E I D Besten TESTEN Fachzeitschriften einfach testen kostenlos ganz in Ruhe mit automatischer Erinnerung © ximich_natali/stock.adobe.com Wir wollen Ihnen jetzt nicht erzählen, was das Besondere an unseren Fachzeitschriften ist. Probieren Sie es einfach aus. Welche Zeitschriften möchten Sie kostenlos kennenlernen? Wählen Sie Ihre Favoriten aus und lehnen Sie sich entspannt zurück. Wir erinnern Sie rechtzeitig an das Ende des Lesetests. : r e t s i g e r s l e d n a H d n u z t i S , G K g a l r e V e m e h T g r o e G i . 9 9 4 3 A R H , t r a g t t u t S Besser fortbilden, besser versorgen: www.thieme.de/die-besten-testen . n e t l a h e b r o v r e m r ü t r r I d n u n e g n u r e d n ä s i e r P

LERNEN WIE NIE ZUVOR. Adaptives Weiterbildungscurriculum AINSP High Speed Learning. Weiterbildungsrelevantes Wissen tanken – maximal effektiv auf einem für Sie optimierten Lernpfad. Mind the gap. Wissenslücken erkennen und gezielt schließen. Sicher wissen, was Sie wissen. Facharztprüfung? Safe. Ready for take-off. Gelerntes verinnerlicht. Wichtiges vertieft. Facharztprüfung bestanden. Bereit, um als Anästhesist*in voll durchzustarten. Jetzt kostenlos testen! www.thieme.de/lernen-wie-nie-zuvor i . e m e h T y b d e t i d E . o t o h p k c o t S – m o c . e b o d a . k c o t s / p u k c i p ©

Herausgeberboard Herausgeberboard Prof. Dr. Jens Scholz (Schriftleiter) Jg. 1959, wurde nach seiner Habilitation 1992 im Jahr 1996 zum C3-Professor für Anästhesiologie der Universität Ham- burg ernannt. Im August 2000 übernahm er die Leitung der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin der Universität Kiel, seit April 2009 ist er Vorstandsvorsit- zender des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein. Prof. Scholz war von 2002 – 2012 DGAI-Vorstandsmitglied und ist seit 2006 Mitglied der Leopoldina (Nationale Akademie der Wissenschaften), au- ßerdem Executive MBA, Universität St. Gallen. Prof. Dr. Berthold Bein Jg. 1963, habilitierte sich nach der Facharztausbildung zum Anästhesisten und Intensivmediziner am Universitätsklini- kum Eppendorf in Hamburg im Jahr 2006 am Universitäts- klinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel. Von 2009 bis 2014 war er an der dortigen Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin stellvertretender Direktor und leitender Krankenhausnotarzt. Seit 2014 leitet er die Klinik für Anästhe- siologie und Operative Intensivmedizin an der Asklepios Klinik St. Georg in Hamburg und ist dort u. a. federführend für den Alarm- und Einsatzplan des Klinikums verantwortlich. Er ist Mitglied der wissenschaftlichen Lei- tung der Wissenschaftlichen Arbeitstage Notfallmedizin und in mehreren Arbeitsgruppen des Arbeitskreises Notfallmedizin der DGAI aktiv. PD Dr. Peter Brinkrolf Jg. 1980, studierte an der Universitätsklinik Münster Medi- zin von 2004–2010 und absolvierte an der Universitätskli- nik Münster seine Ausbildung zum Facharzt für Anästhesio- logie einschließlich der Zusatzbezeichnung Notfallmedizin. 2016 wechselte er an die Klinik für Anästhesiologie der Uni- versitätsmedizin Greifswald und ist hier als Oberarzt mit dem Schwerpunkt präklinische Notfallmedizin tätig. Seit 2016 ist er zu- dem Stellvertretender Ärztlicher Leiter Rettungsdienst des Landkreises Vorpommern-Greifswald sowie Projektleiter des mit über 5 Millionen Euro geförderten Projektes „Land|Rettung“ zur Verbesserung der präklini- schen Versorgung von Notfallpatienten. Prof. Dr. med. André Gries Jg. 1966, DEAA, wurde nach seiner Habilitation 2002 im Jahr 2007 zum apl.-Professor. Bis 2007 leitete er die Sek- tion Notfallmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg und war ärztlicher Leiter des Luftrettungszentrums Mann- heim. Von 2007–2011 war er Direktor der interdisziplinä- ren Notaufnahme am Klinikum Fulda. Seit 2011 ist er Leiter der zentralen Notaufnahme des Universitätsklinikums Leipzig. Prof. Gries ist 1. Sprecher der Kommission Notaufnahme der DGAI. PD Dr. Uwe Schweigkofler Jg. 1964, ist Stellvertretender Ärztlicher Direktor der Be- rufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt am Main, an der er seit 2012 das Notfall- und Rettungszentrum lei- tet. Zuvor war er dort Leitender Oberarzt der Abteilung Un- fallchirurgie und orthopädische Chirurgie. Er ist nach wie vor aktiver Notarzt auf dem Rettungshubschrauber Chris- toph 2, dessen ärztlicher Leiter er knapp 20 Jahre lang war. Er ist aktives Mitglied in vielen notfallmedizinisch orientierten Gremien und Sektionen der DIVI und DGU. Prof. Dr. Andreas Seekamp Jg. 1962, habilitierte sich 1997 für das Fach Unfallchirurgie. Nach seiner Zeit als Oberarzt an der Medizinischen Hoch- schule Hannover und an der Universitätsklinik des Saarlan- des wurde er 2005 auf den Lehrstuhl für Unfallchirurgie an der Universität Kiel berufen. Er ist Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel. Prof. Dr. Dominique Singer Jg. 1959, ist Physiologe und Kinderarzt. Er arbeitete zu- nächst in der Abteilung Vegetative Physiologie und Patho- physiologie sowie im SFB „Organprotektion“ und in der Ab- teilung Kinderheilkunde der Universität Göttingen. Von 1999 bis 2006 war er leitender Oberarzt des Perinatal- zentrums an der Universitäts-Kinderklinik Würzburg, seit 2007 leitet er die Sektion Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Prof. Dr. Tobias Geisler Jg. 1975, ist Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie mit Zusatzbezeichnung Notfallmedizin und Zusatzqualifi- kation „Interventionelle Kardiologie“ (DGK) am Deutschen Herzkompetenzzentrum der Universität Tübingen. Dort ist er seit 2005, unterbrochen durch einen Forschungsaufent- halt in London, Großbritannien tätig. Seit November 2015 ist er Stellvertretender Ärztlicher Direktor. Sein wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt in der personalisierten pharmakologischen/antithrom- botischen Therapie. Er organisiert zudem überregionale Fortbildungsver- anstaltungen zur Akuttherapie von kardiovaskulären Notfallpatienten. Prof. Dr. Helge Roland Topka Jg. 1958, war von 1986 bis 2001 an der Neurologischen Kli- nik der Universität Tübingen als wissenschaftlicher Ange- stellter und nach der Facharztanerkennung als Oberarzt tä- tig und hat sich dort 1998 habilitiert. In den Jahren 1989 bis 1991 erfolgte ein Forschungsaufenthalt an den National Institutes of Neurological Disorders and Stroke, NIH, Be- thesda, USA. Seit 2002 ist er Chefarzt der Klinik für Neurologie, Neurophy- siologie, Neuropsychologie und Stroke Unit am Klinikum Bogenhausen. Er ist Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) bei der DIVI und Vorsitzender der DGN-Kommission Neurologische Notfallmedizin. Prof. Dr. Jan-Thorsten Gräsner Jg. 1971, habilitierte sich im Fach Anästhesiologie im Jahr 2012. Von 2004–2015 in der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, zuletzt als Leiten- der Oberarzt tätig. Prof. Gräsner ist Ärztlicher Leiter Not- fallmedizin am Campus Kiel und seit 2015 Direktor des campusübergreifenden Instituts für Rettungs- und Notfallmedizin (IRuN) des UKSH. Prof. Gräsner ist 1. Sprecher des Wissenschaftlichen Arbeits- kreises Notfallmedizin der DGAI, Vertreter für den Bereich Notfallmedizin im Präsidium des BDA, Sprecher des Deutschen Reanimationsregisters und Projektleiter des Europäischen Reanimationsregisters (EuReCa). Expertenpanel Janina Bathe, Kiel Hans-Jörg Busch, Freiburg Christian Dohna-Schwake, Essen Tim Eschbach, Bergisch-Gladbach (Rubrikenherausgeber) Sascha Flohé, Solingen Felix Girrbach, Leipzig (Rubrikenherausgeber) Leonie Hannappel, Kiel Jochen Hinkelbein, Köln Maximilian Kippnich, Würzburg Bibiana Metelmann, Greifswald Jan Wnent, Windhoek/Namibia 4 Notfallmedizin up2date 2022; 17 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Studienreferate Schädelhirntrauma: präklinische Gabe von Tranexamsäure erhöht Mortalitätsrate Bossers SM et al. Association Between Prehospital Tranexamic Acid Administration and Outcomes of Severe Traumatic Brain Injury. JAMA Neurology 2020. doi:10.1001/jamaneurol.2020.4596 Tranexamsäure ist ein Antifibrinolyti- kum und kann im präklinischen Set- ting das Blutungsrisiko reduzieren. Ob- gleich es über seine Wirkung bei schweren Schädelhirntraumata (SHT) widersprüchliche Daten gibt, könnte eine frühe Gabe Hirnblutungen ein- dämmen. Bossers und sein Team ha- ben hier angesetzt, und untersuchen in ihrer Beobachtungsstudie den Zu- sammenhang zwischen präklinischer Gabe von Tranexamsäure und der Sterblichkeit nach schwerem SHT. Das Antifibrinolytikum Tranexamsäure hemmt die Umwandlung von Plasminogen zu Plasmin, unterdrückt über diesen Me- chanismus die Fibrinolyse und kann bei schweren Verletzungen das Blutungsrisiko senken. So kommt Tranexamsäure bei- spielsweise im Rahmen der präklinischen Traumatherapie und bei unfallchirurgi- schen Eingriffen zum Einsatz. Da Blutun- gen und deren Ausdehnung ebenfalls bei schweren Schädelhirntraumata (SHT) vor- kommen, und zu einem hohen Sterblich- keitsrisiko beitragen, könnten diese Pa- tienten ebenfalls von der präklinischen Gabe des Antifibrinolytikums profitieren. Weil es aber bislang nur wenige und teils widersprüchliche Daten über den Zusam- menhang zwischen einer präklinischen Gabe von Tranexamsäure einerseits und der Mortalität von Patienten mit schwe- rem Schädelhirntrauma andererseits gibt, hat eine Arbeitsgruppe um Bossers hier angesetzt und legt nun die Ergebnisse einer Beobachtungsstudie zum Thema vor. Diese umfasste eine retrospektive Analyse der Daten einer prospektiven Beobach- tungsstudie in den Niederlanden über die präklinische Behandlung von Patienten mit schwerem SHT (BRAIN-PROJECT Stu- die). Diese Studie fand zwischen Februar 2012 und Dezember 2017 statt, die hier vor- gestellte Datenauswertung erfolgte zwi- schen Januar und Dezember 2020. Einge- schlossene Patienten verunfallten in den Niederlanden, wurden im präklinischen Setting von einer von 4 niederländischen Helikopter Rettungseinheiten und an- schließend in Traumazentren behandelt. Der Glasgow Coma Index lag jeweils bei maximal 8 Punkten, für den Einsatz der Tranexamsäure gab es keine gezielte An- weisung. Die Autorinnen und Autoren machten sich vielmehr die Heterogenität im präklinischen Einsatz des Antifibrinoly- tikums bei SHT-Patienten zunutze, und konnten somit die Endpunkte zwischen Patienten mit und ohne Gabe des Antifibri- nolytikums miteinander vergleichen. Um den Zusammenhang zwischen der Gabe von Tranexamsäure und der Sterb- lichkeit der SHT-Patienten untersuchen zu können, verwendeten die Forscherinnen und Forscher die Mortalität bis zum 30 Tag als primären klinischen Endpunkt. Sekun- däre Endpunkte waren ▪ die Sterblichkeit nach einem Jahr, ▪ das neurologische Behandlungsergeb- nis zum Zeitpunkt der Entlassung, ▪ sowie die Krankenhausverweildauer. Innerhalb der SHT-Patienten differenzier- ten sie ferner zwischen Patienten mit iso- liertem SHT, und Patienten mit SHT und weiteren schweren Verletzungen. Auf sta- tistische Ebene kamen schließlich logisti- sche Regressionsmodelle zum Einsatz. Kein Vorteil bei isoliertem SHT Die Daten von 1827 Patienten konnten bei der retrospektiven Auswertung berück- sichtigt werden. 1283 von ihnen (70%) waren männlich, das mittlere Alter konnte auf 45 Jahre mit einer Spannweite zwi- schen 23 und 65 Jahren beziffert werden. Die Kohorte setzte sich aus 1375 Patienten mit bestätigtem SHT und 719 Patienten mit isoliertem SHT zusammen. Wurden mögliche Störfaktoren im Regressions- modell nicht beachtet, ging die präkli- nische Gabe von Tranexamsäure mit einer höheren 30 Tage Mortalität einher. So lag die Odds Ratio bei 1,34 mit einem 95%- Vertrauensintervall zwischen 1,16 und 1,55. Nach Bereinigung um konfundierende Va- riablen wurde für die gesamte Kohorte kein Zusammenhang mehr zwischen der Verabreichung und der Mortalität fest- gestellt. Bei weiteren Analysen zeigte sich allerdings vor allem bei Patienten mit schwerem isolierten SHT nach präkli- nischer Gabe von Tranexamsäure eine er- höhte Sterblichkeit 30 Tage nachdem Er- eignis. Auch bei den sekundären Endpunk- ten zeigte die Gabe von Tranexamsäure ei- nen deutlichen negativen Einfluss. In ihrem Diskussionsteil kommen die Au- torinnen und Autoren daher zu dem Fazit, dass die präklinische Gabe von Tranexam- säure insbesondere bei Patienten mit schwerem isolierten SHT mit einer erhöh- ten Sterblichkeit verbunden wäre. Sie ra- ten daher von einem regelhaften Einsatz bei diesem Patientenklientel ab. FAZIT In dieser retrospektiven Analyse der Daten der prospektiven BRAIN- PROTECT Studie führte die präkli- nische Gabe von Tranexamsäure bei Patienten mit schwerem isolierten Schädelhirntrauma (SHT) zu einem höheren Mortalitätsrisiko. Für die Ge- samtkohorte einschließlich Patienten mit anderen SHT-Formen zeigte sich kein Zusammenhang. Nach Meinung der Arbeitsgruppe sollte die Ver- abreichung des Antifibrinolytikums im notfallmedizinischen Setting bei diesem speziellen Patientenklientel vermieden werden. Dipl.-Psych. Annika Simon, Hannover 6 Notfallmedizin up2date 2022; 17: 5–7 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

100 % Fort- und Weiterbildung MEHR ERFAHREN Scannen Sie den QR-Code, wählen Sie eine up2date und lesen Sie eine Ausgabe online! FORTBILDUNG PUR – jetzt für Ihr Team abonnieren! 24/7 VERFÜGBAR – mit dem klinikweiten Online-Zugang www.thieme.de/up2date-institution ►Frauenheilkundeup2date CME-Fortbildung▪ Präkonzeptionelle Beratung–Wie berate ich beiKinderwunsch?▪ Diagnostik in derUrogynäkologie▪ Indikationen und Inhalteder humangenetischenBeratung▪ Erwartungen von Eltern andie Versorgung vonFrühgeborenen – Sicht einerElternvertretung SOP / Arbeitsablauf▪ GeburtseinleitungSchritt für Schritt▪ Chirurgische Therapiedes Lichen sclerosuset atrophicusGastroenterologieup2date► CME-Fortbildung▪ Aktuelle Therapie derHepatitis C: Wo stehenwir 2018?▪ Renale und pulmonaleKomplikationen derLeberzirrhose▪ ImmunvermittelteÖsophagitiden▪ GastrointestinaleInfektionen – AktuellesSchritt für Schritt ▪ Endosonografi scheFeinnadelpunktionSOP / Arbeitsablauf▪ Entlassungsmanagement►up2dateNotaufnahmeKlinische Akut- und Notfallmedizin1Oktober 2019 Seite 1–96 1. Jahrgang CME-Fortbildung ▪ Synkope oder „…auf einmal war ich weg“▪ Management starker Blutungen ▪ Schädel-Hirn-Trauma bei Kindern▪ Sepsis in der NotaufnahmeSOP / Arbeitsablauf▪ Akute DyspnoeSchritt für Schritt▪ Ultraschallgesteuerte VenenpunktionOnkologieup2dateHeft 5 • Mai 2015 • 41. Jahrgang • Seite 161 – 210 CME-Fortbildung▪Schmerztherapie in derPalliativmedizin▪Kolorektales Karzinom▪Diagnostik und Therapievon Weichgewebssarkomen▪PET/MR: aktuelleEinsatzmöglichkeiten in deronkologischen DiagnostikSOP / Arbeitsablauf▪SOP Umgang mit demPortkatheterSchritt für Schritt▪Punktion eines Port-katheters►Notfallmedizinup2date CME-Fortbildung▪Apps in der medizinischenNotfallversorgung▪Ersteinschätzung in derZentralen Notaufnahme▪Reanimation beitraumatischem Herz-Kreislauf-Stillstand▪Penetrierende Verletzungen▪Akute Herzrhythmus-störungen bei Kindernund JugendlichenSOP / Arbeitsablauf▪Akutes BeatmungsproblemSchritt für Schritt▪Immobilisationstechnikender Wirbelsäule►Pädiatrieup2date CME-Fortbildung▪ Das späte Frühgeborene–unterschätzte Morbidität▪ Mukoviszidose▪ Humane Papillomaviren:Erreger, Impfung undPraxishinweise▪ Neue Therapieoptionen beiAutoimmunerkrankungenIntensivmedizinup2date► CME-Fortbildung▪ Lungenersatzverfahren▪ Diff erenzierter Einsatzkardiovaskulär wirksamerSubstanzen▪ Infektionen untermedikamentöserImmunsuppression▪ Pulmorenales Syndrom aufder Intensivstation▪ Das abdominelleKompartmentsyndromSOP / Arbeitsablauf▪ DysphagieSchritt für Schritt▪ Erweitertes-FokussiertesAssessment mit Sonografi ebei Trauma (E-FAST)-KonzeptKardiologieup2date► CME-Fortbildung▪Diabetes undHerzinsuffizienz▪Update kardiovaskuläreRisikofaktoren▪KombinierteantithrombotischeTherapiestrategien▪Peripartum-KardiomyopathieSOP / Arbeitsablauf▪HerzschrittmacherSchritt für Schritt▪Notfallsonografie desHerzensNeurologieup2date► CME-Fortbildung▪Blutdruckmanagementbeim akuten Schlaganfall▪Neue Therapieansätzebei progredienter MS▪Stufenadaptierte Therapiedes Status epilepticus▪Diagnostik und Therapieder Muskeldystrophien▪Kopfschmerzen–Update 2018SOP / Arbeitsablauf▪HirnnervenläsionenSchritt für Schritt▪Nystagmus+up2dateGeriatrie CME-Fortbildung▪Orthogeriatrie▪Delir beim alten Menschen▪Das Schädel-Hirn-Traumabeim ÄlterenCNE Fortbildung▪BegegnungsorientiertesArbeiten mit Menschenmit DemenzSOP / Arbeitsablauf▪Bewegungsstörungen –ParkinsonsyndromeSchritt für Schritt▪Nystagmus

SOP / Arbeitsablauf Patient mit V. a. Trauma ABC-Problem Crush- Rettung Patient bewusst- seinsgetrübt? nein relevante Unfallkinetik? nein Beschwerden? nein Risikofaktoren? nein keine Immobilisierung ja ja ja ja Cave: alleinige HWS-Immo- bilisierung ist nicht ausreichend! Sturz höher als Körpergröße PKW/Motorradunfall mit hoher Geschwindigkeitsänderung > 30 km/h Überschlag Fußgänger/Radfahrer angefahren axiales Kopftrauma Ejektion aus dem Fahrzeug Tod eines Beifahrers Einklemmung/Verschüttung Schmerzen an der HWS Druckschmerz über den Dornfortsätzen Gefühlsstörungen/motorische Ausfälle der Extremitäten Unfähigkeit, den Kopf selbst zu halten größere Wunden an Kinn oder Stirn geriatrische Patienten Vorerkrankungen (Osteoporose, Spondylosis ankylans) vorbekannte Verletzungen HWS Intoxikation Verständigungsschwierigkeiten Polytraumatisierung Immobilisierung der Wirbelsäule (inkl. HWS) Immobilisierung der Wirbelsäule (inkl. HWS) Immobilisierung der Wirbelsäule (inkl. HWS) Immobilisierung der Wirbelsäule (inkl. HWS) ▶ Abb. 1 Algorithmus zur strukturierten Analyse über eine HWS-Immobilisierung am Unfallort. Analyse der Unfallkinetik Zur Beurteilung der einwirkenden Kraft auf die verunfall- te Person sollte der Unfallhergang analysiert werden. Liegt ein gefährlicher Unfallmechanismus vor, sollte eine HWS-Immobilisierung erfolgen. Die Canadian C-Spine-Rule definiert einen gefährlichen Unfallmechanismus als [5 – 7]: ▪ Sturz aus 1 m Höhe oder mehr als 5 Treppenstufen ▪ frontaler Aufprall ▪ PKW-Unfall mit mehr als 100 km/h, Überschlag oder Herausschleudern aus dem PKW ▪ Zweirad-Unfälle gegen Objekte ▪ Unfälle mit Geländefahrzeugen (Quad) ▪ Kollision mit Bus oder LKW Geeignet zur Beurteilung des Unfallmechanismus sind auch die Indikationen zur Schockraum-Auslösung, die auf eine hohe Unfallkinetik hinweisen [8]: ▪ Kollision von Fußgänger/Fahrradfahrer mit PKW/LKW ▪ Motorrad- oder Autounfall mit hoher Geschwindig- keitsänderung > 30 km/h ▪ Ejektion aus dem Fahrzeug ▪ Tod eines Beifahrers ▪ Sturz aus mehr als 3 Meter Höhe ▪ Explosionsverletzung ▪ Einklemmung/Verschüttung ▪ Schussverletzung ▪ Glasgow Coma Scale < 9 nach Trauma ▪ systolischer Blutdruck unter 90 mmHg nach Trauma ▪ Atemstörung/Intubationspflicht nach Trauma 10 Eschbach T, Walder J. SOP Immobilisierung der … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 9–12 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

