Sportphysio 1 Februar 2021 Seite 1–52 9. Jahrgang Herausgeber Hans-Josef Haas Cornelia van Hauten Matthias Keller Eduard Kurz Martina Leusch Martin Ophey Jetzt Sportphysio-App downloaden! Schwerpunkt Werfen ▪ Biomechanische Grundlagen des Werfens ▪ Prävention von Schulterverletzungen im Handball ▪ Rückkehr zum Sport nach Schulterverletzung U p d a t e : U p p e r Q u a r t e r i t y A g i l

Editorial Werfen: eine komplexe Herausforderung Eduard Kurz Korrespondenzadresse Eduard Kurz Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Department für Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Ernst-Grube-Str. 40 06120 Halle (Saale) Deutschland Bibliografie DOI https://doi.org/10.1055/a-1256-2052 Sportphysio 2021; 9: 1 © 2021. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany ISSN 2196-5951 „Werfen“ ist der Überbegriff für unterschiedlichste Handlungen. Dabei schleudern, passen, rollen, schießen oder schlagen Sportler Objekte mit einem oder beiden Armen, oft auch mit Hilfsmitteln wie Schlägern (Badminton, Eishockey). Abhängig von den spezifi- schen Zielen steht eine möglichst hohe Abwurfgeschwindigkeit oder eine maximale Präzision im Vordergrund, die oft nur durch vollen Körpereinsatz erreicht werden kann. Die Biomechaniker Hen- drik Heger und Veit Wank gehen in ihrem Einführungsartikel auf die mechanischen Grundlagen des Werfens ein und berücksichtigen dabei insbesondre die Gerätemasse. Ein Aspekt, der bei sonstigen Beschreibungen oft unbeachtet bleibt. Multidimensionale Bewegungen mit hohen Beschleunigungen, gepaart mit vielen Wiederholungen, kennzeichnen die Anforde- rungsprofile armbetonter Sportarten bzw. -disziplinen. Unzähli- ge Wiederholungen und eine schlechte technische Ausführung können zu einer Überbeanspruchung der beteiligten Strukturen, zu Verletzungen und Ausfallzeiten führen. Welche Möglichkeiten es gibt, Verletzungen an der oberen Extremität vorzubeugen, be- schreibt Linda van Maanen-Coppens. Im Vergleich zu den unteren Extremitäten sind die oberen Extre- mitäten zwar seltener von Verletzungen betroffen. Diese ereignen sich jedoch häufiger an den distalen Segmenten – insbesondere bei Sportarten mit einem erhöhten Risiko zu stürzen [1]. Sportler, die sich an der Mehrgelenkkette obere Extremität verletzt haben, stellen für den Therapeuten und Reha-Trainer eine besondere He- rausforderung dar. Die zu bewertenden Kriterien gehen weit über die Sicherstellung der Schmerzfreiheit und die Erfassung des Be- wegungsumfangs hinaus. Einblicke in die Möglichkeiten der Reha- bilitation und Erstversorgung nach Schulterverletzungen geben Martin Asker und Markus Neumann in Ihren Beiträgen. Ein in der praktischen Anwendung wie auch in der Forschung unterrepräsentiertes Thema ist das Agilitätstraining der oberen Extremität. Dennis Wellm widmet sich diesem Bereich mit eini- gen innovativen Beispielen aus seiner Tätigkeit als Trainer im Leis- tungssport. Viele Spaß beim Schmökern, Studieren und Ausprobieren wünscht Eduard Kurz Literatur [1] Sytema R, Dekker R, Dijkstra PU et al. Upper extremity sports injury: Risk factors in comparison to lower extremity injury in more than 25 000 cases. Clin J Sport Med 2010; 20: 256–263 Kurz E. Werfen: eine komplexe ... Sportphysio 2021; 9: 1 | © 2021. Thieme. All rights reserved. 1

Inhaltsverzeichnis Sportphysio Februar 2021 · 9. Jahrgang · Seite 1–52 research 4 Aus der Forschung für die Praxis focus Werfen 8 Einführung | Biomechanische Grundlagen des Werfens 17 23 Vertiefung | Prävention von Schulterverletzungen im Handball Praxisfall | Rückkehr zum Handballspiel nach einer Schulterverletzung update 32 41 Lumbale Rückenschmerzen und Wirbelsäulen- verletzungen bei Sportlern Upper Quarter Agility – Nicht nur Koordinationstraing der oberen Extremität on the field 47 Erstversorgung einer traumatischen Schulterluxation notes 51 Veranstaltungsbericht 52 Termine Impressum (nach der letzten Seite) Covergestaltung: © Thieme Bildnachweis Cover: Brocreative/stock.adobe.com – Stock photo. Posed by a model Martin Asker beschreibt ab S. 23 an einem Fallbeispiel, wie die Rückkehr in den Handballsport gelingen kann. Dazu gehört auch die Befunderhebung. (Quelle: M. Asker) Dennis Wellm stellt ab S. 41 originelle Übungen zur Verbesserung der Agilität der oberen Extremität vor, die mit geringem Aufwand umzusetzen sind. (Quelle: D. Wellm) Sportphysio 2021; 9 | © 2021. Thieme. All rights reserved. 3

Therapeutisches Management von Tendinopathien Die Tendinopathie gehört zu den häufigs- ten Erkrankungen des Bewegungsapparats bei körperlich aktiven Menschen. Patienten mit Tendinopathien berichten häufig über leichte bis mittelschwere anhaltende Symp- tome, die die körperliche Aktivität beein- trächtigen und die Lebensqualität mindern. Während die Ätiologie umstritten ist, steht Klinikern zur Behandlung ein breites Spek- trum an Möglichkeiten zur Verfügung. Zu den in der Literatur am häufigsten anzutref- fenden Behandlungen gehören therapeuti- sche Maßnahmen, Übungsprotokolle und chirurgische Eingriffe. Deren Wirksamkeit bleibt jedoch unklar. Zweck des Reviews war es deshalb, eine sys- tematische Übersicht zusammenzustellen, um die Wirksamkeit therapeutischer Inter- ventionen zur Verbesserung von Schmer- zen und Funktionsstörungen bei Patien- ten mit Tendinopathien unabhängig von Typ oder Lokalisation zu bestimmen. Die Autoren durchsuchten hierfür fünf Da- tenbanken: PubMed, EMBASE, CINAHL, PEDro und die Cochrane Database. Insge- samt 25 systematische Übersichtsarbei- ten, in denen 228 RCTs bewertet und über 15 000 Patienten eingeschlossen waren, er- füllten alle Einschlusskriterien und wurden aufgenommen. Die meisten Reviews bein- halteten Patientenpopulationen mit Tendi- nopathien der Achillessehne, des lateralen Ellenbogens, der Patellarsehne und der Ro- tatorenmanschette. Die Autoren bewerte- ten die methodische Qualität mit dem Tool AMSTAR (Assessment of Multiple Systema- tic Reviews). Die Werte waren mit 8,8 ± 1,0 relativ hoch. Die Ergebnisse zeigten, dass exzentrische Übungen (▶ Abb. 1) in allen systemati- schen Übersichtsarbeiten die häufigste und durchweg wirksamste Behandlungs- option für Tendinopathien darstellt – un- abhängig von deren Lokalisation. Dies gilt sowohl in Bezug auf die Schmerzen als auch auf die Funktion. Die Low-Level-Laserthe- rapie und die extrakorporale Stoßwellen- therapie wiesen eine moderate Wirksam- keit auf, während Plasmainjektionen keine schlüssige Evidenz aufwiesen. Kortikoste- roide zeigten bei kurzfristiger Schmerzre- duktion eine gewisse Wirksamkeit, wurden jedoch für die langfristige Anwendung als unwirksam und manchmal kontraindiziert erachtet. Was die chirurgischen Optionen betrifft, so scheinen sie bei fortgeschrit- teneren Tendinopathien möglicherwei- se gerechtfertigt zu sein, aber sie zeigten durchwachsene Ergebnisse in Bezug auf die Funktions- und Schmerzverbesserung. Minimalinvasive Verfahren waren im Ver- gleich zu offenen chirurgischen Eingriffen wirksamer. FA ZIT Da die AMSTAR-Werte relativ hoch waren, wiesen die eingeschlossenen systematischen Übersichten ein relativ geringes Biasrisiko und eine angemessene interne Validität auf. Eine Limitation ist, dass lediglich die Interventionen und ihre subjektiven Auswirkungen auf die von den Patien- ten berichteten Outcome- Messungen hinsichtlich Schmerzen und Funk- tionseinschränkungen bewertet wurden, nicht aber die objektiveren biologischen und klinischen Marker einer Sehnenheilung. Eine weitere Limitation stellt die Schlussfolgerung zur Tendinopathie als Ganzes und nicht auf einzelne Körperabschnitte betrachtet, dar. Zusammenfassend zeigt dieses Meta-Review (= syste- matische Übersicht systematischer Übersichtsarbeiten), dass die beste Behandlungsoption für Tendino- pathien exzentrische Übungen sind, insbesondere wenn sie mit weiteren therapeutischen Methoden kom- biniert werden. Um die klinischen Ergebnisse in dieser Population zu verbessern, müssen weitere hochwertige Forschungsarbeiten zum Vergleich der Interventionen sowie zu verschiedenen Arten von Tendinopathien durchgeführt werden. ▶Abb. 1 Exzentrisches Training der Unterarmextensoren. (Quelle: Diemer F, Sutor V. Praxis der medizinischen Trainingstherapie II. Stuttgart: Thieme 2016) AUF EINEN BLICK Design: Meta-Review Teilnehmer: 25 systematische Über- sichtsarbeiten (mit insgesamt 228 RCTs und über 15 000 Patienten) Parameter: Behandlungsmöglich- keiten bei Tendinopathien Resultate: Exzentrische Übungen scheinen die wirksamste Behand- lungsoption für Tendinopathien zu sein. Katrin Veit Irby A, Gutierrez J, Chamberlin C et al. Clin- ical management of tendinopathy: A sys- tematic review of systematic reviews eval- uating the effectiveness of tendinopathy treatments. Scand J Med Sci Sports 2020; 30(10): 1810–1826 Sportphysio 2021; 9 | © 2021. Thieme. All rights reserved. 5

Tipps und Empfehlungen für die richtige Ernährung für Sportler M a c h e n S i e s i c h f i t Der Faktor Ernährung beeinflusst die sportlichen Leistungen enorm. In diesem Buch erlangen Sie wissenschaftlich fun- dierte Kenntnisse zur optimalen Energie-, Nährstoff- und Flüssigkeitszufuhr, ergänzt durch viele Tipps aus der Praxis. • Ernährungstechniken für den Wettkampf • Energiegewinnung unter verschiedenen Belastungszeiten • schnelle und langsame Energiequellen • Flüssigkeitshaushalt im Sport • Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente • leistungssteigernde Substanzen • umfassende Tabellen für Nahrungsergänzungsmittel Sport und Ernährung Raschka/Ruf 2018. 4., unveränderte Aufl. 232 S., 42 Abb., kart. ISBN 978 3 13 242591 0 statt 39,99 € [D] jetzt nur noch 29,99 € [D] Buch plus Online-Version in der eRef www.thieme.de/shop i a f n a e d n e d r e w ] D l [ b a h r e ß u a n e g n u r e f e i L i . 9 9 4 3 A R H , t r a g t t u t S r e t s i g e r s l e d n a H d n u - z t i S , G K g a l r e V e m e h T g r o e G i . t e n h c e r e b r e t i e w n e t s o k d n a s r e V n e d n e l l e B . n e t l a h e b r o v r e m ü t r r I d n u n e g n u r e d n ä s i e r P

Abwurfart Schlagwurf Drehwurf Gerätemasse leicht mittel Ausführung translatorisch rotatorisch Beispiele Schlagball, Speerwurf, Baseball Schleuderball, Diskuswurf Stoß schwer translatorisch, rotatorisch Kugelstoß ▶Abb. 1 Verschiedene Wurfarten in Abhängigkeit von der Bewegungsausführung, welche maßgeblich von der Gerätemasse beeinflusst wird. (Quelle: H. Heger; grafische Umsetzung: Thieme Gruppe) ▶Abb. 2 Hauptbeschleunigungsphase der Wurfbewegung am Beispiel des Schlagballwurfes. Beginn: Fußaufsatz des Druckbeines, Ende: letzter Kontakt Finger – Wurfgerät. (Quelle: H. Heger; grafische Umsetzung: Thieme Gruppe) fer – Wurfgerät in Wurfrichtung. Das (Stemm-)Bein der Gegenseite bremst wiederum die Vorwärtsbewegung des Werfers, aber möglichst nicht die des Gerätes. Anwendung biomechanischer Prinzipien bei Wurfbewegungen Die gut koordinierte Wurfbewegung zeichnet sich dadurch aus, dass die Körpersegmente der Kette Fuß, Unter-, Ober- schenkel, Rumpf, Ober-, Unterarm, Hand über die kop- pelnden Gelenke sukzessive beschleunigt und abgebremst werden. Mit dem Aufsatz des gestreckten und im weiteren Bewegungsverlauf möglichst wenig bzw. nicht nachgeben- den Stemmbeines [4] schafft der Werfer ein sehr gutes Wi- derlager, um die Impulse der Körperteile stark zu verrin- gern und auf das Wurfgerät zu übertragen. Gelingt dies, sollten z. B. die Gelenke im Verlauf der Hauptbeschleuni- gungsphase nacheinander ihr Geschwindigkeitsmaximum erreichen [12][21][30]. Dabei steigert sich die Gelenkge- schwindigkeit von proximal nach distal bis zum Gerät er- heblich. ▶Abb. 3 zeigt hierzu exemplarisch die Geschwin- digkeits-Zeit-Verläufe der Gelenke der Stoßarmseite für die Angleittechnik beim Kugelstoßen [12]. Mit dieser Charakteristik in den Geschwindigkeits-Zeit- Verläufen der Gelenke wird das biomechanische „Prin- zip der optimalen Koordination von Teilimpulsen“ im Be- wegungsablauf erfolgreich umgesetzt und die Endge- schwindigkeit des letzten Gliedes der kinematischen Kette maximiert. Hochmuth [13] formulierte auf Basis mechani- scher Gesetzmäßigkeiten und unter Berücksichtigung der menschlichen Anthropometrie und der Muskeleigenschaf- ten mehrere biomechanische Prinzipien. Deren Kenntnis und Beachtung helfen dem Sportler und dem Trainer, die Effektivität einer Bewegung in Richtung eines bestimmten Bewegungszieles, wie z. B. einer maximalen Endgeschwin- digkeit, zu beurteilen. Zum Erreichen dieses Zieles ist auch ein „optimal langer Beschleunigungsweg“ zu nutzen. Wenn der Raum durch Wurf- und Stoßringe wie z. B. beim Dis- kuswurf begrenzt ist, wird die Möglichkeit genutzt, durch Drehungen um die Körperlängsachse den Weg zu verlän- gern. Unterliegt die Bewegung bezüglich des Weges kei- nen räumlichen und zeitlichen Zwängen wie beim Speer- Heger H et al. Biomechanische Grundlagen des ... Sportphysio 2021; 9: 8–16 | © 2021. Thieme. All rights reserved. 9

