Mit Ihrem retten!-Abo profitieren Sie doppelt! Online-Zugriff auf das retten!-Archiv Die Wissensplattform eRef hält alle bisher erschienen Artikel für Sie bereit. So schalten Sie Ihre Online-Ausgaben frei Falls Sie noch keinen Zugang für Ihre retten! haben, registrieren Sie sich bitte einmalig. Folgen Sie unter eref.thieme.de dem Button „FZ­Abo freischalten“. Tipp: On­ und offline lesen Sie Ihre retten! auch mit der eRef App. Einfach kostenlos in den Stores herunterladen (Suchbegriff: eRef). Sammelsystem für Ihre Lernkarten In jeder Ausgabe Ihrer retten! finden Sie praktische Lernkarten zum Sammeln. Die Lernkarten versorgen Sie zielgerichtet mit dem Stoff, den Sie für die Ergänzungs­ prüfung wissen müssen. Sie können die Karten heraus­ trennen und individuell zusammenstellen. Notfallmedizin: Verbrennungen & Verbrühungen 1 Definition durch thermische Einflüsse ausgelöste Schädigung von Haut und tieferliegenden Gewebeschichten 2 Ursachen ▶ Strahlung ▶ heiße Flüssigkeiten ▶ Flammeneinwirkung ▶ heiße Dämpfe ▶ mechanische Reibung ▶ heiße Gegenstände 3 Symptome ▶ I. Grad: Rötung, Schwellung, Schmerz ▶ II. Grad: a) Blasenbildung, b) Aufplatzen der Blasen ▶ III. Grad: Nekrose, kein Schmerz Cave: bei großflächigen Verbrennungen Unterkühlung vermeiden 4 Maßnahmen ▶ Hitzezufuhr unterbrechen ▶ Kühlung nur in den ersten 10 min ▶ ABC-Sicherung der Vitalfunktion ▶ O2-Gabe. ▶ Wunde abdecken ▶ venöser Zugang KOF ≥ 10 % Erwachsene 1000 ml Ringer Lactat i. v. ▶ Analgesie erwägen bei VAS ≥ 6: 2 mg Morphin, Repetition alle 3–5 min bis maximal 10 mg Cave: bei Inhalationstrauma vernebeln mit 5 mg Adrenalin / Lagerung situationsabhängig Vorderseite Rückseite Notfallmedizin: Verbrennungen & Verbrühungen 1 Definition Wie lassen sich Verbrennungen und Verbrühungen definieren? 2 Ursachen Nennen Sie typische Ursachen, die zu einer Verbrennung führen können! 3 Symptome Welche Verbrennungsgrade werden unterschieden und durch welche Symptome lassen sich diese abgrenzen? Welche Möglichkeiten zur Flächenbestimmung gibt es? 9 % 4 Maßnahmen Welche therapeutischen und diagnostischen Maßnahmen ergreifen Sie? Ordnen Sie diese hinsichtlich ihrer Dringlichkeit! Welche erweiterten Maßnahmen ergreifen Sie bis zum Eintreffen des Notarztes? 9 % 9 % 9 % 9 % 1% 9 % 9 % 16 % 9 % 9 % 32 % 9 % siehe auch q Fit für den Notfallsanitäter – „Thermischer Schaden“ in retten! 2015; 2: 85–90 9 % Rumpf 9 % 9 % gesamter 16 % 16 % Kind retten! Notfallwissen für unterwegs Bestellen Sie gleich das kostenlose praktische Sammelsystem (2 Deckkarten mit Ring) www.thieme.de/retten-sammelkarten ►Das Fachmagazin für den Rettungsdienstretten!Rechts- und Berufspolitik▪WanndarfichdenTransportverweigern?Fit für den Notfallsanitäter▪TransthorakaleSchrittmachertherapieFachwissen▪StörungendesSäure-undBasengleichgewichtsNotfällebeiBrand-ereignissen

Inhalt retten! Februar 2023 · 12. Jahrgang · Seite 1–80 ▶ S. 22 Akutes Koronarsyndrom in der präklinischen Notfallmedizin ▶ S. 33 ▶ S. 45 Nicht traumatologische thorakale Beschwerden gehören zu den häufigen Vorstellungsgründen in der Notfallmedizin und machen somit einen erheblichen Anteil der Gesamtvorstellungen in der Notaufnahme aus. Dieser Artikel soll die wichtigsten Vorgehensweisen bei der Behandlung des akuten Koronarsyndroms (ACS) in der präklinischen Notfallmedizin zusammenfassen und die Abgrenzung anderer Ursachen nicht traumatologischer thorakaler Beschwerden erleich- tern. Quelle: KH Krauskopf. Plötzlicher Herztod junger Menschen – Nicht immer sind Myokarditis oder Drogen die Ursache Der Beitrag möchte aufzeigen, dass genetische Ursachen einer arrhythmogenen oder struktu- rellen Herzerkrankung in die differenzialdiagnostische Abklärung der Ursachen eines außer- klinischen Herz-Kreislauf-Stillstands junger Menschen gehören, und welch wertvolle Rolle der Rettungsdienst bei ihrer Abklärung übernehmen kann. Hierzu nimmt dieser Beitrag Sie anhand eines konkreten Einsatzes Schritt für Schritt mit vom Ort der Reanimation bis zur endgültigen Diagnosestellung und Beratung der betroffenen Familie. Quelle: KH Krauskopf. Das Stethoskop – Kein Statussymbol! Eines der wichtigsten klinischen Hilfs- mittel zur klinischen Untersuchung der Lungen, des Herzens und des Darmes Neben vielen Ärzte tragen immer mehr Notfallsanitäter eine der wichtigsten Erfindungen des berühmten französischen Arztes René Laennec in ihrer Einsatztasche: das Stethoskop. Der Artikel stellt die Bedeutung eines Stethoskops als eines der wichtigsten klinischen Hilfsmittel zur Auskultation der Lungen, des Herzens und des Darms sowie der Korotkow- Geräusche bei der nichtinvasiven Blutdruckmessung dar. Quelle: ©K. Oborny/Thieme. ▶ S. 56 Ersteinschätzung von Patient*innen – Fokus Schmerzanamnese Akute Schmerzen sind ein Hinweis des Körpers, dass etwas nicht in Ordnung ist. Durch diesen Reiz werden Empfindungen ausgelöst, welche dem Menschen die Möglichkeit geben zu inter- agieren. Dieser Artikel befasst sich mit der präklinischen Schmerzanamnese in den verschie- denen Alters- und Patient*innengruppen und der Frage, warum eine strukturierte und voll- ständige Schmerzbeurteilung im Rettungsdienst einen derart wichtigen Stellenwert hat. Quelle: KH Krauskopf. ▶ S. 66 Notfallsonografie im Rettungsdienst – Schritt für Schritt Auf den bodengebundenen Notarzteinsatzfahrzeugen werden von vielen Organisationen aktuell mobile Ultraschallgeräte angeschafft. Neben der hier beschriebenen eFAST-Unter- suchung kann der mobile Ultraschall auch als Alternative zum intraossären Zugang beim Auffinden von Gefäßen hilfreich sein. 2 retten 2023; 12 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Herausgebergremium Prof. Dr. rer. medic Sebastian Koch ist als Professor im Bachelor- und Masterstudiengang Medi- zinpädagogik an der SRH Hochschule für Gesundheit am Campus Gera tätig. Er ist staatlich geprüfter Notfallsanitäter und graduierte zum Medizinpädagogen (B.A.) an der SRH Hochschule für Gesundheit sowie zum Gesundheits- und Pflegewissenschaftler (M.Sc.) an der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg, wo er auch promovierte. Neben seiner beruflichen Tätigkeit ist er Mitglied im wis- senschaftlichen Beirat und stellv. Sprecher der „Deutsche Gesellschaft für Rettungswissenschaften e. V. (DGRe.)“ sowie Fachbeirat und Autor der Lehrbuchreihe „retten“ im Thieme Verlag. Er ist Mitglied der Lehrplankom- mission des Thüringer Lehrplans für Notfallsanitäter sowie wissenschaft- licher Berater des Thüringer Lehrplans für die Generalistische Pflegeausbil- dung. Rico Kuhnke M.A. ist Gesamtschulleiter und Prokurist an der DRK-Landes- schule Baden-Württemberg gGmbH mit elf regionalen Bil- dungseinrichtungen in Baden-Württemberg. Bereits wäh- rend seiner langjährigen Tätigkeit im Rettungsdienst engagierte er sich als Lehrrettungsassistent in der Aus- und Fortbildung von Rettungsdienstpersonal. Als Dozent der Erwachsenenbildung war er an unterschiedlichen Schu- len in Deutschland tätig. Bei Kongressen ist er ein gefragter Referent. Zudem ist er im Organisationskomitee und der wissenschaftlichen Leitung des Stuttgarter Intensivkongresses aktiv und hat einen Lehrauftrag an der SRH-Hochschule für Gesundheit. Im Sinne des lebenslangen Lernens qua- lifizierte er sich ständig weiter und publizierte in den vergangenen Jahren als Autor in retten! und anderen Fachmedien. Er ist Fachwirt im Sozial- und Gesundheitswesen, Teletutor und hat sein pädagogisches Masterstudium in den Sozialwissenschaften berufsbegleitend abgeschlossen. Gleich nach in Kraft treten des Notfallsanitätergesetzes hat er sich der Ergänzungsprü- fung zum Notfallsanitäter gestellt. Dr. Sönke Müller ist als hausärztlicher Internist in Neckargemünd niederge- lassen. Er hat die Leitende-Notarzt (LNA)-Gruppe des Rhein-Neckar-Kreises aufgebaut, deren Mitglied er ist. Ne- ben seiner Praxistätigkeit arbeitet er als Notarzt im regiona- len Rettungsdienst. Sönke Müller studierte von 1977–1983 Medizin in Heidelberg. Seine Facharztausbildung zum Internisten absolvierte er u. a. in Krankenhäusern in Heidel- berg sowie im Krankenhaus Sinsheim. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind die aktive Notfallmedizin als Notarzt und leitender Notarzt ebenso wie die Wissensvermittlung im Bereich Notfallmedizin als Fortbilder und Buch- autor. Sönke Müller ist u. a. Autor der Bücher Memorix Notfallmedizin und Memorix Kindernotfälle. Karlheinz Pfaff ist Schulleiter der Franz Anton Mai-Schule für den Rettungs- dienst des ASB Baden-Württemberg e. V. in Mannheim. Als Gesundheits- und Krankenpfleger sowie Fachkrankenpfle- ger für Innere Medizin und Intensivmedizin wechselte er 1991 in den Rettungsdienst, wo er 9 Jahre in der Rettungs- assistentenausbildung tätig war. Anschließend absolvierte er den Fachwirt für Sozial- und Gesundheitswesen sowie ein Bachelorstudium in Business Administration und erreichte die Qualifi- kationen des Notfallsanitäters und Praxisanleiters. Bis 2016 engagierte er sich aktiv in der humanitären Auslandshilfe und wurde Technischer Leiter des First Assistance Samaritan Teams (FAST) des ASB Deutschland. Seit Herbst 2016 leitet er die Franz Anton Mai Schule in Mannheim, um sich aktiv an der Ausgestaltung des Berufsbildes Notfallsanitäter zu beteiligen. Dr. med. Jens Tiesmeier Jahrgang 1974, ist Facharzt für Anästhesiologie mit den Zusatzweiterbildungen Intensiv-, Notfall- und Palliativmedi- zin, sowie ärztlichem Qualitätsmanagement. Er arbeitet als Oberarzt des Instituts für AIN und ärztl. Leiter Notarzt- standort vorwiegend in den Bereichen ZNA und NEF in den Mühlenkreiskliniken (MKK) im Krankenhaus Lübbecke, Campus OWL der Ruhr-Universität Bochum. Als Prüfer an der Rettungsdienstschule der Akademie für Gesundheitsberufe der MKK in Minden und durch einen Lehrauftrag im Querschnittsbereich Notfall- medizin am Campus OWL begleitet er seit 2016 die studentische Lehre und die Ausbildung der Notfallsanitäter. Volker Wanka ist Oberarzt am Institut für Anästhesiologie an der Enzkreis- klinik Neuenbürg, ärztlicher und organisatorischer Leiter des dort stationierten Notarzteinsatzfahrzeugs sowie Vor- sitzender der LNA-Gruppe Pforzheim/Enzkreis und Mitar- beiter beim Deutschen Institut für Katastrophenmedizin. Er studierte von 1991–1998 Medizin an der Universität Hei- delberg. Am Klinikum Pforzheim absolvierte er 2000 seine Ausbildung zum Notarzt und 2005 seine Facharztausbildung zum Anästhesiologen. 2008 erlangte er die Zusatzqualifikation „Leitender Not- arzt“. Seine Schwerpunkte sind die Notfallmedizin und die qualifizierte Ausbildung des Rettungsdienstpersonals. Seit 2004 nimmt er regelmäßig Rettungsdienstprüfungen ab und seit 2008 ist er als leitender Notarzt für Pforzheim/Enzkreis aktiv. Experten Dr. Thomas Ahne, Todtnau Markus Damböck, Regensburg Sabine Dunkl, Wien Kersten Enke, Hannover Tobias Fraatz, Meiningen Michael Gores, Bergisch Gladbach Dr. Steffen Grautoff, Herford Tanja Hemmi, Hamburg Dr. Albrecht Henn-Beilharz, Stuttgart Dr. Steffen Herdtle, Hausham Armin Hess, Pfalzgrafenweiler Dr. Jörg Helge Junge, Chur Johannes Kattermann, Mannheim Prof. Dr. Dr. Alex Lechleuthner, Köln Dr. Gregor Lichy, Ludwigsburg Dr. Wolfgang von Meißner, Baiersbronn Carsten Ohsberger, Stuttgart Dr. Jan Persson, Minden Holger Pfleger, Frankfurt am Main Thomas Rielage, Hagen Gerhard Schmöller, München Ralph Schuster, Stuttgart Matthias Ziegler, Villingen- Schwenningen Verlag Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart Postfach 301120, 70451 Stuttgart www.thieme.de/retten www.thieme-connect.de/products www.facebook.com/thiemeliebtretter 4 retten 2023; 12 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Kommunikation & Management Sterben – (k)ein gesellschaftliches Tabu-Thema Ariane Laborge-Benisch, Sebastian Koch Quelle: Thieme Gruppe. Kaum etwas bewegt uns so sehr wie die Begegnung mit schwerkranken und sterbenden Menschen. Im Rettungsdienst mit der Angst, Hilflosigkeit, Traurigkeit, Wut, Verzweiflung und Hoffnung der Betroffenen umzugehen, ist nicht einfach. Wie kann es gelingen, pro- fessionell zu reagieren? FALLBEISPIEL An einem Samstagnachmittag alarmiert man Sie als RTW-Besatzung mit der Meldung: „Weibliche Per- son. Bewusstlos. Notarzt nicht verfügbar.“ Als Sie das Einfamilienhaus in einer Wohnsiedlung errei- chen, empfängt Sie ein ca. 30-jähriger Herr. Ruhig teilt er Ihnen mit, dass es sich bei der Patientin um seine 55-jährige Mutter handelt. Bevor Sie die Wohnung betreten, trifft der Hausarzt ein, der zufällig in der Nähe war. Auf dem Weg zur Patientin sagt er Ihnen, dass die Patientin vor 2 Jah- ren die Diagnose Brustkrebs erhalten habe. Seitdem müsse sie regelmäßig zur Chemotherapie sowie Bestrahlung und werde täglich durch ihren Mann und den Sohn gepflegt und umsorgt. Im Wohnzimmer finden Sie die Frau tief bewusstlos auf der Couch liegend vor, ihr Ehemann hält ihre Hand. Die Patientin ist nicht ansprechbar, ein peri- pherer Puls nicht tastbar. Der Arzt verweist auf den Wunsch der Patientin, keine lebenserhaltenden oder -verlängernden Maßnahmen durchzuführen, und zeigt auf die Patientenverfügung auf dem Wohnzim- mertisch. In diesem Moment halten Sie den Atem an und spüren Ihren eigenen Herzschlag, da Sie nicht den „richtigen Satz“ oder das „perfekt tröstende Wort“ finden können. 6 Laborge-Benisch A et al. Sterben – (k)ein… retten 2023; 12: 6–9 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Kommunikation & Management Verluste und die vorbereitende Depression im Hinblick auf die drohenden Verluste. In der Begleitung geht es ums Zuhören und Aushalten. Lassen Sie den Betroffenen weinen und halten Sie der Traurigkeit stand. Nehmen Sie ernst, was die Person an ei- genen Versäumnissen und Sorgen äußert. Strahlen Sie Ruhe aus – das überträgt sich positiv auf alle Anwesen- den. Aufmunternde Sätze sind unangebracht [5]. Zustimmung Sterbende, die diese Phase erreichen, haben dem Lebens- ende zugestimmt und befinden sich in einem ruhigen, fast gefühllosen Zustand. Das Interesse an Gesprächen erlischt und die Betroffenen wenden sich langsam ab für die „bevorstehende Reise“. In der finalen Begleitung ist die Unterstützung der Ange- hörigen ein wichtiger Bestandteil [7]. Um Sterbenden und ihren Angehörigen Aufmerksamkeit, Anteilnahme und Sicherheit zu vermitteln, können Sie die „4 Säulen der Begegnung“ [8] nutzen: ▪ Stellen Sie Hautkontakt her – vorzugsweise, indem Sie mit der Hand den Betroffenen an der Schulter oder am Handrücken berühren. Das signalisiert: „Ich berühre dich mit meinen achtsamen Händen und ermögliche eine Kontaktaufnahme.“ ▪ Halten Sie Blickkontakt, um zu zeigen: „Ich nehme dich wahr und ich bin für dich da.“ ▪ Verbale und nonverbale Zuwendung bedeutet: „Ich spreche offen und ehrlich mit Dir. Ich schweige mit dir, wenn du es brauchst.“ ▪ Ungeteilte Aufmerksamkeit heißt: „Ich bin für dich da, ich nehme dich wahr und verstehe deine derzeitige Situation. Ich spreche nicht über dich hinweg mit An- deren im Raum.“ Je stärker die 4 Säulen beansprucht sind, umso häufiger nutzen Sterbende symbolische Worte, um ihre für sie selbst unfassbare Lebenssituation zu beschreiben. Non- verbal-symbolische Kommunikation wird deutlich bei Pa- tienten, die sich verbal nicht mehr ausdrücken können und sich mit Gesten, durch Verhaltensweisen oder durch Zeichnungen mitteilen. Merke Die 5 Sterbephasen verlaufen in keiner festen Reihen- folge. Sie haben keinen definierten Beginn und können immer wieder neu entstehen. Wägen Sie ab, welche Maßnahmen noch angebracht sind – jede Handlung am Sterbenden stört seinen letzten Weg und erschwert den Sterbeprozess [5]. Überforderungen begegnen In der Grenzsituation des Sterbeprozesses geht es nicht mehr um die Probleme des Lebens, sondern das Leben selbst ist infrage gestellt. Diese belastende Situation er- fordert von den Betroffenen und ihrem nahen Umfeld eine persönliche, familiäre und soziale Neuorientierung sowie Sinnsuche. Eine akute Symptom-Exazerbation (Schmerzkrise, akute Luftnot, Blutungen, drohender oder eingetretener Kreislaufstillstand) überfordert Ange- hörige, aber auch einzelne Pflegefachkräfte oft [9]. In diesen Situationen besteht ein erhöhter Informationsbe- darf seitens der Patienten und deren Angehörigen, wobei das Informationsgefälle zu den medizinischen Laien be- sonders zu berücksichtigen ist [10]. Kommunikation mit Sterbenden und deren Angehörigen Kommunikation mit Sterbenden ist sehr individuell, ver- bunden mit der Auseinandersetzung der eigenen Gefüh- le, Erfahrungen und der Haltung zu Sterben, Tod und Trauer. Merke Es ist wichtig zu erkennen, dass es nicht den „richtigen Satz“ oder das „perfekt tröstende Wort“ gibt, das allen Betroffenen hilft. Eigene Haltung Nach Carl Rogers gehören zu einer personenzentrierten Gesprächsführung: ▪ Bedingungslose positive Wertschätzung gegenüber dem Betroffenen, mit seiner Biografie, individuellen Persönlichkeit und derzeitigen Lebenssituation, ▪ Empathie zu zeigen durch einfühlsames Verstehen der Argumente des Betroffenen und diese anschlie- ßend gemeinsam zu kommunizieren sowie ▪ Kongruenz, in Form einer authentischen Kommuni- kation mit der zugehörigen Echtheit im eigenen Ver- halten, Gefühle und Gesagtes auszuhalten und sich nicht hinter der eigenen Professionalität zu verstecken [7]. Hilfreiche Methoden Rogers beschreibt aktives Zuhören durch „Aufmerksam- keit“ auf den Inhalt des Gesprochenen. Merke Körpersprache, Mimik und Gestik vermitteln besonders bei Schmerzpatienten nonverbal gesundheitliche Pro- bleme. Aus Ton, Lautstärke und Sprechgeschwindigkeit lassen sich oft Rückschlüsse, z. B. auf den Kräftezu- stand, ziehen. „Botschaften zu bestätigen“ ermöglicht, in kurzen Sätzen oder Worten das Wahrgenommene zu reflektieren. Non- verbal geäußerte Gefühle wie Traurigkeit und Wut kön- nen so thematisiert und bestätigt bzw. verneint werden. 