterinärmedizinische Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie (VAINS) • Krankheiten der kleinen Wiederkäuer • Schweinekrankheiten • Geflügelkrankheiten • Bienen • und der deutschsprachigen Gruppe der European Association of Avian Veterinarians (EAAV)

Editorial Board Tierärztliche Praxis G Großtiere Nutztiere Schriftleitung Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Hartwig Bostedt Prof. Dr. Axel Wehrend (verantwortlich) Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie der Groß- und Kleintiere mit Tierärztlicher Ambulanz der Justus-Liebig- Universität Gießen Prof. Dr. Walter Brehm Chirurgische Tierklinik (Großtierchirurgie) der Universität Leipzig Prof. Dr. Melanie Hamann Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Fachbereich Veterinärmedizin der Justus- Liebig-Universität Gießen Prof. Dr. Rüdiger Korbel Klinik für Vögel, Reptilien, Amphibien und Zierfi sche der Ludwig-Maximilians-Univer- sität München Prof. Dr. Michael Lierz Klinik für Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische der Justus-Liebig-Universität Gießen Prof. Dr. Karl Nuss Departement für Nutztiere, Wiederkäuerchir- urgie, der Universität Zürich Prof. Dr. Mathias Ritzmann Klinik für Schweine der Ludwig-Maximilians- Universität München Wissenschaftlicher Beirat Baumgärtner, W., Hannover Bollwein, H., Zürich, Schweiz Daugschies, A., Leipzig Erhard, M., München Fey, K., Gießen Fink-Gremmels, J., Utrecht, Niederlande Gajewski, Z., Warschau, Polen Ganter, M., Hannover Gehlen, H., Berlin Georgiev, P., Stara Zagora, Bulgarien Gerhards, H., München große Beilage, E., Hannover Gruber, A., Berlin Grund, Ch., Greifswald Hoedemaker, M., Hannover Kästner, S., Hannover Kauff old, J., Leipzig Kienzle, E., München Knieriem, A., Berlin Knubben-Schweizer, G., München Kofl er, J., Wien, Österreich Krömker, V., Hannover Lischer, Ch., Berlin Müller, K., Berlin Nathues, H., Bern, Schweiz Sendag, S., Van, Türkei Steiner, A., Bern, Schweiz Vahlenkamp, Th., Leipzig Vervuert, I., Leipzig Zentek, J., Berlin Organschaften Offi zielles Organ der DVG-Fachgruppen Innere Medizin und klinische Labordia- gnostik, Pathologie, Veterinärmedizinische Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie (VAINS), Krankheiten der kleinen Wiederkäuer, Schweinekrank- heiten, Gefl ügelkrankheiten, Bienen und der deutschsprachigen Gruppe der European Association of Avian Veterinarians (EAAV) Als Publikationsorgan anerkannt von ECBHM, ECPHM, ECVAA*, ECVDI, ECVP*, ECVD* * (nur englischsprachige Artikel) „Recommended reading list” bzw. „additionally approved” bei: ECZM, ECEIM, ECVS Weitere Infos unter www.ebvs.org Listung in Datenbanken Medline FocusOn: Veterinary Science & Medicine SciSearch Index Veterinarius Veterinary Bulletin Animal Science Database Animal Production Database AgBiotechNet Veterinary Science Database Scopus/EMBiology Science Citation Index Expanded Zoological Record Webseite www.thieme.de/tp-grosstier Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023; 51 | © 2023. Thieme. All rights reserved. 1

Verschiedenes 5 Editorial 50 Kompendium 52 Mitteilungen der DVG 56 Forum der Industrie Impressum: nach letzter Seite Covergestaltung: © Thieme Bildnachweis Cover: © nilanewsom/stock.adobe.com Quelle: Vetmeduni Vienna, Universitätsklinik für Wiederkäuer MELDUNG V E T I D A T A VETIDATA stellt eine Informationsplattform zu Fragen in Bezug auf Arzneimittelanwendung, Toxikologie und Arzneimittelrecht dar. Umfassende Informationen wie aktuelle Rechtsvorschriften, Angabenzu Präparaten, Impfstofen, Wirkstofen und zur Rück- standsproblematik erhalten Sie über den Internetauftritt unter http://www.vetidata.de oder die bundeseinheitliche Service- rufnummer. Per Telefon, Faxoder E-Mail können auch individu- elle Fragestellungen geklärt werden. Der Zugrif auf die Webseite ist registrierten Nutzern vor- behalten. Unter „Registrierung“ erstellen Sie Ihren persönlichen Zugang. Bei weiteren Besuchen der Webseite können Sie über „Login“ mit Ihren Zugangsdaten auf die Inhalte von VETIDATA zugreifen. Das Entgelt für den Zugrif per Internet beträgt derzeit 55, –€/Jahr zzgl. der geltenden Mehrwertsteuer. Innerhalb einer Testphase von 4 Wochen nach der erstmaligen Registrierung können Nutzer den Vertragkündigen, ohne dass weitere fi nazielle Forderungen entstehen. Veterinärmedizinischer Informationsdienst für Arzneimittel- anwendung, Toxikologie und Arzneimittelrecht An den Tierkliniken 39 04103 Leipzig http://www.vetidata.de E-Mail: info@vetidata.de Fax: 03 41-97 38 439 Servicerufnummer für Anfragen: 01 80-500 9119 (0,14 €/Minute im Festnetz, max. 0,42 €/Minute aus Mobilfunknetzen), Montag–Freitag: 9:00–16:00 Uhr Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023; 51 | © 2023. Thieme. All rights reserved. 33

Editorial Liebe Leserinnen, liebe Leser, ... Prof. Dr. Axel Wehrend Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie der Groß- und Kleintiere mit Tierärztlicher Ambulanz Justus-Liebig-Universität Gießen Mit dem diesjährigen Jahrgang legt Prof. Dr. Dr. h.c. mult Hartwig Bostedt seine Tä- tigkeit in der Schriftleitung der Zeitschrift Tierärztliche Praxis nieder. Mit Respekt vor seinem bisherigen Lebenswerk nehmen wir seine Entscheidung mit Be- dauern zur Kenntnis und bedanken uns für die vielen Jahre der konstruktiven und erfolg- reichen Zusammenarbeit. Über Jahrzehnte hat Prof. Bostedt die Entwicklung der Zeit- schrift vorangetrieben und ihr Gesicht geprägt. Er hat es verstanden, Autoren und Gut- achter zu gewinnen, und unermüdlich für das Ziel einer veterinärwissenschaftlichen, deutschsprachigen Zeitschrift, die Impulse in die Praxis gibt, gearbeitet. Zu einer Zeit, in der Manuskripteinreichung, -korrektur und -verarbeitung online erfolgt, kann man kaum noch nachvollziehen, mit wieviel Arbeit das Amt eines verantwortlichen Schrift- leiters, dessen Position Prof. Bostedt viele Jahre innehatte, verbunden war. Was heute der Computer ist, waren lange Zeit Schreibmaschine, Post und Telefon. Prof. Bostedt hat sein wissenschaftliches Renommee, seine vielen Kontakte in die ver- schiedenen Bereiche der Veterinärmedizin und die Industrie zum Wohl der Zeitschrift Tierärztliche Praxis verwendet. Dabei hat er seine Aufgabe als Schriftleiter auch dazu genutzt, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern. Viele Kolleginnen und Kolle- gen, die sich heute in einer herausgehobenen Stellung der veterinärmedizinischen For- schung befi nden, haben ihre ersten Arbeiten in der Tierärztlichen Praxis auf seine Anre- gung hin veröff entlicht. Prof. Bostedt hat aber auch immer Praktikerinnen und Praktiker ermutigt, Fallbericht und Untersuchungen zu veröff entlichen. Als Gutachter war er immer konstruktiv, das Ziel vor Augen, ein eingereichtes Manuskript zur Veröff entli- chungsreife zu bringen und nicht es zu verhindern. Wir hoff en Prof. Bostedt wird uns auch nach dem Ausscheiden aus der Schriftleitung mit Rat und Tat zur Seite stehen. Vielen Dank für die vielen Jahre der Inspiration Axel Wehrend Für die Schriftleitung Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023 ; 51: 5 | © 2023 . Thieme. All rights reserved. 5

ABSTR AC T Objective In order to establish targeted breeding for short- tailedness, a suitable method must initially be found that allows phenotyping of the sheep tail beyond tail length. In this study, in addition to assessing body measurements, more advanced studies such as ultrasonography and radiology were performed on the caudal spine of sheep for the fi rst time. The objective of this work was to analyze the physiological variation of tail lengths and vertebrae within a merino sheep population. It also aimed to validate the use of sonographic gray scale analysis and perfusion measurement on the sheep tail. Material and method Tail length and circumference in centi- meters were measured in 256 Merino lambs on the fi rst or se- cond day of life. At 14 weeks of age the caudal spine of these animals was examined radiographically. Sonographic gray scale analysis and measurement of the perfusion velocity of the caudal artery mediana were also performed in a portion of the animals. Results The tested method of measurement showed a stan- dard error of 0,08 cm and a coeffi cient of variation of 0,23 % for tail length and 0,78 % for tail circumference. The animals had a mean tail length of 22,5 ± 2,32 cm and a mean tail circumfe- rence of 6,53 ± 0,49 cm. The mean caudal vertebrae count for this population was 20,4 ± 1,6. The use of a mobile radiographic unit is well suited for imaging the caudal spine in sheep. It was demonstrated that the caudal median artery could be imaged for measurement of perfusion velocity (cm/s), and sonographic gray-scale analysis also showed good feasibility. The mean gray scale value is 19,74 ± 4,5 and the modal value for the most com- monly found gray scale pixels is 191,53 ± 120,2. The mean per- fusion velocity for the caudal artery mediana is 5,83 ± 3,04 cm/s. Conclusion The results show that the methods presented are well suited for further characterization of the ovine tail. For the fi rst time, gray values for the tail tissue and the perfusion velo- city of the caudal artery mediana were determined. Einleitung Der Verzicht auf das routinemäßige Schwanzkupieren von Schafen ist aufgrund der Vorgaben des deutschen Tierschutzgesetzes notwendig [ 1 ] . Verschiedene Studien haben gezeigt, dass das Kupieren der Schwänze mit Gummiringen von Lämmern mit Schmerzen einher- geht, welche es zu vermeiden gilt [ 2 , 3 ] . Die Haltung unkupierter Scha- fe stellt den Tierhalter vor größere Herausforderungen in Bezug auf die Tierbeobachtung und das Gesundheitsmanagement. Im Vorder- grund steht dabei die stärkere Verschmutzung des Anogenitalberei- ches, welche insbesondere für den Deckakt, die Ablammung, Schlach- tung und Schur ein hygienisches Problem darstellt [ 4 , 5 ] . Auch ein er- höhtes Risiko eines Fliegenmadenbefalles in Zusammenhang mit langer, feuchter Wolle im Anogenitalbereich und Durchfallerkrankun- gen ist einer der Gründe, warum das Kupieren der Schwänze beim Schaf national und international noch weit verbreitet ist [ 4 , 6 ] . Eine Möglichkeit, in Zukunft auf das Schwanzkupieren zu ver- zichten, ist die Zucht auf Kurzschwänzigkeit [ 4 , 7 ] . Dazu ist eine ex- akte Erfassung der Schwanzlänge bzw. der Charakteristika des Schwanzes notwendig. Die Herdbuchdatenbank OviCap der Vereinigung Deutscher Landes-Schafzuchtverbände e.V. (VDL) und des Bundesverbands Deutscher Ziegenzüchter e.V. (BDZ) bietet eine Möglichkeit die op- tisch erfasste Schwanzlänge in Beziehung zum Sprunggelenk zu dokumentieren. Dabei wird die Schwanzlänge in über dem Sprung- gelenk endend (kurz), auf Höhe des Sprunggelenks endend (mit- tel) und unterhalb des Sprunggelenks endend (lang) eingeteilt ( ▶ Abb. 1 ). Genauere Methoden zur Phänotypisierung wären dem- nach wünschenswert. Bisher wurden verschiedene Methoden zur Erfassung der Schwanzlänge beim Schaf in Zentimetern sowie die Verwendung von verschiedenen Korrekturfaktoren für die individuelle Körpergrö- ße beschrieben [ 7 – 10 ] . Zur Beurteilung der Vorteile einer Selektion auf verkürzte Schwänze ist es jedoch notwendig, nicht nur die phä- notypische Schwanzlänge isoliert zu betrachten, sondern die Mor- phologie des Schwanzes umfassend zu evaluieren. Dabei gilt es zu vermeiden, dass mit der Zucht auf Kurzschwänzigkeit Schmerzen, Leiden und Schäden bei den betroff enen Tieren durch assoziierte Veränderungen wie z. B. Wirbelmissbildungen oder Minderdurch- blutung im Schwanzbereich entstehen. Eine auf diese Intention aus- gerichtete Phänotypisierung ist bisher noch nicht erfolgt. In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass das T-Gen hauptverantwortlich für die Ausprägung der Schwanzlänge ist, aber auch einen Einfl uss auf das Vorkommen von Wirbeldefor- mationen u. a. bei Katzen und Kühen hat [ 11 – 13 ] . In dieser Veröff entlichung sollen Methoden vorgestellt werden, mit denen die Schwänze von Lämmern objektiv morphologisch charakte- risiert werden können. Dazu soll die metrische Messung, die radiolo- gische und die ultrasonografi sche Darstellung evaluiert werden. Material und Methode Tiere und Datenerhebung Zur Erfassung der phänotypischen Veränderung der Schwanzlän- ge wurden verschiedene Körpermaße in einer Merinolandschaf- gruppe des Lehr- und Forschungsgutes Oberer Hardthof der Jus- tus-Liebig-Universität Gießen nach der Geburt erhoben. Im Alter von 14 Wochen wurden ultrasonografi sche sowie röntgenologi- sche Untersuchungen der Schwanzwirbelsäule durchgeführt. Die Untersuchungen wurden von der zuständigen Tierschutz-Kommis- sion genehmigt (V 54–19c 20 15 h 01 GI 18/14 Nr. G 44/2021). Die untersuchten Lämmer entstammten einer gezielten Anpaa- rung entsprechend der dokumentierten Schwanzlänge der Eltern- tiere mittels Sprung aus der Hand. Von 256 Lämmern, die zwischen dem 17.01.2022 und 23.02.2022 geboren wurden, erfolgte spätestens am 2. Lebenstag die Vermes- sung des Schwanzes. Die Lämmer befanden sich bis zu einem Alter von 4 Tagen in Ein- zelbuchten gemeinsam mit den dazugehörigen Muttertieren und anschließend in Kleingruppen. Ab der 2. Lebenswoche wurden die Hümmelchen H et al. Phänotypisierung des Schafschwanzes – … Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023 ; 51 : 6 – 14 | © 2023 . Thieme. All rights reserved. 7