v a a v a sB tB t sB tB t i n e b k c u r D n e z t e S f r u w b A i n e b m m e t S n e z t e S ) 2 s / m i ( g n u g n u e h c s e B l 0,4 0,2 0,0 b Zeit (s) ▶Abb. 4 Veranschaulichung des Prinzips der optimalen Tendenz im Beschleunigungsverlauf (v = Geschwindigkeit, a = Beschleunigung, t = Zeit). a a-t-Verlauf für einen gegebenen Weg sB für eine maximale Endgeschwindigkeit (links); a-t-Verlauf mit dem Ziel, eine minimale Zeitdauer für die gleiche Wegstrecke zu erreichen (rechts). (Quelle: V. Wank, eigene Grafik; grafische Umsetzung Thieme Gruppe) b Mit einem Beschleunigungs- aufnehmer am Speer erfasstes Messergebnis. (Quelle: Adamczewski 1995; grafische Umsetzung: Thieme Gruppe) ▶Abb. 5 Hauptbeschleunigungsphase beim Speerwurf. (Quelle: Strüder et al. 2017; grafische Umsetzung: Thieme Gruppe) gen, denen Physiotherapeuten aufgrund der Vielzahl der „Schlagwerfer“ vergleichsweise oft begegnen. Typische Bewegungsmerkmale am Beispiel Speerwurf Im Speerwurf werden für Würfe über 85 m Abwurfge- schwindigkeiten von über 30 m/s erreicht [22][23]. Die Dauer der Hauptbeschleunigungsphase (▶ Abb. 5) vom Fußaufsatz des Druckbeines bis zum Abwurf zeigt mit Zeiten zwischen 0,28 und 0,4 s eine relativ große Variabi- lität [4][22][23]. ▶Abb. 4b veranschaulicht, dass bezüg- lich des Ablaufs der Geschwindigkeitsentwicklung diese Phase nochmals genauer betrachtet werden muss. Der wirksamste Beschleunigungsabschnitt beginnt erst mit dem Stemmbeinkontakt [1], dauert über die Topathleten gemittelt nur 0,13 s und variiert mit einer Standardabwei- chung von 0,01 s nur gering [21][22]. Eine solche gerin- ge Variabilität zwischen verschiedenen Athleten gleichen Leistungsniveaus weist auf eine leistungsrelevante Cha- rakteristik im Bewegungsablauf hin. Das durch das Fixie- ren des Stemmbeins eingeleitete einseitige abrupte Ab- bremsen der Hüfte führt sowohl zu einer „Verwringung“ des Rumpfes (Drehung der Hüftachse um die Längsachse des Rumpfes relativ zur Schulterachse) als auch zu einer sogenannten „Bogenspannung“ durch eine zunehmende Streckung des Rumpfes. Insgesamt wird damit die Rumpf- muskulatur exzentrisch vorgespannt. Die sich anschließen- de konzentrische Kontraktion beschleunigt mit Unter- stützung der Hüftbeugung die Wurfarmschulter in Wurf- richtung. Die dann folgende „Unterarmschleuder“ wird hauptsächlich durch eine passende Kombination aus ho- rizontaler Schulteradduktion, Schulterinnenrotation und Ellenbogenstreckung realisiert. Heger H et al. Biomechanische Grundlagen des ... Sportphysio 2021; 9: 8–16 | © 2021. Thieme. All rights reserved. 11

StA MER Abw MIR Abduktion 180° 0° 90° 60 Wurf [%] Adduktion 0 20 40 StA MER Abw MIR Außenrotation 90° 180° 0° 200 150 100 50 0 50 ] ° [ l e k n W i 80 100 100 0 c Innenrotation 20 40 60 80 100 Wurf [%] ] ° [ l e k n W i a ] ° [ l e k n W i 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 90 70 50 30 10 10 30 50 70 90 StA MER Abw MIR horizontale Abduktion 0° 90° 90° horizontale Adduktion 0 20 40 60 80 100 ] ° [ l e k n W i 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 StA MER Abw MIR Extension 90° 180° Flexion 0 20 0° 40 60 80 100 b Wurf [%] d Wurf [%] ▶Abb. 7 Verlauf der Winkel-Zeit-Verläufe im Schultergelenk: a Abduktion/Adduktion, b horizontale Adduktion/Abduktion, c Außen-/Innen- rotation und d Ellenbogengelenk Extension/Flexion in % des Wurfzyklus beginnend mit der frühen Ausholbewegung bis zum Stemmbeinaufsatz (StA), der späten Ausholbewegung bis zur maximalen Außenrotation im Schultergelenk (MER), der Beschleunigung bis zum Abwurf (Abw) und der Bremsphase bis zur maximalen Innenrotation (MIR). (Quelle: Sabick 2004; grafische Umsetzung: Thieme Gruppe) (▶ Abb. 6). Der Werfer führt praktisch einen Standwurf aus, da er mit dem Druckbein am Boden startet. 1. In der Phase der Vorbereitung (1) vollzieht das Stemmbein eine Ausholbewegung entgegen der Wurfrichtung. 2. Mit dem Beginn der Druckbeinarbeit und der Führung des Stemmbeines in Wurfrichtung beginnt die Phase der frühen Ausholbewegung (2) im Rumpf-Arm-Be- reich. Die Wurfarmschulter zeigt entgegen der Wurf- richtung. Der Rumpf ist entsprechend aufgedreht. Diese Phase endet mit dem Stemmbeinaufsatz relativ weit vor dem Körper. 3. Die anschließende Phase der späten Ausholbewe- gung (3) verläuft bis zum Erreichen der maximalen Außenrotation im Schultergelenk von ca. 170° bis 180°. Wie beim Speerwurf wird in dieser Phase durch das Stemmbein die Bewegung des Werfers abge- bremst. Die Hüfte der Wurfarmseite dreht in Wurf- richtung, wobei die Wurfschulter anfangs gegenüber der Hüfte noch zurückbleibt. Damit werden Verwrin- gung und Bogenspannung des Rumpfes aufgebaut und genutzt. Am Ende der Phase hat die Wurfarm- schulter die Gegenseite in Wurfrichtung bereits leicht überholt. 4. Mit der Innenrotation im Schultergelenk beginnt die Phase der Beschleunigung (4). Diese endet mit dem Abwurf. 5. Am Ende wird nach erfolgtem Abwurf in der Phase der Entschleunigung/der Bremsphase (5) die verblie- bene Geschwindigkeit des Wurfarmes abgebremst. Diese Phase wird bis zum Zeitpunkt maximaler Innen- rotation im Schultergelenk betrachtet. Die mittlere Zeitdauer vom Aufsatz des Stemmbeines bis zum Abwurf des Balles (Phasen 3 + 4) liegt bei 0,145 s (± 0,015 s SD). Hiervon entfallen nur 20 % auf die Beschleu- nigungsphase, also ca. 0,03 s [6][27]! Kinematik und Dynamik im Schulter- und Ellenbogengelenk beim „Fast“-Ball Die wesentlichen Bewegungen im Schultergelenk während eines Schlagwurfes sind die Schulterabduktion, die hori- zontale Adduktion und die Außen-/Innenrotation. Letzte- re hat das größte Bewegungsausmaß und die mit Abstand Heger H et al. Biomechanische Grundlagen des ... Sportphysio 2021; 9: 8–16 | © 2021. Thieme. All rights reserved. 13

und Ball mit deutlich höherem Massenträgheitsmoment bezüglich des Ellenbogens transferiert wird. Daraus resul- tieren aufgrund der Ellenbogenposition Varusmomente, die durch das Ligamentum collaterale ulnare, Kräfte der Flexor-Pronator-Muskelgruppe (Mm. flexor carpi ulnaris, flexor carpi radialis, flexor digitorum superficialis und pro- nator teres) und die Kompression im Humeroradialge- lenk[8][9] erzeugt werden müssen. Die mediale Seite wird dabei stark exzentrisch belastet bzw. gedehnt. Entspre- chend ist in diesem Bereich das Verletzungsrisiko erhöht. Ein schwereres Wurfgerät würde die Wirkung des Massen- trägheitsmomentes und des Schwerkraftmomentes be- züglich des Ellenbogens erheblich vergrößern und die Ge- lenkbelastung potenzieren. Aus diesem Grund würde der „vernünftige“ Speerwerfer den zu Beginn spekulativ kon- struierten Vergleich zum Wurf einer handlichen 2-kg-Kugel gegen den Diskuswerfer aus Rücksicht auf die Gesundheit seiner Gelenke gar nicht erst riskieren. TAKE HOME MESSAGE ▪ Das Bewegungsziel einer Wurfbewegung in vielen Sportarten ist das Erreichen einer hohen bis maximale Abwurfgeschwindigkeit. ▪ Dies erfordert die gut koordinierte Bewegungs- kopplung innerhalb aller Körpersegmente mindestens vom Rumpf bis zum Wurfgerät. Wenn der Boden als Widerlager genutzt werden kann, können sogar alle Segmente ausgehend vom Fuß beschleunigungswirksam eingesetzt werden. ▪ Die Geräteform und -masse (und der Einsatz von Hilfsmitteln wie Schlingen und Schleudern) hat wesentlichen Einfluss auf die Wurfausführung und Technik der Wurfbewegung. ▪ Bei relativ geringer Gerätemasse wird vorzugs- weise der geradlinige Schlagwurf eingesetzt, bei dem besonders die Schulterinnenrotation und die Ellenbogenstreckung in sehr kurzer Zeit ausgeführt und sehr hohe Rotationsgeschwindig- keiten realisiert werden. Die kinematische und dynamische Analyse zeigt, dass dafür wesentlich Dehnungs-Verkürzungs-Zyklen genutzt werden, die im Schultergelenk im Bereich der Außen-/ Innenrotation ein erhebliches Bewegungsausmaß in Anspruch nehmen. ▪ Vor allem während der Phasen des (späten) Ausholens und der Beschleunigung sind die das Schulter- und Ellenbogengelenk stabilisierenden Strukturen wie die Rotatorenmanschette im Schultergelenk und der Bandapparat im Ellenbogengelenk stark belastet und einem hohen Verletzungsrisiko ausgesetzt. Autorinnen/Autoren Hendrik Heger Dr. Hendrik Heger ist Akademischer Oberrat am Institut für Sportwissenschaft der Universität Tübingen und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Biomechanik, Bewegungs- und Trainingswissenschaft. Er ist verantwortlicher Fachkoordinator für die Sportarten Leichtathletik und Volleyball. Seine Forschungs- schwerpunkte liegen im Bereich der experimentellen Analyse passiver Eigenschaften des menschlichen Bewegungsappa- rates und der biomechanischen Betrachtung von Bewegun- gen im Volleyball und der Leichtathletik. Veit Wank Prof. Dr. Veit Wank ist Professor für Sport- wissenschaft und Leiter des Lehrstuhls für Biomechanik, Bewegungs- und Trainings- wissenschaft an der Universität Tübingen. Seit 2007 ist er Sprecher der Sektion Biomechanik der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (DVS). Die Forschungsschwerpunkte von Prof. Wank liegen neben der Biomechanik des Muskel-Skelett-Systems vor allem in der Bewegungsanalyse zur Optimierung der sportlichen Technik im Hochleistungsbereich der Individualsportarten. Korrespondenzadresse Dr. Hendrik Heger Universität Tübingen Institut für Sportwissenschaft Arbeitsbereich III Wilhelmstraße 124 72074 Tübingen Deutschland E-Mail: hendrik.heger@uni-tuebingen.de Literatur [1] Adamczewski H. Untersuchungen am Messplatz Speerwurf. Die Lehre der Leichtathletik 1995; 34 (17, 18, 19): 97–100, 101–104, 105–108 [2] Atwater AE. Biomechanics of overarm throwing movements and of throwing injuries. Exerc Sport Sci Rev 1979; 7 (1): 43–86 [3] Bartonietz K. Javelin throwing: An approach to performance development. In: Zatsiorsky V, ed. Biomechanics in Sport. Oxford: Blackwell Science; 2000: 401–434 [4] Best RJ, Bartlett RM, Morriss CJ. A three-dimensional analysis of javelin throwing technique. J Sports Sci 1993; 11 (4): 315–328 [5] Burkhart SS, Morgan CD, Kibler WB. The disabled throwing shoulder: Spectrum of pathology part I: Pathoanatomy and biomechanics. Arthroscopy 2003; 19 (4): 404–420 [6] Dillman CJ, Fleisig GS, Andrews JR. Biomechanics of pitching with emphasis upon shoulder kinematics. J Orthop Sports Phys Ther 1993; 18 (2): 402–408 Heger H et al. Biomechanische Grundlagen des ... Sportphysio 2021; 9: 8–16 | © 2021. Thieme. All rights reserved. 15