8 Laborge-Benisch A et al. Sterben – (k)ein… retten 2023; 12: 6–9 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Prävention & Selbstschutz Reanimation unter Covid-19: Geht persönlicher Schutz auf Kosten der Qualität? Sabine Dunkl, Daniel Grassmann Quelle: Berufsrettung Wien, Studienteam unter der Leitung von Chefarzt Dr. Mario Krammel Eine Wiederbelebung kann einen schon unter relativ normalen Umständen fordern. Doch leidet die Qualität, wenn man wegen des Verdachts auf eine Corona-Infektion beim Pa- tienten im Plastikanzug und mit FFP-Schutzmaske arbeiten muss? Forschende aus Wien haben hier jetzt eine gute Nachricht. Das beeinflusst die Reanimations- leistung Je nach Alter, Trainingszustand und psychischer/physi- scher Tagesverfassung variiert die Anstrengung für eine qualitativ hochwertige Reanimation. Auch der Einsatzort hat einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss. Stellen sich bereits die Anfahrt und das Erreichen des Einsatzor- tes als schwierig dar, so ist die Voraussetzung der kardio- pulmonalen Reanimation (CPR) anders, als wenn der Ort einfach und zügig zu erreichen ist. Hinzu kommen Umwelteinflüsse wie Umgebungstempe- ratur, Lichtverhältnisse und Platzbeschaffenheit. Werden all diese Faktoren noch zusätzlich durch das Tragen einer erweiterten persönlichen Schutzausrüstung (PSA) er- schwert, könnte man auf eine negative Beeinflussung der Qualität der Reanimation schließen. Doch ist das wirklich so? Und wie gut lassen sich die adaptierten ERC- Guidelines für COVID-19 anwenden? Dieser Frage ist eine Wiener Studie zur CPR unter COVID-19-Bedingungen nachgegangen. Merke Die Anstrengung für eine qualitativ hochwertige Reanimation hängt von vielen Faktoren ab. 10 Dunkl S et al. Reanimation unter Covid-19… retten 2023; 12: 10–13 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Prävention & Selbstschutz atmung von CO2 und einen erhöhten Atemwegswider- stand zur Folge hat und dies die Leistungsfähigkeit der Helfer*innen beeinträchtigt [3]. Forschende der Universitätsklinik für Notfallmedizin der MedUni Wien haben in Kooperation mit der Berufsret- tung Wien deshalb evaluiert, ob die Leistungsfähigkeit bei angelegter Schutzausrüstung wirklich sinkt [4]. 48 Sanitäter*innen nahmen an einer randomisierten, kontrollierten Non-Inferiority-Triple-Crossover-Studie teil. Hier führten Zweier-Teams einen 12-minütigen Basic Life Support (BLS) am Mannequin durch, nachdem zur Stresssimulation zügig 3 Stockwerke in PSA samt Einsatz- materialen (Rettungsrucksack, Defibrillator, Absaugein- heit und Oxybag) zu bewältigen waren. Dabei wurden die Sanitäter*innen wie folgt randomisiert [4]: ▪ Gruppe 1: BLS ohne erweiterte PSA (Kontrollgruppe), ▪ Gruppe 2: BLS mit PSA inkl. einer FFP2-Maske mit Ausatemventil und ▪ Gruppe 3: BLS mit PSA inkl. einer FFP2-Maske ohne Ausatemventil. Zwischen den Durchgängen durften sich die Teams je- weils 30 Minuten erholen. Vor und nach den einzelnen Durchgängen maßen die Wissenschaftler*innen neben dem endtidalen Kohlendi- oxid (etCO2) auch die Sauerstoffsättigung (SpO2), die Pulsfrequenz und der Blutdruck der Proband*innen. Während den Durchgängen erhoben sie die Drucktiefe als primären Endpunkt. Als sekundäre Endpunkte dienten in Bezug auf die Qualität der CPR die Druckfrequenz und die Hands-off-Zeiten. Den subjektiven Erschöpfungszu- stand der beteiligten Sanitäter*innen ermittelten die For- schenden über die Borg-Skala. Die BORG-Skala Die Borg-Skala, entwickelt von Gunnar Borg, stellt die subjektive Einschätzung von körperlichen Belastungen dar. Hierbei handelt es sich um eine graduierte Einschät- zung von Stufe 6 (überhaupt keine Anstrengung) bis 20 (Maximal), wobei jede Stufe mit 10 multipliziert die erho- bene Herzfrequenz ergibt. Als Beispiel: Der/die Teilneh- mer*in gibt an, das Training als „sehr locker“ zu empfin- den, die gemessene Herzfrequenz ergibt 98. Das Ziel einer Korrelation von gemessener Herzfrequenz und sub- jektivem Empfinden wäre in diesem Fall gegeben [5]. Ergebnisse und Interpretation Die Studie ergab eine durchschnittliche Drucktiefe von 5,6 cm, wobei Unterschiede < 3,5 mm in Bezug auf die Drucktiefe als nicht unterlegen galten. Sowohl die Teams der Gruppe 3 als auch jene der Gruppe 2 lagen bei einer Differenz von 1 mm zu den Teams der Gruppe 1 (▶ Abb. 1). 0 4 5 4 0 5 5 5 0 6 ) m m ( e f e i t s n o i s s e r p m o K e r e l t t i m e f e T - l l i o S Kontrolle mit Ventil ohne Ventil ▶ Abb. 1 Durchschnittliche Kompressionstiefe aller 3 Gruppen im Vergleich. 12 Dunkl S et al. Reanimation unter Covid-19… retten 2023; 12: 10–13 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fit als Notfallsanitäter Stumpfes Bauchtrauma – das sollten Sie als Notfallsanitäter wissen Rico Kuhnke, Volker Wanka Fit als N o t fallsanit ä t e r Quelle: Thieme Gruppe. retten! hält Sie fachlich fit: In jeder Ausgabe arbeiten wir anhand eines Fallbeispiels einen interessanten Einsatz Algorithmen-konform auf. Anhand von exemplarischen Fragen zu erweiterten Notfallmaßnahmen, Kommunikation und Rahmenbedingungen können Sie sich auf die Ergänzungsprüfung vorbereiten oder Ihr Wissen auffrischen. Fallbeispiel Einsatzmeldung An einem sonnigen Herbsttag wird das Team des RTW, das diesmal auch eine Schülerin im ersten Ausbildungs- jahr zum Notfallsanitäter begleitet, zu einem Unfall mit einem E-Bike gerufen. Der Einsatzort befindet sich Wald. Als das Team auf den Forstweg einbiegt und den ausge- wiesenen forstlichen Rettungspunkt ansteuert, winkt schon ein Mann auf einem E-Bike. Merke Rettungspunkte (auch Notfalltreffpunkte, Anfahrts- oder T-Punkte) sind definierte Orte, die mit Koordina- ten und Anfahrtsbeschreibungen hinterlegt sind und Retter in Wäldern und anderen schlecht erschlossenen Gebieten schneller ans Ziel bringen sollen. Häufig dient ein weißes Kreuz auf grünem bzw. rotem Grund oder das Piktogramm für Notfall-Sammelstelle als Kenn- zeichnung [1]. PR A XISTIPP Als Rettungspunkte eignen sich ebenfalls die Weg- weiser der Wandervereine. Der Schwarzwaldverein weist jedem seiner Wegweiser einen individuellen Standortnamen mit Höhenangabe zu. Auch Smart- phones ermöglichen eine Standortangabe – aller- dings nur bei stabilem Empfang. Situation vor Ort Der Senior schildert, dass seine 68-jährige Ehefrau wenige hundert Meter entfernt mit ihrem E-Bike gestürzt sei. Die 14 Kuhnke R et al. Stumpfes Bauchtrauma –… retten 2023; 12: 14–20 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fit als Notfallsanitäter ▶ Abb. 1 Die verschiedenen Schockphasen. mnese ergibt eine bestehende koronare Herzkrankheit (KHK), die mit ASS und Antihypertonika behandelt wird. Der Algorithmus Vorgehen gemäß International Trauma Life Support (ITLS) Das Team im beschriebenen Fall arbeitet mit dem ITLS- Algorithmus (▶ Abb. 2), der Schritt für Schritt durch die Untersuchung und Behandlung von Traumapatienten führt. Nach der Ersteinschätzung entscheidet sich das Team aufgrund des Unfallmechanismus für eine schnelle Traumauntersuchung. Hierbei handelt es sich um eine strukturierte Untersuchung, in der man nach lebensbe- drohlichen Verletzungen sucht [2]. PR A XISTIPP Sollten Sie in Ihrem Rettungsdienstbereich einen ab- weichenden Algorithmus nutzen, arbeiten Sie die Unterschiede heraus und überlegen Sie sich, wie der Einsatz mit dem Ihnen zur Verfügung stehenden Al- gorithmus ablaufen müsste. Load, go and treat Das Team befürchtet nach einer ersten orientierenden Untersuchung ein stumpfes Bauchtrauma mit der Gefahr von massiven Einblutungen und damit verbunden eines hämorrhagischen Schocks. Die Entscheidung, keine Zeit zu verlieren und direkt in die Klinik zu fahren, ist sinnvoll. Merke Studien zeigen, dass pro 3 Minuten Dauer bis zur Not- operation die Letalität der Patienten um 1 % ansteigt [3]. Transport in die Klinik Ist der Notarzt nicht mitalarmiert, würde man diesem wahrscheinlich entgegenfahren. Aufgrund der Nähe zur Klinik und des im Einsatz gebundenen NEF führt das Team den Transport ohne Notarzt durch. Die Maßnahmen beim stumpfen Bauchtrauma sind be- grenzt, und eine klinische Aufnahme innerhalb der ersten Stunde nach dem Unfall („golden hour of shock“) kann Leben retten. Die Befürchtungen des Teams hinsichtlich der Verletzungen der Patientin bestätigen sich und der Kreislauf beginnt zu dekompensieren. Daher steuert das Team hier leitliniengerecht mit einer moderaten Volu- mentherapie gegen (▶ Abb. 3) [2, 3]. Prüfungsfragen Notfallmedizin Beschreiben Sie das Konzept der restriktiven Volumen- therapie bei Patienten mit stumpfem Bauchtrauma. In den vergangenen Jahren hat sich bei der Volumenbe- handlung von Traumapatienten ein Paradigmenwechsel vollzogen. Versuchte man früher, mit einer maximalen Volumentherapie den Blutdruck auf Normwerte einzu- stellen, toleriert man heute systolische Werte von 80– 90 mmHg. Ausnahmen bilden Patienten mit schwerem 16 Kuhnke R et al. Stumpfes Bauchtrauma –… retten 2023; 12: 14–20 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fit als Notfallsanitäter ▶ Abb. 3 Mögliche Behandlungspfade für die präklinische Therapie bei massiven Blutungen [3]. Schädel-Hirn-Trauma (SHT), Schwangere und schlecht eingestellte Hypertoniker mit regelhaft sehr hohen Blut- druckwerten. ration übernimmt. Für ein gutes Setting und einen vertrauensvollen Umgang bietet das Akronym CORREKT eine Hilfestellung [5, 6]: Merke Bei der permissiven Hypotension versucht man, die Menge an Infusionslösung möglichst gering zu halten und präklinisch 1500 ml nicht zu überschrei- ten. Größere Volumina bergen die Gefahr, die Gerin- nung zu verschlechtern und Blutungen zu verstärken [2, 3, 4]. Mögliche weitere Fragen: ▪ Beschreiben Sie die unterschiedlichen Phasen des Schocks. Welche makro- und mikrozirkulatorischen Störungen lassen sich ihnen zuordnen? ▪ Welche Schockarten lassen sich unterscheiden? Kommunikation Im Anschluss an den Einsatz möchten Sie eine Einsatzbe- sprechung abhalten. Worauf achten Sie dabei? In Nachbesprechungen beleuchtet man Einsätze noch einmal aus den unterschiedlichen Perspektiven der Teammitglieder. Dabei gibt man sich gegenseitig Feed- back. Mögliche Leitfragen sind: ▪ Wie ist es Dir im Einsatz ergangen? Wie hast Du Dich gefühlt? ▪ Was ist Dir besonders in Erinnerung geblieben? ▪ Was ist aus Deiner Sicht gut und was weniger gut gelaufen? ▪ Gibt es Dinge, die Du im Nachhinein anders machen würdest? ▪ Was lernen wir aus dem Einsatz? C – Closed Room Alles, was im Rahmen der Einsatznach- besprechung gesagt wird, bleibt im Raum und wird nicht weitererzählt. O – Offenheit und Objektivität Um Konflikte zu vermei- den, müssen Probleme angesprochen werden. Dabei soll- ten die Teammitglieder möglichst ihre Beobachtung schildern und auf Bewertungen und Interpretationen ver- zichten. Niemand macht absichtlich Fehler, und im Rah- men einer Nachbesprechung ist es wichtig, gemeinsam zu erörtern, wie es zu vermeintlichen Fehlern kam. R – Richtiger Ort und Zeitpunkt Die Nachbesprechung sollte möglichst zeitnah im Anschluss an den Einsatz er- folgen. Dann ist die Erinnerung noch frisch und nahezu vollständig. Ideal ist ein neutraler Ort, an dem man stö- rungsfrei reden kann. Da während der Dienstzeit immer ein Folgeeinsatz droht, kann die Besprechung auch nach der Schicht stattfinden. Cave Das Besprechen zu einem späteren Zeitpunkt kann zum Verlust von wichtigen Erinnerungen führen. Zudem besteht am Ende der Dienstzeit ein berechtigtes Be- dürfnis nach Freizeit. R – Respekt Voraussetzung für eine gelungene Einsatz- nachbesprechung sind gegenseitiges Vertrauen und Res- pekt. Jeder im Raum hat die gleiche Stimme, unabhängig von seiner Position. Auch wenn alle auf Augenhöhe miteinander kommuni- zieren, kann es hilfreich sein, wenn ein Kollege die Mode- E – Empathie Ein wertschätzender Umgang miteinander und der Blick auf die positiven Aspekte des Einsatzes sind 18 Kuhnke R et al. Stumpfes Bauchtrauma –… retten 2023; 12: 14–20 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fit als Notfallsanitäter Volker Wanka ist Oberarzt am Institut für Anästhesiologie an der Enzkreisklinik Neuenbürg, ärztlicher Leiter des dort stationierten NEFs und Leiter der LNA- Gruppe Pforzheim/Enzkreis. Er ist Mitheraus- geber von retten!. Korrespondenzadresse Rico Kuhnke DRK-Landesschule Baden-Württemberg Karl-Berner-Str. 6 72285 Pfalzgrafenweiler Tel.: 074458512600 r.kuhnke@drk-ls.de Literatur [1] Kuratorium für Waldarbeit und Forsttechnik e.V. Rettungs- punkte. Zugriff am 22.10.2022 unter https://kwf2020.kwf-on line.de/rettungspunkte [2] Campbell JE, Alson RL. Präklinische Traumatologie. 8. Aufl. Göt- tingen: Hogrefe; 2018 [3] Hußmann B, Jungbluth P. Präklinisches Volumenmanagement beim Schwerstverletzten. Notfallmedizin up2date 2019; 14: 137–150. doi:10.1055/a-0754-7608 [4] Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie. S3-Leitlinie Polytrau- ma/Schwerverletzten-Behandlung (01.07.2016, in Überarbei- tung. Zugriff am 15.11.2022 unter https://register.awmf.org/ assets/guidelines/012–019l_S3_Polytrauma_Schwerverletz ten-Behandlung_2017–08-abgelaufne_01.pdf [5] Laun M. Korrekte Einsatznachbesprechung (30.12.2020). Zu griff am 22.10.2022 unter https://dasfoam.org/2020/12/30/ korrekte-einsatznachbesprechung [6] Ohder M, Karutz H, Runggaldier K. Positionierung des Notfall- sanitäterberufs. In: Luxemburg J, Runggaldier K, Flake F, (eds.) Notfallsanitäter Heute, 6. Auflage. Elsevier, 68–69 Bibliografie 10.1055/a-1917-4780 retten 2023; 12: 14–20 DOI ISSN 2193-2387 © 2023. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany 20 Kuhnke R et al. Stumpfes Bauchtrauma –… retten 2023; 12: 14–20 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen Akutes Koronarsyndrom in der präklinischen Notfallmedizin Steffen Grautoff , Niclas Knappen, Marc Werner, Jens Tiesmeier Quelle: KH Krauskopf. Nicht traumatologische thorakale Beschwerden gehören zu den häufigen Vorstellungsgründen in der Notfallmedizin und machen somit einen erheblichen Anteil der Gesamtvorstellungen in der Notaufnahme aus [1]. Dieser Artikel soll die wichtigsten Vorgehensweisen bei der Behandlung des akuten Koronarsyndroms (ACS) in der präkli- nischen Notfallmedizin zusammenfassen und die Abgrenzung anderer Ursachen nicht traumatologischer thorakaler Beschwerden erleichtern. ABKÜR ZUNGEN ABCDE-Schema Airway – Breathing – Circulation – Disability – Exposure/Examination akutes Koronarsyndrom Acetylsalicylsäure atrioventrikulär European Society of Cardiology instabile Angina pectoris ACS ASS AV ESC iAP IE KaFli NEF NOAK NSTE-ACS NSTEMI OMI RTW SOP internationale Einheit Kammerflimmern Notarzteinsatzfahrzeug neues orales Antikoagulans akutes Koronarsyndrom ohne persistierende ST-Streckenerhö- hung Nicht-ST-Hebungsinfarkt okklusiver Myokardinfarkt Rettungstransportwagen Standard Operating Procedure 22 Grautoff S et al. Akutes Koronarsyndrom in… retten 2023; 12: 22–32 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen ▶ Abb. 1 Entitäten des akuten Koronarsyndroms (ACS). Quelle: N. Knappen. STEMI = ST-Hebungsinfarkt; NSTEMI = Nicht-ST- Hebungsinfarkt; iAP = instabile Angina pectoris. 12-Kanal-EKGs für dieses Patientenkollektiv Standard und besonders wichtig. FAZIT Take Home Message Auch bei atypischen Beschwerden sollte grundsätz- lich ein 12-Kanal-EKG nach spätestens 10 Minuten durchgeführt und befundet sein (▶ Abb. 2). EKG Nach Erhebung einer sorgfältigen Anamnese ist das EKG ein weiterer wichtiger Baustein. Das Anfertigen eines 12- Kanal-EKGs gehört zu den Grundpfeilern in der Diagnos- tik des ACS. Bei Hinweisen auf einen posterioren Infarkt (z. B. bei ST-Senkungen in V1–V3) sind auch die Ableitun- gen V7-V9 anzufertigen, bei Verdacht auf rechtsventriku- lären Infarkt (z. B. bei Vorliegen eines inferioren Infarktes) sollen die Ableitungen V1R–V6R, mindestens jedoch V4R erhoben werden. Eine besonders herausragende Stellung hat das EKG bei Patient*innen, die ohne thorakale Beschwerden ein ACS erleiden. ▶ Abb. 2 Anlage des 12-Kanal-EKGs. Das EKG dient insbesondere dazu, mögliche Veränderun- gen der ST-Strecke zu erkennen. Hieraus kann sich dann die Diagnose eines STEMI ergeben mit Dringlichkeit der unmittelbaren Therapie als Konsequenz. Im EKG wird die ST-Strecke nach den in der Übersicht vorgestellten Ge- sichtspunkten evaluiert. 