SOP / Arbeitsablauf Cave Soll die Zervikalstütze kurzzeitig abgenommen werden (Atemwegssicherung, Untersuchung der HWS etc.), muss eine manuelle In-Line-Stabilisierung erfolgen. KOORDINATOR DER RUBRIK „SOP/ARBEITSABL AUF “ Dr. med. Tim Eschbach, GFO Kliniken Rhein-Berg, Bergisch-Gladbach. Literatur [1] Nolte PC, Uzun DD, Haske D et al. Analysis of cervical spine im- mobilization during patient transport in emergency medical services. Eur J Trauma Emerg Surg 2021; 47: 719–726. doi:10.1007/s00068-019-01143-z Stock JP, Gaier G, Häske D. Evidenzbasierte Empfehlung aus Dänemark zur Wirbelsäulenimmobilisation beim erwachsenen Traumapatienten. Notfall + Rettungsmedizin 2020; 23: 632– 634. doi:10.1007/s10049-020-00717-4 [2] [3] Matschke S, Krämer P, Wendl K. Verletzungen der subaxialen Halswirbelsäule. Trauma und Berufskrankheit 2015; 17: 307– 314. doi:10.1007/s10039-015-0020-x [4] Haske D, Lefering R, Stock JP et al. Epidemiology and predic- tors of traumatic spine injury in severely injured patients: im- plications for emergency procedures. Eur J Trauma Emerg Surg 2020. doi:10.1007/s00068-020-01515-w [5] Kreuder M. Präklinische HWS-Immobilisation auf Grundlage der Canadian-C-Spine-Rule. Notfall + Rettungsmedizin 2011; 14: 497–499. doi:10.1007/s10049-011-1476-2 [6] Vaillancourt C, Charette M, Kasaboski A et al. Evaluation of the safety of C-spine clearance by paramedics: design and meth- odology. BMC Emerg Med 2011; 11: 1. doi:10.1186/1471- 227X-11-1 Schleicher DP, Kobbe PDP, Blauth PDM. S3-Leitlinie ʼVerletzun- gen der subaxialen Halswirbelsäule. AWMF 2017. Im Internet (Stand: 17.01.2022): https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ ll/012-032.html [7] [8] Weißbuch Schwerverletztenversorgung. 3. erweiterte Auflage 2019. Im Internet (Stand: 29.12.2021): https://www.dgu-on- line.de/fileadmin/dgu-online/Dokumente/6._Versorgung_ und_Wissenschaft/Qualit%C3%A4t_und_Sicherheit/2019_ DGU-Weissbuch_Schwerverletztenversorgung_3._Auflage_ FINAL.PDF [9] National Institute for Health and Care Excellence. Spinal Injury: Assessment and Initial Management. London: National Insti- tute for Health and Care Excellence (UK); 2016 Bibliografie Notfallmedizin up2date 2022; 17: 9–12 DOI 10.1055/a-1702-1630 ISSN 1611-6550 © 2022. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany Beim Log-Roll-Manöver muss ein Helfer den Kopf stabili- sieren. Wenn der Patient zur Untersuchung des Rückens auf die Seite gedreht wird (Log-Roll-Manöver), stabilisie- ren zwei Helfer den Patienten an Brust und Becken, wäh- rend ein dritter Helfer den Kopf mit angelegter Zervikal- stütze hält. Die Drehung darf nur en bloc erfolgen, eine Rotation der Wirbelsäule muss vermieden werden. FAZIT Es fehlen bisher einheitliche Leitlinien. Die Immobili- sierung ist eine Einzelfallentscheidung und ist ab- hängig von Patientenzustand, Unfallkinetik, Verlet- zungsmuster und einsatztaktischen Erwägungen. Hilfreich können z. B. die Canadian C-Spine-Rule oder andere Tools sein. Wenn man sich für eine Immobili- sierung entscheidet, sollte stets konsequent die ge- samte Wirbelsäule immobilisiert werden, um einen adäquaten Schutz vor Sekundärverletzungen zu ge- währleisten. Das Anlegen einer Zervikalstütze allein ist nicht ausreichend. Interessenkonflikt Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessen- konflikt besteht. Autorinnen/Autoren Julia Walder Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie, Zusatzweiterbildung Spezielle Unfallchirurgie, Klinische Akut- und Notfallmedizin. Leitende Ärztin Zentrale Notaufnahme. Eduardus Kran- kenhaus Köln. Tim Eschbach Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Zusatz- bezeichnung Notfallmedizin. Leitender Arzt, Zentrale Notaufnahme, Notarzt, ABS Experte (DGKH). GFO Kliniken Rhein-Berg, Betriebs- stätte Marien-Krankenhaus. Korrespondenzadresse Dr. med. Tim Eschbach GFO Kliniken Rhein-Berg Betriebsstätte Marien-Krankenhaus, Zentrale Notaufnahme Dr.-Robert-Koch-Straße 18 51465 Bergisch Gladbach Deutschland tim.eschbach@gfo-kliniken-rhein-berg.de 12 Eschbach T, Walder J. SOP Immobilisierung der … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 9–12 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Schritt für Schritt Status epilepticus Bei Patienten mit akuten konvulsiven Entäußerungen ist die Venenpunktion meist erschwert und geht mit einer erhöhten Eigengefährdung des Rettungspersonals ein- her. Da eine prolongierte epileptische Aktivität zu irrever- siblen neuronalen Schäden führt und sich zudem jede Verzögerung der initialen Benzodiazepingabe bereits ne- gativ auf die Durchbruchsrate auszuwirken scheint [7], empfehlen die aktuellen Leitlinien bei Nichtgelingen eines intravenösen Zugangs, rasch auf eine alternative Applikationsform auszuweichen [8]. Merke Die nicht intravenösen Anwendungsformen sind sicherer und schneller zu applizieren und weisen nicht mehr Nebenwirkungen auf [8, 9]. Hierbei ist intramuskulär verabreichtes Midazolam (ge- folgt von intranasal appliziertem Midazolam) am effek- tivsten [8], und es konnte gezeigt werden, dass intramus- kuläres Midazolam der venösen Gabe von Lorazepam mindestens gleichwertig ist [7]. Beim Status epilepticus beträgt die empfohlene Dosierung für Midazolam 10 mg für Patienten > 40 kgKG und 5 mg für Patienten < 40 kgKG, als Einzelgabe [8] (s. ▶ Tab. 1). Weitere Indikationen Bei agitierten oder aggressiven Patienten [9 – 12] und Kindern [13 – 15] besteht ebenfalls gute Evidenz hinsicht- lich der intramuskulären medikamentösen Sedierung und/oder Analgesie. Ebenso ist die intramuskuläre Appli- kation von Naloxon zur Antagonisierung einer Opiatinto- xikation möglich [16, 17]. Kontraindikationen In vital bedrohlichen Notfallsituationen bestehen prinzi- piell keine absoluten Kontraindikationen. Die Interferenz mit einer eventuell notwendigen kardiologischen Diag- nostik durch eine Erhöhung der Kreatinkinase als Folge einer intramuskulären Injektion spielt durch die Verfüg- barkeit von spezifischen und hoch sensitiven Myokard- markern keine Rolle mehr. In Abhängigkeit von der spezifischen Situation müssen die folgenden relativen Kontraindikationen im Sinne einer Nutzen-Risiko-Abwägung berücksichtigt werden: ▪ entzündliche Veränderungen, Verletzungen, Paresen oder anatomische Irregularitäten im Punktionsgebiet, ▪ hämorrhagische Diathese durch Koagulopathien, ▪ Therapie mit Antikoagulanzien (lt. Studienlage jedoch keine vermehrten Blutungskomplikationen unter be- stehender Antikoagulanzientherapie [18 – 20]), ▪ potenzielle Notwendigkeit einer systemischen Throm- bolyse. Durchführung Schritt 1 Situationsgerechte Aufklärung Nach erfolgter Indikationsstellung (s. o.) richtet sich der Aufklärungsumfang des Patienten analog zu anderen akutmedizinischen Interventionen vornehmlich nach der Dringlichkeit der Maßnahme. Die Einwilligung erfolgt mündlich oder basierend auf dem mutmaßlichen Patien- tenwillen. Inhalt und Umfang der Aufklärung sowie die Zustimmung des Patienten sind schriftlich im Einsatzpro- tokoll zu dokumentieren. Schritt 2 Vorbereitung des Materials Für alle vorbereitenden Maßnahmen sind die allgemein anerkannten Regeln der Standardhygiene einzuhalten [21, 22]. Es werden die in ▶ Tab. 2 aufgeführten Materia- lien benötigt (s. a. ▶ Abb. 1). Nach dem Aufziehen des Medikaments in die Spritze und deren Entlüftung sollte vor der Injektion ein Kanülen- wechsel erfolgen [25], um den Injektionsschmerz zu re- duzieren. Bei der Vorbereitung der Medikamente sollte außerdem auf ein möglichst geringes Injektionsvolumen geachtet werden. ▶ Abb. 1 Benötigtes Material für die intramuskuläre Injektion. 14 Voigt J, Girrbach F. Intramuskuläre Injektion in … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 13–19 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Schritt für Schritt Crista iliaca M. iliacus Spina iliaca anterior superior M. tensor fasciae latae M. iliopsoas M. rectus femoris Tractus iliotibialis M. vastus lateralis Caput fibulae a Lig. longitudinale anterius Promontorium M. psoas major M. piriformis Lig. inguinale Symphysis pubica M. pectineus M. deltoideus, Pars acromialis M. deltoideus, Pars spinalis Scapula M. adductor longus M. sartorius M. gracilis M. adductor magnus M. vastus medialis Acromion Spina scapulae Clavicula M. deltoideus, Pars clavicu- laris b Corpus humeri Tuberositas deltoidea Patella Lig. patellae Pes anserinus superficialis ▶ Abb. 2 Punktionsstellen zur intramuskulären Injektion. a Korrekte Punktionsstelle für die Injektion in den lateralen Oberschenkel (blau markiert) (Quelle: Schünke M, Schulte E, Schumacher U, Voll M, Wesker K, Hrsg. Prometheus LernAtlas – Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. 5., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme; 2018. doi:10.1055/b-006-149643). b Punktionsstelle für die Injektion in den M. deltoideus (Quelle: Schünke M, Schulte E, Schumacher U, Voll M, Wesker K, Hrsg. Prometheus Lern- Atlas – Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. 5., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme; 2018. doi:10.1055/b-006-149643). 16 Voigt J, Girrbach F. Intramuskuläre Injektion in … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 13–19 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Schritt für Schritt ▶ Abb. 6 Kompression der Punktionsstelle mit einem Tupfer. Schritt 7 Versorgung der Punktionsstelle Nach der Injektion wird die Kanüle entfernt und die Punk- tionsstelle manuell komprimiert (▶ Abb. 6), bevor ein Wundverband in Form eines Pflasters angebracht wird [23]. Schritt 8 Erfolgskontrolle Im Anschluss sollte die Punktionsstelle auf Auffälligkeiten wie Schwellungen oder Blutungen bzw. Hämatombildung überprüft werden. Zudem sollte beurteilt werden, ob die klinische Wirkung des verabreichten Medikaments eintritt. Bei ausbleiben- dem pharmakologischem Effekt sollte die intramuskuläre Medikamentengabe erneut erfolgen oder ein alternativer Applikationsweg gewählt werden. Ebenso sollte der Pa- tient auf unerwünschte Nebenwirkungen überwacht werden. Interessenkonflikt Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessen- konflikt besteht. Autorinnen/Autoren seit 2012. Julia Voigt Dr. med., Jahrgang 1982, Tätigkeit als Fach- ärztin für Anästhesiologie an der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivthe- rapie des Universitätsklinikums Leipzig AöR seit 2013, regelmäßige Tätigkeit als Notärztin an verschiedenen deutschen NEF-Standorten Felix Girrbach Dr. med., DESA, Facharzt für Anästhesiologie, 2013 Zusatzbezeichnung Notfallmedizin, 2020 Zusatzbezeichnung Intensivmedizin. 2004–2010 Studium der Humanmedizin an der Universität Tübingen, seit 2020 Oberarzt, Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie, Universitätsklinikum Leipzig. Korrespondenzadresse Dr. med. Felix Girrbach Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie Universitätsklinikum Leipzig Liebigstraße 20 04103 Leipzig Deutschland FelixFrederic.Girrbach@medizin.uni-leipzig.de KOORDINATION DER RUBRIK „SCHRITT FÜR SCHRITT “ Dr. Felix Girrbach, Leipzig. Literatur [1] Wissenschaftlicher Arbeitskreis „Notfallmedizin“ (WAKN) der DGAI, Wissenschaftlicher Arbeitskreis „Kinderanästhesie“ (WAKKA) der DGAI, Hrsg. S1-Leitlinie: Die intraossäre Infusion in der Notfallmedizin. Anästh Intensivmed 2018; 59: 667–677 [2] Nicoll LH, Hesby A. Intramuscular injection: An integrative re- search review and guideline for evidence-based practice. Ap- plied Nursing Research 2002; 15: 149–162. doi:10.1053/ apnr.2002.34142 [3] Ring J, Beyer K, Biedermann T et al. Leitlinie zu Akuttherapie und Management der Anaphylaxie – Update 2021: S2k-Leit- linie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI), des Ärzteverbands Deutscher Allergo- logen (AeDA), der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA), der Deutschen Akademie für Aller- gologie und Umweltmedizin (DAAU), des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), der Gesellschaft für Neonato- logie und Pädiatrische Intensivmedizin (GNPI), der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG), der Österreichischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (ÖGAI), der Schweizerischen Gesellschaft für Allergologie und Immunolo- gie (SGAI), der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), der Deutschen Gesellschaft für Pharmakologie (DGP), der Deutschen Gesellschaft für Pneu- mologie und Beatmungsmedizin (DGP), der Patientenorgani- sation Deutscher Allergie- und Asthmabund (DAAB) und der 18 Voigt J, Girrbach F. Intramuskuläre Injektion in … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 13–19 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Impressum Notfallmedizin up2date 17. Jahrgang Die Notfallmedizin up2date erscheint 4-mal jährlich. ISSN (Print): 1611-6550 eISSN: 1862-6955 Copyright & Ownership Wenn nicht anders angegeben: © 2022. Thieme. All rights reserved. Die Zeitschrift Notfallmedizin up2date ist Eigentum von Thieme. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany Schriftleitung Prof. Dr. Jens Scholz, MBA Vorstandsvorsitzender UKSH Arnold-Heller-Str. 3, Haus 31, 24105 Kiel Tel.: + 49 431 50 01 00-01, Fax: + 49 431 50 01 00-04 E-Mail: vv@uksh.de Herausgebende Prof. Dr. Berthold Bein, MA, DEAA, Hamburg E-Mail: b.bein@asklepios.com PD Dr. Peter Brinkrolf, Greifswald E-Mail: peter.brinkrolf@uni-greifswald.de Prof. Dr. Tobias Geisler, Tübingen E-Mail: tobias.geisler@med.uni-tuebingen.de Prof. Dr. Jan-Thorsten Gräsner, Kiel E-Mail: jan-thorsten.graesner@uksh.de Prof. Dr. André Gries, Leipzig E-Mail: andre.gries@medizin.uni-leipzig.de PD Dr. Uwe Schweigkofler, Frankfurt am Main E-Mail: uwe@schweigkofler.net Prof. Dr. Andreas Seekamp, Kiel E-Mail: andreas.seekamp@uksh-kiel.de Prof. Dr. Dominique Singer, Hamburg E-Mail: dsinger@uke.de Prof. Dr. Helge Roland Topka E-Mail: helge.topka@extern.lrz-muenchen.de Die Herausgebenden sind nicht verantwortlich für in der Zeitschrift enthaltene Anzeigen und Beilagen. Verlag Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart oder Postfach 30 11 20, 70451 Stuttgart Tel.: + 49 711 89 31-0, Fax: + 49 711 89 31-298 www.thieme.de, www.thieme.de/notfall-u2d www.thieme-connect.de/products Web-App: www.thieme.de/eref-app Redaktion Sie erreichen die Redaktion unter: notfall-u2d.impressum@thieme.de V. i. S. d. P.: Lea-Marie Tröster, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart Verantwortlich für den Anzeigenteil Thieme Media Pharmedia Anzeigen- und Verlagsservice GmbH Andreas Schweiger, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart oder Postfach 30 08 80, 70448 Stuttgart Tel.: + 49 711 89 31-245, Fax: + 49 711 89 31-470 E-Mail: andreas.schweiger@thieme-media.de Produktionsmanagement Tel.: + 49 711 89 31-883, Fax: + 49 711 89 31-393 E-Mail: sarah.schenkel@thieme.de Abonnentenservice Wir bitten unsere Abonnent*innen, Adressänderungen dem Abonnentenservice mitzuteilen, um eine reibungs- lose Zustellung der Zeitschrift zu gewährleisten. Tel.: + 49 711 89 31-321, Fax: + 49 711 89-31-422, https://kundenservice.thieme.de Unter dieser Adresse können Abonnent*innen der Notfall- medizin up2date kostenlos einen neuen Archivierungs- Ordner bestellen. Bitte geben Sie Ihre Anschrift und Abo- Nummer an. Die Inhalte der Zeitschrift stehen online in Thieme con- nect zur Verfügung (www.thieme-connect.de/products). Der Zugang ist für persönliche Abonnent*innen im Preis enthalten. Über kostenpflichtige Zugangsmöglichkeiten und Lizen- zen für Institutionen (Bibliotheken, Kliniken, Firmen etc.) informiert Sie gerne unser Institutional Sales Team, E- Mail: esales@thieme.de Warenbezeichnungen und Handelsnamen Marken, geschäftliche Bezeichnungen oder Handels- namen werden nicht in jedem Fall besonders kenntlich ge- macht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Handelsnamen handelt. Informationen für unsere Autor*innen Manuskriptrichtlinien und andere Informationen für Au- tor*innen entnehmen Sie bitte den Autorenhinweisen un- ter dem Reiter „Autoren“ auf www.thieme.de/notfall-u2d. Grundsätzlich werden nur solche Manuskripte angenom- men, die noch nicht anderweitig veröffentlicht oder zur Veröffentlichung eingereicht worden sind. Bitte beachten Sie: Wir können keine Abbildungen anneh- men, die bereits in Büchern, Zeitschriften oder elektro- nischen Produkten anderer Anbieter*innen publiziert worden sind oder an denen ein Dritter Nutzungsrechte hat (z. B. Arbeitgebende). Der Grund: Auch gegen Lizenz- gebühr ist es kaum noch möglich, die Nutzungsrechte in dem für uns erforderlichen Umfang zu erhalten. Bitte zah- len Sie deshalb keine Lizenzgebühren (z. B. bei „Rights- Link“/Copyright Clearance Center) – auch die Standard- Lizenzverträge von „Creative Commons“ sind für eine Pu- blikation leider nicht ausreichend. Diese Zeitschrift bietet Autor*innen die Möglichkeit, ihre Artikel gegen Gebühr in Thieme connect für die allgemei- ne Nutzung frei zugänglich zu machen. Bei Interesse wen- den Sie sich bitte an: notfall-u2d.impressum@thieme.de For users in the USA Authorization of photocopy items for internal or personal use, or the internal or personal use of specific clients, is granted by Georg Thieme Verlag Stuttgart. New York for libraries and other users registered with the Copyright Clearance Center (CCC) Transactional Reporting Service; www.copyright.com. For reprint information in the USA, please contact: journals@ thieme.com Wichtiger Hinweis Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwick- lungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behand- Bezugspreise 2022* Normalpreis ermäßigter Preis für Ärzte in der Weiterbildung und Studenten Versandkosten Gesamtkosten Abo 200,00 151,00 Inland 31,40 31,40 Ausland 38,10 38,10 Inland 231,40 182,40 Ausland 238,10 189,10 institutioneller Jahresbezugspreis 336,00** 31,40 38,10 367,40 374,10 * Jährliche Bezugspreise in € (D), unverbindlich empfohlene Preise inkl. der gesetzl. MwSt. (D). Im Ausland verstehen sich die Preise und Versand- kosten exkl. der gesetzlichen MwSt. Preisänderungen vorbehalten. Preis für ein Einzelheft 72,00 € zzgl. Versandkosten ab Verlagsort. Das Abon- nement wird zum Jahreswechsel im Voraus berechnet und zur Zahlung fällig. Die Bezugsdauer verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn nicht eine Abbestellung zum 30. September vorliegt. ** Der institutionelle Jahresbezugspreis inkludiert Online-Zugriff für 1 Standort. Weitere Informationen finden Sie unter https://lp.thieme.de/fachzeitschriften/ijbp/ lung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Heft eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, dürfen Lesende zwar darauf vertrauen, dass Autor*in- nen, Herausgebende und Verlag große Sorgfalt darauf ver- wandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung der Zeitschrift entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applika- tionsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr über- nommen werden. Jede*r Benutzende ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwen- deten Präparate und ggf. nach Konsultation eines Spezia- listen oder einer Spezialistin festzustellen, ob die dort ge- gebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in dieser Zeitschrift abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzenden. Autor*innen und Verlag appellieren an alle Benutzenden, ihnen etwa auffallende Ungenauigkei- ten dem Verlag mitzuteilen. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträ- ge und Abbildungen sind für die Dauer des Urheberrechts geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Gren- zen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigung und Verbreitung in gedruckter Form, Übersetzung, Übertragung und Bearbeitung in andere Sprachen oder Fassungen sowie die Einspeicherung und Verbreitung in elektronischen Medienformen (z. B. CD- ROM, DVD, USB-Speicher, Datenbank, Cloud-basierter Dienst, E-Book und sonstige Formen des Electronic Publi- shing) und auch öffentlicher Zugänglichmachung (z. B. Internet, Intranet oder andere leitungsgebundene oder ‑ungebundene Datennetze), u. a. durch Wiedergabe auf stationären oder mobilen Empfangsgeräten, Monitoren, Smartphones, Tablets oder sonstigen Empfangsgeräten per Download (z. B. PDF, ePub, App) oder Abruf in sons- tiger Form etc. Hinweis zu Studienreferaten Die Autorinnen und Autoren unserer Referaterubriken schreiben frei- oder nebenberuflich für verschiedene Auf- traggebende aus Verlagsbranche, Wissenschaft und In- dustrie. Bei Fragen zu Interessenkonflikten einzelner Au- tor*innen wenden Sie sich bitte mit der im Impressum un- ter „Redaktion“ genannten E-Mail-Adresse an den Verlag. Datenschutz Wo datenschutzrechtlich erforderlich, wurden die Namen und weitere Daten von Personen redaktionell verändert (Tarnnamen). Dies ist grundsätzlich der Fall bei Pa- tient*innen, ihren Angehörigen und ihrem Freundeskreis, z. T. auch bei weiteren Personen, die z. B. in die Behand- lung von Patient*innen eingebunden sind. Wertschätzende Sprache und geschlechtergerechter Sprachgebrauch Thieme Publikationen streben nach einer fachlich kor- rekten und unmissverständlichen Sprache. Dabei lehnt Thieme jeden Sprachgebrauch ab, der Menschen beleidigt oder diskriminiert, beispielsweise aufgrund einer Her- kunft, Behinderung oder eines Geschlechts. Thieme wendet sich zudem gleichermaßen an Menschen jeder Geschlechtsidentität. Die Thieme Rechtschreib- konvention nennt Autor*innen mittlerweile konkrete Bei- spiele, wie sie alle Lesenden gleichberechtigt ansprechen können. Die Ansprache aller Menschen ist ausdrücklich auch dort intendiert, wo im Text (etwa aus Gründen der Leseleichtigkeit, des Textumfangs oder des situativen Stil- empfindens) z. B. nur ein generisches Maskulinum ver- wendet wird. Printed in Germany Satz: Ziegler und Müller, text form files, Kirchentellinsfurt Druck und Bindung: Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG, Calbe (Saale) 20 Notfallmedizin up2date 2022; 17 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Unter dieser Rubrik sind bereits erschienen: Psychische Belastungen in der präklinischen Notfallver- sorgung G. Krahl, C. Ackermann, H. Freytag Heft 4/2021 Todesfeststellung und Leichenschau im Rettungsdienst B. Ondruschka, C. Buschmann Heft 2/2019 Massenanfall von Verletzten (MANV) und Infizierten (MANI) S. M. Heinz, R. Hoffmann, U. Schweigkofler Heft 4/2021 Präklinisches Volumenmanagement beim Schwerstverletzten B. Hußmann, P. Jungbluth Heft 2/2019 Ethik in der präklinischen Notfallmedizin F. Rave, L. Bergemann, H. Tüns, A. Rogge Heft 3/2021 Entscheidungsfindung in der Akut- und Notfallmedizin D. Marx, P. Lange Heft 1/2019 Der agitierte und aggressive Patient P. Ohrmann, R. Schepers Heft 1/2021 Auswahl der richtigen Zielklinik – Welcher Patient in welche Klinik? F. Naujoks, P. Faul, P. Hagebusch, U. Schweigkofler Heft 1/2019 Technische Rettung und Kooperation mit der Feuerwehr P. Faul, J. Albert, U. Schweigkofler Heft 1/2021 Atemwegsmanagement im Rettungsdienst M. Michael, J. Tautz, F. Sensen, M. Bernhard Heft 4/2020 Prähospitale Telenotfallmedizin C. Metelmann, N. Renzing, J.-T. Gräsner, L. Dölger, S. K. Beckers, M. Felzen, H. Schröder, D. Overheu, N. Jacobsen, B. Metelmann Heft 4/2020 Aktuelle Forschungsergebnisse für die notfallmedizinische Praxis J. Knapp, S. Seewald Heft 3/2020 Notfall Psyche – Diagnostik und Krisenintervention in der Präklinik W. Jordan Heft 1/2020 Indikationsfremde Anwendung von Medikamenten und Medi- zinprodukten in der Notfallmedizin K. P. Ittner, J. Koppenberg U. Walter Heft 4/2019 Abdominelle Notfallsonografie in der Intensiv- und Akut- medizin M. Schreiber, C.-A. Greim Heft 3/2019 Aktualisierung der ERC-Leitlinien 2018 M. Deppe, D. Deniz Uzun, D. Bläser Heft 3/2019 Arzneimittelinteraktionen, die man kennen muss! N. Voigt, K. Ort, S. Sossalla Heft 2/2019 Mechanische Hilfsmittel zur Reanimation H. Gässler, D. Treffer, A. Weißleder, M. Helm Heft 1/2019 Massenanfall von Verletzten – aus Sicht eines Krankenhauses U. Schweigkofler, S. Martin Heinz, R. Hoffmann Heft 4/2018 Dokumentation und Qualitätsmanagement im Rettungsdienst T. Lohs, J. Wnent, B. Jakisch Heft 4/2018 Reanimation bei traumatisch bedingtem Herz-Kreislauf- Stillstand P.-C. Nolte, M. Münzberg, S. Frankenhauser, J. Horter, B. Gliwitzky, A. Gather Heft 3/2018 App-basierte Systeme im Bereich der medizinischen Notfallversorgung C. Elsner, M. Blaschka, M. Kleehaus Heft 3/2018 Ersteinschätzung in der Zentralen Notaufnahme I. Gräff, P. Glien, B. von Contzen, M. Bernhard Heft 3/2018 Triage beim Massenanfall von Verletzten (MANV) T. Neidel, A. R. Heller Heft 2/2018 Advance Care Planning – „Behandlung im Voraus planen“ in der Notfallmedizin B. Feddersen, S. Petri, G. Marckmann, H. Topka Heft 1/2018 Massenanfall von Verletzten/Erkrankten (MANV) – die frühe Phase der Einsatzbewältigung S. Trümpler, M. Hübner, ALLES ONLINE LESEN IHR ONLINE-SAMMELORDNER JETZT FREISCHALTEN Mit der eRef lesen Sie Ihre Zeitschrift: online wie offline, am PC und mobil, alle bereits erschienenen Artikel. Für Abonnenten kostenlos! https://eref.thieme.de/notfall-u2d Sie möchten jederzeit und überall auf Ihr up2date-Archiv zu- greifen? Kein Problem! Ihren immer aktuellen Online- Sammelordner finden Sie unter: https://eref.thieme.de/1ES9S Sie haben Ihre Zeit- schrift noch nicht freigeschaltet? Ein Klick genügt: www.thieme.de/eref-registrierung