Focus | Vertiefung Prävention von Schulterverletzungen im Handball Linda van Maanen-Coppens Nicht nur Handballspieler können ein Lied davon singen: Immer wieder ist es die Schulter, die Schmerzen bereitet und zu Spielpausen zwingt. Doch kann man Schulterverletzungen effektiv verhindern? Ein Blick auf die aktuelle Studienlage. Einleitung Wie in anderen Überkopfsportarten sind auch im Handball Schulterverletzungen ein großes Problem. Studien in Nor- wegen und Schweden haben gezeigt, dass durchschnitt- lich 41–57 % aller Handballer im Verlauf ihrer Karriere an Schulterbeschwerden leiden. Schulterverletzungen haben weitreichende Auswirkungen: In einer umfangreichen nor- wegischen Studie gaben 68,3 % der Teilnehmer an, sie hät- ten aufgrund von Schulterproblemen ihre Trainingsmetho- den anpassen müssen, während 52,3 % der Teilnehmer von Schmerzen bei Wettkämpfen berichteten. Und auch im täglichen Leben sind Schulterschmerzen ein großes Hin- dernis [20][25]. Pro Trainingsstunde wirft ein Profispieler durchschnitt- lich 101 Pässe und macht 18 Torwürfe. Bei Wettkämpfen schwanken die Zahlen zwischen 18 und 94 Pässen bzw. 7 bis 8 Torwürfen. Pro Woche kommen auf diese Weise un- gefähr 1200 Wurfbewegungen zusammen [7]. Neben dem repetitiven Aspekt des Werfens stellt auch der Körperkontakt mit Gegenspielern in Verteidigungs- und Angriffssituationen eine Belastung für die Schulter dar. Im Durchschnitt gerät ein Spieler pro Wettkampf etwa 20 Mal in ein Mann-gegen-Mann-Duell. Bei diesen Auseinander- setzungen kommt es regelmäßig zu Schulterverletzun- gen – die Spieler stoßen gegeneinander, ziehen sich am Arm und stürzen auf den Boden [7][22]. Die Schultern eines Handballers werden also oft und schwer belastet. Dementsprechend hoch ist dann auch die Prävalenz von Schulterverletzungen im Handball. Hier besteht offensichtlich Handlungsbedarf. Aber wie? Van Mechelen et al. [28] haben ein Modell entwickelt, auf dessen Grundlage präventive Interventionen eingeführt und evaluiert werden können (▶Abb. 1). Es berücksich- tigt u. a. Aspekte wie Inzidenz, Verletzungsmechanismen und Risikofaktoren und findet vielfach Anwendung. In den letzten Jahren wurden zahlreiche Studien zu Risikofaktoren und Interventionen zur Prävention von (Überbelastungs-) Verletzungen der Schulter durchgeführt. Bewegungsumfang Veränderungen des glenohumeralen Bewegungsum- fangs sind bei Handballern keine Seltenheit. Im Vergleich zum „Pitcher“ (Werfer) im Baseball sind diese Verände- rungen bei Handballern häufig geringer, was möglicher- weise damit zusammenhängt, dass im Handball viele un- terschiedliche Wurftechniken zum Einsatz kommen. Bei Handballern sind Schulterschmerzen oft auf eine Zunah- me der Außenrotation, eine Abnahme der Innenrotati- on oder ein Defizit der internen glenohumeralen Rotati- on (GIRD = Glenohumeral Internal Rotation Deficit) in der dominanten Schulter zurückzuführen. Angesichts der Tat- sache, dass diese Veränderungen auch asymptomatisch auftreten können, ist es kaum möglich, den Einfluss des Risikofaktors Bewegungsumfang auf das Entstehen von Schulterbeschwerden eindeutig zu bewerten. Als Folge der repetitiven Belastung der Schultern können sowohl der Bewegungsumfang der Außenrotation als auch das Rotationsdefizit im Verlauf einer Saison zunehmen, vor allem durch adaptive Veränderungen der Weichteilgewe- be in der Schulter. Es scheint jedoch kein Zusammenhang mit der Retrotorsion des Humerus zu bestehen [1][3][5] [9][12][15][25]. Kraft Ein Ungleichgewicht zwischen Außen- und Innenrotati- on wird bei Handballern und anderen Überkopfsportlern als Risikofaktor für Schulterbeschwerden betrachtet. Auf- van Maanen-Coppens L. Prävention von Schulterverletzungen ... Sportphysio 2021; 9: 17–22 | © 2021. Thieme. All rights reserved. 17

i i ) s / ° ( t i e k g d n w h c s e g e k n W i l 6000 5000 2000 1000 0 –1000 –0,20 Ausholphase Beschleunigungsphase Phase nach dem Abwurf Ellenbogenextension Beckenrotation Rumpfrotation Schulterrotation –0,15 –0,10 –0,05 0,00 0,05 Zeit (s) ▶Abb. 2 Winkelgeschwindigkeit von Becken- und Rumpfrotation, Schulterinnenrotation und Ellbogenextension beim Sprungwurf im Handball. (Quelle: Bencke et al. 2018; grafische Umsetzung: Thieme Gruppe) Die Studie zeigte auch, dass Rückraumspieler anfälliger für Schulterbeschwerden sind als Außenspieler und Kreis- läufer, was sich unter anderem durch die höhere Wurfbe- lastung erklären lässt. Møller et al. [24] führten eine Langzeitbeobachtung von 679 Profispielern in der dänischen Jugendliga durch, bei der sie nicht nur intrinsische Risikofaktoren untersuch- ten, sondern auch die handballspezifische Belastung. Die handballspezifische Belastung einer Woche wurde mit dem Durchschnittswert der Belastung der 4 vorangegan- genen Wochen verglichen und auf dieser Grundlage einer der folgenden 3 Kategorien zugeordnet: 1. < 20 % Zunahme oder Abnahme 2. Zunahme zwischen 20 und 60 % 3. > 60 % Zunahme der Belastung Es stellte sich heraus, dass nicht die intrinsischen Risikofak- toren, sondern die handballspezifische Belastung in erster Linie für Verletzungen verantwortlich ist. Bei den Spielern, bei denen die Belastung um mehr als 60 % zugenommen hatte, traten fast doppelt so viele Verletzungen auf wie bei den Spielern, bei denen die Belastung nur wenig zugenom- men hatte. Die intrinsischen Risikofaktoren spielten hier kaum eine Rolle. Schulterblatt-Dyskinesie oder Abnahme der Außenrotationskraft beispielsweise entsteht als Folge eines kleinen akuten Traumas, kann aber bei zunehmen- der Belastung das Entstehen von Schulterbeschwerden be- schleunigen. Programme zur Verletzungsprävention Obwohl die Rolle der intrinsischen Risikofaktoren nicht ein- deutig geklärt ist, wurden in den letzten Jahren zahlrei- che Studien zur Verletzungsprävention durchgeführt. Die größte dieser Untersuchungen fand in Norwegen statt, wo während der Saison 2014/2015 eine Interventions- gruppe aus 331 Profispielern mit einer Kontrollgruppe aus 329 Spielern verglichen wurde [4]. Die Interventions- gruppe praktizierte 3-mal pro Woche beim Aufwärmen vor dem Balltraining die Übungen des Präventionspro- gramms des Oslo Sports Trauma Research Centre (OSTRC). Der Schwerpunkt dieses Programms liegt auf der Erwei- terung des glenohumeralen Bewegungsumfangs und der Stärkung der Außenrotation und der skapulothorakalen Muskulatur. Hinzu kommen Übungen für die gesamte ki- nematische Kette und die thorakale Mobilität. Das Pro- gramm umfasste 5 Übungen, die alle 6 Wochen verändert wurden (siehe Box). PRÄVENTIONSPROGR AMM DES OSLO SPORTS TR AUMA RESE ARCH CENTRE ZUR PRÄVENTION VON SCHULTERVERLETZUNGEN IM HANDBALL Das Präventionsprogramm finden Sie unter dem Link https://bit.ly/OSTRC. van Maanen-Coppens L. Prävention von Schulterverletzungen ... Sportphysio 2021; 9: 17–22 | © 2021. Thieme. All rights reserved. 19

re Aufmerksamkeit verlangen. Frühere Verletzungen und daraus resultierende Veränderungen im Bewegungsmus- ter der Schulter können einen Einfluss darauf haben, wel- che maximale Wurfgeschwindigkeit die Schulter aushal- ten kann. Für die Prävention von Überbelastungsverletzungen bei Profihandballern hat sich das OSTRC-Programm als effek- tiv erwiesen. Empfohlen wird daher, die Übungen des Pro- gramms in das Aufwärmen vor dem Training oder einem Wettkampf zu integrieren. Dabei müssen nicht unbedingt alle Übungen praktiziert werden; eine geschickte Auswahl kann genügen, wenn sie nur konsequent in das Aufwärm- programm integriert wird. Auch Sportler, die nicht auf professionellem Niveau trai- nieren, können ihr Training verbessern, z. B. indem sie an der Stabilität der kinematischen Kette, am Timing und an der Wurftechnik arbeiten, bevor sie mit dem Krafttraining beginnen. In diesem Bereich könnten z. B. die Trainer eine wichtige Rolle übernehmen. Zu akuten Schulterverletzungen kommt es häufig beim Körperkontakt mit Gegenspielern. Die Einhaltung der Spielregeln ist hier ein wichtiger Punkt, aber auch ein gutes Sturztraining kann zur Prävention von Schulterverletzun- gen in Kontaktsituationen beitragen. Und zu guter Letzt: Eine hohe Zunahme der Trainings- belastung kann zu einem höheren Verletzungsrisiko füh- ren. Daher ist es wichtig, die Wurfbelastung beim Trai- ning und bei Wettkämpfen sorgfältig und genau dosiert zu erhöhen. TAKE HOME MESSAGE Für eine gute Implementierung der Verletzungs- prävention sollten folgende Punkte berücksichtigt werden: ▪ Trainer und Betreuer sollten miteinbezogen werden; sie sollten das Verletzungsrisiko der Spieler kennen und sich der Bedeutung einer guten Technik bewusst sein. ▪ Der Aspekt der Prävention sollte den Spielern nicht aufgedrängt oder aufgezwungen werden; die Spieler finden Prävention nicht „cool“, stärker werden und härter werfen hingegen schon. ▪ Der Schwerpunkt sollte auf der kinematischen Kette als Ganzem liegen und nicht nur auf den Bewegungen der Schulter. ▪ Die Einbeziehung eines Mitspielers oder eines Balls macht die Übungen zu einer größeren Herausforderung. Autorinnen/Autoren Linda van Maanen-Coppens Linda van Maanen-Coppers, M.Sc. ist Sportphysiotherapeutin . Seit 2016 betreut sie im Niederländischen Handballverband NHV Jugendmannschaften (Damen U17–U19). Darüber hinaus arbeitet sie seit 2019 auch in der HandbalAcademie, wo jugendliche Handballtalente für eine Profikarriere trainieren. Neben der praktischen Arbeit beschäftigt Linda sich wissenschaftlich im NHV mit Beschwerden von Schulter und Ellenbogen. Korrespondenzadresse Linda van Maanen-Coppens Nederlands Handbal Verbond Papendallaan 60 6816 VD Arnhem Niederlande E-Mail: L.coppens@nhv.handbal.nl Literatur [1] Achenbach L, Clément AC, Hufsky L et al. The throwing shoulder in youth elite handball: Soft-tissue adaptations but not humeral retrotorsion differ between the two sexes. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2019; 27 (12): 3937–3943 [2] Achenbach L, Laver L, Walter SS et al. Decreased external rotation strength is a risk factor for overuse shoulder injury in youth elite handball athletes. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2020; 28 (4): 1202–1211 [3] Almeida G PL, Silveira PF, Rosseto NP et al. Glenohumeral range of motion in handball players with and without throw- ing-related shoulder pain. JSES 2013; 22 (5): 602–607 [4] Andersson SH, Bahr R, Clarsen B et al. Preventing overuse shoulder injuries among throwing athletes: A cluster- randomised controlled trial in 660 elite handball players. BJSM 2017; 51 (14): 1073–1080 [5] Andersson SH, Bahr R, Clarsen B et al. Risk factors for overuse shoulder injuries in a mixed-sex cohort of 329 elite handball players: Previous findings could not be confirmed. BJSM 2018; 52 (18): 1191–1198 [6] Andersson SH, Bahr R, Olsen MJ et al. Attitudes, beliefs, and behavior toward shoulder injury prevention in elite handball: Fertile ground for implementation. Scand J Med Sci Sport 2019; 29 (12): 1996–2009 [7] Andersson SH. Injury prevention in elite handball. Disser- tation from the Norwegian School of Sport Sciences 2018. ISBN 978-82-502-0553-6 [8] Andrade MS, De Carvalho Koffes F, Benedito-Silva AA et al. Effect of fatigue caused by a simulated handball game on ball throwing velocity, shoulder muscle strength and balance ratio: A prospective study. BMC Sports Sci Med Rehabil 2016; 8 (1). doi:10.1186/s13102-016-0038-9 [9] Asker M, Brooke HL, Waldén M et al. Risk factors for, and prevention of, shoulder injuries in overhead sports: A sys- tematic review with best-evidence synthesis. Br J Sports Med 2018; 52: 1312–1319 van Maanen-Coppens L. Prävention von Schulterverletzungen ... Sportphysio 2021; 9: 17–22 | © 2021. Thieme. All rights reserved. 21