24 Grautoff S et al. Akutes Koronarsyndrom in… retten 2023; 12: 22–32 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen ÜBERSICHT Die „Big Five“ des Thoraxschmerzes ▪ akutes Koronarsyndrom ▪ Lungenarterienembolie ▪ akutes Aortensyndrom ▪ (Spannungs-)Pneumothorax ▪ Boerhaave-Syndrom Da das Therapieregime der „Big Five“ zum Teil diametral unterschiedlich ist, sollten diese immer mit in differenzi- aldiagnostische Überlegungen einbezogen werden. Die oben bereits erwähnten STEMI-Mimics sind Erkran- kungen, die mit ST-Hebungen einhergehen können. Die Gruppe der STEMI-Mimics wird je nach Dringlichkeit der Behandlung in „Notfall“, „dringlich“, „vorbestehend“ und „selten“ unterteilt [14]. Die ersten beiden Katego- rien werden in der folgenden Übersicht aufgeführt. Hier- von sind insbesondere die „Big EKG-Four“ (unter STEMI- Mimic „Notfall“ aufgeführt) für die Präklinik relevant. ÜBERSICHT STEMI-Mimics STEMI-Mimic „Notfall“ ▪ intrakranielle Blutung ▪ Aortendissektion ▪ Hyperkaliämie ▪ Lungenarterienembolie STEMI-Mimic „dringlich“ ▪ Hyperkalzämie ▪ genetisch (Brugada, arrhythmogene rechtsventri- kuläre Kardiomyopathie, hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie) ▪ Hypothermie ▪ Perimyokarditis ▪ spiked Helmet Sign (Pickelhaube-Zeichen) ▪ Tako-Tsubo-Kardiomyopathie (nach [14]) Echokardiografie In vielen Rettungsdienstbereichen werden auf den not- ärztlich besetzten Rettungsmitteln portable Ultraschall- geräte eingesetzt. Mithilfe dieser Geräte können auch in der Präklinik in wenigen Minuten Aussagen über die links- ventrikuläre Ejektionsfraktion getroffen werden. Wichtig kann die Detektion von regionalen Wandbewe- gungsstörungen sein, die hinweisgebend auf ein ACS sind. Mittels dieser Methode können aber auch andere Differenzialdiagnosen ermittelt werden, wie z. B. der Pe- rikarderguss, ggf. sogar als Tamponade imponierend, oder eine akute Rechtsherzbelastung im Rahmen einer akuten Lungenarterienembolie (LAE). Als nicht-kardiale Ursachen des Thoraxschmerzes können mittels Ultraschall eine Aortendissektion oder ein Pneu- mothorax diagnostiziert werden. Merke Sonografisch können wichtige Differenzialdiagnosen zum ACS detektiert werden, die potentiell bei Reani- mation oder Peri-Arrest auftreten können, hierzu ge- hören Perikardtamponade, akute Rechtsherzbelastung bei LAE, Aortendissektion und Pneumothorax. Behandlung des ACS Grundsätzlich wird auch beim ACS wie bei allen Notfallpa- tient*innen eine Vorgehensweise nach dem üblichen ABCDE-Schema empfohlen. Hierdurch können Probleme wie die im Abschnitt „Komplikationen“ erwähnten Zu- stände erkannt werden. Cave Unnötige Belastungen des Notfallpatienten sollten un- terbleiben, damit nicht durch körperlichen oder psy- chischen Stress ein zusätzlich erhöhter myokardialer Sauerstoffbedarf entsteht. Der Transport soll immer in Oberkörperhochlagerung er- folgen. Medikamentöse Therapie Merke Die leitliniengerechte medikamentöse Therapie des akuten Koronarsyndroms besteht in der Präklinik in der Gabe von Acetylsalicylsäure (ASS) und Heparin. Während der Zeitpunkt der ASS-Gabe, nämlich so schnell wie möglich nach dem Symptombeginn, klar beschrieben wurde, gibt es für die optimale ASS-Dosierung noch keine endgültigen Empfehlungen. Aktuell empfiehlt die ESC die Gabe von 150–300 mg oral oder 75–250 mg intravenös. Hierzu verglichen Zeymer et al. die Anwendung von 300 mg ASS oral mit der Gabe von 250 mg oder 500 mg i. v. und kamen zu dem Ergebnis, dass der Wirkbeginn bei intravenöser der oralen Gabe überlegen war und sich alle 3 Dosierungen in der Frage von Blutungskomplikatio- nen nicht signifikant unterschieden [15]. Heparin wird mit 60–70 IE/kg KG oder maximal 5000 IE i. v. dosiert. 26 Grautoff S et al. Akutes Koronarsyndrom in… retten 2023; 12: 22–32 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen sich ziehen und letztlich in einen plötzlichen Herztod münden. Zielkrankenhaus Außerdem kann die VT in ein Kammerflimmern (KaFli) degenerieren. KaFli kann aber auch ohne vorherige VT auftreten. KaFli ist gleichbedeutend mit einem funktio- nellen Herzstillstand und kann nur mittels Defibrillation wieder in einen Rhythmus überführt werden, der einen Auswurf produziert. Akute Herzinsuffizienz Im Rahmen des ACS kann eine akute Herzinsuffizienz ent- stehen, die medikamentös adressiert werden muss. Hier- für bietet sich insbesondere im Rahmen von hypertensi- ven Werten eine hochdosierte Nitroglyzerin-Therapie an. Als wichtigste nichtmedikamentöse Säule ist die nichtin- vasive Beatmung eine Behandlungsoption. Bei klinischen Überwässerungszeichen ist die Gabe von Schleifendiuretika indiziert (z. B. Furosemid). Cave Bei Progredienz der akuten Herzinsuffizienz kann sich ein kardiogener Schock entwickeln. Kardiogener Schock Der kardiogene Schock ist eine gefürchtete Komplikation des ACS, da er mit einer sehr hohen Sterblichkeit verge- sellschaftet ist. Die Gabe von Katecholaminen ist eine Möglichkeit, den Kreislauf zu stabilisieren. Hierbei ist Do- butamin das Mittel der 1. Wahl, das in der präklinischen Situation in der Regel allerdings nicht vorhanden ist. Falls hierdurch kein suffizienter Blutdruck aufgebaut werden kann oder wenn Dobutamin nicht verfügbar ist, muss Noradrenalin eingesetzt werden, das aber mit einem pro- arrhythmogenen Risiko assoziiert ist und auch ein Pump- versagen durch den vasopressiven Effekt (Erhöhung der Nachlast mit erhöhtem myokardialem Sauerstoffver- brauch) aggravieren kann. Plötzlicher Herztod Die koronare Herzkrankheit ist, über alle Altersgruppen gemittelt, in der Regel hauptverantwortlich für die o. g. malignen Herzrhythmusstörungen, die dann in den plötz- lichen Herztod münden können. Allerdings sollte man gerade bei jungen Menschen auch an eine genetische Prädisposition denken. Daher sollte beim plötzlichen Herztod ggf. eine familiäre Umgebungsuntersuchung er- folgen, um eventuell vorliegende genetische Erkrankun- gen zu detektieren [19]. Auswahl Bei der Auswahl des Zielkrankenhauses sollte berücksichtigt werden, ob eine akute Herzkatheteruntersuchung indiziert ist, denn nur Kliniken, die diese Leistung für Notfallpa- tient*innen anbieten, dürfen primär angefahren werden. Es kann sinnvoll sein, telemetrisch das EKG zuvor an das Zielkrankenhaus zu übertragen. Hierdurch kann Zeit ein- gespart und bei eindeutigem Befund die Herzkatheterun- tersuchung unmittelbar nach Eintreffen in der Klinik durchgeführt werden. Merke Die Möglichkeit zur unmittelbaren Herzkatheterinter- vention muss in der Zielklinik gegeben sein. Übergabe Es sollten lokale Standards entwickelt werden. Empfeh- lenswert bei einem STEMI sind der Bypass der Zentralen Notaufnahme und die direkte Übergabe im Herzkatheter- labor durch den Rettungsdienst. Fragen der administrati- ven Aufnahme oder einer eventuellen Blutentnahme vor Intervention sollten nach lokalen Protokollen geregelt werden und nicht von Fall zu Fall unterschiedlich ausfal- len. FALLBEISPIEL Während des Transports verschlechtert sich der Zu- stand der Patientin. Sie ist zunehmend vigilanzge- mindert, im EKG zeigt sich nun ein AV-Block III° mit einer Herzfrequenz von 25/min. Nachdem die Pa- tientin auch nach Gabe von Adrenalin weiter brady- kard bleibt, entscheidet sich das Team zum transtho- rakalen Pacing unter Analgosedierung. Damit lässt sich der Kreislauf stabilisieren. Im Krankenhaus erfolgt die Übergabe direkt im Herz- katheterlabor. Dort wird ein transvenöser Schrittma- cher eingeschwemmt und koronarangiografisch ein Verschluss der rechten Koronararterie dargestellt, der mittels Ballondilatation und Stents behandelt wird. Im Anschluss wird die Patientin auf der Intensiv- station weiterbehandelt. KERNAUSSAGEN ▪ Das akute Koronarsyndrom (ACS) in der präklini- schen Notfallmedizin sollte aufgrund der klini- schen Symptomatik niederschwellig verdächtigt werden. 28 Grautoff S et al. Akutes Koronarsyndrom in… retten 2023; 12: 22–32 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen [11] Di Marco A, Rodriguez M, Cinca J et al. New electrocardiogra- phic algorithm for the diagnosis of acute myocardial infarction in patients with left bundle branch block. J Am Heart Assoc 2020; 9 (14): e015573. doi:10.1161/JAHA.119.015573 [12] Meyers HP, Limkakeng AT Jr, Jaffa EJ et al. Validation of the modified Sgarbossa criteria for acute coronary occlusion in the setting of left bundle branch block: a retrospective case-con- trol study. Am Heart J 2015; 170 (6): 1255–64. doi:10.1016/j. ahj.2015.09.005 [13] Dodd KW, Zvosec DL, Hart MA et al. Electrocardiographic di- agnosis of acute coronary occlusion myocardial infarction in ventricular paced rhythm using the modified sgarbossa crite- ria. Ann Emerg Med 2021; 78 (4): 517–529. doi:10.1016/j.an- nemergmed.2021.03.036 [14] Grautoff S, Fessele K, Fandler M et al. „STEMI mimics“: ST-He- bungen im EKG: Alternative Diagnosen zum akuten Koronar- verschluss. Med Klin Intensivmed Notfmed 2021; 28: 1–10. doi:10.1007/s00063-021-00882-5 [15] Zeymer U, Hohlfeld T, Vom Dahl J et al. Prospective, randomi- sed trial of the time dependent antiplatelet effects of 500 mg and 250 mg acetylsalicylic acid i. v. and 300 mg p. o. in ACS (ACUTE). Thromb Haemostasis 2017; 117: 625–635 [16] Hamm CW, Schneck E, Buerke M et al. Empfehlungen zur prähospitalen Behandlung des akuten Koronarsyndroms bei Patienten unter Dauertherapie mit neuen oralen Antikoagu- lanzien (NOAKs). Kardiologe 2021; 15: 32–37. doi:10.1007/ s12181-020-00439-4 [17] Parodi G, Bellandi B, Xanthopoulou I et al. Morphine is asso- ciated with a delayed activity of oral antiplatelet agents in pa- tients with ST-elevation acute myocardial infarction under- going primary percutaneous coronary intervention. Circ Cardiovasc Interv 2014; 8 (1): e001593. doi:10.1161/CIRCIN- TERVENTIONS.114.001593 [18] Stub D, Smith K, Bernard S et al. Air versus oxygen in ST-seg- ment-elevation myocardial infarction. Circulation 2015; 131 (24): 2143–2150. doi:10.1161/CIRCULATIONA- HA.114.014494 [19] Tiesmeier J, Gaertner A, Homm S et al. The emergency medi- cal service has a crucial role to unravel the genetics of sudden cardiac arrest in young, out of hospital resuscitated patients: Interim data from the MAP-IT study. Resuscitation 2021; 168: 176–185. doi:10.1016/j.resuscitation.2021.07.042 Bibliografie 10.1055/a-1871-6499 retten 2023; 12: 22–32 DOI ISSN 2193-2387 © 2023. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany 30 Grautoff S et al. Akutes Koronarsyndrom in… retten 2023; 12: 22–32 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen Punkte sammeln auf CEE.thieme.de Frage 9 Einer der folgenden Befunde gehört nicht zu den sogenannten „Big Five“ des Thoraxschmerzes. Welcher? A (Spannungs-)Pneumothorax B akutes Aortensyndrom C Interkostalneuralgie D Boerhaave-Syndrom E Lungenarterienembolie Frage 10 Nur eine der Aussagen in Bezug auf das Zielkrankenhaus bei ei- nem Patienten mit ST-Hebungsinfarkt (STEMI) ist korrekt. Wel- che? A Das Zielkrankenhaus muss zwingend eine Klinik für Innere Me- dizin vorhalten. B Das Zielkrankenhaus muss zwingend eine herzchirurgische Kli- nik haben. C Die Möglichkeit zur unmittelbaren Herzkatheterintervention muss gegeben sein. D Es muss sich mindestens um ein lokales Traumazentrum han- deln. E Es sollte immer das nächstgelegene Krankenhaus angefahren werden. 32 Grautoff S et al. Akutes Koronarsyndrom in… retten 2023; 12: 22–32 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen dilatative Kardiomyopathie Ethylenediaminetetraacetic Acid European Resuscitation Council hypertrophe Kardiomyopathie DCM EDTA ERC HCM HOCM hypertrophe obstruktive Kardiomyo- pathie koronare Herzkrankheit KHK MAP-OWL-Studie Molekulare Aufklärung des plötzlichen oder überlebten Herztodes in Ostwest- falen-Lippe Notarzteinsatzfahrzeug NEF NGS Next Generation Sequenzing OHCA Out-of-Hospital cardiac Arrest RTW SOP Rettungstransportwagen Standard Operating Procedure Die Ursachen für einen außerklinischen Herz-Kreislauf- Stillstand (Out-of-Hospital cardiac Arrest, OHCA) sind mehrheitlich kardialer Genese, wenn zuvor kein schweres Trauma stattgefunden hat, keine offensichtliche respira- torisch-hypoxische Ursache zugrunde liegt oder der Herz- Kreislauf-Stillstand nicht den erwarteten Endpunkt einer chronischen fortschreitenden Erkrankung darstellt [1]. Sind junge Menschen betroffen, kann als Arbeitshypothe- se die Annahme formuliert werden, dass eine bis dahin nicht bekannte Myokarditis (z. B. „hat seine Erkältung nicht auskuriert“), die Einnahme von Drogen (z. B. Kokain oder Amphetamine) oder Alkohol Auslöser für eine mali- gne Herzrhythmusstörung gewesen sein können. Dies ist aber nicht per se der Fall. Ursachen und Häufigkeit außerklinischer Reanimationen Im Jahresbericht des Deutschen Reanimationsregisters für außerklinische Reanimationen im Jahr 2021 betrug die Re- animationsinzidenz 60,4 pro 100000 Einwohner, dem zu- folge bei ca. 60000 Reanimationen im Jahr und einer Kran- kenhausentlassung von 11 % aller Fälle in Deutschland ein Drittel der Betroffenen zwischen 18 und 65 Jahre alt wa- ren. Die Hauptursache für einen Herz-Kreislauf-Stillstand war mit ca. 60 % vermutlich kardial, danach folgten u. a. re- spiratorisch-hypoxische Ursachen mit ca. 15 % oder Trau- mata und Ertrinken mit ca. 3,5 %; in 16 % der Fälle blieb die vermutete Ursache unbekannt [1]. Die Inzidenzrate zwischen dem 1. und 35. Lebensjahr war in einer däni- schen Studie im Vergleich zur Gesamtbevölkerung deut- lich niedriger und lag bei 2,8 auf 100000 Einwohner [2]. Die Hauptursachen für eine primär kardiale Genese eines Herz-Kreislauf-Stillstandes variieren mit dem Lebensalter: Ab dem 40. Lebensjahr – mit fließenden Übergängen – nimmt der Anteil koronarer oder struktureller Herzer- krankungen zu [3]. Bei jüngeren Patienten sind es mehrheitlich nichtischämische Ursachen. Hierzu zählen neben der Einnahme von Missbrauchssubstanzen oder Medikamenten, angeborenen Gefäßanomalien und der Myokarditis primäre Kardiomyopathien (z. B. dilatative Kardiomyopathie (DCM) oder arrhythmogene rechtsven- trikuläre Kardiomyopathien (ARVC)) sowie Ionenkanal- erkrankungen (z. B. Long-QT-Syndrom oder Brugada-Syn- drom), die in 20–70 % der Fälle mit einer genetischen Variante assoziiert sein können [4, 5, 6]. Nationale und internationale Studien haben zudem gezeigt, dass bei unselektierten Patienten einer Kohorte mit vermut- lich kardialer Ursache eines Herz-Kreislauf-Stillstandes in 17–25 % eine pathogene genetische Variante als dessen Ursache nachgewiesen werden konnte [5, 7]. Primäre und sekundäre Kardiomyopathien Mit dem Begriff Kardiomyopathien werden verschiedene Erkrankungen des Herzmuskels selbst zusammengefasst. Abhängig vom betroffenen Abschnitt des Herzens und vom Verlauf der Erkrankung kommt es u. a. zu einer Hy- pertrophie des Herzmuskels oder eines seiner Abschnitte (z. B. linker Ventrikel), einer fortschreitenden Herzinsuffi- zienz und einer Fibrosierung, also dem bindegewebigen (narbigen) Umbau innerhalb der Herzmuskulatur. Diese Prozesse können zu einer Störung der elektrischen Rei- zweiterleitung führen und die Entstehung eines Kammer- flimmerns begünstigen. Sekundäre Kardiomyopathien sind die Folge von Erkran- kungen, die als sog. erworbene Kardiomyopathien im Verlauf das Herz schädigen können. Hierzu zählen die ar- terielle Hypertonie, die koronare Herzerkrankung (ischä- mische Kardiomyopathie), Autoimmun- und rheumati- sche Erkrankungen, Entzündungen, Alkohol, Drogen und andere chemische Noxen, Diabetes mellitus oder neuro- logische Erkrankungen. Primäre Kardiomyopathien gehören zu den strukturellen Herzerkrankungen und haben in unterschiedlichem Aus- maß eine inzwischen nachweisbare, genetische Ursache. Genetische DNA-Varianten führen auf dem jeweiligen Chromosom zu einer gestörten Proteinbiosynthese oder zu einer Funktionsstörung eines wichtigen Muskelpro- teins. Dies kann in der Folge Schäden der Herzmuskulatur und den Verlust von Herzmuskelzellen nach sich ziehen. Die hierdurch verursachte Fibrosierung kann zu elektro- physiologischen Funktionsstörungen des Herzens führen, die im Extremfall einen Herzstillstand oder Kammerflim- mern zur Folge haben. Beispiele sind ([6], s. a. ▶ Abb. 1): ▪ hypertrophe (obstruktive) Kardiomyopathie (HCM, HOCM) – Anzahl publizierter Gene: > 30, – Mutationsdetektionsrate: 50–60 %, 34 Tiesmeier J et al. Plötzlicher Herztod junger… retten 2023; 12: 33–43 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen Vergleich zu den ERC-Guidelines 2015 weiterentwickelt. 