▶ Abb. 4 B-Mode-Standbild der Schwanzunterseite eines 14-Wo- chen alten Lammes mit einem defi nierten ROl. Das dazugehörige Histogramm und die Ergebnisse der Graustufenanalyse sind in der unteren Bildhälfte eingeblendet. Quelle: Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie der Groß- und Kleintiere, Justus-Liebig- Universität, Gießen. B-mode freeze frame of the tail bottom of a 14-week-old ▶ Fig. 4 lamb with a defi ned ROl. The corresponding histogram and the results of the grayscale analysis are shown in the lower half of the image. Source: Clinic for Obstetrics, Gynaecology and Andrology of Small and Large Animals, Justus-Liebig University of Giessen. Mit dem mobilen Röntgengerät Physia GAMMA Light AD 100|20 konnten die dorsoventralen Röntgenaufnahmen vor Ort im Stall aufgenommen werden. Da die Schwanzlänge bei manchen Tieren die Detektorplattengröße überstieg, mussten zum Teil 2 Aufnah- men pro Tier angefertigt werden. Um die Überlappung beider Auf- nahmen zu kennzeichnen, wurde ein röntgendichter Metalldraht am Schwanz befestigt. Zur Darstellung der Wirbel wurde eine Ein- stellung von 40 kV und 2,5 mAs angewandt. Quantitative Graustufenanalyse Die Graustufenanalyse des Schwanzes von insgesamt 29 Lämmern ist mithilfe des Honda HS-1500 Ultraschallgerätes (Honda Electro- nics Co., Ltd., Toyohashi Aichi Prefecture, Tokio, 441–3193 Japan) unter Verwendung einer Linearsonde (HLV-375M) mit einer Fre- quenz von 7,5 MHz durchgeführt worden. Als Kontaktmittel für eine bessere Ankopplung an die Haut sowie zur Schonung der Ult- raschallsonde wurde ein Ultraschallgel (CV-Sonic, C + V Pharma- Depot GmbH) verwendet. Die Linearsonde wurde in Längsrichtung auf die Schwanzunter- seite im unbewollten kranialen Abschnitt mit dem Sondenvorde- rende nach kranial zeigend aufgelegt ( ▶ Abb. 3 ). Dadurch konnte ein B-Mode-Standbild der Schwanzstrukturen erfasst werden. In- nerhalb dieses Standbildes wurde eine Region of Interest (ROI) als quadratische Messbox von 5 mm festgelegt und direkt nach der Aufzeichnung vom Ultraschallgerät berechnet. Das Gerät errech- net für die Grundfl äche der Boxen eine Grauwertverteilung in Form eines Histogramms. Außerdem werden der Mittelwert dieser Ver- teilung (Lmean), die Standardabweichung (SD), der Modalwert für die meist aufgefundenen Grauwertpixel (Nmost) und ein Quotient aus Nmost und einem vom Gerät festgesetzten Maximalwert an Grauwertpixeln (Nall) errechnet und auf dem Standbild eingeblen- det ( ▶ Abb. 4 ). ▶ Abb. 3 Auf der Schwanzunterseite eines Lammes aufgelegte Ultraschall-Linearsonde mit dem Sondenvorderende nach kranial zeigend. Quelle: Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie der Groß- und Kleintiere, Justus-Liebig-Universität, Gießen. ▶ Fig. 3 Linear sensor placed on the tail bottom of a lamb with the anterior end of the linear ultrasonic sensor pointing cranially. Source: Clinic for Obstetrics, Gynaecology and Andrology of Small and Large Animals, Justus-Liebig University of Giessen. Die Messung des Schwanzumfanges erfolgte mithilfe eines zu- ziehbaren, an derselben Konstruktion befestigten Maßbandes, durch welches der Schwanz gelegt wurde. Gemessen wurde der Schwanzumfang am kranialsten Bereich, kurz vor dem Übergang in das Becken. Von 2 Tieren wurden Wiederholungsmessungen durchgeführt. Dazu wurden die Schwänze der beiden Lämmer am selben Tag 10-mal im Abstand von 5 Minuten ausgemessen. Um eine exakte Wiederholbarkeit gewährleisten zu können, wurden alle Messungen von der gleichen Person durchgeführt. Die Aufbereitung der Daten und Erstellung von Mittelwertta- bellen und Häufi gkeitsverteilungen erfolgte mithilfe des Statistik- programmes SAS OnDemand for Academics (SAS, 2022). Röntgenologische Untersuchung Zur Zählung der Schwanzwirbel wurde der Schwanz- und Becken- bereich von 216 Lämmern im Alter von 14 Wochen röntgenolo- gisch untersucht. Dazu wurden die Lämmer in eine auf dem Rücken liegende Position verbracht und von einer Hilfsperson gehalten. Hümmelchen H et al. Phänotypisierung des Schafschwanzes – … Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023 ; 51 : 6 – 14 | © 2023 . Thieme. All rights reserved. 9

t i e k g i f u ä H 60 50 40 30 20 10 0 1 15 49 50 42 30 16 5 17 6 17 18 19 20 21 22 23 24 Wirbelanzahl ▶ Abb. 9 Häufi gkeit der Wirbelanzahl der 216 röntgenologisch untersuchten Merinolandschaf-Lämmer. Quelle: Klinik für Geburts- hilfe, Gynäkologie und Andrologie der Groß- und Kleintiere, Justus- Liebig-Universität, Gießen. ▶ Fig. 9 Frequency of the vertebrae number of 216 merino lambs examined radiographically. Source: Clinic for Obstetrics, Gynaecolo- gy and Andrology of Small and Large Animals, Justus-Liebig Universi- ty of Giessen. ▶ Tab. 1 der Rasse Merinolandschaf. Ergebnisse der Messungen von 249 Lämmerschwänzen ▶ Table 1 Results of measurements of 249 lambs' tails of merino sheep. Tier- zahl Mittel- wert (x̅) Stan- dardab- wei- chung Mini- maler Wert Maxi- maler Wert Range SL SU 249 256 22,55 6,53 2,32 0,49 17,0 3,4 28,2 7,9 11,2 4,5 SL = Schwanzlänge, SU = Schwanzumfang; SL = tail length, SU = tail circumference. t i e k g i f u ä H 50 40 30 20 10 0 17 18 19 20 22 21 24 Schwanzlänge (cm) 23 25 26 27 28 ▶ Abb. 7 Absolute Häufi gkeit der Schwanzlängen (cm) von 249 Merinolandschaf-Lämmern. Quelle: Klinik für Geburtshilfe, Gynäkolo- gie und Andrologie der Groß- und Kleintiere, Justus-Liebig-Universi- tät, Gießen. Frequency of tail lengths (cm) of 249 merino lambs. ▶ Fig. 7 Source: Clinic for Obstetrics, Gynaecology and Andrology of Small and Large Animals, Justus-Liebig University of Giessen. 120 100 t i e k g i f u ä H 80 60 40 20 0 5 6 7 6 Schwanzumfang (cm) 7 8 8 ▶ Abb. 8 Häufi gkeit der Schwanzumfänge (cm) von 256 Merinoland- schaf-Lämmern. Quelle: Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie der Groß- und Kleintiere, Justus-Liebig-Universität, Gießen. Frequency of tail circumferences (cm) of 256 merino ▶ Fig. 8 lambs. Source: Clinic for Obstetrics, Gynaecology and Andrology of Small and Large Animals, Justus-Liebig University of Giessen. ▶ Abb. 10 Ausschnitt einer Röntgenaufnahme der Schwanzwirbel- säule eines Lammes. Quelle: Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie der Groß- und Kleintiere, Justus-Liebig-Universität, Gießen. ▶ Fig. 10 Section of an x-ray of the caudal spine of a lamb. Source: Clinic for Obstetrics, Gynaecology and Andrology of Small and Large Animals, Justus-Liebig University of Giessen Zusammenfassend ist festzustellen, dass die verwendete am- bulante Röntgenanlage sehr gut dazu geeignet ist, die Anzahl der Schwanzwirbel zu bestimmen ( ▶ Abb. 10 ). Quantitative Graustufenanalyse und Messung der Perfusionsgeschwindigkeit Der mittlere Grauwert beträgt 19,74 ± 4,5, der Modalwert für die meist aufgefundenen Grauwertpixel (Nmost) beträgt 191,53 ± 120,2 und der Quotient aus Nmost und Nall beträgt 8,87 ± 1,8 ( ▶ Tab. 2 ). Die mittlere Perfusionsgeschwindigkeit für die Arteria caudalis mediana beträgt 5,83 ± 3,04 cm/s ( ▶ Tab. 3 ). Mit Hilfe der Graustufenanalyse lassen sich Gewebecharakteris- tika objektiv erfassen, die der subjektiven Beurteilung im B-Mode überlegen sind. Zudem lässt sich die Arteria caudalis mediana für die Perfusionsmessung gut darstellen. Hümmelchen H et al. Phänotypisierung des Schafschwanzes – … Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023 ; 51 : 6 – 14 | © 2023 . Thieme. All rights reserved. 11

In der vorgestellten Untersuchung konnten Gewebecharakteristika aller untersuchten Lämmer mit Hilfe der Graustufenanalyse objektiv er- fasst werden. Bisher liegen noch keine Angaben zum Grauwert des Schwanzgewebes von Schafen vor. Somit können die dargestellten Werte als vorläufi ge Vergleichswerte für zukünftige Untersuchungen gelten, die jedoch an größeren Tierzahlen evaluiert werden müssen. Die Messung der Perfusionsgeschwindigkeit wurde mithilfe eines Verfahrens zur mikrovaskulären Bildgebung (Superb Micro- vascular Imaging) durchgeführt. Superb Microvascular Imaging (SMI) ist ein neues Verfahren zur Gefäßdarstellung, welches im Ge- gensatz zur Farbdoppler-Sonografi e die Visualisierung von niedri- gen Geschwindigkeiten und mikrovaskulärem Fluss ermöglicht [ 23 , 24 ] . In der Humanmedizin wird dieses Verfahren unter ande- rem in der Onkologie zur Beurteilung von neoplastischen Brust- und Leberläsionen angewandt [ 23 , 25 ] . Veröff entlichungen über den Einsatz der SMI in der Veterinärmedizin liegen bisher nicht vor. In der vorgestellten Untersuchung konnte die Arteria caudalis mediana bei allen 24 Lämmern gut dargestellt werden. Da das Gefäß einen geringen Durchmesser aufweist, ist es wichtig, dass die Lämmer sich in einer ruhigen Position für die Messung befi n- den. Nur so kann eine aussagekräftige Messung der Perfusionsge- schwindigkeit erzielt werden. Eine ähnliche röntgenologische Untersuchung wie die hier vor- gestellte, wurde am Schwanzbereich von Hunden durchgeführt [ 26 ] . Bisher fehlen in der Literatur systematische Untersuchungen zur ra- diologischen Darstellung der Schwanzstrukturen von Schafen. Durch die mobile Röntgenanlage konnten die Röntgenaufnah- me der Lämmer schnell und ohne großen Aufwand durchgeführt werden. Da bei einigen Lämmern die Schwanzlänge die Größe der Detektorplatte überstieg, wurden 2 Aufnahmen angefertigt und der sich überschneidende Schwanzabschnitt mit einem Metalldraht markiert. Diese Methode eignet sich sehr gut, um die Bildausschnit- te bei der Auswertung zuordnen zu können. FA ZIT FÜR DIE PR A XIS Die Zucht auf Kurzschwänzigkeit stellt die einzig sinnvolle Alternative zur zootechnischen Maßnahme der Amputation von kaudalen Schwanzwirbeln beim Schaf dar. Jedoch gilt es bei dieser gezielten Zucht auf Kurzschwänzigkeit die Entstehung von Anomalien in der Schwanz- und Beckenwir- belsäule zu vermeiden. Im Vergleich zu in der Literatur beschriebenen Methoden zur Erfassung von Körpermaßen scheint die Verwendung der hier vorgestellten Messkonstruktion einen Vorteil in Hinblick auf die Praxistauglichkeit und die Verringerung von Messfehlern zu haben. Es konnte außerdem die gute Anwendbarkeit der Ultrasonografi e und Radiologie über bereits bekannte Einsatzgebiete hinaus beschrieben werden. Wünschenswert wäre die routinemäßige Ausmessung und Charakterisierung neugeborener Lämmer und eine gezielte Anpaarung der Tiere, welche eine kürzere Schwanzlänge aufweisen. Dies kann einfach an bereits etablierte Maßnah- men nach der Geburt, wie der Gewichtserhebung und dem Setzen von Ohrmarken, angeschlossen werden. Interessenkonflikt Die Autoren bestätigen, dass kein Interessenskonfl ikt besteht. Literatur [1] TierSchG §5 Absatz 3 Satz 4, §6. Tierschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 2006 (BGBl. I S. 1206, 1313), das zuletzt durch Artikel 105 des Gesetzes vom 10. August 2021 (BGBl. I S. 3436) geändert worden ist. https://www.gesetze-im-internet.de/ tierschg/BJNR012770972.html [2] Grant C . Behavioural responses of lambs to common painful husbandry procedures . Appl Anim Behav Sci 2004 ; 87 : 255 – 273 . doi: 10.1016/j.applanim.2004.01.011 [3] Kent J E , Molony V , Graham M J . Comparison of methods for the reduction of acute painproduced by rubber ring castration or tail docking of week-old lambs . Vet J 1998 ; 155 : 39 – 51 . doi: 10.1016/ S1090-0233(98)80033-6 [4] Hümmelchen H , Wagner H , König S et al. Bedeutung der Schwanzlänge beim Schaf und Zucht auf Kurzschwänzigkeit . Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2022 ; 50 : 187 – 194 . doi: 10.1055/a-1851-9402 [5] Hannemann R , Bauer B , Ganter M et al. Schmerzhafte Eingriff e beim Schaf – Schwanzkupieren . Tierarztl Prax Ausg G 2017 ; 45 : 302 – 311 . doi: 10.15653/TPG-170354 [6] Wall R . Ovine cutaneous myiasis: eff ects on production and control . Vet Parasitol 2012 ; 189 : 44 – 51 . doi: 10.1016/j.vetpar.2012.03.031 [7] Eck K S . Untersuchung der natürlichen Schwanzlängenvariation beim Merinolanschaf als mögliche Zuchtalternative zur tierschutzrelevanten Praktik des Schwanzkupierens [Dissertation] . München : Ludwig- Maximilian-Universität München ; 2020 [8] James PJ, Ponzoni RW, Gare DR, et al. Inheritance of short tailedness in South Australian Merinos. Proc Assoc Advmt Anim Breed Genet, 1991: 404–407. Im Internet: http://www.aaabg.org/proceedings/1991/ ab91085.pdf [9] Greeff J C , Karlsson LJ E , Schlink A C . Inheritance of tail length in Merino sheep . Proc Assoc Advmt Anim Breed Genet 2015 ; 237 – 240 [10] Eck K , Kunz E , Mendel C et al. Morphometric measurements in lambs as a basis for future mapping studies . Small Rumin Res 2019 ; 181 : 57 – 64 . doi: 10.1016/j.smallrumres.2019.04.007 [11] Buckingham K J , McMillin M J , Brassil M M et al. Multiple mutant T alleles cause haploinsuffi ciency of Brachyury and short tails in Manx cats . 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Übersichtsartikel Tierschutz bei Transport und Schlachtung von Rindern – Hintergründe und Wissenswertes Animal welfare during transport and slaughter of cattle – background and facts Autorinnen/Autoren Kathrin Herzog , Cora Kolk Institut Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Dezernat 33, Tierschutzdienst, Wardenburg Schlüsselwörter Transportfähigkeit , Lahmheit , Schmerzen , Schlachtfähigkeit , Notschlachtung Key words fi tness for transport , lameness , pain , suitability for slaughter , emergency slaughter eingereicht akzeptiert 25 . 08 . 2022 18 . 01 . 2023 10.1055/a-2016-2016 1434-1220 Bibliografi e Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023 ; 51 : 15 – 21 DOI ISSN © 2023 . Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag , Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany Korrespondenzadresse PD Dr. Kathrin Herzog Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit Dez. 33 – Tierschutzdienst Röverskamp 5 26203 Wardenburg Deutschland Kathrin.Herzog@laves.niedersachsen.de ZUSAMMENFASSUNG Bei gewerblichen Beförderungen von Tieren müssen sowohl nationale als auch europäische Rechtsvorgaben beachtet und eingehalten werden. Die Tierschutzverpfl ichtung dehnt sich dabei auf alle an einem Tiertransport beteiligten Personen aus. Bei der Entscheidung zur Abgabe eines Tieres z. B. zur Schlach- tung müssen dabei auch die Fragen nach der Transportfähigkeit des Tieres im Sinne der europäischen Tiertransportverordnung (VO (EG) Nr. 1/2005) berücksichtigt werden. Allgemein gilt, dass nur transportfähige Tiere befördert werden dürfen. Die Beantwortung der Frage nach der Transportfähigkeit eines Tie- res stellt in Zweifelsfällen für alle am Transport beteiligten Per- sonen eine Herausforderung dar. Außerdem ist bereits im Vorfeld durch den Tierhalter durch die sog. Standarderklärung zu bestätigen, dass das Tier im Sinne des Lebensmittelhygie- nerechts „frei von Anzeichen für das Auftreten von Krankheiten ist, die die Sicherheit des Fleisches beeinträchtigen könnten“. Nur unter dieser Voraussetzung ist der Transport eines trans- portfähigen Tieres zum Schlachthof zu begründen. Dieser Artikel fasst die jeweiligen Rechtsgrundlagen zusammen und stellt eine tierschutzfachliche Informationsquelle zur Transport- und Schlachtfähigkeit von Rindern dar. ABSTR AC T In the case of commercial transport of animals, both national and European legal requirements must be observed and com- plied with. The animal welfare obligation extends to all persons involved in the transport of animals. When deciding to hand over an animal, e. g. for slaughter, the question of the animal’s fi tness for transport in the sense of the European Transport Regulation (Regulation (EC) No. 1/2005) must also be taken into account. In general, only animals fi t for transport may be transported. In cases of doubt, answering the question of whether an animal is fi t for transport is a challenge for all persons involved in the transport. In addition, the owner must confi rm in advance by means of the so-called standard declaration that the animal is “free of signs of the occurrence of diseases that could aff ect the safety of the meat” within the meaning of food hygiene law. Only under this condition can the transport of an animal fi t for transport to the slaughterhouse be justifi ed. This article summarizes the respective legal framework and provides a source of information on the fi tness for transport and suitability for slaughter of cattle from an animal welfare perspective. Herzog K, Kolk C. Tierschutz bei Transport und … Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023 ; 51 : 15 – 21 | © 2023 . Thieme. All rights reserved. 15

