Sie haben es in der Hand 4 Hefte im Jahr Von der konkreten Versorgung und patientenzentrierten Therapie bis zur Wiedereingliederung in das berufliche und soziale Leben. Für Ergo- und Physiotherapeuten gemacht: • Updates zur ärztlichen Versorgung, OP-Techniken, Hilfsmitteln • evidenzbasierte, interdisziplinäre Handtherapie • Handlungsanleitungen • Fallbeispiele und Best-Practice aus dem Praxisalltag • Patienten- und Angehörigenberatung © Brother’s Art/stock.adobe.com – edited by Thieme Gleich bestellen: www.thieme.de/praxis-handreha

Herausgeberteam Herausgeber Frank Blömker ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und seit 2011 im medizinischen Leitungsteam der Akademie für Handrehabilitation. Er ist Chefarzt der Klinik für Unfallchi- rurgie an der Katholischen Hospitalvereinigung Weser- Egge. Davor war er lange Chefarzt der Abteilung für Unfall- und Handchirurgie und Sporttraumatologie am AGAPLESION Ev. Bathildiskrankenhaus in Bad Pyrmont. Er ist Dozent der Diploma Hochschule und Verfasser zahlrei- cher Gastbeiträge (MHH, Ärztlicher Qualitätszirkel, Ärzte- verein). Er studierte in Münster und Essen. Cornelia Paries ist Ergotherapeutin, zertifizierte Handtherapeutin und hat ihren Bachelor (B.A.) im Studiengang Medizinal- fachberufe absolviert. Sie arbeitete mehrere Jahre in ergotherapeutischen Praxen mit dem Schwerpunkt Handtherapie als fachliche Leitung und ist FH-Dozen- tin an der Akademie für Handrehabilitation sowie Autorin verschiedener Fachpublikationen und E-Lear- ning-Module. Sie ist auch im Herausgeberteam der Thieme Fachzeitschrift ergopraxis. Thieme Dr. med. Harun Seyhan ist Facharzt für Plastische Chirurgie und Ästhetische Chir- urgie mit der Zusatzbezeichnung Handchirurgie. Er ist lei- tender Oberarzt und ständiger Vertreter des Chefarztes im Krankenhaus Köln-Merheim in der Klinik für Plastische Chirurgie, Handchirurgie und Schwerbrandverletztenzent- rum – Kliniken der Stadt Köln gGmbH mit Lehrstuhl für Plastische Chirurgie der Universität Witten / Herdecke. Er wurde 1975 in Köln geboren, studierte in Marburg und Aachen und absolvierte seine Ausbildung in Erlangen, Han- nover und Hildesheim. Andrea Zander ist Physiotherapeutin, sektorale Heilpraktikerin für Physio- therapie, zertifizierte Handtherapeutin und Manualthera- peutin. Sie arbeitet als leitende Physiotherapeutin in einer auf Handtherapie spezialisierten Praxis in Berlin. Als FH- Dozentin an der Akademie für Handrehabilitation gibt sie regelmäßig Kurse und ist zudem Autorin zahlreicher Fachpublikationen. WECHSEL IM HER AUSGEBERTEAM Ab Januar 2021 haben wir eine neue Herausgeberin im Team: Andrea Zander. Sie löst Rainer Zumhasch ab, der aus privaten Gründen leider seine Tätigkeit als Herausgeber der Praxis Handreha aufgibt. Wir wünschen ihm alles Gute und heißen Frau Zander herzlich willkommen! Als Physiotherapeutin bereichert sie das Herausgeberteam aus zwei Medizinern und einer Ergo- therapeutin um eine weitere wichtige Profession in der Handrehabilitation. TRETEN SIE MIT UNS IN KONTAK T! Haben Sie Anregungen, Lob oder Kritik für uns? Möchten Sie selbst Autor in unserer Zeitschrift werden? Nutzen Sie die Möglichkeit und schreiben uns an: praxis.handreha@thieme.de Wir freuen uns auf Ihre Post. 2 Praxis Handreha 2021; 2: 1–2 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Aus der Forschung Thieme einfach durchzuführende, konservative Behandlungsmethode. cp Propriozeption nach Hand- gelenksdenervierung intakt Rein S, Winter J, Kremer T et al. Evaluation of prop- rioception in denervated and healthy wrist joints. J Hand Surg Eur Vol 2020; 45: 408–413 Die Handgelenksdenervierung nach Wil- helm verändert die Propriozeption des Handgelenks nicht. Zu diesem Ergebnis kamen die Handchirurgin Susanne Rein und Kollegen aus dem Klinikum St. Georg in Leipzig. Die Autoren verglichen Stellungs-, Kraft- sinn und Reflexzeit des Handgelenks bei 25 Patienten im Anschluss an eine vollständige Denervierung nach durch- schnittlich 32 Monaten mit denen von 60 gesunden Menschen. Die Überprüfung erfolgte mittels Gonio- meter, Jamar Dynamometer oder Pinch- meter sowie einer eigens konstruierten Vorrichtung für die Messung der Reflex- zeiten der Handgelenksextensoren und -flexoren. Die operierten Personen unter- schieden sich weder bezüglich des ipsi- und kontralateralen Stellungssinns noch bezüglich der Kraftwahrnehmung oder der Handgelenkreflexe von der Kontroll- gruppe. Einzig der M. flexor carpi ulnaris zeigte in den denervierten Handgelenken eine signifikant kürzere Reflexzeit im lin- ken und eine signifikant längere Reflexzeit im rechten Handgelenk. Das Vibrations- empfinden (erhoben mit Stimmgabel) und die Muskeleigenreflexe von Bizeps, Trizeps und Brachioradialis waren in allen Fällen unauffällig. Fazit Ein propriozeptives Training scheint nach Handgelenksdenervation nicht not- wendig zu sein. cp a b Kamptodaktylie: Die angeborene, schmerzlose Flexionskontraktur der Mittelgelenke eines Langfingers kann durch Dehnungen positiv beeinflusst werden. (Quelle: van Schoonhoven J, Schmitt R. Kamptodaktylie. In: Schmitt R, Lanz U, Hrsg. Bildgebende Diagnostik der Hand. 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2014) Dehnungen verbessern Gelenkkongruenz bei Kamptodaktylie Hong SW, Kim J, Kwon OS et al. Radiographic remodeling of the proximal phalangeal head using a stretching exercise in patients with camptodac- tyly. J Hand Surg Am 2020; 45: e1–e10 Dehnung verbessert die Beweglichkeit der Fingermittelgelenke und röntgenologische Parameter bei Kindern mit Kampto- daktylie. Das ergab eine Studie orthopä- disch-chirurgischer Mediziner um Seok Woo Hong aus Südkorea. Die Forscher schlossen 20 Kinder mit kon- gentialer Kamptodaktylie bis zum Alter von 3 Jahren in ihre Studie ein. Zu Beginn und nach 12 Monaten bestimmten sie das Ausmaß der Mittelgelenks-Flexionskont- raktur mittels Goniometer und fertigten Röntgenaufnahmen der insgesamt 48 betroffenen Finger an. Dabei bestimmten sie die Head Traingle Ratio (HTR; erlaubt Aussage über die Kopfform der proxima- len Phalanx) sowie den Head Angle (HA; beschreibt Ausmaß der Palmarkippung des Grundphalanxkopfes). Der normaler- weise runde Kopf ist bei Kamptodaktylie ist eher elliptisch geformt und nach palmar gekippt, wodurch die Gelenkkongruenz aufgehoben ist. Die Eltern der Probanden führten täglich > 20x passive Dehnungen durch: Bei maximal extendiertem Hand- und Finger- grundgelenk blockierten sie das Grund- glied dorsal mit einem Finger und dehnten das Mittelgelenk 5 min sanft. Nach 12 Monaten war die Flexionskont- raktur signifikant geringer. Radiologisch zeigen alle Finger eine normale, runde Form des Phalanx-Kopfes und erhöhte Kongruenz Sowohl HTR als auch HA verbesserten sich signifikant. im Mittelgelenk. Die Autoren schlussfolgern, dass Dehn- übungen insbesondere bei jüngeren Kin- dern effektiv sind, weil das Mittelgelenk flexibler und die umgebenden Strukturen dehnbarer sind. Fazit Dehnungen sind bei angeborener Kamptodaktylie und effektive eine 4 Praxis Handreha 2021; 2: 4–6 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Aus der Forschung Thieme Karpaltunnelsyndrom-Tape verbessert Betätigungs- performanz Kraus D, Shawn CR, Javaherian-Dysinger H, Daher N. Comparative efficacy of the dorsal application of Kinesio tape and splinting for carpal tunnel syn- drome: A randomized controlled trial. J Hand Ther 2020; S0894–1130(20)30041–7. doi: 10.1016/j. jht.2020.03.010. ausgeprägten Ein dorsal appliziertes Tape verbessert leicht bis Schmerz und Funktion bei moderat Karpaltunnel- syndromen (KTS). Zu diesem Ergebnis kamen Ergotherapeutin Donnamarie Krause von der Loma Linda University in Kalifornien (USA) und Kollegen in einer randomisierten kontrollierten Studie. Das Die Autoren schlossen 42 Erwachsene mit KTS in die Studie ein. Über einen Zeitraum von 2 Wochen erhielten die Probanden entweder ein dorsales Unter- arm-Hand-Tape, eine Nachtlagerungs- schiene mit Übungsprogramm oder eine Placebobehandlung (Tape an der Spina scapulae). Unterarm-Hand-Tape wurde dorsal am proximalen Unterarm bis zum Interphalangealgelenk des Dau- mens und bis zum Endgelenk des Klein- fingers unter 10-prozentigem Zug und Handgelenksflexion appliziert. Die Doku- mentation erfolgte mittels 2 verschiede- ner Schmerzskalen, Kraftmessung sowie dem Boston-Karpaltunnel-Fragebogen (BCTQ) an 4 Terminen. In allen 3 Gruppen zeigte sich zum Ende des Untersuchungszeitraums eine Symptomverbesserung. Die Tape-Gruppe zeigte die beste Schmerzreduktion und eine bessere Funktion, jedoch keine Ver- änderung in der Kraft. Die Autoren schlussfolgern, dass das Tape eine zusätz- liche Verbesserung hinsichtlich Schmerzen und Funktion im Vergleich zur Standard- behandlung mit Schiene bewirkt. Fazit Das Tape erleichtert die Streckung des Handgelenks und unterstützt eine sta- bile Position für funktionelle Aktivitäten, ohne die Bewegung einzuschränken. cp 6 Diese dorsale Tapeanlage lindert Schmerzen und verbessert die Funktion bei Menschen mit Karpaltunnelsyndrom. (Quelle: C. Paries) Die Auswertung ergab, dass Patienten sig- nifikant stärkere funktionelle Beeinträchti- gungen nach 6–9 Monaten angaben, wenn sie berentet waren, Antidepressiva oder Opioide einnahmen, zu Beginn (1. Woche) stärker durch Schmerzen beeinträchtigt waren, den Schmerz schwarzmalten oder mehr Bewegungsangst zeigten. Ein höhe- res Alter sowie das weibliche Geschlecht waren ebenfalls starke Prädiktoren für Ein- schränkungen. Verletzungsschwere und Versorgungsart beeinflussten die Variabili- tät der Funktionseinschränkung hingegen nicht. Fazit Die Autoren schlussfolgern, dass frühzeitig Maßnahmen ergriffen werden sollten, wenn sich entsprechende Risiko- faktoren finden. Verhaltenstherapeutische Interventionen können helfen, die funktionelle Erholung von Patienten zu beschleunigen. cp Psychosoziale Faktoren beeinflussen Ausheilungs- ergebnis nach distaler Radiusfraktur Jayakumar P, Teunis T, Vranceanu A et al. Early psy- chological and social factors explain the recovery trajectory after distal radial fracture. J Bone Joint Surg Am 2020; 102: 788–795 Soziale und psychische Faktoren tragen stärker zur mittelfristigen Funktion nach distaler Radiusfraktur bei als klinische Parameter. Das ergab eine prospektive Studie der britischen Mediziner um Pra- kash Jayakumar von der Oxford University. Die Mediziner untersuchten bei 364 Pa- tienten den Einfluss von demografischen und psychosozialen Faktoren auf die Funktion nach 6–9 Monaten mithilfe des PROMIS UE (Patient-Reported Outcomes Measurement Information System Upper Extremity), des QuickDASH (Disabilities of the