2015 beschränkten sich die Empfehlungen zur Postreani- mationsbehandlung darauf, dass in ausgewählten Fällen und bei überlebter CPR ein Screening auf genetische Va- rianten, auch im Hinblick auf die Primärprävention im Verwandtenkreis, durchgeführt werden solle [9]. Die ak- tuellen Guidelines 2021 rufen dazu auf, die Forschung in Bezug auf die klinische Rolle genetischer Faktoren eines OHCA zu intensivieren. Weil die Ursachen eines OHCA in der klinischen Praxis oft unerkannt bleiben, sollten nun auch im Fall einer Autopsie eine Blut- oder Gewebeprobe für spätere Analysen gesichert werden [10, 11]. Potenziell genetische Ursachen eines OHCA bei Patien- ten, die noch vor Ort versterben, werden durch diese Empfehlungen weiterhin nur unzureichend erfasst. Eine jüngst veröffentlichte Studie aus Deutschland zeigte, dass bei OHCA von Patienten bis zum 50. Lebensjahr 40 % der Betroffenen vor Ort verstarben [5]. Für die Si- cherstellung einer Blutprobe, die eine molekulargeneti- sche Untersuchung erlaubt, gibt es aktuell hierzu noch keine Empfehlung für eine mögliche Vorgehensweise. Merke Bei nicht überlebten Fällen eines OHCA erhöht die Kombination aus einer Obduktion und genetischer Analyse die Aufklärungsquote der Todesursache. Im Rahmen einer Obduktion soll die Todesursache ge- klärt werden. Hierbei sind der Nachweis von makroskopi- schen Veränderungen (z. B. Myokardinfarkt, Lungenem- bolie mit Rechtsherzversagen, Kardiomyopathien) sowie toxikologische und histologische (mikroskopische) Unter- suchungen möglich. Da Ionenkanalerkrankungen nicht zu makro- oder mikro- skopischen Veränderungen führen, bleiben diese Patien- ten „Autopsie-negativ“. Bei jungen Menschen nach CPR ohne Hinweise auf eine KHK oder andere nichtkardiale To- desursachen kann erst die Kombination aus Obduktion und genetischer Analyse (molekulare Autopsie) dazu bei- tragen, die Todesursache möglicherweise zu klären [6, 12]. Nach einer CPR mit fatalem, also tödlichem Ausgang stellt sich zunächst die Frage, wer eine solche Obduktion und/oder genetische Analyse beauftragt und damit auch bezahlt. Denn die Krankenversicherung endet mit dem Tod. Wird durch den (Not-)Arzt bei Erwachsenen eine nicht natürliche oder ungeklärte/unbekannte Todesart bescheinigt, ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft, ob ein Verschulden Dritter in Betracht kommt. Die Entschei- dung über die Durchführung einer Obduktion obliegt daher der Einschätzung des zuständigen Staatsanwaltes, inwieweit hier ein Anfangsverdacht für eine Straftat vorliegt. Ohne Hinweis auf eine nicht natürliche oder un- geklärte/unbekannte Todesursache bleibt eine forensi- sche Obduktion aus. Alternativ können das Krankenhaus oder die Totensorge- berechtigten eine Obduktion privat beauftragen und die Leistung bezahlen. Diese Umstände tragen vermutlich dazu bei, dass die Obduktionshäufigkeit in Deutschlang notorisch niedrig ist (pathologische Obduktionen in ca. 1 %, rechtsmedizinisch/forensische Obduktionen in ca. 2 % aller Sterbefälle) [6]. Merke Daher kommen ohne Obduktion der klinischen Nach- verfolgung im familiären Umfeld, der Auswertung von Untersuchungsvorbefunden und der Sicherstellung von Biomaterial (Blutprobe) für eventuelle spätere Unter- suchungen eine besondere Bedeutung zu. FALLBEISPIEL Die Notfallanamnese ergab, dass der 19-jährige Pa- tient bis auf ein leichtes Übergewicht (Body-Mass-In- dex 28,8 (normal bis 24,9)) keine weiteren kardialen Risikofaktoren oder Vorerkrankungen hatte. Wenige Monaten zuvor begann er mit einem Krafttraining als einzige Sportart. Im Vorfeld des OHCA hatte er zu keinem Zeitpunkt über Schwindel, Luftnot, Tho- raxschmerzen, Herzstolpern oder Synkopen als mög- liche Warnsymptome geklagt oder berichtet. Vor Ort wurde durch den Notarzt im Rahmen eines Studienprotokolls (s. u.: MAP-OWL-Studie) eine Blut- probe abgenommen und zur kardiogenetischen Di- agnostik eingeschickt. Aufgrund der unklaren Situation wurde durch die Staatsanwaltschaft eine forensische Obduktion an- geordnet. Diese zeigte eine hypertrophe Kardiomyo- pathie als wahrscheinlichste Ursache der CPR, da kei- ne weiteren pathologischen Befunde identifiziert werden konnten. Die (primäre) HCM ist häufig eine genetische Erkrankung (s. u.: Fortsetzung des Fallbei- spiels), die eine Verdickung des Herzmuskels zur Folge hat. Das Herzgewicht betrug 638 g (normal 300–350g; ab 500 g beginnt das „kritische Herzge- wicht“, hier droht unter Belastung ein Missverhältnis von Sauerstoffbedarf und -angebot am Myokard). In der Obduktion wurde außerdem eine ausgeprägte Fibrosierung des Ventrikels gefunden. Erste Erfahrungen mit der praktischen Einbeziehung des Rettungsdienstes in Deutschland – die MAP-OWL-Studie Mit der Frage nach dem Anteil/der Häufigkeit von gene- tisch bedingten OHCA und der Hypothese, dass die Ent- nahme einer EDTA-Blutprobe (1–2 ml) durch den Not- arzt- und Rettungsdienst direkt vor Ort deren Aufklärungsquote erhöht, wurde Ende 2017 die MAP- 36 Tiesmeier J et al. Plötzlicher Herztod junger… retten 2023; 12: 33–43 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen IV III II I 1 1 1 2 3 4 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 2 3 4 5 6 7 1 9 -10 SCD 8 2 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 ▶ Abb. 4 Stammbaum der betroffenen Familie. Der verstorbene Patient (Indexpatient) trägt die Nr. II-9. Dessen Vater (Nr. III-6), Mutter (Nr.III-5), Bruder (Nr. II-6), Schwester (Nr. II-7) und Nichten (Nr. I-1 und I-2) waren, so wie der Rest des Familienstammbaums, für kardiale Erkrankungen unauffällig. Die Nummer II-8 steht für den Ehemann der Schwester. die parallele Sequenzierung von mehreren hundert Ge- nen bis hin zum gesamten Exom des Menschen (ca. 20000 Gene) innerhalb weniger Tage möglich. Grundla- ge der Analyse und Beratung ist das Gendiagnostikge- setz. Der breite Untersuchungsansatz ist notwendig, da poten- ziell genetische Veränderungen (Varianten) an verschie- denen Genen (also die genotypische Veränderung) zur Ausprägung einer Herzmuskelveränderung (dem Phäno- typ) führen können (s. o.). Häufig reicht aber die geneti- sche Veränderung eines Gens aus, um eine schwere Herz- muskel- oder Ionenkanalerkrankung auszulösen. In den meisten Fällen handelt es sich um monogenetische Er- krankungen (nur ein Gen ist verändert). Digene, polyge- ne oder De-novo-Varianten sind sehr selten. Dennoch ist nicht jeder Anlageträger krank. Dies hängt von der Penetranz der Veränderung ab. Als Penetranz wird die prozentuale Wahrscheinlichkeit, mit der ein be- stimmter Genotyp zur Ausbildung des zugehörigen Phä- notyps führt, bezeichnet [12]. Ein Variantennachweis ist kein Erkrankungsnachweis. Selbst pathogene Varianten müssen bei unvollständiger Penetranz nicht zur Erkran- kung führen. Der Erbgang ist hierbei autosomal-dominant. Da hierbei nur ein Allel betroffen ist, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass biologisch verwandte Nachkommen ebenfalls als Anlageträger betroffen sind, 50 %. Im Rahmen der fami- liären Diagnostik wird bei Nachweis einer Variante zu- meist kein NGS durchgeführt, sondern eine gezielte Ein- zelgenanalyse (Sanger-Sequenzierung). Die Risikobewertung einer Variante ist jeweils eine Einzel- fallentscheidung und unterteilt sich nach der Klassifizie- rung von Varianten gemäß dem American College of Medical Genetics (ACMG) in 5 Klassen, wobei die Klassen 4 und 5 wichtige diagnostische Kriterien sind (s. ▶ Tab. 1) [14]. Durch die ständige Auswertung von Publikationen werden Varianten und Klassifikationen je nach Evidenz angepasst, sodass es z. B. im Fall von Klasse 3 sinnvoll ist, alle 2–5 Jahre zu prüfen, ob eine Variante in die Klasse 4 oder 5 aufgewertet oder in die Klasse 1 oder 2 herunter- gestuft wurde. Für die NGS-Analyse ist eine Blutprobe mit möglichst in- takter DNA Voraussetzung. Die in der Pathologie häufig eingesetzten Verfahren zur Fixierung von Gewebeproben mittels Formalin führen jedoch zur DNA-Fragmentierung. Zudem finden Autopsien in der Regel Tage nach dem Versterben statt, durch Degradationsprozesse können Autopsieproben dann daher für die molekulare Autopsie ungeeignet sein. Merke Dem Rettungsdienst kommt hier eine entscheidende Rolle zu, da nach erfolgloser Reanimation DNA des Ver- storbenen über die Entnahme einer geringen Blutmen- ge gesichert werden könnte. Eine EDTA-Monovette reicht hierfür vollkommen aus und muss für die spätere Untersuchung für 2–3 Tage nicht speziell gekühlt wer- den – die DNA bleibt in dieser Zeit weitgehend intakt. Die Interpretation großer Datenmengen zur Risikoab- schätzung einer kardiogenetischen Erkrankung sowie die gezielte Untersuchung und Beratung erfordern eine Wis- sensbündelung in interdisziplinären Zentren. Über das Bundesgebiet könnten so regionale Kooperationen mit dem Rettungsdienst entstehen. Welche therapeutischen Ansätze sind möglich? Durch den Nachweis einer kardiogenetischen Variante nach einer CPR sind sekundärprophylaktische Behand- lungsoptionen beim Betroffenen selbst und ggf. primär- prophylaktische Ansätze bei den (mit)betroffenen biolo- gischen Verwandten möglich. Je nach Befund sind dies unter anderem ▪ die Implantation eines AICD, ▪ eine medikamentöse Einstellung zur Therapie einer Herzinsuffizienz, 38 Tiesmeier J et al. Plötzlicher Herztod junger… retten 2023; 12: 33–43 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen T W – / + ) r e t T W T W - i m e h = 0 / + . e t n a i r a V e t o g y z o r e t e h = – / + ) r a b s i e w h c a n e t n a i i r a V e n e k ( p y t d l i W = T W . ) n e g o h t a p h c i l i n e h c s r h a w = 4 , n e g o h t a p = 5 ( s c i t e n e G l i a c d e M f o e g e l l o C n a c i r e m A s e d e s s a l i k z n e d v E = G M C A : n e g n u z r ü k b A 0 5 0 6 1 5 7 9 3 s r , ) A > G 2 4 4 . c ( ) m o s o m o r h c s t h c e h c s e G m e n e i l f u a t g e i l ( e t n a i r a V e t o g y z ▪ Mit dem Ergebnis aus dem Labor können Famili- enmitglieder und Betroffene gezielter beraten und potenziell gerettet werden. ▪ Hierbei hat der Rettungsdienst eine Schlüsselrol- le, um Biomaterial (Blut) mit ausreichender DNA- Qualität am Einsatzort zu sichern (gerade bei Pa- tienten ohne Transport). ▪ 1–2 ml EDTA-Blut (Monovette) reichen aus. Die DNA in der Probe ist bei Raumtemperatur (besser: gekühlt) für bis zu 3 Tage stabil und kann in aller Ruhe ins kooperierende Labor verbracht werden. ▪ Regionale Absprachen zwischen dem Rettungs- dienst und kardiologischen Zentren mit kardio- genetischer Erfahrung sollten als Routineproze- dur etabliert werden und in SOPs münden. Hierdurch können neue Beratungsangebote für Betroffene eingerichtet werden. ▪ Die mögliche Rolle des Rettungsdienstes sollte auch in den künftigen ERC-Guidelines aufgenom- men werden. Interessenkonflikt Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkon- flikt besteht. Autorinnen/Autoren Dr. med. Jens Tiesmeier ist Ärztlicher Leiter des Notarztstandortes Lübbecke. Er arbeitet als Oberarzt am Institut für Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallme- dizin am Krankenhaus Lübbecke der Mühlen- kreiskliniken AöR und hat einen externen Lehrauftrag für das Querschnittsfach Notfallmedizin am Campus OWL der Ruhr-Universität Bochum. Dr. Jan Persson Dr. med. Jan Persson, ERC EPALS-Instruktor, Ärztlicher Leiter des Notarztstandortes Rahden, Lehrkoordinator für das Querschnittsfach Not- fallmedizin am Campus OWL der Ruhr-Univer- sität Bochum und beschäftigt als Oberarzt am Universitätsinstitut für Anästhesiologie, Inten- siv- und Notfallmedizin am Johannes Wesling Klinikum Minden, Mühlenkreiskliniken AöR, Campus OWL. Prof. Dr. rer. nat. Hendrik Milting Leiter des Erich und Hanna Klessmann-Institu- tes am Herz und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen. Er ist Professor für Molekularbio- logie und Physiologische Chemie an der Medi- zinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum und beschäftigt sich insbesondere mit geneti- schen Mechanismen schwer verlaufender Herzmuskelerkran- kungen. Tiesmeier J et al. Plötzlicher Herztod junger… retten 2023; 12: 33–43 | © 2023. Thieme. All rights reserved. T W T W T W – / + 0 / + – / + 5 4 r e T 9 8 s y C p . ) A > C 7 6 2 . c ( 3 6 1 0 0 3 2 . 2 0 7 9 5 1 1 0 0 _ M N 1 L H F g r A 8 4 1 y G p . l 8 5 9 0 0 6 3 . 6 5 2 0 0 0 _ M N 3 C P B Y M ) r e d u r B ( 6 - I I I - s e w h c S ( 7 - I I I ) r e t a V ( 6 - I I ) r e t t u M ( 5 - I I ) x e d n I ( 9 - I I I - i v E - G M C A e s s a l k z n e d e t n a i r a V r e m m u n s g n a g - u Z - M M O I z n e u q e s z n e r e f e R n e G . g n u t s e T n e h c s i t e n e g o d r a k i r e d d n u f e B 2 . b a T ▶ 40

Fachwissen Punkte sammeln auf CEE.thieme.de Diese Fortbildungseinheit ist in der Regel 12 Monate online für die Teilnahme verfügbar. Unter https://eref.thieme.de/CXKA8UI oder über den QR-Code kommen Sie direkt zur Startseite des Wissenstests und zum Artikel. Sie finden dort auch den genauen Einsendeschluss. Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, finden Sie unter https://cme.thieme.de/hilfe eine ausführ- liche Anleitung. Wir wünschen viel Erfolg beim Beantworten der Fragen! Frage 1 Welche Ursache ist für die meisten Herz-Kreislauf-Stillstände ab dem 40. Lebensjahr verantwortlich? A Traumata B Intoxikationen C koronare oder strukturelle Herzerkrankung D dilatative Kardiomyopathie E Ionenkanalerkrankungen Frage 2 Welche Erkrankung zählt zu den primären Kardiomyopathien? A Long-QT-Syndrom B Alkohol-induzierte dilatative Kardiomyopathie C Brugada-Syndrom D arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie E ischämische Kardiomyopathie Frage 3 Welche Empfehlungen gibt das European Resuscitation Council (ERC) 2021 zum Thema „genetische Ursachen des plötzlichen Herztods“? A Es soll bei allen außerklinischen Reanimationen eine Blutprobe Frage 5 Welche Aussage zu Ionenkanalerkrankungen ist falsch? A Ionenkanalerkrankungen führen zu einer Veränderung der Form des Herzmuskels. B Ionenkanalerkrankungen können durch Auslöser (z. B. Medika- mente) symptomatisch werden. C Ionenkanalerkrankungen können den schnellen Natriumein- strom der Zelle betreffen. D Ionenkanalerkrankungen können den langsamen Kaliumaus- strom der Zelle betreffen. E Ionenkanalerkrankungen, speziell das Long-QT-Syndrom, ha- ben eine Mutationsdetektionsrate von ca. 70 %. Frage 6 Einer der folgenden Ansätze gehört nicht zu den therapeutischen Möglichkeiten nach einer kardiopulmonalen Reanimation bei Trä- gern einer kardiogenetischen Variante. Welche? A Implantation eines AICD (implantierbarer Kardioverter/Defi- brillator) B medikamentöse Einstellung (z. B. Therapie der Herzinsuffi- zienz) C Aufnahme in Programme zur Planung einer Herztransplanta- entnommen werden. tion B Die Forschung in Bezug auf die klinische Rolle genetischer Fak- toren eines außerklinischen Herz-Kreislauf-Stillstandes (OHCA) soll intensiviert werden. C Die Thematik „genetische Ursachen“ wurde im Vergleich zu den Guidelines 2015 heruntergestuft. D Zur Abklärung der Ursachen eines OHCA wird nur eine klini- sche Untersuchung von Überlebenden empfohlen. D Vermeidung bestimmter Auslöser (z. B. Stress) E Absenken der Herzfrequenz in einen bradykarden Bereich Frage 7 Welche Aussage zur Kombination von Obduktionen und geneti- scher Analyse nach kardiopulmonaler Reanimation (CPR) trifft zu? A Die Kosten einer Obduktion und der genetischen Analyse über- E Es wird abgeraten, alternativ zu einer Blutprobe vor Ort Gewe- nimmt die Krankenkasse. be im Rahmen einer Obduktion aufzubewahren. B Die Obduktionsrate in Deutschland liegt bei über 20 % aller Frage 4 Wie häufig sind, nach heutigem Wissen, primäre Kardiomyopa- thien oder Ionenkanalerkrankungen mittels molekularer (geneti- scher) Analyse nachweisbar? A 10–20 % B 20–40 % C 30–50 % D 40–50 % E 20–70 % Sterbefälle. C Ionenkanalerkrankungen zeigen in der Histologie (Mikrosko- pie) typische Muster. D Die Kombination aus Obduktion und Analyse nach CPR kann die Aufklärungsrate der Todesursache erhöhen. E Eine Obduktion ist bei jüngeren Menschen zur Aufklärung der Todesursache verzichtbar. ▶ Weitere Fragen auf der folgenden Seite... 42 Tiesmeier J et al. Plötzlicher Herztod junger… retten 2023; 12: 33–43 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen Das Stethoskop – Kein Statussymbol! Eines der wichtigsten klinischen Hilfsmittel zur klinischen Untersuchung der Lungen, des Herzens und des Darmes Sabine Engelhardt, Sebastian Koch Quelle: ©K. Oborny/Thieme. Neben vielen Ärzte tragen immer mehr Notfallsanitäter eine der wichtigsten Erfindungen des berühmten französischen Arztes René Laennec in ihrer Einsatztasche: das Stetho- skop. Der Artikel stellt die Bedeutung eines Stethoskops als eines der wichtigsten klini- schen Hilfsmittel zur Auskultation der Lungen, des Herzens und des Darms sowie der Ko- rotkow-Geräusche bei der nichtinvasiven Blutdruckmessung dar. ABKÜR ZUNGEN AF AZ COPD HT ICR Atemfrequenz Atemzug chronisch obstruktive Lungenerkrankung Herzton Interkostalraum In Notfallsituationen können mittels Stethoskops frühzei- tig, effizient und patientenschonend erste klinische Be- funde erhoben und Differenzialdiagnosen gestellt wer- den. Dabei ist es wichtig, physiologische Geräusche von pathologischen Veränderungen unterscheiden zu kön- nen. Das bedarf regelmäßiger klinischer Anwendung so- wie theoretischer Fachkompetenz. 