Gut begleitet leben bis zuletzt Ein Praxisleitfaden für alle, die Sterbende und ihre Angehörigen begleiten. Das erfahrene Autorenteam beschreibt praktische Unterstützungsangebote im Umgang mit Sterben, Tod und Trauer. Mit interdisziplinären und naturheilkundlichen Konzepten und vielen Praxistipps. Die 2. Auflage wurde aktualisiert und um die Kapitel Vergebungsarbeit und Kindertrauer ergänzt. Konkrete Hilfestellung im Sterbe- und Trauerprozess • Bedürfnisse des Sterbenden besser verstehen • interdisziplinäre Begleitung: physisch, psychisch, sozial und spirituell • spezielle Bedürfnisse dementer Menschen Sterben begleiten Huber/Casagrande 2019. 2., akt. u. erw. Aufl. 304 S., 57 Abb., geb. ISBN 978 3 13 241169 2 49,99 € [D] N E U www.thieme.de/shop n e t s o k d n a s r e V n e d n e l l . ff u a H . A . r D : G h p , i a f n a e d n e d r e w ] D l [ b a h r e ß u a n e g n u r e f e i L i 9 9 4 3 A R H , t r a g t t u t S r e t s i g e r s l e d n a H d n u - z t i S , e B . n e t l a h e b r o v r e m ü t r r I d n u n e g n u r e d n ä s i e r P G K g a l r e V e m e h T g r o e G i . t e n h c e r e b r e t i e w

Editorial der ersten deutschen Ethik-Charta einer Fachgesellschaft (DGSS), die von Radbruch mit dem etwas missverständlichen Titel „Ethik für Anfänger“ kommentiert wurde. Es war der erste Versuch, auf Schmerztherapie als gesamtgesellschaftliche Aufgabe aufmerksam zu machen. Für die weitere Entwicklung der Palliativmedizin war die ursprüngliche Definition „… Patienten, deren Krankheit nicht mehr kurativ behandelbar ist“ vielleicht etwas unglücklich, weil sie notwendige Begleitung zu weit zum Lebensende hin verschob. Die Definition der Palliativmedizin wurde 2002 geändert, „nicht mehr kurativ“ ge- strichen, aber erst 8 Jahre später kam der berühmte Beitrag von Jennifer Temel zu „early integration“. Warum eigentlich „early“? Begleiten von Anfang an, „Sterben- lassen als Könnerschaft und Seinlassen als Leistung“, wie es Maio formuliert hat. Schmerztherapie hat sich gewandelt und Palliativmedizin auch. Diagnose und The- rapie sind auch soziale Interaktion. Schon 1977 hatte Engel das „bio-psycho-sozia- le“ Schmerz-Konzept in Science vorgestellt. Schmerztherapie heute ist nicht die Schmerzspritze oder Schmerzpille, sondern interdisziplinäre und multiprofessionel- le Diagnostik und Therapie. In diesem Sinne Psychotherapie nicht erst, wenn Pillen nicht mehr helfen, Fragen nach Familie und Arbeitsplatz nicht erst, wenn Scheidung und Arbeitsplatzverlust drohen. Um dies im Sinne von Engel zu verwirklichen, ist eine multiprofessionelle Diagnostik – mehrere Disziplinen gleichzeitig bei der Erst- untersuchung – und eine interdisziplinäre Therapie – mehrere Disziplinen gleich- zeitig notwendig. Jetzt kommt aber das Problem. So etwas gibt es im deutschen Leistungskatalog nicht. Gezahlt wird immer nur einer, z. B. der Arzt oder der Psycho- loge oder der Physiotherapeut. Realisierbar lediglich in Kliniken und Modellprojek- ten. Analogie zur Palliativmedizin: Wo kommt unter dem Gedanken der bio-psycho-so- zialen Erkrankung der Psychologe in der SAPV ins Spiel? Um für jeden Patienten un- ter diesem Verständnis mehr zu bieten als Arzt und Pflege, müssen sich Strukturen und Denken ändern. „I have a dream.“ In den Köpfen ist der Wandel von der rein kurativen zur palliativen Medizin angekommen. Lebensqualität steht an erster Stelle. Alle Ärzte sind in die Palliativversorgung eingebunden. Der Psychologe ist so selbstverständlich, dass kein Patient oder Angehöriger mehr Angst haben muss, als verrückt abgestempelt zu werden. Die Seelsorge ist nicht nur für Katholiken und Protestanten da. Eine Su- pervision in der SAPV ist genauso Pflicht wie bei Psychologen heute schon. Wir Ärz- te haben gelernt, dass unsere Patienten auch Psychologen oder Seelsorger brau- chen, vielleicht auch wir selber. Das Kleinteilige der Entgeltsysteme weicht einem ganzheitlichen Denken. Begleiten, zuhören, einfach da sein lässt sich nicht klonen. Palliativmedizin ist uner- setzlich und unverzichtbar. Prof. em. Dr. med. Michael Zenz Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft (DGSS) 2003–2007 2 Z Palliativmed 2020; 21

Typische Schmerzbilder sicher, schnell und effi zient behandeln Dieses Lehr- und Nachschlagewerk vermittelt die effektiven Behandlungs- methoden der Injektionstherapie mit Lokalanästhetika kompakt, anschaulich und leicht erfassbar: • symptombezogene Anleitung für typische Schmerzbilder • „Kochbuch“ zur praktischen Anwendung • detaillierte Beschreibung anhand zahlreicher Abbildungen • Berücksichtigung von komplexen Schmerzsyndromen • übersichtliche Darstellung im Doppelseiten-Konzept: rechts eine ganzseitige Farbzeichnung, links die gut strukturierte Beschreibung • Hinweise zu technikbezogenen Gefahren und Begleittherapien Schmerztherapie mit Lokalanästhetika Fischer 2017. 3., überarb. u. erw. Aufl. 192 S., 100 Abb., geb. ISBN 978 3 13 117933 3 99,99 € [D] Buch plus Online-Version in der eRef n e t s o k d n a s r e V n e d n e l l . ff u a H . A . r D : G h p , 9 5 0 0 7 1 i a f n a e d n e d r e w ] D l [ b a h r e ß u a n e g n u r e f e i L i 9 9 4 3 A R H , t r a g t t u t S r e t s i g e r s l e d n a H d n u - z t i S , e B . n e t l a h e b r o v r e m ü t r r I d n u n e g n u r e d n ä s i e r P G K g a l r e V e m e h T g r o e G i . t e n h c e r e b r e t i e w Jetzt auch mit sonografiegesteuerter Punktion www.thieme.de/shop

Forum Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin und DGP-Kongress 2020: Reichen Sie in zwei Kategorien Ihre Abstracts ein! „Kontroversen am Lebensende?! – Res- pektvolle Streitkultur im Angesicht des Todes“ lautet das Thema des 13. DGP- Kongresses, zu dem Dr. Bernd-Oliver Maier, Dr. Kurt W. Schmidt und Michaela Hach als Kongresspräsidenten herzlich vom 9. bis 12.9.2020 nach Wiesbaden einladen. Noch bis 12. März können Abs- tracts in den Kategorien „Wissenschaft- liches Abstract“ „Projekte/Best Practice“ eingereicht werden. In der ers- ten Rubrik ist eine neue Forschungsarbeit mit klarer Beschreibung von Fragestel- lung, Zielsetzung, Methodik, Ergebnissen und Diskussion der Ergebnisse vorzustel- len. Diese Abstracts werden nach wissen- schaftlichen Gütekriterien im Review Pro- zess beurteilt, ausgewählt und gewür- digt. Unter „Projekte/Best Practice“ kann eine praktische Idee oder Beobachtung eines gelungenen (oder auch misslunge- nen) Projektes, einer relevanten Erfah- rung aufgrund von Veränderung im prak- tischen Tun vorgestellt werden – ohne zugrunde liegendes systematisches For- schungsdesign. Diese Abstracts werden weniger nach wissenschaftlichen Maß- stäben beurteilt, sondern im Kontext von Kreativität, Relevanz, Praxisnähe und An- regungscharakter für Nachahmung beur- teilt, ausgewählt und gewürdigt. Vorpro- gramm und Anmeldung: www.dgp2020. de. zu Freiwilligem DGP-Positionspapier Verzicht auf Essen und Trinken (FVET) Zum Freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken (FVET): Es sei keine strafbare Handlung, die selbstbestimmte Entschei- dung eines unerträglich leidenden Pallia- tivpatienten medizinisch zu begleiten, heißt es in dem im Oktober veröffentlich- ten FVET-Positionspapier des DGP-Vor- standes gemeinsam mit weiteren Exper- tinnen und Experten. Vielmehr würde es den Straftatbestand der Körperverlet- zung erfüllen, einen Menschen gegen sei- nen Willen zu ernähren. Dennoch kann die Begleitung eines Entschlusses zum „Sterbefasten“ bzw. freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken (FVET) „komplexe und herausfordernde Probleme im Um- gang mit dem schwerstkranken Men- schen, seinen Angehörigen oder auch dem Team der Hospiz- und Palliativver- sorgung zur Folge haben“. Die Entschei- dung ist für die unmittelbar Beteiligten oft sehr schwer auszuhalten, deshalb soll- ten neben dem Betroffenen die An- und Zugehörigen wie auch das Behandlungs- team während der Begleitung im Ge- spräch gehalten und umfassend unter- stützt werden. Wesentlich sei, auf Anfra- ge Informationen zum FVET, zum zeitli- chen Verlauf, zu möglichen Folgesympto- men, Komplikationen und deren Behand- lungsoptionen zur Verfügung zu stellen – ohne Einfluss auf die Entscheidung neh- men zu wollen, welche ausschließlich der Patient trifft. Das im Deutschen Ärzte- blatt erstveröffentlichte Positionspapier befasst sich ausschließlich mit der freiwil- ligen Entscheidung von Patienten mit le- bensbedrohlichen oder lebenslimitieren- den Erkrankungen, welche auf diese Wei- se den Sterbeprozess einleiten wollen. Melden Sie sich gern bald an zu den 7. Wissenschaftlichen Arbeitstagen Zu den 7. Wissenschaftlichen Arbeits- tagen (WAT) der DGP laden die AG For- schung der DGP und das Palliativzentrum der Universitätsmedizin Göttingen am 13. und 14. März 2020 herzlich nach Göt- tingen ein. Das Programm unter dem Titel „Gemeinsam forschen in der Palliativver- sorgung – Qualität und Methodik als He- rausforderungen“ ist online und wird auch mittels der Präsentation und Diskus- sion eingereichter Abstracts gestaltet. Teilnehmende unterschiedlicher Berufs- gruppen und Disziplinen haben in Göttin- gen die Chance, in verschiedenen Forma- ten Erkenntnisse für das eigene wissen- schaftliche Arbeiten zu gewinnen und diese mit Experten zu diskutieren. Die WAT werden den Fragen nachgehen, wel- che Methodik für welche wissenschaftli- che Fragestellung geeignet ist und wie die dahinterliegende Qualität der For- schung gewährleistet werden kann. Die DGP freut sich auf Ihre Anmeldungen. Die Charta wird zehn Jahre alt! In diesem Jahr freuen sich die drei Träger der „Charta zur Betreuung schwerstkran- ker und sterbender Menschen in Deutsch- land“ – die DGP, der DHPV und die Bun- desärztekammer – über zehn Jahre Char- ta: So wurde entlang von fünf Leitsätzen der grundlegende und umfassende Text der 25-seitigen Charta-Broschüre im Jahr 2010 nicht nur von rund 50 gesundheits- und gesellschaftspolitischen Institutio- nen konsentiert, sondern bildete auch den Ausgangspunkt für zehn Jahre ge- meinsamen Engagements mit bald 30 000 Unterschriften von Einzelpersonen und Organisationen, der Herausgabe von Handlungsempfehlungen im Rahmen einer Nationalen Strategie und der Imple- mentierung der Koordinierungsstelle für Hospiz- und Palliativversorgung Deutsch- land. Die Charta-Träger laden dazu ein, Veranstaltungen im Jahr 2020 an die Charta-Initiative anzubinden. Save the date: 4. Mitgliedertag der DGP am 24./25.9.2021 in Berlin Merken Sie sich gern auch schon den Ter- min 24./25. September 2021 in Ihrem Ka- lender vor: Dann lädt die DGP zum 4. Mal zu ihren Mitgliedertagen ein – und zwar erneut in Berlin, nun wieder mit Zeit über zwei Tage. Zugrunde liegt ein Beschluss des Vorstandes, die Mitgliedertage zu- künftig im zweijährigen Rhythmus, d. h. in den Jahren zwischen den Kongressen, jeweils am letzten Septemberwochen- ende in Berlin stattfinden zu lassen. Näheres: www.palliativmedizin.de Prof. Dr. Lukas Radbruch Präsident der DGP 6 Z Palliativmed 2020; 21