CME-Fortbildung ▶ Abb. 1 Kernaussagen des Kapitels Epidemiologie [6] (Quelle: Gräsner J-T, Herlitz J, Tjelmeland IBM et al. Epidemiologie des Kreislaufstillstands in Europa. Notfall + Rettungsmedizin 2021; 24: 346–366. doi:10.1007/s10049-021-00884-y. © German Resus- citation Council und Austrian Resuscitation Council 2021). [rerif] 24 Schiewe R et al. Leitlinien des European … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 21–47 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Am Anfang der Überlebenskette, welche als Konzept erst- mals 1967 von Ahnefeld beschrieben [11] und 1991 mo- difiziert und aktualisiert wurde [12], stehen die Früh- erkennung eines Kreislaufstillstands und der Notruf, be- gleitet von frühen Wiederbelebungsmaßnahmen durch den Ersthelfer, in der Regel einen Laien. Da eine frühe Lai- enreanimation mit einer erheblichen Verbesserung des Überlebens und des neurologischen Outcomes verbun- den sein kann [13, 14], wurden viele Maßnahmen ange- strengt, um die Laienreanimationsrate zu verbessern [15]. Die Laienreanimationsrate variierte in den 28 teilneh- menden europäischen Ländern der EuReCa-TWO-Studie im Jahr 2017 zwischen 13% und 83%, durchschnittlich lag sie bei 58% [2]. Die telefonische Anleitung zur Reani- mation scheint mitverantwortlich für eine zunehmende Anzahl von Laienreanimationen zu sein [13]. Der Einsatz automatisierter externer Defibrillatoren (AED) in Europa ist nach wie vor gering, durchschnittlich beträgt die Rate der Anwendung eines AED für OHCA in Europa 28%, wobei ein Schock in 16,5% abgegeben wird [2]. Durch Initiativen wird versucht, sowohl die Verfüg- barkeit als auch die Verwendung von AED zu erhöhen [16]. Auch die Verwendung von App-basierten Systemen zur Entsendung von potenziellen Helfern, einerseits für den Beginn einer Reanimation und andererseits für die Bereitstellung eines AED, wurde bereits empfohlen. TAKE HOME MESSAGE Der Einsatz automatisierter externer Defibrillatoren (AED) in Europa durch Laien vor Eintreffen des Ret- tungsdienstes ist noch gering, und durch Initiativen soll versucht werden, die Verfügbarkeit und Verwen- dung von AED zu erhöhen. Ergebnis nach Kreislaufstillstand außerhalb des Krankenhauses Die EuReCa-TWO-Studie zeigte Überlebensraten nach OHCA bei Entlassung aus dem Krankenhaus zwischen 0% und 18%, durchschnittlich lag die Gesamtüberlebensrate nach OHCA in Europa bei 8%. Internationale Zahlen der Gesamtüberlebensrate variieren zwischen < 8% in Asien bis zu 11% in den USA und 12 % in Australien und Neusee- land. Auch europaweit gibt es unterschiedliche gemelde- te Überlebensraten in den einzelnen Ländern: England 7,9%, Frankreich 4,9%, Spanien 13%, Deutschland 13,2%, Schweden 11,2%, Dänemark 16%, Norwegen 14%. Das Überleben eines OHCA ist hierbei von vielen, über die Reanimationsmaßnahmen hinausgehenden Faktoren, wie Geschlecht, initialer EKG-Rhythmus, Komorbiditäten, Ort, sozioökonomische Benachteiligung und ethnische Zugehörigkeit, abhängig. Durch Erfassung von Schlüssel- datenelementen wird die Überlebensanalyse in bestimm- ten Untergruppen ermöglicht. Die neuesten Utstein-Veröffentlichungen empfehlen die Kategorisierung von Patienten [5]. Hierbei ist die Ut- stein-Vergleichsgruppe, mit kardialer Ursache des Kreis- laufstillstands und initial schockbarem Rhythmus, die Gruppe mit der höheren Überlebenschance. Diese liegt im EuReCa-Netzwerk bei über 30%. Bei traumatischer Ur- sache hingegen liegen die Überlebenschancen mit 2– 6,6% deutlich niedriger. Pädiatrischer OHCA (POHCA) Definiert wird ein POHCA im Allgemeinen durch einen Kreislaufstillstand bei Personen im Alter < 18 Jahren (bzw. < 21 Jahren). Die umfangreichsten europäischen Daten stammen aus dem schwedischen Reanimationsregister [17], in dem zwischen 1990 und 2012 eine Inzidenz von 4,9 Fällen/100 000 Personenjahre unter 21 Jahren doku- mentiert wurde. Das Überleben wurde mit 5,1% für Säug- linge (< 1 Jahr), 11% für kleine Kinder (1–4 Jahre), 7,5% für ältere Kinder (5–12 Jahre) und 12,6 % für Jugendliche (12–21 Jahre) angegeben. Im Falle eines beobachteten Kreislaufstillstands waren die Überlebensraten mit 14,9% bis zu 22% deutlich höher. Kreislaufstillstand innerhalb des Krankenhauses (IHCA) Inzidenz Die tatsächliche Inzidenz für den IHCA ist ebenfalls nicht bekannt und schwer zu evaluieren, da alle Patienten, die im Krankenhaus sterben, letztlich einen Kreislaufstill- stand haben. Nicht bei allen Kreislaufstillständen wird je- doch eine Reanimation in Betracht gezogen. Genauso kann dies auch auf den OHCA übertragen werden, sodass schlussendlich der Ort des Kreislaufstillstands, im oder auch außerhalb des Krankenhauses, statistischen Einfluss haben könnte. Eine schwedische Studie verglich die Gesamtzahl der To- desfälle im Krankenhaus mit der Anzahl der Reanimati- onsversuche und zeigte, dass in nur 12 % aller Fälle von Kreislaufstillstand im Krankenhaus eine Reanimation be- gonnen wurde [18]. Auch Unterschiede im Umgang mit dem Beginn oder dem Unterlassen von Reanimations- maßnahmen (DNACPR-Politik) zwischen einzelnen Län- dern können einige Unterschiede in der Inzidenz des IHCA erklären [19]. Es ergibt sich eine jährliche Inzidenz des IHCA in Europa von 1,5 bis 2,8/1000 Krankenhausein- weisungen. Rund 18 von 28 europäischen Ländern führen ein natio- nales Register für den IHCA [8]. In bevölkerungsbezoge- nen Reanimationsregistern sollen unter Einhaltung der Utstein-Empfehlungen die Inzidenz, der Case-Mix, die Be- 26 Schiewe R et al. Leitlinien des European … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 21–47 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Nach überlebtem Kreislaufstillstand sind hypoxische Hirnschäden ein folgenschweres Ergebnis. Länder, die routinemäßig bei Aussichtslosigkeit lebenserhaltende Maßnahmen begrenzen (WLST), verzeichnen bei > 90% der Patienten ein gutes neurologisches Outcome. Länder ohne WLST verzeichnen häufiger ein schlechtes neurolo- gisches Outcome (50%) [29]. Die individuelle Lebensqualität der Überlebenden kann jedoch trotz eines als gut eingestuften neurologischen Outcomes vermindert sein. Häufige Einschränkungen sind Müdigkeit (50–71%) sowie neurokognitive (langfris- tig 40–50%) und emotionale Probleme. Die Häufigkeit emotionaler Probleme wird bei Überlebenden nach Kreis- laufstillstand vermutlich unterschätzt [30]. In den ersten Wochen am schwerwiegendsten und mit schlechter HRQoL verbunden [31 – 33], können sich emotionale Pro- bleme langfristig durch Angstzustände, Depressionen und PTBS äußern [30, 31, 34, 35]. Auch Angehörige von Patienten nach Kreislaufstillstand haben ein erhebliches Risiko für die Entwicklung von emotionalen Problemen. In einer Schweizer Studie hatten 40% der Verwandten eine PTBS [36]. Weiters berichten Überlebende von kör- perlichen Problemen bei Aktivitäten oder Körperfunktio- nen sowie Mobilität. Insgesamt wird von Überlebenden zudem von einer verminderten gesellschaftlichen Betei- ligung berichtet [37, 38], und viele bleiben nach überleb- tem Herz-Kreislauf-Stillstand arbeitsunfähig [31, 34, 38, 39]. TAKE HOME MESSAGE Die individuelle Lebensqualität der Überlebenden nach Kreislaufstillstand kann trotz als gut eingestuf- tem neurologischem Outcome stark vermindert sein. Rehabilitation In den europäischen Ländern gibt es eine unterschiedli- che Bereitstellung von Rehabilitationsleistungen, und vie- le Überlebende haben keinen Zugang zu einer Rehabilita- tion. In Europa gibt es derzeit keine Bewertung der Art und der Anzahl der Rehabilitationsmaßnahmen und Re- habilitationsprogramme für Überlebende nach Kreislauf- stillstand. Rehabilitationsmaßnahmen für Betroffene werden häufig in Programmen angeboten, die eigentlich andere spezifische Patientengruppen adressieren, wie z. B. Patienten nach einem Myokardinfarkt oder nach einer traumatischen Hirnverletzung. Hierdurch ist das spezifische Rehabilitationsergebnis für Patienten nach Kreislaufstillstand schwer separat zu erfassen. Zudem wird Patienten mit einem als gut befundenen neurologi- schen Outcome möglicherweise eine Rehabilitations- behandlung vorenthalten, da die Notwendigkeit hierfür während der Akutbehandlung nicht erkannt wird [40]. Auch eine strukturierte Nachsorge mit einem Screening auf kognitive und emotionale Probleme wird bereits in den ERC-Leitlinien 2015 zur Postreanimationsbehand- lung empfohlen [40]. TAKE HOME MESSAGE Es besteht Bedarf an einer besseren Bereitstellung von Rehabilitationsmöglichkeiten, speziell nach erfolgter Reanimation. Genetische Variationen Individuelle Prävention ist einer der wichtigsten Ansätze, die Letalität durch einen plötzlichen Kreislaufstillstand zu reduzieren. Hierzu ist die frühzeitige Identifikation von Patienten mit erhöhtem Risiko für einen plötzlichen Kreislaufstillstand durch eine vorliegende genetische Dis- position erforderlich. Leider sind betroffene Personen durch fehlendes kardiogenetisches Screening oft nicht über ihre Disposition aufgeklärt. Durch gezieltes Scree- ning Verwandter I. Grades nach plötzlichem Kreislaufstill- stand können von seltenen Krankheiten betroffene Per- sonen identifiziert werden und von einer prophylakti- schen Therapie, wie der Implantation von Defibrillatoren, profitieren. Die Forschung konzentriert sich in den letzten Jahren ins- besondere auf Patienten mit seltenen angeborenen Ar- rhythmiesyndromen und Episoden, die mit einem erhöh- ten Risiko für einen Kreislaufstillstand verbunden sind. So wären bei besserem Verständnis der Rolle genetischer und epigenetischer Faktoren spezifische Wiederbele- bungsempfehlungen für Patienten mit bekannter geneti- scher Prädisposition denkbar. Lebensrettende Systeme – „Systems Saving Lives“ Mit lebensrettenden Systemen werden Ansätze auf Sys- temebene beschrieben, die das Management von Patien- ten mit OHCA und IHCA und deren Ergebnisse global ver- bessern können (▶ Abb. 2). Das Konzept hinter dem Sys- tems-Saving-Lives-Ansatz beim Kreislaufstillstand ist es, die Verbindungen zwischen Personen der Überlebensket- te zu betonen, von Ersthelfern in der Allgemeinbevölke- rung, dem Beginn einer Laienreanimation über die Alar- mierung des Rettungsdienstes via Leitstelle bis hin zu CAC oder auch innerklinischen Notfallteams. 28 Schiewe R et al. Leitlinien des European … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 21–47 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Überlebenskette und Überlebensformel Die Überlebenskette betont das Zusammenspiel ver- schiedener Personen und deren Handlungen zur Opti- mierung der Überlebenschancen bei einem Kreislaufstill- stand. Am Anfang der Kette stehen die Früherkennung eines drohenden oder eingetretenen Kreislaufstillstands und der Notruf. Sobald ein Kreislaufstillstand eingetreten und dieser erkannt ist, ist der sofortige Beginn von Wiederbe- lebungsmaßnahmen durch die Ersthelfer entscheidend, da hierdurch das Überleben nach einem Kreislaufstill- stand mehr als verdoppelt werden kann. Die wichtigsten Beobachtungen zur Diagnose eines Kreis- laufstillstands sind, dass die betroffene Person nicht re- agiert und nicht normal atmet [42]. Der Leitstellen- disponent ist hier ein entscheidendes Glied in der Über- lebenskette zur Einleitung und Anleitung einer Laien- reanimation. Da das Überleben bei schockbarem Rhythmus mit jeder Verzögerung einer frühen Defibrillation abnimmt, ist die- se von entscheidender Bedeutung. Die Überlebenswahr- scheinlichkeit wird durch jede Minute Verzögerung um bis zu 10–12% reduziert. Überlebensraten von bis zu 70% können durch eine frühzeitige Defibrillation inner- halb 3–5 Minuten nach Kreislaufstilstand erreicht wer- den. Hierfür ist jedoch ein öffentlich zugänglicher AED vor Ort erforderlich [43 – 46]. Das letzte Glied der Überlebenskette bildet neben den frühzeitig erweiterten Reanimationsmaßnahmen (ALS) inklusive Atemwegsmanagement, medikamentöser The- rapie und Behandlung möglicher kausaler Faktoren nun- mehr auch die standardisierte Postreanimationsbehand- lung. TAKE HOME MESSAGE Die Überlebenskette betont das Zusammenspiel ver- schiedener Personen und deren Handlungen zur Op- timierung der Überlebenschancen bei einem Kreis- laufstillstand. Die Überlebenskette wurde mit Augenmerk auf die Wirk- samkeit eines jeden Kettengliedes zuletzt auf die Über- lebensformel ausgedehnt. Es wurde erkannt, dass das Ziel, Leben zu retten, auf einer effizienten Ausbildung von Laien und Gesundheitspersonal beruht [47, 48] und ressourceneffiziente Systeme zur Verbesserung des Über- lebens nach Kreislaufstillstand erforderlich sind. TIPP Die drei Faktoren der Utstein-Überlebensformel für ein verbessertes Überleben sind: ▪ die Leitlinienqualität (Wissenschaft), ▪ eine effiziente Ausbildung der Helfer (Ausbildung) und ▪ eine gut funktionierende lokale Überlebenskette (lokale Umsetzung). Messung der Leistung von Wiederbelebungssystemen Der vom International Liaison Committee on Resuscita- tion (ILCOR) 2020 veröffentliche International Consensus on Cardiopulmonary Resuscitation Science with Treatment Recommendations, auf dem basierend die ERC-Leitlinien erstellt sind, empfiehlt behandelnden Organisationen und Gemeinschaften, ihre Leistungen zu bewerten und Schlüsselbereiche zur Leistungsverbesserung auszuma- chen. Ziel ist eine Verbesserung des Überlebens nach Re- animation. Merke Es ist weitere Arbeit erforderlich, um bezüglich der Leistung des Rettungssystems die am besten ge- eignete Strategie zur Verbesserung zu finden, den Einfluss lokaler Faktoren zu verstehen und die Kosten-Nutzen Relation jeder Maßnahme zu einer Verbesserung zu ermitteln, da diese Maßnahmen Geld, Personal und Interessengruppen erfordern. Social Media und Smartphone-Apps zur Einbindung der Bevölkerung Ersthelfer sollen von der Leitstelle über ein Smartphone o. Ä. über einen in der Nähe aufgetretenen Kreislaufstill- stand informiert werden. Durch eine Erhöhung der AED- Dichte und der per SMS oder App benachrichtigten Erst- helfer wird die Zeit bis zur ersten Defibrillation verkürzt. Durch einen früheren Beginn der Reanimation und durch frühere Defibrillation wird das Überleben verbessert. Es werden, basierend auf einer Studie mit Alarmierung per SMS, zwei AED/km2 sowie mindestens 10 Ersthelfer/km2 für eine möglichst frühe Defibrillation empfohlen. Es sei hier jedoch auf die stetige Software-Weiterentwicklung und neue App-basierte intelligente Alarmierungsalgo- rithmen hingewiesen. Ersthelfer in Europa sind zumeist Feuerwehrleute, Polizis- ten, außerdienstliches Gesundheitspersonal und Taxifah- rer. Mehr als die Hälfte der europäischen Länder verfügt über ein System in einer Region zur Alarmierung von Erst- helfern, jedoch gibt es eine große Variabilität in Europa, sodass es als angebracht gilt, einen einheitlichen Stan- dard zu entwickeln. 30 Schiewe R et al. Leitlinien des European … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 21–47 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung ▶ Abb. 3 Gesetzliche Vorgaben für Wiederbelebungsausbildung in Europa (Quelle: Semeraro F, Greif R, Böttiger BW et al. Lebens- rettende Systeme. Notfall + Rettungsmedizin 2021; 24: 367–385. doi:10.1007/s10049-021-00889-7. © German Resuscitation Council und Austrian Resuscitation Council 2021). [rerif] 32 Schiewe R et al. Leitlinien des European … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 21–47 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung ▶ Abb. 4 Schlüsselkomponenten der Utstein-Überlebensformel und deren Inhalte mit dem Ziel, das Überleben der Patienten zu verbessern (Quelle: Greif R, Lockey A, Breckwoldt J et al. Lehre in der Reanimation. Notfall Rettungsmed 2021; 24: 750–772. doi:10.1007/s10049-021-00890-0. © German Resuscitation Council und Austrian Resuscitation Council 2021). [rerif] ▶ Tab. 1 Lerntheorien [63]. Lerntheorie Vertreter wesentliche Aussagen Behaviorismus Pawlow, Skinner Kognitivismus Piaget, Bloom Konstruktivismus Bruner, Kolb Durch gezielte Stimuli von außen wird das Verhalten eines Individuums geändert. Wiederholte Anwendung eines Stimulus verstärkt das Verhalten positiv oder negativ. Mentaler Zustand und kognitive Fähigkeiten des Individuums werden nicht berücksichtigt. Mentale Aktivitäten beim Lernen und interne Verarbeitung im Hirn sind von zentralem Interesse. Neues Wissen wird mit vorhandenem verknüpft. → „Cognitive Load Theory“ [2]: Unterricht muss so gestaltet sein, dass es nicht zur kognitiven Überlastung kommt. Die Bedeutung neuer Inhalte und Kompetenzen wird über die Reflexion der bisherigen individuellen Erfahrungen konstruiert. → Lernende sind aktive Teilnehmende ihres Lernens. Beispiel: Problemorientiertes Lernen (POL). Humanismus Rogers, Maslow Lernen ist ein persönlicher Akt, um sich selbst zu verwirklichen. Beachtung individueller Bedürfnisse, Emotionen und der Würde der Lernenden ist zentral. Konnektivismus Siemens Individuen lernen nicht allein, sondern in der Gemeinschaft mit anderen. Interne Wissensverarbeitung tritt hinter den Zugriff auf Wissen über vernetzte Personen und Technologien zurück. 34 Schiewe R et al. Leitlinien des European … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 21–47 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung ▶ Abb. 6 Theoretische Ansätze zur Lehre in der Reanimation (Quelle: Greif R, Lockey A, Breckwoldt J et al. Lehre in der Reanimation. Notfall Rettungsmed 2021; 24: 750–772. doi:10.1007/s10049-021-00890-0. © German Resuscitation Council und Austrian Re- suscitation Council 2021). [rerif] Respondern soll gesteigert und die Überlebenskette durch den Start von BLS gestärkt werden. Die Verwen- dung von Feedbackgeräten, welche Qualitätsparameter wie z. B. die Thoraxkompressionsrate und ‑tiefe anzeigen, ist empfohlen. „Spaced Learning“ soll auch bei Schulung von Laien Anwendung finden. Angehörige von Gesundheitsberufen Medizinisches Personal soll in hochqualifizierter Reanima- tionsbehandlung unterrichtet werden. Je nach den Ar- beitsplatzanforderungen ist das obligatorische Training auf bestimmte Kompetenzen (z. B. COVID-19-Patienten oder Neugeborenenreanimation) anzupassen. Akkreditierte ALS-Kurse mit Team- und Leadership-Trai- ning werden empfohlen. Die Teilnahme an solchen Kur- sen verbessert das Outcome von Patienten. Merkhilfen (Checklisten und Algorithmen) sowie Feedbackgeräte sollen während des Trainings verwendet werden, und leistungsorientierte Nachbesprechungen sollen erfolgen [22]. Disponenten Schulungsprogramme für Disponenten sollen folgende Aufgaben abdecken: ▪ den Kreislaufstillstand am Telefon erkennen ▪ Verbesserung der Reanimationsbereitschaft der Hel- fenden und Information über Sicherheitsmaßnahmen ▪ Anweisungen zur Durchführung von Thoraxkompres- sionen ▪ Retter auf einen AED aufmerksam machen sowie ▪ die Anleitung zur AED-Anwendung ▪ Hilfe für den Rettungsdienst, um den Einsatzort zu fin- den Da die Qualität des Lehrpersonals großen Einfluss auf das Lernen hat, ist auch die Auswahl und Ausbildung geeig- neter Instruktoren sowie die Aufrechterhaltung und Ak- tualisierung der Unterrichtsqualität wichtig. Geeignete 36 Schiewe R et al. Leitlinien des European … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 21–47 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung TIPP Als Lehrkräfte sollten Personen ausgewählt werden, die eine unterstützende Einstellung, intrinsische Mo- tivation, angemessene Kommunikationsfähigkeiten und Begeisterung für die zu unterrichtenden Inhalte zeigen. Lehrkräfte sollen sich darüber bewusst sein, dass sie Vorbilder sind und Veränderungsprozesse begleiten. Sie müssen ein Verständnis für affektives Lernen haben und die Bedeutung des Unterrichts- erfolges für die Lernenden und für das Patienten- Outcome kennen [62]. Auch Kommunikationstraining soll Bestandteil von BLS- Kursen sein, um nicht zuletzt auch die Kommunikation mit Disponenten der Leitstelle und den Rettungskräften zu optimieren. Kursteilnehmende sollen motiviert wer- den, an Erste-Hilfe-Projekten auf Gemeindeebene teil- zunehmen. Lernziele ALS Auf die Basis der BLS-Kurse angepasst, sind Lernziele der erweiterten lebensrettenden Maßnahmen (ALS): ▪ Atemwegsmanagement, ▪ manuelle Defibrillation, ▪ Gefäßzugänge, ▪ ein strukturierter Therapieansatz für kritisch kranke Instruktoren sollen Kompetenzen zur Entwicklung von Human Factors erhalten. Zudem soll der Instruktorunter- richt die Verwendung von Feedbacksystemen und die Durchführung von Debriefings beinhalten. Patienten, ▪ Management von Reanimationssituationen sowie ▪ Therapie von Arrhythmien und ▪ Postreanimationsbehandlung. Da Instruktoren für BLS-Kurse häufig nicht medizinisch tätig sind, müssen sie, neben einer perfekten Beherr- schung der BLS-Maßnahmen, aufgrund möglicher inhalt- licher Defizite nationale oder internationale Checklisten als Grundlage für die Beurteilung verwenden. Nach Ausbildung der Instruktoren ist deren kontinuierli- che Erhaltung der Lehrkompetenz essenziell. Hierfür ist z. B. Peer Coaching (häufig in ALS-Kursen) eine sinnvolle Methode, bei der eine professionelle Lerngemeinschaft gebildet wird, die sich wechselseitig berät und unter- stützt. Hierdurch wird das gegenseitige Lernen gefördert, und Communities of Practice werden gestärkt. Für die organisatorische Unterstützung von Communities of Practice kann die ERC-Lernplattform CoSy dienen. Es soll vermieden werden, dass Einzelpersonen „ihr eigenes Ding machen“. Merke Peer-to-Peer-Learning, in den letzten Jahren be- schrieben und auch Paragogik genannt, bezeichnet das Lernen von und mit Kollegen. Es ist ein erfolg- reicher Lehransatz für BLS sowie ALS und wird in Reanimationskursen angewandt. Unterricht von qualitativ hochwertigen Reanimationsmaßnahmen Lernziele BLS Jedem Helfenden soll der BLS-Unterricht die effektive Durchführung von Thoraxkompressionen und die sichere Verwendung eines AED vermitteln. In BLS-Kursen wird traditionell Mund-zu-Mund/Nase und Maskenbeatmung unterrichtet. Insbesondere Ersthelfern und Angehörigen von Gesundheitsberufen sollte die Technik Maskenbeat- mung vermittelt werden, vor allem in Zeiten einer Pande- mie. Maßnahmen zur Minimierung des Infektionsrisikos sollen gelehrt werden. Die modular aufgebauten ERC‑ALS-Kurse gehen, an das Kompetenzniveau angepasst, auf die Bedürfnisse der Kursteilnehmer ein. Hierbei wird ein Team- und Leader- ship-Training integriert und die Bedeutung von Human Factors, also menschlichen Faktoren wie z. B. ▪ Kommunikation, ▪ Teamzusammenarbeit, ▪ Situationsbewusstsein, ▪ Aufgabenmanagement und ▪ Entscheidungsfindung während der Reanimation vermittelt [22, 64, 65]. Merke Human Factors sind essenziell für eine qualitativ hochwertige Reanimation, und die vermehrte Auf- merksamkeit für diese nicht technischen Fähigkeiten kann medizinische Fehler reduzieren und die Patien- tensicherheit erhöhen. Durch das Konzept des „spaced Learning“ wird die Reani- mationsfertigkeit verbessert. Die vom ERC entwickelte Strategie des Life Long Learning soll die erlernte Reani- mationskompetenz erhalten (▶ Abb. 8). ALS-Kurse sollen durch speziell geschulte Instruktoren geleitet werden, da hierdurch das Outcome der Patienten verbessert wird [22, 66]. Art des Unterrichts, Technologieunterstützung und Simulation Theoretische Fähigkeiten können, neben dem Lesen klas- sischer Unterlagen, auch durch E-Learning-Inhalte oder Webinare erworben werden. Das Konzept des Blended Learning, bei dem Online-Unterricht mit „klassischem“ Unterricht wie Praxisübungen vernetzt wird, hat sich im Reanimationsunterricht bereits etabliert [67]. Hier gibt es eine große Bandbreite an Unterrichtsmöglichkeiten und ‑kombinationen, bei denen die unterschiedlichsten 38 Schiewe R et al. Leitlinien des European … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 21–47 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung PR A XIS Merkmale des Debriefings ▪ Moderator (ggf. Debriefing-geschult) und Teilnehmer ▪ Format (individuelles Feedback, Teamleistung) ▪ Inhalt (objektive Leistungsbeurteilung, Human Factors, emotionale Aspekte) ▪ Zeitpunkt (Hot Debriefing versus Cold Debriefing) ▪ Dauer wird als Bestandteil des „Standard of Care“ nach jeder Re- animation, ob IHCA oder OHCA, empfohlen. Die Entwicklung der Reanimationskompetenz ▶ Abb. 9 zusammen. fasst Auswirkung von Reanimationsunterricht auf das Patienten-Outcome In diversen Studien und Übersichtsarbeiten wurde unter- sucht, ob die vorherige Teilnahme an speziellen Kursen das Patienten-Outcome beeinflusst. Nicht für alle Kurse gibt es genügend Evidenz für eine Reduktion der Letali- tät, auch wenn keine Daten schädliche Effekte zeigen. Daher kann nach aktueller Datenlage die Durchführung von akkreditierten ALS-Kursen für Erwachsene sowie Neonatal Life Support Training für Angehörige von Ge- sundheitsberufen empfohlen werden [22]. Für andere ähnlich akkreditierte Kursformate (z. B. PALS und ATLS) gilt es als vernünftig, diese für Angehörige von Gesundheitsberufen zu empfehlen. Hier ist weitere Forschung über die Kursauswirkungen auf das Patienten- Outcome notwendig. ▶ Abb. 9 Entwicklung Reanimationskompetenz (Quelle: Greif R, Lockey A, Breckwoldt J et al. Lehre in der Reanimation. Notfall Rettungsmed 2021; 24: 750–772. doi:10.1007/s10049-021-00890-0. © German Resuscitation Council und Austrian Resuscitation Council 2021). [rerif] 40 Schiewe R et al. Leitlinien des European … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 21–47 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Jens Scholz Prof. Dr. med., Jg. 1959, 1996 C3-Professur für Anästhesiologie der Universität Hamburg. Seit 2000 Leitung der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin der Universität Kiel, seit 2009 Vorstandsvorsitzender des Univer- sitätsklinikums Schleswig-Holstein. 2002–2012 [5] tation Council. Circulation 1991; 84: 960–975. doi:10.1161/ 01.cir.84.2.960 Perkins GD, Jacobs IG, Nadkarni VM et al. Cardiac arrest and cardiopulmonary resuscitation outcome reports: update of the utstein resuscitation registry templates for out-of-hospital cardiac arrest: a statement for healthcare professionals from a Task Force of the International Liaison Committee on Resusci- tation (American Heart Association, European Resuscitation Council, Australian and New Zealand Council on Resuscitation, Heart and Stroke Foundation of Canada, InterAmerican Heart Foundation, Resuscitation Council of Southern Africa, Resusci- tation Council of Asia); and the American Heart Association Emergency Cardiovascular Care Committee and the Council on Cardiopulmonary, Critical Care, Perioperative and Resusci- tation. Resuscitation 2015; 96: 328–340. doi:10.1016/j.resus- citation.2014.11.002 DGAI-Vorstandsmitglied, seit 2006 Mitglied der Leopoldina (Nationale Akademie der Wissenschaften), außerdem Exe- cutive MBA, Universität St. Gallen. Berthold Bein Prof. Dr. med., DEAA, M. A., Studium der Humanmedizin an der Ludwig-Maximilians- Universität in München. Facharztausbildung am Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg. 2000–2014 Oberarzt in der Klinik für Anästhe- siologie und Operative Intensivmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, seit 2009 stellvertretender Klinikdirektor. Seit 2014 leitet er die Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie der Asklepios Klinik St. Georg, Ham- burg, seit 2021 zudem stv. ärztlicher Direktor der Asklepios Klinik St. Georg. Schwerpunkte hämodynamisches Monito- ring, Kardioprotektion, Patient-Blood-Management. Korrespondenzadresse Dr. med. Robert Schiewe Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie ASKLEPIOS Klinik St. Georg Lohmühlenstraße 5 20099 Hamburg Deutschland r.schiewe@asklepios.com Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungs- bestimmungen für diesen Beitrag ist Dr. med. Robert Schiewe, Hamburg. Literatur [1] Andersen LW, Holmberg MJ, Berg KM et al. In-Hospital Cardiac Arrest: A Review. JAMA 2019; 321: 1200–1210. doi:10.1001/ jama.2019.1696 [2] Gräsner J-T, Wnent J, Herlitz J et al. Survival after out-of-hospi- tal cardiac arrest in Europe – Results of the EuReCa TWO study. Resuscitation 2020; 148: 218–226. doi:10.1016/j.re- suscitation.2019.12.042 [3] Kiguchi T, Okubo M, Nishiyama C et al. Out-of-hospital cardiac arrest across the World: First report from the International Li- aison Committee on Resuscitation (ILCOR). Resuscitation 2020; 152: 39–49. doi:10.1016/j.resuscitation.2020.02.044 [4] Cummins RO, Chamberlain DA, Abramson NS et al. Recom- mended guidelines for uniform reporting of data from out-of- hospital cardiac arrest: the Utstein Style. A statement for health professionals from a task force of the American Heart Association, the European Resuscitation Council, the Heart and Stroke Foundation of Canada, and the Australian Resusci- [6] Gräsner J-T, Herlitz J, Tjelmeland IBM et al. Epidemiologie des Kreislaufstillstands in Europa. Notfall + Rettungsmedizin 2021; 24: 346–366. doi:10.1007/s10049-021-00884-y [7] Gräsner J-T, Lefering R, Koster RW et al. EuReCa ONE‑27 Na- tions, ONE Europe, ONE Registry: A prospective one month analysis of out-of-hospital cardiac arrest outcomes in 27 coun- tries in Europe. Resuscitation 2016; 105: 188–195. doi:10.1016/j.resuscitation.2016.06.004 [8] Tjelmeland IBM, Alm-Kruse K, Andersson L‑J et al. Cardiac ar- rest as a reportable condition: a cohort study of the first 6 years of the Norwegian out-of-hospital cardiac arrest registry. BMJ Open 2020; 10: e038133. doi:10.1136/bmjopen-2020- 038133 [9] Nikolaou N, Castrén M, Monsieurs KG et al. Time delays to reach dispatch centres in different regions in Europe. Are we losing the window of opportunity? – The EUROCALL study. Re- suscitation doi:10.1016/j.resuscita- tion.2016.10.026 8–13. 2017; 111: [10] Ageron F-X, Debaty G, Gayet-Ageron A et al. Impact of an emergency medical dispatch system on survival from out-of- hospital cardiac arrest: a population-based study. Scand J Trauma Resusc Emerg Med 2016; 24: 53-53. doi:10.1186/ s13049-016-0247-y [11] Considine J, Gazmuri RJ, Perkins GD et al. Chest compression components (rate, depth, chest wall recoil and leaning): A scoping 188–202. doi:10.1016/j.resuscitation.2019.08.042 Resuscitation review. 2020; 146: [12] Cummins RO, Ornato JP, Thies WH et al. Improving survival from sudden cardiac arrest: the “chain of survival” concept. A statement for health professionals from the Advanced Cardiac Life Support Subcommittee and the Emergency Cardiac Care Committee, American Heart Association. Circulation 1991; 83: 1832–1847. doi:10.1161/01.cir.83.5.1832 [13] Hasselqvist-Ax I, Riva G, Herlitz J et al. Early cardiopulmonary resuscitation in out-of-hospital cardiac arrest. N Engl J Med 2015; 372: 2307–2315. doi:10.1056/NEJMoa1405796 [14] Christensen DM, Rajan S, Kragholm K et al. Bystander cardio- pulmonary resuscitation and survival in patients with out-of- hospital cardiac arrest of non-cardiac origin. Resuscitation 2019; 140: 98–105. doi:10.1016/j.resuscitation.2019.05.014 [15] Böttiger BW, Lockey A, Aickin R et al. “All citizens of the world can save a life” – The World Restart a Heart (WRAH) initiative starts 188–190. doi:10.1016/j.resuscitation.2018.04.015 2018. Resuscitation 2018; 128: in [16] Claesson A, Fredman D, Svensson L et al. Unmanned aerial ve- hicles Scand J Trauma Resusc Emerg Med 2016; 24: 124. doi:10.1186/ s13049-016-0313-5 in out-of-hospital-cardiac-arrest. (drones) 42 Schiewe R et al. Leitlinien des European … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 21–47 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung [49] Böttiger BW, Lockey A, Aickin R et al. Over 675,000 lay people trained in cardiopulmonary resuscitation worldwide – The “World Restart a Heart (WRAH)” initiative 2018. Resuscitation 2019; 138: 15–17. doi:10.1016/j.resuscitation.2019.02.033 [59] Takahashi H, Sagisaka R, Natsume Y et al. Does dispatcher-as- sisted CPR generate the same outcomes as spontaneously de- livered bystander CPR in Japan? Am J Emerg Med 2018; 36: 384–391. doi:10.1016/j.ajem.2017.08.034 [50] Böttiger BW, Lockey A, Aickin R et al. Up to 206 million people reached and over 5.4 million trained in cardiopulmonary re- suscitation worldwide: the 2019 International Liaison Commit- tee on Resuscitation World Restart a Heart Initiative. J Am Heart doi:10.1161/JA- Assoc HA.120.017230 e017230. 2020; 9: [51] Cave DM, Aufderheide TP, Beeson J et al. Importance and im- plementation of training in cardiopulmonary resuscitation and automated external defibrillation in schools. Circulation 2011; 123: 691–706. doi:10.1161/cir.0b013e31820b5328 [52] Baldi E, Savastano S, Contri E et al. Mandatory cardiopulmo- nary resuscitation competencies for undergraduate health- care students in Europe. Eur J Anaesthesiol 2020; 37: 839– 841. doi:10.1097/eja.0000000000001272 [53] De Buck E, Van Remoortel H, Dieltjens T et al. Evidence-based educational pathway for the integration of first aid training in school curricula. Resuscitation 2015; 94: 8–22. doi:10.1016/j. resuscitation.2015.06.008 [54] Soar J, Maconochie I, Wyckoff MH et al. 2019 International consensus on cardiopulmonary resuscitation and emergency cardiovascular care science with treatment recommendations. Resuscitation 2019; 145: 95–150. doi:10.1016/j.resuscita- tion.2019.10.016 [55] Besnier E, Damm C, Jardel B et al. Dispatcher-assisted cardio- pulmonary resuscitation protocol improves diagnosis and re- suscitation recommendations for out-of-hospital cardiac ar- rest. Emerg Med Australas 2015; 27: 590–596. doi:10.1111/ 1742-6723.12493 [56] Song KJ, Shin SD, Park CB et al. Dispatcher-assisted bystander cardiopulmonary resuscitation in a metropolitan city: A be- fore-after population-based study. Resuscitation 2014; 85: 34–41. doi:10.1016/j.resuscitation.2013.06.004 [57] Harjanto S, Na MXB, Hao Y et al. A before-after interventional trial of dispatcher-assisted cardio-pulmonary resuscitation for out-of-hospital cardiac arrests in Singapore. Resuscitation 2016; 102: 85–93. doi:10.1016/j.resuscitation.2016.02.014 [58] Goto Y, Maeda T, Goto Y. Impact of dispatcher-assisted by- stander cardiopulmonary resuscitation on neurological out- comes in children with out-of-hospital cardiac arrests: a pro- spective, nationwide, population-based cohort study. J Am Heart Assoc 2014; 3: e000499-e000499. doi:10.1161/JA- HA.113.000499 [60] Hiltunen PVC, Silfvast TO, Jäntti TH et al. Emergency dispatch process and patient outcome in bystander-witnessed out-of- hospital cardiac arrest with a shockable rhythm. Eur J Emerg Med 2015; 22: 266–272. doi:10.1097/MEJ.0000000000000151 [61] Olasveengen TM, de Caen AR, Mancini ME et al. 2017 Interna- tional consensus on cardiopulmonary resuscitation and emer- gency cardiovascular care science with treatment recommen- dations summary. Resuscitation 2017; 121: 201–214. doi:10.1016/j.resuscitation.2017.10.021 [62] Greif R, Lockey A, Breckwoldt J et al. European Resuscitation Council Guidelines 2021: Education for resuscitation. Resusci- tation 2021; 161: 388–407. doi:10.1016/j.resuscitation.2021. 02.016 [63] Hattie J. Visible Learning: A Synthesis of over 800 Meta-analy- ses relating to Achievement. New York: Routledge; 2009 [64] Hunziker S, Bühlmann C, Tschan F et al. Brief eadership in- structions improve cardiopulmonary resuscitation in a high-fi- delity simulation: A randomized controlled trial*. Crit Care Med 2010; 38: 1086–1091. doi:10.1097/ccm.0b013e3181cf7 383 [65] Norris EM, Lockey AS. Human factors in resuscitation teaching. Resuscitation 2012; 83: 423–427. doi:10.1016/j.resuscitati- on.2011.11.001 [66] Lockey A, Lin Y, Cheng A. Impact of adult advanced cardiac life support course participation on patient outcomes – A system- atic review and meta-analysis. Resuscitation 2018; 129: 48– 54. doi:10.1016/j.resuscitation.2018.05.034 [67] Lehmann R, Thiessen C, Frick B et al. Improving pediatric basic life support performance through blended learning with web- based virtual patients: randomized controlled trial. J Med In- ternet Res 2015; 17: e162. doi:10.2196/jmir.4141 Bibliografie Notfallmedizin up2date 2022; 17: 21–47 DOI 10.1055/a-1645-8677 ISSN 1611-6550 © 2022. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany 44 Schiewe R et al. Leitlinien des European … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 21–47 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Punkte sammeln auf CME.thieme.de Fortsetzung … Frage 5 Frage 7 Welche Aussage trifft zu? A Spezifische Rehabilitationsmaßnahmen für Überlebende nach einem Kreislaufstillstand sind weit verbreitet. B Bei gutem neurologischem Outcome bei Entlassung aus dem Krankenhaus ist eine weitere Rehabilitationsbehandlung nicht erforderlich. C Die individuelle Lebensqualität kann trotz für gut befunde- nem neurologischem Outcome deutlich eingeschränkt sein. D Eine strukturierte Nachsorge mit Screening auf emotionale und kognitive Probleme wird erst in den aktuellen ERC-Leit- linien 2021 zur Postreanimationsbehandlung empfohlen. E Die Überlebenskette beinhaltet die drei Faktoren Leitlini- enqualität, Ausbildung und Rehabilitationsmaßnahmen. Frage 6 Welche Aussage trifft nicht zu? A In der Erklärung „Kids save Lives“ wird empfohlen, weltweit alle Schulkinder ab dem 12. Lebensjahr jährlich in Reanima- tion zu schulen. B Bereits im Kindergartenalter scheinen Kinder in der Lage zu sein, erfolgreich einen Kreislaufstillstand zu erkennen und Hilfe zu rufen. C Eine Reanimationsschulung an Schulen ist in Europa bislang in nur 6 Ländern verpflichtend vorgeschrieben. D Bei der Telefonreanimation sollen Disponenten Anweisungen zu Thoraxkompressionen und Beatmung im Verhältnis 30 : 2 geben. E Disponenten von Leitstellen sollen Wiederbelebungsanwei- sungen im Sinne einer Telefonreanimation geben können. Welche Aussage trifft zu? A Schlüsselkomponenten der Utstein-Überlebensformel sind die Leitlinienqualität (Wissenschaft), eine effiziente Ausbil- dung der Helfer und die lokale Implementierung mit einer gut funktionierenden lokalen Überlebenskette. B Jeder Bürger soll in der Lage sein, ein Leben zu retten und folglich in den erweiterten lebensrettenden Maßnahmen ge- schult werden. C Ein Reanimationstraining sollte idealerweise an einem Zeit- punkt ohne Unterbrechung stattfinden („massed Learning“). D Die Verwendung von Feedbackgeräten ist bei der Reanima- tionsschulung der allgemeinen Bevölkerung nicht erforder- lich. E Feedbackgeräte dienen dazu, dass die Teilnehmer eines Re- animationstrainings am Kursende ein Feedback geben, damit Kurse stetig verbessert werden können. Frage 8 Was bedeutet der Begriff „spaced Learning“? A Die konzentrierte Vermittlung aller Inhalte innerhalb eines Zeitraums. B Das schnelle und zyklische Üben von Fertigkeiten. C Die Verteilung von mehreren Unterrichtseinheiten mit häufi- gen Wiederholungen über einen längeren Zeitraum hinweg. D Das dezentrale Lernen an verschiedenen Orten über eine Lernplattform. E Das Lernen von neuen und bislang unerprobten Inhalten. Frage 9 Welche Aussage trifft zu? A Während ERC‑ALS-Kursen sollen auch Human Factors, wie z. B. Kommunikation, Teamzusammenarbeit und Entschei- dungsfindung vermittelt werden. B Kommunikationstraining ist nur Bestandteil von ALS-Kursen, nicht aber von BLS-Kursen. C Zu Lernzielen der ALS-Kurse zählt die automatische Defibrilla- tion. D Atemwegsmanagement und Gefäßzugänge sind Bestand- teile von BLS-Kursen. E Die Verwendung eines AED ist nicht Lernbestandteil von BLS- Kursen. ▶ Weitere Fragen auf der folgenden Seite … 46 Schiewe R et al. Leitlinien des European … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 21–47 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Fachwissen präzise auf den Punkt. Anästhesiologie – Radiologie – Innere – Gynäkologie – HNO-Heilkunde – Urologie – Chirurgie – Neurologie – Psychiatrie und Psychotherapie Gut verständlich und klar strukturiert liefert die Referenz Reihe verlässliche Antworten auf alle Fragestellungen zu Krankheitsbildern, Leitsymptomen und Methoden Ihres Fachgebietes. Der Inhalt der Bücher steht Ihnen digital in der Wissensplattform eRef zur Verfügung (Zugangscode im Buch). Jetzt Referenz-Reihe kennenlernen! www.thieme.de/referenzen i . e m e h T y b d e t i d E – m o c . e b o d a . k c o t s / m u m m m m i x a m ©