44 Engelhardt S et al. Das Stethoskop –… retten 2023; 12: 44–55 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen Sequenz kann, je nach Hersteller, 8 Sekunden und länger sein. Um ein optimales Abhören zu ermöglichen, arbeiten die Geräte je nach Hersteller mit unterschiedlich anwähl- baren Frequenzen, die das Abhören von Herz, Lunge und anderen Körpergeräuschen erleichtern sollen. Die Wie- dergabegeschwindigkeit ist wählbar, d. h. sowohl Nor- malgeschwindigkeit als auch halbe Geschwindigkeit sind möglich. Das Stethoskop ist zusätzlich in der Lage, über Bluetooth die gespeicherten Daten der Herztöne an ei- nen entsprechend kompatiblen Rechner sowie auch an ein Smartphone zu senden. Mit der geeigneten Software lassen sich diese Daten auswerten und nachbearbeiten. Lungen richtig auskultieren Um aussagekräftige Geräusche zu hören, sollte der Ober- körper des Patienten für die Auskultation möglichst im- mer entkleidet sein, da sonst leicht Kleidung oder Schmuck am Stethoskop kratzen kann (ein BH kann evtl. angelassen werden). Der Patient sollte idealerweise sit- zend oder stehend untersucht werden. Das Stethoskop muss fest aufgesetzt werden, da sonst die Haut (v. a. leicht schweißige Haut) gegen die Membran des Stetho- skops reibt, was atmungsabhängige Nebengeräusche vortäuschen kann. Als angenehm empfinden Patienten ein vorgewärmtes, körperwarmes Stethoskop. Mindestens eine Atemphase (also eine vollständige In- und Exspiration) sollte die Auskultation dauern, auch län- ger, bis der akustische Befund vom Untersucher vollstän- dig erfasst ist bzw. bis über die Interpretation des Befun- des Sicherheit besteht. ▶ Abb. 2 Auskultationspunkte. Quelle: Bürgi U, Huber LC. Die Lungenauskultation – Erkenntnisse und Irrtümer. DMW – Deutsche Medizinische Wochenschrift 2015; 140(14): 1078–1082. DOI: 10.1055/s-0041–102883. ▶ Tab. 1 Physiologische Atemfrequenz [6]. Bitten Sie den Patienten vor der Auskultation kräftig zu husten, um eventuelles Sekret in den Atemwegen zu lö- sen. Anschließend achten Sie darauf, dass der Patient mit offenem Mund kräftig, aber möglichst geräuschlos und ohne Lippenbremse ein- und ausatmet [5]. Beide Körperseiten werden immer im Vergleich auskultiert. Wichtig zu wissen ist, dass die Oberlappen nur von ven- tral auskultierbar sind und die Lingula und Mittellappen nur von lateral. Man kann mit der Auskultation an den Lungenspitzen be- ginnen und arbeitet sich gleichmäßig die 8–10 Punkte entlang der Thoraxwand nach unten (▶ Abb. 2). Man kann das Stethoskop von links nach rechts jeweils auf ei- ner Ebene oder treppenförmig aufsetzen. Wenn man auf einen möglichen Befund stößt, ist eine engmaschige Aus- kultation notwendig [5]. FAZIT Take Home Message Es gibt keine festgelegte Reihenfolge für das Abhö- ren der Auskultationspunkte. Jeder sollte für sich selbst eine Reihenfolge finden, wie er bei jeder Un- tersuchung vorgehen will. Physiologische Befunde Atemfrequenz Die Atemfrequenz beschreibt die Anzahl der Atemzüge pro Zeiteinheit, meist pro Minute (AZ/min), und ist das pulmonale Vitalzeichen. Bei einem gesunden Erwachse- nen liegt sie zwischen 14 und 16/min (▶ Tab. 1) [6]. Das Auszählen sollte am abgelenkten Patienten und ab- hängig vom Atemmuster mittels Inspektion und Auskul- tation geschehen. Das zeitliche Verhältnis zwischen Inspi- ration zu Exspiration beträgt 2:3. Typisch ist die Verlängerung des Exspiriums bei obstruktiven Atem- wegserkrankungen [5]. Zu beachten ist, dass die Patienten in einer Notsituation üblicherweise aufgeregt und somit etwas tachypnoeisch sind. Mitunter meinen sie es gut, etwas schneller zu atmen, um die Untersuchung zu erleichtern, d. h. nicht jede erhöhte Frequenz muss immer pathologisch sein! Merke Bei der Untersuchung ist darauf zu achten, ob Stress, Fieber, Schmerzen und/oder pulmonale Erkrankungen begleitend sind, die die erhöhte Fre- quenz erklären. Säuglinge Kleinkinder Erwachsene 40–50 20–30 14–16 AF in AZ/min (Atemfrequenz in Atemzügen pro Minute) 46 Engelhardt S et al. Das Stethoskop –… retten 2023; 12: 44–55 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen komprimiert waren. Grobblasig erklärt man sich mit dem Durchtritt von kleinen Luftmassen durch Bron- chien, die intermittierend offen bzw. verschlossen sind (▶ Tab. 4) [5]. Nomenklatur und obsolete Begriffe Es gibt keine einheitliche Nomenklatur, da – wie auch schon von Laennec festgehalten – es einfacher ist, die Ge- räusche zu unterscheiden als sie zu beschreiben. Die No- menklatur von 1987 konnte sich kaum durchsetzen, und so findet man noch heute in modernen Lehrbüchern häu- fig obsolete (veraltete) Begriffe. Ein typisches Beispiel da- für wäre das Vesikuläratmen: vesikulär = bläschenartig (▶ Audio 1). ▶ Tab. 4 Rasselgeräusche [5]. Befund Differenzialdiagnose fein- (Sklerosiphonie) und grob- blasige Rasselgeräusche frühinspiratorisch: ▪ obstruktive Atemwegserkran- kungen mittinspiratorisch: ▪ Bronchiektasen endinspiratorisch: ▪ Lungenfibrose ▪ Pneumonie ▪ Herzinsuffizienz ▪ passager: bei Gesunden ▶ Audio 1 Vesikuläres Atemgeräusch. Aus: Gahl K. Auskultation und Per- kussion. Stuttgart: Thieme; 2014. Der Begriff „Vesikuläratmen“ als Synonym für das phy- siologische Atmen wird nach wie vor verwendet, ist hier aber obsolet. Denn es widerspricht damit dem heutigen Verständnis für die Strömungsverhältnisse in der Lunge. Ein wichtiger Aspekt für das Verständnis ist, dass in den zentralen Atemwegen die Flussgeschwindigkeit größer ist als in den peripheren, was dort wiederum zu Turbu- lenzen führt. Diese sind dann für die Geräusche ursäch- lich. Merke In den Alveolen werden die Gasmoleküle mittels Diffu- sion bewegt, und diese ist geräuschlos. Veraltet sind auch die Begriffe „trockene und feuchte Rasselgeräusche“. Sie machen auch pathophysiologisch wenig Sinn, da „trockene“ Geräusche auch bei „feuchten“ Lungenerkrankungen beobachtet werden können und umgekehrt. Kontinuierliche (Synonym für Pfeifen, Giemen, Brum- men) und diskontinuierliche (Synonym für Rasselgeräu- sche) Nebengeräusche sind Oberbegriffe und geben kei- ne zusätzlichen klinischen Informationen, auch wenn sie die mechanische Entstehung der Geräusche beschreiben (▶ Tab. 4) [5]. FAZIT Take Home Message ▪ Wichtig ist die Unterscheidung in Atemgeräu- sche (sind physiologisch und entstehen in den lobären und segmentalen sowie zentralen Atem- wegen) und Nebengeräusche (sind patholo- gisch), die durch Schwingungen in den Bronchial- wänden der 2.–7. Aufzweigung entstehen. ▪ Rasselgeräusche entstehen nach heutigen Erkenntnissen durch das plötzliche Öffnen von peripheren Atemwegen bzw. mit dem Durchtritt von kleinen Luftmassen durch die Bronchien. ▪ Der exakte Gebrauch der Begriffe ist anzustreben. Herzauskultation Das Herz besteht aus 4 Kammern, die mit Blut gefüllt sind. Die Bewegungen der Flüssigkeit und die daraus entstehenden Klappenbewegungen können über das Stethoskop wahrgenommen werden (▶ Audio 2). ▶ Audio 2 Normale Herztöne. Aus: Gahl K. Auskultation und Perkussion. Stuttgart: Thieme; 2014. 48 Engelhardt S et al. Das Stethoskop –… retten 2023; 12: 44–55 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen ▶ Abb. 4 Phasen der Herztätigkeit. Quelle: Schwegler J, Lucius R. Aktionsphasen. In: Schwegler J, Lucius R, Hrsg. Der Mensch – Anatomie und Physiologie. 7., überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme; 2021. DOI: 10.1055/b000000421. ▶ Tab. 6 Herztöne [7]. Entstehung Geräusch Ursachen 1. Herzton durch Klappenschluss bzw. Segelan- spannung der Mitral- und Trikuspidal- klappe Punctum maximum über Erb und Herz- spitze laut leise, abgeschwächt paukend gespalten ▪ Anstrengung ▪ Anämie ▪ Fieber ▪ Hyperthyreose ▪ Sepsis ▪ dünne Brustwand ▪ Herzinsuffizienz ▪ Mitralinsuffizienz ▪ dicke Brustwand ▪ Lungenemphysem ▪ Mitralstenose ▪ Bradykardie ▪ ventrikuläre Extrasystolen ▪ Schrittmacheraktionen ▪ Schenkelblöcke 50 Engelhardt S et al. Das Stethoskop –… retten 2023; 12: 44–55 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen ▶ Tab. 7 Herzgeräusche [7]. Zeitpunkt Charakteristik des Geräuschs Differenzialdiagnosen systolisch holosystolisch mesosystolisch spätsystolisch diastolisch frühdiastolisch mesodiastolisch präsystolisch systolisch-diastolisch über die gesamte Systole andauernde und damit aus dem 1. HT hervorgehende bandförmige oder Decre- scendo-artige Geräusche ▪ Mitralinsuffizienz ▪ Trikuspidalinsuffizienz ▪ Ventrikelseptumdefekt nur während der systolischen Auswurfphase auftre- tende und damit vom 1. HT abgesetzte spindelförmige Geräusche ▪ Aortenstenose ▪ Pulmonalstenose ▪ Vorhofseptumdefekt meist niederfrequente Geräusche mit Crescendo- charakter, die in den 2. HT übergehen ▪ Mitralklappenprolaps (Klick-Syndrom) ▪ Aortenisthmusstenose hochfrequente, aus dem 2. HT hervorgehende Geräu- sche mit Decrescendocharakter ▪ Aorteninsuffizienz ▪ Pulmonalinsuffizienz meist niederfrequente, vom 2. HT abgesetzte band- förmig oder Decrescendo-artig verlaufende Geräusche ▪ Mitralstenose ▪ Trikuspidalstenose meist niederfrequente Geräusche mit Crescendocha- rakter, die in den 1. HT übergehen Maschinengeräusche mit Crescendo-Decrescendo- charakter, die den 2. HT „einrahmen“ ▪ Mitralstenose bei vorhandenem Sinusrhythmus ▪ offener Ductus Botalli ▪ aortopulmonales Fenster Cave: Aber gegen „raue“ Reibegeräusche bei Peri- karditis abgrenzen! ▶ Tab. 8 Pathologische Auskultationsbefunde im Abdomen [7]. pathologische Befunde bei der Auskultation und Perkussion mögliche Differenzialdiagnosen metallisch klingende („hochste- hende“, „hochgestellte“) Darm- geräusche „Totenstille“ plätschernde, heftige Geräusch- kaskaden ▪ V. a. mechanischer Ileus ▪ Darmparalyse ▪ paralytischer Ileus ▪ Durchfall Dämpfung ▪ Bauchtumoren lageabhängige Schalldämpfung ▪ freie Bauchflüssigkeit (Aszites, tympanitischer Klopfschall Gefäßgeräusche Blut) ▪ Meteorismus ▪ Ileus ▪ Bauchaortenaneurysma ▪ Nierenarterienstenose Darmauskultation Indikationen für die Auskultation des Darms sind über- wiegend Schmerzen im Abdomen, Stuhlauffälligkeiten, Stuhlverhalt, Übelkeit, Erbrechen, Verdauungsstörungen, unklare Schmerzäußerungen bei Kindern und neurologi- sche Problematiken mit eventueller Darmbeteiligung. rechte Nierenarterie Aorta linke Nierenarterie rechte Beckenarterie linke Beckenarterie rechte Oberschenkelarterie linke Oberschenkelarterie ▶ Abb. 5 Auskultationspunkte Abdomen. Merke Die Auskultation sollte im Darmbereich vor der Palpa- tion erfolgen, um durch die vorherige Manipulation den Tonus nicht zu verändern. 52 Engelhardt S et al. Das Stethoskop –… retten 2023; 12: 44–55 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen Punkte sammeln auf CEE.thieme.de Diese Fortbildungseinheit ist in der Regel 12 Monate online für die Teilnahme verfügbar. Unter https://eref.thieme.de/CXKB3W2 oder über den QR-Code kommen Sie direkt zur Startseite des Wissenstests und zum Artikel. Sie finden dort auch den genauen Einsendeschluss. Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, finden Sie unter https://cme.thieme.de/hilfe eine ausführ- liche Anleitung. Wir wünschen viel Erfolg beim Beantworten der Fragen! Frage 1 Das Stethoskop wurde erfunden von … A Robert Koch. B René Laennec. C Jean Larrey. D Joseph Priestley. E Jean Nicolas Corvisart. Frage 2 Neben der Auskultation gehören weitere wesentliche Bestandteile zur körperlichen Untersuchung der Basisdiagnostik. Welcher ge- hört nicht dazu? A Inspektion B Palpation C Perforation D Perkussion E Funktionsprüfung Frage 3 Die Atemfrequenz beschreibt die Anzahl der … A Atemzüge pro Zeiteinheit. B Atemzüge pro Atemvolumen. C Zeiteinheit pro Atemzug. D Atemzug nach Atemvolumen. E Atemvolumen pro Zeiteinheit. Frage 4 Wie viel Atemzüge/min beträgt bei Kleinkindern die Atemfre- quenz? A 5–10 B 10–20 C 20–30 D 30–40 E 40–50 Frage 5 Entstehungsort für die inspiratorischen Atemgeräusche sind … A die lobären und segmentalen Karotiden. B die lobären und segmentalen Bronchien. C die lobären und segmentalen Faszien. D die Knorpelspangen (Cartilago trachealis) der Luftröhre. E die zentralen Atemwege. Frage 6 Wodurch kann ein pulmonales abgeschwächtes Atemgeräusch nicht typischerweise verursacht sein? A Emphysem B Lungenödem C Hämatothorax D Pneumothorax E chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) Frage 7 Welche Zuordnung in der Nomenklatur ist falsch? A Wheeze – Pfeifen, Giemen B Rhonchi – Low pitched Wheeze – Brummen C Stridor – geräuschlos D coarse Crackles – grobblasige Rasselgeräusche E fine Crackles – feinblasige Rasselgeräusche Frage 8 Ein lauter 1. Herzton kann verschiedene Ursachen haben. Welche gehört nicht dazu? A Anämie B Anstrengung C dicke Brustwand D Fieber E Sepsis ▶ Weitere Fragen auf der folgenden Seite... 54 Engelhardt S et al. Das Stethoskop –… retten 2023; 12: 44–55 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen Ersteinschätzung von Patient*innen – Fokus Schmerzanamnese Sabine Dunkl, Daniel Grassmann Quelle: KH Krauskopf. Akute Schmerzen sind ein Hinweis des Körpers, dass etwas nicht in Ordnung ist. Durch diesen Reiz werden Empfindungen ausgelöst, welche dem Menschen die Möglichkeit ge- ben zu interagieren [1]. Dieser Artikel befasst sich mit der präklinischen Schmerzanam- nese in den verschiedenen Alters- und Patient*innengruppen und der Frage, warum eine strukturierte und vollständige Schmerzbeurteilung im Rettungsdienst einen derart wich- tigen Stellenwert hat. ABKÜR ZUNGEN ACS BESD akutes Koronarsyndrom Beurteilung von Schmerzen bei Patienten mit Demenz FLACC-Skala Face, Legs, Activity, Cry, Consolability funktionelle Magnetresonanztomografie fMRI KUSS-Skala kindliche Unbehagens- und Schmerzskala numerische Rating-Skala NRS OPRST-Schema Onset – Palliation/Provokation – Quality – Radiation – Severity – Time Rettungstransportwagen RTW SAMPLER-Schema Symptome – Allergien – Medikamente – Patientenvorgeschichte – letzte Mahlzeit – Ereignis – Risikofaktoren VAS-Skala visuelle Analogskala 56 Dunkl S et al. Ersteinschätzung von Patient*innen… retten 2023; 12: 56–64 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen ▶ Tab. 1 OPQRST-Schema. OPQRST Schema O (Onset) P (Palliation/ Provokation) Q (Quality) R (Radiation) Kennzeichen Entspricht der Frage nach dem Zeitpunkt des Auftre- tens der Beschwerden und ob ein kausaler Zusammen- hang besteht: „Wann haben die Beschwerden begon- nen? Gab es einen Auslöser?“ Hierbei gilt es, akute von chronischen Verläufen zu dif- ferenzieren und zu erfragen, ob die Schmerzen vorbe- kannt sind. Umfasst die Frage nach potenzieller Verbesserung oder Verschlechterung der Schmerzen unter gewissen Be- dingungen: „Was macht die Beschwerden besser/ schlechter?“ Gibt die Schmerzqualität wieder. Der/die Patient*in wird hierbei aufgefordert, den Schmerz zu beschreiben (stechend, drückend, bren- nend, ziehend, wellenförmig etc.). Entspricht der Erhebung der Lokalisation und einer möglichen Ausstrahlung bzw. Projektion der Be- schwerden. S (Severity) Gibt Auskunft über die empfundene Schmerzstärke anhand der numerischen Rating-Skala von 0–10. T (Time) Lässt den zeitlichen Verlauf der Beschwerden eruieren. Schmerzanamnese Die Schmerzanamnese soll an die jeweilige Alters- und Patient*innengruppe angepasst und in verständlicher Sprache durchgeführt werden. Um hierbei möglichst alle Informationen zu bekommen, hat sich das Abfragesche- ma nach OPQRST bewährt (▶ Tab. 1). OPQRST findet sich als Unterpunkt in der strukturierten SAMPLER-Anam- nese unter dem Punkt S (Symptome). Werden die Punkte gezielt und sehr detailliert abgefragt, erhält man möglichst genaue Auskünfte über das Schmerzgeschehen der Patient*innen. Die zugrunde lie- genden und erhobenen Differenzialdiagnosen können nun im besten Fall weiter eingegrenzt werden. Merke Das OPQRST-Schema stellt eine gute Merkhilfe zur Schmerzanamnese dar. Die Punkte sollen durch ver- ständliche Fragen detailliert abgearbeitet werden. Schmerzqualität (Quality) In der Ausbildung zum/zur Notfallsanitäter*in wird man bereits sehr früh mit verschiedensten Schmerzcharakte- ristiken konfrontiert. Diese lassen sich exemplarisch wie folgt darstellen: Stechend/pulsierende Schmerzen Stechende Schmerzen werden oft in Kombination mit Kopfschmerzen beobachtet. Typischerweise sind dies Spannungskopfschmerzen oder migräniforme Kopf- schmerzen. Aber auch eine Nasennebenhöhlenentzün- dung oder eine Mittelohrentzündung können zu stechen- den Schmerzen führen. Des Weiteren kann eine banale muskuläre Verspannung der Zwischenrippenmuskulatur stechende Thoraxschmerzen hervorrufen, diese sind in der Regel aber punktförmig und auf Druck auslösbar. Es gilt hierbei jedoch immer, akut lebensbedrohliche Krank- heitsbilder, wie z. B. eine mögliche Lungenembolie, in sei- ne Differenzialdiagnosen mit einzubeziehen. Treten die Schmerzen eher im Zusammenhang mit dem Stütz- und Bewegungsapparat auf, kann auf überbean- spruchte und schmerzende Bänder und/oder Gelenke ge- schlossen werden. Auch der klassische „Hexenschuss“ äu- ßert sich dahingehend. Brennende Schmerzen Brennende Schmerzen finden sich nicht nur bei Verbrü- hungen oder Verbrennungen oder als neuropathischer Schmerz im Rahmen einer Polyneuropathie, sondern auch bei Sodbrennen aufgrund einer akuten oder chroni- schen Gastritis. Der Schmerz entsteht dann durch eine Reizung der Magenschleimhaut und ggf. der sensibleren Schleimhaut der Speiseröhre durch den Salzsäure-halti- gen Magensaft. Als Folge kann der/die Patient*in ein epi- gastrisches und/oder retrosternales Brennen verspüren. Hinter dieser Schmerzsymptomatik kann sich jedoch auch ein akutes Koronarsyndrom (ACS) verbergen, so- dass hier eine entsprechend genaue Anamnese und das Durchführen eines 12-Kanal-EKGs unabdingbar sind. Ziehende Schmerzen Ziehende Schmerzen sind oft muskulär bedingt, als Beispiel kann eine Muskelzerrung genannt werden. Bei Frauen äußern sich diese Art der Schmerzen oft im Zusammenhang mit der Menstruation oder im Laufe der Schwangerschaft. Manche Frauen spüren bereits im 1. Trimenon die Dehnung der Bänder im Unterleib, wel- che sich bereits für das Wachstum der Gebärmutter und den späteren Geburtsvorgang vorbereiten. Diese Schmerzen werden teilweise auch als akut stechend an- gegeben. Kolik-artige/krampfende Schmerzen Kolik-artige Schmerzen äußern sich in ihrem wellenarti- gen Auftreten. Der Schmerz beginnt leicht, nimmt schnell zu und erreicht ein Schmerzmaximum, das an- schließend wieder leicht an Intensität abnimmt. Kolik-ar- tige Schmerzen finden sich häufig im Zusammenhang mit einer Obstruktion (Verschluss) des Gallengangs oder der Harnleiter durch feste Konkremente (Ablagerungen), 58 Dunkl S et al. Ersteinschätzung von Patient*innen… retten 2023; 12: 56–64 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen ausgeprägt sei. Studien haben jedoch gezeigt, dass be- reits Säuglinge Schmerzen vergleichbar wie Erwachsene fühlen. Bestätigt wurde dies über fMRI-Untersuchungen (funktionelle Magnetresonanztomografie) [7]. Um die Gefahr einer Falscheinschätzung zu umgehen, muss auf das Alter und die kognitiven Fähigkeiten des Kindes be- sonders eingegangen werden. Ist das Kind noch so jung, dass eine verbale Kommunikation nicht möglich ist, so hat die Einschätzung ausschließlich über Fremdbeobachtung zu erfolgen. Kindergarten- und Vorschulkinder können be- reits den Schmerz sehr wohl mitteilen. Die Fähigkeit, Schmerz zu klassifizieren/lokalisieren, ist teils möglich. Kindern ist es erst ab ca. 8 Jahren möglich, eine numeri- sche Skala zu verstehen und korrekt zu interpretieren. Bis zum 8. Lebensjahr soll daher eine kindgerechte Skala zur Anwendung kommen [8]. Doch nicht nur die Möglichkeit der Selbsteinschätzung mittels kindgerechter Skalen, sondern auch die Fremd- einschätzung der kindlichen Schmerzpatient*innen über Beobachtung des Verhaltens im Rahmen des Schmerzge- schehens und die daraus abgeleitete Intensitätseinschät- zung haben eine maßgebliche Rolle. Kindliche Unbehagens- und Schmerzskala (KUSS-Skala) Eine gängige Erhebungsform für die Fremdbeobachtung ist dabei die kindliche Unbehagens- und Schmerzskala (KUSS-Skala) nach W. Büttner (s. ▶ Tab. 2) [9]. Merke Wird ein Score von ≥ 4 auf der KUSS-Skala erreicht, sollte eine schmerzlindernde Intervention erfolgen. Gesichterskalen Die Einschätzung und Angabe der empfundenen Schmerzstärke ist ab einem Alter von 4 Jahren über kind- gerechte Gesichterskalen möglich. FLACC-Skala (Face, Legs, Activity, Cry, Consolability) Internationale Verwendung findet auch die FLACC-Skala (Face, Legs, Activity, Cry, Consolability), die der KUSS- Skala äußerst ähnlich ist (s. ▶ Tab. 3) [10]. ▶ Tab. 2 KUSS-Skala (kindliche Unbehagens- und Schmerzskala) nach Büttner für Säuglinge und Kinder bis zum vollendeten 4. Lebensjahr. Punkte Weinen Gesichtsausdruck Rumpfhaltung Beinhaltung motorische Unruhe 0 1 2 gar nicht Stöhnen, Jammern, Wimmern Schreien entspannt lächeln Mund verzerrt Mund und Augen grimassierend neutral unstet Aufbäumen, Krümmen neutral strampelnd, tretend an den Körper gezogen nicht vorhanden mäßig ruhelos ▶ Tab. 3 FLACC-Skala (Face, Legs, Activity, Cry, Consolability) für Säuglinge ab 2 Monaten und Kinder bis 7 Jahre. Kriterien Score 0 Score 1 Score 2 Face (Gesicht) Legs (Beine) Activity (Aktivität) Cry (Schreien) kein besonderer Ausdruck oder Lächeln gelegentlich Grimassieren oder Stirnrunzeln, zurückgezogen, un- interessiert häufig oder konstant zitterndes Kinn/zusammengebissenes Kinn normale Position oder entspannt unruhig, unentspannt Treten oder angezogene Beine leise liegen, normale Position, leichtes Bewegen sich winden, bewegen, hin und her, angespannt gekrümmt, starr, ruckartig kein Schrei (wach oder schlafend) Stöhnen und Wimmern, gelegent- liche Beschwerden ständiges Weinen, Schreien, Schluchzen, häufige Beschwerden Consolability (Tröstbarkeit) zufrieden/entspannt beruhigt durch gelegentliches Berü- hren, Umarmen oder Ansprechen, ablenkbar schwer zu trösten Der maximale Score der FLACC-Skala ist 10 Punkte, was den schlimmsten Schmerz darstellt. Null Punkte bedeuten wiederum komplette Schmerzfreiheit. 