Arm, Shoulder and Hand Questionn- aire), des PRWE (Patient Related Wrist Evaluation) und des EQ-5D-3L (3-Level EuroQol 5 Dimension Index). Alle Fragebö- gen wurden nach < 1 Woche, 4–6 Wochen und 6–9 Monaten beantwortet. Praxis Handreha 2021; 2: 4–6 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Aus der Forschung Thieme Additive Fertigung Die additive Fertigung, auch als 3D- Druck bezeichnet, ist ein Verfahren zur Herstellung von dreidimensiona- len Produkten ausgehend von einem digitalen Modell [10]. Der Orthopä- dietechniker scannt zunächst die betroffene Hand des Klienten von allen Seiten (▶Abb. 2). Die einge- scannten Daten werden dann auf den Computer übertragen und können in Echtzeit überarbeitet und zur Herstel- lung an den Laserdrucker weitergelei- tet werden. Im additiven Herstellungs- verfahren wird der ausgewählte Kunststoff nun schichtweise spiralför- mig aufgebaut, um das Endprodukt zu formen. Die daraus entstehende Vor- spannung wirkt ähnlich wie eine Feder und ermöglicht eine Längenverände- rung der Orthese und somit eine Trak- tion im DSG. Fragestellung Inwiefern überschneiden sich die Erwar- tungen der Entwickler bzgl. Wirkung und Tragekomfort mit den Erfahrungen der Probanden? ▶Abb. 2 Für die Schiene aus dem 3D- Drucker wird die Hand des Patienten mit einem 3D-Scanner gescannt. (Quelle: Rahm Zentrum für Gesundheit GmbH) Methodik Wir führten eine Anwenderbefragung zu möglichen Effekten auf Schmerz und Lebensqualität von betroffenen Rhizar- throse-Klienten durch. Dafür erstellten wir handlungsorientierte und klientenzentrierte Fragebögen (▶Abb.3). Die Probandenanga- ben erhoben wir zu 3 verschiedenen Zeit- punkten: Vor der Orthesenversorgung (Messzeitpunkt A, kurz: MZP A) schätzten die Probanden Schmerz und Einschränkun- gen im Alltag ein. Nach 14 Tagen (Messzeit- punkt B) sowie nach 28 Tagen Tragedauer (Messzeitpunkt C) beantworteten die Pro- banden zusätzlich Fragen zur Lebensqualität mit der neuen Orthese. Dazu zählten bei- spielsweise Tragekomfort und Zufrieden- heit. Alle Antworten konnten durch Ankreuzen auf der numerischen Rating- Skala (0–10) angegeben werden. Schmerz Fragen zum Schmerzgeschehen untergliederten sich in folgende Bereiche: momentane Schmerzmitteleinnahme, sowie durchschnittliche Schmerzstärke und die Bewertung der Ausführbarkeit von Alltagsaktivitäten unter Berücksichtigung des Schmerzes. Lebensqualität Die Probanden bewerteten: ▪ Kraft, Beweglichkeit, Funktion und Sensibilität des Daumens ▪ die Ausführbarkeit verschiedener All- tagstätigkeiten und der eingeschätz- ten Wirksamkeit ▪ die Zufriedenheit mit der Orthese Die Ausführbarkeit verschiedener Alltagstä- tigkeiten erfragten wir bewusst 2 Mal: Ziel der Orthese ist es, die Betätigung im Alltag zu unterstützen. Zum einen vor dem Wie bewerten Sie Ihre schmerzbedingten Einschränkungen beim Einsatz der betroffenen Hand bei folgenden Tätigkeiten. Bewerten Sie von 0 (= nicht möglich) und 10 (= sehr gut möglich). a) Knöpfe öffnen/schließen (z.B. an Jeans) 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 nicht möglich sehr gut b) Reißverschluss öffnen/schließen 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 nicht möglich c) Zähne putzen sehr gut 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 nicht möglich d) Tube öffnen sehr gut 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 nicht möglich sehr gut e) Münze aus Geldbörse nehmen 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 nicht möglich f) Handy bedienen sehr gut 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 nicht möglich sehr gut ▶Abb. 3 Auszug aus dem Fragebogen zu Schmerz und Lebensqualität mit der „rios® RhizSpi- ral“-Orthese. (Quelle: D. Weyand, B. Steinbacher) 8 Praxis Handreha 2021; 2: 7–11 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Aus der Forschung Thieme auf Schmerzmittel verzichten. Die Proban- den gaben bereits nach 2 Wochen Trage- dauer eine Schmerzreduktion an (MZP A/B/ C: 5,7/4,3/3,6 Punkte); (▶Abb.4a). Die Alltagsaktivitäten bewerteten die Anwender mit Orthese (MZP B und C) bes- ser als ohne Orthese (MZP A). Ein deutli- cher Unterschied in der Ausführbarkeit zwischen den 3 Messzeitpunkten zeigte sich bei der Tätigkeit „Knöpfe öffnen/ schließen“ (4,05/5,8/6,1) (▶Abb. 4b). Bei einigen Tätigkeiten (Reißverschluss öffnen, Tube öffnen, Handy bedienen) sanken zwi- schen der 2. und der 3. Befragung die Punktwerte nach zunächst positiverer Bewertung wieder leicht. Das könnte da- rauf hindeuten, dass die Probanden nach anfänglich guten Fortschritten keine wei- tere feststellen konnten. Entwicklung mehr Die Punktwerte für Tätigkeiten, die einen größeren Kraftaufwand des Daumens bzw. ein festes Greifen erfordern, wie z. B. eine fest verschlossene Flasche öffnen oder putzen, stiegen in allen Bereichen an. (▶Abb. 4c). Nach Angaben der Anwender verbesserten sich Funktion (4,2/6,8/7,3) und Beweglich- keit (5/6,6/6,8) und zunächst auch die Kraft (3,4/5,6/5,3) des Daumens mit der Orthese (▶Abb. 4d). Die Sensibilität veränderte sich durch das Tragen der Orthese nur unwesentlich (6,7/7,4/7,3). Nach vierwöchiger Schienenapplikation scheint ein Gewöhnungseffekt einzutreten. Die durchschnittlichen Punktzahlen zum MZP C sind kaum höher als nach 2 Wochen Tragedauer oder sogar leicht rückläufig (Kraft und Sensibilität). Die Zufriedenheit mit der neuen Orthese wurde für Aussehen, Hautfreundlichkeit und Sicherheit im Durchschnitt mit 8,05– 8,48 von 10 Punkten bewertet. Die höchs- ten Werte erreichte die Reinigung (durch- schnittlich 9 Punkte). Material und Wirksamkeit lagen zwischen 7,45 und 7,9 Punkten. Die meisten persönlichen Anmerkungen auf den Fragebögen bezo- gen sich auf Schwierigkeiten beim An-/ Ausziehen Punkte) (▶Abb. 4e). der Orthese (6 Schlussfolgerung der belegen Ergebnisse durchgeführten Die Anwenderbefragung positive Effekte hinsichtlich Schmerzreduktion und Lebensqualität durch die neuartige Rhizar- throse-Orthese. ▶Tab. 1 Demografische Daten der eingeschlossenen Probanden. Variable Charakteristika absolut/relativ, n = 21 Alter in Jahren; M (±SD) Gewicht in kg; M (±SD) Größe in cm; M (±SD) Diagnose seit; M in Jahren (±SD) Geschlecht, Anzahl (%) 53,7 (±12,2) 79,6 (±18,1) 169,5 (±8,0) 3,58 (±3,55) männlich weiblich Händigkeit; Anzahl rechts links beide betroffene Seite rechts links beide berufstätig, Anzahl 2 19 18 2 1 8 7 6 16 9,5 90,5 85,71 9,52 4,76 38,1 33,33 28,57 76 Ruhigstellung Die bisher angenommene Notwendigkeit der des DSG mittels Orthese [11] konnten unsere Ergebnisse nicht bestätigen. Die Anwender gaben an, dass die Orthese eine Unterstützung beim Einsatz der betroffenen Hand im Alltag bietet, da sie Bewegung fördert. Die Bewertungen zur Zufriedenheit mit der Orthese waren überwiegend positiv. Auf- fallend aber waren die Anmerkungen der Anwender zu Schwierigkeiten beim An- und Ausziehen des Hilfsmittels. Zwischen- zeitlich hat die Herstellerfirma einen Flyer erstellt, der das Vorgehen beim An- und Ablegen der Orthese erläutert. Herkömmliche Orthesen, die das DSG lediglich ruhigstellen, machen zusätzliche stabilisierende und kräftigende Übungen notwendig. Die Ergebnisse der Befragung legen nahe, dass die neue Orthese den Einsatz der Hand nicht einschränkt. Durch den möglichst normalen Gebrauch der Hand im Alltag wird die gelenkstabilisie- rende Muskulatur bereits beim Tragen der Orthese „nebenbei“ trainiert. Dennoch empfehlen wir zusätzlich zur Orthesenver- sorgung eine ergo-/physiotherapeutische Beratung und Behandlung. Zukünftig könnte eine randomisierte kon- trollierte Studie die ermittelte Wirkung untersuchen. Die Verbesserung von Kraft und Handbeweglichkeit könnte zusätzlich durch objektive physikalische Messungen mittels Dynamometer, Pinch-Gauge, Gonio- meter oder Nine-Hole-Peg-Test überprüft werden. Autorinnen/Autoren Daniela Weyand Ergotherapeutin BSc Thera- piewissenschaften/Ergothera- pie. Arbeitet in einer ambulanten Praxis mit Schwerpunkt Neurologie und Handtherapie. Barbara Steinbacher Ergotherapeutin BSc Thera- piewissenschaften/Ergothera- pie. Arbeitet in einer ambulanten Ergotherapie- praxis. 10 Praxis Handreha 2021; 2: 7–11 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Veranstaltungsbericht Thieme Der gemeinsame Kongress der DGH und DAHTH fand 2020 mit viel Abstand statt. (Quelle: M. Andes) DGH- und DAHTH-Kongress Vom 8. bis zum 10. Oktober fand der 60. Jahreskongress der Deutschen Ge- sellschaft für Handchirurgie (DGH) gemeinsam mit dem 24. Kongress der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Handtherapie e. V. (DAHTH) in Müns- ter statt. Groß war die Freude, dass der DGH- und DAHTH-Kongress trotz der Corona-Pande- mie als Präsenzveranstaltung realisiert werden konnte. Mit den Worten „Dass wir uns heute treffen, grenzt an ein halbes Wunder – und es geschafft“, beschrieb Dr. med. Richter die Situation treffend. haben wir doch Ein gelungenes Hygienekonzept In diesem Jahr war die Teilnehmerzahl auf 500 limitiert und die Registrierung erfolgte ausschließlich online. Mund-Nasen-Schutz sowie Desinfektion stellten die Veranstalter zur Verfügung. Wer hineinkam sah, dass die Industrie mit großzügigem Abstand aufgestellt war. Weg- führungen auf dem Boden und Einbahnstra- ßen erleichterten die Orientierung und die Einhaltung des Mindestabstandes, auch wenn man einige Meter zusätzlich laufen musste (▶Abb. 1). Die Cateringstationen verpackten das Essen separat und die Plätze für den Verzehr waren gekennzeichnet. Für die unterschiedlichen Gesellschaften sah das Programm jeweils nur einen Saal mit festgelegten Sitzplätzen vor. Ein Wechseln der Räume wurde dadurch ver- mieden, für gemeinsame Sitzungen gab es Live-Übertragungen. Leider kamen Dis- kussionen aufgrund des straffen Zeitpla- nes zu kurz oder wurden ganz gestrichen. Vielfältig und Inspirierend Vorträge zu Rhizarthrose, Sehnenchirurgie in der WALANT-Technik, Weichteilverlet- zungen bis hin zur gezielten Ernährung bereicherten den Kongress. Auch psychi- sche Erkrankungen sowie Infektionen der Hand waren Thema. 