CME-Fortbildung Unter dieser Rubrik sind bereits erschienen: Psychische Belastungen in der präklinischen Notfallver- sorgung G. Krahl, C. Ackermann, H. Freytag Heft 4/2021 Todesfeststellung und Leichenschau im Rettungsdienst B. Ondruschka, C. Buschmann Heft 2/2019 Massenanfall von Verletzten (MANV) und Infizierten (MANI) S. M. Heinz, R. Hoffmann, U. Schweigkofler Heft 4/2021 Präklinisches Volumenmanagement beim Schwerstverletzten B. Hußmann, P. Jungbluth Heft 2/2019 Ethik in der präklinischen Notfallmedizin F. Rave, L. Bergemann, H. Tüns, A. Rogge Heft 3/2021 Entscheidungsfindung in der Akut- und Notfallmedizin D. Marx, P. Lange Heft 1/2019 Der agitierte und aggressive Patient P. Ohrmann, R. Schepers Heft 1/2021 Auswahl der richtigen Zielklinik – Welcher Patient in welche Klinik? F. Naujoks, P. Faul, P. Hagebusch, U. Schweigkofler Heft 1/2019 Technische Rettung und Kooperation mit der Feuerwehr P. Faul, J. Albert, U. Schweigkofler Heft 1/2021 Atemwegsmanagement im Rettungsdienst M. Michael, J. Tautz, F. Sensen, M. Bernhard Heft 4/2020 Prähospitale Telenotfallmedizin C. Metelmann, N. Renzing, J.-T. Gräsner, L. Dölger, S. K. Beckers, M. Felzen, H. Schröder, D. Overheu, N. Jacobsen, B. Metelmann Heft 4/2020 Aktuelle Forschungsergebnisse für die notfallmedizinische Praxis J. Knapp, S. Seewald Heft 3/2020 Notfall Psyche – Diagnostik und Krisenintervention in der Präklinik W. Jordan Heft 1/2020 Indikationsfremde Anwendung von Medikamenten und Medi- zinprodukten in der Notfallmedizin K. P. Ittner, J. Koppenberg U. Walter Heft 4/2019 Abdominelle Notfallsonografie in der Intensiv- und Akut- medizin M. Schreiber, C.-A. Greim Heft 3/2019 Aktualisierung der ERC-Leitlinien 2018 M. Deppe, D. Deniz Uzun, D. Bläser Heft 3/2019 Arzneimittelinteraktionen, die man kennen muss! N. Voigt, K. Ort, S. Sossalla Heft 2/2019 Mechanische Hilfsmittel zur Reanimation H. Gässler, D. Treffer, A. Weißleder, M. Helm Heft 1/2019 Massenanfall von Verletzten – aus Sicht eines Krankenhauses U. Schweigkofler, S. Martin Heinz, R. Hoffmann Heft 4/2018 Dokumentation und Qualitätsmanagement im Rettungsdienst T. Lohs, J. Wnent, B. Jakisch Heft 4/2018 Reanimation bei traumatisch bedingtem Herz-Kreislauf- Stillstand P.-C. Nolte, M. Münzberg, S. Frankenhauser, J. Horter, B. Gliwitzky, A. Gather Heft 3/2018 App-basierte Systeme im Bereich der medizinischen Notfallversorgung C. Elsner, M. Blaschka, M. Kleehaus Heft 3/2018 Ersteinschätzung in der Zentralen Notaufnahme I. Gräff, P. Glien, B. von Contzen, M. Bernhard Heft 3/2018 Triage beim Massenanfall von Verletzten (MANV) T. Neidel, A. R. Heller Heft 2/2018 Advance Care Planning – „Behandlung im Voraus planen“ in der Notfallmedizin B. Feddersen, S. Petri, G. Marckmann, H. Topka Heft 1/2018 Massenanfall von Verletzten/Erkrankten (MANV) – die frühe Phase der Einsatzbewältigung S. Trümpler, M. Hübner, ALLES ONLINE LESEN IHR ONLINE-SAMMELORDNER JETZT FREISCHALTEN Mit der eRef lesen Sie Ihre Zeitschrift: online wie offline, am PC und mobil, alle bereits erschienenen Artikel. Für Abonnenten kostenlos! https://eref.thieme.de/notfall-u2d Sie möchten jederzeit und überall auf Ihr up2date-Archiv zu- greifen? Kein Problem! Ihren immer aktuellen Online- Sammelordner finden Sie unter: https://eref.thieme.de/1ES9S Sie haben Ihre Zeit- schrift noch nicht freigeschaltet? Ein Klick genügt: www.thieme.de/eref-registrierung

CME-Fortbildung Zur Prävalenz häuslicher Gewalt gegen Männer stehen bisher somit kaum Studien zur Verfügung. Wörmann et al. fanden in einer retrospektiven Auswertung der Fälle der rechtsmedizinischen Untersuchungsstelle in Ham- burg insgesamt 167 männliche Opfer (6,2%) häuslicher Gewalt bei einem Gesamtkollektiv von 2714 Gewalt- opfern in einem 11-jährigen Untersuchungszeitraum [3]. In einer weiteren aktuellen retrospektiven Analyse der Fälle der rechtsmedizinischen Untersuchungsstelle des Institutes für Rechtsmedizin Rostock stellten sich in einem Gesamtzeitraum von 6 Jahren insgesamt 16 Män- ner nach häuslicher Gewalt bei insgesamt 455 untersuch- ten Erwachsenen vor, was einem prozentualen Anteil von rund 3,5 entspricht [4]. Weitaus häufiger werden Männer als Tatverdächtige ge- führt. Hinsichtlich der versuchten und vollendeten Part- nerschaftsdelikte waren gemäß Bundeskriminalamt 79,4% der Tatverdächtigen männlichen und nur 20,6% weiblichen Geschlechts. Bei 39,0% der registrierten Tat- verdächtigen soll es sich um den „ehemaligen Partner“, bei 34,6% um den „Ehepartner“ und bei 29,7 % um den „Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft“ ge- handelt haben [5]. Die durch das Bundeskriminalamt er- hobenen Daten repräsentieren allerdings nur das soge- nannte Hellfeld, also die amtlich registrierten Daten. Es ist davon auszugehen, dass ein größeres Dunkelfeld exis- tiert. Entwicklung unter Corona Seit Beginn der Coronavirus-Pandemie im Februar 2020 wird über die mögliche Zunahme von häuslichen Gewalt- delikten aufgrund der damit verbundenen Einschränkun- gen, insbesondere der Ausgangsbeschränkungen, dis- kutiert. Bereits zu Beginn der Pandemie und der damit begründe- ten weitreichenden Lockdown-Maßnahmen wurde im März 2020 durch die Europarats-Generalsekretärin Marija Pejčinović Burić in einem Interview mit der Deutschen Presseagentur vor einer Zunahme der häuslichen Gewalt infolge der Lockdown-bedingten Ausgangsbeschränkun- gen gewarnt [6]. Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Frauenberatungsstellen in Deutschland fürchteten eine solche Gewaltzunahme im häuslichen Umfeld [7]. Einerseits ließ sich international eine Zunahme von Mel- dungen häuslicher Gewalt beobachten. So wurde bei US- amerikanischen Polizeidienststellen in Portland ein An- stieg der Telefonanrufe von 22% beobachtet, welche im Zusammenhang mit dem Beginn der öffentlichen Schul- schließungen im März 2020 standen [8]. Eine Unter- suchung indischer Wissenschaftler konnte im Zeitraum der ersten Pandemiewelle im April 2020 eine sprunghafte Zunahme von Meldungen zu häuslicher Gewalt in den großen drei indischen Tageszeitungen The Hindu, Daik Jagran und Times of India gegenüber dem Vor- und Folge- monat verzeichnen (66 Meldungen insgesamt im April 2020, 17 Meldungen März 2020, 43 Meldungen im Mai 2020), während die Zahl der Meldungen in allen drei Ta- geszeitungen im April 2019 jeweils weniger als 5 betrug [9]. Interessanterweise wurde in Großbritannien ein An- stieg von 35% von Telefonanrufen bei der Organisation „The Mankind Initiative“ registriert, welche männliche Opfer häuslicher Gewalt vertritt [10]. Andererseits zeigte eine italienische Untersuchung mit Beginn der Pandemie einen Rückgang der Zahl von Frau- en, welche persönlich oder fernmündlich nach häuslicher Gewalt Hilfe suchten. So wurden im Zeitraum vom 24.02.2020 bis zum 21.04.2020 insgesamt 34 Frauen nach persönlicher Anfrage unterstützt, während es im Vorjahr 2019 im gleichen Zeitraum noch 69 Frauen gewe- sen waren. Gleichzeitig waren von der Staatsanwaltschaft Milan 178 Strafverfahren in Fällen häuslicher Gewalt ge- führt worden, bei im Vergleich 364 Strafverfahren bei in- terpersoneller Gewalt im Vorjahr im gleichen Zeitraum [11]. Auch eine australische Studie stellte bei Einweisun- gen wegen sexualisierter und häuslicher Gewalt in die Rettungsstelle des Ottawa-Krankenhauses einen Rück- gang von 55,84% zwischen 2018 und 2020 fest (2018: 77, 2020: 34) [12]. In Deutschland finden sich bundesweit bisher kaum aktu- elle Studien, die einen konkreten Überblick über die Ent- wicklung der häuslichen Gewalt in der Pandemie geben. Nach Recherchen der Welt am Sonntag bei den Innen- ministerien und den Landeskriminalämtern soll es im Jahr 2020 zu einem Anstieg von durchschnittlich 6% bei den polizeilich erfassten Fällen häuslicher Gewalt gekommen sein (insgesamt 158 477 Fälle) [13]. Brandenburg ver- zeichnete mit 23,5% (5073 Fällen) hier den größten Zu- wachs. Das Saarland sowie Sachsen meldeten als einzige Bundesländer einen Rückgang. In einer repräsentativen Onlinebefragung der Tech- nischen Universität München zu Prävalenz und Risikofak- toren der Gewalt gegen Frauen und Kinder während der Coronavirus-Pandemie mit insgesamt 3818 Teilnehme- rinnen zwischen 18 und 65 Jahren berichteten 3,1% der Frauen über eine körperliche Auseinandersetzung mit dem (Ehe-)Partner innerhalb des letzten Monats. In 6,5% der Fälle kam es zur körperlichen Gewalt gegen ein Kind im Haushalt. Als Risikofaktoren konnten eine Heimqua- rantäne, akute finanzielle Sorgen, Ängste und/oder De- pressionen eines Partners oder Leben in einem Haushalt mit Kindern unter 10 Jahren identifiziert werden [14]. In den Medien wurden zudem immer wieder Berichte von Hilfsorganisationen (z. B. telefonische Beratungsstellen für Opfer von Gewalt, Frauenhäuser) veröffentlicht, die eine erhöhte Inanspruchnahme während des Pandemie- 52 Brackrock D et al. Häusliche Gewalt in … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 49–66 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