60 Dunkl S et al. Ersteinschätzung von Patient*innen… retten 2023; 12: 56–64 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen KERNAUSSAGEN ▪ Eine strukturierte Schmerzanamnese anhand OPQRST im Rahmen der SAMPLER-Anamnese ist wichtig ▪ Einfache Fragestellung soll bei der OPQRST-Ana- mnese eingesetzt werden. ▪ Altersentsprechende Skalen für Kinder als Unter- stützung hinzuziehen. ▪ Für schwer an Demenz erkrankte Patient*innen eignen sich die BESD (Beurteilung von Schmerzen bei Patienten mit Demenz) und Abbey Pain Scale als Beurteilungs-Tool. ▪ Die Schmerzreduktion ist auf und mit dem/der Patient*in abzustimmen – eine Reduktion von 1,5 Punkten auf der numerischen Rating-Skala ist mindestens anzustreben. Interessenkonflikt Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkon- flikt besteht. Autorinnen/Autoren Sabine Dunkl, BSc. MSc. Notfallsanitäterin NKI und Offizierin der Berufs- rettung Wien. Leiterin des Referats Fachent- wicklung und Bildung an der Rettungsakade- mie der Berufsrettung Wien. Im Einsatzdienst als Field Supervisor im Rahmen des Qualitäts- managements tätig. Dr. Daniel Grassmann Oberarzt bei der Berufsrettung Wien. Neben seiner dortigen Funktion als Medizinisch-wis- senschaftlicher Leiter und Leitender Notarzt ist er Instruktor für High Fidelity Simulation und langjähriges aktives Mitglied des European Re- suscitation Council. Seine wissenschaftlichen Interessen liegen v.a. im Bereich der Reanimationsforschung und präklinischer Notfallmedizin. Korrespondenzadresse Sabine Dunkl, BSc. MSc. Wiener Rettungsakademie, Magistratsabteilung 70, Berufsrettung Wien Radetzkystr. 1 1030 Wien Österreich sabine.dunkl@wien.gv.at Literatur [1] Kreddig N, Karimi Z. Schmerzwahrnehmung. In: Kreddig N, Karimi Z, (eds.) Psychologie für Pflege- und Gesundheitsma- nagement. Psychologie für die berufliche Praxis. Wiesbaden: Springer VS; 2013: 185–186. doi:10.1007/978-3-531-94322- 0_9 [2] Solomon P. Congruence between health professionals’ and patients’ pain ratings: a review of the literature. Scand J Caring Sci 2001; 15 (2): 174–180 [3] Kendrick DB, Strout TD. The minimum clinically significant difference in patientassigned numeric scores for pain. Am J Emerg Med 2005; 23 (7): 828–832 [4] Sneddon LU. Comparative physiology of nociception and pain. Physiology (Bethesda) 2018; 33 (1): 63–73. doi:10.1152/phy- siol.00022.2017 [5] Kröner-Herwig B. Schmerz als biopsychosoziales Pänomen – eine Einführung. In: Kröner-Herwig B, Frettlöh J, Klinger R, (eds.) Schmerzpsychotherapie. et al. Berlin Heidelberg: Sprin- ger Verlag; 2017: 3–16. doi:10.1007/978-3-662-50512-0_1 [6] Craig KD. The social communication model of pain. Can Psy- chol 2009; 50 (1): 22–32 [7] Goksan S, Hartley C, Emery F et al. Correction: fMRI reveals neural activity overlap between adult and infant pain. Elife 2015; 4: e06356. doi:10.7554/eLife.06356 [8] Von Baeyer CL, Spagrud LJ, McCormick JC et al. Three new da- tasets supporting use of the numerical rating scale (NRS-11) for children’s selfreports of pain intensity. Pain 2009; 143 (3): 223–227. doi:10.1016/j.pain.2009.03.002 [9] Hoffmann F, Deanovic D. Präklinische Schmerztherapie bei Kindern und Jugendlichen. Notf Rett Med 2011; 14 (7): 549– 553 [10] GauscheHill M, Brown KM, Oliver ZJ et al. An evidencebased guideline for prehospital analgesia in trauma. Prehosp Emerg Care 2014; 18 (Suppl. 1): 25–34. doi:10.3109/ 10903127.2013.844873 [11] Sirsch E, Lukas A. Schmerzassessment bei älteren Menschen in der vollstationären Altenhilfe. Langversion der multiprofes- sionellen S3-Leitlinie, 2017, AWMF Registernummer 145- 001; S. 28. [12] Lord B. Paramedic assessment of pain in the cognitively im- paired adult patient. BMC Emerg Med 2009; 9 (20). doi:10.1186/471227X920 Bibliografie 10.1055/a-1555-5738 retten 2023; 12: 56–64 DOI ISSN 2193-2387 © 2023. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany 62 Dunkl S et al. Ersteinschätzung von Patient*innen… retten 2023; 12: 56–64 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen Punkte sammeln auf CEE.thieme.de Frage 7 Ab welchem Score auf der KUSS-Skala soll eine schmerzlindernde Intervention erfolgen? A ≥ 3 B ≥ 3,5 C ≥ 4 D > 4,5 E ≥ 5 Frage 10 Wie soll die Schmerzanamnese seitens der Notfallsanitäter*innen erfolgen? A Die Schmerzanamnese soll vor allem zügig erfolgen – etwaige offene Fragen können später geklärt werden. B Die Einschätzung über die Erfahrungswerte des Notfallsanitä- ters/der Notfallsanitäterin ist sinnvoll. C Die Schmerzanamnese muss für alle Patient*innengruppen auf die gleiche Weise erfolgen. D Eine strukturierte und dem Alter entsprechende Einschätzung durch den/die Notfallsanitäter*in soll erfolgen. E Die Schmerzanamnese kann bei manchen Patient*innengrup- pen nicht durchgeführt werden und wird in diesen Fällen weg- gelassen. Frage 8 Welcher der genannten Parameter findet in der KUSS-Skala (kind- liche Unbehagens- und Schmerzskala) Berücksichtigung? A Atmung B Körpertemperatur C Tröstbarkeit D motorische Unruhe E verbale Kommunikationsfähigkeit Frage 9 Welche Aussage zur geriatrischen Schmerzanamnese ist richtig? A Geriatrische Patient*innen können Schmerzen nicht mehr selbstständig einschätzen. B Die Schmerzanamnese geriatrischer Patient*innen soll aus- schließlich über Fremdbeobachtung erfolgen. C Für die Beurteilung demenzkranker Patient*innen kann u. a. das Tool BESD (Beurteilung von Schmerzen bei Patienten mit Demenz) verwendet werden. D Für die Beurteilung demenzkranker Patient*innen kann die Ab- bey Pain Scale nicht verwendet werden. E Geriatrische Patient*innen haben aufgrund der Nervendege- nerationen kaum Schmerzen. 64 Dunkl S et al. Ersteinschätzung von Patient*innen… retten 2023; 12: 56–64 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Schritt für Schritt Notfallsonografie im Rettungsdienst – Schritt für Schritt Lena Friedrich, Markus Müller Auf den bodengebundenen Notarzteinsatzfahrzeugen werden von vielen Organisationen aktuell mobile Ultraschallgeräte angeschafft. Neben der hier beschriebenen eFAST-Un- tersuchung kann der mobile Ultraschall auch als Alternative zum intraossären Zugang beim Auffinden von Gefäßen hilfreich sein [1]. ABKÜR ZUNGEN eFAST extended Focused Assessment with So- nography in Trauma Interkostalraum pulslose elektrische Aktivität Return of spontaneous Circulation ICR PEA ROSC Der Begriff „Point-of-Care-Ultraschall“ bezeichnet den Einsatz von Ultraschall durch medizinisches Fachpersonal zur Erkennung von Problemen unabhängig vom Ort, an dem der Patient behandelt wird – sei es in einem moder- nen Krankenhaus, in einem Rettungswagen oder beim Patienten vor Ort [2]. Grundlagen E-FAST steht für extended Focused Assessment with So- nography in Trauma und ermöglicht bei Traumapatienten die rasche Erkennung von einigen akut lebensbedrohli- chen Befunden. Bei der präklinischen Versorgung müssen Fragen, die eine hohe Relevanz für die weitere Versor- gung des Patienten haben, zeitnah beantwortet werden, beispielsweise die Entlastung eines Spannungspneumot- horax, Auswahl einer geeigneten Zielklinik oder Nachfor- derung eines Rettungshubschraubers. Durch den eFAST-Algorithmus lassen sich folgende Pa- thologien rasch erkennen: ▪ freie Flüssigkeit im Abdomen als Zeichen einer Verlet- zung von Gefäßen oder parenchymatöser Organe, ▪ Hämatothorax und Pneumothorax und ▪ Perikarderguss und -tamponade [3]. Merke Wir können im Ultraschall immer nur von „freier Flüs- sigkeit“ sprechen und nicht zwischen Blut, Erguss, As- zites oder Urin unterscheiden. Freie Flüssigkeit ist echofrei und stellt sich im Ultraschall schwarz dar. eFAST-Algorithmus ▶ Tab. 1 zeigt den strukturierten eFAST-Algorithmus [4]: Was wird dargestellt und welche Fragestellung ergibt sich in den einzelnen Ebenen? Vorbereitung Die Notfallsonografie wird vollständig mit dem Konvex- schallkopf durchgeführt. Der e-FAST-Algorithmus wird in der Präklinik meist in Rü- ckenlage durchgeführt, daher sind für die Suche nach „freien Flüssigkeiten“ Anlotungen möglichst weit dorsal (mittlere bis hintere Axillarlinie) zu bevorzugen. Die Bildtiefeneinstellung wird während des Untersu- chungsgangs verändert: ▪ Beginn mit ca. 15–18 cm, ▪ subxiphoidale Anlotung mit ca. 20–25 cm sowie ▪ parasternale Anlotung mit ca. 4–5 cm. Durchführung Eine größere Menge Ultraschallgel wird mittig auf den Bauch des Patienten aufgebracht und als Depot benutzt, damit während der Untersuchung genügend Gel zur Ver- fügung steht [5]. Schritt 1 FAST 1 Anlotung: ICR 8–10 rechts in mittlerer Axillarlinie. Das Leberparenchym ist sichtbar (▶ Abb. 1). Anschließend Drehung gegen den Uhrzeigersinn im Rippenverlauf, um Pleura, Zwerchfell und Leber durch ein Schallfenster zwi- schen den Rippen anzuloten. Durch eine tiefe Inspiration des Patienten schiebt sich die Lunge unter den Schall- kopf: Das bewirkt eine Schallauslöschung im Bild, die die Leber teilweise oder vollständig überlagert. Fragestellung: Freie Flüssigkeit? 66 Friedrich L et al. Notfallsonografie im Rettungsdienst… retten 2023; 12: 66–71 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Schritt für Schritt ▶ Abb. 2 Anlotung und Ultraschallbild im FAST 2. Ultraschallbild mit sichtbaren Strukturen: Leber und Niere. ▶ Abb. 3 Anlotung und Ultraschallbild im FAST 3. Ultraschallbild mit sichtbaren Strukturen: Lunge, Diaphragma, Milz. Schritt 4 FAST 4 Schritt 5 FAST 5 Anlotung: ICR 8–10 links in hinterer Axillarlinie, bis die Niere sichtbar wird. Durch diese Position ist ein Blick in den Raum zwischen Milz und Niere (Koller-Pouch) mög- lich (▶ Abb. 4). Zusätzlich wird der untere Milzrand dar- gestellt. Fragestellung: Freie Flüssigkeit? Anlotung: Transversaler Unterbauchschnitt. Der Schallkopf wird direkt oberhalb der Symphyse aufgesetzt. Bei guter Fül- lung ist die Blase bereits in dieser Position sichtbar (▶ Abb. 5). Durch angepassten Schallkopfandruck und ein Kippmanöver wird ein Blick in das kleine Becken möglich. An- schließend wird der Schallkopf um 90 Grad rotiert, sodass ein sagittaler Unterbauchschnitt entsteht (▶ Abb. 5). Bei Frauen wird die Harnblase, der Uterus und das Rektum dargestellt. Bei Männern die Harnblase, die Prostata und das Rektum. Fragestellung: Freie Flüssigkeit? 68 Friedrich L et al. Notfallsonografie im Rettungsdienst… retten 2023; 12: 66–71 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Schritt für Schritt ▶ Abb. 7 Anlotungen und Ultraschallbilder in der parasternalen Einstellung. Hier ist der M-Mode zusätzlich aktiviert. Ultraschallbild 1: Sichtbare Strukturen: Rippen, Pleura, Lunge. Ultraschallbild 2: Seashore Sign im M-Mode. Schritt 6 FAST 6 Interessenkonflikt Anlotung: Schallkopfposition im epigastrischen Winkel (beachte 3-Finger-Griff des Schallkopfes und flache Anlo- tung; ▶ Abb. 6) Die Leber bildet ein Schallfenster und bie- tet Orientierung. Dabei wird ein Blick auf das Herz und das Perikard möglich. Fragestellung: Perikarderguss (hämodynamisch wirk- sam?) Schritt 7 Parasternale Anlotung Anlotung: Parasternaler Sagittalschnitt der linken und rechten Thoraxhälfte. Schallkopfhaltung zwischen 2 Rip- pen, sodass je eine Rippe am Bildrand erkennbar ist und sich das Pleurafenster in der Bildmitte befindet (▶ Abb. 7). Es wird auf Lungengleiten und auf B-Linien geachtet. Der M-Mode kann aktiviert werden, um das physiologische Seashore Sign zu sehen. Fragestellung: Pneumothorax [6]? Ausblick Auch bei Reanimationen gewinnt die Sonografie, insbe- sondere die Echokardiografie, an Bedeutung. Studien weisen darauf hin, dass Patienten mit einem Herzstill- stand mit einer elektromechanischen Entkopplung ohne Wandbewegungen im Echo eine höhere Wahrscheinlich- keit für den Tod haben als mit Wandbewegungen [7]. Patienten mit einer Herzmuskelaktion unter PEA (pulslo- se elektrische Aktivität) haben eine deutlich höhere Chance auf ROSC (Return of spontaneous Circulation) und Überleben mit gutem neurologischem Outcome im Vergleich zu Patienten mit PEA ohne Herzaktivität (5,6 % versus 0,6 %). Beim Erkennen eines entsprechenden echokardiographischen Befundes kann dies evtl. die Ent- scheidung über das weitere Vorgehen erleichtern [8, 9]. Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkon- flikt besteht. Autorinnen/Autoren Lena Friedrich Notfallsanitäterin und Gesundheitspädagogin, Lehrkraft an der DRK-Landesschule Dr. med. Markus Müller Facharzt für Anästhesie Literatur [1] Blaivas M, Fox JC. Outcome in cardiac arrest patients found to have cardiac standstill on the bedside emergency department echocardiogram. Acad Emerg Med 2001: 616–621. doi:10.1111/j.1553-2712.2001.tb00174.x [2] Salen P, O’Connor R, Sierzenski P et al. Can cardiac sonography and capnography be used independently and in combination to predict resuscitation outcomes? Acad Emerg Med 2001: 610. doi:10.1111/j.1553-2712.2001.tb00172.x [3] Armbruster W, Eichholz R, Notheisen T. Ultraschall in der In- tensiv- und Notfallmedizin. Filderstadt: AEN; 2021: 240–271 [4] Fandler M, Gotthardt P. SOP Prähospitale Notfallsonografie. Notfallmedizin Up2date 2018; 13 (1): 10–12 [5] Dinse-Lambracht A, Reithmeier E, Seibel A et al. E-FAST. In: Michels G, Jaspers N, (eds.) Notfallsonographie. Berlin: Sprin- ger; 2014: 27–37 [6] Ultraschallskript. In: Weimar J, (eds.) Mainz: Universitätsklinik Mainz; 2018: 117–134 [7] Tayal VS, Kline JA. Emergency echocardiography to detect pe- ricardial effusion in patients in PEA and near-PEA states. Resus- citation 2003: 315–318. doi:10.1016/s0300-9572(03)00245-4 [8] Salen P, Melniker L, Chooljian C et al. Does the presence or ab- sence of sonographically identified cardiac activity predict re- 70 Friedrich L et al. Notfallsonografie im Rettungsdienst… retten 2023; 12: 66–71 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Perspektiven Im Einsatz für die Kolleg*innen von morgen: Praxisanleitende auf der Lehrrettungswache Rico Kuhnke, Karlheinz Pfaff © Verena Knigge/Thieme Gruppe. Kaum eine Tätigkeit bietet mehr Einflussmöglichkeiten auf die Entwicklung des Berufsbildes „Notfallsanitäter*in“ als die des Praxisanleiters oder der Praxisanleiterin auf einer Lehrret- tungswache. Ein Job mit vielfältigen Aufgaben – und viel Verantwortung. Rückblick Vor der Einführung des Notfallsanitätergesetzes (Not- SanG) 2014 waren die Anforderungen an die Praxisanlei- ter*innen auf einer Lehrrettungswache eher gering: Eine pädagogische Qualifizierung als Lehrrettungsassistent im Umfang von 120 Stunden genügte. Mit Inkrafttreten des NotSanG wurde der Umfang der berufspädagogischen Zusatzqualifikation in einem ersten Schritt auf 200 und dann 2021 auf 300 Stunden erweitert [1, 2] (▶ Abb. 1). Gesetzliche Vorgaben Mit der Anpassung des § 3 (Praxisanleitung, Praxisbeglei- tung) der Notfallsanitäter-Ausbildungs- und Prüfungsver- ordnung (NotSanAPrV) wollte das Bundesgesundheitsmi- nisterium einen Einklang zwischen dem Beruf des Notfallsanitäters und der Gesundheits- und Krankenpfle- ge herstellen. Merke Die NotSanAPrV verwendet den Begriff Praxisanleiter nicht. Der Gesetzgeber spricht von „geeigneten Fachkräften“, die bestimmte Voraussetzungen für die Tätigkeit mitbringen müssen. Neben der fachlichen Eignung als Notfallsanitäter ist dies eine mindestens 2-jährige Berufserfahrung und eine berufspädagogi- sche Zusatzqualifikation [3]. Zudem besteht eine jährliche Fortbildungspflicht für die praxisanleitenden Personen: Neben der fachlichen 72 Kuhnke R et al. Im Einsatz für… retten 2023; 12: 72–76 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Perspektiven Lehrrettungswache und Klinik regelmäßig ab. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer alter- nierenden Ausbildung, die beispielsweise in Berufen des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) üblich ist. Für den Praxisanleiter bedeutet dies, dass ihm im An- schluss an einen schulischen Anteil die Organisation und Durchführung der Transfer- und Anwendungsphase zu- fallen. Dies erfordert eine enge Verzahnung und detail- lierte Absprachen zwischen den unterschiedlichen Lern- orten (▶ Abb. 2). Ziel der Ausbildung ist es, aufbauend auf den individuellen Voraussetzungen, Kenntnisse und Fertigkeiten nach und nach bis zum Grad des Beherr- schens zu entwickeln. Merke Trotz vieler Parallelen zu klassischen Ausbildungsberu- fen im Handwerk oder in der Industrie handelt es sich beim Notfallsanitäter formal nicht um eine duale Aus- bildung. Davon spricht man nur, wenn der Beruf im BBiG geregelt ist – und das ist hier nicht der Fall (§ 29 NotSanG). Wie für alle „Gesundheitsfachberufe“ liegt die Regelung im Verantwortungsbereich des Bundes- gesundheitsministeriums. Zur Abgrenzung spricht man daher auch von Schülern statt von Auszubildenden. In der Schule setzen sich die Schüler in praxisnahen Hand- lungssituationen mit ihrer späteren Tätigkeit auseinander. Im Anschluss daran haben sie Gelegenheit, das erworbe- ne Wissen und die erlernten Fertigkeiten in der Praxis an- zuwenden. Diese Anwendungsphase dient dem Transfer, schafft den Abgleich zwischen Theorie und Praxis und of- fenbart dem Praxisanleiter, wo noch besonderer Entwick- lungsbedarf besteht. Heranführen an die beruflichen Aufgaben Schritt für Schritt sollen die Schüler in der Praxisphase auf einer Lehrrettungswache an die eigenständige Wahrneh- mung der beruflichen Aufgaben herangeführt werden. Der Praxisanleiter berücksichtigt dabei den individuellen Leistungsstand der Lernenden. Werden diese zu Beginn noch mit einfachen Aufgabenstellungen konfrontiert, steigert sich die Komplexität mit Fortschreiten der Aus- bildung, um die Schüler am Ende in das selbstverantwort- liche Handeln im Beruf zu entlassen. Den Lernfortschritt, aber auch individuelle Problemstel- lungen bespricht die Praxisanleitung in regelmäßigen Zwischen- und Abschlussgesprächen mit den Schülern. Dabei geht es nicht nur um die Entwicklung von Fach- kompetenz, sondern ebenfalls um Sozial-, Personal- und Methodenkompetenz. Merke Im Lauf der Ausbildung müssen die Anforderungen an die Schüler steigen. Hier gilt: vom Leichten (z. B. Puls messen) zum Schweren (z. B. Zugang legen) und vom Einfachen (z. B. Krankentransport durchführen) zum Komplexen (z. B. Verkehrsunfall mit mehreren Verletz- ten bewältigen). Verbindung der Lernorte Um den Transfer zwischen den Lernorten Klinik, Schule und Rettungswache zu ermöglichen, müssen Praxisanlei- tende mit den Lerninhalten der Schule bestens vertraut sein. Hierzu ist es erforderlich, Lehr- und Ausbildungsplä- ne zu harmonisieren. Im besten Fall nehmen die Schulen ihre Gesamtverantwortung wahr und geben für die prak- ▶ Abb. 2 Ausbildung zum Notfallsanitäter, Verzahnung und Wechsel der Lernorte Schule, Lehrrettungswache und Klinik. 74 Kuhnke R et al. Im Einsatz für… retten 2023; 12: 72–76 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Korrespondenzadresse Rico Kuhnke DRK-Landesschule Baden-Württemberg Karl-Berner-Str. 6 72285 Pfalzgrafenweiler Tel.: 074458512600 r.kuhnke@drk-ls.de Literatur [1] Enke K, Kuhnke R. Lernfeld Rettungsdienst – Wege zum hand- lungsorientierten Unterricht. Edewecht: Stumpf + Kossendey; 2013 [2] Hündorf HP, Lipp R. Der Lehrrettungsassistent – Lehrbuch für Ausbilder im Rettungsdienst, 1. Auflage. Edewecht: Stumpf + Kossendey; 2003 [3] Kuhnke R. Praxisanleiter – Ausbilder mit viel Verantwortung. retten! 2015; 4: 304–307 [4] Kuhnke R. NotSanAPrV: Änderungen zu Praxisbegleitung, Nachteilsausgleich, Simulation. retten! 2021; 10: 8–12 [5] Leibinger S, Kuhnke R. Karriereplanung im Rettungsdienst. retten! 2012; 2: 2–5 Bibliografie 10.1055/a-1879-7385 retten 2023; 12: 72–76 DOI ISSN 2193-2387 © 2023. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany Perspektiven anleiter im Rettungsdienst auf ein Zertifikat, das pau- schal eine 300-stündige berufspädagogische Zusatz- qualifikation ausweist. Mangels eines Pendants zur DKG gibt es im Rettungs- dienst, wenn überhaupt, Regelungen auf Landesebe- ne, oft noch deutlich darunter. Rico Kuhnke empfiehlt den Aufschlag der Landes-Ausbildungs-Arbeitsge- meinschaft der Hilfsorganisationen in Baden-Würt- temberg als bundesweites Muster und trifft damit den Kern des Problems: 16 Bundesländer, 16 Rettungs- dienstgesetze, unzählige Organisationen, Weiterbil- dungsträger, Ausgestaltungen, Prüfungskataloge etc. Wir, der Rettungsdienst im Ganzen und die Praxisan- leiterweiterbildung im Speziellen, sind meilenweit entfernt von den Standards der Pflegeberufe und müssen weiterhin damit leben, dass unsere Weiter- bildungsurkunden spätestens an der Landesgrenze möglicherweise ihren Wert verlieren. Interessenkonflikt Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkon- flikt besteht. Autorinnen/Autoren Rico Kuhnke M.a. Gesamtschulleiter der DRK-Landesschule Baden-Württemberg gGmbH. Er war viele Jahre als Lehrrettungsassistent tätig und hat sein pä- dagogisches Masterstudium in den Sozialwis- senschaften berufsbegleitend abgeschlossen. Er ist Notfallsanitäter und Mitherausgeber von retten!. Karlheinz Pfaff B.A., ist Schulleiter der Franz-Anton-Mai-Schule für den Rettungsdienst des ASB Baden-Würt- temberg in Mannheim, Gesundheits- und Krankenpfleger, Fachkrankenpfleger für Innere Medizin und Intensivmedizin. Seit 1991 im Ret- tungsdienst tätig, u.a. in der Rettungsassisten- tenausbildung. Fachwirt für Sozial- und Gesundheitswesen. Bachelor Business Administration. Notfallsanitäter und Praxis- anleiter. Bis 2016 aktiv in der humanitären Auslandshilfe. Er ist Mitherausgeber von retten! 76 Kuhnke R et al. Im Einsatz für… retten 2023; 12: 72–76 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Wissenschaft kompakt Funktionsfähigkeit von registrierten automatisierten elektronischen Defibrillatoren (AEDs) Jespersen SS et al. Functionality of registered au- tomated external defibrillators. Resuscitation 2022; 176: 58–63. doi:10.1016/j.resuscitati- on.2022.05.013 Der Einsatz eines AEDs durch Ersthel- fende kann, bei einem primär schock- baren EKG-Rhythmus und korrekter Organisation des Einsatzes, einen wesentlichen Beitrag zu einer erfolg- reichen Reanimation und zu einem neurologisch guten Outcome leisten. – vorausgesetzt der AED funktioniert. In einer dänischen Studie wurde die Funk- tionsfähigkeit registrierter AEDs und die Auswirkung nicht vorhandener Funktionsfähigkeit auf stattgehabte „out-of-Hospital cardiac Arrests“ (OHCA) untersucht. Auf Empfehlung der aktuellen Reanimati- onsleitlinien des European Resuscitation Councils und der American Heart Associa- tion haben viele europäische Länder AED- Programme und AED-Register gestartet. In Dänemark hat sich die Anzahl der be- kannten AEDs von 2007 bis 2019 von 66/ 100000 Einwohner auf 611/100000 Ein- wohner erhöht. Diese AEDs ergeben aber nur Sinn, wenn sie verfügbar und einsatz- bereit sind. Dies beinhaltet funktionstüchti- ge Batterien und Defibrillationselektroden, die nicht das Verfalldatum erreicht haben. Das AED-Netzwerk in Dänemark sammelt Informationen zum Standort, der 24/7- Verfügbarkeit und zum technischen Zu- stand von AEDs. In dieser Studie wurde exemplarisch auf der Insel Bornholm die Funktionsfähigkeit von registrierten AEDs überprüft sowie re- trospektiv, anhand von historischen Daten aus den Jahren 2016 bis 2019 des däni- schen Reanimationsregisters, errechnet, wie viele Reanimationen nicht mit einem AED hätten bedient werden können, wenn der aktuell gefundene Funktionszu- stand derselbe Zustand in den untersuch- ten Jahren 2016–2019 gewesen wäre. Zur Erhebung des Funktionszustandes wurden alle im AED-Netzwerk registrierten AEDs auf der Insel Bornholm durch das Studien- team hinsichtlich der Funktionsfähigkeit der Batterie und des Ablaufdatums der Defibrillationselektroden überprüft. Zur Errechnung der AED-Abdeckung im Ver- gleich zu den Daten des Reanimationsre- gisters wurden die Ereignisse in einem Ra- dius von < 100 m, < 750 m und < 1800 m um den jeweiligen AED-Standort in die Analyse eingeschlossen. Insgesamt sind 226 AEDs auf Bornholm re- gistriert (655/100000 Einwohner). Es wur- den 221 AEDs in die Untersuchung einge- schlossen, davon waren 181 erreichbar und funktionsfähig (81,9 %), 40 AEDs (18,1 %) waren nicht einsatzbereit. Davon wurden 17 (42,5 %) Geräte mit abgelaufe- nen Defibrillationselektroden, 8 (20 %) Ge- räte, zu denen es keinen Zugang gab und 7 (17,5 %) Geräte, die den Selbsttest nicht bestanden und bei denen die Batterie nicht funktionstüchtig war, gefunden. Da- bei gab es bei Geräten, die vor dem Jahr 2016 registriert wurden, signifikant mehr Funktionsausfälle. Im Zeitraum von 2016 bis 2019 wurden insgesamt 197 OHCAs in Bornholm regis- triert. Insgesamt war die AED-Abdeckung: < 100 m Radius in 49 Fällen (24,9 %), < 750 m bei 171 Patienten (86,8 %) und < 1800 m bei 185 der Fälle (93,9 %). Davon waren 11 Fälle (5,6 %) hypothetisch durch einen Funktionsverlust eines AEDs betrof- fen. In dieser Studie erwiesen sich ca. ⅕ aller bekannten AEDs als nicht zugänglich oder nicht funktionsfähig und somit als in ihrer Nutzung eingeschränkt. Dies wurde in der Literatur auch für Geräte in anderen Län- dern und Regionen gezeigt. So wurden auf Gotland ebenfalls AEDs auf ihre Funkti- onsfähigkeit überprüft und auch hier wur- den bei einem deutlichen Anteil Probleme mit den Defibrillationselektroden oder den Batterien festgestellt. Es ist aber davon auszugehen, dass tatsächlich mehr Geräte zur Verfügung stehen, da es in Dänemark keine Verpflichtung zur Registrierung der AEDs gibt. Die Ergebnisse dieser Studie können genutzt werden, um das Problembewusst- sein der Bevölkerung zu wecken: Es ist nicht ausreichend, AEDs zu beschaffen; die Wartung und Sicherstellung der Funk- tionsfähigkeit ist zur Optimierung der Ver- sorgung ebenfalls essenziell. Einschränkend muss gesagt werden, dass diese Studie nur in einem kleinen geografi- schen Bereich durchgeführt wurde, der in der Vergangenheit erhebliche Schritte zur Verbesserung der Versorgung von OHCA- Patienten unternommen hat. Darüber hi- naus wurde die Funktionsfähigkeit der Ge- räte an nur 2 Tagen überprüft und stellt somit eine Momentaufnahme dar. FAZIT Die Autoren dieser Studie legen ein wichtiges und in der Öffentlichkeit noch nicht sehr prominentes Problem von AEDs offen. Die Beschaffung der Geräte allein reicht zur Verbesserung der AED-Nutzung nicht aus. Es ist so- wohl organisatorisch als auch finan- ziell sicherzustellen, dass die Geräte zugänglich und funktionsfähig sind. Ist dies nicht der Fall, kann unter Um- ständen der Nutzen von AEDs sehr eingeschränkt sein. Dr. med. Jan Wnent, MDM, FERC, Nürn- berg 78 retten 2023; 12 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Impressum retten! – Das Fachmagazin für den Rettungsdienst 12. Jahrgang retten! – Das Fachmagazin für den Rettungsdienst erscheint 5-mal jährlich. ISSN (Print): 2193-2387 eISSN: 2193-2395 Copyright & Ownership Wenn nicht anders angegeben: © 2022. Thieme. All rights reserved. Die Zeitschrift retten! ist Eigentum von Thieme. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany Herausgeber: Prof. Dr. rer. medic Sebastian Koch, Gera; Rico Kuhnke, Pfalzgrafenweiler; Dr. Sönke Müller, Neckargemünd; Karlheinz Pfaff, Mannheim; Dr. med. Jens Tiesmeier, Lübbecke; Volker Wanka, Neuenbürg Experten: Dr. Thomas Ahne, Todtnau, M. Damböck, Regensburg; Dipl.-Ghl. Kersten Enke, Hannover; Michael Gores, Bergisch Gladbach; Dr. A. Henn-Beilharz, Stuttgart; Dr. S. Herdtle, Hausham; A. Hess, Pfalzgrafenweiler; Dr. J. H. Junge, P. Jost, Wien, Chur; Prof. Dr. Dr. A. Lechleuthner, Köln; Dr. G. Lichy, Ludwigsburg; Dr. Wolfgang von Meißner, Baiersbronn; C. Ohsberger, Stuttgart; H. Pfleger, Frankfurt; G. Schmöller, München; R. Schuster, Stuttgart; Dr. J. Tiesmeier, Lübbecke; Dr. S. Weiß, Ludwigsburg; M. Ziegler, Pfalzgrafenweiler Die Herausgebenden sind nicht verantwortlich für die Ru- brik „Forum der Industrie“ sowie für in der Zeitschrift ent- haltene Anzeigen und Beilagen. Verlag: Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart oder Postfach 30 11 20, 70451 Stuttgart Tel.: +49 711 8931-0, Fax: +49 711 8931-298 www.thieme.de, www.thieme.de/retten www.thieme-connect.de/products Web-App: www.thieme.de/eref-app Redaktion Sie erreichen die Redaktion unter: retten.impressum@thieme.de V.i.S.d.P.: Regina Schweizer, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart Verantwortlich für den Anzeigenteil Thieme Media Pharmedia Anzeigen- und Verlagsservice GmbH Andreas Schweiger, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart oder Postfach 300880, 70448 Stuttgart Tel.: +49 711 8931-245, Fax: +49 711 8931-470 E-Mail: andreas.schweiger@thieme-media.de Produktionsmanagement Tel.: +49 711 8931-498, Fax: +49 711 8931-393 E-Mail: Anne.Lichtenheldt@thieme.de Abonnentenservice Wir bitten unsere Abonnent*innen, Adressänderungen dem Abonnentenservice mitzuteilen, um eine reibungslose Zustellung der Zeitschrift zu gewährleisten. 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Grundsätzlich werden nur solche Manuskripte angenom- men, die noch nicht anderweitig veröffentlicht oder zur Veröffentlichung eingereicht worden sind. Bitte beachten Sie: Wir können keine Abbildungen anneh- men, die bereits in Büchern, Zeitschriften oder elektro- nischen Produkten anderer Anbieter*innen publiziert worden sind oder an denen ein Dritter Nutzungsrechte hat (z. B. Arbeitgeber). Der Grund: Auch gegen Lizenzge- bühr ist es kaum noch möglich, die Nutzungsrechte in dem für uns erforderlichen Umfang zu erhalten. Bitte zah- len Sie deshalb keine Lizenzgebühren (z. B. bei „Rights- Link“/Copyright Clearance Center) – auch die Standard-Li- zenzverträge von „Creative Commons“ sind für eine Publikation leider nicht ausreichend. Diese Zeitschrift bietet Autor*Innen die Möglichkeit, ihre Artikel gegen Gebühr in Thieme connect für die allgemeine Nutzung frei zugänglich zu machen. 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Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Je- de*r Benutzende ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und ggf. nach Konsultation eines Spezialisten oder einer Spezialistin festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosie- rungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegen- über der Angabe in dieser Zeitschrift abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Prä- paraten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht wor- den sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzenden. Autor*innen und Verlag appel- lieren an alle Benutzenden, ihm etwa auffallende Unge- nauigkeiten dem Verlag mitzuteilen. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträ- ge und Abbildungen sind für die Dauer des Urheberrechts geschützt. 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PDF, ePub, App) oder Abruf in sonsti- ger Form etc. Hinweis zu Studien-Referaten Die Autorinnen und Autoren unserer Referate-Rubriken schreiben frei- oder nebenberuflich für verschiedene Auftraggebende aus Verlagsbranche, Wissenschaft und Industrie. Bei Fragen zu Interessenkonflikten einzelner Autor*innen wenden Sie sich bitte mit der im Impressum unter „Redaktion“ genannten E-Mail-Adresse an den Verlag. Datenschutz Wo datenschutzrechtlich erforderlich, wurden die Namen und weitere Daten von Personen redaktionell verändert (Tarnnamen). Dies ist grundsätzlich der Fall bei Pa- tient*innen, ihren Angehörigen und ihrem Freundeskreis, z. T. auch bei weiteren Personen, die z. B. in die Behand- lung von Patient*innen eingebunden sind. Wertschätzende Sprache und geschlechter- gerechter Sprachgebrauch Thieme Publikationen streben nach einer fachlich korrekten und unmissverständlichen Sprache. Dabei lehnt Thieme jeden Sprachgebrauch ab, der Menschen beleidigt oder diskriminiert, beispielsweise aufgrund einer Herkunft, Behinderung oder eines Geschlechts. Thieme wendet sich zudem gleichermaßen an Menschen jeder Geschlechtsidentität. Die Thieme Rechtschreibkon- vention nennt Autor*innen mittlerweile konkrete Beispiele, wie sie alle Lesenden gleichberechtigt ansprechen können. Die Ansprache aller Menschen ist ausdrücklich auch dort intendiert, wo im Text (etwa aus Gründen der Leseleichtig- keit, des Text-Umfangs oder des situativen Stil-Empfin- dens) z.B. nur ein generisches Maskulinum verwendet wird. Printed in Germany Satz: Reemers Publishing Services GmbH, Krefeld Druck und Bindung: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Jährliche Bezugspreise 2023* Inland Europa Weltweit Persönliches Abonnement (Gesamtpreis inkl. 