Forum Palliative Versorgung bei chronischer Herzinsuffizienz Dietrich Wördehoff Die aktualisierte Auflage der Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) „chron. Herz- insuffizenz“ ist am 21.10 2019 vom ÄZQ (Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin) veröffentlicht worden. Das ÄZQ wird von der Bundesärztekammer, der Kassenärztlichen Bundevereinigung und der Arbeitsgemeinschaft wissen- schaftlicher medizinischer Fachgesell- schaften getragen [1]. Einen erheblichen Einfluss der Nationalen Versorgungsleit- linie auf die Arbeit von Ärzten in Praxis und Klinik wird man daher erwarten kön- nen. Adressaten sind aber neben den Ärzten ausdrücklich auch alle nicht ärzt- lichen Fachberufe, die im angesproche- nen Versorgungsbereich tätig sind. Erfreulicherweise konnte die DGP in der Expertengruppe mitarbeiten, vertreten durch Prof. Dr. Alt-Epping aus Göttingen und die Kollegen Johannes Rosenbruch aus München und Dietrich Wördehoff aus Saarbrücken in wechselndem Ein- satz. Es ist damit gelungen, in der 3. Auf- lage jetzt statt eines kleinen Absatzes (wie vorher) immerhin ein Kapitel mit 5 thematischen Abschnitten und 4 Seiten zu palliativmedizinischen Aspekten ein- zubringen. Es wurden 3 starke Empfeh- lungen (Grad A, „soll“) und eine Grad B- Empfehlung konsentiert (Infokasten). Unter den Zielen der NVL chronische Herzinsuffizienz wird als erstes die Stär- kung der patientenzentrierten Versor- gung genannt, und im Einzelnen aus- drücklich die Vereinbarung von Thera- piezielen und die geeignete Behandlung am Lebensende gemäß den individuellen Bedürfnisse und Preferenzen des Patien- ten hervorgehoben. In das Kapitel 11 „Palliative Versorgung“ ist zunächst eine Kurzdefinition der Pal- liative Care eingeflossen, als Strukturen der Palliativversorgung in Deutschland werden SPV und APV benannt. E M P F E H LU N G E N F Ü R D I E PA L L I AT I V E V E R S O RG U N G VO N PAT I E N T E N M I T FO R T G E S C H R I T T E N E R C H RO N . H E R ZI N S U F F I ZI E N Z 1. vorausschauende Versorgungs- planung – Empfehlungsgrad A Bei Patienten mit chron. Herzinsuf- fizienz sollen frühzeitig Krankheits- verläufe und hypothetische Krisen- szenarien besprochen, das ge- wünschte Vorgehen festgelegt und für den Fall der Nichteinwilligungs- fähigkeit eine bevollmächtigte Per- son benannt werden 2. Assessment von Symptomen und Belastungen – Empfehlungsgrad A Bei Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz sollen frühzeitig und systematisch Symptome und Belastungen erfasst werden, die auf eine palliative Situation hindeuten 3. Einbezug spezialisierter palliativ- medizinischer Angebote – Empfeh- lungsgrad B Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz und komplexen Be- lastungen im physischen, psycho- sozialen und pflegerischen Bereich sollen Unterstützungsmaßnahmen im Rahmen einer spezialisierten Palliativversorgung angeboten werden. 4. Therapiebegrenzung in der Ster- bephase – Empfehlungsgrad A In der Sterbephase sollen medizini- sche, pflegerische und physiothera- peutische Maßnahmen, die nicht dem Ziel bestmöglicher Lebensqua- lität dienen, beendet bez. nicht ein- geleitet werden. zitiert nach NVL Leitlinie Herzinsuf- fizienz, Kap. 11, S. 113 – 116 [1] geboten werden, die Bestimmung einer bevollmächtigten Person wird empfoh- len. Darüber hinaus sollen Grenzen der Behandlung aufgezeigt und individuelle Vorlieben sowie der Betreuungs- und Sterbeort angesprochen werden. Ein weiterer Abschnitt stellt klar, dass frühzeitig Symptome und Belastungen des Patienten dokumentiert werden sol- len. Für die Identifikation von möglichen Palliativpatienten wird das SPICT-Modell vorgeschlagen. sollen beendet oder nicht begonnen werden. Interventionen wie Beatmung, Dialyse, Intensivtherapie und künstliche Ernährung, die auf Lebensverlängerung angelegt sind, können Lebensqualität einschränken. Die Autoren der Leitlinie empfehlen außerdem, Gespräche zum Thema „Abschalten“ von Geräten (z. B. eines Kardioverters) schon vor der Im- plantation zu führen, aber auch wieder- holt bei Kontrolluntersuchungen und die Entscheidung dazu konkret in einer Pa- tientenverfügung festzulegen. Patienten mit fortgeschrittener Herzin- suffizienz und komplexen Symptomen sollten auf eine Versorgung durch die spezialisierte Palliativversorgung hinge- wiesen werden. Der Zeitpunkt des Ein- beziehens der SAPV sollte symptom- und bedürfnisorientiert erfolgen und nicht erst aufgrund einer schlechten Prognose. Sehr erfreulich und hilfreich ist es, dass in anderen Kapiteln eine ganze Reihe von Querverweisen auf die palliativmedizini- sche Versorgung eingefügt werden konnten: so wird z. B. im Kapitel Diag- nostik auf geriatrisches und palliatives Assessment hingewiesen. Im Rahmen der Therapieplanung allgemein wie auch bei akuter Dekompensation der Herzin- suffizienz wird angesprochen, dass den Patienten bei fehlender Besserung im Verlauf eine palliative Versorgung ange- boten werden soll. Im Kapitel Komorbidi- täten wird deutlich gemacht, dass Multi- Ein eigener Abschnitt befasst sich mit der vorausschauenden Planung: Es sollen bereits frühzeitig Gespräche zu mögli- chen Verläufen der Herzinsuffizienz an- Letztlich ist die Frage einer Therapiebe- grenzung in der Sterbephase Thema: Alle Maßnahmen, die nicht die Verbesse- rung der Lebensqualität zum Ziel haben, 8 Z Palliativmed 2020; 21

Forum Elektrochemotherapie in der Palliativmedizin Christian Volberg, Martin Gschnell Exulzerierende Hautmetastasen oder Primärtumoren der Haut sind in der Palliativmedizin mit einer Prävalenz von 5–10 % für die Behandler ein eher seltenes Problem [1]. Für die Patienten sind sie jedoch ein großes und sehr belastendes Problem. Wenn operative Verfahren nicht mehr an- gewendet werden können, ist die Elektrochemotherapie (ECT) oft eine der Behandlungsmöglich- keiten, um eine zufriedenstellende Symptomkontrolle zu erzielen. letzten Hintergrund In der Palliativmedizin begegnen uns im- mer wieder Patienten mit exulzerieren- den oder exophytisch wachsenden Haut- tumoren oder -metastasen. Die häufigs- ten Primärtumoren der Haut sind mali- gne Melanome, Basaliome und Platten- epithelkarzinome. Hautmetastasen ge- hen bei Frauen zu einem Großteil von Mammakarzinomen (72 %) aus. Seltener finden sich bei ihnen kutane Metastasen von Bronchial-, Ovarial- oder kolorekta- len Karzinomen. Bei Männern sind zu- meist Bronchial-, Darm- oder Nierenkar- zinome ursächlich [2]. Merke Für die Patienten sind kutane Metasta- sen oder Tumoren häufig mit großem Leidensdruck verbunden. ▶ Tab. 1 Intratumorale Bleomycin- und Cisplatin-Dosierung in Abhängigkeit vom Tumor- volumen [5]. Tumorvolumen (V = ab2π/6) Bleomycin-Dosierung Cisplatin-Dosierung (Konzentration: 1000 IU/ml) (Konzentration 2 mg/ml) V < 0,5 cm3 1 ml (1000 IU)/cm3 1 ml (2 mg)/cm3 0,5 cm3 < V < 1 cm3 0,5 ml (500 IU)/cm3 0,5 ml (1 mg)/cm3 V > 1 cm3 0,25 ml (250 IU)/cm3 0,25 ml (0,5 mg)/cm3 Die Geschwüre zerfallen oftmals, erzeu- gen kosmetisch große Defekte, nässen stark, infizieren sich dabei leicht und es kann ein faulig-jauchiger Geruch entste- hen. Darüber hinaus können ulzerieren- de Tumoren schnell anfangen zu bluten und sind oftmals auch sehr schmerzhaft [2, 3]. Einzelne Metastasen können, je nach Zu- stand des Patienten, operativ entfernt werden. Bei großflächiger Aussaat ist dies zumeist nicht möglich. Hier kann eventuell mit Strahlen-, Chemo- oder Im- muntherapie gearbeitet werden. Die Elektrochemotherapie ist ein weiteres lokales Verfahren, das zur Symptomkon- trolle eingesetzt werden kann. Wirkmechanismus Die Wirkweise der ECT beruht auf dem Mechanismus der Elektroporation durch Zellstimulation mit Stromimpulsen. Da- durch kommt es zu einer Veränderung des Transmembranpotenzials, die Zell- membranen im stimulierten Gewebe öff- nen sich reversibel und ermöglichen den verstärkten Übertritt eines zeitgleich verabreichten Chemotherapeutikums [4]. Als Zytostatikum wird Bleomycin oder Cisplatin in niedriger Dosierung ein- gesetzt. Bleomycin kann – je nach Aus- maß der zu behandelnden Tumoren – so- wohl intravenös als auch intratumoral appliziert werden, Cisplatin hingegen kann nur intratumoral gespritzt werden [5] (▶ Tab. 1). Durch die Elektroporation kommt es zu einer bis zu 80-fachen Wirk- steigerung für Cisplatin bzw. 8000-fa- chen Steigerung der antitumoralen Wir- kung für Bleomycin [6]. Diese extreme Wirkverstärkung für Bleomycin liegt in der Tatsache begründet, dass die Auf- nahme in eine nicht elektroporierte Zelle kaum gegeben ist. ▶ Abb. 1 Elektrochemotherapie disseminierter In-transit-Metastasen eines malignen Melanoms der Kopfhaut. Zwischen dem ersten und dem letzten Bild liegen 2 Jahre. 10 Z Palliativmed 2020; 21

Forum Platte hexagonal linear a b ▶ Abb. 4 Elektrodenköpfe zur Stromapplikation im Rahmen der Elektrochemotherapie. a Verschiedene Elektrodenköpfe (mit freundlicher Genehmigung der Fa. IGEA®). b Intraoperative Anwendung eines hexagonalen Elektrodenkopfes. Ergebnisse In den zur ECT durchgeführten Studien zeigte sich ein durchweg hohes Anspre- chen der Tumorformationen. Die objek- tive Ansprechrate (OR) liegt dabei zwi- schen 84,1 und 95 % und die komplette Remissionsrate (CR) zwischen 60 und 78 % [4, 8, 9]. In der Metaanalyse von Mali und Kollegen konnte ein deutlicher Vorteil der ECT gegenüber konventioneller Che- motherapie gezeigt werden. Bei Letzte- rer lag die OR bei nur 19,9 % und die CR lediglich bei 8 % (p < 0,01) [9]. Die Auto- ren zeigten auch, dass die intratumorale Applikation von Bleomycin wesentlich bessere Ansprechraten aufweist als die intravenöse Gabe (OR 85,8 % vs. 80,7 %; p = 0,28 und CR 72,7 % vs. 59,4 %, p < 0,01) [9]. Merke Unterschiedliche Tumorentitäten spre- chen verschieden gut auf die ECT an. Die Metaanalyse von Mali et al. [9], aber auch die Studie von Kreuter et al. [6] zeigten: Sarkome sprechen wesentlich besser an (OR 99,3 %, CR 73,9 %) als mali- gne Melanome (OR 80,6 %, CR 56,8 %) oder Plattenepithelkarzinome (OR 69,7 %, CR 49,5 %) [6, 9]. Aber auch die Größe der behandelten Metastasen scheint einen Einfluss auf das Ergebnis zu haben. So beträgt die komplette Remissionsrate bei Melanommetastasen < 1 cm2 72 %, bei einer Größe von > 1 cm2 lediglich nur noch 28 % [4]. Nebenwirkungen Während der Behandlung mit ECT kann es zu einer Reihe von Nebenwirkungen kommen. Diese können sich auf die be- handelten Körperareale beziehen oder systemischer Natur sein. Der Großteil der Patienten beklagt nach der Interven- tion Schmerzen. Diese werden meist durch die elektrische Stimulation hervor- gerufen und äußern sich in einer Art „Muskelkater“. Wird der Patient in Voll- narkose behandelt, so kann durch eine tiefe Relaxierung versucht werden, dem vorzubeugen [7]. Übelkeit kann durch die Narkosemittel, aber auch durch das verabreichte Zytostatikum – insbesonde- re Cisplatin – hervorgerufen werden (s. „Info – Steckbrief Cisplatin“). Eine PONV-Prophylaxe (PONV: postoperative nausea and vomiting) sollte deshalb schon während der Behandlung initiiert werden. Lokale Probleme wie postinter- ventionelle Blutungen, Hyperpigmentie- rungen der behandelten Hautareale, Nekrosen oder Infektionen treten bei ca. 5–16 % der Patienten auf [6]. Eine gefürchtete Komplikation der ECT ist die Entstehung einer Lungenfibrose durch die Anwendung von Bleomycin (s. „Info – Steckbrief Bleomycin“). Vorsicht Besonders durch hohe FiO2-Werte wäh- rend oder nach der Behandlung mit Bleomycin kann die Entstehung einer Lungenfibrose begünstigt werden. Es muss deshalb vonseiten der Anästhe- sie auf eine möglichst geringe Sauer- stoffzufuhr (< 30 %, am besten Raumluft) während der Narkose geachtet werden [12]. Bei pulmonal vorerkrankten Patien- ten muss die Indikation zur ECT sehr ge- nau gestellt werden und ggf. mit Cispla- tin als Alternative gearbeitet werden [7]. Fazit Die ECT ist eine geeignete Methode zur Behandlung von kutanen Metastasen oder Primärtumoren der Haut, wenn an- dere Möglichkeiten nicht (mehr) durch- führbar sind. Dabei wird durch Elektro- poration eine Wirkverstärkung des nied- rig dosierten Chemotherapeutikums im Tumorgewebe erzeugt. Nebenwirkun- gen und die systemische Belastung kön- nen dadurch reduziert werden. Meist kommt es bereits nach einer Sitzung zu einem guten Ansprechen, wobei Sarko- me am besten auf die ECT anzusprechen scheinen. 12 Z Palliativmed 2020; 21