maßen oder auch ganze Tierkörper zur amtlichen pathologisch- anatomischen Untersuchung z. B. in Institute für Pathologie ver- schiedener Landesämter eingesandt. Nur so lassen sich im Streit- fall das Ausmaß der Erkrankung belegen sowie eine zeitliche Eingrenzung der Erkrankung vornehmen. Belegen die Befunde, dass die „leichte Erkrankung“ bereits zu erheblichen und länger anhal- tenden Schmerzen und Leiden bei den Tieren geführt hat, kann sich ein Strafverfahren nach §17 Nr. 2b Tierschutzgesetz [ 2 ] anschlie- ßen. Dies kann zu einer strafrechtlichen Verurteilung sowohl des Fahrers als auch des Tierhalters führen. Diese können gleicherma- ßen zur Verantwortung gezogen werden, da sie beide sachkundig und in der Lage sind, die Transportfähigkeit eines Tieres beurteilen zu können. Ist der Tatbestand der Erheblichkeit gegeben, nicht aber das län- gere Anhalten oder die Wiederholung der Schmerzen oder Leiden verwirklicht, kann ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet werden. Wer vorsätzlich oder fahrlässig einem Wirbeltier, das er hält, betreut oder zu betreuen hat ohne vernünftigen Grund erheb- liche Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt, handelt nach dem Tierschutzgesetz [ 2 ] ordnungswidrig (§18 Abs. 1 Nr. 1 TierSchG). Nach aktueller Änderung der nationalen Tierschutz-Transportver- ordnung [ 3 ] vom 25.11.2021 ist ab dem 01.01.2022 die Beförde- rung eines nicht transportfähigen Tieres, das sich nicht ohne Hilfe oder schmerzfrei bewegen kann, zusätzlich ein Ordnungswidrig- keitstatbestand (§21 Abs. 3 Nr. 16a TierSchTrV). Gemäß dem Kommentar zum Tierschutzgesetz, einer veteri- närmedizinisch-juristischen Auslegung des Tierschutzrechts, kön- nen sich Tiere unter anderem dann nicht schmerzfrei bewegen, wenn sie nicht imstande sind, alle 4 Gliedmaßen gleichmäßig zu belasten [ 6 ] . Selbst wenn ein Tier sich noch auf 3 Beinen humpelnd fortbewegen kann, vermag es sich im Sinne der VO (EG) Nr. 1/2005 (Anhang I Kapitel I Nr. 2a) nicht schmerzfrei zu bewegen, weil es anderenfalls auch das 4. Bein gleichmäßig belasten würde. Das be- troff ene Bein/die betroff enen Beine werden vom Tier weniger stark belastet, um Schmerzen zu vermeiden. Solche Tiere sind also trans- portunfähig [ 10 ] . Ist die Transportfähigkeit selbst nicht sicher zu beurteilen oder unterscheidet sich die Einschätzung der Transport- fähigkeit zwischen verschiedenen Beurteilenden (z. B. Tierhalter und Fahrer), ist in diesen Zweifelsfällen ein Tierarzt hinzuziehen (Anhang I, Kap. I Nr. 3a der VO (EG) Nr. 1/2005 [ 1 ] ). Im Falle einer positiven Bewertung der Transportfähigkeit durch den Tierarzt kann dieser eine sog. „Tierärztliche Bescheinigung“ ausstellen, die die Transportfähigkeit bescheinigt und das Tier während der Beför- derung begleitet. Diese Beurteilung durch den Tierarzt muss den Grundsatz der „leichten Verletzung oder leichten Erkrankung“ er- füllen und belegen, dass der Transport keine zusätzlichen Leiden für das Tier verursachen würde. Ein „Gesundschreiben“ der Tiere ist nicht zulässig. Eine tierärztliche Beratung sollte auch im Sinne des Tierschutzes erfolgen, um das Tier vor erheblichen, länger an- haltenden Schmerzen und Leiden zu bewahren. Im Zweifel sollte der Transport unterbleiben und die möglichen Alternativen geprüft werden. Diese können sich von der tierärztlichen Behandlung über eine Schlachtung im landwirtschaftlichen Betrieb (z. B. Notschlach- tung oder (teil-) mobile Schlachtung im Herkunftsbetrieb) bis hin zur Nottötung erstrecken. Immer wieder werden tierärztliche Bescheinigungen ausge- stellt, in denen hochgradig lahmen Tieren eine Transportfähigkeit bescheinigt wird [ 11 ] . Der Grund des Transportes ist hier oft die Abgabe zur Schlachtung. Die Erfahrung hat gezeigt, dass auch in Fällen, in denen dem Besitzer durch den Transporteur versichert wurde, dass das Tier direkt zum nächstgelegenen Schlachthof be- fördert wird, sich die Beförderung über mehrere hundert Kilome- ter bzw. länger als einen Tag erstrecken kann, da z. B. noch weitere Tiere für den Transport gesammelt wurden. Aber auch die Beför- derung eines nicht transportfähigen Tieres auf dem direkten Weg zum Schlachthof ohne Umwege sowie die Beförderung durch den Besitzer selbst, sind nicht zulässig. Jede Beurteilung zur Transportfähigkeit ist eine Einzelfallent- scheidung. Hierbei muss sorgfältig abgewogen werden, ob das Tier während der Fahrt in der Lage ist, die Fliehkräfte sowie die Brems- und Beschleunigungsvorgänge des Fahrzeugs durch einen sicheren Stand auszugleichen, um während des Transportes nicht zu stür- zen. Durch den Transport und die damit zusammenhängenden Vor- gänge dürfen den Tieren keine zusätzlichen Schmerzen oder Lei- den zugefügt werden. Andernfalls kann durch das Zufügen von län- ger anhaltenden oder sich wiederholenden erheblichen Schmerzen oder Leiden der Straftatbestand nach § 17 Tierschutzgesetz [ 2 ] er- füllt sein. Für das Merkmal „länger anhaltende Schmerzen oder Leiden“ reicht bereits eine mäßige Zeitspanne aus. Hierbei wird nicht das Zeitempfi nden des Menschen zugrunde gelegt, da Tiere ein we- sentlich geringeres Vermögen haben, physischem oder psychi- schem Druck standhalten zu können. Deshalb können u.U. schon wenige Minuten ausreichend sein. Je schlimmer die Schmerzen oder Leiden sind, desto kürzer ist die verlangte Zeitspanne zu be- messen [ 7 ] . Als eine Bewertungshilfe für alle am Transport beteiligten Per- sonen und Berufsgruppen wurde beispielsweise der Leitfaden „Transportfähigkeit und Schlachtfähigkeit von Rindern richtig be- werten“ [ 12 ] in Kooperation des Rindergesundheitsdienstes Nord- rhein-Westfalen, mehreren kommunalen Veterinärbehörden sowie dem Schlachtunternehmen Westfl eisch verfasst. Die Einschätzung und Bewertung der Transportfähigkeit erfolgt über die Farben des Ampelsystems und ist damit bewusst einfach und praktikabel ge- halten. Der Leitfaden hat ein Tabellenformat. In den Spalten fi nden sich der Erklärungstext, neben repräsentativen und realistischen Bildbeispielen und der Bewertung jeweils der Transport- und Schlachtfähigkeit. In den einzelnen Zeilen werden die fraglichen Szenarien dargestellt. Auch durch die Europäische Kommission, das Prüfsystem QS oder Tierschutzorganisationen wurden bereits an- schauliche, richtungsweisende Leitfäden als Hilfestellung zur Ein- schätzung der Transportfähigkeit von Rindern und Schweinen ver- öff entlicht. Das Ziel aller Leitfäden ist eine eindeutige Beurteilung der Transportfähigkeit eines Tieres im Sinne der VO (EG) Nr. 1/2005 [ 1 ] durch den Tierhalter, Transporteur oder/und den Tierarzt. Zwar gilt für Landwirte das Privileg, ihre eigenen Tiere in ihren eigenen Transportmitteln über eine Entfernung von weniger als 50 km ab ihrem Betrieb transportieren zu dürfen (Art. 1 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1/2005 [ 1 ] ), dabei sind sie jedoch nicht von der Forde- rung, dass nur transportportfähige Tiere befördert werden dürfen, ausgenommen. Hier handelt es sich um eine allgemeine Anforde- rung nach Art. 3 der VO (EG) Nr. 1/2005 [ 1 ] , die in jedem Falle ein- zuhalten ist [ 8 ] . Herzog K, Kolk C. Tierschutz bei Transport und … Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023 ; 51 : 15 – 21 | © 2023 . Thieme. All rights reserved. 17

per gemäß VO (EG) Nr. 1069/2009 [ 21 ] i.V.m. TierNebG [ 22 ] über eine Tierkörperbeseitigungsanlage zu entsorgen ist. Sollte das Tier im Sinne des Lebensmittelhygienerechts schlacht- fähig, aber nicht transportfähig sein, ist zu klären, ob das ansons- ten gesunde Tier frisch verunfallt ist, so dass Tierschutzgründe den Transport zum Schlachthof verhindern. In diesem Fall könnte eine Notschlachtung im Herkunftsbetrieb durchgeführt werden. Als ein unvorhergesehener Unfall werden in verschiedenen Merkblättern und Informationsmaterialien der Veterinärverwaltung [ 23 – 26 ] etwa der Knochenbruch, der Riss von Muskeln und Sehnen, große, off ene oder stark blutende Wunden oder die traumatisch entstan- dene Nervenschädigung gewertet. Liegt eine solche Verletzung vor, so muss die Notschlachtung unmittelbar nach Erkennen des Zustandes ggf. nach Konsultation eines Tierarztes in die Wege ge- leitet werden. Die Schlachttieruntersuchung im Tierhaltungsbe- trieb und die Begleitung der Schlachtung erfolgt durch einen amt- lichen Tierarzt [ 27 ] (je nach Bundesland können auch praktische Tierärzte für diese Tätigkeit zu amtlichen Tierärzten berufen oder benannt werden). Aufgrund der Verpfl ichtung zur mindestens ein- mal täglichen Tierkontrolle durch direkte Inaugenscheinnahme (TierSchNutztV [ 20 ] ) darf der Unfall folglich maximal 24 Stunden zurückliegen. Bei einer z. B. durch das Melkintervall enger getakte- ten Tierkontrolle ergibt sich entsprechend eine verkürzte Maximal- frist, in der die Veränderung am Tier erkannt werden muss. Ein län- ger zurückliegender Unfall würde entsprechend die nicht ausrei- chende Tierkontrolle oder den fehlenden sachgerechten Umgang mit kranken oder verletzten Tieren off enbaren. Gleichwohl kann auch bei rechtskonform durchgeführter Tierkontrolle und Einhal- tung der damit verbundenen Zeitintervalle der Zustand des Tieres in Verbindung mit dem zeitlichen Verlauf seit dem Unfall eine Not- schlachtung aus lebensmitterechtlichen Gründen ausschließen. Handelt es sich nicht um einen Unfall, der den Zustand des Tie- res hervorgerufen hat, sondern beispielsweise um eine fi eberhafte Allgemeinerkrankungen, einschließlich Blutvergiftung, Infektions- krankheiten (auch durch Tierseuchenerreger), fortgeschrittene Ab- magerung bis hin zur Kachexie, Labmagengeschwüre, Durchfall oder Stoff wechselstörungen so ist damit eine Notschlachtung aus- geschlossen. Unabhängig von der Eignung des Einzelfalls für eine Notschlachtung bestehen aus Tierschutzsicht die zuvor genannten Anforderungen an den Umgang mit kranken und verletzten Tieren und die damit verbundene Pfl icht, die Fortdauer von Schmerzen, Leiden oder Stress des Tieres so weit wie möglich zu begrenzen. In den Begleitpapieren, die mit dem Tierkörper zum Schlachtbetrieb abgegeben werden, sind die Diagnose und die zeitlichen Angaben zu dokumentieren. Im Schlachtbetrieb werden diese Angaben durch die Überwachungsbehörde auf Plausibilität geprüft. Sollte diese Prüfung durch die amtlichen Tierärzte ergeben, dass Tierhal- ter oder beteiligter Tierarzt falsche Angaben in den Begleitpapie- ren gemacht haben, kann dies als mittelbare Falschbeurkundung gemäß §271 STGB bzw. Falschbeurkundung gemäß §348 STGB [ 28 ] strafrechtlich verfolgt werden. Durch die (teil-) mobile Schlachtung im Herkunftsbetrieb be- steht eine weitere Möglichkeit der Schlachtung ohne vorherigen Transport zum Schlachtbetrieb. In diesem Rahmen können je Schlachtvorgang bis zu 3 als Haustiere gehaltene Rinder unter Nut- zung einer mobilen Einheit in Verbindung mit einem stationären Schlachthof geschlachtet werden (Anhang III Abschnitt I Kapitel VIa VO (EG) Nr. 853/2004 [ 16 ] . Die Voraussetzungen für ein erfolgrei- ches Genehmigungsverfahren sind u. a. eine verbindliche Verein- barung zwischen Schlachtbetrieb und Eigentümer der betreff en- den Tiere sowie die Festlegung der Verantwortlichkeiten für die einzelnen Prozessschritte. Für die erforderlichen Schlachttierun- tersuchungen und die amtliche Begleitung der Schlachtung sind die geplanten Schlachttermine spätestens 3 Tage im Voraus bei der zuständigen Behörde anzumelden. Es handelt sich also um ein Mo- dell, das in enger und dauerhafter Zusammenarbeit zwischen Her- kunftsbetrieb und zugelassenem Schlachtbetrieb eine sog. Nor- malschlachtung etablieren soll. Für eine Notschlachtung kommt es aufgrund der zeitlichen Vorgaben nicht in Betracht (Hessischer Leitfaden Schlachtung im Herkunftsbetrieb [ 29 ] ). Wenn die in der Genehmigung festgelegten Vorgaben weiterhin erfüllt bleiben und die Einhaltung der mind. dreitägigen Anmeldefrist ohne Beein- trächtigung des Tierwohls möglich ist, kann also grundsätzlich ein gesundes, aber nicht transportfähiges Rind im Herkunftsbetrieb geschlachtet werden. Trotz der Transportunfähigkeit müsste die Schlachtung aber im zuvor im Genehmigungsverfahren festgeleg- ten Schlachtablauf stattfi nden. Um dies zu erfüllen, kämen also nur seltene Einzelfälle in Betracht, bei denen sowohl die Tiergesund- heit nach Lebensmittelrecht wie auch die Mobilität zur Durchfüh- rung des Schlachtablaufs gegeben sind (z. B. Gliedmaßendeforma- tionen oder Blindheit). FA ZIT FÜR DIE PR A XIS Allgemein gilt, dass Tiere nur befördert werden dürfen, wenn sie transportfähig sind. Sie müssen z. B. in der Lage sein, die unvermeidbaren Bewegungen des Fahrzeugs auszugleichen, ohne dass ihnen durch den Transport unnötige Verletzungen oder Leiden zugefügt werden. Die Beurteilung, ob ein Tier transportfähig ist, ist immer eine Einzelfallentscheidung und muss von allen am Transport Beteiligten sorgfältig abgewogen werden. In Hinblick auf die Entscheidung über die Schlachtung von Tieren und den damit zusammenhängenden Modalitäten kann als wichtigster Kernpunkt festgehalten werden, dass nur gesunde Tiere geschlachtet werden dürfen! Im Falle der Transportunfähigkeit von ansonsten gesunden Tieren gibt es eng begrenzte Ausnahmen für die Notschlachtung. Das Modell der mobilen Schlachtung zielt auf die Vermeidung von Transporten, nicht aber die Schlachtung von transport- unfähigen Tieren ab. Es ist an ein Vertrags- und Genehmi- gungsverfahren, mehrtägige Anmeldefristen sowie behördlich geprüfte räumliche Gegebenheiten und Ausstattungsmerkmale geknüpft. Für kurzfristige unvorher- gesehene Einsätze ist das Modell weder konzipiert noch geeignet. Herzog K, Kolk C. Tierschutz bei Transport und … Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023 ; 51 : 15 – 21 | © 2023 . Thieme. All rights reserved. 19