12 Praxis Handreha 2021; 2: 12–13 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Schwerpunkt | Einführung Thieme Entstauungstherapie bei Ödemen der Hand Günther Bringezu Ödeme sind ein häufiges Symptom nach Verletzungen und Operationen der Hand. Aber auch entzündliche Ursachen und Inaktivität bringen Schwellungen mit sich. Erfahren Sie, wie die verschiedenen Ödeme aus gewebephysiologischer Sicht entstehen und wie Sie sie umfassend behandeln können. Ödeme sind Flüssigkeitseinlagerungen im interstitiellen Bindegewebe mit der Folge einer Gewebeschwellung. Das Interstitium ist der Zwischenzellraum oder Interzellular- raum, also der Flüssigkeitsraum, der alle Zellen unmittelbar umgibt. Ödeme stellen ein Symptom für eine Störung des Flüssigkeitsgleichgewichtes oder eine unphysiologische Vermehrung der interstitiellen Flüssigkeit dar. Anzeichen sind eine anatomische Formveränderung, verbunden mit gleichzeitiger Dellbarkeit des Gewebes (▶Abb.1). Um nachvollziehen zu können, wie ein Ödem entsteht, und um die Behandlung ableiten zu können, müssen wir zunächst verstehen, wie Blut- und Lymphgefäßsystem zusammenarbeiten. ▶Abb. 1 Ödeme sind ein häufiges Symptom nach Verlet- zungen und Operationen der Hand. (Quelle: G. Bringezu) Physiologie des Blut- und Lymphgefäßsystems Während das Blutgefäßsystem einen in sich geschlosse- nen Kreislauf bildet, ist das Lymphgefäßsystem als Einbahnstraße zu verstehen. Physiologisch arbeiten beide Transportsysteme zusammen. Sie kommunizieren sowohl über den Stoffwechsel im Kapillargebiet als auch direkt über ihre Verbindung in den Venenwinkeln. Dort wird die eiweißreiche Flüssigkeit des Lymphsystems dem venösen Blut zugeführt. Pathophysiologische Funktions- veränderungen an einem oder beiden Gefäßsystemen können eine Ödementwicklung zur Folge haben. Blutkreislauf Der Blutkreislauf hat vor allem Transportaufgaben. Mit dem Blut transportiert er Wärme, Nährstoffe und Gase. Im Bereich der Arteriolen, Blutkapillaren und Venolen fin- den die Austauschvorgänge (Stoffwechsel) statt, womit die Zellversorgung sichergestellt wird (▶Abb. 2). (Ultra-)Filtration Im Kapillarbereich werden innerhalb von 24 Stunden ca. 20–25 Liter Ultrafiltrat aus dem Blut- gefäßsystem in den Zwischenzellraum transportiert [1] [2]. Hierfür sorgen im Wesentlichen 2 Kräfte: Der Blut- druck in der Blutkapillare (= intrakapillärer Blutdruck) ist die Hauptfiltrationskraft. Er presst Wasser und gelöste Stoffe ins Interstitium. Im Verlauf der Blutkapillare nimmt der intrakapilläre Blutdruck von etwa 35 mmHG auf 15 mmHG ab. Die Proteine im Interstitium halten die filtrierte Flüssigkeit im Gewebe, weil Eiweiße hydrata- tionsfähig sind (also Wassermoleküle wie ein Magnet anziehen). Diese 2. Filtrationskraft nennt man den onko- tischen Sog der Gewebeeiweiße. Resorption Über den venösen Rücktransport werden die Stoffwechselendprodukte dann aus dem Zwi- schenzellraum eliminiert. Dieser Vorgang wird als Reabsorption bzw. Resorption bezeichnet. Sie wird hauptsächlich über die Plasmaproteine in den Gefä- ßen (= onkotischer oder osmotischer Sog/Druck der Bluteiweiße) realisiert. 14 Bringezu G. Entstauungstherapie bei Ödemen … Praxis Handreha 2021; 2: 14–24 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Schwerpunkt | Einführung Thieme Es ist somit nicht verwunderlich, dass sich pathologische Veränderungen des Blut- und Lymphgefäßsystems zwangsläufig auch auf Zu- und Abstrom im Zwischenzell- raum bemerkbar machen. Lymphgefäßsystem Der anatomische Aufbau des Lymphgefäßsystems setzt sich aus 2 Anteilen zusammen. Dies sind zum einen die lymphatischen Organe, zu denen auch die Lymphknoten gehören. Zum anderen die eigentlichen Lymphgefäße, die uns an dieser Stelle besonders interessieren. HIER ARCHIE DES LYMPHGEFÄßSYSTEMS initiale Lymphgefäße = Lymphkapillaren ↓ Präkollektoren und Lymphbahnen mit Lymphknoten ↓ Lymph(gefäß)stämme ↓ Venenwinkel (Übergang zum Venensystem) Das Lymphgefäßsystem beginnt „blind“ im Gewebe. Lymphkapillare (sog. initiale Lymphgefäße) nehmen die lymphpflichtige Last (siehe Box lymphpflichtige Last/ Lymphe) aus dem Interstitium auf (▶Abb. 2). Innerhalb von 24 Stunden fallen insgesamt etwa 5–7 Liter Primär- lymphe an, die vom Lymphgefäßsystem aufgenommen und abtransportiert werden. Zuflüsse von den zervikalen/jugularen Lymphknoten Zuflüsse von den axillären Lymphknoten Zuflüsse von den axillären Lymphknoten Zuflüsse aus dem thorakalen/ abdominalen Raum ▶Abb. 3 Das Lymphgefäßsystem endet an seiner Mündung in die Venen- winkel. Die Abbildung zeigt die Zuflüsse in den rechten und linken Venen- winkel. (Quelle: G. Bringezu; grafische Umsetzung: Thieme Verlagsgruppe) Die Lymphbahnen (auch als Lymphkollektoren bezeich- net) befördern dann als Transportsystem den Inhalt (die Lymphe, siehe Box lymphpflichige Last/Lymphe) in proxi- male/zentrale Richtung und durch die zwischengeschal- teten Lymphknoten. Die ca. 500–700 Lymphknoten, die ein Mensch besitzt, fungieren u. a. als Filterorgane. Dort werden ca. 50 % der Primärlymphe in die örtlichen Blut- kapillare resorbiert: Der Lymphflüssigkeit wird also Was- ser entzogen. Die verbleibende Restmenge an Lymphe (=Sekundärlym- phe, ca. 2–3 Liter) gelangt über den rechten und linken Venenwinkel (Angulus venosus dexter et sinister) in den Blutkreislauf. Hier endet das Lymphgefäßsystem (▶Abb.3). LYMPHPFLICHTIGE L AST/ LYMPHE Die durch das Lymphgefäßsystem aus dem Intersti- tium aufzunehmenden Substanzen werden allge- mein als lymphpflichtige Last bezeichnet; der Inhalt der Lymphgefäße hingegen als Lymphe. Lymphangiomotorik Die Lymphgefäße sind in der Lage, sich abschnittsweise, d. h. Segment, für Seg- ment zu kontrahieren. Möglich wird die Kontraktion dieser sog. Lymphangione durch ein muskelführendes Mittelstück, das von vegetativen Fasern innerviert wird. Es handelt sich dabei offenbar um efferente Fasern des Sympathikus. Die Kontraktionen werden vor allem durch den Anstieg des Gefäßinnendruckes bewirkt. Die damit wiederum verbundene Wandspan- nung führt möglicherweise im Zusammenspiel mit Gefäßspannungsrezeptoren ab einem bestimmten Punkt zu einem auslösenden Reiz, also zur Kontrak- tion der glatten Muskelzellen der Media. Neben dieser direkten Funktion zur Realisierung des Lymphtransportes sind weitere unterstützende Mecha- nismen für einen umfassenden lymphatischen Rück- transport unverzichtbar. Dazu zählen: ▪ Muskel- und Gelenkpumpen (an den Extremitäten) ▪ Atmung (intrathorakal und intraabdominell) ▪ Pulsation der Arterien (intermuskulär) ▪ Peristaltik des Darmes (intraabdominell) Wie entsteht ein Ödem? Immer wenn es zu einem Volumenmissverhältnis zwischen Zu- und Abstrom im Interstitium kommt, besteht latent die Gefahr einer pathologischen Zunahme der Flüssigkeit im Gewebe. Die Ursachen für dieses Miss- verhältnis sind vielfältig. Je nach Zustandsbild des Lymph- systems unterscheiden wir lymphodynamische und lymphostatische Ödeme: Lymphodynamische Ödeme entstehen durch eine Überlastung des (intakten) Lymph- systems. Lymphostatische Ödeme hingegen entstehen 16 Bringezu G. Entstauungstherapie bei Ödemen … Praxis Handreha 2021; 2: 14–24 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Schwerpunkt | Einführung Thieme Entzündliche Ödeme ▶Abb. 6 Ödeme der Hand bei rheumatoider Arthri- tis. Die Schwellung entsteht durch die entzündungs- bedingte Permeabilitätserhöhung der Gefäße. (Quelle: G. Bringezu) Auch hier handelt es sich um eiweißreiche Ödeme. Bedingt sind sie durch Veränderungen an der Basalmem- bran der Blutkapillaren, die durch den Entzündungsvor- gang hervorgerufen wurden. Entzündungsmediatoren bewirken eine erhebliche Permeabilitätserhöhung dieser Gefäße. Die Folge ist ein verstärkter Transport von Ultra- filtrat und Plasmaproteinen in das Gewebe, wodurch sich die Ödemzusammensetzung erklärt. Dies trifft beispiels- weise beim komplexen regionalen Schmerzsyndrom (kurz CRPS) und bei rheumatischen Schwellungen zu (▶Abb. 6). Die Anwendung der Lymphdrainage bei Arthritis und CRPS kann im eigentlichen Schwellungsgebiet nicht rea- lisiert werden, wenn z. B. entzündliche Schübe und eine damit verbundene Hyperalgesie vorherrschen. Patienten tolerieren eine Behandlung dann kaum. Dennoch emp- fehle ich die Lymphdrainage durchzuführen, und zwar in den proximalen Körperregionen, heran bis an die Schmerzregion. Es ist zu erwarten, dass dadurch der Behandlungsvorteil auch auf das Ödemgebiet selbst in erheblichem Maße wirkt. ▪ Handelt es sich um eine sterile Entzündung, das heißt, sind keinerlei Erreger ursächlich, besteht mei- nes Erachtens eine absolute Verpflichtung zur Mitbe- handlung des Ödems. ▪ Handelt es sich jedoch um eine erregerbedingte Ent- zündung, wie z. B. beim Erysipel, ist eine Behandlung des Ödems mit Manueller Lymphdrainage wegen der Streuungsgefahr absolut kontraindiziert. Inaktivitätsödeme Ödeme können sich auch bei inaktiven Muskel- und Gelenkpumpen entwickeln. Dies ist beispielsweise nach Lähmungen wie beim Zustand nach Apoplexie oder Arm- plexuslähmung der Fall. Diese Ödeme entstehen, weil wichtige Faktoren, die die Lymphangiomotik wesentlich unterstützen (wie die Muskel- und Gelenkpumpe), fehlen oder völlig unzureichend sind. Das Lymphgefäßsystem ist vollkommen gesund und leistungsfähig, jedoch kann wegen des Ausfalls der unterstützenden Faktoren eine Ödementwicklung oft leider nicht verhindert werden [3][4][5]. Entstauungstherapie Die Therapieform Manuelle Lymphdrainage/komplexe physikalische Entstauungstherapie (MLD/KPE) machten Anfang der 1940er Jahre die Dänen Dr. Emil Vodder und seine Frau Estrid erstmals in der Öffentlichkeit bekannt. Zunächst basierte diese Methode auf Empirie, bis 1974 der Mediziner Dr. med. Asdonk den wissenschaftlichen Beweis der Wirksamkeit der Manuellen Lymphdrainage gegenüber den Kostenträgern erbrachte. Seitdem ist die Anwendung der MLD/KPE als Abrechnungsposition für die Berufsgruppen der Physiotherapie und Massage aner- kannt. Voraussetzung ist die erfolgreiche Absolvierung eines Weiterbildungskurses an einer anerkannten Lehr- stätte mit mindestens 170 Unterrichtseinheiten. In den Folgejahren erbrachten Mediziner, die sich der Lym- phologie verschrieben hatten, zahlreiche weitere wissen- schaftlichen Erkenntnisse, was schließlich zur Akzeptanz der Therapieform MLD/KPE als „Evidenz-Medizin“ in der Behandlung von Ödemen unterschiedlicher Genese führte. Auch den anerkannten Lehrstätten für MLD/KPE, insbeson- dere den dort tätigen speziell ausgebildeten Fachlehrern, gebührt der Dank, mit dazu beigetragen zu haben, dass Behandlungskonzepte entwickelt und bestehende Griffaus- führungen ergänzt und optimiert wurden. Zusammengefasst sind folgende Wirkungen der MLD- Griffe wissenschaftlich gestützt: ▪ Anregung der Lymphangiomotorik/Leistungssteige- rung der Lymphgefäßtätigkeit ▪ Ödemflüssigkeitsverschiebung durch das Interstitium (über Haut-Unterhaut-Bereich) ▪ Induzieren von Entspannung (Vagotonisierung/ Sedierung) ▪ Schmerzlinderung ▪ Wirkung auf den Muskeltonus (Skelettmuskulatur, glatte Muskulatur und Herzmuskulatur) Stellt man die Wirkungen der MLD der Pathophysiologie von Ödemen gegenüber, wird schnell deutlich, dass es sich hier um eine Idealkonstellation handelt. Zu beachten sind die Kontraindikationen der