Sorgen Sie für Linderung! Pochen, stechen, drücken, hämmern, bohren, klopfen, ziehen – kein Schmerz ist gleich. Und jeder erlebt ihn anders. Immer aber belasten sie den ganzen Menschen, körperlich, psychisch, sozial, spirituell. Jetzt ist in Ihrer Pflege professionelles Schmerzmanagement gefragt: Optimale Medikation kombiniert mit nichtmedikamentösen Maßnahmen. Mit dem 10-Punkte-Plan in diesem Buch wenden Sie komplementäre Pflegemaßnahmen erfolg- reich selbst an. Lindern Sie Schmerzen mit phy- sikalischen Maßnahmen und beeinflussen Sie die Schmerzwahrnehmung positiv. So sanft, so hilfreich – für Ihre Patienten. 2019. 1. Aufl. 152 S., 91 Abb., kart. ISBN 978 3 13 242182 0 39,99 € [D] www.thieme.de/shop . ff u a H . A . r D : n e t s o k d n a s r e V n e d n e l l i a f n a e d n e d r e w ] D l [ b a h r e ß u a n e g n u r e f e i L i e B . n e t l a h e b r o v r e m ü t r r I d n u n e g n u r e d n ä s i e r P G h p , 9 9 4 3 A R H , t r a g t t u t S r e t s i g e r s l e d n a H d n u - z t i S , G K g a l r e V e m e h T g r o e G i . t e n h c e r e b r e t i e w

Forum teten. Sie musste mehrfach erleben, dass indische Frauen sterben, weil es keine Ärztinnen gab. Sie studierte Medizin und gründete sogar eine medizinische Fakul- tät, die heute noch besteht. Wenn ich einen Tag unsichtbar wäre, würde ich … einen Tag in Varanasi ungestört am Gan- ges an den Ghats sitzen. Wie können Sie Herrn Andreas Lüdeke beschreiben? Andreas habe ich im Rahmen meiner Pal- liativausbildung in Köln und Bonn (1996– 2008) kennengelernt. Da wir weit vonei- nander entfernt leben, sehen wir uns nur alle paar Jahre, aber im Herzen sind wir über die lange Zeit in Verbindung geblie- ben. Wir sind in brieflichem Kontakt und es gibt Austausch über die Projekte unserer Organisationen. Ganz besonders schätze ich seinen feinen Humor, seine Kreativi- tät und seine ungebrochene Begeiste- rung für das Thema Hospiz und Palliativ. Wie beenden Sie Ihren Tag? Ich schätze es sehr, wenn der Tag ruhig ausklingt. Ganz wichtig ist mir abends der Austausch über die Begebenheiten des Tages und wenigstens ein paar Sei- ten zu lesen. Gibt es etwas, das Sie gern gefragt worden wären, aber noch nie gefragt worden sind? Nein ZUR PERSON Jahrgang 1964, Studium in München, Tätigkeit in der Inneren Medizin – Onkologie – Strahlentherapie und Allgemeinmedizin. Seit 1992 im Hospizbereich (Pas- sau, Berchtesgadener Land und Salzburg). Seit 2000 Ärztliche Leitung des Tageshospiz Salzburg. Weiterbildungen in Homöopathie, Neuraltherapie, Body talk, Psycho- therapie. Andreas Lüdeke Krankenhauseelsorger Wie kamen Sie in Ihr jetziges Tätig- keitsfeld? Wegen meines ursprünglichen Berufs- wunsches, zu werden, begann ich nach dem Abi zu- nächst ein Studium der katholischen Theologie und Philosophie in Bonn. Im Verlauf eines freiwilligen Pflegeprakti- kums spürte ich dann sehr schnell, dass Klinikseelsorger oftmals sehr spät, wenn überhaupt, einbezogen werden, manch- mal erst dann, wenn keiner mehr weiter- weiß. In der Pflege dagegen ist man viel näher am Patienten. Deshalb brach ich mein Studium ab und absolvierte eine Ausbildung zum Krankenpfleger. Im Rah- men dieser Ausbildung sollte ich 1979 ein Referat zum Thema Hospizbewegung halten. Das Thema war damals nicht nur ziemlich neu, sondern wurde von vielen auch argwöhnisch betrachtet. So lehn- ten noch ein Jahr zuvor in der Umfrage eines Ministeriums über 90 % der Befrag- ten (inkl. Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Krankenhausgesellschaften, Berufsver- tretungen und andere Fachleute) selbst ein Modellprojekt zur Errichtung einer damals noch irrtümlicherweise als „Ster- beklinik“ bezeichneten Einrichtung ab. Von da an ließ mich das Thema Hospiz- bewegung nicht mehr los. Ende der 80er-Jahre wurde ich mangels Ange- boten vor Ort Mitglied im bundesweit organisierten Verein „Omega – Mit dem Sterben leben e. V.“ bis ich dann 1993 gemeinsam mit einigen Mitstreitern den ambulanten Hospizdienst in Detmold ins Leben rief, deren Vorsitzender ich mit Unterbrechungen viele Jahre war. 2000 absolvierte ich meine Palliative-Care- Ausbildung in Gütersloh und 2004 den multidisziplinären Aufbaukurs Palliativ- medizin für Pflegende und Ärzte in Bonn. In meiner fast 30-jährigen Tätigkeit als Lehrer für Pflegeberufe und Schulleiter an mehreren Krankenpflegeschulen wa- ren die Themen Umgang mit Sterben, Tod und Abschieden sowie palliative Pflege meine Schwerpunkte. 2016 wech- selte ich dann vom Ehrenamt ins Haupt- amt, verließ die Schule und übernahm die Aufgabe des geschäftsführenden Ko- ordinators des Ambulanten Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienstes Lippe. Seit meiner Teilnahme am Interdisziplinären Lehrgang Palliative Geriatrie (2017/18) der Fachgesellschaft für Palliative Geria- trie (FGPG), schlägt mein Herz insbeson- dere für die Palliative Geriatrie – hier sehe ich eine riesige Baustelle für die Zu- kunft, auf der ich mich schwerpunkt- mäßig engagieren möchte. Was wäre für Sie die berufliche Alter- native? Ein paar Jahre lang war der Eintritt in ein Benediktinerkloster eine gut vorstellbare Option. Als dann die Entscheidung ge- troffen war, das nicht zu tun, sondern eine Familie zu gründen, habe ich über Alternativen nie mehr groß nachge- dacht. Fast immer habe ich meine Arbeit mit dem Gefühl getan, dass die momen- tane Tätigkeit genau „mein Ding“ ist. Als das vor drei Jahren dann nicht mehr der Fall war, habe ich halt gewechselt. Wie beginnen Sie Ihren Tag? Früh und in Ruhe. Zum Wachwerden be- nötige ich eine heiße/eiskalte Dusche und zwei Tassen Kaffee. Als Christ gehört für mich als spirituelle Nahrung ein Text aus der Bibel dazu, dann bin ich „auf Spur“. Leben bedeutet für mich … „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“, sagt Martin Buber. Ich bemühe mich, das in dem ganzen Alltags-Kleinklein im Fo- kus zu behalten. So sind die Begegnun- gen mit meiner Frau, meinen Kindern und meinem Enkelkind, Kolleginnen und den Menschen, die mir täglich begeg- nen, und die Möglichkeit, diese Begeg- 16 Z Palliativmed 2020; 21

sehr gefreut, als sie mich fragte, ob wir gemeinsam am Doppelkopf teilnehmen wollen. Wie beenden Sie Ihren Tag? Als bekennender Frühaufsteher sind die Abende bei mir oft nicht allzu lang. Im Sommer liebe ich den Aufenthalt im Gar- ten, ansonsten auf dem Sofa; Beine hoch, was Leckeres zu essen, ein gutes Tröpf- chen (oder auch ein paar mehr) und ein spannendes Buch. Gibt es etwas, das Sie gern gefragt worden wären, aber noch nie gefragt worden sind? Ob ich wüsste, wo und wie man mit ge- nug Geld, das jemand nicht mehr unbe- dingt selbst braucht, ein neues, zentrales Hospiz- und Palliativzentrum inkl. Tages- hospiz in Detmold gestalten könnte. Bauplatz und Pläne sind schon in mei- nem Kopf. ZUR PERSON 1957 in Paderborn geboren, ver- heiratet, drei erwachsene Kinder. 1977–1979 Studium der Katholi- schen Theologie und Philosophie in Bonn. 1979–1982 Krankenpfle- geausbildung in Paderborn anschl. pflegerische Tätigkeit in Kliniken in Paderborn und Marburg. 1985– 1987 Weiterbildung zum Lehrer für Pflegeberufe an der Kranken- pflegehochschule in Marburg. Von 1987–2016 tätig als Lehrer für Pflegeberufe davon 24 Jahre als Schulleiter mehrerer Einrich- tungen. 1993 Gründungsmitglied des ambulanten Hospizdienstes in Detmold und von 1995–2001 und 2012–2016 deren 1. Vorsitzender. Seit 2016 geschäftsführender Ko- ordinator des Ambulanten Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienstes Lippe e. V. Seit 1995 Mitglied in der DGP, Mitglied im Beirat des HPV- NRW und als Beisitzer Mitglied im Vorstand der Fachgesellschaft für Palliative Geriatrie (FGPG). 18 Z Palliativmed 2020; 21

Perspektiven Editorial Liebe Leserinnen und Leser, in der Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterben- der Menschen in Deutschland heißt es: „Die Betreuung er- folgt durch haupt- und eh- renamtlich Tätige soweit wie möglich in dem vertrauten bzw. selbst gewählten Um- feld. Dazu müssen alle an der Traugott Roser, Rubrikenherausgeber Versorgung Beteiligten eng zusammenarbeiten.“ Viele Patientinnen und Patienten wünschen sich, die letzte Lebensphase in den eigenen vier Wänden ver- bringen zu können und nicht noch einmal umziehen zu müssen. Seit Einführung der SAPV 2007 wurde viel dafür getan, diesem Wunsch entsprechen zu kön- nen, nicht zuletzt durch das Hospiz- und Palliativge- setz 2015. Auf dieser Grundlage haben die Medizini- schen Dienste der Krankenkassen Anfang 2019 ihre Richtlinien für die sozialmedizinische Begutachtung von Leistungsanträgen auf SAPV erstellt. Da lohnt es sich, auf Stimmen aus der Versorgungs- praxis zu hören, die Erfahrungen mit SAPV machen. In dieser und der nächsten Ausgabe der „Perspekti- ven“ kommen Autorengruppen aus dem Südwesten Deutschlands und aus dem Nordosten zu Wort. P. Ré- gincos, H. Nau und E.-M. Hönemann diskutieren v. a. die Herausforderungen durch Wünsche der Patien- tinnen und Patienten und Erwartungen der beteilig- ten Einrichtungen und Teams (ambulante Pflege- teams), um schließlich Lösungsansätze zu formulie- ren. In der kommenden Ausgabe werden Erfahrun- gen aus der Perspektive von Hausärztinnen und -ärz- ten berichtet. Absichtsformulierungen und Leitsätze sind letztlich immer Zielformulierungen und damit Wunschvor- stellungen. In der Realität, im Kleinklein des Alltags, im Rahmen von Regelungsverfahren und Begutach- tungen werden sie allzu oft relativiert und verblassen. Im besten Fall behalten sie aber das Potenzial, Reali- tät(en) zu ändern. Gute Lektüre wünscht Ihr Traugott Roser 20 Z Palliativmed 2020; 21