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Fachwissen SAA & BPR in der Praxis: Hypoglykämie Rico Kuhnke, Andreas Bohn . s e g a l r e V s e d g n u m m i t s u Z t i m r u n g n u g i t l ä f l i e v r e V . n e d a e g r e l t n u r e h h c u a r b e G n e h c i l n ö s r e p m u z e d r u w t n e m u k o D s e s e D i Quelle: © romaset/stock.adobe.com. retten! hält Sie fachlich fit: Anhand eines Fallbeispiels arbeiten wir einen interessanten Einsatz Algorithmen-konform auf. Hierzu nutzen wir die SAA und BPR der 6-Länder-Ar- beitsgruppe. Mithilfe exemplarischer Fragen zu erweiterten Notfallmaßnahmen, Kom- munikation oder Rahmenbedingungen können Sie Ihr Wissen auffrischen. Fallbeispiel Einsatzmeldung An einem Sonntagmorgen sitzt das Team des Rettungs- wagens am Frühstückstisch, als es zu einem bewusstlo- sen Patienten mit Verdacht auf Unterzucker gerufen wird. Vor Ort wartet bereits eine junge Frau auf sie. Sie stellt sich als Anna vor und lebt gemeinsam mit dem Patienten in einer Wohngemeinschaft. Aufgrund der Einsatzmel- dung nehmen die Kolleg*innen das komplette Notfall- equipment mit in das Mehrfamilienhaus. Auf dem Weg schildert Anna, dass sie ihren Mitbewohner morgens beim Frühstück vermisst hätte. Als sie ihn wecken wollte, habe er nicht reagiert. Aus seinen Erzählungen wisse sie, dass er an einem jugendlichen Diabetes leide und mit ei- ner Insulinpumpe versorgt sei. Ersteinschätzung Im Zimmer des Patienten angekommen, liegt dieser re- gungslos im Bett und wird von einer weiteren Mitbewoh- nerin betreut. Das Team erkundigt sich nach dem Namen des Patienten. Niklas reagiert weder auf lautes Anspre- chen noch auf Berührung an der Schulter. Auf den ersten Blick ist die Atmung regelmäßig und ausreichend. <c>ABCDE Nun erhebt ein Kollege die Vitalparameter mit Hilfe des <c>ABCDE-Schemas. Aufgrund des geschilderten Diabe- 126 Kuhnke R et al. SAA & BPR… retten 2023; 12: 126–136 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen Allerdings herrscht in Deutschland nach wie vor ein Fli- ckenteppich aus verschiedenen Algorithmen, Handlungs- empfehlungen, Leitlinien und Arbeitsanweisungen. Meist unterscheiden sich diese hauptsächlich in der Darstellung und kaum im Inhalt. Grundlage für alle Algorithmen sind die Empfehlungen der Fachgesellschaften und damit wis- senschaftlich belegbare Erkenntnisse. Selbst wenn man sich über die Darstellung oder den ein oder anderen In- halt der SAA und BPR streiten kann, ist der Ansatz einheit- licher Algorithmen zielführend. PR A XISTIPP Sollten Sie in Ihrem Rettungsdienstbereich einen ab- weichenden Algorithmus nutzen, arbeiten Sie die Unterschiede heraus und überlegen Sie sich, wie der Einsatz mit dem Ihnen zur Verfügung stehenden Al- gorithmus ablaufen müsste. Diagnose Hypoglykämie In Deutschland sind ca. 7 Mio. Menschen von einem Di- abetes betroffen, jährlich gibt es ca. 30000 Neudiagno- sen [1]. Bereits mit der Einsatzmeldung erhält das Team die Verdachtsdiagnose: Hypoglykämie. Merke Die Hypoglykämie ist eine häufige Komplikation bei in- sulinpflichtigem Diabetes mellitus und gehört zu den häufigsten endokrinologischen Notfällen [2, 3]. Auch die Informationen der Mitbewohnerin deuten auf diese Diagnose hin. Trotzdem folgt das Team konsequent dem <c>ABCDE-Schema. Insbesondere, wenn die Dia- gnose einem praktisch ins Gesicht springt, vermeidet die- ses Standardvorgehen einen Fokussierungsfehler [3]. Aufgrund der Informationen zieht das Team die BZ-Kon- trolle vor. Das ist sinnvoll und spart hier Zeit bis zur Be- handlung. Die Verdachtsdiagnose bestätigt sich, und die Kolleg*innen nehmen sich kurz Zeit, Informationen auszu- tauschen und die weiteren Schritte abzustimmen. Trotz der Diagnose entscheidet sich das Team für eine neurolo- gische Untersuchung und eine Ganzkörperinspektion. Dabei wird eine Insulinpumpe entdeckt und gleich sach- gerecht entfernt. Alternativ kann der zuführende Schlauch abgeknickt, abgeklemmt, abgeschnitten oder der Schlauch aus dem Luer-Lock-System an der Insulinpa- trone herausgedreht werden. Entscheidend ist, dass man die weitere Abgabe von Insulin verhindert [4]. BPR Hypoglykämie Für das weitere Vorgehen orientiert sich das Rettungs- dienstteam am BPR Hypoglykämie (▶ Abb. 1). Zu jedem Be- handlungspfad haben die Autoren zusätzlich eine kurze Er- läuterung mit wichtigen Hinweisen zum Notfallbild erstellt. Da dem Team in unserem Fall kein Glukagon zur Verfü- gung steht, verzichtet es auf die Gabe. In den letzten Jah- ren setzt sich Glukagon als Alternative zur Glukose zuneh- mend durch. Insbesondere bei Patienten mit schlechten Venenverhältnissen bietet Glukagon, da es i. m. bzw. s. c. verabreicht wird, eine sinnvolle Alternative. Viele Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes führen zudem Glukagon bereits als Fertigspritze mit sich. Bei Symptomen einer Hy- poglykämie können sie oder Angehörige das Medikament selbst injizieren. Relativ neu auf dem Markt sind Glukagon- präparate, die nasal verabreicht werden können. Merke Die Symptome einer Hypoglykämie sind vielfältig und reichen von Somnolenz, Orientierungsstörung, ggf. aggressivem Verhalten bis hin zu Bewusstlosigkeit, Krampfanfällen oder Symptomen einer Apoplexie. Be- stimmen Sie bei veränderten Bewusstseinszuständen daher immer den Blutzucker [5, 6]. Glukose 10 % 500 ml Vor der Gabe der Glukoselösung versichert sich die Not- fallsanitäterin mit einer sog. Rückflusskontrolle, ob die Verweilkanüle korrekt in der Vene platziert ist. Hierzu hält man bei offener Rollklemme den Infusionsbeutel un- ter das Venenniveau. Fließt nun dunkelrotes Blut in den Schlauch zurück, liegt die Kanüle richtig. Vor dem Hinter- grund möglicher Folgeschäden ist das Vorgehen ratsam. Daher empfehlen die SAA und BPR auch höherprozentige Glukoselösungen auf mindestens 20 % zu verdünnen. Cave Auf den ersten Blick ist Glukose unproblematisch. Gelangt sie allerdings ins Gewebe (paravasale Gabe) oder wird versehentlich arteriell verabreicht, kann sie das Gewebe massiv schädigen. Dies gilt insbesondere für Lösungen mit einem hohen Anteil an wasserfreier Glukose. Bei zweifelhafter venöser Lage ist daher von einer Applikation abzusehen. Wache und schluckfähige Patienten können Glukose auch oral erhalten. Im beschriebenen Fall erhält der Patient 100 ml der 10 % igen Glukoselösung, was 10 g wasserfreier Glukose ent- spricht. Über den 3-Wege-Hahn wird der Zufluss geregelt und danach eine balancierte, kristalloide, isotone Voll- elektrolytlösung infundiert. Viele Rettungsdienstbereiche halten keine Glukoselösung G 10 % vor. Hier kann man alternativ auf 10 ml-Ampullen G 40 % zurückgreifen, muss die Glukose aber im Vorfeld auf mindestens 20 % verdünnen. In der Praxis nutzt man hierzu 10 ml isotonische Kochsalzlösung, die man in einer 20 ml- Spritze gemeinsam mit der 10 ml-Ampulle G 40 % aufzieht. . s e g a l r e V s e d g n u m m i t s u Z t i m r u n g n u g i t l ä f l i e v r e V . n e d a e g r e l t n u r e h h c u a r b e G n e h c i l n ö s r e p m u z e d r u w t n e m u k o D s e s e D i 128 Kuhnke R et al. SAA & BPR… retten 2023; 12: 126–136 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen Cave Infundiert man Glukoselösungen mit geringer Konzen- tration (z. B. G 5 %), wird die Glukose praktisch unmit- telbar verbraucht – übrig bleibt das freie Wasser. Das birgt insbesondere bei Kindern und größeren Mengen Infusionsflüssigkeit die Gefahr eines Hirnödems [2]. SAA Intravenöser Zugang und Glukose Zusätzlich zu den typischen Algorithmen haben die Auto- ren der SAA und BPR zu invasiven Maßnahmen und Medi- kamenten ergänzende Arbeitsanweisungen erstellt. Sie enthalten stichpunktartig die wichtigsten Informationen zu einer durchzuführenden Maßnahme bzw. einem zu verabreichenden Medikament, darunter Angaben zu Indi- kation und Kontraindikation, Nebenwirkungen und Do- sierung (▶ Abb. 2, ▶ Abb. 3). Weitere Versorgung Gerade Patienten mit langjährigem Diabetes mellitus wollen nach der Normalisierung des Blutzuckers gerne zu Hause bleiben. Grundsätzlich spricht nichts dagegen, und es ist aus Sicht der Patienten verständlich. Da die ver- abreichte Glukose rasch in die Zellen aufgenommen wird, kann es aber – bei fehlender Kohlenhydratzufuhr in den kommenden Stunden – zu einem Abfall des Glukosespie- gels und damit erneut zu einer Hypoglykämie kommen. Aus diesem Grund sollte eine Betreuung der Patienten gesichert sein, wenn sie zu Hause bleiben möchten. Ver- weigert ein Patient den Transport, muss man dies ent- sprechend dokumentieren. PR A XISTIPP Sorgen Sie dafür, dass Ihr Patient nach der i. v. Glu- kosegabe zusätzlich Kohlenhydrate zu sich nimmt – am besten über eine kleine Mahlzeit, die nach und nach verstoffwechselt wird (Obst, Brot oder Joghurt). Für die Akuttherapie beim wachen Patien- ten eignen sich zuckerhaltige Getränke oder Trau- benzuckerplättchen. Im beschriebenen Fall fühlt sich Niklas noch unwohl und folgt der Empfehlung des Rettungsdienstes. Er lässt sich zur weiteren Abklärung in die Klinik bringen. Die Idee, den Patienten mit einem Käsebrot zu versorgen, ist unge- wöhnlich, aber sinnvoll. Prüfungsfragen Notfallmedizin Welche Diabetes-Typen kennen Sie? Erklären Sie deren Pathophysiologie. Klassischerweise unterscheidet man beim Diabetes melli- tus zwischen dem jugendlichen Typ I (10 %) und dem Typ II (90 %). ▪ Beim Typ-I-Diabetes kommt es in der Folge einer Au- toimmunkrankheit zur Zerstörung der β-Zellen in den Langerhans-Inseln des Pankreas. Das Organ ist dann nicht mehr in der Lage, Insulin zu produzieren. Man spricht in diesem Fall von einem absoluten Insulin- mangel. ▪ Beim Typ-II-Diabetes sprechen dagegen die Insulin- rezeptoren vermindert an – mit der Folge, dass we- niger Glukose in die Zellen einströmt. Es kommt zum relativen Insulinmangel. Zwar versuchen die Langer- hans-Inseln des Pankreas, dies durch erhöhte Insulin- produktion zu kompensieren, doch über die Jahre erschöpft sich der Mechanismus. Auslösende Fakto- ren für den Typ-II-Diabetes sind insbesondere Über- ernährung und Bewegungsmangel. Zunehmend tritt der Typ-II-Diabetes auch bei jüngeren Patienten auf. Neben diesen klassischen Typen unterscheidet man heu- te noch den Typ-III-Diabetes, in dem andere Ursachen – wie genetische Faktoren oder Erkrankungen wie das Cushing-Syndrom – zusammengefasst werden, und den Typ-IV- oder Gestationsdiabetes (Schwangerschaftsdia- betes) [1, 2]. Mögliche weitere Fragen: ▪ Beschreiben Sie die Wirkungsweise von Glukagon und diskutieren Sie die Anwendung im oben beschriebe- nen Fall. ▪ Beschreiben Sie mögliche Symptome einer Hypogly- kämie. An welche Differenzialdiagnosen denken Sie? Kommunikation Mit welchen Maßnahmen können Sie bei der Medikamen- tengabe Fehler vermeiden? Beziehen Sie sich dabei auf den oben beschriebenen Fall. Umgebungsgeräusche, Temperatur, ängstliche Angehö- rige, Zeitdruck und vieles mehr erschweren in Notfallsi- tuationen die Kommunikation. Um Fehler zu vermeiden, ist es hier besonders wichtig, auf die korrekte Informati- onsweitergabe zu achten. Fordert ein Kollege eine Maß- nahme ein, muss man durch eine kurze Wiederholung die Übernahme bestätigen. Bezogen auf den obigen Fall könnte dies so ablaufen: „Bitte bereite mir eine G 10 % als Infusionslösung vor!“ – „Eine G-10 %-Infusionslösung, mach ich.“ Vor einer Injektion muss zudem das Medikament nach der 6-R-Regel gecheckt werden: ▪ Richtiger Patient? ▪ Richtiges Medikament? ▪ Richtige Dosierung? ▪ Richtiger Zeitpunkt? . s e g a l r e V s e d g n u m m i t s u Z t i m r u n g n u g i t l ä f l i e v r e V . n e d a e g r e l t n u r e h h c u a r b e G n e h c i l n ö s r e p m u z e d r u w t n e m u k o D s e s e D i 130 Kuhnke R et al. SAA & BPR… retten 2023; 12: 126–136 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen . s e g a l r e V s e d g n u m m i t s u Z t i m r u n g n u g i t l ä f l i e v r e V . n e d a e g r e l t n u r e h h c u a r b e G n e h c i l n ö s r e p m u z e d r u w t n e m u k o D s e s e D i ▶ Abb. 3 SAA Glukose. Quelle: 5-Länder-Arbeitsgruppe SAA und BPR. 132 Kuhnke R et al. SAA & BPR… retten 2023; 12: 126–136 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen Korrespondenzadresse Rico Kuhnke DRK-Landesschule Baden-Württemberg Karl-Berner-Str. 6 72285 Pfalzgrafenweiler Tel.: 074458512600 r.kuhnke@drk-ls.de Literatur [4] Buchert C, Buchert D. Es piepst unter der Decke! – Umgang mit Insulinpumpen im Rettungsdienst. retten! 2020; 9: 306–310 [5] Kuhnke R, König K. Alles Zucker oder was? Endokrine und me- tabolische Notfälle. retten! 2016; 5: 213–221 [6] Kuhnke R, Caratiola C. Ursachen der Bewusstlosigkeit – So en- gen Sie die Verdachtsdiagnose ein. retten! 2013; 2: 317–324 [7] Bellardita A. Recht im Rettungsdienst. Edewecht: Stumpf + Kossendey; 2021 Bibliografie [1] I care Krankheitslehre. 2. Aufl. Stuttgart: Thieme. 2020 [2] Dreesen S. Endokrinologische Notfälle. In: Luxem J, Runggaldier K, Karutz H, Flake F, (eds.) Notfallsanitäter Heute. 6. Aufl. München: Elsevier; 2016: 650–657 [3] Rupp P, Kipper J. Hypoglykämie. In: Scholz J, Gräsner JT, Bohn A, (eds.) Referenz Notfallmedizin. Stuttgart: Thieme; 2019: 660–663 10.1055/a-1942-8272 retten 2023; 12: 126–136 DOI ISSN 2193-2387 © 2023. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany . s e g a l r e V s e d g n u m m i t s u Z t i m r u n g n u g i t l ä f l i e v r e V . n e d a e g r e l t n u r e h h c u a r b e G n e h c i l n ö s r e p m u z e d r u w t n e m u k o D s e s e D i 134 Kuhnke R et al. SAA & BPR… retten 2023; 12: 126–136 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen Punkte sammeln auf CEE.thieme.de Frage 6 Welche der nachfolgenden Aussagen zur Dosierung von Glukose ist richtig? A Erwachsene und Kinder > 10 kg KG erhalten initial 8–10 g Glu- kose i. v. B Die i. v. Gabe bei Kindern unter 30 kg KG darf nur durch einen Notarzt erfolgen. C 100 ml einer 10 %igen Glukoselösung entsprechen 10 g was- serfreier Glukose. D Zwei 10 ml-Ampullen Glukose 40 % entsprechen 40 g wasser- freier Glukose. E Glukose i. v. nie zusammen mit einlaufender Infusionslösung applizieren. Frage 7 Welche der nachfolgenden Aussagen zu den Standard-Arbeits- anweisungen (SAA) und den Behandlungspfaden Rettungsdienst (BPR) ist nicht richtig? A Die SAA und BPR regeln die eigenverantwortliche Durchfüh- rung von heilkundlichen Maßnahmen durch Notfallsanitä- ter*innen nach § 2a NotSanG. B Die SAA und BPR sind Ergebnis aus einer Arbeitsgruppe der Ärztlichen Leitungen Rettungsdienst. C Grundlage für die Auswahl der Maßnahmen und Medikamente waren die Ergebnisse aus dem Pyramidenprozess I & II. D Mittlerweile sind die SAA und BPR in Baden-Württemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfa- len, Sachsen und Sachsen-Anhalt Grundlage für die Delegation von invasiven Maßnahmen und die Gabe von Medikamenten durch Notfallsanitäter*innen. E Die SAA und BPR regeln die eigenständige Durchführung von heilkundlichen Maßnahmen, wenn sie vom Ärztlichen Leiter Rettungsdienst oder entsprechend verantwortlichen Ärzt*in- nen bei bestimmten notfallmedizinischen Zustandsbildern und -situationen vorgegeben, überprüft und verantwortet werden. Frage 8 Welche der nachfolgenden Maßnahmen ist kaum geeignet, um Fehler bei der Medikamentengabe zu vermeiden? A Konsequentes Anwenden der 6-R-Regel: „Richtiger Patient?“, „Richtiges Medikament?“, „Richtige Dosierung?“, „Richtiger Zeitpunkt?“, „Richtige Konzentration?“ und „Richtige Applikati- onsart?“. B Wird ein Medikament von einem Kollegen eingefordert, muss dieser die Übernahme durch eine kurze Wiederholung rückbe- stätigen (Closed-loop-Kommunikation). C Rettungsdienstpersonal sollte regelmäßig darauf hingewiesen werden, dass die Gabe von falschen Medikamenten zu lebens- bedrohlichen Zuständen führen kann und sie sich in diesem Fall strafrechtlich verantworten müssen. D Medikamente sollten möglichst nicht von derselben Person vorbereitet und verabreicht werden (4-Augen-Prinzip). E Medikamente müssen immer eindeutig beschriftet werden. Bewährt haben sich hierfür die DIVI-ISO-Aufkleber. Frage 9 Welche der nachfolgenden Kontraindikationen gehört nicht zu den aufgeführten Kontraindikationen bei der SAA „intravenöser Zugang“? A Infektion an der Punktionsstelle B Dialyse-Shunt C schlechte Venenverhältnisse D paretische Extremität E verletzte oder (vor)geschädigte Extremität Frage 10 Welche der nachfolgenden Aussagen zur Einwilligungsfähigkeit und zugehörigen Aufklärung des Patienten ist nicht richtig? A Für eine wirksame Einwilligung des Patienten bedarf es im Vor- feld einer angemessenen Aufklärung. B Die Aufklärung muss vollständig, verständlich, rechtzeitig und angemessen erfolgen. C Ein bewusstloser Patient kann nicht aufgeklärt werden und ist somit nicht einwilligungsfähig. Invasive Maßnahmen sind bei ihm daher grundsätzlich strafbar. D Der Patient muss im Rahmen der Aufklärung über die Diagno- se, den weiteren Verlauf, notwendige Maßnahmen und deren Risiken informiert werden. E Manchmal kann es notwendig werden, die Aufklärung im Inte- resse des Patienten stark zu verkürzen. . s e g a l r e V s e d g n u m m i t s u Z t i m r u n g n u g i t l ä f l i e v r e V . n e d a e g r e l t n u r e h h c u a r b e G n e h c i l n ö s r e p m u z e d r u w t n e m u k o D s e s e D i 136 Kuhnke R et al. SAA & BPR… retten 2023; 12: 126–136 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

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