Focus | Praxisfall Rückkehr zum Handballspiel nach einer Schulterverletzung Martin Asker Verletzt sich ein Handballer an der Schulter, möchte er schnell wieder zurück aufs Spielfeld. Doch das Risiko für Rückschläge und erneute Verletzungen ist wegen der hohen Belastung beim Werfen groß. Insbesondere beim Übergang vom Kraft- zum Wurftraining ist daher besondere Vorsicht geboten. Einführung Handball ist eine Sportart mit hohen körperlichen Anfor- derungen, zu denen hochintensive Maximalbelastungen, Seitwärtsbewegungen, Springen, Blockieren und körperli- cher Kontakt mit Gegenspielern zählen [7]. Grundlegende Elemente des Handballs sind außerdem das häufige Wer- fen mit hoher Geschwindigkeit und Winkelgeschwindig- keiten um 5.000°/sec. Wie bei anderen Überkopfwürfen ist das Werfen eines Handballs eine schnelle und komple- xe Aktion, einschließlich einer charakteristischen Ganz- körperbewegung von proximal nach distal. Mit Ausnahme des Seitenwurfs haben alle anderen Würfe dieselbe Kine- matik und sind in 6 verschiedene Phasen unterteilt: Aus- holen, Schritt, Anspannen des Arms, Beschleunigen, Ab- bremsen und Durchschwung [18]. Durch die Kombination aus häufig mit hoher Geschwindig- keit geworfenen Würfen und ständigem physischen Kon- takt mit Gegenspielern sind die Schultern beim Handball einer enormen Belastung ausgesetzt. Dies ist wahrschein- lich der Hauptgrund, warum es gerade in dieser Sportart so häufig zu Schulterverletzungen kommt. In einer durch- schnittlichen Handball-Saison erleidet ungefähr jeder vier- te Spieler eine mehr oder weniger schwere Schulterver- letzung [3][7][9][15]. Darüber hinaus macht der komple- xe Bewegungsablauf beim Werfen die Rehabilitation nach einer Schulterverletzung schwierig, vor allem in Bezug auf das Wiedererlernen und Trainieren von Wurftechniken. Aber das ist auch einer der Gründe, warum die Arbeit mit Schultersportlern so viel Spaß macht. In diesem Artikel werde ich Sie durch die verschiedenen Phasen führen, in denen ein Handballspieler nach einer Schulterverletzung zum Werfen mit maximaler Belastung zurückkehrt. Außerdem beschreibe ich meine praktische Arbeit in der Klinik und welche Maßnahmen und Krite- rien zum Einsatz kommen. Der letzten Phase, der Rück- kehr zum Sport, werde ich besondere Aufmerksamkeit widmen, da dies meiner Erfahrung nach die Phase ist, in der es schwierig wird und uns leicht Fehler unterlaufen können. Rückkehr zum Sport – allgemeine Komponenten und Prinzipien Der Prozess der Rückkehr zum Sport setzt sich aus 3 Kom- ponenten zusammen: 1. Rückkehr zur Sportausübung in Form von modifiziertem oder uneingeschränktem Training (Return to Sport, RTS); 2. Rückkehr zur Teilnahme an Spie- len, aber noch nicht auf dem ursprünglichen Leistungs- niveau (Return to Play, RTP); 3. Rückkehr zum ursprüngli- chen Leistungsniveau oder darüber hinaus (Return to Per- formance) [4]. Für unseren Handballspieler mit einer Schulterverletzung können wir diese Komponenten in 5 Rehabilitationsphasen überführen. Teilweise überschneiden sich die Phasen, ins- besondere bei der Rehabilitation von Verletzungen durch Überbeanspruchung. Die 5 Phasen sind: 1. Wiederherstellung des Bewegungsumfangs (ROM) und Beginn des Krafttrainings 2. Steigerung des Krafttrainings einschließlich Reaktiv- kraft- und intensiven Kräftigungsübungen 3. Beginn mit dem Wurftraining (Wurfprogramm) 4. Tests, ob die Rückkehr zum Sport bereits möglich ist; gemeinsame Entscheidungsfindung 5. Rückkehr zum Sport Im Allgemeinen legt man zu Beginn des Wurftrainings den Schwerpunkt der Rehabilitation auf schwere Belastung mit niedriger Geschwindigkeit, d. h. langsames Widerstands- training. Im weiteren Verlauf der Behandlung rückt dann die sportspezifische Rehabilitation in den Mittelpunkt; in diesem Fall Überkopfbewegungen und schließlich das Wer- fen des Handballs. Nach meiner Erfahrung haben wir The- rapeuten hier oft Probleme, weil wir dazu neigen, auf dem Weg vom langsamen Widerstandstraining zum Werfen mit voller Geschwindigkeit zu große Sprünge zu machen. Asker M. Rückkehr zum Handballspiel ... Sportphysio 2021; 9: 23–31 | © 2021. Thieme. All rights reserved. 23

▶Abb. 3 Krafttraining in Unterkopfpositionen. (Quelle: M. Asker) Bizepssehne und die Rotatorenmanschette betroffen. In diesem Fall liegt keine Instabilität vor, und der Schwer- punkt der Rehabilitation sollte daher auf der Wiederher- stellung des Bewegungsumfangs und der Schulterkraft (insbesondere der Außenrotationskraft) liegen. Auf diese Weise wird die Belastbarkeit der Schulter erhöht, was er- forderlich ist, um wieder mit maximaler Geschwindigkeit werfen zu können. Phase 1 – Wiederherstellung eines ausreichenden Bewegungsumfangs und Widerstandstraining Der Grund, warum ich „ausreichender“ und „schmerzfrei- er“ Bewegungsumfang schreibe, ist, dass bei unterschiedli- chen Verletzungen der Bewegungsumfang unterschiedlich stark beeinträchtigt ist. In diesem Fall liegt nur eine Tendi- nopathie und keine weitere Gelenkpathologie vor. Daher lässt sich der Bewegungsumfang im Großen und Ganzen in relativ kurzer Zeit wiederherstellen, aber die entschei- denden Endgrade des Bewegungsumfangs werden häu- fig erst dann erreicht, wenn der Sportler wieder das Wer- fen mit höheren Geschwindigkeiten trainiert (in den Pha- sen 3 und 4). In anderen Fällen, z. B. nach einer Operation wegen anteriorer Instabilität, ist es äußerst unwahrschein- lich, dass der Bewegungsumfang vollständig wiederher- gestellt werden kann. Meistens kann zu Beginn der Reha- bilitation das Krafttraining nur in einer Unterkopfposition praktiziert werden (▶Abb. 3), aber unser Ziel ist natürlich, schnell wieder so sportartspezifisch wie möglich zu wer- den und das Training in einer Überkopfposition durchzu- führen. Durch die Kombination verschiedener Trainings- formen mit hohem Widerstand in endgradigen Positio- nen können wir sowohl den Bewegungsumfang als auch die Kraft verbessern. Die dabei auftretenden Schmerzen dienen als Orientierungsgröße für die Trainingsintensität. Akzeptabel sind im Allgemeinen Schmerzwerte von 1–3 auf einer Skala von 0–10, aber wir wollen auf jeden Fall vermeiden, dass sehr starke Schmerzen auftreten oder die Schmerzen nach dem Training oder am nächsten Tag schlimmer werden. Sollte dies dennoch passieren, müssen wir entweder den Widerstand verringern oder eine nied- rigere Schulterposition wählen. a b c ▶Abb. 4 Endgradiges Krafttraining mit zunehmender In- tensität a mit Gummiband b mit Langhantel c einhändig mit Kurzhantel. (Quelle: M. Asker) Phase 2 – Steigerung des Krafttrainings einschließlich Reaktivkraft- und intensiven Kräftigungsübungen Die Kriterien für die Erhöhung der Reaktivkraftkraft und die Intensivierung des Krafttrainings sind: ▪ keine starken Schmerzen während Phase 1 ▪ wiederhergestellte isometrische und isokinetische Kraft in sportartspezifischer Position, z. B. Innen- und Außenrotation in 90–90-Position (▶Abb. 1) In dieser Phase liegt der Schwerpunkt auf dem Wider- standstraining der Innen- und Außenrotation in Wurfposi- tion bei immer höheren Geschwindigkeiten. Die Trainings- intensität kann zum Beispiel auf folgende Weise erhöht werden: zunächst Verwendung eines elastischen Bands mit beiden Händen, um den Widerstand in endgradiger Position zu verringern (▶Abb. 4a), dann Verwendung einer Langhantel (▶Abb. 4b) und schließlich Verwendung einer Kurzhantel mit einer Hand (▶Abb. 4c). Sobald das Training mit hohem Widerstand in endgradiger Position kontrol- liert und ohne Schmerzen oder andere Beschwerden aus- geführt werden kann, können wir zu plyometrischen und Reaktivkraftübungen und intensiveren Kräftigungsübun- gen übergehen (▶Abb. 5 bis ▶Abb. 7). Asker M. Rückkehr zum Handballspiel ... Sportphysio 2021; 9: 23–31 | © 2021. Thieme. All rights reserved. 25

▶Tab. 1 Beispiel für ein Wurftrainingsprogramm für Handballer. Phase Intensität (% der maximalen Wurf- geschwindigkeit) Distanz (Meter) Anzahl der Würfe (Erwachsene/Jugend- liche) Anzahl der Sprung- würfe (Erwachsene/ Jugendliche) Anzahl der Trainings- einheiten gering < 50 % gering 50 % mittel 50–75 % mittel 50–75 % hoch 75–90 % hoch 75–100 % hoch 75–100 % 5–15 8–18 10–20 10–20 15–30 15–40 20–40 15/10 20/15 20/15 25/20 15/10 20/15 20/15 – – 10/5 15/10 10/5 15/10 20/15 2 2–3 2–3 2–3 2–3 2–3 2–3 Test, ob Rückkehr zum Sport möglich ist (▶Abb. 9) jeden zweiten Tag 3-mal 1 2 3 4 5 6 7 8 a b ▶Abb. 7 Medizinballwürfe in verschiedene Richtungen. a Rotationswürfe. Der Spieler wird angewiesen, den Medizinball mit gestreckten Armen vor seiner Brust zu halten und dann den Ball mit einer schnellen Rumpf- drehung seitlich neben sich zu bringen, um ihn dann so fest wie möglich in eine seitliche Richtung zu werfen. b Überkopf-Einwürfe. Der Spieler erhält die Anweisung, sich in 2–3 Metern Entfernung mit hüftbreit auseinander stehenden Füßen und einem über Kopf gehaltenen Medizinball hinzustellen. Aus dieser Position heraus holt er mit dem Medizinball in beiden Händen weit hinter den Kopf aus und bringt dann die Arme nach vorn, um den Ball so fest er kann zu werfen. Die Kraft holt er sich bei der Bewegung aus der unteren Extremität und dem Rumpf. (Quelle: M. Asker) er das bisherige Programm eine Woche lang absolvieren kann, ohne dass Probleme auftreten. Üblicherweise be- ginnt das Programm bei Stufe 1 (geringe Wurfgeschwin- digkeit), aber das muss nicht unbedingt immer der Fall ▶Abb. 8 Vereinfachte Version des Upper-Quarter Y-Balance Test. Der Spieler befindet sich im Liegstütz (Plank) mit schulterbreit auseinander stehenden Füßen. Die freie Hand muss ein leichtes Hindernis, z. B. einen kleinen Trainingskegel, möglichst weit entlang des Y in medialer, infero-lateraler und supero-lateraler Richtung schieben und nacheinander kontrolliert in die Ausgangs- position zurückkehren, ohne sich dabei mit der freien Hand aufzustützen. Anschließend werden die Distanzen in jeder Richtung gemessen. (Quelle: M. Asker) sein. In unserem Beispiel verhält es sich so, dass Sara schon mit Stufe 3 beginnen kann und dies auch tun sollte. Letzten Endes ist dies eine Entscheidung, die Sportler und Thera- peut gemeinsam treffen müssen. Phase 4 – Tests, ob die Rückkehr zum Sport bereits möglich ist; gemeinsame Entscheidungsfindung Achtung! Bis heute gibt es keinen Test und keine Testrei- he für Überkopfsportler, mit deren Hilfe eindeutig fest- Asker M. Rückkehr zum Handballspiel ... Sportphysio 2021; 9: 23–31 | © 2021. Thieme. All rights reserved. 27