Perspektiven Ist der Wunsch nach Normalität reali- sierbar? Versorgungsengpässe bei der Entlassung Am Beispiel der Patientenhistorie konnte die Komplexi- tät der nachstationären Versorgung intensiv abgebil- det werden. Deutlich wurde bei dieser Fallgeschichte: Der Wunsch nach Normalität stand trotz Krankheit im Vordergrund. Dass dieser Wunsch im Alltag oft nur schwierig umzusetzen ist, hängt meist nicht mit der fehlenden Bereitschaft der involvierten Personen zu- sammen. Um diese Wünsche so gut es geht zu ermöglichen, gilt es zunächst, die passenden Versorgungskonzepte für zu Hause auszuwählen. Dabei wird bereits deutlich, dass neben medizinischen, sozialen und psychosozia- len Herausforderungen auch eingeschränkte Kapazitä- ten, systematische Vorgaben oder schwierige Kommu- nikation zu Problemen in der Nachversorgung führen können. Gute Beispiele hierfür: Physiotherapie, Musik- therapie, aber auch Psychoonkologie. Hier divergiert das Angebot im stationären und ambulanten Sektor. Leider zeigt sich, dass Patienten, die von derartigen An- geboten profitieren, keine passende ambulante Unter- stützung erhalten können. Stationär eingeleitete Maß- nahmen können ambulant nicht weitergeführt werden. Den Hauptgrund stellt die fehlende ambulante Struktur dar. Aber auch ungeklärte Finanzierungsmöglichkeiten sorgen oft für ein Scheitern dieser so wichtigen Unter- stützung – ein Aspekt, bei dem alle Beteiligten einen deutlichen Anpassungsbedarf sehen. Diese Lücke zu schließen stellt eine Herausforderung dar. Herausforderungen aus Sicht der Krankenhäuser Während des Aufenthalts auf einer Palliativstation sind alle mit Fragen konfrontiert, wie es nach dem stationä- ren Aufenthalt weitergehen kann, wohin der Weg führt und was eine gute Versorgung im Einzelfall bedeutet. Die Pflegefachkräfte der Palliativstation haben das Spannungsfeld, das durch diverse Wünsche der Patien- ten entsteht, beschrieben. Dabei standen drei Wün- sche im Vordergrund: Der Wunsch nach einer vertrauten Umgebung Dies bedeutet Geborgenheit und Sicherheit in einer Si- tuation, in der der Patient sehr vulnerabel ist. Oft wird der Wunsch geäußert, auf der Palliativstation bleiben zu dürfen. Ein tolles Lob an die Arbeit des multiprofes- sionellen Teams – dennoch ist die Liegezeit auf der Sta- tion begrenzt bzw. nicht länger indiziert, nicht zuletzt aus Gründen der Gerechtigkeit gegenüber anderen Patienten. Die Wartelisten der Palliativstationen sind gut gefüllt, daraus ergibt sich eine moralische Verpflichtung ge- genüber den wartenden Patienten. Aufnahmen sollen schnellstmöglich realisiert werden können. Verzweifel- te Zugehörige melden sich direkt auf Station und bit- ten um Verlegung eines Patienten. Eine unlösbare Si- tuation, trotz moralischer Verpflichtungen nicht allen gerecht werden zu können. Eine Entlassung nach Hause steht an, und die Frage stellt sich: Ist die Entlassung in die eigene Häuslichkeit überhaupt ein realistisches Ziel? Kann der Patient seine Fähigkeiten und Einschränkungen einschätzen? Ent- steht bei den Zugehörigen eine Überforderung – die Verantwortung liegt trotz zahlreicher Unterstützungs- angebote dann doch hauptsächlich bei ihnen? Stellen wir mit einer Entlassung nach Hause die ambulanten Dienste vor zu große Herausforderungen? Symptome wie Dyspnoe, akute Blutungen, Unruhe, Schmerzkri- sen, aber auch Panikattacken können Zugehörige zu Hause überfordern. Anspruch und Wunsch sind es, Patienten und Zugehö- rige umfassend zu unterstützen – die Ressourcen auf den Palliativstationen sind allerdings auch begrenzt. Die Pflege wünscht sich oft mehr Zeit, um Patienten und deren Zugehörige in der Pflege anzuleiten und gut auf die Entlassung vorzubereiten. Doch aufgrund des Personalmangels geht diese wichtige Ressource für zu Hause oft verloren. Die Frage, die bleibt: Könnten wir durch eine intensive- re Vorbereitung und Begleitung vielleicht mehr Men- schen die Entlassung nach Hause ermöglichen? Der Wunsch weiterzuleben Der Wunsch weiterzuleben ist eng mit einem ausge- prägten Therapiewunsch der Patienten verknüpft. Gleichzeitig sind die Patienten durch krankheitsbe- dingte Einschränkungen auf Hilfe angewiesen. Wie sol- len wir reagieren, wenn junge Patienten – wie im Fall- beispiel deutlich geschildert – alles möglich machen wollen? Die Pflege ist in solch einer Situation zusätzlich zur Kinderbetreuung und der Berufstätigkeit meist kaum zu stemmen. Eine Verlegung ins Hospiz: in der Therapiephase nicht möglich. Pflegeheim? Es fehlt an geeigneten Einrichtungen für jüngere erkrankte Men- schen. Wie hoch ist der Nutzen der Therapie für den Patienten unter diesen Bedingungen – und wer definiert diesen? Der Erkrankte muss in einer extremen Stresssituation für ihn und das Umfeld passende und gute Entschei- 22 Z Palliativmed 2020; 21

Perspektiven Herausforderungen aus Sicht der Hospize Die Erfahrungen in Hospizen gestalten sich ähnlich. Viel zu wenige Einrichtungen mit kleinen Bettenzahlen stehen einer immer höher werdenden Zahl von palliativ erkrankten Personen mit begrenzter Lebenserwartung gegenüber. Eines ist auch hier klar: Hospizplätze stellen ein kostbares Gut dar. Hospize sind aufgrund der langen Wartelisten darauf angewiesen, dass in wichtigen und dringlichen Fällen ein persönlicher Kontakt erfolgt. Nur wenn möglichst viele biografische Informationen und Angaben zur Symptomlast vorliegen, wird die Dringlichkeit deutlich, kann ein Bild des Menschen hinter der Krankheit ent- stehen. Dieses trägt in hohem Maße dazu bei, eine indi- viduelle Versorgung zu generieren und eine rasche Auf- nahme zu fördern. Auch hier gilt: Merke Je frühzeitiger und ausführlicher die Kommunikation, umso reibungsloser die Organisation der Weiterver- sorgung – insbesondere da auch hier mit komplexen Krankheitsverläufen der Aufwand in der Versorgung zunimmt. Die Kollegen im Hospiz wünschen sich, dass die Patien- ten sich bewusst für die Aufnahme in ein Hospiz ent- scheiden. Die Hemmschwelle ist groß, da viele Angst haben vor einer Einrichtung, in der „nur noch auf den Tod gewartet wird“. Dort könne noch sehr viel mehr als nur das gewährleistet werden. Gerade um im Hospiz gut anzukommen und zu profitieren, sollte keine Verle- gung in den letzten Lebenstagen stattfinden. Medika- mente sollten vor der Verlegung überprüft und wenn möglich abgesetzt werden. Die Hospize berichten wei- ters, dass sie mit einer Flut an Anmeldungen konfron- tiert werden. So entstehen Wartelisten mit teilweise bis zu 300 Personen. Dass es personalintensiv ist, diese Listen zu verwalten, verwundert nicht. Noch viel kom- plexer ist es, zu entscheiden, wer den nächsten freien Platz erhält. Und auch zunehmend komplexe Versor- gungen am Lebensende stellen eine große Herausfor- derung dar. Herausforderung aus Sicht der ambulanten Pflegedienste Schaut man auf die ambulante Weiterversorgung von palliativ Erkrankten, stehen auch hier Themen wie Per- sonalmangel, nicht ausreichende Kapazitäten und strukturelle Problematiken zunächst im Vordergrund. Vielfach sind Klagen zu hören, dass die Zeit, die für Ver- waltungsaufgaben aufgebracht werden muss, für den Patienten fehlt. Ein explizites Beispiel im Bereich der ambulanten Pfle- gedienste: aufwendige Stomaversorgungen. Oftmals kostet es die involvierten Dienste viel Zeit, um mit den Krankenkassen zu verhandeln – nur um dann letztend- lich doch nur drei Besuche pro Woche genehmigt zu bekommen. Die Klärung der so dringend notwendigen finanziellen Unterstützung dauert oft lange – eine zu- sätzliche Belastung für die Zugehörigen. Forderungen der Pflegedienste. Auch hier würde eine bessere Organisation der medikamentösen Versorgung bei Entlassung vieles erleichtern. Gerade im ambulan- ten Bereich ist es oft nicht möglich, fehlende Medika- mente und Verbandsmittel rasch zu organisieren. Feh- ler bei der Entlassung können also auch hier zu schnel- len und eigentlich vermeidbaren Wiedereinweisungen führen. Selbst wenn es gelingt, diese Probleme rasch zu lösen, führen solche Situationen zu Unsicherheit und Angst bei Zugehörigen und Patienten. Solche Probleme er- schweren den so dringend notwendigen Vertrauens- aufbau zum neuen Team. Entlassung mit Schmerzpumpen oder komplexen Er- nährungssystemen schüren zusätzlich oft Ängste, de- nen entsprechend begegnet werden muss. Da ist es hilfreich, wenn die Voraussetzungen gleich zu Beginn stimmen. Dazu gehört laut Aussage der ambulanten Dienste auch, dass vor Rückkehr in die eigene Häuslich- keit bereits eine Pflegeeinstufung beantragt wurde. Im ambulanten Setting kommt allerdings noch eine an- dere Schwierigkeit hinzu: Sowohl Pflegedienst als auch SAPV dringen bei ihrer Arbeit in die Privatsphäre der Betroffenen und ihrer Zugehörigen ein. Herausforderungen aus Sicht der SAPV Spannungsfelder im häuslichen Umfeld Im häuslichen Umfeld finden die Kollegen der SAPV eine ganz andere Situation vor als die Kollegen in der Klinik. Die Mitarbeitenden dringen bei ihrer Arbeit in die Privatsphäre der betroffenen Patienten und Zuge- hörigen ein und müssen sich auf neue Begebenheiten einstellen. Aufgabe ist es, Sicherheit zu geben, Akzeptanz für Un- gewohntes im Vertrauten aufzubauen. Einbeziehung und Stärkung der Zugehörigen, Stabilisierung der häuslichen Situation, Erhalt der Autonomie sind hier wichtig und sehr komplexe Aufgaben. Im häuslichen Umfeld können andere Spannungsfelder entstehen: Ängste, Autonomieverlust, fehlende Mobili- tät und Scham können Situationen lange verschleiern. Die Einbindung der SAPV zeigt sich hier generell für Zu- 24 Z Palliativmed 2020; 21

Perspektiven ÜBERSICHT Lösungsansätze ▪ regelmäßige und bereichsübergreifende Schu- lungen und Netzwerktreffen für beteiligte Ak- teure ▪ möglichst umfassende Information über Thera- pieziele und zu leistende und zu unterlassende Maßnahmen bei Komplikationen bei der Über- leitung ▪ Informationsweitergabe zum Kenntnisstand der Patienten ▪ frühzeitige Anmeldung/Kontaktaufnahme bei geplanter Entlassung ▪ Stärkung der Pflegeheime/ambulanten Dienste ▪ Stärkung der Palliativversorgung und -ausbil- dung insgesamt ▪ Konzeptentwicklung zur Weiterführung statio- närer Therapien im ambulanten Bereich ▪ transparente und zeitnahe Finanzierungsmo- delle für den Einsatz ambulanter Dienste durch Krankenkassen und MDK ▪ Schaffung von mehr Hospiz- und Pflegeheim- plätzen ▪ Gewährleistung der medikamentösen Versor- gung, insbesondere Bedarfsmedikation im Rah- men der Entlassung ▪ möglichst ausführliche Informationsübermitt- lung bei komplexer Wundversorgung, Ernäh- rungskonzepten, Schmerzpumpen Was muss sich ändern? ▪ Die allgemeine Palliativmedizin, aber auch die ge- samte ambulante und stationäre Versorgungsstruk- tur muss gestärkt werden. ▪ Wir brauchen mehr Hospiz- und Pflegeheimplätze sowie transparente und flexible Verlegungs- und Finanzierungsstrukturen. Die Finanzierungsdiskre- panz Hospiz/Pflegeheim in der palliativen Situation muss abgebaut werden. ▪ Dringend benötigt werden auch mehr Personal und bessere Weiterbildungs- und Schulungsmöglichkei- ten (und auch die notwendige Zeit dafür!). ▪ Auf gesellschaftlicher Ebene plädieren wir für ein- heitliche und finanzierbare Lösungen für Weiterver- sorgungen, die den Menschen als Individuum be- greifen, aber dennoch für alle gleichermaßen zur Verfügung stehen. ▪ Eine intensivere Kommunikation, Kooperation und Zusammenarbeit aller an der Versorgung Beteiligten muss zu deren Gelingen dringend erfolgen. Alle Beteiligten brauchen mehr Zeit für den Einzelnen und seine Zugehörigen. Zusammenfassen kann man dies mit den Worten von Giovanni Maio, der den Hauptvortrag dieser Veranstaltung hielt: Merke Sorge sei es, was die Heilberufe eigentlich umtreiben sollte, nicht nur Fallzahlen oder gesellschaftliche Problematiken. Die Unterstützung des anderen durch die Verknüpfung aus zielführendem Handeln und Zu- wendung sei das eigentlich Wichtige und dürfe nicht der Wirtschaftlichkeit untergeordnet werden. Hier liegt ein großer Auftrag an die Gesellschaft, den Gesetzgeber, Krankenkassen und MDK, an uns alle. Fazit Das 10. Palliativforum des Klinikums Stuttgart bot eine gute Plattform, um die Probleme im Spannungsfeld von stationärer und nachstationärer Versorgung zu er- kennen und zu verstehen. Im Weiteren muss daran ge- arbeitet werden, Lösungsansätze in der täglichen Pra- xis zu etablieren. Hierbei gibt es Aufgaben für die Ge- sellschaft, den Gesetzgeber, Krankenkassen und den MDK. Palliative-Care-Fachkräfte aller Bereiche können durch bessere Kommunikation und Kooperation die Situation aktuell verbessern. Hier soll das 11. Palliativ- forum 2020 weiter ansetzen. Interessenkonflikt P. Regincos: Advisory Board Norvatis, Reisekostenunterstüt- zung IPSEN. Die beiden anderen Autoren geben an, dass kein Interessen- konflikt besteht. Korrespondenzadresse Dr. Pascale Régincos Klinikum Stuttgart, Klinik für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin Kriegsbergstraße 60 70174 Stuttgart E-Mail: p.regincos@klinikum-stuttgart.de Bibliografie DOI https://dx.doi.org/10.1055/a-0993-1347 Z Palliativmed 2020; 21: 21–26 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 1615-2921 26 Z Palliativmed 2020; 21