1. Welle zeitlicher Verlauf 1.2.2019 – 31.1.2020 1.2.2020 – 31.1.2021 2. Welle CME-Fortbildung n e l h a z s g n u h c u s r e t n U 8 7 6 5 4 3 2 1 0 Februar März April Mai Juli August September Oktober November Dezember Januar ▶ Abb. 1 Verteilung der niederschwelligen Untersuchungen im Jahr vor der Pandemie und im Pandemiejahr mit Bezug auf die 1. und 2. Pande- miewelle in 2020/21. niederschwellig (zunächst anzeigenunabhängig) 54 Er- wachsene als Betroffene häuslicher Gewalt untersucht. Davon 21 Betroffene im VPJ und 33 im PJ, woraus sich ein Zuwachs von 57% an Untersuchungen im PJ ergibt. Bereits hier ist kritisch anzumerken, dass es sich um klei- ne Fallzahlen handelt, an denen jedoch bereits Tenden- zen erkennbar sind, die im Folgenden weiter dargestellt werden. Im PJ erfolgten vermehrt privat organisierte Vorstellun- gen der Betroffenen in den Ambulanzen. Betroffene, die nach Zuweisung von Notaufnahmen oder Ärzten in den rechtsmedizinischen Ambulanzen vorstellig wurden, fan- den sich insbesondere in der ersten und zweiten Pande- miewelle (▶ Abb. 2), was darauf hindeuten könnte, dass es hier generell zu vermehrten ärztlichen Konsultationen durch die Betroffenen gekommen ist. Während der ersten Pandemiewelle im März und April 2020 konnte kein erhöhtes Untersuchungsaufkommen festgestellt werden, jedoch zeigte sich während der zwei- ten Pandemiewelle zwischen Oktober und Januar 2021 ein Anstieg der Zahlen (▶ Abb. 1). Am häufigsten von Gewalt betroffen waren Frauen (95,2% VPJ, 90,9% PJ). Sämtliche betroffene Personen be- schrieben eine einfache stumpfe Gewalteinwirkung, hier- bei wurden u. a. Festhalten, Schubsen, Schläge mit der flachen Hand/Faust oder Bisse genannt. Eine schwere stumpfe Einwirkung mittels eines Gegenstands war in rund 9% der Fälle zu verzeichnen (9,5% VPJ, 9,1% PJ). Auf- fällig war, dass im PJ mehr Betroffene neben einer ein- fachen stumpfen Gewalteinwirkung eine Kombination aus einfacher stumpfer Gewalt und Gewalt gegen den Hals (vorwiegend ein- oder beidhändiges Würgen) schil- derten (23,8% VPJ vs. 39,4% PJ). Außerdem stellten sich vergleichsweise mehr Betroffene im Pandemiejahr we- gen eines sexuellen Übergriffs vor (VPJ 4,8%, PJ 6,1%). Notaufnahmen/Kliniken als Anlaufstellen für Betroffene von Gewalt Merke Neben Beratungsstellen für Gewaltopfer, Frauen- häusern und Hilfsorganisationen wie dem Weißen Ring stellen Kliniken, insbesondere deren Notauf- nahmen, und ärztliche Praxen wichtige Anlaufstellen für Betroffene von Gewalt dar. In der repräsentativen Untersuchung zur Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen des Bundesminis- teriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2004, bei der deutschlandweit 10 000 Frauen befragt wurden, konnte gezeigt werden, dass Ärztinnen und Ärzten eine zentrale Rolle bei der Unterstützung von Frauen zu- kommt [16]. Sie gelten als die entscheidenden Ansprech- personen für gewaltbetroffene Frauen. Polizeiliche Maß- nahmen wurden hingegen als höherschwellige Maßnah- men empfunden. 54 Brackrock D et al. Häusliche Gewalt in … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 49–66 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung gebot zur Dokumentation bzw. die Vermittlung von Hilfe nach sich ziehen sollten. objektivierbarer Befunde für eine rechtssichere Doku- mentation deutlich erschwert bis nicht mehr möglich. TIPP Anamnestisch spielen Diskrepanzen zwischen der Verletzung und dem geschilderten Entstehungs- mechanismus eine entscheidende Rolle. Bei der kör- perlichen Untersuchung sind mehrfache und mehr- zeitige Verletzungsbefunde sowie deren Verteilung maßgeblich. Warum eine rechtssichere Befunderhebung? TAKE HOME MESSAGE Eine adäquate, zeitnahe und gerichtsverwertbare Verletzungsdokumentation und Spurensicherung ist für eine spätere Beweiserhebung von entscheidender Bedeutung. Sie dient der Rekonstruktion des Sach- verhaltes und bildet eine wichtige Grundlage zur Plausibilitätsprüfung. Gleichzeitig untermauert sie die Glaubhaftigkeit und kann – über molekulargene- tische Untersuchungen – zur sicheren Identifizierung eines Täters führen. In Fällen von häuslicher Gewalt erfolgt häufig keine Straf- anzeige. In einer Dunkelfeldstudie aus dem Jahr 2011 wurde festgestellt, dass die Anzeigequote der Betroffe- nen selbst bei 8,8% lag. In 88,3% der untersuchten Fälle wurde auch durch weitere Personen, wie z. B. Freunde oder andere Haushaltsmitglieder, keine Strafanzeige er- stattet, sodass sich diese dem Hellfeld entziehen. In 50,7% der Fälle gaben die Betroffenen an, von der Anzei- ge abzusehen, da der Vorfall nicht als schwerwiegend empfunden wurde. 44,6% der Betroffenen äußerten sich dahingehend, dass es sich um eine Familienangelegen- heit gehandelt habe, und fast jede/-r fünfte Betroffene (19,6%) habe von einer Anzeige abgesehen, da sich der/ die Täter/-in entschuldigt habe [17]. Merke Insofern ist es möglich, dass in manchen Fällen keine Dokumentation der Befunde und damit möglicher Beweise über die Polizei erfolgt und eine ärztliche Verletzungsdokumentation die möglicherweise ein- zige Befunddokumentation darstellt. Erfolgt eine solche ärztliche Vorstellung zeitlich deutlich versetzt zum Vorfallszeitpunkt, so besteht das Problem, dass vorhandene Verletzungen bereits weitgehend abge- heilt sein können. Gerade Hautunterblutungen und Schürfungen unterliegen einem verhältnismäßig zügigen Wundheilungsprozess. In solchen Fällen ist die Erhebung In Pandemiezeiten mag zusätzlich erschwerend hin- zukommen, dass vor dem Hintergrund von pandemie- begründeten Schließungen öffentlicher Einrichtungen, Homeoffice-Pflichten und eventuell auch Ausgangssper- ren seltener Dokumentationsstellen aufgesucht werden konnten. Es ist anzunehmen, dass sich ärztliche Vorstel- lungen in Notaufnahmen oder bei kassenärztlichen Not- diensten außerdem eher auf Fälle beschränkten, bei de- nen behandlungsbedürftige Verletzungen vorlagen. Wei- ters wurde im Zeitraum der Pandemie, insbesondere während der ersten und zweiten Welle, die ärztliche Tä- tigkeit in vielen Kliniken und Notaufnahmen auf die Ver- sorgung von COVID-19-Patienten und Notfälle be- schränkt. Es kann vermutet werden, dass auch dieser Aspekt zu einer verminderten Vorstellung von Gewalt- betroffenen in den medizinischen Einrichtungen geführt haben könnte. Merke Es ist insbesondere in Fällen häuslicher Gewalt wich- tig, dass die Möglichkeit einer rechtssicheren Doku- mentation der Verletzungen an anderer Stelle, wie in den Notaufnahmen oder in den rechtsmedizinischen Ambulanzen, besteht. Deshalb ist es von großer Bedeutung, dass möglichst alle verfügbaren Akteure in den Hilfsnetzwerken über die Expertise einer rechtssicheren Dokumentation verfügen bzw. darü- ber Kenntnis haben, wo eine solche erfolgen kann. Rechtssicher bedeutet hier, dass die Dokumentation so präzise ist, dass sie vor Gericht als Beweismittel Bestand hat. Ziel muss es sein, dass die Dokumentation für Dritte nachvollziehbar ist. Es sollte möglich sein, basierend auf der Dokumentation ein rechtsmedizinisches Gutachten zur Art und Ursache der Verletzungen erstellen zu kön- nen. Daraus resultieren besondere Anforderungen an die Dokumentation, die im nachfolgenden Abschnitt erläu- tert werden. Vorgehen für eine möglichst rechtssichere Dokumentation von Verletzungen Anamnese Sofern möglich, sollte eine zielgerichtete Anamnese er- folgen. Dabei ist eine Strukturierung über die sogenann- ten „W-Fragen“ (Wer, Was, Wie, Wo, Wann) möglich. Suggestivfragen sollten vermieden und das Erzählte möglichst wörtlich dokumentiert werden. Die Dokumen- tation in der Akte sollte die chronologische Reihenfolge des Erzählten übernehmen. Sofern Sprachschwierigkei- ten bei Nichtmuttersprachlern bestehen, sollten keine Ergänzungen des Gesagten erfolgen. In der Akte sollte zusätzlich gekennzeichnet werden, was von Patienten an- gegeben wurde und was die Untersuchungsperson wie- dergegeben hat. 56 Brackrock D et al. Häusliche Gewalt in … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 49–66 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung TAKE HOME MESSAGE Die Beschreibung und fotografische Dokumentation der Verletzungen muss idealerweise den späteren Gutachter vor Gericht in die Lage versetzen, eine eigene Diagnose, ob z. B. eine Schnittverletzung oder eine Quetsch-Riss-Wunde vorgelegen hat, zu stellen, ohne den Patienten oder die Patientin selbst gesehen zu haben. Zeichnerische Befunddokumentation Es empfiehlt sich das Einzeichnen der Verletzungslokali- sation in ein Körperschema. Dieses kann dann um die o. g. genannten wundmorphologischen Aspekte ergänzt werden. Interpretation der Verletzungen Cave Eine Interpretation der Verletzungen, z. B. die Ein- ordnung einer Wunde als Stichwunde, ist in der klinischen Dokumentation zu vermeiden und sollte erst in einem rechtsmedizinischen Gutachten erfolgen. Fehldiagnosen werden so vermieden. Nur eine exakte Beschreibung, unter Angabe der Maße und des Aussehens der Verletzung, lässt die Möglichkeit für eine spätere sachverständige Rekonstruktion und In- terpretation der Verletzungen unter Berücksichtigung FALLBEISPIEL Fall 1 Eine 35 Jahre alte Frau wurde stationär bei Zustand nach mutmaß- lichem Sexualdelikt mit verdächtigen Unterblutungen im Gesicht aufgenommen. Es wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Im Zuge dessen erfolgte eine rechtsmedizinische Begutachtung unter Einbeziehung der älteren Krankenunterlagen. Hier fand sich der folgende dokumentierte Befund: „Mehrere rote Flecken wie Ziga- rettenbrandverletzungen“. Eine fotografische oder zeichnerische Dokumentation lag nicht vor. Zur Hauptverhandlung wurden die behandelnden Ärzte als sach- verständige Zeugen geladen und zu den Brandverletzungen be- fragt. Die Antwort darauf lautete: „Es könnte sich um Brandverlet- zungen gehandelt haben, es muss aber nicht so gewesen sein.“ Auf die Nachfrage des rechtsmedizinischen Sachverständigen, ob es sich um eine Blase, eine Verschorfung, eine Unterblutung gehandelt habe und ob Größe, Form und Anzahl rekonstruiert werden könn- ten, gaben die behandelnden Ärzte an, sich nicht mehr genau erinnern zu können. Im Ergebnis musste festgestellt werden, dass sich die Befunde aus den Krankenunterlagen nicht mehr rekonstruieren ließen, da die klinische Befunddokumentation keine exakten Rückschlüsse auf die Verletzungsmorphologie und Schwere der Verletzungen zuließ. weiterer Zeugenaussagen und Angaben zum Sachverhalt zu. TAKE HOME MESSAGE Gerichtsfeste Dokumentation ▪ Anamnese ▪ Ganzkörperuntersuchung (inkl. verdeckter Körperareale) ▪ fotografische Dokumentation mit Maßstab (Übersicht + Detailaufnahme) ▪ schriftliche Dokumentation unter Verwendung eines Körperschemas (inkl. nicht versorgungs- bedürftiger Verletzungen) Arten der Gewalteinwirkung Im Nachfolgenden werden die Arten der Gewalteinwir- kung dargestellt, die sich am häufigsten nach häuslicher Gewalt finden. Stumpfe Gewalt Stumpfe Gewalt bezeichnet Verletzungen infolge des Kontakts eines Körpers mit einer stumpfen Fläche oder einem stumpfen Gegenstand. Typische Verletzungs- mechanismen sind ▪ Hinfallen/Stürze, ▪ Anstoßen/Gegenstoßen ▪ Schläge mit der Faust/der flachen Hand/einem ande- ren stumpfen Gegenstand (z. B. Baseballschläger). Typische Verletzungsbefunde sind in der Übersicht zu- sammengefasst. ÜBERSICHT Typische Verletzungsbefunde bei stumpfer Gewalt ▪ Weichgewebsschwellung ▪ Rötung ▪ Unterblutungen (Hämatome) ▪ Schürfwunden ▪ Quetsch-Riss-Wunden ▪ Knochenbrüche Während Hautrötungen nach stumpfen Gewalteinwir- kungen nur kurzzeitig zu beobachten sind, da es sich um temporäre, druckbedingte Hyperämien handelt, sind Hämatome „echte“ Einblutungen in die Haut und ihre Schichten. Das aus verletzten Gefäßen ausgetretene Blut muss über zelluläre Reaktionen abgebaut werden. Dies nimmt unter Veränderung der Farbe einige Tage in An- spruch. Daher kommt bei Hämatomen einer möglichst präzisen Beschreibung der Farbe für die Rekonstruktion eine besondere Bedeutung zu. 58 Brackrock D et al. Häusliche Gewalt in … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 49–66 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Mehr als bei anderen Gewalteinwirkungen spielt bei der scharfen Gewalt die Frage einer Selbst- oder Fremdbei- bringung eine Rolle (s. Fallbeispiel 2). Die Art und Vertei- lung der Verletzungen können häufig Hinweise darauf ge- ben. Eine symmetrische Verteilung sowie eine gruppier- te, gleichförmige und zueinander parallele Anordnung der Verletzungen sprechen für eine Selbstbeibringung. Die (Gesamt-)Verletzungsschwere ist häufig gering, da die Verletzungen nur oberflächlich sind. Zudem liegen die Verletzungen häufig in für den Betroffenen oder die Betroffene leicht erreichbaren Körperregionen. Wichtige Verletzungsbefunde sind hier ▪ Petechien: flohstichartige Einblutungen der Lider und Konjunktiven, der Mundschleimhaut, der Gesichts- haut, eventuell auch in der Hinterohrregion. Aus die- sem Grund sollten bei Verdacht auf eine Halskompres- sion immer die Augen gründlich inspiziert werden. Weitere Verletzungsbefunde sind (▶ Abb. 4): ▪ fleckförmige Schürfungen und Unterblutungen der Halshaut, ▪ halbmondförmige Verletzungen der Oberhaut des Halses (Fingernägel!), TIPP Bei Verdacht auf eine Selbstbeibringung sollte die Händigkeit (Rechts-, Links- oder Beidhändigkeit) des Betroffenen erfragt und dokumentiert werden. Zudem empfiehlt sich bei Verdacht auf Selbstbei- bringung und ebenso bei Verdacht auf das Vor- täuschen einer Straftat die Dokumentation von Negativbefunden. Strangulation Strangulation bezeichnet die Gewalteinwirkung gegen den Hals. Man unterscheidet ▪ Erhängen/Hängen – Komprimierende Gewalteinwir- kung mittels eines Strangwerkzeuges durch das eige- ne Körpergewicht mit ansteigendem Verlauf des Strangwerkzeuges/der Strangmarke am Hals. ▪ Erdrosseln/Drosseln – Komprimierende Gewaltein- wirkung mittels eines Drosselwerkzeuges, welches zir- kulär (i. d. R. manuell) um den Hals zugezogen wird ohne Fixierung außerhalb des Körpers. ▪ Erwürgen/Würgen – die komprimierende Gewaltein- wirkung gegen den Hals erfolgt mit den Händen. ▶ Abb. 4 Gewalt gegen den Hals – Würgen mit Hämatomen, Finger- nagelspuren und Stauungssyndrom des Kopfes. FALLBEISPIEL Fall 3 Eine 31-Jährige Frau stellt sich am Abend gegen 21:00 Uhr an einem warmen Sommerabend in der Notaufnahme vor. Sie wirkt erregt und klagt über Schwindel und Kopfschmerzen nach einem Treppen- sturz. Im Gesichtsbereich kann ein Monokelhämatom am rechten Auge festgestellt werden. Weitere Ver- letzungen durch den Sturz werden verneint. Im cCT können keine Traumafolgen gefunden werden. Eine stationäre Aufnahme zur 24-h-Schädel-Hirn-Trauma- Überwachung wird durch die Patientin abgelehnt. Mehrere Monate später wird der Arztbericht durch die Kriminalpolizei abgerufen; die Frau hat nun Straf- anzeige gegen ihren Ex-Partner wegen Körperverlet- zung erstattet. Nach weiteren Monaten wird der be- handelnde Arzt als sachverständiger Zeuge zu Ge- richt geladen. Er wird zu den von ihm festgestellten Verletzungen befragt, und es werden ihm laienhaft aufgenommene Handyfotos der Frau vorgelegt. Hierauf sind kleine Fingernagelspuren an der Hals- vorderseite sowie mehrere gruppiert angeordnete, wie Griffspuren imponierende Hämatome an beiden Ober- und Unterarmen erkennbar. Auf die Frage des Gerichtes, warum die Verletzungen in seinem Arzt- bericht nicht dokumentiert sind, räumt er ein, diese nicht festgestellt zu haben. Er könne sich erinnern, dass es ihm auffällig vorgekommen sei, dass die jun- ge Frau trotz warmer Temperaturen an diesem Tag mit einem Halstuch, langem Pullover und langer Hose bekleidet gewesen sei. Eine Ganzkörperunter- suchung sei aufgrund der Tatsache, dass sie neben dem Monokelhämatom am Kopf keine Verletzungen angegeben habe, nicht erfolgt. Der Ex-Partner der Frau gab in der Verhandlung an, sie nur kurz am Hals berührt zu haben. Zur Dauer und Intensität des Angriffs gegen den Hals konnten auf- grund der nicht dokumentierten Symptome ein- schließlich des (Nicht-)Vorliegens von Petechien daher später keine Aussage getroffen werden. 60 Brackrock D et al. Häusliche Gewalt in … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 49–66 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Eine Brechung der ärztlichen Schweigepflicht ist auf Grundlage des rechtfertigenden Notstands, geregelt im § 34 StGB, unter besonderer Güterabwägung möglich. Dies betrifft vor allem Fälle im Kinderschutz. Wird die ärztliche Schweigepflicht unbefugt gebrochen, so kann dies mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft werden. Hat ein Betroffener/eine Betroffene von Gewalt eine ärztliche Schweigepflichtsentbindung unterzeichnet, so ist die Herausgabe von ärztlichen Infor- mationen an die Personen oder Institutionen möglich, für welche die Schweigepflichtsentbindung gilt. TAKE HOME MESSAGE Jede ärztliche Untersuchung und jedes ärztliche Gespräch mit einem Patienten, auch zur reinen Verletzungsdokumentation, unterliegt primär der ärztlichen Schweigepflicht. Sind die Untersucher als Sachverständige tätig bzw. be- auftragt, gilt die Schweigepflicht nicht, sondern der/die Sachverständige ist gegenüber den Auftraggebern (z. B. Staatsanwaltschaft) zur Auskunft verpflichtet. Hierauf sind die zu untersuchenden Personen ggf. hinzuweisen. Die Auskunftspflicht bezieht sich auch auf mündlich ge- machte Angaben zum Geschehen. Datensicherung Ein sensibles Thema ist die Datensicherung. Hierzu soll- ten im Vorfeld, wenn möglich, Absprachen mit der IT des Krankenhauses darüber getroffen werden, wo ent- sprechende Fotoaufnahmen digital archiviert werden können. Möglich wäre dies beispielsweise in der elektro- nischen Patientenakte, soweit vorhanden. Sofern eine Kooperation mit einem rechtsmedizinischen Institut be- steht, kann in vielen Fällen von dort eine Speicherkarte angefordert werden (oftmals als Bestandteil eines Kits zu Dokumentationszwecken), welche anschließend mit den Fotodateien zurück an das rechtsmedizinische Insti- tut gesandt wird, wo diese dann asserviert werden. Cave Bei eigener Datensicherung sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass der Zugang begrenzt wird und die Daten auch längerfristig gespeichert werden können. Rechtsmedizinische Ambulanzen für Betroffene von Gewalt Die nach rechtsmedizinischen Standards bzw. Empfeh- lungen durchgeführte Dokumentation von Verletzungen erfordert Zeit und Sorgfalt. Es ist schwierig, dies im Kli- nikalltag bzw. in den Stoßzeiten in der Notaufnahme voll- inhaltlich umzusetzen. Aus diesem Grund sind an nahezu jedem rechtsmedizinischen Institut in Deutschland (mo- bile) Untersuchungsstellen zur Verletzungsdokumenta- tion installiert worden. Dabei handelt es sich um nieder- schwellige Untersuchungsangebote für Betroffene von Gewalt, auch ohne dass diese vorher eine Strafanzeige gestellt haben. Für die eigenen Universitätskliniken oder die Partnerkliniken im Einzugsbereich kann so Hilfestel- lung angeboten werden, indem entweder die Unter- suchungen konsiliarisch auf Anfrage durch die rechts- medizinischen Kollegen selbst durchgeführt oder Materi- al in Form von Spurensicherungskits mit entsprechenden Dokumentationsbögen, ggf. Abstrichtupfern und Foto- karten zur Verfügung gestellt werden. Das Material wird nach der Untersuchung zurück an die Rechtsmedizin ge- sandt, welche die Asservierung übernimmt. TIPP Es empfiehlt sich daher, mit dem zuständigen Institut für Rechtsmedizin im Vorfeld Kontakt aufzunehmen. Eine Liste der Ambulanzen kann auf der Internetseite der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin abge- rufen werden [18]. Verweis an Beratungsstellen Sowohl bei weiblichen als auch bei männlichen Opfern von Gewalt ist es empfehlenswert, den Kontakt zu einer Beratungsstelle herzustellen. Für weibliche Gewaltopfer finden sich in vielen Städten bereits lokale Frauenbera- tungs- und Interventionsstellen oder auch Frauenhäuser. Der Kontakt lässt sich dabei am besten telefonisch her- stellen, da gerade Frauenhäuser ihre Adresse an externe Gesprächspartner zum Schutz der Frauen nicht weiterge- ben. Wünscht die Betroffene keine akute Kontaktaufnah- me, so ist es zumindest empfehlenswert, ihr Informati- onsmaterial, z. B. Flyer, der entsprechenden Einrichtun- gen auszuhändigen. Eine Alternative kann das „Hilfetelefon – Gewalt gegen Frauen“ (s. Infobox) bieten, welches unter der 08000 116 016 rund um die Uhr erreichbar ist und darüber hinaus mithilfe von Dolmetscher-/innen eine telefonische Bera- tung in aktuell 17 Sprachen anbieten kann (Stand 2021) [19]. Auch für männliche Opfer häuslicher Gewalt wur- den inzwischen mehrere Hilfsangebote etabliert. In einer Kooperation des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen zusammen mit dem Bayrischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales sowie dem Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg wurde das „Hilfetelefon – Gewalt an Männern“ eingerichtet [20], welches zu festen Sprechzeiten erreichbar ist (s. Infobox). 62 Brackrock D et al. Häusliche Gewalt in … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 49–66 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Literatur [1] Weltgesundheitsorganisation Europa. Weltbericht Gewalt und Gesundheit. Zusammenfassung. Im Internet (Stand: Novem- ber 2021): https://www.who.int/violence_injury_prevention/ violence/world_report/en/summary_ge.pdf [2] Bundeskriminalamt. 2019. Polizeiliche Kriminalstatistik 2019. Im Internet (Stand 30.11.2021): https://www.bmi.bund.de/ SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/ sicherheit/pks-2019.pdf?__blob=publicationFile&v=2 [3] Wörmann X, Wilmes S, Seifert D et al. Males as victims of inti- mate partner violence – results from a clinical forensic medical examination centre. Int J Legal Med 2021; 135: 2107–2115. doi:10.1007/s00414-021-02615-x [4] Kolbe V, Büttner A. Domestic violence against men – preva- lence and risk factors. Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 534–541 [5] [6] Partnerschaftsgewalt. Kriminalstatistische Auswertung – Be- richtsjahr 2019. Im Internet (Stand: 21.10.2021): www.bka. de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/Jahresbericht- eUndLagebilder/Partnerschaftsgewalt/Partnerschafts- gewalt_2019.html;jsessio- nid=F5AA3454405786B8F7FC27AB8C2A8566.live2291? nn=63476 Europarat. Pressemitteilung: COVID-19-Krise: Generalsekretä- rin warnt eindringlich vor dem Anstieg der häuslichen Gewalt (März 2020). Im Internet (Stand: 21.10.2021): https://www. coe.int/de/web/portal/-/covid-19-crisis-secretary-general- concerned-about-increased-risk-of-domestic-violence [7] Ruhr24. Hohe Dunkelziffer vermutet. Coronavirus: Weniger häusliche Gewalt trotz Lockdown? Frauenhäuser und Jugend- amt (Stand: 21.10.2021): https://www.ruhr24.de/dortmund/coronavirus- lockdown-gewalt-nrw-hohe-dunkelziffer-opfer-hilflos-frauen- haus-zr-13762563.html sind alarmiert (Mai 2020). Im Internet [8] Portland Police Bureau. Trends analysis: pre and post school closures; 2020. Im Internet (Stand: 30.09.2021): https:// www.portlandoregon.gov/police/article/760238 [9] Maji S, Bansod S, Singh T. Domestic violence during COVID-19 pandemic: The case for Indian women. J Community Appl Soc Psychol 2021. doi:10.1002/casp.2501 [10] Warburton E, Raniolo G. Domestic Abuse during COVID-19: What about the boys? Psychiat Res 2020; 291: 113155. doi:10.1016/j.psychres.2020.113155 [11] Barbara G, Facchin F, Micci L et al. COVID-19, Lockdown, and intimate partner violence: some data from an italian service and suggestions for future approaches. J Womensʼs Health (Larchmt) 2020; 29: 1239–1242. doi:10.1089/jwh.2020.859 [12] Muldoon KA, Denize KM, Talarico R et al. COVID-19 pandemic and violence: rising risks and decreasing urgent care-seeking for sexual assault and domestic violence survivors. BMC Med 2021; 19: 20. doi:10.1186/s12916-020-01897-z [13] Welt. Zahl der Opfer häuslicher Gewalt steigt um sechs Pro- zent (Mai 2021). Im Internet (Stand: 21.10.2021): www.welt. de/politik/deutschland/article230983679/Zahl-der-Opfer-ha- euslicher-Gewalt-steigt-um-sechs-Prozent.html [14] Ebert C, Steinert JI. Prevalence and risk factors of violence against women and children during COVID-19, Germany. Bull World Health Organ 2021; 99: 429–438. doi:10.2471/ BLT.20.270983 [15] Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidis- kriminierung (Juli 2020). Anstieg häuslicher Gewalt und Kin- desmisshandlung im Zuge der Corona-Pandemie. Pressemit- teilung vom 02.07.2020. Im Internet (Stand: 21.10.2021): https://www.berlin.de/sen/justva/presse/pressemitteilungen/ 2020/pressemitteilung.954934.php [16] Müller U, Hess D, Prussog-Wagner A. Lebenssituation, Sicher- heit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine reprä- sentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutsch- land im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2004). Im Internet (Stand 30.09.2021): http://dx.doi.org/10.15496/publikation-4440 [17] Hellmann DF, Blauert K. Häusliche Gewalt gegen Frauen in Deutschland. SWS-Rundschau 2014; 54: 78–89 [18] Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin. Untersuchungsstel- len. Im Internet (Stand: 21.10.2021): https://www.dgrm.de/ arbeitsgemeinschaften/klinische-rechtsmedizin/unter- suchungsstellen [19] Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Im Internet (Stand: Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“. 21.10.2021): https://www.hilfetelefon.de [20] Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen. Hilfetelefon „Gewalt an Männern“. Im Internet (Stand: 21.10.2021): https://www.ma- ennerhilfetelefon.de Bibliografie Notfallmedizin up2date 2022; 17: 49–66 DOI 10.1055/a-1363-6726 ISSN 1611-6550 © 2022. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany 64 Brackrock D et al. Häusliche Gewalt in … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 49–66 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Punkte sammeln auf CME.thieme.de Fortsetzung … Frage 7 Frage 9 Welcher Befund spricht gegen das Vorliegen einer Selbstbeibrin- gung einer Verletzung? A eine symmetrische Verteilung der Verletzungen B zueinander parallel verlaufende Verletzungen C Oberflächlichkeit der Verletzungen und geringe Verletzungs- schwere D Verletzung am Rücken E eine gruppierte Anordnung der Verletzungen Frage 8 Welche Verletzungen zählen nicht zu den typischen Begleitver- letzungen bei Sexualdelikten? A Hämatome an den Oberschenkelinnenseiten, sog. Spreizver- letzungen B bei zusätzlicher Gewalt gegen den Hals kleine Hämatome und Schürfungen der Halshaut C Rötungen und Schleimhauteinrisse des äußeren Genitales D Griffspuren der Oberarme mit kleinen, rundlichen Hämato- men an den Oberarminnen- und ‑außenseiten E Kratzer an den Unterschenkelaußenseiten Eine junge Frau wird nach häuslicher Gewalt mit mehreren Ver- letzungen durch einfache stumpfe Gewalt in der Notaufnahme eingeliefert. Sie möchte keine Anzeige erstatten. Was tun Sie als behandelnder Arzt? A Ich versorge ihre Verletzungen und schicke sie, sofern keine akute Notwendigkeit der Überwachung besteht, wieder nach Hause. B Ich biete der Betroffenen eine rechtssichere Dokumentation der Verletzungen an. Falls die Patientin zustimmt, dokumen- tiere ich die Verletzungen im Rahmen einer Ganzkörper- untersuchung fotografisch, schriftlich und zeichnerisch. Bei Bedarf stelle ich anschließend den Kontakt zu einer Frauen- beratungsstelle her. Alternativ weise ich die Patientin auf die Möglichkeit einer niederschwelligen Verletzungsdokumenta- tion in einer rechtsmedizinischen Untersuchungsstelle hin. C Da eine Verletzungsdokumentation bei Verletzungen nach einfacher stumpfer Gewalt nicht notwendig ist, händige ich der Patientin nach der körperlichen Untersuchung den Flyer einer Frauenberatungsstelle aus und entlasse sie nach Hause. D Ich nehme die Patientin auf und veranlasse vorsichtshalber ein psychiatrisches Konsil zur psychischen Nachbetreuung der Patientin. E Ich weise die Patientin darauf hin, dass nur nach Erstattung einer Strafanzeige eine Dokumentation der Verletzungen möglich ist. Falls die Patientin weiterhin keine Anzeige erstat- ten möchte, entlasse ich sie nach Hause, da keine akute kli- nische Behandlungsbedürftigkeit besteht. Frage 10 Wie viele Fälle von Partnerschaftsgewalt wurden in der Statistik des Bundeskriminalamtes für das Jahr 2019 erfasst? A 140 755 Fälle B 86 812 Fälle C 141 792 Fälle D 17 160 Fälle E 158 477 Fälle 66 Brackrock D et al. Häusliche Gewalt in … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 49–66 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

EINFACH DIE RICHTIGE MISCHUNG 12-MAL JÄHRLICH Einstiegspreis für Neuabonnenten! AINS liefert verlässliches Fachwissen aus Anästhesie, Intensiv-, Notfall- und Schmerzmedizin. Sie bietet wertvolle Fortbildung, patientenorientiert, alltagsbezogen und direkt umsetzbar. Ob tiefer gehendes Topthema oder abwechslungsreiche Kurzrubriken für zwischendurch: AINS ist angenehm zu lesen und bringt die für Ihren Arbeitsalltag wichtigen und aktuellen Themen auf den Punkt. www.thieme.de/ains

CME-Fortbildung Unter dieser Rubrik sind bereits erschienen: Ethik in der präklinischen Notfallmedizin F. Rave, L. Berge- mann, H. Tüns, A. Rogge Heft Heft 1/202121/2021 Entscheidungsfindung in der Akut- und Notfallmedizin D. Marx, P. Lange Heft 1/2019 Der agitierte und aggressive Patient P. Ohrmann, R. Schepers Heft 1/2021 Auswahl der richtigen Zielklinik – Welcher Patient in welche Klinik? F. Naujoks, P. Faul, P. Hagebusch, U. Schweigkofler Heft 1/2019 Technische Rettung und Kooperation mit der Feuerwehr P. Faul, J. Albert, U. Schweigkofler Heft 1/2021 Atemwegsmanagement im Rettungsdienst M. Michael, J. Tautz, F. Sensen, M. Bernhard Heft 4/2020 Prähospitale Telenotfallmedizin C. Metelmann, N. Renzing, J.-T. Gräsner, L. Dölger, S. K. Beckers, M. Felzen, H. Schröder, D. Overheu, N. Jacobsen, B. Metelmann Heft 4/2020 Aktuelle Forschungsergebnisse für die notfallmedizinische Praxis J. Knapp, S. Seewald Heft 3/2020 Notfall Psyche – Diagnostik und Krisenintervention in der Präklinik W. Jordan Heft 1/2020 Indikationsfremde Anwendung von Medikamenten und Medi- zinprodukten in der Notfallmedizin K. P. Ittner, J. Koppenberg U. Walter Heft 4/2019 Abdominelle Notfallsonografie in der Intensiv- und Akut- medizin M. Schreiber, C.-A. Greim Heft 3/2019 Aktualisierung der ERC-Leitlinien 2018 M. Deppe, D. Deniz Uzun, D. Bläser Heft 3/2019 Arzneimittelinteraktionen, die man kennen muss! N. Voigt, K. Ort, S. Sossalla Heft 2/2019 Todesfeststellung und Leichenschau im Rettungsdienst B. Ondruschka, C. Buschmann Heft 2/2019 Mechanische Hilfsmittel zur Reanimation H. Gässler, D. Treffer, A. Weißleder, M. Helm Heft 1/2019 Massenanfall von Verletzten – aus Sicht eines Krankenhauses U. Schweigkofler, S. Martin Heinz, R. Hoffmann Heft 4/2018 Dokumentation und Qualitätsmanagement im Rettungsdienst T. Lohs, J. Wnent, B. Jakisch Heft 4/2018 Reanimation bei traumatisch bedingtem Herz-Kreislauf- Stillstand P.-C. Nolte, M. Münzberg, S. Frankenhauser, J. Horter, B. Gliwitzky, A. Gather Heft 3/2018 App-basierte Systeme im Bereich der medizinischen Notfallversorgung C. Elsner, M. Blaschka, M. Kleehaus Heft 3/2018 Ersteinschätzung in der Zentralen Notaufnahme I. Gräff, P. Glien, B. von Contzen, M. Bernhard Heft 3/2018 Triage beim Massenanfall von Verletzten (MANV) T. Neidel, A. R. Heller Heft 2/2018 Advance Care Planning – „Behandlung im Voraus planen“ in der Notfallmedizin B. Feddersen, S. Petri, G. Marckmann, H. Topka Heft 1/2018 Massenanfall von Verletzten/Erkrankten (MANV) – die frühe Phase der Einsatzbewältigung S. Trümpler, M. Hübner, A. Bohn Heft 1/2018 Präklinisches Volumenmanagement beim Schwerstverletzten B. Hußmann, P. Jungbluth Heft 2/2019 Safety First – Sicherheitsaspekte in der Notfallrettung D. Treffer, B. Hossfeld, M. Helm, A. Weißleder Heft 1/2018 ALLES ONLINE LESEN IHR ONLINE-SAMMELORDNER JETZT FREISCHALTEN Mit der eRef lesen Sie Ihre Zeitschrift: online wie offline, am PC und mobil, alle bereits erschienenen Artikel. Für Abonnenten kostenlos! https://eref.thieme.de/notfall-u2d Sie möchten jederzeit und überall auf Ihr up2date-Archiv zu- greifen? Kein Problem! Ihren immer aktuellen Online- Sammelordner finden Sie unter: https://eref.thieme.de/1ES9S Sie haben Ihre Zeit- schrift noch nicht freigeschaltet? Ein Klick genügt: www.thieme.de/eref-registrierung