MLD. Dazu zählen: ▪ maligne Tumore vor Abschluss der ärztlichen Primärtherapie ▪ akute erregerbedingte Infekte (z. B. Erysipel) 18 Bringezu G. Entstauungstherapie bei Ödemen … Praxis Handreha 2021; 2: 14–24 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Schwerpunkt | Einführung Thieme die Übergangssituation vom Lymph- zum Blutgefäßsys- tem zu optimieren (▶Abb. 7). Für die nachfolgende Behandlung des Armes ist dies mit Sicherheit von Vorteil. Weiter in der Achsel Die Behandlung des Armes beginnt proximal auf den Lymphknoten der Achselhöhle, wohin neben der Haut der Brust und des Rückens der gesamte Arm (auch intramus- kulär) lymphatisch entsorgt (▶Abb. 8). Mit sogenannten stehenden Kreisen werden auf den Lymphknoten dieser Region (variabel, ca. 10–50 Lymphknoten) mit dem gebotenen Druck und unter Beachtung der exakten Topografie deutliche Verformungsreize sichergestellt (▶Abb. 9). So kann der Therapeut die Lymphknoten for- ciert entleeren. Weil bei unterschiedlichem Ausmaß des Ödems am Arm und/oder der Hand auch die Belastung der Lymphknoten verschieden ausgeprägt ist, sollten Therapeuten den zeitlichen Aufwand der Griffe und deren Wiederholungen darauf einstellen. Armbehandlung Oberarm Es erfolgt danach die Behandlung des Oberar- mes (▶Abb. 10a). Hier beschränkt sich die Grifftechnik lediglich auf die Anregung der Lymphangiomotorik. Da die Lymphgefäße hier intakt sind, ist mit guter Technik bei der Griffausführung mit wenig Zeitaufwand recht rasch das Ziel erreicht. Ellenbeuge Es schließt sich die Behandlung der Ellen- bogenregion (Cubita) an (▶Abb. 10b), insbesondere der dort vorhandenen ca. 2–10 Lymphknoten (Anzahl varia- bel). Gerade hier sollte besondere Sorgfalt geboten sein, da der Unterarm größtenteils zu den Lymphkno- ten der Ellenbeuge entsorgt. Nur das radiale Gefäßbün- del und Teile des ulnaren Gefäßbündels der Haut entsorgen medial am Ellenbogengelenk vorbei, direkt zur Achselhöhle (▶Abb. 8). ▶Abb. 9 Zunächst entleert der Therapeut die Lymphkno- ten der Achselhöhle. (Quelle: G. Bringezu) Unterarm Nach ausreichender Behandlung der kubita- len Lymphknoten und des Ellenbogens sind besonders gute Voraussetzungen geschaffen, sich dem geschwolle- nen Unterarm und vor allem der Hand zuzuwenden (▶Abb. 10c). Im Gegensatz zur beschriebenen Vorge- hensweise am Oberarm, die prinzipiell auch für den Unterarm zutrifft, ist die Wiederholungshäufigkeit der Griffe zu steigern und die Grifffrequenz etwas zu verlang- samen. Als Grund dafür gilt einerseits die Überlastung der Lymphgefäße im hier befindlichen Ödemgebiet, etwaige Traumatisierungen von Lymphgefäßen durch operative Interventionen und letztlich auch die Tatsache, dass es sich um ein eiweißreiches Ödem mit gelartiger Konsistenz handelt. Letzteres hat zur Folge, dass die Ver- schiebung von Ödemflüssigkeiten durch den Interzellu- larraum weitaus schwieriger ist. Das therapeutische Verständnis, eine individuell auf die Ödemkonsistenz ausgerichtete Griffapplikation zu erlan- gen, ist wesentlicher Bestandteil einer jeden Lymphdrai- nageaus- bzw. -weiterbildung. Handbehandlung Je mehr Sorgfalt bei der Unterarmbehandlung ange- wandt wurde, desto mehr Ödemreduktion ist bei der anschließenden Behandlung der Hand zu erwarten. Die Ausführungskriterien der Griffe sind gleich wie vorab für den Unterarm beschrieben. Allerdings emp- fehle ich an dieser Stelle zu überlegen, ob es sinnvoll wäre, ein Nacharbeiten über Unterarm, Ellenbogenge- lenk und Oberarm zur Achselhöhle und die neuerliche Entleerung der dortigen Lymphknoten einzuplanen, dann jedoch wieder direkt zur Handbehandlung zurückzukehren. Wir empfehlen in der Region Hand folgende Herange- hensweise, die sich an der Topografie der Lymphgefäße (▶Abb. 11) orientiert: ▪ Behandlung des Handgelenkes von ventral und dorsal ▪ Behandlung des Handrückens (▶Abb. 12a) ▪ Behandlung der Palmarseite der Hand (▶Abb. 12b) ▪ Behandlung der Finger, palmar ▪ Behandlung der Finger, dorsal (▶Abb. 12c) ▪ Behandlung der Finger, radial und ulnar Auch hier müssen sich Therapeuten in der Methodik und Auswahl der Griffe an den anatomischen Gegebenheiten und dem Ödembefund orientieren. Nacharbeiten Nach erfolgter Handbehandlung beendet der Therapeut die MLD-Sitzung mit einem Nacharbeiten. Dies beinhal- tet die abschließende Behandlung über den Regionen Unterarm, Ellenbogen und Oberarm bis hin zu den axillä- ren Lymphknoten. 20 Bringezu G. Entstauungstherapie bei Ödemen … Praxis Handreha 2021; 2: 14–24 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Schwerpunkt | Einführung Thieme ▶Abb. 13 Innerhalb der Narbenbehandlung drainiert der Therapeut die Lymphflüssigkeit von der Narbe weg und in eine proximale Richtung. (Quelle: G. Bringezu) ▶Abb. 15 Kompressionsbehandlung des Arms mit einem Kompressionshandschuh und querelastischem Schlauch- kompressionsmaterial. (Quelle: G. Bringezu) ▪ mechanisches Einwirken auf das Narbengewebe z. B. mit bekannten Weichteiltechniken/Massage oder mit Saug- bzw. Vakuumglocken (wegen moderaterer Reizstärke bevorzugt Glocken aus Gummi) ▪ bei äußerst hartnäckigen Narbenveränderungen das Narbengewebe, falls möglich, komprimieren und/ oder mit elastischen Tapes versorgen, um bei Alltags- bewegungen über längere Zeiträume mobilisierende Wirkungen zu realisieren ▪ Eine erfolgreiche Mitbehandlung der Narbe beein- flusst die Beweglichkeit sowie, damit verbunden die eigentliche Ödembehandlung günstig. Kompressionstherapie Die jahrelange Praxis hat gezeigt, dass eine Ödembe- handlung ohne begleitende Kompressionstherapie kaum erfolgreich ist. Es ist unstrittig, dass durch die Kombina- tion von MLD und Kompression optimale, nachhaltige Ergebnisse zu generieren sind (sofern keine Kontraindi- kationen entgegenstehen). Wirkung Die Kompression führt zur Ödemreduktion: zum einen durch Flüssigkeitsverdrängung nachproxi- mal und zum anderen ändert sie den Gewebedruck von negativ zu positiv. Dies führt zu einer Resorp- tionsoptimierung. Zudem verbessert die im Alltag stattfindende unter Kompression die Lymphbildung, das heißt, die Lymph- kapillaren füllen sich häufiger auf. ▶Abb. 14 fasst die Wirkungen der Kompressionstherapie bei postoperati- ven Ödemen zusammen. ständige Gewebeverformung Material Ob für die Kompression bestimmte Banda- gen aus Sanitätshäusern oder aber Materialien, die von der Industrie vorgehalten werden, zu bevorzugen sind, ist dabei zweitrangig. Ich empfehle den Einsatz von sogenanntem querelastischen Schlauchkompressions- material, das von der Industrie in verschiedenen Größen angeboten wird (▶Abb. 15). Es hat eine sehr einfache Handhabung, ist kosten- und zeitsparend gegenüber es traditionellen Kompressionen. Außerdem ist Kompressionstherapie bei postoperativem Ödem von Hand und Unterarm Verbesserung der Stabilität des komprimierten Gelenks (Schmerzlinderung und Spasmolyse der Lymphgefäße) Verdrängung der Ödemflüssigkeit nach proximal (extrafaszial) Erhöhung des Gewebedrucks = (Resorptionsförderung) Schonung und Mitbehandlung des Narbengewebes mehr Sicherheit bei der Bewegung begegnet der Angst vor Retraumatisierung mehr Mut zur Bewegung Ökonomisierung der Muskel und Gelenkpumpen (extra- und intramuskulär) aktive funktionelle Entstauung optimale Ergänzung zur MLD-Behandlung ↓ insgesamt Verbesserung von Entstauungsergebnissen ▶Abb. 14 Wirkung der Kompressionstherapie. (Quelle: G. Bringezu, grafische Umsetzung: Thieme Verlagsgruppe) 22 Bringezu G. Entstauungstherapie bei Ödemen … Praxis Handreha 2021; 2: 14–24 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Schwerpunkt | Einführung Thieme der jeweiligen, den Erfordernissen angepassten Tempe- ratur zu treffen. Es gilt folgender Grundsatz: Autorinnen/Autoren Merke Je wärmer die Temperatur des Gewebes ist, desto weniger kalt sollte das Medium sein, mit dem Wärme- entzug praktiziert wird. Lokale Wärmeanwendungen Die Applikation von Wärme führt lokal zu einer Hyper- ämie, die dann durch Anstieg der Ultrafiltration zu gewis- sen Verflüssigungseffekten des Ödems führt. Für MLD- Grifftechniken ergibt sich daraus eine leichtere/ergiebi- gere Verschiebung der Ödemflüssigkeit. Zudem schafft die Viskositätsänderung günstige Voraussetzungen für die Kompressionstherapie. Aus diesem Grund ist es vor- teilhaft, eine geplante Wärmeanwendung vor der eigent- lichen MLD-Behandlung vorzusehen. Dies ist sinnvoll, wenn es neben dem Ödem keinerlei weitere Reizzu- stände im Gewebe gibt, das Ödem sich jedoch palpato- risch als gelartige Konsistenz zeigt. Therapeuten können lokale Wärme in Form von Teilbädern für Unterarm und Hand, Wärmepackungen, Wärmebestrahlung, warmen Kompressen oder Auflagen applizieren. Ergänzende Maßnahmen Im Zuge der Ödembehandlung sind je nach Befund und Möglichkeiten folgende Maßnahmen erwägenswert, aber nicht zwingend: ▪ Lymphtaping ▪ Elektrotherapie ▪ Hochlagerung Oft wird die Hochlagerung als Ersatz zur MLD angeprie- sen. Jedoch reagieren postoperative/-traumatische und entzündliche Ödeme aufgrund ihrer eiweißreichen Flüs- sigkeit kaum nennenswert auf Hochlagerung. Gleiches gilt auch für Inaktivitätsödeme. Meiner Ansicht nach sind vermeintliche und manchmal auch postulierte Indikationen, Ödeme zu behandeln, wie Kryotherapie, heiße Rolle, Hochlagerung, Wrapping, Taping, Faszientherapie oder Flossing kaum oder über- haupt nicht wirksam. Schon gar nicht nehmen diese Ver- fahren positiven Einfluss auf das Lymphgefäßsystem und auf das Ödemgeschehen im Interstitium. Allenfalls kann darüber diskutiert werden, ob es hier um eine sinnvolle Ergänzung zur MLD/KPE geht. Günther Bringezu Fachlehrer für Manuelle Lymphdrainage/KPE. Er ist ausgebildeter Masseur und med. Bademeis- ter und Mitbegründer des Lehrinstitutes „Physi- kalische Therapie und Sportmedizin“ (später Akademie Damp/Ostsee) sowie der Arbeitsge- meinschaft der Lymphdrainageschulen. Außer- dem ist er Autor verschiedener Publikationen, z. B. des Fachbuches „Lehrbuch der Ent- stauungstherapie“ sowie Vorsitzender des Prü- fungsausschusses zur Prüfung von Fachlehrern/-lehrerinnen MLD/KPE in Österreich. Korrespondenzadresse Carlshöhe 15 24340 Eckernförde Deutschland www.guenther-bringezu.de Literatur [1] [2] [3] Schad H. Gilt die Starlingsche Hypothese noch? LymphForsch 2009; 13(2): 71–77 Brenner E. Das Lymphgefäßsystem und das Starlingsche Gleichgewicht. LymphForsch 2018; 22(1): 9–13 Trettin H, Schreiner O. Ödeme bei Erkrankungen des zentra- len und peripheren Nervensystems. In: Bringezu G, Hrsg Schreiner O. Lehrbuch der Entstauungstherapie. 