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Rechtsbeitrag Im präklinischen Notfallsetting wird das Rettungsfachpersonal regelmäßig auf Patienten treffen, die ihren Willen in der konkreten Situation nicht mehr zum Aus- druck bringen können. Merke Hierin zeigt sich das Dilemma: Das Spannungsverhältnis zwischen dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten einerseits und dem besonders notfall- medizinisch geprägten Grundsatz „in dubio pro vita“ (lat. „im Zweifel für das Leben“) andererseits. Dabei steht der am Einsatzort eintreffen- de Rettungsdienst emotional und zeitlich unter Druck, denn er muss ad hoc über den in der jeweiligen Situation angemes- senen, medizinisch korrekten und juris- tisch rechtmäßigen Umgang mit dem Notfallpatienten entscheiden [1]. Ob hierbei eine Entscheidung, lebenserhal- tende Maßnahmen wie z. B. die kardio- pulmonale Reanimation nicht zu begin- nen oder abzubrechen, auch vom nicht- ärztlichen Rettungsfachpersonal legal getroffen werden kann, ist abhängig von den ihnen (gesetzlich) eingeräumten Kompetenzen und besonders von der Frage nach der Geltungskraft des Selbst- bestimmungsrechts im präklinischen Einsatz. Die Problematik im Hinblick auf die ge- schuldete Beachtung des Selbstbestim- mungsrechts gewinnt dadurch an Schär- fe, dass diese Respektpflicht aus Sicht des Patienten gegenüber jedem Angehö- rigen der Heilberufe gleichermaßen Gel- tung beansprucht, aus juristischer Per- spektive aber der „behandelnde Arzt“ derjenige ist, der die Behandlungsver- antwortung für das Therapieangebot trägt (bei einwilligungsunfähigen Patien- ten explizit § 1901b Abs. 1 S. 1 BGB): Die- ser Arzt ist aber oftmals nicht der erste vor Ort. Ärztliche versus nichtärztliche Kompetenzen Arztvorbehalt Ausgangspunkt der juristischen Diskus- sion um die Abgrenzung von ärztlichen und nichtärztlichen Kompetenzen ist die Frage nach dem Arztvorbehalt im Ret- tungsdienst, der im Allgemeinen aus der Vorschrift des § 1 Abs. 1 HeilprG (Heil- praktikergesetz) hergeleitet wird. Diese stellt die Ausübung von Heilkunde, d. h. „jeder berufs- oder gewerbsmäßig vor- genommenen Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankhei- ten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen …“ (§ 1 Abs. 2 HeilprG) von Personen, die nicht als Arzt approbiert und als solche zur Ausübung von Heil- kunde berechtigt sind, unter einen be- sonderen Erlaubnisvorbehalt [2]. In die Erlaubnispflicht werden aber nur diejeni- gen Personen einbezogen, die nicht in- folge eines anderen Gesetzes zur Aus- übung der Heilkunde befugt sind [2]. Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zum neuen Notfallsanitätergesetz (Not- SanG) wurde zwar die Einführung einer Regelung mit der Befugnis zur Ausübung der Heilkunde und damit eine Öffnung des Heilkundevorbehalts gefordert; der Gesetzgeber hat jedoch von einer sol- chen Ausnahmeregelung zum Heilprakti- kergesetz am Ende ausdrücklich abge- sehen [3], sodass davon ausgegangen werden muss, dass er Notfallsanitäterin- nen und Notfallsanitätern gerade keine Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde erteilen und am Arztvorbehalt im Ret- tungsdienst festhalten wollte ([4], mit Hinweis darauf, dass sich die noch unter Geltung des RettAssG kontrovers disku- tierte Frage, ob nichtärztliches Rettungs- fachpersonal dem Heilkundevorbehalt unterliegt, nach derzeitiger Rechtslage erledigt haben dürfte). Nichtärztliches Rettungsfachpersonal zur selbstständigen Ausübung ärztlicher Tä- tigkeiten nicht befugt ([5], mit Verweis auf andere Ansichten). somit ist Das Notfallsanitätergesetz Das am 01.01.2014 in Kraft getretene Gesetz über den Beruf des Notfallsanitä- ters (NotSanG, BGBl. I 2013, S. 1348) re- gelt die Zulassung zu einem Heilberuf [6], wohingegen sich die Beteiligung der Notfallsanitäter am Rettungsdienst aus den Rettungsdienstgesetzen der Länder ergibt. Das NotSanG differenziert zwi- schen Maßnahmen, die vom Notfallsani- täter eigenverantwortlich (§ 4 Abs. 2 Nr. 1) und solchen, die im Rahmen der Mit- wirkung bzw. Assistenz (§ 4 Abs. 2 Nr. 2) durchgeführt werden können. Welche Befugnisse hierdurch konkret er- teilt werden, lässt sich dem Gesetz je- doch nicht explizit entnehmen. § 4 Abs. 2 Nr. 2 besagt insoweit, dass zu den statt- haften Mitwirkungsmaßnahmen neben dem eigenständigen Durchführen ärzt- lich veranlasster Maßnahmen […] im Notfalleinsatz (§ 4 Abs. 2 Nr. 2b) insbe- sondere die eigenständige Durchfüh- rung heilkundlicher Maßnahmen gehört, die vom Ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD) oder anderen entsprechend ver- antwortlichen Ärzten bei bestimmten notfallmedizinischen Zustandsbildern und -situationen standardmäßig vorge- geben, geprüft und verantwortet wer- den (§ 4 Abs. 2 Nr. 2c). Hieraus ergeben sich bezüglich der rechtlich statthaften Durchführung heil- kundlicher Maßnahmen durch den Not- fallsanitäter einige zentrale, klärungsbe- dürftige Fragen: ▪ Hat der Gesetzgeber hiermit die Sub- stitution von eigentlich ärztlichen Leistungen erlaubt und damit deren Anwendung im Einsatzalltag auch schon vor dem Eintreffen des (Not-) Arztes oder sogar ohne ihn vorgese- hen? ▪ Oder zielt der Gesetzgeber auf eine Vergabe ärztlicher Maßnahmen im Sinne einer sog. (General-)Delegation an nichtärztliches Rettungsfachper- sonal ab? Die Übertragung heilkundlicher Tätigkei- ten auf nichtärztliches Personal wird nach überwiegender Auffassung in der Literatur als Delegation bezeichnet [8, 28], wobei damit keine eigenständige Ausübung der Heilkunde neben oder an- stelle des Arztes, sondern lediglich ein Handeln in Assistenz gemeint ist [7]. Er- forderlich ist daher stets eine gesonderte ärztliche Anordnung (vgl. § 10 MBO-Ä) sowie Überwachung [21, 22]. Die Verantwortung hierfür obliegt dem anordnenden Arzt, wohingegen die dele- gierten Aufgaben vom nichtärztlichen Rettungsfachpersonal eigenverantwort- lich durchgeführt werden [17, 24]. Im Rahmen der Substitution handelt das nichtärztliche Personal hingegen nicht mehr auf ärztliche Weisung, sondern setzt sich an die Stelle des Arztes [8]. Ne- 28 Mühe K et al. Die Minuten bis … Z Palliativmed 2020; 21: 27–33

Rechtsbeitrag der Voraussetzungs- oder auf der Rechts- folgenseite mangelt, etwa: ▪ Was meint ein „schwerer Dauer- schaden des Gehirns“? ▪ Was bedeutet: „keine lebensver- längernden Maßnahmen“? 1 S. 2 BGB) abzuweichen und dem (Not-) Arzt in Akutsituationen ein Alleinent- scheidungsrecht einzuräumen, wenn weder der Patientenwille bekannt noch ein Betreuer bzw. Bevollmächtigter an- wesend oder erreichbar ist. fen werden (vgl. § 1901a Abs. 2 S. 1 BGB). Die Feststellung des mutmaßlichen Wil- lens stellt jedoch die Verantwortlichen im präklinischen Notfallsetting vor be- sondere praktische und organisatorische Herausforderungen. Einerseits dürfen Angehörige hierbei lediglich als „Infor- mationsquelle“ zur Ermittlung des Pa- tientenwillens fungieren, es sei denn, sie sind zugleich (ausnahmsweise) Gesund- heitsvorsorgebevollmächtigte oder Be- treuer des Notfallpatienten, denen (erst) dann im Außenverhältnis die Rolle eines entscheidungsbefugten Stellvertreters zukommt. Andererseits verbleibt auch insoweit die rechtlich wie praktisch be- deutsame Frage, ob wegen der regel- mäßig fehlenden Erreichbarkeit eines solchen Stellvertreters bzw. der generell fehlenden Stellvertretung die „(Not-)Ent- scheidungsbefugnis“ des Arztes bei der Deutung des mutmaßlichen Patienten- willens auch durch nichtärztliches Perso- nal übernommen werden darf. Dies muss wohl verneint werden, da es sich bereits bei der ärztlichen Notfall- kompetenz in Bezug auf die Patientenau- tonomie um eine Ausnahme handelt, so- dass eine weitergehende Kompetenzver- lagerung auf Nichtärzte zu einer „Nor- malisierung der Ausnahme“ führen wür- de, für die es keine gesetzliche Rechtfer- tigung gibt. Freilich stellt sich auch bei dessen Anwe- senheit die hier relevante Problematik, ob der allein am Einsatzort anwesende Nichtarzt mit dem Betreuer/Bevollmäch- tigten überhaupt in einen zur Therapie- entscheidung hinführenden Dialog tre- ten darf, denn § 1901b Abs. 1 BGB spricht eindeutig vom „behandelnden Arzt“, der die medizinische Indikation prüft und mit dem „Betreuer“ erörtert. Merke Für den alleine anwesenden Rettungs- dienst besteht somit die zentrale Ent- scheidungsunsicherheit in Bezug auf die eigene Rolle in gleicher Weise. Aber selbst dann, wenn der Inhalt der Patientenverfügung mit der konkreten Situation korreliert, liegt neben dem Ein- wand der praktischen Umsetzung in der jeweiligen Notfallsituation das Kernpro- blem weiter darin, dass der Facharztvor- behalt nicht disponibel ist; mit anderen Worten: Es könnte auch eine Patienten- verfügung nichtärztliches Personal nicht zu Entscheidungen autorisieren, die das Recht ihnen untersagt. Dass die Patientenverfügung ein wesent- liches Moment zur Stärkung der Rechts- sicherheit im Ganzen ist, wird daher zu- nehmend bestritten [11], sodass bereits aus diesem Grund zweifelhaft ist, ob eine Patientenverfügung dem nichtärzt- lichen Rettungsfachpersonal überhaupt einen verlässlichen Handlungsrahmen verschaffen kann. Darüber hinaus stellt sich die generelle Frage nach der Befugnis, den Inhalt einer Patientenverfügung zu interpretieren. Gemessen an § 1901a Abs. 1 BGB ist die verbindliche Ermittlung des Patienten- willens dem Betreuer bzw. Bevollmäch- tigten und gerade nicht dem Arzt zuge- wiesen, dem vielmehr eine Kontroll- und Teilhabefunktion an der gemeinsamen Entscheidung zukommt [12]. Auch mit Blick auf die Bindungswirkung lässt sich eine eigenständige Interpretationsbe- fugnis des Arztes nicht herleiten, selbst für vermeintlich „eindeutige“ Patienten- verfügungen nicht, die letztlich nur das Ergebnis einer Interpretation sein kön- nen [11]; anders hingegen die Bundes- ärztekammer in ihren aktuellen Empfeh- lungen zum Umgang mit Vorsorgevoll- machten und Patientenverfügungen: „Sofern der Arzt keinen berechtigten Zweifel daran hat, dass die vorhandene Patientenverfügung auf die aktuelle Le- bens- und Behandlungssituation zutrifft, hat er auf ihrer Grundlage zu entschei- den“ [10]. Im Notfallsetting besteht jedoch die Be- sonderheit, dass regelmäßig der zeitli- che Rahmen für einen langwierigen Ab- stimmungs-, Dialog- und Entscheidungs- findungsvorgang fehlt; zudem wird in der Praxis nur selten ein nachweislich autorisierter Vertreter des Patienten am Ort des Geschehens anwesend sein. Es ist daher naheliegend, bei dringlicher Handlungsnotwendigkeit vom gesetzlich vorgesehenen Erörterungs- und Ent- scheidungsprozedere (vgl. § 1901b Abs. FA ZI T Eine Patientenverfügung bietet daher für Notfallpatienten ledig- lich ein Pseudo-Recht, das prak- tisch ins Leere läuft, mit der Kon- sequenz, dass trotz aller Anstren- gungen um eine „Stärkung des Selbstbestimmungsrechts“ eine Patientenverfügung insoweit we- gen Abwesenheit der notwendigen ärztlichen Kompetenz keine Be- achtung findet. FA ZI T Das respektpflichtige Selbstbe- stimmungsrecht läuft daher bei Notfallpatienten weithin ins Leere und mündet letztlich in eine Ver- absolutierung der sonst geltenden Zweifelsregelung („in dubio pro vi- ta“), der nach tradierter Auffas- sung stets Vorrang vor den per- sönlichen Überlegungen der Be- handler, der Angehörigen oder ei- ner anderen beteiligten Person zu- kommt (BGHSt 40, 257, 263). Mutmaßlicher Willen des Patienten Sofern es an einer wirksamen und kon- kret anwendbaren Patientenverfügung fehlt, muss hilfsweise auf die Behand- lungswünsche bzw. auf den mutmaßli- chen Willen des Patienten zurückgegrif- Rechtfertigender Notstand Allerdings sind nichtärztliche Rettungs- dienstmitarbeiter unter den Vorausset- zungen des § 34 StGB – hieran orientiert sich auch die Rechtfertigung der soge- nannten Notkompetenzen [17, 25], auf 30 Mühe K et al. Die Minuten bis … Z Palliativmed 2020; 21: 27–33