[27] Verordnung (EU) 2017/625 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 über amtliche Kontrollen und andere amtliche Tätigkeiten zur Gewährleistung der Anwendung des Lebens- und Futtermittelrechts und der Vorschriften über Tiergesundheit und Tierschutz, Pfl anzengesundheit und Pfl anzenschutzmittel, zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 999/2001, (EG) Nr. 396/2005, (EG) Nr. 1069/2009, (EG) Nr. 1107/2009, (EU) Nr. 1151/2012, (EU) Nr. 652/2014, (EU) 2016/429 und (EU) 2016/2031 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Verordnungen (EG) Nr. 1/2005 und (EG) Nr. 1099/2009 des Rates sowie der Richtlinien 98/58/EG, 1999/74/EG, 2007/43/EG, 2008/119/ EG und 2008/120/EG des Rates und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 854/2004 und (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 89/608/EWG, 89/662/EWG, 90/425/EWG, 91/496/EEG, 96/23/EG, 96/93/EG und 97/78/EG des Rates und des Beschlusses 92/438/EWG des Rates (Verordnung über amtliche Kontrollen)Text von Bedeutung für den EWR (ABL. L 95 S. 1) zuletzt geändert durch die Delegierte Verordnung (EU) 2019/2127 der Kommission vom 10. Oktober 2019 (ABL. L 321 S. 111) [28] Strafgesetzbuch vom 15. Mai 1871 in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. Juli 2022 (BGBl. I S. 1082) [29] Hessischer Leitfaden Schlachtung im Herkunftsbetrieb, Stand 13.09.2022 Herzog K, Kolk C. Tierschutz bei Transport und … Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023 ; 51 : 15 – 21 | © 2023 . Thieme. All rights reserved. 21

Trotz ihrer Bedeutsamkeit liegen systematische Untersuchun- gen über die Häufi gkeit, Ursachen und Folgen der equinen Dysto- kie kaum vor [ 10 , 11 ] . Insbesondere neuere Studien stehen nicht zur Verfügung. Aus diesem Grund soll in dieser Arbeit durch ein systematisches Auswerten und Zusammenfassen der entsprechenden Literatur eine aktuelle, veterinärmedizinische Grundlage zur Thematik der equinen Dystokie geschaff en werden. Dies hat nicht nur primär veterinärmedizinische Bedeutung für die behandelnde Tierärztin bzw. den Tierarzt, sondern ist auch von juristischer Signifi kanz in Konfl iktfällen zwischen Tierärzten und Tierbesitzern im Zusam- menhang mit dem Vorwurf von Befunderhebungs- und Behand- lungsfehlern. Material und Methoden Die Literaturrecherche erfolgte unter Verwendung der Meta-Da- tenbank PubMed. Die für die Arbeit relevanten Veröff entlichungen wurden durch die Verwendung folgender Suchbegriff e gefunden: dystocia mare, dystocia horse, dystocia foal. Darüber hinaus wurden veterinärmedizinische Fachzeitschrif- ten der Bibliotheken und Archive der Justus-Liebig-Universität Gie- ßen nach entsprechenden Artikeln durchsucht. Folgende Zeitschrif- ten wurden dabei berücksichtigt: Tierärztliche Praxis Großtiere, Der praktische Tierarzt, Tierärztliche Umschau und die Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift. In den Literaturverzeich- nissen der verwendeten Veröff entlichungen wurde außerdem nach Literaturstellen gesucht, welche noch keine Berücksichtigung fan- den und ggf. in die Auswertung einbezogen. Falls beim Durchsu- chen von Lehrbüchern aus den Bibliotheken der Justus-Liebig-Uni- versität und der Tierärztlichen Hochschule Hannover relevante Li- teraturstellen gefunden wurden, fanden diese ebenfalls Beachtung. Es wurden nur Publikationen in deutscher und englischer Sprache aus dem Zeitraum 1970–2021 berücksichtigt. Defi nition der equinen Dystokie Der griechische Begriff Dystokie setzt sich aus den Wortbestand- teilen Dys-( = gestört, übel, schlecht) sowie -tokos ( = Geburt) zu- sammen und ist ein Synonym für eine erschwerte Geburt oder Schwergeburt [ 8 , 9 , 12 – 17 ] . Als Gegenteil zur Dystokie, nennt Ro- berts [ 18 ] die Eutokie (Eu- = wohl, gut), welche er als Geburt mit „leichtem“ und „natürlichem“ Verlauf beschreibt. Die allgemeinen Defi nitionen der equinen Dystokie stellen in ihrer Gesamtheit ein uneinheitliches Bild dar. Abhängig von den je- weiligen Autoren, werden unterschiedliche Aspekte zur Defi nition der Schwergeburt angeführt. Laut Frazer [ 19 ] impliziert der Begriff Dystokie, dass durch Stö- rungen die Geburt vom physiologischen bzw. natürlichen Ablauf abweicht, wobei diese Störungen vom Fetus und von der Stute aus- gehen können [ 9 , 20 – 22 ] . Karadjole et al. [ 20 ] gehen bei ihrer allgemeinen Defi nition der Dystokie besonders auf die Stute ein und beschreiben eine Schwer- geburt als Vorgang, bei dem diese unfähig zum Gebären des Foh- lens ist. In der Defi nition von McCue und Ferris [ 23 ] stellt neben einer exakten zeitlichen Defi nition, das Stagnieren der Austreibung des Fohlens im Geburtskanal eine erschwerte Geburt dar. In 4 Literaturstellen defi nieren die Autoren den Begriff der Dys- tokie anhand der notwendigen Assistenz zur Beendigung der Ge- burt. Provencher et al. [ 24 ] defi nieren allgemein jede Geburt als Dystokie, bei der eine Assistenz bzw. Geburtshilfe notwendig ist. Auch Roberts [ 18 ] defi niert die Schwergeburt als Vorgang, wel- cher ohne Assistenz für die Stute nicht zu bewältigen ist. Ginther und Williams [ 25 ] beschreiben demgegenüber eine Dystokie als Geschehnis, das ohne Geburtshilfe dem Fohlen schaden würde. Th- relfall [ 21 ] relativiert mit seiner Defi nition die vorherigen Auff as- sungen der Schwergeburt mit der Aussage, dass die equine Dysto- kie eine Assistenz erfordern „kann, aber nicht muss.“ Eine zusammenfassende Defi nition, welche mehrere Aspekte beinhaltet, nennt Schaetz [ 26 ] , indem er eine Dystokie wie folgt beschreibt: „Ein Geburtsvorgang, bei dem erhebliche Schwierig- keiten auftreten, die vom Muttertier allein nicht bewältigt werden können oder eine akute Gefahr für dieses und eventuell auch für die Jungen darstellen und der Kunsthilfe durch einen Sachverstän- digen bedürfen [...].“ Die Geburt wird in die Abschnitte Öff nungs-, Austreibungs- und Nachgeburtsstadium eingeteilt. In der Fachliteratur wird wieder- holt darauf hingewiesen, dass bei einer Verzögerung bzw. Stagna- tion der ersten und oder zweiten Geburtsphase eine Schwergeburt vorliegt, bzw. dass durch die Erfassung dieser Verzögerung eine Schwergeburt erkannt werden kann [ 1 , 6 , 8 , 15 , 19 , 27 , 28 ] . Meh- rere Autoren messen in diesem Kontext der Austreibungsphase eine größere Bedeutung bei [ 6 , 9 , 18 ] . In diesem Zusammenhang be- nennen Ginther und Williams [ 25 ] die Dauer der ersten Geburts- phase als hilfreichen, aber begrenzten Indikator einer Dystokie. In ihrer Studie wiesen Stuten mit Schwergeburt zwar in einer 6-fach höheren Anzahl ein verzögertes Öff nungsstadium auf, als Haupt- indikator für eine Dystokie wurde aber auch von ihnen ein verzö- gertes Austreibungsstadium gewertet. Die Dauer des Öff nungsstadiums wird mit einer Zeitspanne von 30 Minuten bis 4 Stunden bei der Stute beschrieben ( ▶ Tab. 1 ). Bei der Austreibungsphase einer Pferdegeburt handelt es sich um ein schnelles Ereignis [ 19 , 21 , 29 – 31 ] . Dabei weist die als physiologisch beschriebene Dauer dieser Geburtsphase eine Variation von weni- ger als 5 Minuten bis 70 Minuten auf ( ▶ Tab. 1 ). Aufgrund der ra- schen intrapartalen Plazentaablösung und dem damit einherge- henden Sauerstoff mangel für die Frucht, ist die physiologische Aus- treibungsphase zeitlich limitiert [ 2 , 17 , 32 , 33 ] . Als Folgen einer fetalen Hypoxie werden in diesem Zusammenhang neonatale Er- krankungen, neonatales Atemnotsyndrom und Totgeburten ge- nannt [ 34 – 36 ] . Im Kontext mit einer verzögerten Geburt werden in der Literatur unterschiedliche Zeitpunkte aufgeführt, ab denen die Autoren die Geburt eines lebenden Fohlens als unwahrschein- lich oder aussichtslos ansehen. Roberts [ 37 ] vertritt die Ansicht, dass der Fetus für gewöhnlich innerhalb von 30–40 Minuten nach Beginn der zweiten Geburtsphase verstirbt, wenn die Austreibung in dieser Zeitspanne nicht erfolgt ist. Laut Pynn [ 9 ] steigt ab die- sem Zeitpunkt die Morbidität und Mortalität der Fohlen. Mc Cue und Ferris [ 23 ] nennen eine steigende Fohlensterblichkeit bei einer Geburtsdauer von mehr als 40 Minuten. Diese Auff assungen wer- den durch die Studienergebnisse von Ginther und Williams [ 25 ] un- termauert. Hierbei überlebten nur jene Fohlen, welche innerhalb von 14–20 Minuten in der zweiten Geburtsphase assistiert entbun- den wurden. Fohlen, bei denen die Entwicklung 44 Minuten andau- Ellerbrock M, Wehrend A. Defi nition, Häufi gkeit und Ursachen … Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023 ; 51 : 22 – 34 | © 2023 . Thieme. All rights reserved. 23

▶ Tab. 2 Häufi gkeit der equinen Dystokie laut Literaturangaben. ▶ Table 2 Incidence of equine dystocia according to bibliographical references. Autoren Häufi gkeit Weitere Angaben [ 13 ] 4 % bei Vollblut-Geburten und 10 % bei belgischen Arbeitspferden (zitieren [ 58 ] ) [ 27 , 46 ] 1–4 % (zitieren [ 18 , 62 ] ) [ 47 ] [ 63 ] [ 64 ] [ 30 , 39 ] [ 49 ] [ 28 ] [ 65 ] [ 15 , 19 ] [ 25 ] [ 66 ] [ 67 ] [ 20 ] [ 31 ] [ 6 ] [ 41 ] [ 69 ] [ 23 ] [ 8 ] [ 68 ] [ 24 ] [ 9 ] [ 70 ] [ 18 ] [ 55 ] 4 % bei Vollblutpferden (zitieren [ 57 ] ). 10 % bei Arbeitspferden (zitieren [ 58 ] ) Gesamt-Häufi gkeit bei ca. 5–10 % der Pferdegeburten 6 % bei Warmblutgeburten (37/614) Gesamthäufi gkeit ca. 4 % ( [ 39 ] zitieren [ 17 ] ) ca. 4 % bei Warmblut- und Vollblutpferden. Ca. 10 % bei Arbeitspferden (zitiert [ 58 ] ) ca. 4 % bei Vollblutpferden und 10 % bei Arbeitspferden (zitieren [ 57 , 58 ] ) ca. 4 % bei Vollblutpferden und 10 % bei Arbeitspferden (zitiert [ 57 , 58 ] ) 4 % bei Vollblutpferden und 10 % bei Arbeitspferden Gesamthäufi gkeit 11,2 % (58/517); Quarter Horse-Stuten 16,1 % (10/62), Warmblutstuten 10,4 % (36/344), Vollblutstuten 8,88 % (8/90), Miniaturstuten 19 % (4/21) Belgische Arbeitspferd-Kreuzungen 4,49 % (15/334) Ungefähr 4 % bei Vollblutpferden, mit einer höheren Häufi gkeit bei belgi- schen Arbeitspferden und Shetlandponys (zitiert [ 58 ] ) 4 % bei Vollblutstuten (zitieren [ 8 , 65 ] ). 10 % bei Arbeitspferden (zitieren [ 65 ] ). Gesamt-Häufi gkeit liegt bei 11,2 % (zitieren [ 25 ] ) Die Häufi gkeit wird mit ungefähr 4 % angegeben Häufi gkeit liegt zwischen 1–10 % (zitieren [ 21 , 28 , 68 ] ) Vollblut-Stuten und leichte Pferderassen ca. 4 %, Shetland Ponies ca. 8 % und belgische Arbeitspferde ca. 10 % (zitieren [ 58 ] ); Friesen scheinen eine höhere Dystokiehäufi gkeit als leichte Pferderassen aufzuweisen Warmblut-Stuten 2,7 % (16/601) Gesamt-Häufi gkeit 10,1 % (106/1047), Vollblutstuten 13,7 % (54/395), Quarter Horse Stuten 7,9 % (36/456) Bei Vollblut-Stuten ca. 4 %; dieser Wert kann bei einigen Rassen wie belgischen Arbeitspferden und Shetland-Ponys höher liegen Gesamt-Häufi gkeit = 9,9 % (80/809); 6 % (50/809) der Stuten hatten schwierige Geburten mit moderater Assistenz; 4 % (30/809) zeigten eine sehr schwierige Geburt und brauchten tierärztliche Hilfe Warmblutpferde 4,3 % (Gestüt A 63/1464) Generelle Häufi gkeit liegt zwischen 4–10 % Liegt bei Vollblutstuten bei ca. 10 % (zitieren [ 23 ] ). Bei Arbeitspferden sind Dystokien häufi ger (zitieren [ 28 ] ) Gesamt-Häufi gkeit liegt bei 1-2 % Vollblutgeburten 8,4 % (81/968) [ 16 , 62 ] Vollblut-Stuten 4 % Studie auf 2 neuseeländischen Farmen in den Zuchtsaisons 2008/2009 und 2009/2010 Studie auf verschiedenen Farmen in Alabama, Illinois, Kentucky, Michigan und Texas (USA) Herde in West Manitoba (Kanada). 334 Abfohlun- gen innerhalb von 6 Wochen. 601 Geburten bei Warmblut-Stuten. Studie auf einem Gestüt ohne Ortsangabe. Zeitraum 2008–2013 Studie auf einer Farm in New Mexico (USA): 1047 Fohlungen von 652 Stuten im Zeitraum 2002– 2010; 35 % Vollblutstuten, 41 % Quarter Horse, 24 % ohne Rassennennung 809 Vollblutabfohlungen in 4 westkanadischen Provinzen des Jahres 1989 3456 Geburten auf 4 Gestüten wurden erfasst. Laut Autor erlaubt aber nur die ausreichend große Geburtenanzahl auf einem Gestüt (A) eine statistische Auswertung. In diesem Gestüt fanden 1464 Geburten von 1970–1976 statt 969 Vollblutabfohlungen auf einer Farm in der Region Waikato (Neuseeland), Zeitraum 2008–2013 Ellerbrock M, Wehrend A. Defi nition, Häufi gkeit und Ursachen … Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023 ; 51 : 22 – 34 | © 2023 . Thieme. All rights reserved. 25