▶Tab. 2 Zusammenfassung der einzelnen Phasen der Rückkehr zum Sport nach einer Schulterverletzung bei Handballern. Phasen Wichtigste Inhalte Kriterien für den Eintritt in die Phase Kommentare 1. Bewegungsumfang und Beginn des Krafttrainings 2. Steigerung des Krafttrainings einschließlich Reaktivkraft- und intensiven Kräftigungsübungen 3. Beginn mit dem Wurftraining (Wurfprogramm) und Werfen mit maximaler Geschwindigkeit Widerstandstraining (von Unter- kopfposition zu Beginn der Phase zu Überkopf- und endgradigen Positionen gegen Ende der Phase) Training mit hohem Widerstand in vollständigem Bewegungsumfang schnellere Bewegungen in Über- kopfposition, z. B. plyometrische Übungen und Reaktionskraftübun- gen; Würfe mit Medizinball normales Werfen; schrittweise Erhöhung der Anzahl der Würfe und der Wurfgeschwindigkeit; ver- schiedene Wurftechniken 4. Tests, ob Rückkehr zum Sport möglich ist; gemeinsame Ent- scheidungsfindung Testreihe in mehreren Schritten, die ein Worst-Case-Szenario für Training und Wettkampf simuliert (▶Abb. 9) 5. Return to Performance uneingeschränkte Teilnahme an Training und Wettkämpfen individualisiertes Training auf Grundlage der Faktoren, die die Leistungsfähigkeit verbessern können Sobald Training mit hohem Wider- stand in endgradigen Positionen kontrolliert und problemlos aus- geführt werden kann, können plyometrische und Reaktionskraft- übungen eingeführt werden. Je nach Art der Verletzung kann diese Phase in Phase 2 integriert werden. Evaluation von RPE und Kraft nach jedem Teil der Testreihe kein Wiederaufflammen der Schmerzen in Phase 1 wiederhergestellte isometrische und exzentrische IR- und AR-Kraft in 90–90-Position kein Wiederaufflammen der Schmerzen in Phase 2 wiederhergestellte isometrische und exzentrische IR- und AR-Kraft in 90–90-Position und Verhältnis von AR- und IR-Kraft von 0,70 oder mehr Alle Übungen des Wurftrainings- programms (▶Tab. 1) können aus- geführt werden; keine Schmerzen bei isometrischen und exzentrischen Widerstandsübungen in alle Richtungen; keine Schmerzen bei vollständiger Schulterrotation. Sportler kann ein ganzes Spiel absolvieren, ohne dass Probleme auftreten. sollte als Kontinuum betrachtet werden, das sich mit der Phase der Rückkehr zum Sport überschneidet AR = Außenrotation; IR = Innenrotation; RPE = Bewertung der wahrgenommenen Anstrengung pro Trainingseinheit/subjektive Anstrengung (Session Rated Perceived Exertion) es bei manchen Tests, z. B. dem Upper Quarter Y-Balan- ce Test (UQYBT, ▶Abb. 8) und dem Closed Kinetic Chain Upper Extremity Stability Test (CKCUEST), vor allem darauf an, dass der Sportler ihn in guter Form absolvieren kann, ohne seine Schmerzen zu reproduzieren. Weniger wichtig ist dabei, wie weit er reichen kann. In Saras Fall ist also die Messung der Schulterkraft, und hier vor allem die Messung der Rotationskraft und des Bewe- gungsumfangs, das entscheidende Kriterium für die Rück- kehr zum Sport. Wir sollten aber auch ihre Arbeitsbelas- tung messen, um sicherzustellen, dass sie auf zukünftige Belastungen durch Training und Wettkämpfe gut vorbe- reitet ist. Dies geschieht vorzugsweise mithilfe der „Sessi- on Rated Perceived Exertion“ (RPE) (Bewertung der wahr- genommenen Anstrengung pro Trainingseinheit/subjek- tive Anstrengung) [8]. Dabei sollten auch Komponenten wie das Umklammern eines Gegenspielers und Stürze auf die Schulter (oder Simulationen dieser Aktionen) berück- sichtigt werden. Am wichtigsten ist jedoch, dass wir ihre Fähigkeit, einen Ball mit hoher Geschwindigkeit zu werfen, einem Test unterziehen. Zu diesem Zeitpunkt sollte Sara in der Lage sein, sämtliche Übungen des Wurftrainings- programms aus Phase 3 (▶Tab. 1) problemlos auszufüh- ren, und die Schulter sollte sowohl bei isometrischen als auch bei exzentrischen Widerstandsübungen in alle Rich- tungen schmerzfrei sein. Dasselbe gilt für die vollständi- ge Rotation der Schulter. Außerdem müssen wir dafür sor- gen, dass Sara über das nötige Selbstvertrauen verfügt, um wieder Handball spielen und mit maximaler Geschwindig- keit werfen zu können. Dazu stehen zahlreiche Fragebö- gen zur Verfügung, z. B. die Tampa Scale of Kinesiophobia (TSK) oder The Shoulder Instability-Return to Sport after Injury (SIRSI). In der Praxis lasse ich jedoch oft die Spieler einfach ihr Selbstvertrauen auf einer Skala von 0–7 bewer- ten, wobei 6–7 für „super zuversichtlich“ steht, und das ist dann mein Kriterium. Sobald Sara all diese Kriterien erfüllt, kommt noch ein spezifischer Test zum Einsatz, bei dem ein Worst-Case- Handball-Szenario simuliert wird. Bei diesem Test wird die Belastung der Schulter in 4 Schritten immer weiter Asker M. Rückkehr zum Handballspiel ... Sportphysio 2021; 9: 23–31 | © 2021. Thieme. All rights reserved. 29

Korrespondenzadresse Dr Martin Asker Director of Handball Research Group Musculoskeletal and Sports Injury Epidemiology Center Sophiahemmet University Box 5605 SE-114 86, Stockholm Sweden E-Mail. martin.asker@shh.se Literatur [1] Aasheim C, Stavenes H, Andersson SH et al. Prevalence and burden of overuse injuries in elite junior handball. BMJ Open Sport Exerc Med 2018; 4 (1): e000391 [2] Achenbach L, Laver L, Walter SS et al. Decreased external rotation strength is a risk factor for overuse shoulder injury in youth elite handball athletes. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2019; 29: 1202–1211 [3] Andersson SH, Bahr R, Clarsen B et al. Risk factors for overuse shoulder injuries in a mixed-sex cohort of 329 elite handball players: Previous findings could not be confirmed. Br J Sports Med 2018; 52: 1191–1198 [4] Ardern C, Gasgow P, Schneiders A et al. 2016 Consensus statement on return to sport from the First World Congress in Sports Physical Therapy, Bern. J Sports Med 2016; 50: 853–64 [5] Asker M, Waldén M, Kallberg H et al. A prospective cohort study identifying risk factors for shoulder injuries in adoles- cent elite handball players: The Karolinska Handball Study (KHAST) study protocol. BMC Musculoskelet Disord 2017; 18: 485 [6] Asker M, Waldén M, Källberg H et al. Preseason clinical shoulder test results and shoulder injury rate in adolescent elite handball players: A prospective study. J Orthop Sports Phys Ther 2020; 50: 67–74 [7] Asker M. Shoulder injuries in adolescent elite handball play- ers. Doctoral thesis, Karolinska Institutet 2019. Im Internet: https://openarchive.ki.se/xmlui/handle/10616/46852; Stand: 20.11.2020 [8] Black G, Gabbett T, Cole M et al. Monitoring workload in throwing-dominant sports: A systematic review. Sports Med 2016; 46: 1503–16 [9] Clarsen B, Bahr R, Andersson SH et al. Reduced gleno- humeral rotation, external rotation weakness and scapular dyskinesis are risk factors for shoulder injuries among elite male handball players: A prospective cohort study. Br J Sports Med 2014; 48: 1327–33 [10] Cools AM, De Wilde L, Van Tongel A et al. Measuring shoul- der external and internal rotation strength and range of motion: Comprehensive intra-rater and inter-rater reliability study of several testing protocols. J Shoulder Elbow Surg 2014; 23: 1454–61 [11] Cools AM, Vanderstukken F, Vereecken F et al. Eccentric and isometric shoulder rotator cuff strength testing using a hand-held dynamometer: Reference values for overhead athletes. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2016; 24: 3838–3847 [12] Edouard P, Degache F, Oullion R et al. Shoulder strength imbalances as injury risk in handball. Int J Sports Med 2013; 34: 654–60 [13] Johansson FR, Skillgate E, Lapauw ML et al. Measuring eccentric strength of the shoulder external rotators using a handheld dynamometer: Reliability and validity. J Athl Train 2015; 50: 719–25 [14] Liaghat B, Bencke J, Zebis MK et al. Shoulder rotation strength changes from preseason to midseason: A cohort study of 292 youth elite handball players without shoulder problems. Sports Phys Ther 2020; 50: 381–387 [15] Møller M, Nielsen RO, Attermann J et al. Handball load and shoulder injury rate: A 31-week cohort study of 679 elite youth handball players. Br J Sports Med 2017; 51: 231–237 [16] Shrier I. Strategic Assessment of Risk and Risk Tolerance (StARRT) framework for return-to-play decision-making. Br J Sports Med 2015; 49: 1311–15 [17] van Cingel R, Habets B, Willemsen L et al. Shoulder dynamic control ratio and rotation range of motion in female junior elite handball players and controls. Clin J Sport Med 2018; 28: 153–158 [18] Van den Tillaar R, Ettema G. A three-dimensional analysis of overarm throwing in experienced handball players. J Appl Biomech 2007; 23: 12–9 Bibliografie DOI https://doi.org/10.1055/a-1256-2125 Sportphysio 2021; 9: 23–31 © 2021. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany ISSN 2196-5951 Asker M. Rückkehr zum Handballspiel ... Sportphysio 2021; 9: 23–31 | © 2021. Thieme. All rights reserved. 31

stellen zu können. Ein „einfacher“ oder „unspezifischer“ Kreuzschmerz sollte nur als Ausschlussdiagnose betrach- tet werden. Schwere Pathologien Lumbale Rückenschmerzen in Zusammenhang mit einer schweren Pathologie sind relativ selten (1 %), müssen aber besonders bei jüngeren Athleten in Betracht gezogen wer- den. Angaben über Beginn, Dauer und Art der Beschwer- den werden dem Kliniker helfen, unspezifische (d. h. nicht mit ernsten Erkrankungen in Zusammenhang stehende) Rückenschmerzen von solchen zu unterscheiden, die mit einer schweren Pathologie in Verbindung stehen. Dabei kann es sich um maligne Erkrankungen und Tumore han- deln (z. B. Osteom, Osteoblastom, Knochenzysten, osteo- genes Sarkom), um Infektionen wie Osteomyelitis oder (Spondylo-)Diszitis oder um entzündliche Spondylarthro- pathien (juvenile Arthritis, Spondylitis ankylosans, Psoria- sis-Arthritis oder Enthesitis) sowie um viszerale Patholo- gien wie z. B. Pyelonephritis [10]. In der Anamnese ist eine gezielte Befragung wichtig, um das Vorhandenseins von Reg Flags zu erkennen. Werden sol- che Hinweise auf schwere Pathologien gefunden, rechtfer- tigt dies eine Überweisung zur weiteren Untersuchung [10]. Typische Red Flags, die auf eine ernsthafte Pathologie der Wirbelsäule hinweisen können (Jakes et al. 2015), sind: ▪ Alter < 20 Jahre (insbesondere präpubertär) ▪ plötzlicher Ausbruch von starken Rückenschmerzen ▪ Dauer > 4 Wochen ▪ Schmerzen an der Brustwirbelsäule ▪ Nachtschmerzen oder Aufwachen aufgrund der Schmerzen ▪ Dauerschmerz, auch in Rückenlage ▪ Fieber, Schüttelfrost, nächtliche Schweißausbrüche ▪ unerklärlicher Gewichtsverlust ▪ Immunschwäche (z. B. HIV) ▪ maligne Vorerkrankung ▪ Verwendung von Kortikosteroiden ▪ kürzlich erlittenes Trauma ▪ progressives neurologisches Defizit ▪ Dysfunktion der Blase oder des Darms ▪ Reithosenanästhesie ▪ Gangunsicherheit oder Hinken, Stolpern, unerklärliche Stürze ▪ Wirbelsäulendeformitäten Strukturelle Verletzungen Bei Athleten mit LBP ist die Prävalenz struktureller Patho- logien höher als erwartet, unabhängig von der sportlichen Aktivität [27]. Die Verletzungsmuster variieren zwischen erwachsenen und jugendlichen Athleten. Verletzungen des Knochens wie z. B. Pars-interarticularis-Defekte, die mit einer wiederholten Extension und Torsion der Wirbel- säule einhergehen, treten bei 46 % der jugendlichen Ath- leten mit LBP auf, verglichen mit 6 % der Erwachsenen mit LBP [21]. Junge Athleten sind auch anfällig für Verletzun- gen der Apophyse und Endplatten (Schmörl-Knötchen) [21]. Bandscheibenverletzungen treten hingegen bei er- wachsenen Sportlern häufiger auf: bei 48 % der Athleten mit lumbaler Problematik gegenüber 11 % bei Kindern und Jugendlichen [21]. Bemerkenswert ist, dass Athleten zwar eine höhere Rate an strukturellen Schädigungen aufwei- sen, diese aber nicht immer mit LBP assoziiert sind. So wur- den zum Beispiel bei asymptomatischen und voll einsatz- fähigen Fast-Bowlern (Werfer im Kricket) eine Bandschei- bendegeneration über mehrere Segmente und Hinweise auf Stressfrakturen der Pars interarticularis gefunden [22]. Dennoch ist angesichts des erhöhten Risikos einer struk- turellen Pathologie bei Sportlern, die an Schmerzen im unteren Rücken leiden, eine gründliche Untersuchung er- forderlich. Das plötzliche Auftreten starker, lokalisierter lumbaler Schmerzen, die den Athleten veranlassen, das Training/den Wettkampf abzubrechen, sowie Schlafstö- rungen weisen eine hohe Sensitivität, jedoch eine geringe Spezifität (Wahrscheinlichkeit falsch-negativer Ergebnisse) beim Nachweis einer Spondylolisthese auf [11]. Untersu- chungsbefunde wie Schmerzen bei Extension/Lateralfle- xion sowie Tonuserhöhung in den Hamstrings korrelieren mit einer radiologisch nachweisbaren Spondylolisthese [11], auch wenn die Reproduzierbarkeit dieser Tests zur früheren Erkennung von Stressreaktionen des Knochens noch ermittelt werden muss. Unspezifischer Schmerz im unteren Rücken Obwohl Athleten anfälliger für die Entwicklung struktureller Pathologien sind, sind lumbale Rückenschmerzen im Sport oftmals selbstlimitierend. Es ist wichtig zu wissen, dass sich LBP bei Athleten, genau wie in der Allgemeinbevölkerung, zu einer chronischen, mehrdimensionalen Störung mit den damit verbundenen Einschränkungen entwickeln kann, die durch kognitive und verhaltensbezogene Faktoren und nicht durch eine, wenn auch oft vorhandene, strukturel- le Pathologie bedingt sind. Eine erfolgreiche Behandlung ist abhängig von einem breiten Ansatz bei der Identifizie- rung der dominanten Faktoren, die die Störung verursa- chen, und einer anschließenden individualisierten Behand- lung, die sich auf die dominanten Faktoren konzentriert. Bewertung und Management des LBP-Risikos bei Sportlern Risikofaktoren für lumbale Rückenschmerzen bei Sport- lern sind zahlreich und können in modifizierbare und nicht modifizierbare Risikofaktoren unterteilt werden, die ent- weder intrinsisch oder extrinsisch sind (▶Tab. 1). Zu den extrinsischen modifizierbaren Risikofaktoren gehören die Sportart (z. B. Rudern, Turnen, Tanz und Hockey) und die Sheeran L. Lumbale Rückenschmerzen und ... Sportphysio 2021; 9: 32–40 | © 2021. Thieme. All rights reserved. 33