Rechtsbeitrag K E R N AU S SAG E N ▪ Der Wille des Patienten sollte im Fokus jeder Therapieentscheidung stehen, auch einer solchen im Ret- tungsdiensteinsatz. ▪ Nichtärztlichen Rettungsdienst- mitarbeiter sollten mit Blick auf die komplexe Rechtslage der The- rapiebegrenzung fortlaufend und bereits in der Ausbildung ausrei- chend juristisch geschult werden, um Entscheidungen im Einsatz auf informierter Basis treffen zu kön- nen. ▪ Der Gesetzgeber muss in die Ver- antwortung genommen werden, um die rechtliche Situation vor al- lem für nichtärztliches Rettungs- dienstpersonal im Einsatz transpa- rent und handlungsorientiert aus- zugestalten. Der neueste Be- schluss des Bundesrates, einen Entwurf zur Änderung des Not- SanG beim Bundestag einzubrin- gen, ist daher begrüßenswert. Notfallsanitäterinnen und Notfall- sanitäter sollen hiernach durch die Aufnahme einer Befugnisnorm in § 1 Abs. 1 NotSanG vom Heilkun- devorbehalt nach § 1 Abs. 1 HeilprG ausgenommen und im Rahmen des § 4 Abs. 2 Nr. 1c Not- SanG zur Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten berechtigt werden. ▪ Angesichts des ungewissen Aus- gangs dieser Bundesratsinitiative (wie eingangs dargestellt wurde eine Öffnung des Heilkundevorbe- haltes bereits im Gesetzgebungs- verfahren zum NotSanG versagt) und der derzeit bestehenden Pro- bleme ist es überfällig, sich aus der Mitte der Notfallmedizin heraus noch stärker mit dieser Problema- tik zu befassen und insbesondere die Frage zu beantworten, wie in Zukunft verlässlicher als bisher das Selbstbestimmungsrecht der Menschen auch in Notfallsituatio- nen respektiert werden kann. ▪ Hierzu kann die breite Implemen- tierung von Notfallpatientenverfü- gungen, wie sie im Kontext der Gesundheitlichen Vorausplanung (Advance Care Planning, Behand- lung im Voraus planen) vorgese- hen ist, eine wichtige Entschei- dungshilfe sein. ▪ Aufgrund des Arztvorbehaltes in der konkreten Notfallsituation können diese Notfall-Patienten- verfügungen jedoch nur dann ein relativ rechtssicheres Agieren des nichtärztlichen Rettungsdienst- personales ermöglichen, wenn gleichzeitig spezielle SOPs zur Therapiebegrenzung geschaffen werden und diese den Umgang mit den Notfallverfügungen re- geln. ▪ Die weitere Implementierung spe- zialisierter ambulanter Palliativ- versorgung (SAPV) in Kooperation mit den Rettungsdiensten kann möglicherweise zu einer ange- messenen akutmedizinischen Be- handlung fortgeschritten und schwer erkrankter Patienten bei- tragen. ▪ Die palliative Begleitung sterben- der Patienten sowie ihrer Angehö- rigen stellt jedoch auch eine wich- tige notfallmedizinische Kompe- tenz dar, der durch Ausbildung und Schulung Rechnung getragen werden muss. ▪ Bei der palliativmedizinischen Kri- senplanung (Advance Care Planning [25, 26]) muss dieser dilemmati- sche Pflichtenkonflikt von Ret- tungsdienstpersonal mit den der- zeit verbundenen Unsicherheiten eingeplant werden. ▪ wie häufig rechtlich kritische Situatio- nen alltagsrelevant auftreten, ▪ inwiefern das allein vor Ort anwesen- de Rettungsfachpersonal Entschei- dungssituationen bei reanimations- bedürftigen und fortgeschritten un- heilbar erkrankten Patienten als pro- blematisch wahrnimmt, ▪ nach welchen Kriterien Entscheidun- gen im Realeinsatz getroffen werden, ▪ welche Belastungen daraus erwach- sen und ▪ welche subjektiven Kompetenzen das verantwortliche Rettungsdienstfach- personal bei sich wahrnimmt. Gerade aus Sicht des im praktischen Ein- satz tätigen nichtärztlichen Rettungs- personals sowie aus Sicht des Patienten muss daher diese rechtliche Analyse in hohem Maße unbefriedigend wirken. Die teils gegenläufigen Rechtsargumen- te verdeutlichen die dringende Notwen- digkeit interdisziplinärer Klärung unter Einbeziehung ärztlichen, rettungsdienst- lichen, medizinrechtlichen und ethi- schen Sachverstands. Dazu soll diese Analyse einen konkreten Anstoß geben. Hinweis Der Beitrag beinhaltet keine Studie an Menschen oder Tieren. Interessenkonflikt Die Autoren geben an, dass kein Interes- senkonflikt besteht. Korrespondenzadresse Karin Mühe Georg August Universität, Medizinische Fakultät Robert-Koch-Straße 40 37075 Göttingen E-Mail: karin.muehe@glkn.de zur Als Aufklärungsarbeit Schaffung eines Problembewusstseins wie auch als wissenschaftliche Unterstützung, Eva- luation und Optimierung dieser Prozesse braucht es empirische Daten. Hierzu wurden im Rahmen einer multi- zentrischen Befragung unserer Arbeits- gruppe folgende Aspekte erhoben (diese Untersuchung befindet sich aktuell in der Publikationsphase): 32 Mühe K et al. Die Minuten bis … Z Palliativmed 2020; 21: 27–33

a i l o t o F – x i p r e f e K © i 5 6 3 T K 6 1 i a f n a e d n e d r e w ] D l [ b a h r e ß u a n e g n u r e f e i L i 9 9 4 3 A R H , t r a g t t u t S r e t s i g e r s l e d n a H d n u - z t i S , e B . n e t l a h e b r o v r e m ü t r r I d n u n e g n u r e d n ä s i e r P G K g a l r e V e m e h T g r o e G i . t e n h c e r e b r e t i e w n e t s o k d n a s r e V n e d n e l l . ff u a H . A . r D : G h p , Schmerzfrei durch Klinikalltag und Prüfung Testen Sie Ihr Wissen Hinter dem Symptom Schmerz kann sich alles Mögliche verbergen. Ob biologische, psychische oder soziale Faktoren, akute oder chronische Verlaufsformen – als Arzt müssen Sie alle Facetten im Blick haben und diagnostisch eingrenzen. Mit diesem Titel können Sie genau das trainieren. Sie lernen, wie Sie mit komplexen Fragestellungen zum Thema Schmerz umgehen, Informationen bewerten und die richtigen Entscheidungen treffen. Sichern Sie sich wertvolle Anregungen für die Praxis und abwechslungs- reichen Lernstoff für die Prüfung der Zusatzweiterbildung „Spezielle Schmerztherapie“. Schmerzmedizin Bernateck et al. 2017. 2., akt. Aufl. 320 S., 25 Abb., kart. ISBN 978 3 13 240094 8 59,99 € [D] Buch plus Online-Version in der eRef Versandkostenfreie Lieferung innerhalb Deutschlands! Telefonbestellung: 0711/8931-900 Faxbestellung: 0711/ 89 31-901 Kundenservice @thieme.de www.thieme.de/shop

Originalarbeit Einleitung Die medizinische Versorgung von Patienten in ihrer letzten Lebensphase hat sich v. a. für Patienten mit malignen Erkran- kungen seit einigen Jahren entscheidend verbessert. Palliativ- stationen, Hospize und ambulante Versorgungsmöglichkeiten wie die spezialisierte (SAPV) oder allgemeine ambulante Pallia- tivversorgung (AAPV) ermöglichen eine individuelle palliativ- medizinische Betreuung dieser Patientengruppe [1]. Sowohl die Deutsche als auch die Europäische Gesellschaft für Palliativmedizin fordern zusätzlich zur bestehenden pallia- tivmedizinischen Betreuung die Berücksichtigung der sozialen Bedürfnisse von Palliativpatienten [2, 3]. Hierzu gehören insbe- sondere die Förderung der Solidarität mit und der gesellschaft- lichen Teilnahme von Patienten mit einer weit fortgeschritte- nen und unheilbaren Erkrankung, um die Gefahr von Isolierung, Ausgrenzung und Stigmatisierung zu minimieren. Soziale Aus- grenzung führt häufig nicht nur zu Traurigkeit und Angst, son- dern auch zu Minderwertigkeitsgefühlen und Einsamkeit [4, 5]. Moore et al. konnten zeigen, dass von 7699 an Krebs erkrankten Patienten 33 % sozial isoliert waren [6]. Als Grund werden u. a. respektlose Behandlung, Unsicherheit des Patienten und Ver- meidung von Kontakt durch Mitmenschen genannt [7]. Soziale Isolation kann nicht nur zur Verminderung der Lebensqualität, sondern auch zur Verringerung des Gesamtüberlebens führen [6, 7]. Tageshospize werden von Palliativpatienten zwar als po- sitiv in Hinblick auf gesellschaftliche Integration gewertet, sind im deutschsprachigen Raum aber kaum vertreten [8]. Verein- zelte Projekte zur Förderung der Teilnahme von Palliativpatien- ten an gesellschaftlichen Ereignissen konnten bereits eine posi- tive Wirkung auf die Lebensfreude und Lebensqualität der Pa- tienten zeigen [9–12]. In der hier vorliegenden Arbeit wurden nun die Wirkung und der Nutzen einer supervidierten Freizeitreise von Palliativpa- tienten nach Rom auf die soziale Integration, den persönlichen Nutzen (Lebensqualität, Selbstsicherheit, Krankheitsbewälti- gung) und die Umsetzbarkeit von auch größeren bzw. aufwen- digeren (Freizeit-)Projekten für schwerkranke Patienten unter- sucht. Ziel war es, den möglichen Benefit eines Reintegrations- projekts unter „real life“-Bedingungen zu untersuchen und die Realisierungsmöglichkeiten zu erfassen. Material und Methoden Vom 25.–28.03.2019 nahmen 24 Palliativpatienten an einer speziell für diese Gruppe ausgerichteten Ferienreise nach Rom teil. Die teilnehmenden Patienten wurden durch ein onkolo- gisch-palliativmedizinisches Netzwerk in Bayern bzw. durch die kooperierende SAPV ambulant oder stationär betreut. Sie wa- ren v. a. in den mittleren und höheren Altersstufen (Alter in Jahren: 30–40: n = 1; 40–50: n = 0; 50–60: n = 2; 60–70: n = 5; 70–80: n = 7; 80–90: n = 2) vertreten und litten an einer weit fortgeschrittenen und unheilbaren malignen Erkrankung. Eine ausreichende körperliche Fitness musste vor Reiseantritt durch die behandelnden Ärzte festgestellt werden. Zur Sicherstellung einer engmaschigen und qualitativ hochwertigen medizini- schen Versorgung wurden die Patienten von palliativmedizi- nisch erfahrenen Ärzten (n = 3) und medizinischen Fachkräften (n = 16) des regionalen Palliativnetzwerks begleitet. Die meis- ten der medizinischen Begleiter hatten bereits an vorherigen Ausflügen teilgenommen [9]. Im Anschluss an die Reise wurden von März bis April 2019 die teilnehmenden Patienten und die medizinischen Begleiter – nach entsprechender Aufklärung und Einwilligung – mittels qualitativer audioregistrierter Leitfadeninterviews (per Tele- fon) befragt. Eine unterschriebene Einverständniserklärung der befragten Personen musste vor Beginn des jeweiligen Inter- views vorliegen. Die qualitative Methode audioregistriertes Telefoninterview gewährleistete durch die offene Gesprächsform eine Inter- viewsituation, in der die offen befragten Personen die für sie persönlich mit dem Thema verbundenen relevanten Einstellun- gen und Gedanken ausreichend äußern konnten. Sie lieferte zu- dem aussagekräftige und zielgruppentypische Ergebnisse der jeweiligen Zielgruppe [13–17]. Zusätzlich bestand bei qualitati- ven audioregistrierten Telefoninterviews die Möglichkeit, dass der Interviewer bei nicht eindeutigen Antworten direkt nach- fragen konnte bzw. durch Nachfragen wichtige zusätzliche In- formationen erhielt. Es wurden keine Fragen mit Antwortvorga- ben zur Auswahl gestellt. Alle Aussagen wurden anonym über die Audioregistrierung dokumentiert, um einen Verlust von Da- ten zu vermeiden. Die Interviewdauer betrug im Durchschnitt 25 Minuten (Spanne 20–30 Minuten). Dabei hatten die Befrag- ten ausreichend Zeit und Raum, um zu antworten; es gab grundsätzlich keine zeitlichen Beschränkungen. Der Fokus der Befragungen lag auf der wahrgenommenen Wirkung, dem Nutzen und der Bewertung der Romreise durch Patienten und Begleitpersonen. Der Entwicklung des ausformu- lierten Interviewleitfadens lagen 12 (Patienten) bzw. sieben (Betreuer) Themenschwerpunkte zugrunde (▶ Tab. 1). Diese basierten auf Vorarbeiten [9] bzw. bisher publizierten Literatur- quellen [10–12]. Der fertige Interviewleitfaden enthielt für die Patienten 21 offene Fragen und für die Begleitpersonen 18 of- fene Fragen (▶ Tab. 1). Die Interviews wurden für die Auswertung transkribiert. Die Auswertung erfolgte pro Frage in mehreren Schritten und ana- log dem Fragenkatalog: im ersten Schritt wurden tabellarische Übersichten pro Frage erstellt. Im zweiten Schritt wurden die Ergebnisse inhaltsanalytisch ausgewertet, grafisch (Power Point) dargestellt und im dritten Auswertungsschritt zusam- mengefasst. Darüber hinaus wurden bei ausgewählten Fragen Originalaussagen (Zitate) der Befragten in anonymisierter Form für die Auswertung mitverwendet, was die Denk- und Ausdrucksweise der Patienten und Begleitpersonen zusätzlich sehr anschaulich werden lässt. Um eine hohe methodische Qualität und eine teilnehmer- adäquate (Patienten/Begleiter) Befragung zu gewährleisten, wurde das Institut für Marktforschung im Gesundheitswesen (IMIG) – als unabhängige Einrichtung mit großer fachlicher Ex- pertise – mit der Durchführung der Interviews beauftragt. Für das vorliegende Projekt war nach Anfrage bei der Ethik- kommission München kein gesondertes Ethikvotum erforder- lich. Die Finanzierung des Projekts wurde durch den „Onkolo- gie-Hilfe-Verein Landshut“ übernommen. 36 Kaiser F et al. „Leben heißt nicht … Z Palliativmed 2020; 21: 35–42