CME-Fortbildung werden rettungsdienstlich und im Brandschutz tätig. Eh- renamtliches Rettungsdienstpersonal wird ergänzend eingesetzt und übt hauptberuflich oft völlig andere Tätig- keiten aus. Merke Belastungen und Beanspruchungen im Rettungs- dienst unterscheiden sich zwischen den beteiligten Berufsgruppen. ▪ Als Belastungen werden in der Arbeitsmedizin alle durch die Tätigkeit auf eine Person einwirkenden Einflüsse bezeichnet. ▪ Beanspruchungen sind die Reaktionen auf die Belastungen. Neben physischen und psychischen Faktoren spielen so- ziale und familiäre Aspekte eine Rolle dabei, ob eine Be- anspruchung negative oder positive Effekte auf die Ge- sundheit hat (▶ Abb. 1, [2]). Unterschiede sind zwischen im Rettungsdienst tätigen Berufsfeuerwehrleuten und Beschäftigten der Hilfsorganisationen beschrieben [1]. Die „Tätigkeit in Notfallmedizin und Rettungsdienst“ ist somit hinsichtlich der Belastungen und Beanspruchungen für die verschiedenen beteiligten Akteure schon auf- grund berufsspezifischer Unterschiede nicht verallgemei- nernd zu betrachten. Die Gefährdungen, denen Einsatz- kräfte ausgesetzt sein können, bestehen jedoch berufs- gruppenunabhängig bei jedem Einsatz. Prinzipien des deutschen Arbeitsschutzes Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ist im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ver- ankert. Es bildet die Grundlage für den Arbeitsschutz. Der Staat erlässt Gesetze zum Arbeitsschutz, die in Verord- nungen und Technischen Regeln konkretisiert werden. Die individuelle Einflussfaktoren (Alter, Geschlecht, Fitness, Vorerkran- kungen, soziale/ familiäre Faktoren) Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (unter dem Dach der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, DGUV) üben ergänzend ein autonomes Satzungsrecht aus. Die von ihnen erlassenen Vorschriften sind für die Mit- gliedsbetriebe verbindlich. Duales System im Arbeitsschutz: gemeinsame Zuständigkeit staatlicher Behörden und der Unfallversicherungsträger Normadressat der Gesetze im Arbeitsschutz ist der Ar- beitgeber. Er ist verantwortlich für die Einhaltung des Ar- beitsschutzes im Betrieb und dafür, dass die Angestellten durch ihre Arbeit keinen gesundheitlichen Schaden erlei- den. Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet ihn, die „erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes un- ter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicher- heit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit be- einflussen“ (§ 3 ArbSchG [3]). Die getroffenen Maßnah- men hat er auf ihre Wirksamkeit zu prüfen und nötigen- falls anzupassen. Sie dienen auch der Verhütung von Ar- beitsunfällen und der menschengerechten Gestaltung der Arbeit. Die Aufgaben von Betriebsärzten und Fachkräften für Ar- beitssicherheit regelt das sog. Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG). Gefährdungsbeurteilung – Grundlage aller Maßnahmen im Arbeitsschutz Die in § 5 ArbSchG vorgeschriebene Beurteilung der Ar- beitsbedingungen soll Gefährdungen ermitteln, denen die Arbeitnehmer durch ihre Tätigkeit ausgesetzt sind (▶ Abb. 2). Neben Risiken durch Arbeitsstätte, Arbeitsmittel, Arbeits- stoffe und ‑geräte sollen auch die Abläufe der Arbeit und deren Gestaltung betrachtet werden. Physikalische, che- mische, biologische und psychische Aspekte spielen ge- nauso eine Rolle wie Gefährdungen durch unzureichende Qualifikation und Unterweisung von Beschäftigten. Sind die Gefährdungen ermittelt, werden sie bewertet und Maßnahmen zu ihrer Beseitigung abgeleitet. Die Ge- fährdungsbeurteilung muss regelmäßig aktualisiert und neuen Situationen angepasst werden (s. Infobox 1). Alle weiteren Arbeitsschutzmaßnahmen leiten sich aus ihr ab. Belastungen Gesamtheit aller Bedingungen, die bei der Arbeit auf den Menschen einwirken Beanspruchungen Gesamtheit aller Auswirkungen der bei der Arbeit auftretenden Belastungen ▶ Abb. 1 Modell zu den Zusammenhängen zwischen Belastungen, indivi- duellen Einflussfaktoren und Beanspruchungen (nach Roßbach et al. [2]). Eine Gefährdungsbeurteilung besteht aus: ▪ Vorbereitung, ▪ Gefährdungsermittlung, ▪ Beurteilung der Risiken, ▪ Festlegen von Schutzmaßnahmen, ▪ Durchführung, ▪ Wirksamkeitskontrolle und ▪ Fortschreiben. Sie ist zu dokumentieren. 72 Brabant M. Arbeits- und Gesundheitsschutz … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 69–85 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Beispiel Nadelstichverletzung Nadelstichverletzungen (NSV) stellen wichtige Übertra- gungsrisiken für Infektionskrankheiten im Gesundheits- wesen dar. Die bedeutsamsten parenteral übertragbaren Erkrankungen sind ▪ Hepatitis B, ▪ Hepatitis C und ▪ HIV. Durch Arbeitsunfälle können Desinfektionsmittel ins Auge gelangen – schwere Augenreizungen sind die Fol- ge. Zum korrekten Umgang, Maßnahmen der Ersten Hilfe bei Arbeitsunfällen und der fachgerechten Entsorgung sind Betriebsanweisungen zu erstellen. Auch das korrekte Tragen von persönlicher Schutzausrüstung ist unterwei- sungspflichtig. Digitale Angebote (Schulungsvideos) kön- nen die persönliche Unterweisung ergänzen, aber nicht ersetzen. INFOBOX 3 Vorgehen bei Nadelstichverletzung oder Kontamination ▪ Spontanen Blutfluss nicht unterbinden. ▪ Abspülen mit Wasser/Desinfektion der Einstich- stelle. ▪ Kontamination von Augen oder Mundhöhle: sofort mit viel Wasser spülen. ▪ Eintrag im Verbandbuch. Vorstellung beim Durch- gangsarzt. Prüfung der Durchführung einer Post- expositionsprophylaxe. ▪ Nachsorge durch den Betriebsarzt. (nach [7]) FALLBEISPIEL Der Arbeitsunfall Nach Patientenübergabe lässt Alexander sich von seinem Kollegen Desinfektionsmittel in die Hand- flächen geben. Dabei bekommt er einen großen Spritzer ins Auge. Wasser zum Spülen ist nicht sofort verfügbar. Bis sein Kollege die Augenspüllösung aus dem Antidotkoffer geholt hat, vergeht eine Minute. Nach ausgiebiger Spülung hat er noch starke Schmerzen im Auge, die Konjunktiva ist gerötet. Sein Kollege bringt ihn in die Notaufnahme. Der Durchgangsarzt nimmt den Arbeitsunfall auf. Nach fortgesetzter Spülung wird Alexander dem augen- ärztlichen Konsiliararzt vorgestellt. Er bleibt für eine Woche arbeitsunfähig. Die Entscheidung zur HIV-Postexpositionsprophylaxe ist so schnell wie möglich zu treffen. Die Indikation ist abhän- gig von Art der Exposition und der Viruslast beim Patien- ten. Bei unklaren Fällen wird empfohlen, sich eher für die PEP zu entscheiden und nach Klärung der Umstände zu deeskalieren. Merke Sicherheitsbeauftragte sind ehrenamtliche Unter- stützer im Arbeitsschutz. Die Maßnahmen bei Hepatitis B sind abhängig vom Anti- Hbs-Wert des verletzten Mitarbeiters. Bei Hepatitis C muss die Indikation zur antiviralen Therapie individuell geprüft werden. Sicherheitsbeauftragte sind nach DGUV „freiwillig und ehrenamtlich“ tätig. Sie üben diese Tätigkeit neben ihrer eigentlichen Beschäftigung aus und bekommen keine zu- sätzliche Vergütung. Die Verantwortung für die Arbeits- sicherheit bleibt beim Arbeitgeber. Unterweisung Um sich angemessen verhalten zu können, müssen die Mitarbeiter in Fragen des Gesundheits- und Arbeitsschut- zes geschult werden. Diese Unterweisung ist jährlich zu wiederholen und zu dokumentieren. Beispiel hierfür ist der Umgang mit Gefahrstoffen. Merke Desinfektionsmittel gelten als Gefahrstoffe. Der Umgang mit ihnen ist unterweisungspflichtig. Ab 20 versicherten Beschäftigten muss ein Unternehmer Sicherheitsbeauftragte bestellen. Betreibt ein Rettungs- dienstträger mehrere Wachen, sollte pro Standort min- destens ein Sicherheitsbeauftragter benannt werden. Die Sicherheitsbeauftragten sollen im Alltagsgeschäft tä- tig sein. Sie dienen als Ansprechpartner für ihre Kollegen in Fragen des Arbeitsschutzes und wirken auf ein sicher- heitsbewusstes Verhalten der Kollegen hin. Um sie für diese Aufgabe zu qualifizieren, bieten die Unfallversiche- rungsträger Schulungen an. 74 Brabant M. Arbeits- und Gesundheitsschutz … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 69–85 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Verhältnissen darf nur von Betriebs-/Arbeitsmedizinern und Tropenmedizinern durchgeführt werden. Die Kosten dieser und anderer beruflich indizierter Impfungen trägt der Arbeitgeber. Lärm Arbeitsmedizinisch gesehen ist Lärm unerwünschter, po- tenziell gesundheitsschädigender Schall. Hinsichtlich der Gesundheitsgefährdung durch Lärm werden aurale und extraaurale Wirkungen unterschieden [11]. Ab 80 dB(A) äquivalentem Lärmpegel (Leq8h)/135 dB(C) Spitzen- schalldruckpegel muss arbeitsmedizinische Vorsorge an- geboten und Gehörschutz zur Verfügung gestellt werden. Ein Leq8h von 85 dB(A) bzw. ein Spitzenschalldruckpegel von 137 dB(C) gelten als potenziell gehörschädigend – Gehörschutz muss getragen werden, arbeitsmedizinische Vorsorge ist Pflicht. Extraaurale Wirkungen treten schon unterhalb dieser Grenzen auf. Lärm wirkt ohne strengen Pegelbezug auf das menschliche Nervensystem und führt zu physiologi- schen und psychologischen Veränderungen. Je nach Kon- text, Stimmung und zu bewältigender Aufgabe kann auch lauter Lärm als angenehm (Konzert) oder leiser Lärm als unangenehm (Gespräche) empfunden werden. Notfallmedizinische Tätigkeiten (Untersuchung, Behand- lung, invasive Maßnahmen) erfordern andauernd hohe Konzentration. Grundsätzlich soll die Lärmbelastung so niedrig wie möglich gehalten werden. Als Anhaltswert für medizinische Tätigkeiten können 55 dB(A) dienen. In der bodengebundenen Rettung entsteht Lärm vor al- lem durch das Einsatzhorn bei Fahrten unter Nutzung von Sonder- und Wegerechten. Durch Abkapselung der Anlagen zum Innenraum des Fahrzeugs und Verlagerung in den Bereich des Kühlergrills wurde durch technische Maßnahmen die Innenraumbelastung verringert. Auch die Patientenversorgung während technischer Ret- tungsmaßnahmen mit Rettungsschere, Flex o. Ä. kann zu teilweise erheblicher Lärmbelastung führen, und auch Einsätze bei Konzerten, in Diskotheken oder Industrie- anlagen führen zur Exposition gegenüber gehörschädi- gendem Lärm. Für diese Situationen sollte dem Personal Gehörschutz zur Verfügung stehen (▶ Abb. 3). ▶ Abb. 3 Gehörschutzstöpsel und angepasster Gehör- schutz. Angepasster Gehörschutz bietet sich für Lärm- arbeitsplätze wie in der Luftrettung an. INFOBOX 5 Praktische Tipps zur Lärm- und Stressreduzierung Auf der Wache ▪ Sensibilisierung des Personals: kein unnötiges Rennen, kein Türenknallen. ▪ Ungewolltes Mithören von Gesprächen kann enorm stören: Türen schließen, für private Tele- fonate den Raum verlassen. Im Einsatz ▪ In Wohnungen: TV/Radio ausschalten. ▪ Klare Kommunikation mit Patient und Angehöri- gen: Es kann nur einer reden. ▪ Gehörschutz mitführen (Einmalstöpsel passen in jede Hosentasche). ▪ Bei technischer Rettung oder im Lärm (Industrie): Gehörschutz tragen (▶ Abb. 3). ▪ Sinnvolle Anpassung von Alarmgrenzen und Alarmtönen bei Medizingeräten. ▪ Sinnvolle Nutzung visueller Alarme. ▪ Besonders bei anspruchsvollen Maßnahmen wie Narkoseeinleitung disziplinierte sichere Kommuni- kation zur Fehlervermeidung. TIPP Simulationen können helfen, die Besonderheiten der Kommunikation im Lärm oder unter Gehörschutz zu trainieren. Weitere Störfaktoren (Dunkelheit, Stro- boskoplicht) können in die Simulation eingebaut werden. Cave Lärm kann nicht nur das Gehör schädigen. Er kann Stress auslösen, Kommunikation und Konzentration beeinträchtigen und Fehler und Unfälle im Einsatz begünstigen. 76 Brabant M. Arbeits- und Gesundheitsschutz … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 69–85 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung zu beschränken. Ansonsten ist die Händedesinfektion zu bevorzugen. Parfümierte Reinigungssubstanzen können allergisierend wirken. Sie sollen im Gesundheitswesen nicht eingesetzt werden. Händehygiene kostet Zeit und erfordert Aufmerksamkeit. Sie wird oft nicht leitliniengerecht durchgeführt. In einer Untersuchung auf internistischen und chirurgischen In- tensivstationen wurde eine durchschnittliche Dauer der Händedesinfektion von 7,6 s ermittelt. Dies weicht deut- lich von den empfohlenen 30 s ab [15]. Zu kurze und nicht fachgerechte Händedesinfektion kann die Übertra- gung nosokomialer Infektionen begünstigen und die Haut schädigen. Die zugesetzten pflegenden und rück- fettenden Substanzen können bei zu kurzer Anwendung nicht ausreichend wirken. Die Mitarbeiter müssen daher in Indikation und richtiger Durchführung der Hygiene- und Hautpflegemaßnahmen geschult werden. Der Ar- beitgeber muss Mittel zur Hautreinigung und ‑pflege zur Verfügung stellen. Merke Hautschutzpläne informieren Mitarbeiter über die an ihrem Arbeitsplatz verwendeten Hautreinigungs-, Desinfektions- und Pflegemittel und deren Gebrauch. Psychische Belastungen Die Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG soll auch psychische Gefährdungen am Arbeitsplatz erfassen, be- werten und Maßnahmen ableiten. Jeweils 97% der be- fragten Notärzte zeigten sich in einer Studie belastet durch schlechte Übernahme der Patienten im Kranken- haus und unvorsichtige Autofahrer bei Fahrten mit Son- der- und Wegerechten. 37 % gaben emotionale Erschöp- fung als Symptom eines Burn-outs an. Die empfundene Belanglosigkeit vieler Einsätze und der Aufwand für die Dokumentation wurde ebenfalls als mittlere bis starke Belastung empfunden [16]. Im Rettungsdienst tätige Berufsfeuerwehrkräfte zeigten in einer Untersuchung schlechtere Werte in Bezug auf Faktoren wie Arbeitszufriedenheit, Wohlbefinden und Er- folgserleben als Mitarbeiter von Hilfsorganisationen. Als ursächlich werden die unterschiedlichen Organisations- strukturen hinsichtlich Aufgabenvielfalt, hierarchischer Struktur, Führungsverhalten und sozialen Beziehungen gesehen [1]. PSU-Teams aus (kirchlichen) Notfallseelsorgern und ge- schulten Einsatzkräften sind mittlerweile etablierte Ein- richtungen zur Unterstützung bei emotional belastenden Einsätzen. Betriebsärzte sind in diesem Kontext ebenfalls ansprechbar. Die DGUV bietet mit dem Psychotherapeu- tenverfahren niederschwelligen Zugang zu psychothera- peutischer Behandlung bei Arbeitsunfällen und Berufs- krankheiten an. Merke Ein niederschwelliger Zugang zu Gesprächsangebo- ten und Supervision sollte im gesamten Bereich der klinischen und präklinischen Notfallmedizin gegeben sein. Die Sensibilisierung für Selbstfürsorge und Warnzeichen einer problematischen Reaktion auf Belastungen muss in Aus- und Weiterbildung aller beteiligten Berufsgruppen implementiert werden. Dazu gehört auch die mentale Vorbereitung auf beson- dere Einsatzsituationen. Vorhersehbar herausfordernden Einsätzen (z. B. Intensivtransporte) sollte stets ein Team- Briefing vorweggehen, um alle Beteiligten auf einen ein- heitlichen Wissensstand zu bringen. Genauso wichtig ist die Gelegenheit des Debriefings nach anspruchsvollen Einsätzen. Jedes Teammitglied soll die Möglichkeit zum Feedback haben. Unklarheiten im Ein- satzverlauf können besprochen werden – das allein kann schon psychisch entlastend wirken. Nationale und inter- nationale Kursformate im Advanced Life Support und in der Traumaversorgung vermitteln neben den praktischen Skills auch die Grundlagen der Arbeit und Kommunika- tion im Team. Gemeinsames Handeln nach bekannten Standards und das Sprechen der „gleichen Sprache“ (ABCDE) verringert zwischenmenschliche Irritationen im Einsatz. Dies ist be- sonders dort von Bedeutung, wo unterschiedliche Be- rufsgruppen (ärztliches und nichtärztliches Personal) zu- sammenarbeiten, sowie an kritischen Schnittstellen (Übergabe Rettungsdienst/Klinik). Berufskrankheiten FALLBEISPIEL Berufskrankheit Felix hat sich im Notarztdienst bei einem COVID-19- Erkrankten angesteckt. Er hat einen schweren Verlauf und bleibt 3 Wochen stationär in der Klinik. Auch nach 6 Wochen ist er noch nicht voll einsatzfähig. Die Betriebsärztin stellt eine Verdachtsanzeige auf Berufskrankheit beim Unfallversicherungsträger. Schwere oder wiederholt rezidivierende Hautkrankheiten waren nach der DGUV-Statistik im Jahr 2019 mit fast 20 000 Fällen die am häufigsten angezeigten Verdachts- fälle für eine Berufskrankheit [18]. 78 Brabant M. Arbeits- und Gesundheitsschutz … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 69–85 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung ▶ Abb. 5 Gefährdung bei der technischen Rettung: Gefahr für Einsatzkräfte durch Anstoßen an harten und scharfen Kanten oder durch Scherben. besonderheit (Rettung im alpinen Gebiet, Wasser-/Off- shore-Rettung) sind hier weitergehende Ansprüche an geeignete PSA zu stellen. INFOBOX 7 PSA in der Luftrettung Besonders die Luftrettung im alpinen oder Offshore- Bereich bringt spezielle Anforderungen an Personal und PSA mit sich. In den Bergen ist neben Spezial- gurten für Windenrettung oder zum Klettern auch besonderes Schuhwerk nötig. Bei Einsätzen über Wasser werden Rettungswesten oder spezielle Schutzanzüge eingesetzt. Der Lärm durch Rotoren und Triebwerke der Helikop- ter liegt oft über 100 dB(A) und ist somit gehörschä- digend. Im normalen Flugbetrieb schützt der im Flie- gerhelm integrierte Kapselgehörschutz das Gehör der Crew. Im Notfalleinsatz werden nach der Landung bei laufenden Triebwerken die Helme abgesetzt. Da- her sind unter dem Helm Gehörschutzstöpsel oder besser noch individuell angepasste Otoplastiken zu tragen. Patienten müssen beim Transport ebenfalls durch angemessene Maßnahmen geschützt werden. Schutzkleidung Schutzkleidung muss neben Anforderungen an die Sicht- barkeit auch Schutz vor Witterungseinflüssen sowie At- mungsaktivität bieten (EN ISO 20471 [früher DIN EN 471]). Um im fließenden Verkehr gut sichtbar zu sein, dürfen nur bestimmte fluoreszierende Farben verwendet wer- den. Die Sichtbarkeit im Dunkeln wird durch reflektieren- des Material verbessert. Damit Krankheitserreger wirk- sam am Durchtritt gehindert werden, muss die Schutz- kleidung der DIN EN 14126 entsprechen. Da Schutzklei- dung bei Kontamination desinfizierend gereinigt und ge- waschen werden muss, sind herstellerseitig die Textilien entsprechend zu konfektionieren. Geeignete Schutzkittel oder Overalls können zusätzlich zur Standard-Schutzaus- rüstung getragen werden, um die Schutzkleidung vor Kontamination zu schützen. Das An- und Ausziehen von Schutzausrüstung ist beson- ders fehleranfällig für akzidentelle Keimverschleppung und muss geübt werden. Kontaminierte Schutzkleidung darf nicht zu Hause gewaschen werden. Helm Helme an Bord von Notfallkrankenwagen und Rettungs- wagen sollen entweder der Norm für Industrieschutzhel- me (DIN EN 14052) entsprechen oder als Feuerwehr- schutzhelme nach DIN EN 443 bzw. 16473 ausgelegt sein. Diese haben neben einem Kinnschutz auch ein Vi- sier sowie einen Nackenschutz. Schutzbrillen und Visiere Schutzbrillen oder Visiere nach DIN EN 166 schützen vor Spritzern und Tröpfchen potenziell infektiöser Materialien oder Flüssigkeiten. Diese Gefahr ist bei der Versorgung von Notfallpatienten immer gegeben. Für Brillenträger gibt es spezielle Überbrillen. Schutzbrillen mit optischer Korrektur können angefertigt werden. Schuhwerk Sicherheitsschuhe (gemäß EN ISO 20345) sollten mindes- tens die Anforderungen der Klasse S2 Typ B erfüllen und eine rutschhemmende Sohle haben. Diese Schuhe haben Zehenschutzkappen und einen mindestens knöchel- hohen Schaft als Schutz gegen Umknicken. Durchtritt- schutz und Schutz gegen Nässe sind bei häufig vorkom- menden Einsätzen in unbekannten Industriebetrieben/ Baustellen und unwegsamem Gelände sinnvoll (▶ Abb. 6). Handschuhe Wasserdichte Einmalschutzhandschuhe gegen infektiöse Gefährdungen sollten nach DIN EN 455 zertifiziert sein und ein AQL ≤ 1,5 als Zeichen der ausreichenden Dichtig- keit aufweisen. Latex ist als potenziell allergisierende Substanz bekannt. Der Gehalt an Latexprotein pro Gramm Handschuh soll 30 µg nicht überschreiten. Gepu- 80 Brabant M. Arbeits- und Gesundheitsschutz … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 69–85 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung FALLBEISPIEL Die Schwangerschaft Anna wird im 3. Weiterbildungsjahr als Anästhesistin schwanger. Gemeinsam mit ihrer Chefin und dem Betriebsarzt spricht sie die Gefährdungsbeurteilung durch. Im Notarztdienst kann sie wegen unverantwortbarer Gefährdungen nicht mehr eingesetzt werden. Anna sieht sich in der Lage, mit regelmäßigen Erholungspausen unter FFP2-Maske in der Prämedikationsambulanz zu arbeiten. Ein OP-Saal wird durch organisatorische Umstellungen (nur elektive Eingriffe, keine Durchleuchtung, TIVA) in Absprache mit der Auf- sichtsbehörde mutterschutzkonform gestaltet. Anmerkung Maßnahmen zur Beschäftigung von Schwangeren und Stillenden sind im Einzelfall zu prüfen und sollen Rücksicht auf die Wünsche der Frau nehmen. Die Abstimmung mit der zuständigen Aufsichts- behörde ist wichtig. Weitere Informationen finden sich auf deren Internetpräsenzen, in der Broschüre „Mutterschutz im Kranken- haus“ und unter www.opids.de. Neben dem Verbot von Nacht- und Mehrarbeit sind im Mutterschutzgesetz unzulässige Tätigkeiten explizit ge- nannt, die in Rettungsdienst und Notfallmedizin relevant sind: ▪ Kontakt mit Biostoffen, ▪ Heben, Halten, Bewegen oder Befördern von Lasten, ▪ Arbeiten in Zwangshaltungen, ▪ Exposition gegenüber Gefahrstoffen, ▪ Exposition gegenüber ionisierenden und nicht ionisie- renden Strahlen, ▪ Tätigkeiten mit einem Risiko für Unfälle durch Ausglei- ten, Fallen oder Stürzen oder zu befürchtende Tätlich- keiten, ▪ Tragen von belastender Schutzausrüstung. Interessenkonflikt Erklärung zu finanziellen Interessen Forschungsförderung erhalten: nein; Honorar/geldwerten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: nein; Bezahlter Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an im Bereich der Medizin aktiven Firma: nein; Patent/ Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an zu Sponsoren dieser Fortbildung bzw. durch die Fortbil- dung in ihren Geschäftsinteressen berührten Firma: nein. Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen Arbeitsgemeinschaft Notärzte in Nordrhein-Westfalen, Deutscher Rat für Wiederbelebung, Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte. Autorinnen/Autoren Marcus Brabant Dr. med., Facharzt für Anästhesiologie, Zusatz- bezeichnung Notfallmedizin und Intensivmedi- zin, Facharzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Arbeitsmedizin beim Betriebsärztlichen Dienst Bertelsmann. Jahrgang 1974. Tätig als Anäs- thesist am Klinikum Bielefeld. Notarzt und LNA. Dozent und Prüfer am Studieninstitut Westfalen-Lippe, Medi- zin und Rettungswesen. Korrespondenzadresse Dr. med. Marcus Brabant Betriebsärztlicher Dienst Bertelsmann Bertelsmann SE & Co. KGaA Carl-Bertelsmann-Straße 161 M 33311 Gütersloh Deutschland marcusbrabant@me.com Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen Eine werdende Mutter sollte die Schwangerschaft mög- lichst frühzeitig mitteilen, damit Maßnahmen des Mut- terschutzes umgesetzt werden. Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungs- bestimmungen für diesen Beitrag ist Dr. med. Marcus Brabant, Gütersloh. KERNAUSSAGEN ▪ Die Tätigkeit in Rettungsdienst und Notfallmedizin bringt zahl- reiche physische und psychische Gefährdungen mit sich. ▪ Arbeitsschutzmaßnahmen können technischer, organisatori- scher und persönlicher Art sein. ▪ Die Mitarbeiter sind in Themen des Arbeitsschutzes regelmäßig zu unterweisen. ▪ Alle beteiligten Berufsgruppen sollten in der Aus- und Weiter- bildung für Themen des Arbeitsschutzes sensibilisiert werden. ▪ Betriebsärzte sind zentrale Ansprechpartner für Fragen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz. Literatur [1] Schumann H. Belastungen und Beanspruchungen von Einsatz- kräften im Rettungsdienst. Eine vergleichende Analyse zwi- schen Hilfsorganisationen und Berufsfeuerwehren. Edewecht: Stumpf + Kossendey; 2020 [2] Roßbach B, Löffler KI, Mayer-Popken J et al. Belastungs- und Beanspruchungskonzept. In: Letzel S, Nowak D, Hrsg. Hand- buch der Arbeitsmedizin. Arbeitsphysiologie, Arbeitspsycho- logie. Klinische Arbeitsmedizin. Prävention und Gesundheits- förderung, 3. Aufl. Landsberg: Ecomed Medizinverlag; 2021: 1–17. Im Internet (Stand 14.05.2021): https://online-produk- te.ecomed-storck.de/arbm/xhtml/document.jsf?docId=docs/ arbm_a_ii_1_2007_03_01.html&alias=arbm_a_ii_1_2007_ 03_01&event=navigation [3] Arbeitsschutzgesetz. Im Internet (Stand: 10.02.2021): www. gesetze-im-internet.de/arbschg/ 82 Brabant M. Arbeits- und Gesundheitsschutz … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 69–85 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Punkte sammeln auf CME.thieme.de Diese Fortbildungseinheit ist in der Regel 12 Monate online für die Teilnahme verfügbar. Den genauen Einsendeschluss finden Sie unter https://eref.thieme.de/CXF9TZ9. Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, finden Sie unter https://cme.thieme.de/hilfe eine ausführliche Anleitung. Wir wünschen viel Erfolg beim Beantworten der Fragen! Unter https://eref.thieme.de/CXF9TZ9 oder über den QR-Code kommen Sie direkt zur Startseite des Wissenstests. VNR 2760512022161724721 Frage 1 Frage 5 Welche Vorschrift regelt die Aufgaben von Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit? A Arbeitsschutzgesetz B Arbeitssicherheitsgesetz C Vorschrift 1 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV-Vorschrift 1) D Mutterschutzgesetz E Arbeitsstättenverordnung Frage 2 Wer ist Normadressat der Gesetze im Arbeitsschutz? A die Arbeitnehmer B die Gesundheitsämter C Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit D der Sicherheitsbeauftragte E der Unternehmer/Arbeitgeber Frage 3 Was versteht man unter dem dualen System im Arbeitsschutz? A gemeinsame Aspekte von Eignungsuntersuchung und ar- beitsmedizinischer Vorsorge B die Aufgabenteilung zwischen Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit C die fachgerechte Trennung von infektiösen und nichtinfektiö- sen Abfällen D die gemeinsame Zuständigkeit von Staat und Trägern der ge- setzlichen Unfallversicherung E der Cross-Check vor Medikamentengabe zur Fehlervermei- dung Frage 4 In welcher Norm ist der Einsatz von Sicherheitsgeräten (z. B. Ve- nenverweilkanülen) geregelt? A TRBA 250 B Arbeitsstättenregel A 3.7 C Gefahrstoffverordnung D Arbeitsmedizinische Vorsorgeverordnung E Arbeitsstättenverordnung Welche Impfung gehört nicht zu den Standardimpfungen nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission des Robert Koch-Instituts (STIKO)? A Hepatitis A B Hepatitis B C Tetanus D Diphtherie E Pertussis Frage 6 Eine der folgenden Maßnahmen gehört nicht zum empfohlenen Vorgehen nach einer Nadelstichverletzung. Welche? A Spülen mit Wasser B Desinfektion der Einstichstelle C Vorstellung beim Durchgangsarzt D Aussaugen der Wunde mit dem Mund E Prüfen einer Postexpositionsprophylaxe Frage 7 Was ist kein mögliches Hilfsmittel zum Transport von Patienten? A Tragetuch B Raupenstuhl C Halligan-Tool D Drehleiter E Schleifkorbtrage Frage 8 Ab welchem Schallpegel (über 8 h gemittelt) ist das Tragen von Gehörschutz vorgeschrieben? A 50 dB(A) B 60 dB(A) C 80 dB(A) D 85 dB(A) E 135 dB(C) ▶ Weitere Fragen auf der folgenden Seite … 84 Brabant M. Arbeits- und Gesundheitsschutz … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 69–85 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Notizen

IM AKUTFALL DIE RICHTIGE ENTSCHEIDUNG TREFFEN Mit diesem Buch treffen Sie im Akutfall die richtige Entscheidung Konkrete Handlungsempfehlungen für alle wichtigen Notsituationen der internistischen Intensivmedizin – mit kurzgefassten Übersichten und Algorithmen für einen schnellen Überblick: • Neue Kapitel zu Epistaxis, Trachealkanülen-Notfall, dem Takotsubo Syndrom, dem malignen neuro- leptischem Syndrom u.a. • Klare diagnostische Algorithmen und Behandlungsempfehlungen zu allen Notfällen • Cave: Auf was sollten Sie bei Diagnostik und Akuttherapie unbedingt achten, was müssen Sie im Einzelfall vermeiden? Buch + Online-Version in der eRef ISBN 978 3 13 243100 3 59,99 € [D] . o t o h p k c o t S – m o c . e b o d a . k c o t s – l t t ö h c s e n g e r i © o t o F www.thieme.de/shop . 9 9 4 3 A R H , t r a g t t u t S r e t s i g e r s l e d n a H d n u - z t i S , G K g a l r e V e m e h T g r o e G i . t e n h c e r e b r e t i e w n e t s o k d n a s r e V n e d n e l l i a f n a e d n e d r e w ] D l [ b a h r e ß u a n e g n u r e f e i L i e B . n e t l a h e b r o v r e m ü t r r I d n u n e g n u r e d n ä s i e r P

CME-Fortbildung Unter dieser Rubrik sind bereits erschienen: Präklinische Versorgung bei thermischen Verletzungen J. W. Tee, J. Horter, M. Renkert-Baudis Heft 4/2021 Präklinische Akutbehandlung von Wirbelsäulenverletzungen M. Kreinest, S. Goller, A. Türk Heft 2/2015 Management schwerer Weichteil- und Amputations- verletzungen K. Barzen, D. A. Koch, U. Schweigkofler, R. Hoffmann Heft 2/2021 Amputationsverletzungen und schwere Weichteilquetschung Y.-J. Kim, M. Sauerbier, R. Hoffmann, U. Schweigkofler Heft 2/2015 Sommer, Sonne, Hitzenotfall D. Naß, E. Bauderer Heft 2/2020 Das Schädel-Hirn-Trauma im Erwachsenenalter P. Hagebusch, A. Pingel, F. Kandziora, R. Hoffmann, U. Schweigkofler Heft 1/2020 Präklinische Versorgung von Extremitätenfrakturen und Luxationen B. Wohlrath, U. Schweigkofler, R. Hoffmann Heft 1/2015 Thoraxtrauma S. Schulz-Drost, G. Matthes, A. Ekkernkamp Heft 1/2015 Die präklinische Behandlung von Patienten mit Wirbelsäulen- trauma J. Wehling, C. Herren, P.-C. Nolte, M. Kreinest Heft 1/2020 Akzidentelle Hypothermie/schwere Unterkühlung H. Andruszkow, F. Hildebrand Heft 4/2013 Traumatologie des Gesichtsschädels – eine aktuelle Orientie- rung H. Naujokat, A. Sengebusch, J. Wiltfang Heft 4/2019 Akzidentelle Hypothermie: ein Update S. Rauch, H. Brugger, P. Paal Heft 4/2018 Präklinische Immobilisation bei Traumapatienten R. Klein, N. Ramadanov, C. G. Wölfl, G. Matthes Heft 4/2018 Penetrierende Verletzungen M. Völlmecke, D. Bieler, A. Franke, E. Kollig Heft 3/2018 Handverletzungen S. Barzen, W. Moll, U. Schweigkofler, R. Hoffmann Heft 2/2018 S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung – ein Update U. Schweigkofler, H. Trentzsch Heft 2/2018 Das schwere Trauma im Kindesalter P. Störmann, S. Meier, S. Wutzler, I. Marzi Heft 3/2017 Das Schädel-Hirn-Trauma S. Liebigt, C. Renner Heft 3/2015 Interdisziplinäre Schockraumversorgung polytraumatisierter Patienten J. Hinkelbein, C. Faymonville, M. Hackenbroch, V. Burst, B. Böttiger Heft 3/2013 Das TraumaNetzwerk der Deutschen Gesellschaft für Unfall- chirurgie A. Ernstberger, M. Nerlich, S. Ruchholtz Heft 3/2013 Strom- und Blitzunfälle im Rettungsdienst O. Spelten, J. Hinkelbein Heft 1/2013 Präklinische Versorgung von Extremitäten- und Wirbelsäulen- verletzungen B. Bücking, F. Debus, S. Ruchholtz Heft 4/2012 Ersttherapie polytraumatisierter Patienten mit Schädel-Hirn- Verletzung B. Donaubauer, F. Pfeifer, H. Wrigge Heft 2/2012 Versorgung von Brandverletzten J. Gille, H. Fischer, J.-C. Willms-Jones Heft 1/2012 Die S3-Leitlinie Polytrauma S. Ruchholtz, H. Bail, M. Barden- heuer, M. Bayeff-Filloff, A. Beck, A. Biewener, B. Bouillon, M. Fischbacher, S. Hentsch, E. Hüls, K.-G. Kanz, C. Lackner, T. Lindner, I. Marintschev, G. Matthes, H. Mayer, M. Raum, E. Rickels, S. Sauerland, U. Schächinger, M. Schädel-Höpfner, ALLES ONLINE LESEN IHR ONLINE-SAMMELORDNER JETZT FREISCHALTEN Mit der eRef lesen Sie Ihre Zeitschrift: online wie offline, am PC und mobil, alle bereits erschienenen Artikel. Für Abonnenten kostenlos! https://eref.thieme.de/notfall-u2d Sie möchten jederzeit und überall auf Ihr up2date-Archiv zu- greifen? Kein Problem! Ihren immer aktuellen Online- Sammelordner finden Sie unter: https://eref.thieme.de/1ES9S Sie haben Ihre Zeit- schrift noch nicht freigeschaltet? Ein Klick genügt: www.thieme.de/eref-registrierung