▶ Tab. 3 Fetale Ursachen der equinen Dystokie laut Literaturangaben geordnet nach Häufi gkeit der Nennung. ▶ Table 3 Fetal causes of equine dystocia according to bibliographical references and their frequency. Fetale Dystokieursache Anzahl der Nennungen in der Literatur Autoren Fehlerhafte Haltung Fehlerhafte Lage Fehlerhafte Stellung Hydrocephalus Generelle fetale Übergröße Fetomaternale Disproportionen Generell Missbildungen Zwillinge Absolut zu große Frucht Relativ zu große Frucht Torticollis Ankylosen Emphysematöse Frucht Schistosoma refl exum Missgebildete Vordergliedmaße Aszites Hals- und Schädelverkrümmun- gen Contracted foal syndrome Fetale Anasarka Hydranenzephalie Kongenitale Deformation der Vordergliedmaße Kontrahierte Bänder Kontrahierte Bänder der Vordergliedmaße Mumifi kation Übergroßer Kopf Tumore 61 53 46 29 26 17 13 11 8 8 7 4 4 4 3 2 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 [ 1] , [2 ] zitiert [ 60 ] , [ 4 , 6 – 9 , 11 – 13 ], [15 ] zitiert [ 28 ] , [ 16 – 23 , 25 , 26 , 28 – 33 , 40 , 44 , 46 , 47 , 49 , 51 , 54 , 55 , 57 , 58 , 60] , [65 ] zitiert [ 58 ] , [ 62 , 67 , 69 – 71 , 73 , 79 – 93 ] [ 2 ] zitiert [ 60 ] , [ 3 , 4 , 6 – 9 , 11 – 13] , [15 ] zitiert [ 28 ] , [ 16 –22 , 25 , 26 , 28 , 30 , 32 , 36 , 40 , 41 , 46 , 47 , 49 , 54 , 55 , 57 , 58 , 60 , 62 ], [65 ] zitiert [ 58] , [67 , 69 – 71 , 73 , 80 , 84 , 86 , 91 – 99 ] [ 2 ] zitiert [ 60 ], [ 4 , 6 , 8 , 9 , 11 – 13] , [15 ] zitiert [ 28 ] , [ 16 – 23 , 25 , 28 , 30 , 32 , 35 , 36 , 40 , 46 , 47 , 49 , 54 , 55 , 57 , 58 , 60 , 62 ], [ 65 ] zitiert [ 58] , [67 , 69 , 71 , 73 , 79 , 84 , 92 , 93 , 97 , 100 ] [ 1 ], [2 ] zitiert [ 58] , [ 4 , 11 – 13 , 17 , 18 , 20 – 22 , 31 , 41 , 46 , 47] , [54 ] zitieren [ 31] , [57 , 58 , 70 , 74 , 75] , [ 80 ] zitieren [ 58] , [93 , 99 , 101 – 105 ] [ 4 , 8 , 9 , 11 ], [ 15 ] zitiert [ 28 ], [ 19 ] zitiert [ 28 ], [ 27 , 28 , 30 , 35 , 40 , 41 , 46 , 47 , 49 , 57 , 58 , 72 , 84 – 90 , 99 ] [ 3 , 6 , 12 , 13 , 16 , 18 , 26 , 28 , 31 , 55 , 60 , 62 , 67 , 71 , 74 , 78 , 106 ] [ 1 , 7 , 17 , 18 , 21 , 22 , 30 , 44] , [ 46 ] zitieren [ 18] , [49 , 74 , 93 , 98 ] [ 4 , 6 , 31 , 32 , 40 , 46 , 60 , 70 , 75 , 98 , 107 ] [ 22 , 44 , 60 , 70 , 75] , [80 ] zitiert [ 60] , [93 , 108 ] [ 7 , 22 , 25 , 55 , 60 , 75] , [80 ] zitiert [ 60 ],[ 93 ] [ 11 – 13 , 18 , 57 , 60 , 99 ] [ 22 , 41 , 75 , 93 ] [ 20 , 22 , 93 , 99 ] [ 20 , 75 , 98 , 109 ] [ 11 , 57 – 58 ] [ 21 , 108 ] [ 75 , 110 ] [ 36 ] [ 21 ] [ 111 ] [ 112 ] [ 60 ] [ 7 ] [ 21 ] [ 72 ] [ 21 ] pare Stuten öfter eine Dystokie zeigen. In seiner Untersuchung waren 31 % (186/601) der Schwergeburt-Patientinnen primipar. Die Studienpopulation setzte sich mit 63 % zum größten Teil aus belgischen Arbeitspferden zusammen. Sabbagh et al. [ 59 ] schluss- folgern aus den Ergebnissen ihrer Studie, deren Population aus- schließlich aus französischen Arbeitspferden bestand, dass das höchste Risiko auf einen schwierigen Geburtsverlauf bei 3-jährigen primiparen Stuten besteht. Auch bei Frazer et al. [ 60 ] lag bei 30 % der Schwergeburten eine Primiparität vor. Die Studienpopulation bestand zum Großteil aus leichten Pferderassen. Ginther und Wil- liams [ 25 ] sehen jedoch keinen Zusammenhang zwischen der An- zahl der Geburten und dem erhöhten Auftreten von equinen Dys- tokien. Squires et al. [ 61 ] zeigten bei erstgebärende Vollblut-Stu- ten eine geringere Dystokiehäufi gkeit im Vergleich zu Stuten, die schon mindestens ein Fohlen geboren haben. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich die An- gaben zur Dystokiehäufi gkeit in der Literatur stark unterscheiden, was in den unterschiedlichen Pferdepopulationen, die untersucht worden sind, begründet ist. Bezogen auf Untersuchungen, die in Gestüten durchgeführt wurden, ergibt sich ein Vorkommen von 2–13 % bezogen auf alle Geburten ohne Berücksichtigung einer Rassedisposition. Obwohl sich nicht ausreichend Primärstudien fi n- Ellerbrock M, Wehrend A. Defi nition, Häufi gkeit und Ursachen … Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023 ; 51 : 22 – 34 | © 2023 . Thieme. All rights reserved. 27

▶ Tab. 4 Maternale Ursachen der equinen Dystokie laut Literaturangaben geordnet nach Häufi gkeit der Nennung. ▶ Table 4 Maternal causes of equine dystocia according to bibliographical references and their frequency. Maternale Dystokieursache Torsio uteri Wehenschwäche Einengung des Beckens durch Frakturen Beckenanomalien Defekte der Bauchwand durch inguinale und abdominale Hernien Zweihornträchtigkeit Vorzeitige Plazenta-Ablösung Zu kleines Becken Defekte der Bauchwand durch rupturier- tes Vorderbeckenband Einengung des Beckens durch Tumore bzw. umfangsvermehrtes Gewebe Einengung des Beckens durch vorheriges Trauma Hydrallantois Deformiertes, enges Becken Einengung des Geburtskanals durch Strikturen Zu junge Stute Einengung des Beckens durch Hämatome Einengung des Beckens durch Kallusbildung Einengung des Geburtskanals durch Gewebezubildungen Einengung des Geburtskanals durch Torsionen Enge des Scheidenvorhofs Enge der Zervix und/oder Vagina Prolaps von Blase oder Rektum Vaginale Zystozele Ventrofl exio uteri Gebärmutterruptur Kranke Stute bei der Geburt Luxation der Iliosakralgelenke Rektovaginale Fistel Verdickung der Chorioallantois durch eine Plazentitis Zu feste Fruchtblasen Anzahl der Nennun- gen in der Literatur 38 25 Autoren [ 1 , 4 , 6 , 11 – 13 ], [15 ] zitiert [ 79 ], [ 16 , 17 ], [19 ] zitiert [ 79 ], [ 20 – 22 , 27 , 31 , 40 , 41 , 44 , 46 , 48 ], [54 ] zitieren [ 86 ],[ 58 , 60 , 62 , 71 , 74 , 79 , 85 – 91 , 106 , [ 113 , 114], [115 ] zitieren [ 86 ] [ 3 , 6 – 9 , 11 – 13 , 16 , 21 , 25 , 30 , 31 , 40 , 49 , 55 , 57 , 60 , 62 , 69 , 71 , 74 , 84 , 91 , 116 ] 9 7 6 6 5 5 4 4 4 4 3 3 3 2 2 2 2 2 2 2 2 2 1 1 1 1 1 1 [ 7 , 8 , 25 , 30 , 31 , 46 , 49 , 74 , 117 ] [ 9 ], [ 15 ] zitiert [ 28 ], [ 17 , 28 , 31 , 90 ] [ 15 ] und [ 19 ] zitieren [ 79 ], [ 17 , 31 , 46 , 79 ] [ 20 , 87 – 91 ] [ 15 , 31 , 44 , 48 , 118 ] [ 21 , 25 , 30 , 31 , 49 ] [ 30 ] zitiert [ 46 ], [ 31 , 46 , 74 ] [ 30 , 48 , 49 , 117 ] [ 31 , 44 , 46 , 48 ] [ 11 , 46 , 57 , 99 ] [ 87 – 89 ] [ 7 , 30 , 49 ] [ 21 , 31 , 36 ] [ 48 , 74 ] [ 28 , 74 ] [ 30 , 49 ] [ 30 , 49 ] [ 44 , 48 ] [ 7 , 21 ] [ 11 , 57 ] [ 17 , 31 ] [ 4 , 85 ] [ 20 ] [ 90 ] [ 48 ] [ 74 ] [ 74 ] [ 119 ] bestand. Mc Cue und Ferris [ 23 ] nennen mit 30,1 % (32/106) eine Haltungsabweichung von einem oder beiden Vordergliedmaßen als häufi gste Dystokieursache bei der equinen Geburt. Eine fehler- hafte Haltung des Kopfes, welche einzeln oder mit einer Fehlhal- tung beider Vordergliedmaßen vorlag, wurde nur in 7,5 % (8/106) der Schwergeburten ermittelt. Diese Erhebung beruht allerdings nicht auf der Auswertung von Klinikdaten, sondern auf der Auswertung von 1047 Abfohlungen auf einer Vollblut- und Quarter-Horse Farm in New Mexico (USA). Fetomaternale Disproportionen werden ebenso wie fetale Miss- bildungen als seltene Ursachen einer Schwergeburt beim Pferd ein- geschätzt [ 13 , 18 , 78 ] . Laut Vandeplassche [ 58 ] können jedoch be- sonders bei Arbeitspferden die fetalen Muskelmassen zu einem fe- Ellerbrock M, Wehrend A. Defi nition, Häufi gkeit und Ursachen … Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023 ; 51 : 22 – 34 | © 2023 . Thieme. All rights reserved. 29

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Kasuistik 3 Fälle von Abomasitis im Zusammenhang mit einer Infektion mit Sarcina sp. beim Kalb 3 cases of abomasitis in calves associated with Sarcina sp. infection Autorinnen/Autoren Wolfram Breuer , Melanie Bühler , Marcel Suchowski , Frank Just , Antonie Neubauer-Juric , Magdalena Schumacher , Angela Hafner-Marx ZUSAMMENFASSUNG In diesem Fallbericht werden – nach dem Kenntnisstand der Autoren erstmals im deutschen Sprachraum – 3 Kälber mit ulzerierender beziehungsweise emphysematöser Abomasitis, bei denen intraläsional Bakterien der Spezies Sarcina erkannt wurden, vorgestellt. Das ungewöhnliche Aussehen dieser Bak- terien wird dargestellt und ihre ätiopathogenetische Relevanz diskutiert. ABSTR AC T In this case report – to the best knowledge of the authors for the fi rst time in the German-speaking region – 3 calves with ulcerating or emphysematous abomasitis respectively are pre- sented, in which intralesional bacteria of the Sarcina species were identifi ed. The unusual appearance of these bacteria is described, their etiopathogenic relevance discussed. Institut Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsi- cherheit, Oberschleißheim Schlüsselwörter Emphysem , Gastritis , Labmagen , Rind , Ulkus Key words Abomasum , cattle , emphysema , gastritis , ulcer eingereicht akzeptiert 28 . 07 . 2021 12 . 01 . 2023 10.1055/a-2012-2078 1434-1220 Bibliografi e Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023 ; 51 : 35 – 41 DOI ISSN © 2023 . Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag , Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany Korrespondenzadresse Dr. Dr. habil. Wolfram Breuer Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittel- sicherheit, Oberschleißheim Veterinärstraße 2 85764 Oberschleißheim Deutschland wolfram.breuer@lgl.bayern.de Einleitung Bei Sarcinen handelt es sich um Bakterien des Genus Sarcina aus der Familie der Clostridiaceae [ 1 ] . Sie sind Gram-positiv, argyrophil, schwer zu kultivieren und zeigen sich bei der lichtmikroskopischen Untersuchung von Kultur und Gewebeschnitt in Form von Paketen aus 4 (Tetraden) oder 8 (Oktette) kubischen Zellen [ 2 – 7 ] . Dieses an das Marschgepäck römischer Legionäre (Latein: Sarcina) erin- nernde Aussehen ist namensgebend und so charakteristisch, dass diese Bakterien lichtmikroskopisch identifi ziert werden können [ 5 ] . Um die Verwechslung mit Pfl anzenmaterial zu vermeiden, sollte der Pathologe mit ihrem Erscheinungsbild vertraut sein [ 8 ] . Erst- mals wurden sie im Zusammenhang mit der Erkrankung (Magen- dilatation, Vomitus) eines jungen Mannes beschrieben und als Sar- cina ventriculi benannt [ 9 ] . Bis in die jüngste Vergangenheit wurden Sarcinen beim Menschen – bemerkenswerterweise auch bei einem Tierarzt – vorwiegend im Zusammenhang mit entzündlichen Pro- zessen von Speiseröhre und Magen beobachtet [ 8 , 10 , 11 ] . Für den Überblick über die humanmedizinische Kasuistik kann an dieser Stelle nur auf Übersichtsarbeiten verwiesen werden, wobei auff ällt, dass sich Fallberichte erst ab dem Jahr 2003 häufen [ 7 , 12 ] . Über Breuer W et al. 3 Fälle von Abomasitis … Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023 ; 51 : 35 – 41 | © 2023 . Thieme. All rights reserved. 35