Originalarbeit ▶ Tab. 2 Exemplarische Patientenantworten im Detail. Gesteigerte Lebensqualität (n = 21, Mehrfachnennungen möglich; analog zu Frage 5) Kraft/Mut geschöpft (n = 11) ▪ Die Reise hat mir innerliche Kraft gegeben (n = 2) ▪ Ich habe sehr viel Kraft geschöpft (n = 2) ▪ Ich wurde seelisch aufgebaut (n = 1) ▪ Man kann den Mut auffrischen (n = 1) ▪ Dass ich wieder bisschen Kraft schöpfe um weiterzukämpfen (n = 1) ▪ Ich bin erleichtert, es war super (n = 1) ▪ Ich habe viel Freude mit nach Hause genommen (n = 1) ▪ Mehr Mut und bisschen mehr Leben (n = 1) ▪ Dass man den Kopf nicht hängen lassen soll (n = 1) Viele Leute mit gleichem Schicksal (n = 4) ▪ Man sieht Leute, die das gleiche Schicksal haben (n = 3) ▪ Man sieht, dass alle in der Gruppe ihr Problem haben (n = 1) Ablenkung von der Krankheit (n = 3) ▪ Man denkt nicht immer an die Krankheit (n = 2) ▪ Man soll nicht immer nur rumsitzen, sondern am Leben teilnehmen (n = 1) „Wir-Gefühl“ in der Gruppe (n = 2) ▪ Die Kameradschaft, ich habe jetzt noch Kontakt zu der Gruppe (n = 1) ▪ Der Zusammenhalt in der Gruppe war super (n = 1) Näherkommen an das Christentum (n = 1) ▪ Man kommt dem Christentum wieder bisschen näher (n = 1) Verbesserte Krankheitsakzeptanz (n = 14; analog zu Frage 16) ▪ Kann besser mit der Krankheit umgehen, sie rückte weiter nach hinten (n = 2) ▪ Ja, weil ich wieder mal rausgekommen bin (n = 2) ▪ Ja, weil man sieht, dass es anderen noch schlechter geht (n = 2) ▪ Im Großen und Ganzen schon (n = 1) ▪ Ja, weil ich weiß, dass ich weiterkomme als ich gedacht habe (n = 1) ▪ Ich bin etwas gelassener, es gibt Schlimmeres (n = 1) ▪ Ja, ich bin gelassener (n = 1) ▪ In mir ist mehr Lebensfreude, da ist es nochmal ein Stück besser, die Krankheit zu ertragen (n = 1) ▪ Die Reise hat mich körperlich und seelisch motiviert (n = 1) ▪ Ich denke nicht mehr so negativ über meine Krankheit (n = 1) ▪ Ja, weil ich gesehen habe, dass manche das gleiche Problem haben (n = 1) Gesteigerte soziale Interaktion und Akzeptanz (n = 21, Mehrfach- nennungen möglich; analog zu den Fragen 10 und 15) Neue Kontakte geknüpft (n = 14) ▪ Habe mit anderen Patienten Kontakte geknüpft und haben uns getroffen (n = 2) ▪ Ja, man hat sich mit den anderen Patienten ausgetauscht (n = 2) ▪ Ja, einige neue Kontakte (n = 2) ▪ Ja, habe jetzt mit einem Patienten auch schon was zum Frühstück ausgemacht (n = 1) ▪ Habe sehr viele Kontakte geknüpft, da geht einer auf den anderen zu (n = 1) ▪ In erster Linie mit meinem Betreuer (n = 1) ▪ Ja, wir haben Adressen und Telefonnummern ausgetauscht (n = 1) ▪ Ja, mit den Betreuern und mit den Patienten (n = 1) ▪ Ja, die Kontakte waren sehr schön (n = 1) ▪ Habe noch Kontakt mit der Betreuerin, haben Bilder ausgetauscht und wir telefonieren ab und zu (n = 1) ▪ Habe zwei Herren kennengelernt, treffen uns jetzt auch noch (n = 1) Gesteigerte gesellschaftliche Akzeptanz (n = 7) ▪ Die Gespräche waren gut, es war alles so familiär (n = 2) ▪ Ja, wir waren alle gleich (n = 1) ▪ Ja, die Gruppe möchte, dass ich wieder mitfahre beim nächsten Mal (n = 1) ▪ Die Gruppe hat sich nach der Reise öfters getroffen (n = 1) ▪ Wenn man gut drauf ist, ist man ja wieder mehr akzeptiert (n = 1) ▪ In der Gesellschaft auf jeden Fall, man ist mit Betroffenen zusammen (n = 1) Steigerung der Selbstsicherheit (n = 11; analog zu Frage 14) ▪ Ja, weil ich die Reise geschafft habe (n = 1) ▪ Musste einmal den Weg alleine zum Hotel finden, das habe ich geschafft (n = 1) ▪ Im Moment ja, jetzt geht es mir gut (n = 1) ▪ Ich bin offener anderen gegenüber geworden (n = 1) ▪ Ja, es ist wichtig, dass man sieht, wie es anderen geht, das baut einen dann auf. Man bekommt wieder mehr Mut (n = 1) ▪ Ja, bisschen mehr Mut (n = 1) ▪ Ja, ich war noch nie mit dem Flugzeug unterwegs, das war für mich ganz neu (n = 1) ▪ Ich sehe alles positiver (n = 1) ▪ Habe keine Kopfbedeckung mehr getragen (n = 1) ▪ Bin alleine vom Hotel zum Petersplatz gegangen ohne Angst zu haben (n = 1) ▪ Wir hatten Einzelzimmer und waren nachts auf uns allein gestellt (n = 1) Ergebnisse 17 Patienten (13 weiblich, vier männlich) und sieben Betreuer (vier weiblich, drei männlich) wurden befragt. Sieben Patienten und 12 Betreuer lehnten eine Teilnahme an den Interviews ab, bzw. konnten aus persönlichen Gründen nicht teilnehmen. Patientenbefragung Acht der befragten 17 Patienten hatten bereits an vorherigen Palliativausflügen teilgenommen, für neun war die Romreise der erste Ausflug. Große Bedeutung der Reise Den Patienten hat die Reise persönlich sehr viel bedeutet. Eini- ge Patienten haben ihren großen Wunsch, einmal nach Rom zu reisen, erfüllen können. Mehrfach positiv angesprochen wurde der bewegende Papstbesuch, der Teil des Reiseprogramms war, und insgesamt das überwältigende Erlebnis trotz der schweren Erkrankung so eine Reise unternehmen zu können. Zitat: „Ich wollte unbedingt noch einmal nach Rom und ich dachte, ich komme da nicht mehr hin, das war ein großer Wunsch von mir.“ Zitat: „Und man ist abgelenkt von der Krankheit, das macht auch was aus. Und da geht es einem gut.“ Gesteigerte Lebensqualität Alle Patienten bestätigten, einen hohen persönlichen Nutzen aus der Romreise gezogen zu haben. Neben dem Gewinn von Kraft und Mut spielten aber auch Ablenkung von der Krankheit, 38 Kaiser F et al. „Leben heißt nicht … Z Palliativmed 2020; 21: 35–42

Originalarbeit ▶ Tab. 3 Beobachtungen im Hinblick auf die Verbesserung der Lebensqualität. Beobachtete Lebensqualitätssteigerungen bei Patienten (n = 8, Mehrfachnennungen) ▪ Für manche war der Flug ein einmaliges Erlebnis (n = 1) ▪ Der gesellschaftliche Teil war wieder vorhanden (n = 1) ▪ Ja, die Patienten sind in der Gesellschaft richtig aufgeblüht (n = 1) ▪ Ja, da sich die Patienten vom Psychischen her stabilisiert haben (n = 1) ▪ Einige haben mal ein Bier oder einen Schluck Wein getrunken und ordentliche Portionen gegessen (n = 1) ▪ Einige haben sich zu Fuß durch die Stadt getraut (n = 1) ▪ Zu Hause abends mal essen zu gehen, ist gar nicht möglich, das haben die Patienten dort genossen (n = 1) ▪ Es hat niemand über seine Krankheit gesprochen (n = 1) ein Erlebnis, ein einmaliges. Der gesellschaftliche Teil war wieder mal vorhanden, den die meisten Patienten sonst nicht mehr haben. Die Leute waren einfach glücklich in der Zeit oder froh.“ Positives Gemeinschaftsgefühl in der Reisegruppe Alle sieben Befragten nahmen wahr, dass sich die Patienten in der Gruppe wohlfühlten. Dies begründete sich auf den vielen, inhaltlich sehr positiven und fröhlichen Gesprächen der Patien- ten untereinander, der ungezwungenen, z. T. ausgelassenen Atmosphäre in der Gruppe sowie einem ausgesprochenen „Wir-Gefühl“. Auch das ständige Lob der Patienten hat die Stimmung in der Gruppe deutlich positiv geprägt. Zitat: „Die haben miteinander geredet, die haben Geschichten erzählt, die haben gelacht, die waren beim Abendessen, die haben einfach Spaß gehabt.“ Keine Überforderung der Patienten und gesteigerte Krankheitsakzeptanz Alle sieben Begleitpersonen bestätigen, dass die Patienten die Reise genießen konnten und nicht überfordert waren. Alle hat- ten den Eindruck, dass die Patienten durch die Reise nach Rom mehr Mut fassen und ihre Erkrankung besser akzeptieren konn- ten. Dazu beigetragen haben nach Einschätzung der Befragten auch das Gruppengefühl und das Miteinander während der Romreise. Zitat: „Man darf Palliativpatienten ruhig auch was zutrauen und ich glaube, das war die ganz wichtige Erkenntnis, je normaler man mit diesen Menschen umgeht, desto einfacher wird es auch gewisserweise loszulassen von belastenden Dingen und quälenden Gedanken.“ Große Bedeutung der gesellschaftlichen Integration Alle befragten Begleitpersonen stimmten darin überein, dass gesellschaftliche Kontakte für Palliativpatienten sehr wichtig und von elementarer Bedeutung sind. Die Gefahr ist groß, dass soziale Kontakte bei einer schweren Erkrankung verloren gehen und sich die Patienten in die gesellschaftliche Isolation bege- ben. Die soziale Ausgrenzung von schwerkranken Patienten sollte unbedingt vermieden werden, Palliativpatienten sollten nach Möglichkeit weiterhin am Leben teilnehmen. Die Befragten empfahlen gesellschaftliche Integration für Palliativpatienten z. B. über Ausflüge oder Reisen zu ermögli- chen, die die Atmosphäre für ein unbeschwertes Zusammen- sein mit anderen Menschen schafft. Die Rahmenbedingungen sollten dabei aber immer an die körperlichen und psychischen Möglichkeiten der einzelnen Patienten angepasst sein. Zitat: „Ganz wichtig, weil die müssen auch am Leben noch teil- nehmen. Man darf so einen Menschen ja nicht wegschieben oder abschieben, das ist das Schlimmste, was man machen kann, weil ich glaube, dass dann die Krankheit wahrscheinlich noch schneller fortschreitet.“ Wahrgenommen Motivation von Patienten zur Teilnahme Zur Frage der Motivation von Palliativpatienten an Ausflügen/ Reisen teilzunehmen, geben die Betreuer in erster Linie gesell- schaftliches Beisammensein, gute Betreuung und den Gewinn von neuer Kraft zur Krankheitsbewältigung an. Als Ausflugszie- le werden heimatnahe Lokalitäten (n = 6), aber auch Städterei- sen (n = 4) genannt. Diskussion Menschen, deren Lebenserwartung durch eine maligne Erkran- kung verkürzt wird, benötigen eine angemessene soziale Un- terstützung, um eine adäquate Lebensqualität zu erzielen [3]. Projekte zur Förderung der gesellschaftlichen Integration wur- den bisher nur in Einzelfällen auf ihren Benefit untersucht [9]. Günstig auf die Lebensqualität haben sich organisierte Ausflü- ge ausgewirkt [9–12]. Aus diesem Grund wurde eine mehrtägi- ge Freizeitreise mit Palliativpatienten nach Rom organisiert. Im Anschluss wurde der Effekt dieser Reise auf Umsetzbarkeit, so- ziale Integration und Lebensqualität bzw. persönlichen Nutzen mittels audioregistrierter telefonischer Leitfadeninterviews eruiert [18]. Der eventuelle „real life“-Benefit sowie die Umset- zungsrealität sollen so erfasst und untersucht werden. Bei fast allen befragten Patienten stand das Erlebnis „Teil einer funktionierenden Gruppe zu sein“ in unmittelbarem Vor- dergrund. Die Möglichkeit mit Patienten, die ein ähnliches Schicksal tragen, Kontakt aufzunehmen, wurde als sehr positiv empfunden (▶ Tab. 2). Dieses Verhalten deckt sich mit dem Er- gebnis qualitativer Forschungsberichte, die zeigen konnten, dass Palliativpatienten soziale Unterstützung und Interaktion z. B. in Form von Tagespflege, gemeinschaftlichen Unterneh- mungen und Gruppentherapien sehr schätzen [7, 8, 10, 19]. Übereinstimmend betonten auch die mitgereisten Betreuer die Bedeutung von sozialen Kontakten für Palliativpatienten. Durch den Gemeinschaftsgeist der Gruppe wurde der Schutz vor Isolation, der durch die krankheitsbedingt verminderte oder sogar fehlende soziale Interaktion gestört wird [7], wie- dergewonnen und die subjektiv wahrgenommene gesellschaft- liche Akzeptanz gesteigert [10]. Dieser Effekt hielt z. T. auch nach der Reise weiter an (▶ Tab. 2), was als mögliche längerfris- tige Wirkung eines solchen Sozialprojekts gedeutet werden kann [10]. Die Selbstsicherheit und das Selbstwertgefühl der Patienten konnte durch diese gemeinsame Reise gesteigert werden. Die Patienten realisierten, dass sie trotz ihrer schweren Erkrankung 40 Kaiser F et al. „Leben heißt nicht … Z Palliativmed 2020; 21: 35–42