CME-Fortbildung Sport Radfahren, Gehen Treppen/Leitern Heimwerken Hausarbeit Bewegung auf der Stelle Gartenarbeit Essenszubereitung 5,8 % 5,6 % 4,8 % 4,1 % 3,7 % Unfälle in der Freizeit 12,5 % 27,2 % 26,3 % Spielen 3,1 % 0 10 20 30 Prozent ▶ Abb. 2 Unfälle in der Freizeit. Modifiziert nach Unfallstatistik Sport, Freizeit, Haushalt (https://verbraucherforum-info.de/unfall- statistik-sport-freizeit-haushalt/; Stand: 16.08.2021). Rumpf, Wirbelsäule 5–10 % untere Extremität 20–40 % Kopf 8–20 % obere Extremität, Schultergürtel 30–45 % 1 ▶ Abb. 3 Überblick über die Verletzungslokalisationen und ‑häufigkeiten bei Mountainbikern (Daten nach [23]). 2019 verunfallten 87 860 Fahrradfahrer, davon 445 töd- lich. Mountainbiken wird vor allem von jungen Männern im Al- ter zwischen 20 und 30 Jahren betrieben [4]. Etwa jeder sechste (17,8%), der mit einem Fahrrad verunglückte, war im Alter von > 65 Jahren. Über die Hälfte der tödlich verletzten Fahrradfahrer waren Teil der Altersgruppe > 65 Jahre [5]. Im Rahmen des TraumaRegister-Jahres- berichts der DGU wurden im Jahr 2019 nach Fahrradunfäl- len 3062 schwerverletzte Patienten registriert [6]. Beson- ders auffallend ist, dass Fahrradunfälle mit sog. E-Bikes/ Pedelecs besonders häufig Patienten im Alter > 65 Jahren betreffen. Die Zahl der Unfälle mit E-Bikes, die Häufigkeit und Schwere der Unfälle sowie der damit einhergehenden Verletzungen hat in den letzten Jahren zugenommen. Das Sterberisiko ist, unter anderem aufgrund nachlassen- der körperlicher Aktivität, Vorerkrankungsprofil und Dau- ermedikation (wie z. B. Blutverdünner), für Menschen > 65 Jahren deutlich größer als bei Jüngeren [5]. Betrachtet man Statistiken zur Unfallursache in der Frei- zeit, machen Sport- und Fahrradunfälle mit über 50% den überwiegenden Anteil aus (▶ Abb. 2). In diesem Bei- trag legen wir unseren Fokus auf die Radfahrer und hier insbesondere die Mountainbiker. Verletzungen im Rahmen von Mountainbike-Stürzen zei- gen folgende Lokalisationen und Verteilung (▶ Abb. 3): ▪ Die Verletzungen betreffen besonders häufig, nahezu gleich verteilt, die obere und untere Extremität [7]. ▪ Kopf- und Wirbelsäulenverletzungen machen je nach Literatur etwa 9–20% der Verletzungen aus [8]. Das Schlüsselbein stellt den am häufigsten frakturierten Knochen dar. Prellungen, Hautabschürfungen sowie ligamentäre und muskuläre Verletzungen betreffen besonders die untere Extremität. ▪ Die Kopfverletzungen reichen von einer Commotio cerebri bis hin zum schweren Schädel-Hirn-Trauma. 92 Kahr S et al. Sport- und Freizeitverletzungen … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 89–110 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung TAKE HOME MESSAGE Eine professionelle präklinische Versorgung dieser Patientengruppe hat entscheidenden Einfluss auf die spätere Rehabilitation und somit die Lebensqualität der oftmals jungen Patienten [9]. Die Behandlung beinhaltet neben einer adäquaten Schmerztherapie die korrekte Lagerung/Immobilisation und ggf. Schienung der verletzten Körperteile sowie die Aus- wahl der richtigen Zielklinik. Erster Eindruck – Erstuntersuchung Bei der Erstuntersuchung eines verunfallten Mountain- bike-Fahrers sollte sich der Notarzt nicht von offensicht- lich vorliegenden Verletzungen ablenken lassen. Auch eine Bewusstseinsstörung des Patienten darf nicht zum Übersehen anderweitiger Verletzungen führen. Als Orien- tierungshilfe können standardisierte Algorithmen wie PHTLS (Prehospital Trauma Life Support) oder ATLS (Ad- vanced Trauma Life Support) herangezogen werden. Sie erleichtern eine komplette Befunderhebung und sind zu- dem nach Prioritäten orientiert, sodass etwaige lebens- rettende Sofortmaßnahmen immer im Vordergrund ste- hen [10, 11]. Primary Survey Die Untersuchung des Verunfallten erfolgt nach dem ABCDE- oder cABCDE-Prinzip (▶ Tab. 1). So werden z. B. offene Frakturen oder Gelenkluxationen erst behandelt, wenn nach cABCDE-Algorithmus akut lebensbedrohliche Verletzungen ausgeschlossen wurden. Nur bei Vorliegen einer hämodynamisch relevanten Blu- tung sollte diese umgehend gestillt werden. Die nicht oder nicht sachgerecht durchgeführte Blutstillung kann auch in Gebieten mit hoher Klinikdichte zum Tod des Pa- tienten führen [12]. Wichtig ist, dass während der gesamten präklinischen und klinischen Phase ein Auskühlen des Patienten verhin- dert bzw. minimiert wird. Hierzu sollte versucht werden, die Normothermie mit gewärmten Infusionen, Isolier- folien, Decken oder z. B. aktiven Wärmematten zu erhal- ten [13]. TAKE HOME MESSAGE Liegen lebensbedrohliche Verletzungen vor, so dür- fen die lebensrettenden Maßnahmen nicht durch die Behandlung nicht lebensbedrohlicher Verletzungen verzögert werden [11]. Präklinische Diagnostik – Secondary Survey Anamnese und Inspektion Unfallhergang und Unfallmechanismus, auch fremdan- amnestisch erhoben, können wichtige Hinweise auf mög- liche Verletzungsmuster geben. Im Rahmen der Anamne- se ist es sinnvoll, nach dem sog. AMPEL-Schema (s. Info- box) vorzugehen [11]. PR A XIS AMPEL-Schema zur Anamneseerhebung ▪ A – Allergien ▪ M – Medikation ▪ P – Patientengeschichte/Past Illness (Vorerkrankungen und Schwangerschaft) ▪ E – Ereignisse in Bezug auf den Unfall ▪ L – letzte Mahlzeit Für die körperliche Untersuchung unter „optimalen“ Be- dingungen ist es meist notwendig, den Patienten in den RTW zu bringen, die Kleidung aufzuschneiden und den Patienten vollständig zu entkleiden, um beispielsweise auch abdominelle Prellmarken nicht zu übersehen. Hier- bei ist unbedingt auf einen aktiven Wärmeerhalt des Pa- tienten zu achten. ▶ Tab. 1 Primary Survey nach Advanced Trauma Life Support (ATLS) und Prehospital Trauma Life Support (PHTLS). ATLS/PHTLS Maßnahme c A B C D E Critical Bleeding Kontrolle kritischer Blutungen Airway and C‑Spine Protection Atemweg sichern und HWS-Stabilisierung Breathing Circulation Disability Beatmung und Ventilation Kreislaufsicherung neurologischer Status Exposure/Environment entkleiden und Wärmeerhalt 94 Kahr S et al. Sport- und Freizeitverletzungen … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 89–110 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung ▶ Tab. 3 Klassifikation des Weichteilschadens geschlossener Frakturen nach Tscherne und Oestern [17]. Einteilung Kennzeichen Grad 0 Grad 1 Grad 2 Grad 3 fehlende oder unbedeutende Weichteilverletzung oberflächliche Schürfung oder Kontusion durch Fragmentdruck von innen tiefe kontaminierte Schürfung sowie Haut- oder Muskelkontusion ausgedehnte Hautkontusion, ‑quetschung oder Zerstörung der Muskulatur subkutanes Décollement manifestes Kompartmentsyndrom ▶ Tab. 4 Klassifikation der offenen Frakturen nach Gustilo und Anderson [18]. Einteilung Grad 1 Grad 2 Grad 3 Kennzeichen Hautläsion < 1 cm Durchtrennung der Haut Fragmentdurchspießung von innen Hautläsion > 1 cm Fragmentdurchspießung von außen durch direktes Trauma ausgedehnter Weichteilschaden ▪ A: mit noch adäquater Knochendeckung ▪ B: Deperiostierung und freiliegender Knochen ▪ C: rekonstruktionspflichtige arterielle Gefäßversorgung Merke Entscheidend für die Diagnose einer Rückenmark- schädigung ist das Vorliegen eines neurologischen Defizits (Sensibilität/Motorik). Zur orientierenden Einschätzung der Höhe einer erkann- ten Verletzung können folgende anatomische Landmar- ken helfen: ▪ Der Ringknorpel entspricht in etwa der Höhe des HWK 6. ▪ Der Bauchnabel entspricht in etwa der Höhe des BWK 10. ▪ Der Darmbeinkamm entspricht in etwa der Höhe des LWK 4. Zudem ist die orientierende Überprüfung der peripheren Durchblutung (Rekapillarisationszeit, periphere Extremi- tätenpulse), Motorik und Sensibilität obligat [14, 15, 20]. Es ist jedoch auch wichtig zu wissen, dass sich ein initial unauffälliger Neurostatus im Verlauf des Transports ver- ändern kann und eine Wirbelsäulenverletzung nicht aus- schließt [13, 15]. Präklinische Therapie Zu den häufigsten Verletzungen im Rahmen von Moun- tainbike-Stürzen zählen Prellungen und Weichteilverlet- zungen wie Hautabschürfungen. Zu den häufigsten schweren Verletzungen zählen Frakturen der oberen und unteren Extremität (Klavikula, Radius, Tibia) sowie Luxa- tionen der großen und kleinen Gelenke (Schulter, Ellen- bogen, Patella, Kniegelenk). Verletzungen wie Schädel- Hirn-Traumata oder Wirbelsäulenverletzungen kommen seltener vor, sind jedoch potenziell lebensbedrohlich. Im Rahmen der Wirbelsäulenverletzungen ist die Halswirbel- säule (HWS) gefolgt von der Brust- und Lendenwirbelsäu- le (BWS, LWS) am häufigsten betroffen [4, 21 – 23]. Frakturen Geschlossene Frakturen Bei dem Verdacht auf eine Fraktur oder beim Vorliegen sicherer Frakturzeichen (Übersicht s. o.) sollte die betrof- fene Extremität ruhiggestellt werden [15, 16]. Hierzu müssen die benachbarten Gelenke in die Schienung mit einbezogen werden. Durch die Schienung der Verletzung kann, neben der Schmerzlinderung, auch das Risiko für weitere Weichteilschädigungen, Embolien und neurolo- gische Schäden vermindert werden [24]. 96 Kahr S et al. Sport- und Freizeitverletzungen … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 89–110 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung ▶ Abb. 7 Einteilung der Beckenringfrakturen. a Typ-A-Verletzung. b Typ-B-Verletzung. c Typ-C-Verletzung [63] (Quelle: Prof. Dr. med. A. Lang- heinrich, Chefarzt Abteilung interventionelle und diagnostische Radiologie). ▪ Typ-C-Verletzung (komplett instabile Frakturen, hin- terer Beckenring komplett durchbrochen) Besteht der Verdacht auf eine Verletzung des Becken- rings, sollte ein Beckengurt angelegt und der Patient im- mobilisiert werden. Auf die korrekte Positionierung des Beckengurts – auf Höhe der Trochanteren – ist zu achten. Zusätzlich sollten bei dem Patienten mindestens 2 venö- se Zugänge etabliert werden, sodass eine adäquate Schmerztherapie, ggf. Sedierung und Flüssigkeitssubsti- tution möglich ist, da die Gefahr einer hämodynamischen Instabilität im Verlauf des Transports besteht [29]. Ent- scheidend ist hier jedoch der zügige Transport des Pa- tienten in eine geeignete Zielklinik zur CT-Diagnostik und ggf. operativen Therapie. Offene Frakturen Im Rahmen der präklinischen Versorgung von offenen Frakturen steht die Blutungskontrolle nach dem cABCDE-Konzept an erster Stelle. Trotz der hohen Infekti- onsgefahr bei offenen Frakturen sind präklinisch das Auf- bringen einer sterilen Wundabdeckung (die erst im OP wieder geöffnet werden sollte) und eine adäquate Repo- sition durch axialen Zug und Ruhigstellung ausreichend [13, 24, 30, 31]. TIPP Bei offenen Frakturen stehen die Vermeidung von Infektionen sowie die Blutungskontrolle im Vorder- grund. Um die Kontamination durch häufiges Öffnen des Verbands nicht unnötig zu erhöhen, kann eine Fotodokumentation offener Frakturen sinnvoll sein. Aufgrund der Struktur des Rettungsdienstsystems in Deutschland und der kurzen Rettungszeiten spielt die präklinische Antibiotikagabe hierzulande keine Rolle [30, 31]. Blutungskontrolle Die Blutstillung, im Rahmen von offenen Frakturen oder tiefreichenden Weichteilverletzungen, sollte nach dem folgenden Stufenschema erfolgen: ▪ Zuerst Versuch der Blutungskontrolle durch manuelle Kompression. ▪ Bei persistierender Blutung: Anlage eines Druckver- bands. ▪ Bei persistierender Blutung trotz Druckverband: An- lage einer Blutdruckmanschette (Manschettendruck >arterieller Blutdruck) bzw. eines Tourniquets als Ulti- ma Ratio. Merke Sollte ein Tourniquet angelegt werden, ist neben einer adäquaten Analgesie auf die Dokumentation des genauen Zeitpunktes der Anlage zu achten [13, 16, 24]. Luxationen Die Basistherapie eines jeden Patienten mit einem luxier- ten Gelenk besteht immer aus einer adäquaten Schmerz- therapie. Die Entscheidung, ob ein Repositionsversuch präklinisch unternommen werden sollte, hängt von der Erfahrung des Notarztes ab. Bei Patienten mit Luxation der großen Gelenke (Schultergelenk, Kniegelenk, Hüftgelenk) sollte, sofern eine intakte periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität vorliegen, präklinisch auf einen Repositi- onsversuch verzichtet werden und der Patient stattdes- sen unter einer entsprechenden Schmerztherapie und Ruhigstellung in die Zielklinik gebracht werden. In der Kli- nik kann dann, nach erfolgter Röntgenkontrolle, eine Re- position unter optimalen Bedingungen durchgeführt werden [15]. Liegt jedoch ein Defizit im Bereich der peripheren Durch- blutung, Motorik und Sensibilität vor, sollte ein sofortiger 98 Kahr S et al. Sport- und Freizeitverletzungen … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 89–110 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung FALLBEISPIEL Fall 4 Eine 36-jähriger Mann ist bei einem Sturz mit seinem Mountainbike mit dem rechten Fuß in den Klickpedalen hängengeblieben und gestürzt und hat sich dabei das rechte Sprunggelenk verdreht. Im Primary Survey ergeben sich bis auf eine Fehlstellung des rech- ten Sprunggelenks und entsprechende Schmerzen keine Auffällig- keiten. Kein A-, B-, C- oder D-Problem. Der Notarzt reponiert das Sprunggelenk an der Unfallstelle unter Analgosedierung und legt eine Prosplint-Schiene an. Vorstellung über den Schockraum eines Überregionalen Trauma- Zentrums. Hier wird eine trimalleoläre Sprunggelenksluxations- fraktur diagnostiziert (▶ Abb. 9). ▶ Abb. 9 3-D‑CT-Rekonstruktion der trimalleolären Sprung- gelenksluxationsfraktur (Quelle: Prof. Dr. med. A. Langheinrich, Chefarzt Abteilung interventionelle und diagnostische Radiologie). Cave Nach einem Abdominaltrauma mit initial fehlender oder milder Symptomatik mit dann plötzlich auf- tretender hämodynamischer Instabilität muss immer an eine 2-zeitige Milzruptur gedacht werden [36]. Wirbelsäulenverletzungen Die präklinische Diagnostik von Wirbelsäulenverletzun- gen ist schwierig und deckt sich oftmals nicht mit den später in der Klinik gesicherten Diagnosen [37]. Dennoch gibt es richtungsweisende Kriterien, z. B. den Unfall- mechanismus, die in der Präklinik auf das Vorliegen einer Wirbelsäulenverletzung hinweisen [15]. Wirbelsäulenver- letzungen treten in 45% der Fälle in Kombination mit Be- gleitverletzungen des Schädels, des Thorax, des Abdo- mens, des Beckens oder der Extremitäten auf [38]. Cave Bei posttraumatisch bewusstlosen Patienten liegt in ca. 15 % der Fälle zusätzlich eine Verletzung der Wirbelsäule vor [39]. Zu den Symptomen von Wirbelsäulenverletzungen zäh- len: ▪ Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule, ▪ eine Deformierung oder Stufenbildung im Bereich der Processus spinosi und ▪ motorische oder sensible Defizite; diese können mit einer zeitlichen Varianz nach der Schädigung auftre- ten und zudem im Verlauf eine unterschiedliche Dyna- mik haben. Zudem unterscheidet sich die Symptomatik nach einer Wirbelsäulenverletzung von der Verletzungshöhe: ▪ Tritt eine Schädigung des Myelons im Zervikalbereich auf, so ist eine ausgeprägte Ateminsuffizienz bis hin zum Atemstillstand möglich. ▪ Ein neurogener Schock kann bei einer Verletzung des Myelons oberhalb des 6. Brustwirbelsegments auftre- ten. Der Patient zeigt einen rapiden Blutdruckabfall, Bradykardie, rosige warme Haut und eine unverän- derte Rekapillarisationszeit [15]. Cave hämorrhagischer Schock: Tachykardie, zunehmen- der Blutdruckabfall, blasse feuchte Haut und verlängerte Rekapillarisationszeit. Unterschieden werden muss zwischen dem sog. spinalen Schock und neurogenen Schock: ▪ Spinaler Schock: – Frühphase einer Verletzung des Myelons mit akuter Unterbrechung der kortikospinalen Bahnen. – Klinisches Bild mit schlaffer Lähmung, Fehlen von Berührungs-, Schmerz-, Temperaturempfinden und jegliches Fehlen von Fremd-/Eigenreflexen [40]. ▪ Neurogener Schock: – Durch einen relativ überwiegenden Parasympathi- kus kommt es zu einem distributiven Schock auf- grund Vasodilatation. – Klinisches Bild mit Bradykardie, Hypotonie, rosige und warme Haut [41]. Verletzungsmechanismen Verletzungsmechanismen Man unterscheidet bei Wirbelsäulenverletzungen drei (▶ Abb. 10), verschiedene nach denen auch die Wirbelkörperfrakturen eingeteilt sind [42]: Kompression, Distraktion und Rotation. ▪ Typ-A-Verletzung (Kompressionsverletzungen der Wirbelsäule): – Typische Unfallmechanismen für die Entstehung der Kompressionsverletzung beim Mountainbike- Fahrer sind Stürze über den Lenker mit Aufprall des Kopfes sowie ein Sturz mit Landung auf beiden Beinen oder dem Gesäß. 100 Kahr S et al. Sport- und Freizeitverletzungen … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 89–110 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung ▪ Typ-B-Verletzung (Distraktionsverletzungen der Merke Wirbelsäule): – Die Distraktionsverletzung entsteht durch Bewe- gungen wie Hyperflexion oder Hyperextension. Hierbei kann es sowohl zur Schädigung der knö- chernen Strukturen als auch der ligamentären Strukturen der Wirbelsäule kommen. ▪ Typ-C-Verletzung (Rotationsverletzungen der Wir- belsäule): – Rotationsverletzungen entstehen, wenn verschie- dene Kräfte von unterschiedlichen Seiten auf die Wirbelsäule einwirken. – Dreh- bzw. Scherkräften können zu komplexen knöchernen Verletzungen und zur Zerreißung der längs verlaufenden Bänder führen. Die präklinische Basistherapie eines Patienten mit einer Wirbelsäulenverletzung richtet sich nach der Höhe der Verletzung. Generell gilt, dass bei allen Patienten nach einem Moun- tainbike-Sturz am besten zeitgleich mit der ersten Kon- taktaufnahme mit dem Patienten die Halswirbelsäule manuell immobilisiert wird. Im Anschluss sollte dann eine HWS-Immobilisation durch Anlage einer HWS-Immobili- sationsschiene (z. B. Stifneck) erfolgen. Die Stabilisierung der Halswirbelsäule sollte auch im Rahmen des Airway-Managements aufrechterhalten werden [43]. Bei dem Vorliegen oder Verdacht auf eine Verletzung der Hals-/Brustwirbelsäule sollte die Bereitschaft zur Durch- führung einer Intubation und Beatmung des Patienten si- chergestellt werden [43]. Des Weiteren kann eine Verlet- zung im Bereich der Halswirbelsäule oder der oberen Brustwirbelsäule zu einem neurogenen Schock führen, der sich in Bradykardie und Hypotonie äußert [44]. Zum Transport soll die Wirbelsäule (Ganzkörperimmobili- sation) immobilisiert werden. Die alleinige Anlage einer HWS-Immobilisationsschiene bietet keine ausreichende Immobilisation der Halswirbelsäule [45]. Die Indikation zur Immobilisation der Halswirbelsäule wird in der Praxis großzügig gestellt. Als Entscheidungsalgorithmus für die Notwendigkeit einer Immobilisation der Halswirbelsäule kann die Canadian C Spine Rule genutzt werden. Sie um- fasst verschiedene Parameter wie das Patientenalter, den körperlichen Untersuchungsbefund und den Unfall- mechanismus (▶ Abb. 12) [46]. stabiler Patient (GCS 15; RR syst V.a. Verletzung der Halswirbelsäule oder Nackenschmerzen nach stumpfem Trauma oder sichtbaren Verletzungen oberhalb der Schlüsselbeine (auch ohne Nackenschmerzen) ≥ 90 mmHg, Atemfrequenz: 10–24/min) mit: mindestens ein High-Risk-Faktor, der eine HWS-Immobilisation erfordert: ja Alter > 65 Jahre Taubheitsgefühle oder Kribbelparästhesien in den Extremitäten axiale Stauchung des Kopfes Fahrradunfall mit Kollision Sturz aus > 1 m Höhe ja Immobilisation der HWS nein mindestens ein Low-Risk-Faktor, der die klinische Untersuchung der HWS erlaubt: Fehlen von Nackenschmerzen gehfähiger Patient fehlender Druckschmerz bei HWS-Palpation einfaches Überschlagen ja auf Aufforderung kann der Patient eine Rotation des Kopfes um 45° nach links und rechts durchführen ja keine Immobilisation der HWS nein nein ▶ Abb. 12 Flussdiagramm zur Indikationsstellung der Immobilisation der Halswirbelsäule (HWS) im Rahmen von Mountainbike- Stürzen, angepasst nach der Canadian C Spine Rule [64]. 102 Kahr S et al. Sport- und Freizeitverletzungen … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 89–110 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung ▪ diffuse axonale Schädigungen und Verletzungen der Hirnhäute. Merke Die primäre Hirnschädigung entsteht im Moment des Unfalls und ist durch keine Therapie zu beeinflussen. Die sekundäre Hirnschädigung entsteht zeitlich ver- zögert und ist entscheidend von der Hirndurchblutung (zerebraler Perfusionsdruck; s. Infobox) abhängig [56]. Therapie Merke Die sekundären Folgeschäden zu minimieren ist das primäre Therapieziel bei der Behandlung des Schädel- Hirn-Traumas. Ziel der präklinischen Therapie ist das Erreichen einer Normotonie, Normoxämie, Normothermie und Normo- ventilation. FALLBEISPIEL Fall 6 – Fortsetzung Trotz zeitgerechter Vorstellung über den Schockraum eines Überregionalen TraumaZentrums trübt die Patientin dort zunehmend ein, zusätzlich zeigt sich eine Anisokorie links > rechts. Bei einem GCS < 9 wird die Patientin endotracheal intubiert. Die Diagnostik mittels cCT ergibt ein bihemisphärisches Subduralhämatom links > rechts mit Mittellinienverlagerung nach rechts sowie eine traumatische Subarachnoidalblutung links. Knöchern zeigen sich eine nicht dislozierte Kalotten- fraktur rechts parietal sowie eine temporale Fraktur mit Einstrahlung in die Schädelbasis (▶ Abb. 13). Die sofortige dekompressive Hemikraniektomie links mit Entlastung des Subduralhämatoms und Anlage einer ICP-Sonde zur Druckmessung werden durchgeführt. ▶ Abb. 13 Initiale cCT-Schnittbildgebung im Schockraum (transversale Schnittbildgebung). Die roten Sterne zeigen das bihemisphärische Subduralhämatom. Die rote gestrichelte Linie deutet die Mittelline zur Beurteilung der Mittellinienver- lagerung nach rechts an. Die roten Kästchen zeigen die Frakturen des Schädels und der Schädelbasis (Quelle: Prof. Dr. med. A. Langheinrich, Chefarzt Abteilung interventionelle und diagnostische Radiologie). 104 Kahr S et al. Sport- und Freizeitverletzungen … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 89–110 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung KERNAUSSAGEN ▪ Im Rahmen von Mountainbike-Unfällen treten ins- besondere Verletzungen der oberen und unteren Extremitäten auf. Häufig betroffen sind junge Männer zwischen 20 und 30 Jahren. ▪ Bei potenziell lebensbedrohlicher Verletzung dür- fen die erforderlichen Maßnahmen nicht durch die Behandlung nicht vital bedrohlicher Verletzungen verzögert werden. ▪ Die HWS-Immobilisation sollte mittels HWS-Im- mobilisationsschiene in Neutralposition durch- geführt werden. Als Entscheidungshilfe für die In- dikationsstellung kann die Canadian C Spine Rule genutzt werden. ▪ Bereits bei V. a. Fraktur erfolgt die Ruhigstellung der betroffenen Extremität (Prüfung der pDMS vor und nach Anlage der Schienung). ▪ Bei grob dislozierten Frakturen, besonders bei peripherem sensomotorischem Defizit, sollte nach adäquater Analgesie eine Reposition der Fraktur unter axialem Zug erfolgen (nach Reposition pDMS erneut prüfen und dokumentieren). ▪ Bei Anlage eines Beckengurts ist auf die korrekte Position auf Höhe der großen Trochanteren zu achten. ▪ Eine Milzverletzung kann auch vorliegen, wenn initial keine Schmerzen nach stumpfem Bauch- trauma (Fahrradlenker) bestehen. Bei plötzlich auftretender Symptomatik bis hin zu hämodyna- mischer Instabilität nach symptomarmem Intervall immer an eine 2-zeitige Milzruptur denken! ▪ Bei posttraumatischer Bewusstlosigkeit liegt nicht selten eine zusätzliche Verletzung der Wirbelsäule vor. ▪ Die primären Hirnschäden bei Schädel-Hirn-Trau- ma können therapeutisch nicht beeinflusst wer- den; die präklinische Therapie kann jedoch die sekundären Traumafolgeschäden minimieren. Ziele sind: Normotonie (RRsyst. ≥ < 90 mmHg), Normoxämie (SpO2 ≥ 90 %), Normothermie und Normoventilation. ▪ Entscheidend wichtig sind die Auswahl des richti- gen Transportmittels und der richtigen Zielklinik. Interessenkonflikt Erklärung zu finanziellen Interessen Forschungsförderung erhalten: nein; Honorar/geldwerten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: nein; Bezahlter Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an im Bereich der Medizin aktiven Firma: nein; Patent/ Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an zu Sponsoren dieser Fortbildung bzw. durch die Fortbil- dung in ihren Geschäftsinteressen berührten Firma: nein. Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessen- konflikt besteht. Autorinnen/Autoren Sebastian Kahr Dr. med., Jahrgang 1989. 2010–2017 Studium der Humanmedizin an der Friedrich-Schiller- Universität Jena und der Johann-Wolfgang- Goethe Universität Frankfurt am Main. Tätig als Assistenzarzt in der Abteilung für Unfallchirur- gie der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt am Main. Alexander Klug Dr. med., Facharzt für Orthopädie und Unfall- chirurgie. Seit 2020 unfallchirurgischer Ober- arzt der BG Unfallklinik Frankfurt am Main, Notarzt des Rettungsmittels NEF-1 Frankfurt am Main sowie regelmäßige Einsatztätigkeit auf dem Rettungshubschrauber Christoph 2; PHTLS-, ATLS, AMLS-Provider. Uwe Schweigkofler PD Dr. med., Jahrgang 1964. Stellvertretender ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaft- lichen Unfallklinik Frankfurt am Main, wo er zuvor als Leitender Arzt des Notfall- und Ret- tungszentrums über viele Jahre u.a. als ärzt- licher Leiter des Rettungshubschraubers Chris- toph 2 und des Notarzteinsatzfahrzeugs 1 fungierte. Aktives Mitglied in vielen notfallmedizinisch orientierten Gremien und Sektionen der DIVI und DGU. Korrespondenzadresse Dr. med. Sebastian Kahr Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Frankfurt am Main Unfallchirurgie und Orthopädische Chirurgie Friedberger Landstraße 430 60389 Frankfurt am Main Deutschland Sebastian.Kahr@BGU-Frankfurt.de 106 Kahr S et al. Sport- und Freizeitverletzungen … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 89–110 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung [39] Firsching R, Rickels E, Mauer UM et al. Leitlinie Schädel-Hirn- Trauma im Erwachsenenalter. Update 2015. AWMF Register- nummer 008–001. Im Internet (Stand: 16.08.2021): https:// www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/008-001l_S2e_Schae- delhirntrauma_SHT_Erwachsene_2015-12-abgelaufen.pdf [40] Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chi- rurgie, Berufsverband der Ärzte für Orthopädie. Leitlinien der Orthopädie: Querschnittlähmung. (Stand: 16.08.2021): http://www.leitliniensekretariat.de/files/MyLay- out/pdf/querschnittlaehmung.pdf Im Internet [41] Furlan JC, Fehlings MG. Cardiovascular complications after acute spinal cord injury: pathophysiology, diagnosis, and man- agement. Neurosurg Focus 2008; 25: E13 [42] Vaccaro AR, Oner C, Kepler CK et al. AO Spine thoracolumbar spine injury classification system: fracture description, neuro- logical status, and key modifiers. AOSpine spinal cord injury & trauma knowledge forum. Spine (Phila Pa 1976) 2013; 38 (23): 2028–2037 [43] Kreinest M, Goller S, Türk A. Präklinische Akutbehandlung von Wirbelsäulenverletzungen. Notfallmed up2date 2015; 10 (2): 117–132 [44] Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie: Kapitel: Neurotraumatologie und Erkrankungen von Wirbelsäule und Nervenwurzel. Quer- schnittlähmung. Im Internet (Stand: 16.08.2021): https:// dgn.org/wp-content/uploads/2013/01/ll_71_2012_quer- schnittlhmung.pdf [45] American Association of Neuological Surgeons. Guidelines for the Management of Acute Cervical Spine and Spinal Cord Inju- ries. Im Internet (Stand: 16.08.2021): http://www.aans.org/ ~/media/Files/Education%20and%20Meetingf/Clinical% 20Guidelines/TraumaGuidelines.ashx?la=en [46] Vaillancourt C, Stiell IG, Beaudoin T et al. The out-of-hospital validation of the Canadian C‑Spine Rule by paramedics. Ann Emerg Med 2009; 54: 663–671.e1 [47] Oliver J, Creighton P. Bicycle injuries and helmet use: a system- atic review and meta-analysis. Int J Epidemiol 2017; 46: 278– 292. doi:10.1093/ije/dyw153 [48] Wesson D, Spence L, Hu X, Parkin P. Trends in bicycling-related head injuries in children after implementation of a communi- ty-based bike helmet campaign. J Pediatr Surg 2000; 35: 688– 689 [53] Balestreri M, Czosnyka M, Chatfield DA et al. Predictive value of Glasgow Coma Scale after brain trauma: change in trend over the past ten years. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2004; 75: 161–162 [54] Badjatia N, Carney N, Crocco TJ et al. Guidelines for prehospital management of traumatic brain injury 2nd edition. Prehosp Emerg Care 2008; 12 (Suppl. 1): S1–S52 [55] Freude G, Mauer UM, Gässler H et al. Prähospitale Versorgung des Schädel-Hirn-Traumas. Notarzt 2017; 33: 300–309 [56] Walter J, Zweckberger K. Traumatische Verletzungen des zen- Intensivmed Notfallmed tralen Nervensystems. Anästhesiol Schmerzther 2018; 53 (10): 668–681 [57] Hagebusch P, Pingel A, Kandziora F et al. Das Schädel-Hirn- Trauma im Erwachsenenalter. Notfallmed up2date 2020; 15 (1): 59–74 [58] Naujoks F, Faul P, Hagebusch P et al. Auswahl der richtigen Zielklinik – Welcher Patient in welche Klinik? Notfallmed up2date 2019; 14 (01): 47–66 [59] Schoeneberg C, Schilling M, Keitel J et al. Traumanetzwerk, TraumaRegister der DGU®, Weißbuch, S3-Leitlinie Polytrauma – ein Versuch der Validierung durch eine retrospektive Analyse von 2304 Patienten (2002–2011) an einem überregionalen (Level 1) Traumazentrum. Zentralbl Chir 2017; 142: 199–208 [60] Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU). Weißbuch Schwerverletztenversorgung, 2. Aufl. Supplement 1/2012: Or- thopädie und Unfallchirurgie – Mitteilungen und Nachrichten 2012. Im Internet (Stand: 16.08.2021): https://www.dgu-on- line.de/fileadmin/published_content/5.Qualitaet_und_Sicher- heit/PDF/20_07_2012_Weissbuch_Schwerverletztenversor- gung_Auflage2.pdf [61] Ruchholtz S, Mand C, Lewan U et al. Regionalisation of trauma care in Germany: the “TraumaNetwork DGU‑Project”. Eur J Trauma Emerg Surg 2012; 38: 11–17 [62] Ernstberger A, Nerlich M, Ruchholtz S. Das TraumaNetzwerk der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie. Notfallmed up2date 2013; 8: 217–228 [63] Pennal GF, Tile M, Waddell JP et al. Pelvic disruption: assess- ment and classification. Clin Orthop 1980; 151: 12–21 [64] Stiell IG, Wells GA, Vandemheen KL et al. The Canadian C-spine rule for radiography in alert and stable trauma patients. JAMA 2001; 286: 1841–1248 [49] Williams M. The protective per formance of bicyclistsʼ helmets in accidents. Accid Anal Prev 1991; 23: 119–131 Bibliografie [50] Rivara FP, Thompson DC, Thompson RS et al. Injuries involving off-road cycling. J Fam Pract 1997; 44 (5): 481–485 [51] Liebigt S, Renner C. Das Schädel-Hirn-Trauma. Klinische Spezi- fika und Einteilung. Notfallmed up2date 2015; 10: 241–257 [52] Forslund MV, Perrin PB, Røe C et al. Global outcome trajecto- ries up to 10 years after moderate to severe traumatic brain injury. Front Neurol 2019; 10: 219 Notfallmedizin up2date 2022; 17: 89–110 DOI 10.1055/a-1195-7860 ISSN 1611-6550 © 2022. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany 108 Kahr S et al. Sport- und Freizeitverletzungen … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 89–110 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Punkte sammeln auf CME.thieme.de Fortsetzung … Frage 6 Frage 9 Welche Aussage zu Verletzungen im Rahmen von Mountainbike- Stürzen ist richtig? A Durch die Verwendung von Schutzhelmen können schwere Welche Aussage zu geschlossenen Frakturen der Extremitäten ist korrekt? A Bei korrekt angelegter Schienung ist keine Analgesie notwen- Schädel-Hirn-Traumata sicher verhindert werden. dig. B Die obere und untere Extremität sind von Verletzungen nahe- B Bereits der Verdacht auf eine Fraktur stellt die Indikation zur zu gleich häufig betroffen. Extremitätenschienung dar. C Verletzungen betreffen vor allem die Wirbelsäule. D Der am häufigsten frakturierte Knochen im Rahmen von C Bei Fehlen sicherer Frakturzeichen sollte die Extremität nicht geschient werden. Mountainbike-Stürzen ist der Oberschenkelknochen. D Luxationen des oberen Sprunggelenks treten selten in Kom- E Die häufigste Unfallursache sind mechanische Probleme, wie bination mit Frakturen auf. E Ringe, Armbänder und Uhren an betroffener Hand sollten bei Vorliegen einer Fraktur bis in die Klinik belassen werden und erst dort entfernt werden. Frage 10 Welche Aussage zur Behandlung offener Extremitätenfrakturen ist korrekt? A Die offene Wunde solle mit Desinfektionslösung gespült wer- den. B Die i. v. Antibiotikagabe stellt die erste Maßnahme dar. C Überprüfung der peripheren Durchblutung, Motorik und Sen- sibilität, Anlage steriler Wundverband, Schienung und ggf. Reposition. D Die Wunde sollte nicht steril verbunden werden, damit wäh- rend des Transports regelmäßige Wundkontrollen erfolgen können. E Die Infektionsgefahr stellt keine ernst zu nehmende Kompli- kation dar. geplatzte Reifen oder gebrochene Materialien. Frage 7 Welche Aussage zu den zertifizierten TraumaZentren nach DGU trifft zu? A Das Lokale TraumaZentrum ist nicht an der Erstnotfallversor- gung beteiligt. B Die apparative und personelle Ausstattung des Lokalen Trau- mazentrums überragt die des Regionalen TraumaZentrums. C In einem Regionalen TraumaZentrum besteht keine 24-stün- dige Verfügbarkeit einer CT-Diagnostik oder einer Neurotrau- matologie. D Ein überregionales TraumaZentrum hat die Voraussetzungen für eine 24-stündige Versorgung und Aufnahme von gleich- zeitig zwei Schwerverletzten aller Schweregrade. E Ein Überregionales TraumaZentrum ist nicht zur Übernahme eines primär versorgten und stabilisierten Patienten aus einem Lokalen TraumaZentrum verpflichtet. Frage 8 Welche Aussage zur Erstuntersuchung schwerverletzter Per- sonen trifft zu? A Die erste Maßnahme ist die Kreislaufkontrolle. B Man beginnt mit einem detaillierten Bodycheck von Kopf bis Fuß. C Bei Patientin mit einem Schädel-Hirn-Trauma ist die Kontrolle der Pupillenweite die erste Maßnahme. D Der Untersuchung erfolgt nach dem cABCDE-Schema. E Offene Frakturen oder Luxationen werden nach dem cABCDE-Schema immer zuerst behandelt. 110 Kahr S et al. Sport- und Freizeitverletzungen … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 89–110 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Spannendes aus dem AINS-Klinikalltag Erfahrene Kliniker schildern anästhesiologische Episoden aus ihrem Klinikalltag, fachlich aktuell und mit einer Prise Humor. Freuen Sie sich auf realistische Fälle, die Ihnen in dieser oder ähnlicher Form jederzeit in Ihrer Klinik begegnen können. Lernen Sie am konkreten Beispiel, wie Sie möglichen Stolpersteinen, Fehlerquellen und Kommunikationsfallen aus dem Weg gehen. Maximaler Praxisbezug • prägnante und lebendige Beispiele • Parallelen zum eigenen Klinikalltag • situationsbezogene und präventive Maßnahmen • Cave-Felder zu häufigen Problemen • Fazit der Fälle am Kapitelende Buch + Online-Version in der eRef ISBN 978 3 13 243956 6 39,99 € [D] www.thieme.de/shop . l e d o m a y b d e s o P . o t o h p k c o t S – m o c . e b o d a . k c o t s – e d u t i t p a n s © . 9 9 4 3 A R H , t r a g t t u t S r e t s i g e r s l e d n a H d n u - z t i S , G K g a l r e V e m e h T g r o e G i . t e n h c e r e b r e t i e w n e t s o k d n a s r e V n e d n e l l i a f n a e d n e d r e w ] D l [ b a h r e ß u a n e g n u r e f e i L i e B . n e t l a h e b r o v r e m ü t r r I d n u n e g n u r e d n ä s i e r P