4. Aufl. Ber- lin, Heidelberg: Springer 2014: 493–502 [4] Werner GT, Gerhards W, Goede G, Schütte B. Stellenwert der manuellen Lymphdrainage bei der klinischen Rehabilitation von Patienten mit Schlaganfall und Schädel-Hirn-Verletzung. In: Jahresband Lymphologica. Kager Kommunikation, Bonn 1992: 87–89 [5] Schütte B, Gerhards W, Werner GT. Zur Ursache von Ödemen in gelähmten Extremitäten – eine lymphszintigraphische Untersuchung. Phys Rehab Kur Med 1996; 6(5): 196–198 [6] Wingerden B van. Eistherapie – kontraindiziert bei Sportver- letzungen? Leistungssport 1992; 22(2): 5–8 [7] Eder K. Rehabilitation und Physiotherapie im Fußball. Dtsch Z Sportmed 1989; 49: 198–203 Weiterführende Literatur [8] Bringezu G, Schreiner O. Lehrbuch der Entstauungstherapie. 4. Aufl. Berlin, Heidelberg: Springer 2014 [9] Deutsche Gesellschaft für Lymphologie (DGL, www.dglymph.de) 24 Bringezu G. Entstauungstherapie bei Ödemen … Praxis Handreha 2021; 2: 14–24 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Schwerpunkt | Vertiefung Thieme ▶Tab. 1 Ursachengruppen für CRPS nach Schwartzmann und Rothkirch [14]. Kategorie mögliche Ursachen periphere Ursachen zentrale Ursachen Fraktur, Distorsion, Operation, Weichteilver- letzung, Arthritis, Infektion, Vaskulitis, Tendi- nitis, Bursitis, Thrombose, Tumorerkrankung, Aortenverletzung, Herpes Zoster, Plexuslä- sion, Radikulopathie, periphere Nervenläsion, Nervenkompressionssyndrom, Immobilisa- tion, Myokardinfarkt, Polymyalgia rheuma- tica, Verbrennung, Erfrierung, Lungenfibrose Schädel-Hirn-Trauma, Hirninfarkt, Hirntu- mor, Subarachnoidalblutung, Rückenmarks- verletzung, Syringomyelie, Poliomyelitis, amyotrophe Lateralsklerose, zervikale Osteoarthritis, Myelographie, Spinalanästhesie andere Ursachen idiopathisch, genetisch, Immobilisation, Medikamenteneinnahme, Überbeanspruchung ▪ neuronaler Plastizität des ZNS bei länger andauern- dem CRPS. Wird das CRPS in der frühen Phase nicht adäquat behandelt, kommt es zu Symptomen, die durch eine periphere Pathologie nicht mehr erklärt werden können. Schmerz bei Handbewegungen führt zu einem erlernten Nichtgebrauch, woraus wiederum ein pathologisches Bewegungsmuster mit weiteren Schmerzen entsteht. Zudem kommt es wahrschein- lich zu einer schmerzbedingten Reorganisation im Gehirn: Die betroffene Extremität wird nicht mehr richtig wahrgenommen. ▪ fehlgeleiteter Sympathikusaktivität. Dass das vegeta- tive Nervensystem eine Rolle spielt, ist unbestritten. Aber ob der Sympathikus ursächlich beteiligt ist, so wie früher angenommen, wird weiterhin diskutiert. ▪ psychosozialen Faktoren. Psychische Leiden sind nicht an der Entstehung des CRPS beteiligt, jedoch an der Aufrechterhaltung derer Symptome [1]. Klinisches Bild Der Beginn des CRPS I ist meist akut. Er tritt entweder primär, am Tag des auslösenden Ereignisses, oder sekun- där, Wochen bis Monate später, auf. Letzteres ist häufig nach einem zweiten traumatisierenden Vorfall wie Repo- sition, Druckbelastung im Gips oder Krankengymnastik der Fall [17][18][19]. Fast obligatorisch werden nicht geschädigte Regionen befallen, meist mit nach distal gerichteter Ausbreitung [20][21][22]. Ein Ausbreiten der Symptomatik auf andere Extremitäten ist sehr selten. Die erwarteten Heilungsparameter verlaufen unange- messen stark und länger als angenommen. Bei Patienten mit CRPS finden sich ▪ Störungen der Sensorik, ▪ Störungen der Motorik, ▪ Störungen des vegetativen Nervensystems, ▪ Störungen der Gewebetrophik, ▪ psychische Störungen [12]. Diese Symptome sind keine direkte Traumafolge mehr, sie generalisieren. Das bedeutet, dass die Symptomatik außerhalb des betroffenen Traumagebietes auftritt und unabhängig von den Dermatomen einer Nervenwurzel ist. Es ist fast die gesamte distale Extremität betroffen. Sensorische Symptome äußern sich vor allem in Form von Schmerz und Sensibilitätsstörungen. Diese treten meist in Ruhe auf und verstärken sich bei Belastung [12]. Die periartikulären Strukturen zeigen sich hyperalgetisch (Druckhyperalgesie). Oft entsteht eine Allodynie, vor allem für mechanische Reize [1][12][23]. Zudem sind Störungen der Körperwahrnehmung und des Körper- schemas typisch für Patienten mit CRPS [1][24]. Motorisch gesehen zeigt sich das CRPS mit einer aktiven und passiven Bewegungseinschränkung. Außerdem kann es zu Störungen der Feinmotorik, Dystonien, verminder- ter Kraft und Pseudoparesen kommen [25]. Auf dem Gebiet des autonomen Nervensystems verändert sich die Hautdurchblutung und damit auch die Hautfarbe (▶Abb. 1). Zudem erhöht sich die und -temperatur Schweißsekretion und es kommt zu einem Ödem [1] [26]. Zwar ist CRPS nicht – wie früher angenommen – eine reine Störung des Sympathikus. Doch spielt dieser natürlich keine unwichtige Rolle dabei. ▶Abb. 1 Komplexes regionales Schmerzsyndrom an der rechten Hand. Deutlich zu erkennen sind die Schwellung, Rötung und der vermehrte Haarwuchs an der betroffenen Hand. (Quelle: Simmel S, Melf-Marzi A. Schmerzrehabilita- tion beim CRPS. Die Rehabilitation 2019; 58(3): 172–180) 26 Veit K et al. Komplexes regionales Schmerzsyndrom. Praxis Handreha 2021; 2: 25–33 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Schwerpunkt | Vertiefung Thieme konservativ behandelten distalen Radiusfraktur nach einer Woche immer noch ≥ 5 (von 10) sind, stellen ein gesteigertes Risiko für ein CRPS dar. Zudem hilft das Vor- handensein einer Druck-Hyperalgesie der Gelenke distal einer Fraktur/Operationsstelle, die klinische Diagnose zu sichern [12]. Der CRPS Severity Score (CSS) kann eine Dokumentationshilfe bei der Verlaufsbeobachtung sein [25]. ▶Abb. 3 zeigt die Zusammenfassung der CRPS- Diagnostik. Multimodale Schmerztherapie Die moderne Therapie des CRPS beinhaltet ein multimo- dales Behandlungskonzept. Zu den Basistherapieformen gehören neben der Physio- und Ergotherapie die medika- mentöse Therapie sowie die Psychotherapie [29]. Zwei wichtige Behandlungsziele sind die Schmerzkontrolle und das Wiedererlangen der Funktion. Wir unterscheiden: ▪ medikamentöse Therapie ▪ rehabilitative Therapie ▪ psychotherapeutische Verfahren ▪ interventionelle Therapie Medikamentöse Therapie Die medikamentöse Therapie kann systemisch oder lokal angewendet werden. Die systemische medikamentöse Therapie erfolgt mit: ▪ Bisphosphonaten (hemmen Osteoklastenaktivität; wirken entzündungshemmend) ▪ Steroiden (wirkt antiinflammatorisch und antiödematös) ▪ N-Acetylcysteinen (NAC), (fangen freie Radikale) ▪ Medikamenten gegen Schmerzen und Sensibilitäts- störungen (Gabapentin, Ketamin und Memantine (NMDA-Rezeptor-Antagonisten) [1][12] Gründe für einen Verdacht auf CRPS: • Die Symptomatik (Schmerz und sichtbare Klinik) steht in zeitlichem Zusammenhang mit dem Extremitätentrauma. • Die Symptome sind durch das Trauma selbst nicht mehr erklärbar. • Die Symptome betreffen die distalen Extremitätenabschnitte und gehen über die Traumastelle bzw. über die • Innervationsterritorien hinaus. • Differenzialdiagnostisch in Frage kommende Erkrankungen sind mit adäquaten Methoden ausgeschlossen. Klinische Diagnosestellung durch folgende Kriterien: Symptomkategorien: • Hyperalgesie, Hyperästhesie, Allodynie • Asymmetrie der Hauttemperatur, Veränderung der Hautfarbe • Asymmetrie im Schwitzen, Ödem • reduzierte Beweglichkeit, Dystonie, Tremor, Schwäche, Veränderungen von Haar-/Nagelwachstum Diagnose CRPS, wenn alle 4 Punkte erfüllt sind: • anhaltender Schmerz • Anamnese: ≥ 1 Symptom aus 3 der 4 o. g. Symptomkategorien • Untersuchung: ≥ 1 Symptom aus 2 der 4 o. g. Symptomkategorien • Ausschluss von Differenzialdiagnosen Zusatzdiagnostik in Zweifelsfällen oder bei absehbarer Begutachtung • Röntgen im direkten Seitenvergleich: gelenknahe Entkalkungen • 3-Phasen-Knochenszintigramm: bandenförmige Nuklidanreicherung • wiederholte Messung der Hauttemperatur im Seitenvergleich (Differenz > 1–2°C) Diagnosestellung CRPS Unterscheidung • CRPS I: ohne Nachweis einer Nervenläsion • CRPS II: mit Nachweis einer Nervenläsion Mögliche Unterscheidung • primär warm: Hauttemperatur von Beginn an wärmer • primär kalt: Hauttemperatur von Beginn an kälter ▶Abb. 3 Diagnostischer Prozess des CRPS in Anlehnung an [12]. (Quelle: R. Zumhasch; grafische Umsetzung: Thieme Verlagsgruppe) 28 Veit K et al. Komplexes regionales Schmerzsyndrom. Praxis Handreha 2021; 2: 25–33 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Schwerpunkt | Vertiefung Thieme Manuelle Techniken umfassen verschiedene Mobilisa- tions- und Dehnverfahren sowie muskulär wirksame Techniken. Dazu zählen Triggerpunkttherapie, myofas- ziales Release, Massage sowie reflektorisch unterstüt- zende im Nachhinein beispielsweise zu einer Vasodilatation/-kon- striktion führen. also Techniken, Therapieformen, die Ist das passive Bewegungsausmaß wiedererlangt, folgt die aktive Sicherung (= Kräftigung) in der Therapie [29]. PAIN E XPOSURE PHYSICAL THER APY Die „Pain Exposure Physical Therapy“, bei welcher pas- sive Maßnahmen unter Ignorieren der Schmerzen durchgeführt werden, wird in der Leitlinie aufgrund der aktuellen Studienlage nicht mehr empfohlen [12][35]. Handtherapie mit verhaltenstherapeutischen Aspekten Spiegeltherapie, „Graded Motor Imagery Program“ und „Graded Exposure“ sind wichtige, frühzeitig einsetzbare Therapieelemente bei CRPS, die auch die Patienten selbst durchführen können [31]. Diese Therapieformen normali- sieren auf kortikaler Ebene das Zusammenspiel zwischen Sensorik und Motorik und tragen zur Angstreduktion bei Bewegung der betroffenen Extremität bei. Spiegeltherapie Die Spiegeltherapie sollten Therapeuten vor allem bei akuten CRPS-Fällen einsetzen [12]. Sie beruht auf der Wahrnehmung einer physiologischen, schmerz- freien Bewegung des Spiegelbildes der gesunden Extremi- tät (▶Abb.4). Hinter dem Spiegel ist die pathologische Extremität verborgen. So soll diese wieder ins Körper- schema integriert werden. Während die betroffene Hand zunächst regungslos liegen bleibt, darf sie nach und nach auch langsam und schmerzfrei mitbewegen [1][29]. Die Übungen wählen Therapeuten von einfach nach komplex und integrieren je nach Stadium immer mehr Hilfsmittel, Materialien und sensorische Reize. Graded Motor Imagery Bei chronischem CRPS eignet sich eher das Graded Motor Imagery Program (GMI). Es beinhaltet 3 Phasen, die jeweils 2 Wochen andauern: 1. Links-rechts-Erkennen: In der 1. Phase ordnen Patienten so schnell wie möglich Bilder von Händen nach „rechts“ und „links“ ein. Dieses Lateralitätstrai- ning kann mit Karten oder mit der „Recognise-App“ erfolgen. 2. Vorstellung von Bewegungen: Die 2. Phase beinhal- tet das Anschauen und Vorstellen von Bewegungen und Haltungen mit progressiver Steigerung. 