▶Tab. 2 Praktische Strategien zur Überwachung und Steuerung der Trainingsbelastung (TL) zur Verringerung des Verletzungsrisikos. Strategie Beschreibung Überlegungen Vermeidung schneller Änderungen der wöchen- tlichen Trainingsbelastung (TL) (> 10 % Leitlinie) Wöchentliche Erhöhungen der TL > 10 % können nachweislich die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung erhöhen [8]. Aufrechterhaltung der ACWR auf niedrigem Niveau (zwischen 0,8–1,5) AWCR ist ein Messinstrument, das auf auf das Verletzungs- risiko bezogen werden kann [14]. Abhängig vom Niveau des Athleten (Anfänger/Spitzensportler). Athleten mit einer sehr hohen oder sehr niedrigen Chronic Workload (CW) können u. U. nicht einmal einen wöchentlichen Anstieg von 10% tolerieren, während erfahrene Sportler mit moderater oder hoher CW gut mit einem wöchentlichen Anstieg von mehr als 10 % klar kommen. Einige Athleten können Verletzungen erleiden, wenn der ACWR niedriger als 1,5 ist, andere tolerieren höhere Werte. Strategien zur Risikominderung können die Begrenzung der AW und/oder eine abge- stufte Steigerung der CW umfassen. Geringe Trainingsvariabilität (hohe Monotonie) und hohe TL können bei Sportlern Krankheiten auslösen. Eine Überwachung und Einführung der Variabilität innerhalb der Mikro-, Meso- und Makrozyklen ist möglicherweise sinnvoll. TL = Training Load (Trainingsbelastung), AW = Acute Workload (Arbeitsbelastung), CW = Chronic Workload (chronische Arbeitsbelastung), ACWR = Acute Chronic Workload Ratio (Verhältnis AW zu CW) ments bei jungen Athleten. Hauptindikatoren des Skelett- reifestatus sind (i) das chronologische Alter, (ii) anthropo- metrische Merkmale und (iii) das Skelettalter (▶Tab. 4). Die Wahl der Methode (um den Reifestatus festzustellen, die Red.) ist abhängig von den verfügbaren Ressourcen, dem Setting (Verein, Akademie), dem Athleten sowie dem LBP-/Verletzungsrisikoprofil der Sportart. Chronologisches Alter Das chronologische Alter liefert eine grobe Schätzung der Wachstumsmerkmale während der Adoleszenz (▶Tab. 3). Ein wichtiger Indikator für die Skelettreife ist die Phase der höchsten Wachstumsgeschwindigkeit (PHV), die eine Pe- riode maximalen Wachstums während der Adoleszenz dar- stellt. Diese variiert zwischen den Geschlechtern, wobei Mädchen die PHV zwischen 11 und 13 Jahren, Jungen zwi- schen 13 und 15 Jahren erreichen [2]. Das chronologische Alter bietet einen schnellen und einfachen Anhaltspunkt für Wachstumsphasen. Allerdings fallen geschätzt nur ⅔ der Heranwachsenden in „normale“ Altersbereiche, die Abweichungen zwischen Individuen betragen bis zu 5 Jah- ren [2]. Skelettalter Das Screening des Skelettalters umfasst eine jährliche Bild- gebung (Röntgen, Ultraschall, Magnetresonanztomogra- fie) und wird als Goldstandard zur Einschätzung des Rei- fegrads akzeptiert [1]. Hand- und Handgelenk-Röntgen- aufnahmen sind am leichtesten zugänglich und relativ kostengünstig. Zu den Einschränkungen gehören Strah- lenexpositionen und Ressourcen für die jährliche Untersu- chung. Nichtsdestotrotz kann ein Skelett-Screening eine effektive und effiziente Risikomanagement-Strategie für junge, in der Entwicklung befindliche Athleten in Hoch- risikosportarten (z. B. Turnen, Rudern, Kricket) sein, die bei der individuellen Bestimmung der Trainingsbelastung ▶Tab. 3 Wachstumsmerkmale während des jugendlichen Wachstums- schubs für Mädchen und Jungen (übernommen von Birrer et al. 2002[2]). Wachstumsmerkmale Mädchen Jungen Alter zu Beginn Alter des maximalem Wachstums Alter, in dem sich das Wachstum verlangsamt Alter, bis zu dem das Wachstum weitergeht Alter der höchsten Wachstumsgeschwindig- keit (PHV) ungefähre Wachstumsrate während PHV 9–10 12 > 12 16–18 11–13 11–12 14 > 14 18–20 13–15 7–9 cm/Jahr 8–10 cm/Jahr ATHLETIC SKILLS MODEL LINK Unter http://bit.ly/Groessenrechner finden Sie einen Algorithmus, mit dem Sie das Wachstum Heranwachsender berechnen können. hilft und so eine lange Karriere der Athleten fördert und ihr sportliches Leistungspotenzial maximiert [1]). Anthropometrisches Screening Beim anthropometrischen Screening werden z. B. Größe, Gewicht, Beinlänge während des gesamten Heranwach- sens regelmäßig gemessen. Das Athletic Skills Model (ASM) bietet einen digitalen Algorithmus zur Berechnung des Wachstums, der im Internet frei verfügbar ist (siehe Link). Es ist eine schnelle und einfache Methode, um den Beginn eines jugendlichen Wachstumsschubs aus einer Reihe von Basisvariablen (Geschlecht, Geburtsdatum, Steh- und Sitzhöhe, Gewicht) zu identifizieren. Die Me- Sheeran L. Lumbale Rückenschmerzen und ... Sportphysio 2021; 9: 32–40 | © 2021. Thieme. All rights reserved. 35

▶Tab. 5 Testbewegungen für das biomechanische Risiko für lumbale Rückenschmerzen und Wirbelsäulenverletzungen bei Sportlern. Testbewegung Risikoindikator (sofern bekannt) Assessment Schultergegenrotation (SCR) [17] SCR > 30 Grad weist auf ein erhöhtes Risiko für eine Wirbelsäulenverletzung hin. Populationen Kricket Inline-Hockey, Rudern, rotations- bezogene Sportarten (z. B. Kricket, Hockey, Golf, andere Schlagsportarten/Racket Sports) Allgemeinbevölkerung, Rudern SCR, bestimmt durch Subtraktion des Aus- richtungswinkels der Schulter relativ zu den Markierungsstäben von einem mit einer Überkopfkamera aufgenommenen Foto passive Hüftrotation in Bauchlage unter Verwendung eines Inklinometers oder Goniometers mit Maßband gemessene Differenz zwischen der Mittelfingerposition am ipsilateralen Oberschenkel und der distalsten Position des Mittelfingers bei maximaler Lateralflexion a b Körper- region Schulter Hüfte Wirbel- säule Innenrotation (IR) [24] Außenrotation (AR) [4] Gesamtrotation (TR) [4][24] lumbale Lateralflexion [12][25] Links-Rechts-Asymmetrie, AR < 56,5°, TR < 93° [4] weist auf ein erhöhtes Risiko von LBP hin. Eine eingeschränkte lumbale Lateralflexion weist auf das Risiko für LBP hin. rend man dies mit einem 8-wöchigen Coaching nicht er- reichte [32]. Dies belegt, dass Änderungen der Technik lange dauern. Muskelfunktion Der Zusammenhang zwischen veränderter Kraftausdau- er, Kraft und neuromuskulärer Kontrolle der Rumpfmus- kulatur und LBP wurde bei der Allgemeinbevölkerung und bei Sportlern nachgewiesen. Eine Längsschnittstudie an jungen Elite-Golfern ergab, dass Personen mit einem Si- de-Bridge-Ausdauertest (Side Plank Test) < 12,5 Sekun- den mit höherer Wahrscheinlichkeit mäßig schwere lum- bale Rückenschmerzen entwickeln als solche, die die Po- sition länger halten konnten [7]. In Hochrisikosportarten wie Kricket, Rudern und Turnen wurden Beeinträchtigun- gen der neuromuskulären Kontrolle mit Schmerzen im unteren Rücken in Verbindung gebracht. Beispielsweise wurde bei Kricketspielern mit LBP ein vermindertes Glei- ten der Bauchfaszien, verursacht durch Asymmetrien im M. transversus abdominis und M. multifidus, festgestellt. Ein 13-Wochen-Programm behob diese Asymmetrie, was mit einer Verminderung der lumbalen Rückenschmerzen einherging [17]. Interessanterweise zeigte sich sowohl bei Eliteathleten als auch bei Nichtsportlern mit LBP ein ähn- liches Ausmaß der Dekonditionierung der Rückenstrecker im Vergleich mit einer schmerzfreien altersentsprechen- den Kontrollgruppe [16]. Risikomanagement bei LBP in Zusammenhang mit der Muskelfunktion Eine optimale Kraft der Rumpfmuskulatur, neuromusku- läre Kontrolle und Kraftausdauer gelten als entscheidend für die Kompensation externer Kräfte, die auf die Wirbel- säule einwirken. Die isokinetische Rumpfmuskelkraft hatte einen prädiktiven Wert für das LBP-Risiko bei erwachse- nen Athleten [20]. Bei jugendlichen Athleten mit und ohne lumbale Rückenschmerzen unterschieden sich die höchs- ▶Abb. 1 Sørensen-Test (a) und seine im Sport typischerweise verwende- te Variante des Roman Chair (b). (Quelle: Thieme Gruppe) ten Drehmomente bei isokinetischen Tests der Rumpfflexi- on und -extension jedoch nicht [18]. Dies liegt wahrschein- lich an den vielfältigen Ursachen des LBP: Andere Faktoren einschließlich der Trainingsbelastung bei jüngeren Athle- ten können ein wichtigerer Prädiktor der lumbalen Rü- ckenschmerzen sein als die Rumpfmuskelkraft, die unab- hängig vom LBP typischerweise mit dem Alter zunimmt. Statische Ausdauertests der Rumpfmuskulatur werden kli- nisch als Indikator für die Muskelausdauer verwendet. Der Sørensen-Test (Biering-Sørensen-Test zur Überprüfung der dorsalen Kette, ▶Abb. 1) weist eine gute Reliabilität, Re- Sheeran L. Lumbale Rückenschmerzen und ... Sportphysio 2021; 9: 32–40 | © 2021. Thieme. All rights reserved. 37