▶ Tab. 1 Befunde inklusive Molekularbiologie. Klinische, pathologisch-anatomische (P.-a.), pathologisch-histologische (P.-h.), bakterio- (Bakt.), parasito-(Paras.), virologische (Virol.) ▶ Table 1 Clinical, pathological-anatomical (P.-a.), histopatho- (P.-h.), bacterio- (Bact.), parasito-(Paras.), virological (Virol.) fi ndings including mole- cular biology. Befunde Tier 1 Klinisch P.-a. P.-h. Bakt. 1 Plötzlicher Tod Akute Abomasitis und perforierendes Labmagenulkus vom Typ 4, Peritonitis, katarrhalisch-eitrige Bronchopneumonie Labmagen Clostridien N. u. Sarcinen Tier 2 Diarrhoe Akute Abomasitis und Labmagenulkus mit Hämorrhagie vom Typ 1c, katarrhalische Enteritis, Abmagerung, Exsikkose Sarcinen N. u. Sonstige Escherichia coli , Streptococcus gallolyticus N. u. Escherichia coli , Streptococcus gallolyticus Escherichia coli α-hämolysierende Streptokokken N. u. Neg. Neg. N. u. Escherichia coli , Staphylo- coccus sp., Streptococcus spp. Escherichia coli , Staphylo- coccus sp., Streptococcus spp. Neg. Neg. Neg. Darm Lunge Leber Paras. 2 Virol. BVDV 3 Rota-, Coronavirus 4 Tier 3 Tympanie, reduziertes Allgemeinbefi nden, Inappetenz, Atemgeräusche Schleimhautemphy- sem der Labmagen- wand Sarcinen Clostridium perfrin- gens , Clostridium colicanis Bacillus spp., Escherichia coli , Streptomyces spp. Escherichia coli , Bacillus spp., Streptomyces spp. N. u. Escherichia coli Neg. Neg. N. u. 1 Kultur; 2 Flotation; 3 PCR; 4 ELISA; BVDV: Bovines Virusdiarrhoe-Virus; Neg.: Negativ; N. u.: Nicht untersucht; sp.: species (nicht näher bezeichnete Art); spp.: species pluralis (mehrere nicht näher bezeichnete Arten); BVD: Bovine Viral Diarrhea Virus; Neg.: negative; N. u.: not examined; sp.: species (unspecifi ed species); spp.: species pluralis (several unspecifi ed species). in der Lage sind, aus mit der Nahrung aufgenommenen Kohlenhy- draten schleimhautschädigende Stoff e (Essigsäure, Äthanol) zu pro- duzieren [ 3 ] . Bei Tier 2 wird eine ursächliche Bedeutung ebenfalls in Betracht gezogen, jedoch bleibt – auch in Anbetracht des fest- gestellten Ulkus-Typs 1c [ 26 ] – fraglich, ob die geringe Menge der bei diesem Tier erkannten Sarcinen ausgereicht haben könnte, eine Schadwirkung hervorzurufen. Bei Tier 3 wurde ein Emphysem der Labmagenwand auf der Grundlage einer Entzündung (emphysematöse Abomasitis) diag- nostiziert. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Emphy- sem und bakteriellen Gasbildnern ist anzunehmen. Im gegebenen Fall kämen dafür sowohl Clostridien als auch Sarcinen in Betracht ( ▶ Tab. 1 ). Clostridium perfringens ist wiederholt beim Wiederkäu- er im Zusammenhang mit einem Wandemphysem erwähnt wor- den [ 17 , 30 , 33 ] . Dies gilt nicht für Clostridium colicanis . Dieser Keim wurde erstmals aus den Faeces eines Hundes isoliert [ 34 ] . Über seine nosologische Bedeutung ist nur wenig bekannt [ 35 , 36 ] . Sar- cinen wurden dagegen als Ursache des Labmagenemphysems des Kalbes besprochen [ 17 , 20 ] . Auff ällig war im vorliegenden Fall die histiozytäre Infi ltration von Tunica mucosa und Tela subserosa unter Beteiligung von Riesenzellen, die als granulomatöse Entzündung angesprochen wurde. Eine derartige Entzündung ist bei der durch Sarcinen hervorgerufenen emphysematösen Gastritis von Mensch und Schimpanse bekannt [ 21 , 37 ] . Auch wird diese Form der Ent- zündung als Begleitphänomen der Ansammlung von Gas in Lymph- gefäßen bei der intestinalen Pneumatose/Pneumatosis cystoides intestinorum des Menschen und beim Luftblasengekröse – intes- tinalen Emphysem – des Schweines mit Einbeziehung regionärer Lymphknoten beschrieben und als Fremdkörperreaktion auf Gas- blasen verstanden [ 22 , 38 – 41 ] . Im Übrigen ist bekannt, dass Sarci- nen bei der Vergärung von Kohlenhydraten Kohlenstoff dioxid und Wasserstoff erzeugen [ 3 ] . Bei der nachfolgend entwickelten Theo- rie zur Entstehung des Labmagenwandemphysems wird von der unregelmäßigen physiologischen Besiedlung des Labmagens bei Breuer W et al. 3 Fälle von Abomasitis … Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023 ; 51 : 35 – 41 | © 2023 . Thieme. All rights reserved. 37

▶ Abb. 5 Tier 3: Mikroskopie (HE-Färbung). Entlang der Lamina muscularis mucosae multinukleäre Riesenzellen (→). Quelle: W. Breuer. ▶ Fig. 5 Animal 3: Microscopy (HE staining). Multinucleated giant cells along the lamina muscularis mucosae (→). Source: W. Breuer. ▶ Abb. 7 Tier 3: Mikroskopie (HE-Färbung). Multinukleäre Riesenzel- len im Bindegewebe (→). Quelle: W. Breuer. ▶ Fig. 7 cells within the connective tissue (→). Source: W. Breuer. Animal 3: Microscopy (HE staining). Multinucleated giant ▶ Abb. 6 Tier 3: Mikroskopie (HE-Färbung). Multinukleäre Riesenzel- le in einem Lymphgefäß (→). Quelle: W. Breuer. ▶ Abb. 8 Tier 3: Mikroskopie (HE-Färbung). Makrophagen in Binde- gewebe und Lymphgefäßen (→). Quelle: W. Breuer. ▶ Fig. 6 cell within a lymphatic vessel (→). Source: W. Breuer. Animal 3: Microscopy (HE staining). Multinucleated giant ▶ Fig. 8 the connective tissue and lymphatics (→). Source: W. Breuer. Animal 3: Microscopy (HE staining). Macrophages within terungsbedingungen in der Lage sind, ein Labmagenwandemphy- sem mit granulomatöser Entzündung hervorzurufen, kann allein ein Tierversuch beweisen. In der Literatur fi ndet sich eine persön- liche Mitteilung aus dem Jahr 2005 von KW Mills an die Autoren einer Studie, in welcher erwähnt wird, dass ein entsprechender Ver- such an 4 Milchkälbern erfolglos durchgeführt worden sein soll [ 17 ] . Breuer W et al. 3 Fälle von Abomasitis … Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023 ; 51 : 35 – 41 | © 2023 . Thieme. All rights reserved. 39

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tion anesthesia after a 5 × 5 cm incision at the central sole area, the abscess capsule removed with a sharp curette and the ab- scess cavity fl ushed. The wound was then bandaged. Postope- rative treatment consisted of bandage changes every 5–7 days. For these procedures the camel was repeatedly sedated. At the fi rst change the xylazine dosage was the same for surgery, and sequentially the dosage could be reduced (0.20 mg/kg BW i.m.), but finally increased for the last dressing changes (0.22 mg/kg BW i.m.). Ketamine dosages were also reduced slightly throughout the hospitalization period (1.51 mg/kg BW i.m.), enabling a reduction of the recovery period duration. After 6 weeks of regular bandage changes the wound had healed completely with a new horn layer and showing no lame- ness the camel could be discharged. Einleitung Kameliden erfreuen sich in Österreich immer größerer Beliebtheit. So werden Neuweltkamele für die Zucht, Wollproduktion und zum Wandern eingesetzt, während Altweltkamele in sehr geringer Zahl, hauptsächlich in Tierparks, Zoos und noch seltener privat, gehal- ten werden [ 1 , 2 ] . Die anatomischen Besonderheiten der Tylopoden (Schwielen- sohler) umfassen unter anderem die außerordentlich elastische Sohle, bedingt durch den hohen Bindegewebsanteil im Ballenpols- ter, mit einer Dicke von 9–12 mm an jeder Zehe [ 3 , 4 ] . Damit kön- nen sich die Tiere sowohl gut auf steinigem Boden als auch im Wüs- tensand fortbewegen, ohne einzusinken. Zusätzlich schützt ein Fettkörper zwischen dem Sohlenhorn und distaler sowie medialer Phalanx die knöchernen Strukturen vor Druck und Überhitzung. Dieser Fettkörper besteht an jeder Zehe aus einem abaxialen, me- dialen und axialen Anteil [ 4 ] . Die Fußung erfolgt mit der distalen und medialen Phalanx (Phalanx der dritten und vierten Zehenkno- chen) [ 5 ] . Fallbeschreibung Eine circa 14 Jahre alte Trampeltierstute (Baktrisches Kamel, Came- lus ferus) wurde aufgrund einer Lahmheit an die Klinik überwiesen. Der Besitzerin war eine anhaltende Lahmheit seit ca. 2 Wochen und eine Umfangsvermehrung in der Fesselbeuge an der linken Hinter- extremität aufgefallen. Das Tier stammte von einem privaten Hal- ter und wurde in einer Herde mit 12 weiteren Trampeltieren gehal- ten. Es wurde als Reittier genutzt und war gewohnt, täglich meh- rere Kilometer zurückzulegen. Bei der klinischen Erstuntersuchung wog das Tier 730 kg. Die Stute zeigte sich ruhig und aufmerksam, die Atemfrequenz lag bei 18/min und die innere Körpertemperatur betrug 37,4 °C. Alle wei- teren Parameter der klinischen Allgemeinuntersuchung waren in der Norm. Bei der Untersuchung im Stand der Ruhe war eine mit- telgradige (mgr.) Entlastungsstellung der linken Hinterextremität mit Schonung der lateralen Zehe ( ▶ Abb. 1 ) feststellbar. Das Tier zeigte in der Bewegung im Schritt einen beidseitigen spießigen Gang der Hinterextremitäten und eine Stützbeinlahmheit an der linken Hinterextremität von 2/5 [ 6 ] . Für die weitere orthopädische Untersuchung musste das Tier sediert und abgelegt werden, da es nicht möglich war an der linken Hintergliedmaße am stehenden Tier entsprechende Manipulatio- nen vorzunehmen. Die verwendeten Medikamente (Xylazin, Butor- phanol, Ketamin), die jeweilige Dosierung und der Verlauf der Se- dierung sowie die Dauer der Nachschlafphasen sind in ▶ Tab. 1 do- kumentiert. Der Kopf wurde mithilfe eines Strohballens hochgelagert und in Position gehalten, dabei wurde versucht die Maulhöhle stets tiefer zu lagern im Vergleich zum Larynx, um den Abfl uss von Speichel zu gewährleisten. Die linke Hintergliedmaße wurde ebenso auf Strohballen abgestützt und zum Schutze des Un- tersuchers zusätzlich mit einem Seil fi xiert, welches an einem Me- tallring in der Wand gesichert wurde. Bei der orthopädischen Unter- suchung der Gliedmaßen zeigten sich an den beiden Vorderextre- mitäten und der rechten Hinterextremität mehrere oberfl ächliche Risse des Sohlenhorns. An der Sohle der linken Hinterextremität wurde eine komprimierbare Umfangsvermehrung mit einem mgr. fl uktuierenden Inhalt mit einem Durchmesser von ca. 11 cm zentral über beiden Sohlenkissen festgestellt. An dieser Stelle stellte sich das Sohlenhorn dünner dar. Trotz intensiver Suche, auch mittels Entfernung oberfl ächlicher, verschmutzter und zerfurchter Hornschichten mit Hilfe eines Huf- messers, konnte an der Sohle kein Perforationskanal bzw. kein fest- steckender Fremdkörper festgestellt werden. Diese Umfangsvermehrung wurde sonografisch mit einem 5 MHz-Linearschallkopf untersucht. Dabei war zwischen Sohle und dem Sohlenkissen eine ca. 2,3 cm weite (proximo-distale Ausde- hung) Abszesshöhle mit inhomogenem Inhalt mit überwiegend anechoischen und einigen hypoechoischen Arealen sowie deutli- chen Strömungsphänomenen nachweisbar. Proximal der Abszess- höhle war ein echogenes, dichtes Gewebe des Sohlenkissens dar- stellbar, welches infolge des Druckes des Abszessinhaltes kompri- miert war ( ▶ Abb. 2 ). Aufgrund dieser sonografi schen Befunde lautete die Diagnose: Sohlenabszess ( ▶ Abb. 3 ). Anschließend wurde eine Infi ltrationsanästhesie (Ringblock) mit 120 ml 2 % Procainhydrochloridlösung (Procamidor®, 20 mg/ml, 400 mg, Richter Pharma AG, Wels, Österreich) auf Höhe des Fes- selgelenkes gesetzt. Für die anschließende Punktion mit einer 1,6 mm × 40 mm Kanüle wurde das Sohlenhorn zuerst an der „Punk- tionsstelle“ mit einem Hufmesser „saubergeschnitten“ und das Sohlenhorn desinfi ziert. Das gewonnene Punktat war trüb, wässrig und von grau-violetter Farbe ( ▶ Abb. 4 ), 10 ml davon wurden zur bakteriologischen Untersuchung ins Labor gebracht. Für die nach- folgende Eröff nung des Abszesses wurde die Sohle wiederholt des- infi ziert und mit einem Skalpell wurde ein Stück Sohle (ca. 7 cm im Durchmesser groß) entfernt. Nach der Eröff nung des Sohlenabs- zesses traten 60–80 ml violetter, wässriger und stinkender Eiter im Strahl aus. Die Wundhöhle war ca. 11 cm im Durchmesser breit und ca. 2,3 cm tief. Nach Entfernung des Inhaltes und Kürettage der Abszesshöhle mit einem scharfen Löff el wurde mit 1000 ml 0,9 % Natriumchlo- ridlösung (NaCl 0,9 %, B. Braun, Melsungen, Deutschland), in wel- Eibl C et al. Sohlenabszess (Pododermatitis purulenta superfi cialis) … Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023 ; 51 : 42 – 49 | © 2023 . Thieme. All rights reserved. 43