3. Spiegeltherapie: In dieser letzten Phase beobachten die Patienten zuerst die Bewegungen ihrer nicht betroffenen Hand 4 min lang im Spiegel und stellen sich vor, die betroffene Hand führe diese Bewegun- gen durch. Danach sollte die Bewegung so weit wie möglich tatsächlich mit der betroffenen Hand hinter dem Spiegel ausgeführt werden. Nach der Instruktion durch den Therapeuten können Patienten die Spiegeltherapie und GMI in 10-minütigen Einheiten stündlich selbst absolvieren. Ein Zeitraum von 6 Wochen wird anberaumt. Dies soll eine kortikale Reor- ganisation des Gehirns bewirken. Eingesetzt werden PCs bzw. Apps, Karten, imaginäre Bewegungen (= mentales Training), Edukation und Spiegel-Feedback. Der Zeitraum und die Intensität richten sich nach dem Schmerz und der Funktionsfähigkeit der betroffenen Hand der Patien- ten. Schmerzen und reflektorische Abwehrspannungen sollte der Therapeut vermeiden. Graded Exposure Therapeuten können mittels Graded Exposure (abgestufte Schmerzexposition) gezielt die konkreten Ängste des Patienten reduzieren. Es setzt sich aus Exposure in vivo und Graded Activity (angepasst dosierte, sich steigernde Aktivität) zusammen und ist für 17 Wochen mit 1 Stunde/Woche veranschlagt. Heim- übungen spielen auch hier eine enorme Rolle [12][34]. Das Verfahren „Exposure in vivo“ ist ein kognitiver Pro- zess, bei dem sich Patienten ihren schmerzauslösenden Bewegungen sukzessiv stellen: Patienten werden zuerst mit den weniger und schließlich mit den am stärksten angstauslösenden Reizen in vivo konfrontiert, wodurch eine Gewöhnung mit kontinuierlich abnehmender emo- tionaler Reaktion erreicht werden soll [36]. Dieses Kon- frontationsverfahren wird von Psychologen auch häufig bei Phobien angewendet. Angstauslösende Situationen werden so identifiziert und in eine Hierarchie gebracht. Gleichzeitig exponieren Physiotherapeuten die Patienten schrittweise mit den angstauslösenden Bewegungen unter Inkaufnahme gewisser Schmerzen (Graded Acti- vity). Hollander et al. bestätigten die Wirksamkeit des Verfahrens 2016: Es reduziert den Schmerz und verbes- sert die Funktion und die Beeinträchtigung [37]. Weitere ergotherapeutische Behandlungen Zu Beginn können Therapeuten die Allodynie mehrmals täglich mittels Desensibilisierung behandeln. So soll die Haut wieder an alltägliche Berührungen herangeführt werden. Zu einem späteren Zeitpunkt beüben Ergothe- rapeuten die Feinmotorik und schmerzfreie Bewegungen mit und ohne Widerstand. Benötigte Hilfsmittel stellen Ergotherapeuten zur Verfügung. Weitere Therapieziele sind die Erhaltung der persönlichen Selbstständigkeit und wenn möglich die Wiedereingliederung in den Beruf [12][29][30]. Oerlemans et al. fanden heraus, dass die Ergotherapie Auswirkungen auf den Schmerz und die Funktion bei CRPS zeigt. Die Wirksamkeit war jedoch geringer als in der Physiotherapiegruppe [38][39]. 30 Veit K et al. Komplexes regionales Schmerzsyndrom. Praxis Handreha 2021; 2: 25–33 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Schwerpunkt | Vertiefung Thieme relevante Schmerzen vor allem bei Belastung einstellen, manchmal auch länger. Faktoren, welche die Chronifizie- rung fördern, sind schmerzhafte Therapieverfahren, inadäquate invasive Maßnahmen und psychische Komor- biditäten bzw. eine gesteigerte Ängstlichkeit. Aufgrund mangelnder qualitativ hochwertiger Studienlage fehlen Therapeuten weiterhin evidenzbasierte eindeutige Behandlungsvorgaben bezüglich Anwendungsdauer, -häu- figkeit und -intensität. Dadurch hängen die Behandlung und der Therapieerfolg stark von der Erfahrung der (Hand-) Therapeuten ab. Unerfahrene Therapeuten sollten Patien- ten mit CRPS an spezielle handchirurgische Schwerpunkt- zentren mit entsprechender Erfahrung und Ausbildung weiterleiten. Für die Zukunft wäre es wünschenswert, wenn neue Stu- dien zum Thema CRPS interdisziplinär von Physio- und Ergotherapeuten, Handtherapeuten und -chirurgen initiiert und weitere Forschungsvorhaben etabliert werden. Autorinnen/Autoren Katrin Veit Physiotherapeutin mit BSc in Präventions-, The- rapie- und Rehabilitationswissenschaften. Sie arbeitet in einer Praxis in Kirchheim unter Teck, lehrt als Dozentin für Slacklinetherapie und ist als externe Redakteurin tätig. Rainer Zumhasch Anerkannter Lehrtherapeut im Bereich Hand- therapie sowie Referent auf verschiedenen Fachkongressen. Er war viele Jahre in eigener Praxis tätig, publizierte in nationalen und inter- nationale Fachzeitungen und–büchern. Außer- dem ist er Produktentwickler bzw.–berater für diverse Firmen und Geschäftsführer des AFH- Webshops. Dr. Harun Seyhan Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirur- gie mit der Zusatzbezeichnung Handchirurgie. Er ist leitender Oberarzt und ständiger Vertre- ter des Chefarztes im Krankenhaus Köln-Mer- heim in der Klinik für Plastische Chirurgie, Handchirurgie und Schwerbrandverletzten- zentrum – Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Kli- nikum der Universität Witten/Herdecke mit Lehrstuhl für Plastische Chirurgie der Universi- tät Witten/Herdecke. Korrespondenzadresse Rainer Zumhasch AFH-Webshop Pyrmonter Straße 50 32676 Lügde Deutschland E-Mail: r.zumhasch@premium-therapie.de Literatur [1] Birklein T, Schlereth F. Aktuelles zur Therapie des komplex- regionalen Schmerzsyndroms. Nervenarzt 2013; 84: 1436– 1444 [2] Harden RN, Bruehl S, Stanton-Hicks M et al. Proposed new diagnostic criteria for complex regional pain syndrome. Pain Med 2007; 8: 326–331 [3] Böger A. Morbus Sudeck: Diagnose ohne Apparate möglich. Dtsch Arztebl 2019; 116(5): A204/B-174/C174 [4] Gradl G, Steinborn M, Wizgall I et al. Acute CRPS I (morbus sudeck) following distal radial fractures – methods for early diagnosis. Zentralbl Chir 2003; 128: 1020–1026 [5] Mitchell SW, Morehouse GR, Keen WW. Gunshot wounds and other injuries of the nerves. 1864. Clin Orthop Relat Res 2007; 458: 35–39. [6] [7] [8] [9] Thill M, Zumhasch R. Das CRPS-I-Syndrom (Morbus Sudeck). Zeitschrift für angewandte Wissenschaft 2009; 10(2): 47–68 Sudeck P. Über die akute (trophoneurotische) Knochenatro- phie nach Entzündungen und Traumen der Extremitäten. Dtsche Med Wschrift 1902; 28: 336–338 Sudeck P. Die sogenannte akute Knochenatrophie als Entzün- dungsvorgang. Chirurg 1942; 14: 449–458 Sandroni P, Benrud-Larson LM, McClelland RL et al. Complex regional pain syndrome type I: Incidence and prevalence in Olmsted county, a population-based study. Pain 2003; 103: 199–207 [10] Mos M de, De Bruijn AG, Huygen FJ et al. The incidence of complex regional pain syndrome: A population-based study. Pain 2007; 129: 12–20 [11] Eberle T, Doganci B, Kramer HH et al. Warm and cold complex regional pain syndromes: Differences beyond skin tempera- ture? Neurology 2009; 2: 505–512 [12] Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Diagnostik und Thera- pie komplexer regionaler Schmerzsyndrome (CRPS), S1-Leitli- nie (8.1.2018). Im Internet: www.dgn.org/leitlinien; Stand: 10.5.2019 [13] Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Leitlinien Fachgesellschaften (AWMF). AWMF-Regelwerk 2012. Im Internet: www.awmf.org/leitlinien/awmf-regelwerk. html; Stand: 10.5.2019 [14] von Rothkirch T, Blauth W, Helbig B. Das Sudeck-Syndrom der Hand. Historischer Überblick, Behandlungskonzept und Ergebnisse. Handchir Mikrochir Plast Chir 1989; 21: 115–126 [15] Bernateck M. Komplexes regionales Schmerzsyndrom (Mor- bus Sudeck). In: Stukenborg-Colsman C, Fuhrmann RA, Hrsg. Kurzgefasste Fußchirurgie. Stuttgart: Thieme; 2017 [16] Beerthuizen A, Stronks DL, Van’t Spijker A et al. Demographic and medical parameters in the development of complex regi- onal pain syndrome type 1 (CRPS1): Prospective study on 596 patients with a fracture. Pain 2012; 153: 1187–1192 [17] Blumberg H, Griesser HJ, Hornyak M. Das distale posttrauma- sympathischen Reflex- tische Ödem – Symptom einer dystrophie (M. Sudeck)? Z Orthop Ihre Grenzgeb 1992; 130 (1): 9–15 [18] Blumberg H, Hoffmann U, Mohadjer M, Scheremet R. Clinical phenomenology and mechanisms of reflex sympathetic dys- trophy: Emphasis on edema. In: Gebhart GF, Hammond DL, Jensen TS, Hrsg. Proceedings of the 7th World Congress on Pain. Progress in Pain Research and Management. Seattle: IASP Press 1994: 455–482 32 Veit K et al. Komplexes regionales Schmerzsyndrom. Praxis Handreha 2021; 2: 25–33 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Schwerpunkt | Praxis Thieme Lymphtaping der Hand Josya Sijmonsma Lymphtapes können helfen, Schwellungen der Hand zu behandeln. Für die korrekte Applika- tion der Tapes ist es wichtig, die zugrunde liegende Pathologie zu beachten und zu verste- hen, auf welche Weise Lymphtapes wirken. Lymphtaping ist eine Anlagetechnik des Medical Tapings, die den Lymphabfluss fördern und unterstüt- zen kann. Therapeuten können sie als Ergänzung zur Manuellen Lymphdrainage, aber auch als eigenständige Behandlung, überall wo eine Schwellung vorliegt, anwenden. Die Indikationen sind vielfältig: Das Lymph- taping kann postoperativ, posttraumatisch, bei einem Bluterguss oder auch nach einem Insektenstich sinnvoll sein. Sogar eine geschwollene Hand nach einem Schlag- anfall kann mit dieser Anlagetechnik adäquat behandelt werden. Prinzip des Lymphtapings Beim Lymphtaping werden schmale Tapestreifen mit regelmäßigen Zwischenräumen angelegt. Der Therapeut klebt das elastische Tape auf die gedehnte Haut, wobei er das Tape selbst nicht zusätzlich dehnt. Wenn die Haut wieder in Normalposition zurückkehrt, entstehen Aus- wölbungen. Die Epidermis wird an diesen Stellen leicht angehoben, wodurch auf Höhe der Dermis etwas Raum geschaffen wird. Hier, im Interstitium der Dermis, liegen die meisten initialen Lymphgefäße. Wo und wie wirkt Lymphtaping? Anatomisch betrachtet nimmt das Lymphgefäßsystem die freie Flüssigkeit im Interstitium (sog. Prälymphe) auf und transportiert sie ab. Das Netzwerk der initialen Lymphgefäße und das Netzwerk der Präkollektoren lie- gen beide unmittelbar unter der Epidermis, in der Leder- hautschicht (Dermis). Diese Gewebeschicht können wir mit Lymphtapes beeinflussen. Die Kollektoren liegen etwas tiefer, in der Subkutis, wo kein unmittelbarer Effekt des Tapes zu erwarten ist (▶Abb. 1). Lymphabfluss Unter normalen Bedingungen öffnen sich die initialen Lymphgefäße, wenn der Druck im Inter- stitium zunimmt. Auf diese Weise nehmen sie Prälym- phe aus dem Interstitium auf. Der erste Teil des Lymphtransports in den Präkollektoren erfolgt ebenfalls unter dem Einfluss von Druckdifferenzen, jedenfalls an Stellen, an denen dieser Transport noch nicht durch Klappen oder glattes Muskelgewebe unterstützt wird. Von den initialen Lymphgefäßen und den Präkollekto- ren aus muss die Lymphe anschließend zu den Kollekto- ren fließen, um