TAKE HOME MESSAGE ▪ Die Auswirkungen und die damit verbundene Belastung durch LBP bei Sportlern sind mit denen in der Allgemeinbevölkerung vergleichbar, wenn nicht sogar höher. Die Ursachen von lumbalen Rückenschmerzen bei Athleten sind jedoch andere. ▪ Lumbale Rückenschmerzen bei jungen Menschen sind atypisch und müssen bis zum Beweis des Gegenteils als schwerwiegend betrachtet werden. ▪ Strukturelle Wirbelsäulenverletzungen kommen bei Sportlern häufiger vor als erwartet, obwohl der Zusammenhang mit LBP unklar ist. Der potenzielle Einfluss von Wirbelsäulenverletzun- gen und lumbalen Rückenschmerzen auf die Gesundheit und die sportliche Laufbahn von Athleten ist ebenfalls noch zu bestimmen. ▪ Ziel dieser Übersicht war es, die Evidenz für die potenziellen intrinsischen und extrinsischen Risikofaktoren für LBP und Wirbelsäulenverlet- zungen bei Athleten und deren Management zusammenzufassen, um Praktiker im Gesund- heitswesen anzuleiten, die Gesundheit der Wirbelsäule zu verbessern und eine lange und erfolgreiche Sportkarriere ihrer Athleten zu gewährleisten. Autorinnen/Autoren Liba Sheeran Dr. Liba Sheeran hält Vorlesungen an der School of Healthcare Sciences und ist Themenleiterin für Bevölkerungsgesundheits- forschung am College of Biomedical and Life Sciences der Universität Cardiff. Darüber hinaus ist sie als beratende Physiotherapeutin bei Welsh Athletics tätig. Ihre Expertise liegt in der Entwicklung innovativer Interventionen, die Menschen mit Muskel- und Skeletterkrankungen helfen sollen, aktiv zu bleiben. Sheerans Hauptinteresse gilt der Behandlung von lumbalen Rückenschmerzen und Wirbelsäulenverletzungen im Sport und im Arbeitsleben. Sie erforschte den Nutzen von tragbaren Sensoren und Videotracking für arbeitsbasierte ergonomische Assessments und Übungsfeedback. Zurzeit leitet sie ein Projekt des Health Challenge Fund, bei dem es um die Entwicklung und Implementierung einer digitalen Plattform namens BACK-on-LINETM geht, die ein personali- siertes Selbstmanagement ermöglicht, um Menschen mit Rückenschmerzen zu helfen, arbeitsfähig zu bleiben. Dr. Sheeran hat nationale und internationale Kooperationen über verschiedene Länder und Disziplinen hinweg aufgebaut mit dem Ziel, evidenzbasierte Interventionen zu entwickeln, mit deren Hilfe verhindert werden soll, dass Muskel- und Skeletterkrankungen zu chronischen, behindernden und lebensverkürzenden Krankheiten führen. Sie hält auf nationaler und internationaler Ebene Vorträge und leitet Experten-Tutor-Workshops zur Behandlung von komplexen Kreuzschmerzen. Korrespondenzadresse Dr. Liba Sheeran School of Healthcare Sciences Cardiff University Eastgate House 35–43 Newport Road Cardiff CF24 0AB United Kingdom E-Mail: sheeranL@cardiff.ac.uk Literatur [1] Bergeron MF, Mountjoy M, Armstrong N et al. International Olympic Committee consensus statement on youth athletic development. Br J Sports Med 2015; 49 (13): 843 [2] Birrer RB GB, Cataletto MB. Pediatric sports medicine for the primary care. Philadelphia: Lippincott Williams & Wilkins; 2002 [3] Cahalan R, Sullivan K, Purtill H et al. 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Update Upper Quarter Agility – Mehr als Koordinationstraining für die oberen Extremitäten Dennis Wellm Die visuell-motorische Kontrolle spielt in allen Mannschaftssportarten eine herausgehobene Rolle. Kennt man die zugrundeliegenden neurophysiologischen Vorgänge, ergeben sich für das Training unzählige Variationen. Dennis Wellm hat sich bei seiner Übungsauswahl auch von Kinderspielen inspirieren lassen. Hintergrund In jeder Sportart wird das, was das Auge sieht, mit einer Bewegung des Körpers oder einem Körperteil koordiniert. Es handelt sich dabei um komplexe Vorgänge, die unter dem Begriff Visuomotorik (siehe Definitionen) zusammen- gefasst werden. Bei Sportarten wie Basketball oder Tennis dominiert bzw. handelt es sich vorrangig um die Auge- Hand-Koordination. Diese visuell-motorische Koordination, die zum großen Teil durch das periphere und zentrale Sehvermögen be- stimmt wird, spielt eine wesentliche Rolle bei fast allen Mannschaftssportarten (Open-Skills-Sportarten). Denn bei Mannschaftssportarten und Sportspielen ist die Fähigkeit, andere Objekte (z. B. Partner, Gegenspieler, das Spielge- rät) in der Umgebung mithilfe des peripheren Sehens (d. h. ohne direktes Hinschauen) zu beobachten und zu kontrol- lieren, ebenso wichtig wie die konkrete Handlung selbst. Etwa, um einen Angriff erfolgreich abschließen zu können oder um einen Mitspieler gekonnt in Szene zu setzen. Hauptsächlich konzentriert sich die Performance-For- schung auf Leistungen der unteren Extremitäten [3]. Im Basketball jedoch ist z. B. die Fähigkeit, dynamische visuel- le Merkmale zu filtern und schnell zu verarbeiten sowie Si- tuationen aus einer sich dynamisch verändernden Umge- bung zu erkennen, um in kürzester Zeit eine Entscheidung zu treffen, weitaus wichtiger [20]. Die bewusste visuelle Wahrnehmung, das foveale Sehen, deckt nur einen Sehwinkel von 2° ab (▶Abb. 1). Dabei ist der Blick exakt auf ein Objekt ausgerichtet. Das foveale Sehen ist durch eine hohe Auflösungsleistung (Schärfe) gekennzeichnet [7]. Die Spielsituation erfordert aber die Verarbeitung mehrerer Informationen aus unterschiedli- cher Richtung. Dies geschieht aus dem Wechselspiel von peripher Gesichts- feld zentral ▶Abb. 1 Mit dem fovealen (zentralen) Sehen fokussieren wir auf einen Punkt, während mit dem peripheren Sehen ein größerer Ausschnitt der Umwelt, z. B. das Verhalten der Mitspieler, wahrgenommen wird. (Quelle: www.kommdesign.de [9]; grafische Umsetzung: Thieme Gruppe) peripherem Sehen (z. B. Foveal Spot, Visual Pivot, Gaze An- chor) und fovealem Sehen (z. B. Fixierung, ruhiges Auge, Sakkaden, Verfolgung von Augenbewegungen) (▶Abb. 2). Beide ergänzen sich gegenseitig [8][18]. Auge-Hand-Koordination Die Auge-Hand-Koordination umfasst also das Zusammen- spiel mehrerer sensomotorischer Systeme einschließlich des visuellen Systems, des vestibulären Systems, der Pro- priozeption, der Augen-, Kopf- und Armkontrollsysteme; aber auch Aspekte der kognitiven Aufmerksamkeit und des Gedächtnisses spielen eine Rolle. Da die Informationsverarbeitung im Zentralnervensystem die perzeptuelle, kognitive und motorische Leistung we- sentlich bestimmt, rückt das Gehirn zunehmend in den Wellm D. Upper Quarter Agility ... Sportphysio 2021; 9: 41–46 | © 2021. Thieme. All rights reserved. 41

Wenn Bewegungen unter visueller Kontrolle durchgeführt werden, erfolgen sie schneller und genauer als solche, die ohne vorangegangene Sakkade ausgeführt werden [9]. Auge-Hand-Koordinationstest Ziel des Tests ist es, die Fähigkeit des Sehsystems des Ath- leten zu beurteilen, die durch die Augen empfangenen In- formationen zu koordinieren und entsprechende motori- sche Strategien abzurufen, um das Fangen des Balles zu ge- währleisten. ▶Abb. 4 zeigt eine Testmöglichkeit, die keine teure Ausrüstung benötigt. Auch die darauffolgenden Übungen können ohne großen Aufwand realisiert werden. Benötigt werden: ein Tennisball, eine Stoppuhr und eine freie Wand. Der Abstand zur Wand sollte 2 Meter betragen. Ablauf Aufwärmen, dann den Tennisball mit der rechten Hand gegen die Wand werfen und mit der linken Hand fangen. Der Ball wird anschließend mit der linken Hand geworfen und mit der rechten Hand gefangen. Dieser Zyklus des Werfens und Fangens wird 30 Sekunden lang wiederholt. Es ist egal, wie geworfen wird, ob von unten, oben oder di- rekt vor der Brust. Auch für das Fangen gibt es, abgesehen vom Wechsel der Hände, keine Vorgaben, solange der Zy- klus gleich bleibt. Gezählt wird ausschließlich die Anzahl der gefangenen Bälle. Alles unter 40 gefangenen Bällen ist kein guter Wert. Übungen Um die sportliche Leistung durch Verbesserung der Au- ge-Hand-Koordination zu fördern, ist ein Verständnis für die visuellen Anforderungen verschiedener Sportarten er- forderlich. Unterschieden werden die Übungen in ,,Fixed Space Eye Exercises“ und ,,Free Space Eye Exercises“. Mit ,,Fixed Space Eye Exercises“ sind Übungen gemeint, für die ein elektronisches Gerät benötigt wird. Zeit und Fehler werden dabei von einem Computer gemessen und direkt ausgewertet. Problematisch ist hierbei, dass Probanden durch das Trainieren der Tests bessere Testergebnisse er- zielen, ohne dass sich die Koordinationsleistung im Spiel- geschehen verbessert. Hinzu kommt, dass sich viele Ver- eine oder Einrichtungen die kostspieligen technischen Ge- räte nicht leisten können. Übungen, die nicht an einem elektronischen Gerät geübt werden, bezeichnet man als ,,Free Space Eye Exercises“. Diese Form von Training bietet die Möglichkeit, den Sport- ler aus seiner Sportroutine zu entführen, aber auch, sehr spezifische Komponenten einzubauen (verschiedene Spiel- geräte wie Handball, Basketball oder Tennisball). Es lassen sich außerdem Variablen wie Zeit oder Wiederholungen variieren oder die Tests können als Teamaufgabe gelöst Parietallappen (Scheitellappen) Okzipitallappen (Hinterhauptslappen) p primärer visueller Cortex (primäre Sehrinde) Kleinhirn m g s s tr o V n a ri e t a l e r e it u e r a r b temporaler Verarbeitungsstrom Frontallappen (Stirnlappen) Temporallappen (Schläfenlappen) Hirnstamm Rückenmark ▶Abb. 3 Vereinfachte Darstellung der kortikalen Verarbeitung visueller Reize. (Quelle: Gegenfurtner et al. [5]; grafische Umsetzung: Thieme Gruppe) ▶Abb. 4 Beim Auge-Hand-Koordinationstest wirft der Athlet einen Tennisball mit einer Hand gegen die Wand und fängt ihn mit der anderen auf. Mit der Fanghand wirft er den Ball erneut und fängt ihn mit der ur- sprünglichen Wurfhand. Dieser Zyklus wird für die Dauer von 30 s wieder- holt. (Quelle: D. Wellm) werden. Zudem lassen sich hier perzeptuelle und kogniti- ve Aufgaben einfacher mit einbinden (z. B. rückwärts zäh- len, Fragen beantworten …). Cave! Häufig kommen Trainer auf die Idee, Athletinnen und Athleten auf den Händen (bzw. auf allen Vieren) durch die Koordinationsleiter gehen zu lassen. Gerade für die, die auf ihre Handgelenke angewiesen sind (Basket- baller, Handballer, Tennisspieler), ist diese Form der Variierung nicht zu empfehlen, weil Probleme im Handgelenk zu Einschränkungen der Leistungsfähig- keit führen können. Basketballer z. B. haben dann Probleme beim Ballwurf oder Tennisspieler können den Schläger nicht mehr richtig halten. Bei allem, was im Training geeignet ist, um Athletinnen und Athleten im Oberkörper schneller zu machen, sollte immer an das Verletzungsrisiko gedacht und die körperli- chen Voraussetzungen sollten berücksichtigt werden (z. B. keine zu schweren Bälle im Jugendtraining). Wellm D. Upper Quarter Agility ... Sportphysio 2021; 9: 41–46 | © 2021. Thieme. All rights reserved. 43

Stab diagonal geworfen, fangen wir ihn mit einer Hand (▶Abb. 5). Mögliche Variationen: ▪ Beim einhändigen Fangen wird die Seite, mit der ge- fangen werden muss, vorgegeben. ▪ die Farbe oder den Arm, mit dem gefangen werden soll, erst relativ spät nennen „Kommando-Fangen“ Ablauf Benötigt werden mehrere Tennisbälle. Zwei Personen stehen sich im Abstand von 2–3 Metern gegenüber. Der Fänger bzw. die Fängerin darf keine Aus- weichschritte machen. Der Werfer wirft die Bälle jetzt in einem zügigen Tempo Richtung Athletin/Athlet, möglichst im Bewegungszylinder (s. o.). Die Bälle werden gefangen und direkt auf den Boden fallen gelassen (▶Abb. 6). Mög- liche Variationen: ▪ Hand, mit der gefangen werden muss, wird vorgege- ben ▪ Wurftempo erhöhen, der Ball wird dann nicht mehr gefangen, sondern der Fänger/die Fängerin lässt ihn nur noch abtropfen ▪ Spielbälle der jeweiligen Sportart verwenden ▪ rechtes oder linkes Auge verdecken Buchstaben-, Zahlen-, Symbolball fangen Ablauf Benötigt werden 3–4 Tennisbälle; auf die Tennisbälle wer- den gut lesbar Symbole, Buchstaben oder Zahlen geschrie- ben. Zwei Personen stehen sich im Abstand von 2–3 Metern ge- genüber. Bevor der Ball gefangen wird, muss der Fänger/ die Fängerin ihn gut anvisieren, da er bzw. sie jetzt, mög- lichst kurz vor dem Fangen, eines der Symbole auf dem Ball nennen muss (▶Abb. 7). Mögliche Variation: ▪ rechtes oder linkes Auge verdecken „Symbole finden“ Ablauf Benötigt wird ein White Board oder eine Tafel. Darauf be- finden sich Symbole, Zahlen, Buchstaben, Farben oder Fi- guren. Die Testperson steht 2 Meter vor dem White Board/der Tafel. Der Athlet/die Athletin dribbelt jetzt einen Basket- ball/Handball oder jongliert einen Fußball. Auf Zuruf muss er/sie auf der Tafel möglichst schnell das gewünschte Sym- bol finden und mit dem Finger darauf zeigen. Das Dribbeln oder Jonglieren des Balls darf dabei nicht an Qualität ein- büßen (▶Abb. 8). Mögliche Variationen: ▪ rechtes oder linkes Auge verdeckt ▪ Der Partner in der Übung bewegt sich mit der Tafel im Raum (vor – zurück; links – rechts). ▪ Der Partner bewegt die Tafel (in Kreisen; rauf und run- ter), während beide durch den Raum gehen. ▶Abb. 8 „Symbole finden“, eine Übung zur Verbesserung der Agilität und der Auge-Hand-Koordination: Während der Spieler den Basketball dribbelt, sagt der Trainer, auf welches Symbol der Spieler zeigen soll. Das Dribbeln darf dabei nicht unterbrochen werden, auch die Qualität der Handlung darf nicht abnehmen. (Quelle: D. Wellm) ▶Abb. 9 Anspruchsvoll ist die Übung „Farbensalat“. Der Fänger muss den Ball auf einem der Hütchen ablegen. Auf welchem, das sagt ihm der Trainer. Auch diese Übung kann in der Schwierigkeit gesteigert werden. (Quelle: D. Wellm) „Farbensalat“ Ablauf Benötigt werden 4 verschiedenfarbige Hütchen oder Blät- ter. Des Weiteren sind ausreichend Tennisbälle oder Bälle in den gleichen 4 Farben wie die Hütchen erforderlich. Die Hütchen werden in gleichmäßigen Abständen auf dem Tisch platziert. Zwei Personen stehen sich auf der Längsseite des Tisches gegenüber. Die Testperson fängt einen ihr zugeworfenen Ball und ordnet ihn dem Hütchen zu, dessen Farbe genannt wurde (▶Abb. 9). Mögliche Variationen: ▪ Die bunten Bälle werden der entsprechenden (oder gerade einer anderen) Hütchenfarbe zugeordnet. Wellm D. Upper Quarter Agility ... Sportphysio 2021; 9: 41–46 | © 2021. Thieme. All rights reserved. 45