▶ Tab. 1 Chronologische Übersicht über die durchgeführten Untersuchungen, Maßnahmen, Sedierungen und Verbandwechsel während der Hospitalisation des Kamels; intramuskulär (i.m.). ▶ Table 1 Chronological overview of examinations, measures, sedation and bandage changes during the hospitalization period of the camel; intramuscularly (i.m.) Untersuchungen/Maßnahmen/ Beurteilung der Wunde Jeweilige Gesamtmenge Sedierung und Lokalanästhesie Lahmheit/ Entlastungsstel- lung 2/5 mgr. Entlastung Xylazin (Sedaxylan 20 mg/ml) Ketamin (Narketan 100 mg/ml) Butorphanol (Butomidor 10 mg/ml) 8,75 ml (0,24 mg/kg) 14 ml (1,92 mg/kg) 3,5 ml (0,04 mg/kg) Butorphanol und Xylazin wurde zeitgleich im distalen Halsdrittel (i.m.) verabreicht, 10 Minuten später Ketamin ebenfalls im distalen Halsdrittel (i.m.). 10 Minuten nach der Verabreichung des Ketamins legte sich das Tier in Brust-Bauchlage ab. Nach weiteren 5 Minuten wurde das Tier in Seitenlage gebracht. Für die Infi ltrationsanästhesie auf Höhe des Fesselgelenkes hinten links werden 120 ml Procamidor verwendet. Die Nachschlafphase dauerte ca. 2 h. Sobald der Verbandswechsel abgeschlossen war, wurde das Trampeltier in Brust-Bauchlage gelagert. Nach 20 Minuten hob das Tier erstmalig selbstständig den Kopf. Nach weiteren 20 Minuten erfolgte der erste Aufstehversuch. Weitere 30 Minuten später erfolgte der zweite Aufstehversuch, und das Tier begann zu fressen. 1,5 h nach der OP steht das Trampeltier unsicher, eine weitere halbe Stunde später stand das Tier physiologisch. 7 ml (0,20 mg/kg) 11 ml (1,51 mg/kg) 2,5 ml (0,03 mg/kg) Da die Nachschlafphase nach der OP sehr lange dauerte, wurde die Dosis nun beim 1. Verbandwechsel deutlich reduziert. Die Nachschlafphase dauerte 1 h. 2/5 mgr. Entlastung 7 ml 11 ml 2,5 ml Das Trampeltier wurde mit der gleichen Dosierung sediert, jedoch dauerte die Einschlaf- phase länger. Zwei mögliche Ursachen könnten das laute, helle Umfeld oder die Abwehrbe- wegungen und Aufregung bei der intramuskulären Medikamentengabe gewesen sein. 1/5 ggr. Entlastung 8 ml (0,22 mg/kg) 11 ml 3 ml (0,04 mg/kg) Zuerst wurde die gleiche Dosierung wie bisher verwendet, jedoch legte sich das Tier nicht nieder. Deshalb wurde 0,5 ml Butomidor und 1 ml Xylazin nachinjiziert. Danach wurde wie bisher 11 ml Ketamin i.m. verabreicht. Das Tier lag dann ruhig. Die Nachschlafphase dauerte 45 Minuten. Es wurde besonders auf eine Lärmeinschränkung geachtet und die Helligkeit im Raum reduziert (Türen geschlossen, wenig Personal) 1/5 ggr. Entlastung 8 ml 11 ml 3 ml 8 ml 11 ml 3 ml 11 Minuten nach Applikation von Ketamin legte sich das Tier nieder. Nach weiteren 3 Minuten war es möglich das Tier in Seitenlage zu rollen. Nachschlafphase: nach 21 Minuten erfolgte der erste Aufstehversuch, nach 1,5 h erfolgte der zweite Aufstehversuch Nach 1 h und 50 Minuten stand das Tier wieder. 1/5 Keine Entlastungs- haltung mehr 1/5 Keine Entlastungs- haltung mehr i E b l C e t a l . l S o h e n a b s z e s s ( P o d o d e r m a t i t i s p u r u e n t a l s u p e r fi c i a l i s ) … i T e r a r z t l P r a x A u s g G G r o s s t i e r e N u t z t i e r e 2 0 2 3 ; 5 1 : 4 2 – 4 9 | © 2 0 2 3 i . T h e m e . A l l r i g h t s r e s e r v e d . 4 5 26.05.2020 Orthopädische Erstuntersu- chung, Abszessspaltung; Spülung mit 1 Liter Natriumchloridlösung gemischt mit 3 ml 0,1 % Jodlösung, Verband, Fixieren der Styro- dur-platte; Die sonografi sche Untersuchung, die Punktion, die Operation und das Anlegen des Verbands dauerte insgesamt 1 h. 29.05.2020 1. Verbandswechsel: Abszess- höhle trocken, Spülung mit 1 Liter Natriumchloridlösung gemischt mit 3 ml 0,1 % Jodlösung, Jodsalbe, Verband, Styrodurplatte 03.06.2020 2. Verbandswechsel: Abszess- höhle trocken, ggr. Prolaps der Lederhaut sichtbar, an Wundrändern neues Horn sichtbar. Spülung und Verband, Styrodur- platte 09.06.2020 3. Verbandswechsel: Abszess- höhle trocken, weiteres Sohlenhorn hat sich gebildet. Spülung, Verband, Styrodurplatte. 19.06.2020 4. Verbandswechsel: Abszess- höhle trocken, weist einen Durchmesser von 1 cm. Diese ist noch nicht mit Narbenhorn bedeckt; Verband, Styrodurplatte. 06.07.2020 Verband wird endgültig abgenommen, im Bereich der gesamten Wunde hatte sich eine dicke Hornschicht gebildet (Dicke 4–5 mm), kein Verband mehr notwendig.

dünne, hyperechogen erscheinende Kapsel begrenzt, wobei die Hyperechogenität hierbei wohl auf das Phänomen der distalen Schallverstärkung zurückzuführen war [ 22 ] . Im vorliegenden Fall war der Abszessinhalt von wässriger Konsistenz, so dass die Dichte des Abszessinhalts hierbei vergleichsweise gering war, was kaum zu einer Abschwächung der penetrierenden Schallwellen führte [ 22 , 23 ] . Eine chirurgische Intervention ist für eine Heilung bei Vorliegen eines Sohlenabszesses unumgänglich [ 10 , 14 , 15 ] . Die Therapie der Wahl bei Vorliegen einer eitrigen Pododermatitis bzw. eines Soh- lenabszesses umfasst die Eröff nung, so dass fl üssiges Exsudat ab- fl ießen kann, mit nachfolgender Exzision alles infi zierten Gewebes ▶ Abb. 4 Punktat aus dem Sohlenabszess; das Punktat war wässrig, getrübt und von grau-violetter Farbe und stinkend. Quelle: Vetmed- uni Vienna, Universitätsklinik für Wiederkäuer ▶ Fig. 4 Aspirated puncture specimen from the sole abscess. The content was very watery, moderately turbid, grayish-purple in color and fetid. Source: Vetmeduni Vienna, Universitiy Clinic for Ruminants. und Spülung der Wunde bzw. der Abszesshöhle [ 9 , 10 ] . Gegebe- nenfalls müssen auch noch vorhandene Fremdkörper entfernt wer- den [ 12 ] . So wie bei dem hier vorgestellten Trampeltier mit einer großen Abszesshöhle ist es wichtig einen großen Zugang zum Ab- szess zu schaffen. Im vorliegenden Falle wurde ein ca. 7 cm im Durchmesser großes Stück Sohle entfernt. Diese Vorgangsweise ermöglicht einerseits eine visuelle Kontrolle der Lederhaut, die unter Sicht notwendige Kürettage bzw. Exzision festhaftender ne- krotischer Gewebeanteile sowie eine eff ektive Spülung und Drai- nage. Nur ein „Spalten“ des Abzesses, indem man eine schlitzför- mige Öff nung anlegt, würde die Gefahr bergen, dass nicht das ge- samte eitrige Exsudat abfließen kann und dass die Öffnung vorzeitig wieder verklebt. Um eine Kontamination oder Reinfekti- on der Wunde zu vermeiden bzw. um zudem auch die hgr. entzün- dete Lederhaut zu schützen, ist es notwendig einen Schutzverband anzulegen. Da im Gegensatz zum Rind beim Kamel zur Entlastung des schmerzhaften Prozesses kein Klotz auf die gesunde Nach- barklaue geklebt werden kann, behalf man sich bei diesem Patien- ten mit dem Anbringen eines 5 cm dicken Styrodur-Pads (extru- dierter Polystyrol-Hartschaumstoff aus dem Bauhandel) über dem Schutzverband. In dieses komprimierbare Pad war ein Loch ge- schnitten worden, welches sich kegelförmig zum Sohlendefekt hin verbreiterte. Auf diese einfache Art und Weise konnte eine Entlas- tung der schmerzhaften Lederhaut erreicht werden. Auf den Schutzverband konnte nach Ablauf von 6 Wochen verzichtet wer- den, nachdem sich bis dahin eine dicke Schicht neuen Sohlenhorns gebildet hatte. Generell haben Sohlenabszesse eine gute Prognose, jedoch kön- nen die penetrierenden Fremdkörper auch zu Infektionen tiefl ie- gender Strukturen wie beispielsweise zu Nekrosen der Beugeseh- nen oder zu einer Osteomyelitis der zweiten oder dritten Phalanx führen [ 5 , 10 , 12 , 14 , 24 ] . Im vorliegenden Fall konnte weder ein perforierender Fremdkörper noch eine „Eintrittspforte“ im Sohlen- horn gefunden werden. Es wurde allerdings vermutet, dass entwe- a b c ▶ Abb. 5 Vorbereitetes Styrodurpad mit kegelförmig in der Mitte geschnittenem Loch ( a ), um eine Druckentlastung der schmerzhaften, entzünde- ten Lederhaut zu erreichen; angelegter, fertiger Verband am Fuß hinten links, nun wird das Styrodurpad unten auf den Verband aufgelegt, wobei der kegelförmig erweiterte Teil des Loches Richtung Sohle platziert wurde ( b ) und mit einem 5 cm breiten Tesa-Gewebeband fest am Verband fi xiert ( c ). Quelle: Vetmeduni Vienna, Universitätsklinik für Wiederkäuer Prepared pad of expanded polystyrene with a countersunk hole cut in the center, ( a ) to relieve pressure on the painful, infl amed dermis; ( b ) ▶ Fig. 5 the completely applied bandage on the left hindfoot, where the pad of expanded polystyrene is now placed on the base of the bandage with the countersunk hole positioned adjacent to the sole, and ( c ) fi rmly attached to the bandage using 5 cm wide tape. Source: Vetmeduni Vienna, Universi- tiy Clinic for Ruminants. Eibl C et al. Sohlenabszess (Pododermatitis purulenta superfi cialis) … Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023 ; 51 : 42 – 49 | © 2023 . Thieme. All rights reserved. 47

FA ZIT FÜR DIE PR A XIS Anhand dieses Fallberichts soll praktizierenden Tierärzten/ innen die eventuell vorhandene Scheu vor „Exoten“ wie einem Trampeltier genommen werden und zudem soll dieser als Hilfestellung dienen, wenn Kollegen/innen selbst in die Situation kommen und einen ähnlichen Fall betreuen dürfen. Beim vorgestellten Patienten erwies sich die Ultraschalluntersuchung der vorliegenden Umfangsvermeh- rung als große diagnostische Hilfe, die letztlich auch wertvolle Informationen für die nachfolgende chirurgische Intervention lieferte. Wichtig ist es, abgesehen vom Eingriff und der korrekten Dosierung der Medikamente, einen geeigneten Ort für die Eingriff e zu wählen, damit sowohl eine korrekte als auch gefahrenlose Lagerung des Patienten in ruhiger Umgebung gewährleistet werden kann. Interessenkonflikt Seitens der genannten Autoren und der genannten Institutionen besteht kein Interessenskonfl ikt. Literatur [1] Gauly M. Tierschutzaspekte bei der Haltung Neuweltkameliden . 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Sohlenabszess (Pododermatitis purulenta superfi cialis) … Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023 ; 51 : 42 – 49 | © 2023 . Thieme. All rights reserved. 49

Kompendium Ergebnisse Das Kolostrum war insgesamt von hoher Qualität mit durchschnittlich 78,3 mg/ml IgG. Das β-Carotin im Kolost- rum war bei Kühen, die eine β-Carotin- ergänzten Fütterung erhielten, höher. Die Konzentrationen von Retinol, α-Tocopherol, IgG, Protein und Laktose wurden durch die mütterliche Ernährung nicht beeinfl usst. Der Farbwert wurde durch die β-Carotin- Supplementierung signifi kant erhöht. Die Behandlung war für Kälber nach 24 Stun- den und nach 7 Tagen signifikant. Nach 24 Stunden stammten 89,3 % der Kälber, bei denen die β-Carotin-Nachweisgrenze über- schritten wurde, von β-Carotin-behandelten Kühen. Am 7. Tag stammten 85,7 % der Kälber, die über dem Schwellenwert lagen, von Kühen, die mit β-Carotin supplementiert wur- den. An Tag 0 wies nur ein Kalb nachweisbare β-Carotin-Konzentrationen auf, und an Tag 60 war dies bei keinem Kalb der Fall. Die Konzentrationen oder Aktivitäten von Retinol, α-Tocopherol, Cholesterin und GLDH nahmen mit dem Alter zu, während die von nicht veresterten Fettsäuren, Krea- tinin und Bilirubin abnahmen. Andere Werte zeigten unterschiedliche Reaktionen mit dem Alter. FA ZIT Die Gabe von β-Carotin an präpartale Kühe erhöhte das β-Carotin im Kolostrum und ließ die Farbe des Kolostrums roter und gelber erscheinen. Eine Supplementierung mit β-Carotin hatte keinen Einfl uss auf die IgG-Konzentration im Kolostrum. Die Gabe von β-Carotin an das Muttertier führte zu niedrigeren Serumaktivitäten von GGT und GLDH bei den Kälbern, was möglicherweise auf eine antioxida tive Wirkung hinweist. Insgesamt hatte die β-Carotin-Supplementierung der Kuh bescheidene Auswirkungen auf das Kalb, und die direkte Supplementie- rung sollte untersucht werden. Maren Sievert, Gießen Was geschieht im Kalb nach mehrfachem Drenchen? die Haube und der Labmagen sonografi sch untersucht. Braun U , Kochan M , Weber F et al. Wiederholtes Drenchen von Kälbern – Ultraschallbefunde an Haube und Labmagen sowie kurzfristige Auswirkun- gen auf pH-Wert und D-Laktat in Pansensaft und Blut . Schweiz Arch Tierheilkd 2022 ; 164 : 243 – 248 Das Drenchen von Kälbern wird in der landwirtschaftlichen Praxis regelmäßig angewendet, um trinkschwache Kälber zu versorgen. Auch wenn es sich dabei um eine vielfach verwendete Methode handelt, sind die Folgen des Drenchens für das Kalb nicht vollständig geklärt. Unklar ist, was mit der Milch nach dem Drenchen geschieht – bleibt diese für eine längere Zeit in der Haube oder ge- langt sie direkt in den Labmagen? Gibt es Auswirkungen auf das Pansenmilieu und den Säure-Basen-Status des Blutes? Unter dem Begriff Drenchen wird eine Zwangsfütterung des Kalbes über eine Sonde in den Ösophagus oder Pansen verstanden. Insbesondere für Kälber mit Trinkschwäche post natum kann über das Drenchen eine Ver- sorgung mit Immunglobulinen aus dem Ko- lostrum ermöglicht werden. Im Zuge des physiologischen Tränkeprozesses wird über den Schlundrinnenrefl ex die aufgenommene Milch in den Labmagen geleitet, ohne in der Haube zu verweilen. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, den Weg der Milch nach dem Drenchen sonografi sch zu verfol- gen sowie die Auswirkungen von wiederhol- tem Drenchen auf das Pansenmilieu und den Säure-Basen-Status des Blutes zu erfassen. Material und Methoden Die Untersu- chung wurde an sechs klinisch gesunden männlichen Holstein-Friesian-Kälbern mit einem Lebensalter von etwa sieben Tagen durchgeführt. Im Untersuchungszeitraum wurden die Kälber dreimal im Abstand von zwölf Stunden mit einer Milchmenge ent- sprechend 6 % des Körpergewichtes ge- drencht. Im Verlauf wurden mehrfach Blut- proben gewonnen, aus denen venöse Blut- gasanalysen sowie der D-Laktat-Gehalt bestimmt wurde. Zusätzlich wurde Pansen- saft gewonnen, in welchem der pH-Wert und das D-Laktat gemessen wurden. Wäh- rend und nach dem Drenchvorgang wurde Ergebnisse In der sonografi schen Unter- suchung konnte nach dem Drenchen Flüs- sigkeit in der Haube und im Labmagen dargestellt werden. In der Haube verringer- te sich das Flüssigkeitsvolumen nach einem initialen Maximum. 15 Minuten nach dem Drenchen war noch Flüssigkeit in der Haube zu sehen. Der pH-Wert des Pansensaftes senkte sich nach wiederholtem Drenchen signifi kant ab. Der D-Laktatgehalt stieg signifi kant an. Im Blut konnten über den Studienzeitraum keine signifi kanten Abweichungen des Säu- re-Basen-Haushaltes und der D-Laktat- Konzentration festgestellt werden. Diskussion Die sonografi schen Untersu- chungen zeigen, dass Milch während des Drenchvorganges sowohl in die Haube als auch in den Labmagen gelangen. Die Auto- ren gehen davon aus, dass die Milch nicht aktiv über den Schlundrinnenrefl ex, son- dern passiv über die Hauben-Psalter-Öff - nung in den Labmagen abfl ießt. Die nach mehrfachem Drenchen nachge- wiesene Laktatazidose im Pansen hatte in der Untersuchung keine metabolische Azidose zur Folge. Die Autoren folgerten allerdings aus der Tendenz eines erhöh- ten D-Laktat im Blut, dass es nach weite- ren Drenchvorgängen zusätzlich zu einer metabolischen Azidose gekommen wäre. Das klinische Befi nden der Studientiere war von der Pansenazidose nicht beeinträchtigt. Die Pansenmukosa kann jedoch durch die niedrigen pH-Werte bereits geschädigt wer- den. FA ZIT Es sollte stets die vorliegende Ursache der Trinkschwäche festgestellt und behandelt werden. Bei entsprechen- der Indikation ist das korrekt durchgeführte Drenchen eine adäquate Methode, um trinkschwache Kälber zu versorgen. Wiederholtes Drenchen sollte vermieden werden. Lukas Trzebiatowski, Gießen Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023 ; 51 : 50–51 | © 2023 . Thieme. All rights reserved. 51