weiter nach zentral abgeleitet werden zu können. Wirkweise des Tapes Die Aufnahme der Prälymphe ins Lymphsystem erfolgt dort, wo der niedrige Druck inner- halb der initialen Lymphgefäße und der Präkollektoren dies ermöglicht. Ist der Druck zu hoch, kann ein Lymph- tape die Flüssigkeit in Gebiete mit niedrigerem Druck umleiten: Unter den schmalen Tapestreifen ist der Druck geringer als im Raum zwischen den Tapestreifen. So schafft das vollständige Lymphtape einen Bereich mit starken Druckunterschieden. Dies stimuliert die Auf- nahme von Prälymphe in die initialen Lymphgefäße und den ersten Teil des Lymphtransports in den Präkollekto- ren. Von dort kann sie zu einem Kollektor weiterfließen, über dem noch Ableitungsmöglichkeiten bestehen. Die Tapestreifen fungieren somit Flüssigkeitsleiter, wodurch sich die mögliche Resorptionsfläche vergrößert. Legt man das Tape proximal der Schwellung an, nimmt der Lymphdruck also in dieser Region ab. Da Flüssigkeit dazu neigt, sich in Richtung des geringeren Drucks zu verlagern, hat ein proximales Lymphtape eine ansau- gende Wirkung auf die Flüssigkeit im Problembereich. Proximal bedeutet dabei jedoch nicht zwangsläufig, auf den proximal liegenden Lymphknoten anzufangen. Denn diese sind für ein Lymphtape bedeutungslos. Bei Patho- logien der Hand beispielsweise muss das Tape also nicht unbedingt in der Ellenbeuge anfangen: ▪ Ist die freie Flüssigkeit auf Höhe der Ellenbeuge noch als nicht durch das Lymphgefäßsystem aufgenommen, hat sich die Flüssigkeit zwar verlagert, befindet sich aber noch immer im Interstitium. ▪ Ist die freie Flüssigkeit auf Höhe der Ellenbeuge schon vom Lymphgefäßsystem aufgenommen, haben initiale Lymphgefäße und Präkollektoren die Lymphe bereits in die Kollektoren transportiert. Diese haben ihre eigene Motorik und leiten die Lymphe auf diese Weise automatisch durch die Lymphknoten. 34 Sijmonsma J, Lymphtaping der Hand. Praxis Handreha 2021; 2: 34–38 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Schwerpunkt | Praxis Thieme a b ▶Abb. 2 Streifentapes an der Hand: Die parallelen Lymph- streifen werden ausgehend von der Fingerbasis zur Hand- gelenkfalte angelegt. (Quelle: J. Sijmonsma) a. Breite der Streifen ca. 1,65 cm (5 cm breites Tape, in 3 Streifen geschnitten). b. Breite der Streifen ca. 0,6 cm (5 cm brei- tes Tape, in 8 Streifen geschnitten). a b c ▶Abb. 3 Fächerförmiges Lymphtape, ausgehend vom Mittelfinger. (Quelle: J. Sijmonsma) a. In die Basis des Tapes schneidet der Therapeut ein Loch, sodass es um den Mittelfinger geschoben werden kann. Die Breite der Lymphstreifen beträgt ungefähr 0,8 cm (5 cm breites Tape, in 6 Streifen geschnitten). b. Die Streifen werden ohne Zug unter Vordehnung der Haut von distal nach proximal geklebt. c. Das fertige Fächertape zeigt die typi- schen Auswölbungen. ▶Abb. 4 Fächerförmiges Lymphtape, in Wellenform ange- legt. Das Tape geht von der Basis des Mittelfingers aus. Um den gesamten Handrücken zu behandeln, bringt der Therapeut dort ein ähnliches Tape an. Die Breite der Lymphstreifen beträgt ungefähr 0,8 cm (5 cm breites Tape, in 6 Streifen geschnitten); am Daumen ebenfalls ungefähr 0,8 cm (2,5 cm breites Tape, in 3 Streifen geschnitten). (Quelle: J. Sijmonsma) ▶Abb. 5 Gekreuztes fächerförmiges Lymphtape, ausge- hend von Zeigefinger und Ringfinger. In die Basis des Tapes schneidet der Therapeut ein Loch, sodass es um den jeweiligen Finger geschoben werden kann. Die Breite der Lymphstreifen beträgt ca. 0,8 cm (5 cm breites Tape, in 6 Streifen geschnitten). (Quelle: J. Sijmonsma) beste Behandlungsresultat. Der Grund dafür ist noch immer nicht ganz klar. Es wird angenommen, dass die Lymphe im Netz der Lymphgefäße in der Hand leichter um die Metakarpalia zur Palmarseite strömt und von dort zum Unterarm abgeleitet werden kann. Eine logische Folgerung könnte daher sein, die Hand auf der Palmarseite zu tapen. Das praktische Problem besteht jedoch darin, dass sich ein palmares Handtape viel schnel- ler ablöst als ein dorsales. Noch schwieriger wird es dadurch, dass diese Ausnahme nicht immer zutrifft. In einigen Fällen muss die Hand von proximal nach distal getapt werden. Dies können Therapeuten nicht im Voraus feststellen. Am praktischsten ist es deshalb, den Klienten bei der ersten Behandlung darauf hinzuweisen. Nimmt die Schwellung zu, soll er das Tape sofort von der Hand entfernen. Bei der nächsten Behandlung kann der Thera- peut dann in die andere Richtung tapen. Berücksichtigung der ursächlichen Pathologie Ist die Schwellug der Hand durch eine Schädigung des Lymphgefäßsystems entstanden, muss der Therapeut überlegen, wo das Lymphtape am besten beginnt. Ein gut nachvollziehbares Beispiel ist ein durch Brustkrebs verursachtes Lymphödem der Hand. Die Ursache solch eines sekundären Ödems ist ein Lymphstau auf Höhe der Achsellymphknoten. Ein lokales Lymphtape an der Hand wäre folglich nicht sinnvoll. Ein proximales Lymphtape, dessen Streifen den Stau auf Höhe der Achsel überbrü- cken, kann hingegen gute Ergebnisse bringen. Werden die Streifen bereits auf der heterolateralen Körperseite 36 Sijmonsma J, Lymphtaping der Hand. Praxis Handreha 2021; 2: 34–38 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Schwerpunkt | Praxis Thieme Korrespondenzadresse E-Mail: Josya@Fysionair.nl Weiterführende Literatur [1] [2] Sijmonsma J. Lymphtaping: Theorie, Technik, Praxis. Hof van Twente: Fysionair; 2010; ISBN 9789491038037 Sijmonsma J. Medical Taping Concept manual (deutsche Übersetzung). Hof van Twente: Fysionair; 2016; ISBN 9789491038082 Regional Pain Syndrome), nach Operationen des Hand- gelenks und der Hand, bei Handgelenksdistorsion, Bluterguss sowie nach Verletzungen im Handgelenksbe- reich (▶Abb. 6). Auch an den Fingern kann ein gekreuz- in ▶Abb. 7 zeigt tes Tape sinnvoll sein. Das Beispiel einen Patienten nach Operation des Daumengrundge- lenks. Proximal vom Gips wurde hier auch ein Lymph- tape verwendet. Tapeanlagen an Unterarm und Hand lassen sich auch gut kombinieren (▶Abb. 8). Autorinnen/Autoren Josya Sijmonsma Sie ist studierte Physiotherapeutin, Manualthe- rapeutin und seit 2001 „Official Kinesio Taping Instructor“, Entwicklerin des Meridian-Tapings und mehrfache Buchautorin. Sie gibt Vorträge in den Niederlanden, Deutschland, Portugal, Belgien, England und Rumänien. Als Physio- therapeutin arbeitete sie in Deutschland und den Niederlanden, wo sie heute eine eigene Praxis hat. Von Experten lernen Erfahrene Therapeuten aus dem Bereich des Leistungs- und Hochleistungssports stellen in diesem Buch ihre lehrreichsten Fälle vor. Sie zeigen, mit welchen Zielsetzungen, Trainings- methoden, Übungen und Techniken sie Sportler rehabilitiert und zurück zum Wettkampf gebracht haben. Rehabilitation von Sportverletzungen van Duijn/Overberg (Hrsg.) 2021. Ca. 304 S., ca. 200 Abb., geb. ISBN 978 3 13 242645 0 ca. 79,99 € [D] Return to Competition

Aus der Praxis – für die Praxis Thieme Adaptiertes Medianusgleiten bei Karpaltunnelsyndrom Andrea Zander Eine häufig angewandte Maßnahme zur Behandlung des Karpaltunnelsyndroms ist das neu- rodynamische Gleiten des N. medianus. Gleichzeitig gibt es viel Diskussion über die Wirk- samkeit dieser Behandlungsmethode. Eine Studie ergibt: Zusätzliche Ab- und Adduktion der Langfinger erhöhen das Längsgleiten des N. medianus im gesamten Arm. Der Artikel zeigt, wie diese Erkenntnis in die Behandlung integriert werden kann. Die neurodynamische Mobilisation soll die Mobilität des Nervs gegenüber seinem Nachbargewebe verbessern. So kann die Durchblutung und damit auch die Funktionsfä- higkeit des Nervs anhaltend gewährleistet werden. Kriti- ker führen die dünne Studienlage zu diesen Techniken an. Es ist nicht erwiesen, dass mittels neurodynamischer Mobilisation ein ausreichendes Gleiten im Karpaltunnel stattfindet. Grundsätzlich jedoch profitieren Patienten mit Karpaltunnelsyndrom von Nervenmobilisationstech- niken [1], das zeigt auch die praktische Erfahrung. Direkte Nervenmobilisationstechniken sind die sog. Sli- ders und Tensioners. Sie stellen die bekannteste und übliche Form der neurodynamischen Behandlung dar. Sliders und Tensioners Beim Slider (von slide, engl. = gleiten) wird eine Komponente des Nervs so bewegt, dass sich das Nervenbett verlängert. Die andere bewegt zeitgleich in eine Richtung, in der sich das Nervenbett verkürzt. Dadurch kommt es zur Verbesserung des Nervengleitens. Beim Tensioner (von tension, engl. = Spannung) werden beide Komponenten so bewegt, dass sich das Nerven- bett verlängert. Damit wird der Spannungsrahmen des Nervs erhöht. Die Behandlung startet grundsätzlich mit Sliders, da der Nerv dabei weniger belastet wird als beim Tensioner. Zusätzliche Ab- und Adduktion In Ultraschalluntersu- chungen stellten Forscher fest, dass die Längsbewegung des N. medianus bei den üblichen Nervenmobilisationen eher proximal als direkt im Karpaltunnel stattfindet [2]. Diese Erkenntnis brachte sie auf die Idee, die Abduktion und Adduktion der Finger als zusätzliche, distale Bewe- gungskomponente mit der traditionellen Nervenmobilisa- tion zu verbinden. Die Untersuchung ergab folgende Ergebnisse: ▪ Die Extension des Ellenbogens, die Extension des Handgelenkes sowie die kontra- und ipsilaterale Flexion der Halswirbelsäule führten zu einer Bewe- gung von 6,6 mm des N. medianus im Karpaltunnel. ▪ Die Abduktion und Adduktion der Finger aus 90° Abduktion und Außenrotation der Schulter und neut- ral gestelltem Unterarm führte zu einer Bewegung von 13,8 mm des N. medianus im Karpaltunnel. Selbst proximal des Karpaltunnels konnte bei Ab- und Adduktion der Finger eine um 1,2 mm größere Bewe- gung des Nervs festgestellt werden. Das Ergebnis stellt einen interessanten Ansatz für die neurodynamische Mobilisation dar. Kritisch anzumerken ist, dass das Alter der Körperspender nicht die typische Patientenklientel widerspiegelt, die unter Karpaltunnel- syndrom leidet. Zudem stellt sich die Frage, ob sich diese Ergebnisse auf lebende Menschen übertragen las- sen. Weitere Studien und Forschungen sind notwendig, um diese offenen Fragen zu klären und das Evidenzni- veau zu erhöhen [2]. Praktische Durchführung Therapeuten können die Adduktion und Abduktion der Langfinger auf verschiedene Weise in ihrer Behandlung berücksichtigen. Die Bewegungen können zum einen im Anschluss an Sliders und Tensioners als Eigenübung durchgeführt werden, zum anderen können beide Tech- niken direkt miteinander verbunden werden. Eigenmobilisation Der Patient stellt seine Schulter in 90° Abduktion und Außenrotation ein, der Ellenbogen ist flektiert und Unterarm, Handgelenk und Finger befinden sich in Null- stellung. Nun