On the field Erstversorgung einer traumatischen Schulterluxation Markus Neumann Schulterluxationen kommen in einigen Sportarten verhältnismäßig häufig vor. Für manche Betreuer ist die Versuchung groß, die ausgekugelte Schulter sofort wieder einzurenken. Unser Autor erklärt, warum das keine gute Idee ist und wie man es besser macht. Einleitung Die traumatische Schulterluxation ist eine der häufigsten akuten Schulterverletzungen im Sport und die häufigste Gelenkluxation des Menschen. Sie tritt mit einer Inzidenz von ca. 1,7 % im Altersbereich zwischen 18 und 70 Jahren auf. Überwiegend sind junge Männer betroffen [7]. Mit über 90 % sind Luxationen nach vorne unten am häufigs- ten. Bleibt die Erstluxation unbehandelt, ist die Rezidiv- rate hoch. Grund genug, sich Pathomechanismus, Erst- maßnahmen „On-Field“ und Repositionsmanöver genau- er anzusehen. Pathomechanismus Man stelle sich eine Abwehraktion im Handball vor: Wäh- rend man mit der einen Hand den neben sich stehenden gegnerischen Kreisläufer stört, kommt von der Seite ein weiterer Gegenspieler mit Ball eingelaufen und springt zum Wurf ab. Beim Versuch, den Wurf des Spielers noch zu verhindern, greift man nach dessen Trikot. Dabei wird durch die Wucht und die Geschwindigkeit des Angreifers der eigene Arm im Schultergelenk stark abduziert und außenrotiert. Ein anderes Beispiel könnte ein Fußballspieler sein, der ballführend sich zu seinen Mitspielern hin orientiert und zu Fall gebracht wird. Er versucht, den Fall durch den nach vorne oben ausgestreckten Arm zu bremsen. In beiden Fäl- len kann es zu einer Schulterluxation kommen. Dies sind nur zwei Beispiele von alltäglichen sportartspe- zifischen Situationen, wie sie mehrfach in jedem Spiel oder Training vorkommen können. In vielen anderen Sportarten kommt es – wenn auch in anderem Kontext – zu vergleich- baren Ereignissen. Dabei handelt es sich um typische Ver- letzungsmechanismen für eine traumatische Schulterlu- xation. Neben der beschriebenen Abduktions-/Außenro- tationsbewegung, die sowohl passiv als auch aktiv zu einer Luxation führen kann, und dem Sturz auf den extendier- ten Arm sind Stürze aus größerer Höhe, direkte Trauma- ta oder Verkehrsunfälle die häufigsten Ursachen für eine Schulterluxation [1]. Bei einer traumatischen Luxation kugelt die Schulter in über 95 % der Fälle nach ventral aus. Luxationen nach dor- sal sind selten und meist Folge einer direkten, nach dor- sal gerichteten Krafteinwirkung auf die Schulter. Außer- dem treten sie im Rahmen eines epileptischen Krampf- anfalls oder eines Stromunfalls aufgrund des muskulären Ungleichgewichts an der Schulter auf. Der Vollständigkeit halber seien noch habituelle Luxationen erwähnt. Diese können sowohl nach ventral als auch nach dorsal auftre- ten und sind häufig mit Glenoiddysplasien oder geneti- schen Bindegewebsdefekten (z. B. Ehlers-Danlos-Syndrom) assoziiert. Erstversorgung „On-Field“ Die Symptome des Sportlers im Moment nach der Luxa- tion sind neben Schmerzen eine schmerzbedingte Bewe- gungseinschränkung. Neben einer kurzen, zielgerichteten Anamnese nach Symptomen, Unfallhergang, Krafteinwir- kung und Armstellung während des Traumas sollten Erst- helfer frühzeitig die periphere Durchblutung, die Sensibi- lität und Motorik überprüfen. Die sportliche Aktivität muss sofort beendet werden. Anschließend sollten die Rahmenbedingungen für die wei- tere Untersuchung überprüft und die darauf folgende Be- handlung sollte wenn möglich in ein ruhigeres Umfeld (Sa- nitätsraum, Umkleidekabine) verlegt werden. So können sowohl für den Verletzten als auch für den Untersucher die nötige Privatsphäre und Ruhe geschaffen werden, um die detaillierte Untersuchung und ggf. notwendige Therapie durchzuführen. Während dieses Transports sollte der Erst- helfer darauf achten, dem Verunfallten eine Armhaltung in möglichst schmerzarmer Position zu ermöglichen, und diese bei Bedarf unterstützen. Neumann M. Erstversorgung einer traumatischen ... Sportphysio 2021; 9: 47–50 | © 2021. Thieme. All rights reserved. 47

a b ▶Abb. 2 Röntgenbild einer luxierten rechten Schulter in 2 Ebenen. a Röntgen a–p, b Y-Aufnahme. (Quelle: M. Neumann) sames Vorgehen. Frustrane Repositionsmanöver können durch eine Weichteileinklemmung, z. B. der langen Bi- zepssehne oder von Anteilen der Rotatorenmanschette, verursacht sein. Bei mehrfach frustranen Repositionsma- növern kann eine weiterführende Diagnostik wie z. B. ein MRT sinnvoll sein. Die Reposition wird durch eine ruhige Atmosphäre und einen durch Beruhigung und Ansprache sowie Analgesie entspannten Patienten vereinfacht. Hierdurch wird die Entspannung der schulterumgebenden Muskulatur – die ein großer Gegenspieler der Reposition ist – gefördert, ganz unabhängig davon, welches Repositionsmanöver man wählt. Im Folgenden werden je ein Eigen- und ein Fremdrepositionsmanöver beschrieben, jedoch mit dem Verweis, dass sie bis auf Ausnahmen, aus bereits beschrie- benen Gründen, in einem klinischen/ärztlichen Setting er- folgen sollten. ▶Abb. 3 Eigenrepositionsmanöver nach Boss et al. zur Behandlung einer Schulterluxation. (Quelle: M. Neumann) Eigenrepositionsmanöver nach Boss et al. Beim Eigenrepositionsmanöver nach Boss et al. [4] wird im Langsitz das ipsilaterale Kniegelenk angestellt (▶Abb. 3). Der Verletzte umgreift mit der Hand des gesunden Arms die Hand des verletzten Arms um das Kniegelenk. Gege- benenfalls kann hierfür eine Hilfestellung notwendig sein. Zur besseren Relaxation der Armmuskulatur ist es hilfreich, die Hände auf Höhe des Handgelenks zusammenzubin- den. Nun muss man den Patienten dazu anhalten, den Kopf nach hinten fallen zu lassen, sich zurückzulehnen und die Schulter und die Muskulatur ganz entspannt zu lassen. Durch den kontinuierlichen Zug kommt es dann zur Re- position. Unterstützen kann der Helfer durch Fixierung des aufgestellten Beins. Die Entwickler dieser Repositions- methode berichten von einer Erfolgs- rate von über 60 %. Fremdrepositionsmanöver: „FARES“-Technik Die „FARES“-Technik („FAst, REliable and Safe“; ▶Abb. 4) ist ein verhältnismäßig neues Repositionsmanöver [8]. Hierbei liegt der Patient auf dem Rücken. Der Arm der lu- xierten Schulter ist adduziert. Der Helfer nimmt das Hand- gelenk oder die Hand des Patienten. Der Patient sollte sei- nerseits nicht die Hand des Therapeuten umgreifen, um eine Muskelkontraktion im Arm zu vermeiden. Dann wird durch den Helfer am gestreckten Arm ein Longitudinal- zug durchgeführt (▶Abb. 4a). Zeitgleich wird der gesamte Arm wiederholt in vertikaler Richtung auf- und abbewegt. Dies soll die Muskelentspannung beschleunigen. Dann wird der Arm bei anhaltendem Longitudinalzug und wei- terhin durchgeführten Vertikalpulsationen langsam abdu- ziert (▶Abb. 4b) und begleitend wird eine Außenrotation durchgeführt (▶Abb. 4c). Während der ganzen Prozedur ist der Patient angehalten, sich möglichst zu entspannen. Neumann M. Erstversorgung einer traumatischen ... Sportphysio 2021; 9: 47–50 | © 2021. Thieme. All rights reserved. 49

Notes | Veranstaltungsbericht Thieme SSPA 18th annual conference „Knee & Sports“ Traditionell veranstaltet der Schweizer Verband Sportphysiotherapie (SVSP) sein jährliches Symposium im November in Bern. Das Symposium ist dafür bekannt, jedes Jahr renommierte Referenten aus aller Welt zu einem ausgewählten Thema der Sportphysiotherapie aufzubieten. „Knee & Sports“ war das Thema der dies- jährigen Edition. Aufgrund der anhalten- den Covid-19-Pandemie entschieden sich die Organisatoren um Dr. Mario Bizzini, das international ausgerichtete Symposi- um am geplanten Datum 13.11.2020 digi- tal im Webinar-Format stattfinden zu lassen (▶Abb. 1). Trotz hochkarätigem Programm mit dem Schwerpunkt „Kreuzbandrehabi- litation“ verzichteten die Veranstalter die- ses Jahr sogar auf eine Teilnahmegebühr. Mit 2000 Anmeldungen aus 88 Ländern stieß dieses Angebot weltweit auf großes Interesse. Vorab veröffentlichte der SVSP ( Sportfisio) in Zusammenarbeit mit dem Journal of Orthopaedic & Sports Physical Therapy (JOSPT) bereits ein Webinar mit dem Titel „Quality ACL Rehabilitation – Training the Quadriceps” auf YouTube. Das Webinar be- schäftigt sich mit dem optimalem Krafttrai- ning in der Rehabilitation nach Kreuzband- verletzungen und geht dabei explizit auf die biomechanischen Aspekte verschiedener Übungen ein. ▶Abb. 1 Blick hinter die Kulissen: Beim diesjährigen Symposium des Schweizer Verbandes Sportphysiotherapie (SVSP) sorgten Techniker für einen reibungs- losen Ablauf. (Quelle. Schweizer Verband Sportphysiotherapie) ▶Abb. 2 Anita Zwahlen-Müllhaupt, Mitglied im Vorstand des Schweizer Verbandes Sport- physiotherapie (SVSP), präsentierte im Livestream das aktuelle SPORTFISI@-Magazin, das sich ausführlich mit dem Thema Freeskiing beschäftigt. (Quelle: Schweizer Verband Sport- physiotherapie) Im Livestream am 13. November gewähr- ten die Referenten den Teilnehmern dann weitere spannende Einblicke in ihre Spezi- algebiete. In der Gesamtheit entstand so ein umfassendes Bild von aktuell diskutier- ten Aspekten rund um die physiothera- peutische Versorgung von Kreuzbandver- letzungen. Im Laufe des Tages wurde wie- derholt auf die Bedeutung von intensivem Krafttraining, sportartspezifischem Trai- ning, psychosozialen Fragestellungen und Präventionsprogrammen hingewiesen. Das Programm enthielt sowohl Exkurse in Spe- zialgebiete wie Motorisches Lernen, Biome- chanik und Psychologie als auch konkrete Beispiele aus der Rehabilitation im Spitzen- sport (Fußball und Handball). Aus den Vorträgen und den präsentierten Daten ging deutlich hervor, welchen Un- terschied eine qualitativ hochwertige Re- habilitation für verletzte Sportler machen kann. Die Datenlage macht aber auch klar, dass derzeit viele Menschen nach Rekon- struktion des Kreuzbands keine optima- le, evidenzbasierte Rehabilitation erhal- ten. Oft wird z. B. zu kurz oder zu wenig intensiv behandelt. Hier leistete die Kon- ferenz des SVSP einen wertvollen Beitrag, aktuelles Wissen aus der Forschung praxis- nah einem breiten Fachpublikum zur Ver- fügung zu stellen. Zudem haben die Orga- nisatoren die Vorträge des Symposiums auf dem YouTube-Channel des SVSP als Playlist mit dem Titel „2020 – Knee & Sports“ ver- fügbar gemacht (▶Link). Die jeweils zum Symposium erscheinen- de Ausgabe des Magazins SPORTFISI@, das jedes Jahr eine andere Sportart aus sport- physiotherapeutischer Sicht unter die Lupe nimmt, widmet sich diesmal dem Thema Freeskiing (▶Abb. 2). Das Magazin ist eben- falls umsonst über die Homepage des SVSP (sportfisio.ch) in digitaler Form verfügbar (▶Link). Benjamin Thiesmeyer LINK Hier geht es zum Youtube-Channel des SVSP: https://bit.ly/ SSPA2020 Auf der Seite https:// bit.ly/Sportfisio2020 finden Sie die aktuelle Ausgabe des Magazins SPORTFISI@ Sportphysio 2021; 9 | © 2021. Thieme. All rights reserved. 51

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