Verbandsnachrichten Tagung der Fachgruppe „Pathologie“ Vom 3. bis 5. März 2023 fi nden die 66. Ta- gung und das 28. Schnittseminar der DVG- Fachgruppe „Pathologie“ in Fulda statt. Ta- gungsleiter ist Prof. Dr. Andreas Beineke (Hannover). tungen geplant. Das Schnittseminar be- ginnt bereits am 3. März um 14 Uhr und endet am 4. März gegen 12 Uhr. Die Tagung beginnt am 4. März um 14 Uhr. Ende der Ver- anstaltung wird am 5. März um 13 Uhr sein. Sowohl das Schnittseminar („Pathologie der endokrinen Organe“, Referent: Prof. Dr. Tho- mas Rosol, Ohio University, Athens, USA) als auch die Tagung sind als Präsenzveranstal- Weitere Informationen, Programm und On- line-Anmeldung: www.dvg.de , Tagungen, Termine Quelle: DVG Call for Papers Fachgruppe VAINS Die Fachgruppe Veterinärmedizinische An- ästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie der Deutschen Vete- rinärmedizinischen Gesellschaft (VAINS- DVG) lädt Sie herzlich ein, Abstracts für Freie Vorträge anlässlich des 7. Jahrestreff ens die- ser Fachgruppe im Rahmen des DVG-Vet- Congresses vom 23. bis 25.11.2023 in Berlin einzureichen. Auch in diesem Jahr werden nicht nur wis- senschaftliche Studien sondern auch Fall- berichte aus der Praxis zu den Bereichen Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedi- zin und Schmerztherapie angenommen. Ein wissenschaftlicher Beirat wird über die Annahme der Präsentationen entscheiden. Angenommene Abstracts werden im Ta- gungsband und in der „Tierärztlichen Pra- xis“ veröff entlicht. Die Vortragspräsentationen sind auf 13 Mi- nuten mit 2 Minuten Diskussion limitiert. Die Gliederung des Abstracts ist frei, muss jedoch Informationen zum Ziel der Studie, Methoden, Ergebnisse und Schlussfolge- rungen enthalten. Formulierungen wie „die Resultate werden im Vortrag präsentiert/ diskutiert“ sind nicht akzeptabel. Einfache Tabellen sind innerhalb des vorgegebenen Raums möglich. Eine Wortzahl von 300 Wörtern (ohne Überschrift und Autoren) sollte nicht überschritten werden. Deadline ist der 02.05.2023. Abstracts, die nach diesem Datum einge- reicht werden, fi nden keine Berücksichti- gung. Bitte reichen Sie Ihr Abstract ab so- fort online unter folgender Adresse ein: https://upload.dvglive.de/ Bitte beachten Sie bei der Erstellung der Ab- stracts die dort hinterlegten Hinweise. Bei inhaltlichen Fragen kontaktieren Sie bitte: Prof. Dr. Sabine Kästner, E-Mail: sabine.kaestner@tiho-hannover.de oder Quelle: DVG Dr. Julia Tünsmeyer, E-Mail: j ulia.tuensmeyer@tiho-hannover.de Bei technischen Fragen wenden Sie sich bitte an: DVG Service GmbH, An der Alten Post 2, 35390 Gießen, Tel.: 0641 984446–0, E-Mail: speaker@dvg.de Mitteilungen der DVG. Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023 ; 51 : 52 – 55 | © 2023 . Thieme. All rights reserved. 53

Verbandsnachrichten Nachruf auf Dr. Heinz Strobel Für uns alle unfassbar starb am 25.10.2022 plötzlich und unerwartet Dr. Heinz Strobel im Alter von 66 Jahren. Wir verlieren mit ihm einen guten Freund und hochgeschätz- ten Kollegen, einen engagierten und uner- müdlichen Botschafter für die Belange der Tiergesundheit und Schäferei, und einen weltoffenen, vielseitigen Menschen, der viele von uns nachhaltig geprägt hat. Nach Studium und Promotion in München und initialer Tätigkeit in der Gemischtpraxis spezialisierte er sich seit 1990 auf Schafe. Selbst auch Schafhalter, vereinte er in sei- ner tierärztlichen Arbeit stets neueste wis- senschaftliche Erkenntnisse mit solidem praktischen Arbeiten. Aus der Praxis heraus initiierte und begleitete er zudem zahlrei- che Forschungsprojekte. Die Aus-, Fort- und Weiterbildung und der stete Austausch beider Berufsgruppen war ihm ein großes Anliegen: Als Initiator des Triesdorfer Schaf- gesundheitstags, als Vortragender auf tier- ärztlichen Fortbildungsveranstaltungen und wissenschaftlichen Kongressen, als Kursleiter in der Tierwirt- und Meisteraus- bildung, als gastfreundlicher Lehrer unzäh- liger Praktikanten sowie als Buchautor und Verfasser wissenschaftlicher Publikationen. Sein typischer trockener, humoristischer Vortragsstil motivierte eine breite Zuhörer- schaft, sich im Bereich der Schafgesundheit fortzubilden. Er wurde so zum Mentor vie- ler, die sich für die Schafpraxis interessier- ten. Seine Weltoffenheit, Lebensfreude und Gastfreundschaft sind über die Grenzen Deutschlands bekannt, ebenso seine Liebe für Musik und historische Instrumente. Ge- meinsam mit seiner Frau Barbara sorgte er hiermit gerne für abendliche Unterhaltung. Über all seinem Wirken stand die ihm typi- sche Bescheidenheit, und er mochte es nicht, seine Person in den Vordergrund zu stellen. Er liebte es aber, wenn die Sache durch sein Handeln vorangetrieben werden konnte. Wir trauern gemeinsam mit seiner Familie und Johanna Hilke, der Nachfolgerin seiner Schafpraxis. Dieter Spengler Katja Voigt Regina Hannemann und Henrik Wagner im Namen der DVG-Fachgruppe „Kleine Wiederkäuer und Neuweltkamele“. Heinz Strobel war von 2012 bis 2018 im Vorstand und von 2014 bis 2016 erster Vor- sitzender der DVG-Fachgruppe „Kleine Wiederkäuer und Neuweltkamele“, er war Diplomate des European College of Small Ruminant Health Management, langjähri- ger Auslandsbeauftragter der britischen Sheep Veterinary Society, und aktuell Vize- präsident der International Sheep Veterina- ry Association. In der Ständigen Impfkom- mission Veterinärmedizin war er seit Initi- ierung dieser Kommission beratendes Mitglied für den Arbeitskreis Wiederkäuer. 2021 übergab er seine Praxis in die Hände seiner langjährigen Mitarbeiterin, blieb je- doch weiterhin beruflich aktiv, offen für alles Neue und stets auf der Suche nach Verbesserungen. An seinem Schreibtisch hing eine von ihm selbst verfasste Mah- nung: „Keine neuen Projekte“. Sehr bald hatte er sie allerdings mit Konzepten für neue Pläne überdeckt. Mitteilungen der DVG. Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023 ; 51 : 52 – 55 | © 2023 . Thieme. All rights reserved. 55

Impressum Impressum Tierärztliche Praxis Ausgabe G: Großtiere/Nutztiere 51. Jahrgang Die Tierärztliche Praxis Ausgabe G erscheint 6-mal jährlich. ISSN (Print): 1434–1220 eISSN: 2567–5834 Verlag Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart oder Postfach 301120, 70451 Stuttgart Tel.: +49 711 8931–0, Fax: +49 711 8931–298 www.thieme.de, www.thieme.de/tp-grosstier www.thieme-connect.de/products Eigentümer & Copyright Wenn nicht anders angegeben: © 2023. Thieme. All rights reserved. Die Zeitschrift Tierärztliche Praxis Ausgabe G: Großtiere/Nutztier ist Eigentum von Thieme. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany Herausgebergremium / Schriftleitung Prof. Dr. Dr. H. c. mult. Hartwig Bostedt Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie der Groß- und Kleintiere mit Tierärztlicher Ambulanz der Justus-Liebig-Universität Gießen Frankfurter Straße 106, 35392 Gießen Prof. Dr. Walter Brehm Chirurgische Tierklinik der Universität Leipzig An den Tierkliniken 21, 04103 Leipzig Prof. Dr. Melanie Hamann Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Fachbereich Veterinärmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen Schubertstraße 81, 35392 Gießen Prof. Dr. Rüdiger Korbel Klinik für Vögel, Reptilien, Amphibien und Zierfi sche der Ludwig-Maximilians-Universität München Sonnenstraße 18, 85764 Oberschleißheim Prof. Dr. Michael Lierz Klinik für Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische der Justus-Liebig-Universität Gießen Frankfurter Straße 91–93, 35392 Gießen Prof. Dr. Karl Nuss Departement für Nutztiere (Wiederkäuerchirurgie) Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich Winterthurerstrasse 260, 8057 Zürich, Schweiz Prof. Dr. Mathias Ritzmann Klinik für Schweine der Ludwig-Maximilians-Universität München Sonnenstraße 16, 85764 Oberschleißheim Prof. Dr. Axel Wehrend (verantwortlich) Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie der Groß- und Kleintiere mit Tierärztlicher Ambulanz der Universität Gießen Frankfurter Straße 106, 35392 Gießen E-Mail: Axel.Wehrend@vetmed.uni-giessen.de Tel.: 0641/99–3 87 01 (Sekr.) Die Herausgebenden sind nicht verantwortlich für die Rubrik „Forum der Industrie“ sowie für in der Zeitschrift enthaltene Anzeigen und Beilagen. Redaktion Sie erreichen die Redaktion unter: Dr. Inge Brinkmann E-Mail: redaktiontp@gmx.de V.i.S.d.P.: Dr. Leonie Löffl er, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart Verantwortlich für den Anzeigenteil Thieme Media Pharmedia Anzeigen- und Verlagsservice GmbH Jan Schröder, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart oder Postfach 300880, 70448 Stuttgart Tel.: +49 711 8931 414, Fax: +49 711 8931–470 E-Mail: Jan.Schroeder@thieme-media.de Produktionsmanagement Tel.: +49 711 8931–451, Fax: +49 711 8931–393 E-Mail: Christa.Gnaedig@thieme.de Abonnentenservice Wir bitten unsere Abonnent*innen, Adressänderungen dem Abonnentenservice mitzuteilen, um eine reibungs- lose Zustellung der Zeitschrift zu gewährleisten. 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Grundsätzlich werden nur solche Manuskripte angenommen, die noch nicht anderweitig veröff entlicht oder zur Veröff entlichung eingereicht worden sind. Bitte beachten Sie: Wir können keine Abbildungen an- nehmen, die bereits in Büchern, Zeitschriften oder elek- tronischen Produkten anderer Anbieter*innen publiziert worden sind oder an denen ein Dritter Nutzungsrechte hat (z. B. Arbeitgeber). Der Grund: Auch gegen Lizenz- gebühr ist es kaum noch möglich, die Nutzungsrechte in dem für uns erforderlichen Umfang zu erhalten. Bitte zahlen Sie deshalb keine Lizenzgebühren (z. B. bei Bezugspreise 2023* Institutioneller Jahresbezugspreis Persönlicher Jahresbezugspreis Studentenpreis (Immatrikulationsbescheinigung beilegen) Vorzugspreis für DVG-Mitglieder*** Einzelheft Ausgabe G + K je 6 Hefte Ausgabe G 6 Hefte Ausgabe K 6 Hefte 738,– €* / 704,– €** 500,– €* / 477,– €** 670,– €* / 647,– €** 349,– € 186,– € 255,– € 246,– € 134,– € 179,– € 65,– € 304,– € 134,– € 220,– € 65,– € * Print mit online-Zugriff für 1 Standort; ** nur online-Zugriff für 1 Standort; *** DVG-Fachgruppen Innlab, Pathologie, Veterinär- medizinische Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie (VAINS), Krankheiten der kleinen Wiederkäuer, Schweinekrankheiten, Gefl ügelkrankheiten, Bienen, Zier-, Zoo- und Wildvögel, Reptilien und Amphibien – nur Privatpersonen Jährliche Bezugspreise in € (unverbindlich empfohlene Preise) inkl. der gesetzl. MWSt. und inkl. der Versand- und Handlingkosten. Preisände- rungen vorbehalten. Das Abonnement wird im Voraus berechnet und zur Zahlung fällig. Die Bezugsdauer verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, sofern das Abonnement nicht bis spätestens 30.09. mit Wirksamkeit zum Kalenderjahresende gekündigt wird. Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2023; 51 | © 2023. Thieme. All rights reserved. „RightsLink“ / Copyright Clearance Center) – auch die Standard-Lizenzverträge von „Creative Commons“ sind für eine Publikation leider nicht ausreichend. For users in the USA Authorization of photocopy items for internal or perso- nal use, or the internal or personal use of specifi c clients, is granted by Georg Thieme Verlag Stuttgart. New York for libraries and other users registered with the Copy- right Clearance Center (CCC) Transactional Reporting Service; www.copyright.com. For reprint information in the USA, please contact: journals@thieme.com Sprache Thieme Publikationen streben nach einer fachlich kor- rekten und unmissverständlichen Sprache. 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