ab- und adduziert der Patient seine Finger aus dieser Position aktiv (▶Abb. 1). Dies eignet sich auch gut als Heimübung und stellt eine effiziente Ergänzung zur passiven Nervenmobilisation dar. 40 Zander A, Adaptiertes Medianusgleiten bei … Praxis Handreha 2021; 2: 40–42 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Aus der Praxis – für die Praxis Thieme a b ▶Abb. 3 Slider mit aktiver Ab- und Adduktion der Finger. a Abduktion; b Adduktion (Quelle: A. Zander) Nerv dar. Die Durchblutung des Nervs wird für den Moment der Technik reduziert. Aus diesem Grund kom- biniere ich den Tensioner nicht mit Abduktion und Adduktion der Langfinger. Fazit In zahlreichen Studien zur Behandlung des Karpaltunnel- syndroms zeigten sich aktive Therapiemaßnahmen signi- fikant effektiver hinsichtlich der Schmerzminderung und Nervenbeweglichkeit als rein passive Maßnahmen [1]. Zudem haben Bewegungskomponenten nahe am Schä- digungsgebiet (hier Ab- und Adduktion der Langfinger) offensichtlich einen größeren Einfluss auf die Längsbewe- gung des N. medianus als weiter entfernte Bewegungs- komponenten (Lateralflexion der Halswirbelsäule). Die Hinzunahme der aktiven Fingerab- und -adduktion kann die traditionelle Nervengleitmobilisation demnach effek- tiv ergänzen. Weitere Studien und Forschungsarbeiten sind notwendig und wünschenswert, um die Effektivität und Wirksamkeit dieser kombinierten Mobilisationstech- niken zu überprüfen. In der klinischen Praxis sollte die neurale Mobilisation immer nur ein Teil der Behandlung sein. Die Studienlage über alleinige Nervengleitmobilisation ist immer noch recht dünn. In Abhängigkeit des Befunds sollte der The- rapeut sie daher mit anderen Behandlungsmaßnahmen wie z. B. ADL-Beratung, Schienenbehandlung und Ultra- schall kombinieren. Eine multimodale Therapie hat den größten Effekt auf den Behandlungserfolg [3]. Autorinnen / Autoren Andrea Zander Physiotherapeutin, sektorale Heilpraktikerin / Physiotherapie und Manualtherapeutin sowie zertifizierte Handtherapeutin. Sie arbeitet seit 1995 schwerpunktmäßig in der Handtherapie und ist derzeit als fachliche Leitung einer Phy- siotherapie im Krankenhaus Waldfriede in Ber- lin beschäftigt. Außerdem ist sie Dozentin an der Akademie für Handrehabilitation. Korrespondenzadresse Physiotherapie HLO Argentinische Allee 40 14163 Berlin Deutschland Literatur [1] Gauch F. Neurale Mobilisation – Effektivität bei peripher neu- rogenen Nackenarm-, Arm- und Handschmerzen (20.5.2011). Im Internet: https://digitalcollection.zhaw.ch/bitstream/11475/ 435/1/Gauch_Flurina_PT08_BA08.pdf; Stand: 21.08.2020 [2] Meng S, Reissig LF, Beikircher R et al. Longitudinal gliding of the median nerve in the carpal tunnel: Ultrasound cadaveric evaluation of conventional and novel concepts of nerve mobi- lization. Arch Phys Med Rehabil. 2015; 96(12): 2207 – 2213 [3] Westerhuis P, Wiesner R. Klinische Muster in der manuellen Therapie. Stuttgart: Thieme; 2011 42 Zander A, Adaptiertes Medianusgleiten bei … Praxis Handreha 2021; 2: 40–42 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Medientipps Thieme Trainingsmodell zum Verständnis der Handmuskulatur Welcher Muskel ist in welchem Umfang an einer bestimmten Alltagsaktivität beteiligt? Die Autoren entwickelten Übungen, mit denen Therapeuten ihr Verständnis bezüglich des Zusammen- wirkens von extrinsischer Unterarm- und intrinsischer Handmuskulatur spie- lerisch verbessern können. Zusammenwirken extrinsischer und intrin- sischer Muskeln von Unterarm und Hand. Diese Interaktion ist komplex und wird auch heute noch nur in Ansätzen verstanden. Jegliche Handgriffe, die wir in unserem täglichen Leben ausführen, erfordern das Im klinischen Alltag werden wir mit Funktionsstörungen dieser Muskulatur ▶Abb. 1 In dem Tablet-basierten Trainingsmodell schätzen Lernende in einer Tabelle ein, wie stark die einzelnen Muskeln an der jeweiligen Tätigkeit – hier das Stifthalten – beteiligt sind. Anschließend vergleichen sie ihre Schätzung mit dem Lösungsvorschlag. (Quelle: www.grips.myportfolio.com) 44 Praxis Handreha 2021; 2: 44–45 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Medientipps | Veranstaltungen Thieme Buchrezension Handfunktion Mehmet Tuncay Duruöz (Hrsg.): Hand Function: A Practical Guide to Assessment, 2. Aufl. Heidel- berg: 2019; 357 S., Springer International Publi- shing, Preis: 128, 39 €, ISBN: 978-3-030-16999-2 englischsprachige Das Fachbuch gibt einen Überblick über verschiedene Hand- erkrankungen und deren Befundung. Die Autoren (Ärzte wie Therapeuten) vermit- teln dem Leser umfangreiche Informatio- nen für die interdisziplinäre Arbeit mit Handpatienten. Der Leser lernt internatio- nale Assessments kennen. Das Buch gliedert sich in 4 Teile. Den grundlegenden Eigenschaften der Hand mit Schwerpunkt auf Anatomie und Bio- mechanik folgen im 1. Teil die manuelle Befundung sowie ausführliche Assess- ments zur Funktionsfähigkeit der Hand. Der 2. Teil beschreibt 14 Erkrankungen der Hand und Assessments. Der 3. Teil widmet sich der Beschreibung handunterstützender Geräte und Robotik. Den Schlussteil bildet die bildgebende Diagnostik. Erscheinungsbild inklusive der Zielgruppe der Assessments nach Arzt oder Therapeut ist dabei nicht eindeutig. Das Buch vermittelt viele neue Impulse für die tägliche Arbeit. Die Verknüpfung von Anatomie mit Praxis ist besonders positiv hervorzuheben. Als Nachschlagewerk eig- net es sich aufgrund der tiefgehenden und detailreichen Beschreibungen nur ein- geschränkt, für das vertiefende Studium ist es jedoch empfehlenswert. Therapeu- ten mit fortgeschrittenen Kenntnissen im Bereich Handtherapie finden in diesem Buch neue Anregungen. Niklas Schormann, Ergotherapeut und zertifizierter Handtherapeut der AFH aus Gießen Buchrezension Taping Reinhold Roth: Taping – der große Bildatlas kine- siologisches Tapen. Berlin: 2018; 573 S., KVM, Preis: 74 €, ISBN: 978-3-86867-326-5 Das von Reinhold Roth verfasste und he- rausgegebene Buch ist ein fundiertes und umfassendes Werk über die mannigfal- tigen Möglichkeiten der Tapeanlagen im Großformat. Die Autoren beschreiben bekannte Assess- ments wie den Dash-Index oder den Nine- Hole-Peg-Test. Den größeren Teil machen jedoch im deutschsprachigen Raum noch wenig bekannte Assessments aus, z. B. der Duruöz Hand Index (DHI). Die Zuordnung Die Inhalte sind in Theorie und Praxis geglie- dert. Im 1. Kapitel „Grundlagen“ werden neben der Geschichte des Tapens die Wirk- mechanismen Schmerzhemmung sowie die psychischen Aspekte anschaulich vermittelt. Sehr gut gelungen ist die von Darstellung der einzelnen Tapeformen (I- Tape, Y-Tape usw.) mit den jeweiligen Schnittmustern und einem beispielhaften Anlagefoto. Auch ist der Aspekt des Gitter- tapes nicht außer Acht gelassen. Farbwir- kung, Anlagetechniken (von Ligament- über Gelenk- bis Lymphanlage) sowie Anwen- dungshinweise sind leicht verständlich dargestellt. In den folgenden 2 großen Kapiteln „Obere Extremität inkl. Kopf“ und „Untere Extremität“ werden die für die Praxis rele- vanten Tapeanlagen aller Gelenkregionen gut gegliedert und anschaulich in einer Schritt-für-Schritt-Erklärung vermittelt. Hervorzuheben ist die ausführliche Erklä- rung der Indikation mit einer dazugehörigen großformatigen anatomischen Bilddarstel- lung für jede Anlagetechnik. Handtherapeu- ten bietet das Buch eine große Vielfalt an Anlagen für viele Handerkrankungen. Dieses Werk ist umfassend und in seiner Vollständigkeit einzigartig. Für einen erfah- renen Therapeuten kann dieses Buch eine Fortbildung ersetzen und das therapeuti- sche Behandlungsspektrum erweitern. Die- ses Buch darf in keiner handtherapeuti- schen Praxis fehlen. Rainer Zumhasch, Lehrtherapeut und Geschäftsführer des AFH Webshop Lügde Veranstaltungen 5. Winterthurer Ergo-Gipfel 6. März 2021, Winterthur, Schweiz www.zhaw.ch/de/gesundheit/institute- zentren/ier/winterthurer-ergo-gipfel/ 5-winterthurer-ergo-gipfel/ Therapie Messe Leipzig 11.–13. März 2021, Leipzig www.therapie-leipzig.de/ Fibo 2021 – Internationale Leitmesse für Fitness, Wellness & Gesundheit 8.–11. April 2021, Köln https://www.fibo.com/de/FIBO/Infos-zur- FIBO-2021/1744/ 62. DAH Symposium 6.–8. Mai 2021, Bad Homburg/Frankfurt www.dah.at/veranst_dahsymposien.php? cId=229 46 Praxis Handreha 2021; 2: 46–47 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

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Kohlhammer Druckerei GmbH+Co.KG, Stuttgart Papier Diese Zeitschrift ist auf chlor- und säurefreiem Papier gedruckt. Abonnentenservice Wir bitten unsere Abonnenten, Adressänderungen dem Abonnentenservice mitzuteilen, um eine reibungslose Zustellung der Zeitschrift zu ge- währleisten. Tel.: + 49 711 8931-321, Fax: + 49 711 8931-422, E-Mail: aboservice@thieme.de Die Inhalte der Zeitschrift stehen online in Thieme connect zur Verfügung (www.thieme-connect.de/ products). Der Zugang ist für persönliche Abonnen- ten im Preis enthalten. Über kostenpflichtige Zugangsmöglichkeiten und Lizenzen für Institutionen (Bibliotheken, Kliniken, Firmen etc.) informiert Sie gerne unser Institutional Sales Team, E-Mail: sales@thieme-connect.de Warenbezeichnungen und Handelsnamen Marken, geschäftliche Bezeichnungen oder Han- delsnamen werden nicht in jedem Fall besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Handelsnamen handelt. Datenschutz Wo datenschutzrechtlich erforderlich, wurden die Namen und weitere Daten von Personen redaktio- nell verändert (Tarnnamen). Dies ist grundsätzlich der Fall bei Patienten, ihren Angehörigen und Freunden, z. T. auch bei weiteren Personen, die z. B. in die Behandlung von Patienten eingebunden sind. Informationen für unsere Autoren Manuskripteinreichung unter: praxis.handreha@thieme.de Manuskriptrichtlinien und andere Informationen für Autoren entnehmen Sie bitte den Autorenhinwei- sen unter dem Reiter „Autoren“ auf www.thieme.de/praxis-handreha. Grundsätzlich werden nur solche Manuskripte angenommen, die noch nicht anderweitig veröf- fentlicht oder zur Veröffentlichung eingereicht wor- den sind. 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Sie haben es in der Hand 4 Hefte im Jahr Von der konkreten Versorgung und patientenzentrierten Therapie bis zur Wiedereingliederung in das berufliche und soziale Leben. Für Ergo- und Physiotherapeuten gemacht: • Updates zur ärztlichen Versorgung, OP-Techniken, Hilfsmitteln • evidenzbasierte, interdisziplinäre Handtherapie • Handlungsanleitungen • Fallbeispiele und Best-Practice aus dem Praxisalltag • Patienten- und Angehörigenberatung © Brother’s Art/stock.adobe.com – edited by Thieme Gleich bestellen: www.thieme.de/praxis-handreha