Originalarbeit [15] Hopf C. Qualitative Interviews – ein Überblick. In: Flick U, von Kar- dorff E, Steinke I, Hrsg. Qualitative Sozialforschung. Reinbek: Ro- wohlt; 2000: 349 – 359 [18] Gläse J, Laudel G. Experteninterview und qualitative Inhaltsanalyse. Wiesbaden: VS Verlag; 2009 [19] Kennett C, Payne M. Understanding why palliative care patients „like [16] Helfferich C. Die Qualität qualitativer Daten. Wiesbaden: VS Verlag; day care“ and „getting out“. J Palliat Care 2005; 21: 292 – 298 2011 [17] Mayring P. Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 11. Auflage. Weinheim: Beltz; 2010 [20] Fisher C, O’Conner M, Abel K. The role of palliative day care in sup- porting patients: a therapeutic community space. Int J Palliat Nurs 2008; 14: 117 – 125 42 Kaiser F et al. „Leben heißt nicht … Z Palliativmed 2020; 21: 35–42

Veranstaltungen Palliativmedizin für Ärztinnen und Ärzte (Fallseminar Modul 3) „Professionelles Handeln in der Palliativmedizin“ 2.–6.5.2020, Lübeck Akademie Travebogen, Palliativnetz Travebogen gGmbH, Lübeck Anmeldung: https://www.akademie-travebogen. de/medizin/fallseminar-modul-3-2020/ Information: Tel.: 0451/16085968, akademie@ travebogen.de, www.akademie-travebogen.de Palliative Care Kurs für Pflegende (160 Stunden) Beginn: 4.5.2020, Nürnberg Leitung: Markus Hecke und Stefan Meyer Akademie für Hospizarbeit und Palliativmedizin Nürnberg Information und Anmeldung: Tel.: 0911/891205-30, info@hospizakademie- nuernberg.de, www.hospizakademie-nuernberg. de Zusatz-Weiterbildung Palliativmedizin: Aufbaukurs Modul 3 10.–14.6.2020, Meran (I) Fr. von Loeben Tel.: 06131/2843816 vonloeben@arztkolleg.de Palliativversorgung und hospizliche Begleitung von Menschen mit intellek- tueller und komplexer Beeinträchti- gung 15.–19.6.2020 im Tagungszentrum der Lebenshilfe Freising e. V. auch in Kurzform mit 2,5 Tagen buchbar Barbara Hartmann MSc., Dr. Jörg Augustin unter Mitwirkung von Personen aus dem Bereich der Eingliederungshilfe bzw. der rechtl. Betreu- ung. Anmeldung und Informationen: https://www.hospizkultur-und-palliative-care. de/fort-und-weiterbildung Institut für Hospizkultur und Palliative Care – Schwerpunkt: (Inhouse-)Schulungen von Mit- arbeitenden der Eingliederungshilfe und deren Netzwerkpartner Barbara Hartmann: Tel.: 08762/724464 oder institut.hospac@t-online.de Basiskurs Palliative Care für Ergo- und PhysiotherapeutInnen und Logo- pädInnen 4.–6.9.2020 und 25.–27.9.2020, Lübeck Akademie Travebogen, Palliativnetz Travebogen gGmbH, Lübeck Anmeldung: https://www.akademie-travebogen. de/physiotherapie/basiskurs-physio-2020/ Information: Tel.: 0451/16085968, akademie@ travebogen.de, www.akademie-travebogen.de Ethikberatung im Gesundheitswesen Moderationskurs 26.–27.10.2020, Lübeck Akademie Travebogen in Zusammenarbeit mit der Akademie für Ethik in der Medizin – Göttin- gen Anmeldung: https://www.akademie-travebogen. de/ethikberatung/moderationskurs-2020/ Information: Tel.: 0451/16085968, akademie@ travebogen.de, www.akademie-travebogen.de Westdeutsche Anästhesietage 2020 30.–31.10.2020, Köln Tagungsort: Haus Gürzenich Köln, Martinstr. 29 – 37, 50667 Köln MCN Medizinische Congressorganisation Nürnberg AG, Frau Valerie Stähler Neuwieder Str. 9, 90411 Nürnberg Tel.: 0911/39316-45, Fax: 0911/39316-78 wat@mcnag.info, www.regionaltagungen.de 44 Z Palliativmed 2020; 21 Sie möchten Ihre Veranstaltung auch hier ankündigen? Dann schreiben Sie uns an: palliativmedizin@thieme.de

Impressum Zeitschrift für Palliativmedizin 21. Jahrgang Die Zeitschrift für Palliativmedizin erscheint 6-mal jährlich. ISSN (Print): 1615-2921 eISSN: 1615-293X oder Postfach 300880, 70448 Stuttgart Tel.: +49 711 8931-245, Fax: +49 711 8931-470 E-Mail: andreas.schweiger@thieme-media.de Produktionsmanagement Tel.: +49 711 8931-542, Fax: +49 711 8931-393 E-Mail: steffen.krauss@thieme.de Eigentümer & Copyright © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York 2020 Herausgeber Manfred Gaspar M. A., Städtisches Krankenhaus Kiel, 2. Med, Chemnitzstr. 33, 24116 Kiel; Schles- wig-Holsteinische Krebsgesellschaft e. V., Alter Markt 1–2, 24103 Kiel Martina Kern, Zentrum für Palliativmedizin, Malte- ser Krankenhaus Bonn / Rhein-Sieg, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Von-Hom- pesch-Str. 1, 53123 Bonn Prof. Dr. med. Friedemann Nauck, Klinik für Pallia- tivmedizin, Georg-August-Universität Göttingen, Robert-Koch-Str. 40, 37075 Göttingen Prof. Dr. med. Christoph Ostgathe, Palliativmedizi- nische Abteilung, Universitätsklinikum Erlangen, Krankenhausstr. 12, 91054 Erlangen Prof. Dr. Roman Rolke, Klinik für Palliativmedizin, Universitätsklinikum Aachen, Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen Prof. Dr. Traugott Roser, Lehrstuhl für Praktische Theologie, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Universitätsstr. 13–17, 48143 Münster Die Herausgeber sind nicht verantwortlich für die Rubrik „Forum der Industrie“ sowie für in der Zeit- schrift enthaltene Anzeigen und Beilagen. Verlag Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart oder Postfach 301120, 70451 Stuttgart Tel.: +49 711 8931-0, Fax: +49 711 8931-298 www.thieme.de, www.thieme.de/palliativmedizin www.thieme-connect.de/products Web-App: www.thieme.de/eref-app Redaktion Sie erreichen die Redaktion unter: zfp.impressum@thieme.de V.i.S.d.P.: Dörte Jensen, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart Verantwortlich für den Anzeigenteil Thieme Media Pharmedia Anzeigen- und Verlagsservice GmbH Andreas Schweiger, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart Abonnentenservice Wir bitten unsere Abonnenten, Adressänderungen dem Abonnentenservice mitzuteilen, um eine rei- bungslose Zustellung der Zeitschrift zu gewährleis- ten. Tel.: +49 711 8931-321, Fax: +49 711 8931-422, E-Mail: aboservice@thieme.de Die Inhalte der Zeitschrift stehen online in Thieme connect zur Verfügung (www.thieme-connect.de/ products). Der Zugang ist für persönliche Abonnen- ten im Preis enthalten. Über kostenpflichtige Zugangsmöglichkeiten und Lizenzen für Institutionen (Bibliotheken, Kliniken, Firmen etc.) informiert Sie gerne unser Institutional Sales Team, E-Mail: sales@thieme-connect.de Warenbezeichnungen und Handelsnamen Marken, geschäftliche Bezeichnungen oder Han- delsnamen werden nicht in jedem Fall besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Handelsnamen handelt. Informationen für unsere Autoren Manuskriptrichtlinien und andere Informationen für Autoren entnehmen Sie bitte den Autorenhinwei- sen unter dem Reiter „Autoren“ auf www.thieme. de/palliativmedizin. Grundsätzlich werden nur sol- che Manuskripte angenommen, die noch nicht an- derweitig veröffentlicht oder zur Veröffentlichung eingereicht worden sind. Bitte beachten Sie: Wir können keine Abbildungen annehmen, die bereits in Büchern, Zeitschriften oder elektronischen Produkten anderer Anbieter publiziert worden sind oder an denen ein Dritter Nutzungsrechte hat (z. B. Arbeitgeber). Der Grund: Auch gegen Lizenzgebühr ist es kaum noch mög- lich, die Nutzungsrechte in dem für uns erforderli- chen Umfang zu erhalten. Bitte zahlen Sie deshalb keine Lizenzgebühren (z. B. bei „RightsLink“ / Copy- right Clearance Center) – auch die Standard-Lizenz- verträge von „Creative Commons“ sind für eine Publikation leider nicht ausreichend. Diese Zeitschrift bietet Autoren die Möglichkeit, ihre Artikel gegen Gebühr in Thieme connect für die allgemeine Nutzung frei zugänglich zu machen. Bei Interesse wenden Sie sich bitte an: zfp.impres sum@thieme.de For users in the USA Authorization of photocopy items for internal or personal use, or the internal or personal use of spe- cific clients, is granted by Georg Thieme Verlag Stuttgart. New York for libraries and other users re- Bezugspreise 2020* Persönliches Abonnement Institutionelles Abonnement** Ermäßigtes Abonnement für Ärzte in der Weiterbildung und Studenten Versandkosten Gesamtkosten Abo 155,00 240,00 102,00 Inland Europa Weltweit 29,90 29,90 29,90 44,40 44,40 44,40 53,40 53,40 53,40 Inland 184,90 269,90 131,90 Europa Weltweit 199,40 284,40 146,40 208,40 293,40 155,40 Einzelheft 48,00 C= (D) zuzüglich Versandkosten ab Verlagsort, unverbindlich empfohlener Preis; inklusive der gesetzl. MwSt. (D). Mitglieder folgender Gesellschaften erhalten die Zeitschrift im Rahmen ihrer Mitgliedschaft: Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin * Jährliche Bezugspreise in € (D), unverbindlich empfohlene Preise inkl. der gesetzl. MwSt (D). Im Ausland verstehen sich die Preise und Versandkosten exkl. der gesetzlichen MwSt. Das Abonnement wird zum Jahreswechsel im Voraus berechnet und zur Zahlung fällig. Das Abonnement kann jederzeit begonnen werden. Die Bezugsdauer verlängert sich automatisch jeweils um ein Jahr, wenn bis zum 30. September des Vorjahres keine Abbestellung vorliegt. ** Der institutionelle Jahresbezugspreis inkludiert den Online-Zugriff für 1 Standort. Weitere Informationen finden Sie unter http://www.thieme.de/connect/de/services/product-licensing.html. gistered with the Copyright Clearance Center (CCC) Transactional Reporting Service; www.copyright. com. For reprint information in the USA, please con- tact: journals@thieme.com Wichtiger Hinweis Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klini- sche Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, ins- besondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Heft eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf ver- wandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung der Zeitschrift entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipack- zettel der verwendeten Präparate und ggf. nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in dieser Zeitschrift abweicht. Eine sol- che Prüfung ist besonders wichtig bei selten ver- wendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellie- ren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Unge- nauigkeiten dem Verlag mitzuteilen. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind für die Dauer des Ur- heberrechts geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigung und Verbreitung in gedruckter Form, Übersetzung, Übertragung und Bearbeitung in andere Sprachen oder Fassungen sowie die Einspeicherung und Ver- breitung in elektronischen Medienformen (z. B. CD- Rom, DVD, USB-Speicher, Datenbank, cloud-basier- ter Dienst, e-book und sonstige Formen des electro- nic publishing) und auch öffentlicher Zugänglich- machung (z. B. Internet, Intranet oder andere lei- tungsgebundene oder -ungebundene Datennetze), u. a. durch Wiedergabe auf stationären oder mobi- len Empfangsgeräten, Monitoren, Smartphones, Tablets oder sonstigen Empfangsgeräten per Download (z. B. PDF, ePub, App) oder Abruf in sons- tiger Form etc. Hinweis zu Studien-Referaten Die Autorinnen und Autoren unserer Referate-Ru- briken schreiben frei- oder nebenberuflich für ver- schiedene Auftraggeber aus Verlagsbranche, Wis- senschaft und Industrie. Bei Fragen zu Interessen- konflikten einzelner Autoren wenden Sie sich bitte mit der im Impressum unter „Redaktion“ genann- ten E-Mail-Adresse an den Verlag. Datenschutz Wo datenschutzrechtlich erforderlich, wurden die Namen und weitere Daten von Personen redaktio- nell verändert (Tarnnamen). Dies ist grundsätzlich der Fall bei Patienten, ihren Angehörigen und Freun- den, z. T. auch bei weiteren Personen, die z. B. in die Behandlung von Patienten eingebunden sind. 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