CME-Fortbildung Unter dieser Rubrik sind bereits erschienen: Akut suizidale Jugendliche – was der Notarzt tun und lassen sollte G. von Polier, S. Gilsbach, U. Hagenah Heft 4/2021 Management thermischer Verletzungen im Kindesalter I. Königs, M. Fattouh Heft 1/2017 Notfalltransporte von Neugeborenen G. Hillebrand, B. Naust Heft 3/2021 Die kardiopulmonale Reanimation von Kindern (Paediatric Life Support) C. Eich, B. Landsleitner Heft 1/2016 Notfallmedizinische Aspekte der Kindesmisshandlung O. Berthold, S. Aslan, S. Ahne, T. John, J. M. Fegert, A. von Moers Heft 3/2020 Transporte zur ECMO im Kindesalter J.-B. Kleber, T. Schaible Heft 4/2015 (Gefäß-)Anatomie im Neugeborenen-, Säuglings- und Kleinkindesalter F. Eifinger, Z. Fuchs Heft 2/2020 Kinderchirurgische Notfälle – was in der Akutsituation wichtig ist T.-M. Theilen, U. Rolle Heft 1/2020 Das Neugeborene als Notfallpatient – Teil 2 R. Hentschel Heft 4/2019 Kindesmisshandlung und ‑vernachlässigung B. Herrmann Heft 3/2014 Der plötzliche Säuglingstod – Was muss der Notarzt beachten? J. Sperhake Heft 2/2014 Akutes Leberversagen bei Kindern und Jugendlichen – Wann tritt es auf, was ist zu tun? R. Ganschow, F. Brinkert, E. Grabhorn Heft 1/2014 Akut lebensbedrohliche Infektionen im Kindesalter K. Seidemann, P. Jung, C. Härtel Heft 3/2019 Das 1 × 1 der häufigsten Kindernotfälle J. Keil, M. Olivieri, F. Hoffmann Heft 2/2013 Das Neugeborene als Notfallpatient – Teil 1 R. Hentschel Heft 2/2019 Respiratorische Notfälle im Kindesalter C. Dohna-Schwake Heft 3/2012 Der plötzliche Säuglingstod – Aufgaben des Notarztes J. Sperhake Heft 1/2019 Psychologische Aspekte pädiatrischer Notfallsituationen Pädiatrische Notfälle H. Karutz, R. DʼAmelio, F.-G. Pajonk Heft 2/2012 Akute Herzrhythmusstörungen bei Kindern und Jugendlichen D. Backhoff, U. Krause, M. J. Müller, H. Schneider, T. Paul Heft 3/2018 Analgesie und Narkose im Kindesalter J. Kaufmann, M. Laschat, F. Wappler Heft 1/2012 Ertrinkungsunfälle bei Kindern und Jugendlichen J. Olfe, U. Gottschalk, D. Singer Heft 2/2018 Elektrounfälle im Kindes- und Jugendalter D. Singer Heft 4/2017 Alpine pädiatrische Notfälle A. G. Brunello, A. Trippel, I. Breitenmoser, R. Albrecht, H. Frima, C. Sommer, C. Mann Heft 2/2017 Notfälle aus der Perspektive der Kinder- und Jugendpsychiatrie und ‑psychosomatik I. Al-Ameery, D. Brockmann, N. Helle, J. Kleinhanns, K. Lorenzen, C. Bindt Heft 4/2011 Verbrühungen und Verbrennungen im Kindesalter A. Hennenberger Heft 3/2011 Lebensrettende Maßnahmen bei Neugeborenen und Kindern – neue Leitlinien T. Höhn, M. Sasse Heft 1/2011 ALLES ONLINE LESEN IHR ONLINE-SAMMELORDNER JETZT FREISCHALTEN Mit der eRef lesen Sie Ihre Zeitschrift: online wie offline, am PC und mobil, alle bereits erschienenen Artikel. Für Abonnenten kostenlos! https://eref.thieme.de/notfall-u2d Sie möchten jederzeit und überall auf Ihr up2date-Archiv zu- greifen? Kein Problem! Ihren immer aktuellen Online- Sammelordner finden Sie unter: https://eref.thieme.de/1ES9S Sie haben Ihre Zeit- schrift noch nicht freigeschaltet? Ein Klick genügt: www.thieme.de/eref-registrierung

CME-Fortbildung einer S2k-Leitlinie zur Polytraumaversorgung im Kindes- alter unter gemeinsamer Organisation der deutschen Ge- sellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) und der Sektion Kindertraumatologie der Deutschen Gesellschaft für Un- fallchirurgie (DGU) Rechnung getragen, nachdem kinder- spezifische Ausführungen in der bisherigen S3-Leitlinie zur Polytraumaversorgung der DGU aufgegangen waren [4]. Im Folgenden soll daher ein Überblick über die relevan- testen Besonderheiten hinsichtlich Epidemiologie, Diag- nostik und Therapie in der präklinischen und klinischen Notfallversorgung pädiatrischer Patienten vermittelt werden. Epidemiologie Laut aktuellem Jahresbericht des TraumaRegister der DGU liegt die Inzidenz schwerverletzter Patienten bei etwa 30 000 im Jahr [5]. Daten zum Anteil von Kindern und Jugendlichen an diesem Kollektiv sind rar, jedoch wies eine Auswertung der Jahre 1997–2010 aus dem TraumaRegister der DGU einen Anteil der unter 18-Jähri- gen von 7,4% der relevant Verletzten mit einem Injury Se- verity Score (ISS) ≥ 9 nach [6]. Dabei zeigen sich bei ge- nauerer Betrachtung der pädiatrischen Traumapatienten deutliche Unterschiede in Unfallmechanismus und Ver- letzungsmuster im Vergleich zum Erwachsenen. Bei Säuglingen und Kleinkindern unter 5 Jahren sind mit über 40% Stürze aus verschiedener Höhe die vorherr- schende Unfallursache, welche ab dem Schulalter durch die Teilnahme am Straßenverkehr von Verkehrsunfällen abgelöst wird [6]. Hierbei werden Kinder im Grundschul- alter vorwiegend als Beifahrer oder Fußgänger durch an- dere Verkehrsteilnehmer verletzt, während Jugendliche ab 15 Jahren vorwiegend durch eigenständige Teilnahme am Straßenverkehr, z. B. als Radfahrer, Verletzungen er- leiden [1]. Durch stärkere Verkehrsbeteiligung und erhöhte Risiko- bereitschaft stellen männliche Verletzte mit bis zu 73% der Traumapatienten in der Gruppe der 16- bis 17-Jähri- gen den deutlich größeren Teil der Verunfallten [6]. Entsprechend gibt es altersabhängig auch deutliche Un- terschiede bezüglich der vorherrschenden Verletzungs- muster. Eine Analyse durch Wyen et al. zeigte, dass bei Säuglingen und Kleinkindern bis zum Alter von 5 Jahren der Kopf in bis zu 67% von einem schweren Trauma, defi- niert als Verletzungsschwere mit einem Abbreviated Inju- ry Scale (AIS) ≥ 3, betroffen war. Merke Der Kopf stellt damit die mit Abstand am häufigsten verletzte Körperregion in diesem Alter dar, gefolgt von Verletzungen des Thorax (23,5 %), der Extremi- täten (12,6 %) oder des Abdomens (9,2 %). Dies ist zum einen durch die große Rate an Stürzen be- dingt, wird jedoch insbesondere auch durch den im Ver- gleich zum Körper größeren Kopf, eine schwach aus- geprägte Nackenmuskulatur und verminderte Schutz- reflexe begünstigt. Je älter die Heranwachsenden, desto mehr gleichen sich die Verletzungsmuster denen der Er- wachsenen an; die Inzidenz relevanter Schädel-Hirn-Trau- mata (SHT) nimmt ab, während vor allem die Inzidenz re- levanter Thoraxtraumata steigt, sodass bei adoleszenten und erwachsenen Traumapatienten beide Entitäten etwa gleich häufig auftreten [7]. Begriffserklärung In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff Polytrauma verwendet, wenn die Berliner Definition zutrifft [8]. Da insbesondere bei pädiatrischen Patienten auch oft schwere Monotraumata im Rahmen der Schockraum- diagnostik festgestellt werden, sind die im Folgenden aufgeführten Prinzipien auch für Patienten mit vital be- drohlichem Monotrauma gedacht. DEFINITION Berlin-Definition des Polytraumas ▪ Injury Severity Score (ISS) ≥ 18 ▪ mindestens 2 Körperregionen relevant betroffen (AIS ≥ 3) ▪ mindestens 1 physiologisches Problem Präklinik Nur etwa 5–10% der primären Notarzteinsätze betreffen einen pädiatrischen Patienten, entsprechend stellt auch für erfahrenes Personal der kindliche Notfall und insbe- sondere das schwere kindliche Trauma eine Besonderheit dar. Obwohl bei pädiatrischen Notfallpatienten grund- sätzlich ein niedrigerer Anteil schwerer Notfälle mit Na- tional Advisory Committee for Aeronautics Score (NA- CA)-Score > IV (AIS > 4) als beim Erwachsenen zu erwar- ten ist, ist die emotionale Anspannung der Rettungs- dienstmitarbeiter in der Regel höher [9]. Weitere Faktoren wie eine altersbedingt unzureichend mögliche Kommunikation mit dem Patienten oder manu- elle Herausforderungen bei einer erschwerten Anlage in- travenöser Zugänge verkomplizieren die präklinische Ver- sorgung. Umso wichtiger scheint die Kenntnis alters- gerechter Algorithmen und Normwerte. Übergeordnetes Ziel aller außerklinischen Maßnahmen sind auch beim pädiatrischen Patienten der Erhalt der Vi- talfunktionen und der schnellstmögliche Transport in ein entsprechendes Kompetenzzentrum (kindertraumatolo- gische Referenzzentren des TraumaNetzwerks der DGU) unter Minimierung des Sekundärschadens. Bereits am 116 Franz N et al. Schädel-Hirn- und Polytrauma … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 113–132 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung ▶ Tab. 1 Altersabhängige physiologische Normwerte und empfohlene Tubusgrößen. Alter (Jahre) Atemfrequenz (1/min) Atemzugvolumen (ml) Tubusgröße (mm) Länge ab Zahnreihe (cm) 1 3 5 7 10 12 14 32–38 25–30 20–25 18–22 16–20 15–17 14–16 50–60 70–90 80–110 115–150 150–200 200–280 250–350 Indikationen für eine präklinische Intubation pädiatri- scher Traumapatienten beschränken sich auf: ▪ polytraumatisierte Kinder mit Apnoe oder Schnapp- atmung (< 6/min), ▪ persistierende Hypoxie nach Ausschöpfung aller ande- ren Therapiemaßnahmen und SpO2 < 90% trotz effek- tiver Sauerstoffgabe, ▪ schweres SHT, ▪ traumaassoziierte hämodynamische Instabilität, ▪ schweres Thoraxtrauma mit respiratorischer Instabili- tät und Hypoventilation. Fällt der Entscheid zur prähospitalen Notfallnarkose, Atemwegssicherung und Beatmung, dann unterscheiden sich auch diese in einigen Punkten relevant vom Prozede- re beim adulten Patienten. Aufgrund der geringeren Sau- erstoffspeicher wird bei verletzten, hypoxiegefährdeten Kindern aller Altersklassen die pädiatrisch modifizierte Rapid Sequence Induction (RSI) empfohlen. Bei der RSI schließt sich an die sequenzielle Applikation von Analge- tikum, Hypnotikum und Muskelrelexans eine bis maximal 15 mbar drucklimitierte Zwischenbeatmung mit dem Beatmungsbeutel an. Diese sollte bis zur Anschlagszeit des Muskelrelexans durchgeführt werden und beugt Hypoxien ohne erhöhte Aspirationsgefahr vor [14]. Analog zur S3-Leitlinie „Polytrauma/Schwerverletzten- Behandlung“ beim Erwachsenen kann bei der prähospita- len Notfallnarkose Kind die Videolaryngoskopie als „Good Clinical Practice Point“ empfohlen werden [15]. Außer- dem kann eine klare Empfehlung zur Verwendung block- barer Tuben auch im Kindesalter ausgesprochen werden, da diese die Risiken einer Aspiration minimieren und zur Stabilisierung der maschinellen Beatmung führen, ohne vermehrte Schleimhautschwellungen oder Bronchospas- men zu induzieren [16]. Die endtidale CO2-Konzentration ist allgemein etwas niedriger als die arterielle und sollte zwischen 35–40 mmHG liegen. Beim beatmeten Trauma- patienten ist eine Normoventilation anzustreben. 13 14 16 18 20 21 22 3,5–4,0 4,5–5,0 5,0–5,5 5,5–6,0 6,5 7,0 7,0–7,5 Merke Die permissive Hyperventilation beim beatmeten kindlichen Traumapatienten ist obsolet, da diese über eine Hypokapnie zu einer starken Vasokonstriktion, Verringerung des zerebralen Perfusionsdruckes und somit ischämischen „Second Hits“ führen kann [4, 17]. Altersabhängige Besonderheiten bei Intubationsinstru- ment und Beatmungsparametern sind in ▶ Tab. 1 zusam- mengefasst. Nach erfolgter Atemwegssicherung unter Sicht sollte die Lagekontrolle mittels Kapnometrie, Pulsoxymetrie und erneuter Auskultation sowie klinischer Inspektion des Thorax erfolgen. Bei neu aufgetretenem einseitig abge- schwächtem Atemgeräusch muss primär an die akziden- tielle einseitige Intubation gedacht werden, diese tritt bei Kindern häufiger auf als bei Erwachsenen. Management der Hämodynamik (C – Circulation) Auch bei der Überprüfung der Hämodynamik ergänzen sich klinische und apparative Diagnostik. Ein relevanter Volumenmangel kann über Gewebeischämie zu Sekun- därschäden führen und somit das Outcome nachhaltig verschlechtern. Die Volumentherapie ist somit bei ent- sprechenden Hinweisen umgehend einzuleiten. Cave Initial unauffällige Vitalparameter schließen einen relevanten Volumenmangel nicht aus! Klinische Zeichen einer Kreislaufstörung sind vor allem ▪ eine verlängerte Rekapillarisierungszeit (> 3 s) in der Nagelbettprobe, ▪ periphere Marmorierung und ▪ Zyanose. 118 Franz N et al. Schädel-Hirn- und Polytrauma … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 113–132 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung FALLBEISPIEL 1 Aufnahme des 13-jährigen Patienten über den Schockraum, nachdem dieser am Fuß eines Hanges neben seinem Skateboard aufgefunden wurde. Bei Eintreffen des Notarztes wies der Patient einen GCS-Wert von 6, eine Pupillen- differenz links > rechts sowie eine Blickdeviation nach links auf und wurde schutzintubiert. Im Schockraum-CT zeigten sich eine Fraktur der Schädelkalotte okzipital mit Suburalhämatom links, mehrere punktuelle Subarachnoidalblutungen frontal beidseits und eine geringe Mittellinienverlagerung nach rechts mit Volumenmin- derung des linken Seitenventrikels. Des Weiteren wies der Patient pulmonal ein Mischbild aus Aspiration und Lungen- kontusion auf. Nach Abschluss der Diagnostik wurde der Patient umgehend hemikraniektomiert, es wurde eine Hirndrucksonde installiert. Im weiteren Verlauf zeigte sich eine geringe Ödematisierung des Hirnparenchyms, der intrazerebrale Druck war unter konservativer osmotischer Therapie beherrschbar, sodass der Patient nach 5 Tagen auf der pädiatrischen Intensivstation extubiert werden konnte. Nach weiteren 10 Tagen Krankenhausaufenthalt konnte der Patient in die ambulante Weiter- behandlung mit anschließender Rehabilitationsmaßnahme entlassen werden. Mittlerweile ist eine autologe Kalottenplastik mit dem initial gefriergelagerten Kalottenstück erfolgt, als einziges neurologisches Residuum zeigen sich intermittierende Kopfschmerzen. Den Verlauf zeigt ▶ Abb. 1. ▶ Abb. 1 13-jähriger Junge nach Sturz mit dem Skateboard. a Subdurales Hämatom und Subarachnoidalblutung links mit beginnender Mittellinienverlagerung. b Postoperatives Low-Dose-CT nach Hemikraniektomie und Blutungsevakuation links. c Postoperatives Low-Dose-CT nach autologer Kranioplastik. ▶ Tab. 3 Pädiatrische Glasgow Coma Scale (pGCS). Punkte Augen öffnen beste verbale Kommunikation beste motorische Reaktion 6 5 4 3 2 1 – – spontan auf Schreien – Plappern, Brabbeln Schreien, tröstbar Schreien, untröstbar spontane Bewegung gezielte Abwehr auf Schmerzreiz normale Beugeabwehr auf Schmerzreiz abnorme Abwehr auf Schmerzreiz auf Schmerzreiz Stöhnen, unverständliche Laute auf Schmerzreiz, Strecksynergismen keine Reaktion keine verbale Reaktion keine Reaktion auf Schmerzreiz 120 Franz N et al. Schädel-Hirn- und Polytrauma … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 113–132 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung ▶ Tab. 5 Indikationen zur Schockraumalarmierung nach Leitlinie Polytraumaversorgung der Deutschen Gesellschaft für Unfall- chirurgie (DGU). Kriterium Indikation Verletzungsmuster Unfallmechanismus ▪ traumatisch bedingte Glasgow Coma Scale < 9 ▪ offenes Schädel-Hirn-Trauma ▪ systolischer Blutdruck < 90 mmHg nach Trauma ▪ schwere abdominelle Verletzung ▪ instabiler Thorax ▪ Atemstörung/Intubationspflicht nach Trauma ▪ penetrierende oder Schussverletzung im Rumpf-/Halsbereich ▪ Verbrennungen > 20% der Körperoberfläche und Grad ≥ 2b ▪ instabiles Becken ▪ Frakturen von > 2 proximalen Knochen ▪ stammnahe Gefäßverletzung ▪ Amputation proximal der Hände/Füße ▪ als Fußgänger/Radfahrer von einem Pkw erfasst ▪ Hochrasanztrauma, Geschwindigkeitsänderung (> 30 km/h) ▪ Ejektion aus dem Fahrzeug ▪ ausgedehnte Verformung der Karosserie über 50 cm ▪ Tod eines Beifahrers ▪ Sturz > 3 m Höhe ▪ Explosionsverletzung innerhalb jedes regionalen ferenzzentrums (KiTRefZ) TraumaNetzwerkes gefordert, das über eine Klinik für Un- fallchirurgie mit besonderer kindertraumatologischer Kompetenz respektive eine Klinik der Kinderchirurgie mit besonderer traumatologischer Kompetenz und einer pädiatrisch erfahrenen Klinik für Anästhesiologie, Klinik für Radiologie und einer pädiatrischen Intensivstation verfügt. Ist ein solches nicht innerhalb von 30 min zu er- reichen, erfolgt die Erstversorgung mit initialer Diagnos- tik, Stabilisierung und Sicherung der Vitalparameter im nächstgelegenen Traumazentrum. Bei entsprechenden Kriterien ist anschließend die Weiterverlegung in ein KiTRefZ anzustreben. PR A XIS Verlegungskriterien zum Transfer in ein kindertraumatologisches Referenzzentrum ▪ GCS ≤ 12 (mittleres und schweres SHT) ▪ Kalottenimpressionsfraktur, neurologische Symptomatik ▪ Thoraxtrauma mit Lungenkontusion (AIS ≥ 2) ▪ Abdominaltrauma mit Organverletzung (AIS ≥ 2) ▪ Beckenfraktur oder Frakturen von 2 langen Röhrenknochen der unteren Extremitäten ▪ zu erwartende Intensivtherapie > 24 h ▪ ISS ≥ 16 TAKE HOME MESSAGE Die Behandlung sollte in einem Traumazentrum erfolgen, das über eine umfassende Expertise hinsichtlich Patienten im Kindesalter verfügt. Schockraummanagement Das klinische Schockraummanagement beim schwerver- letzten Kind orientiert sich an den Algorithmen des Ad- vanced-Trauma-Life-Support (ATLS) der Erwachsenenver- sorgung, aktuell werden jedoch auch adaptierte Stan- dardprotokolle für den kindlichen Schockraum entwickelt und etabliert. So konnten Lehner et al. eine signifikante Reduktion der Versorgungszeit kindlicher Patienten im Schockraum durch Implementierung ihres Interdiscipli- nary Trauma Room Algorithm in Pediatric Surgery (iTRAP [S]) zeigen [30]. Die kindesgerechte Schockraumversorgung beginnt be- reits in der Vorbereitung nach Ankündigung durch die Leitstelle. Da etwa 50% aller im Schockraum versorgten Kinder zur weiteren Therapie auf die pädiatrische Inten- sivstation verlegt werden müssen, sollte im Schockraum ein pädiatrischer Intensivmediziner anwesend sein. Dies beugt Informationsverlusten vor und erleichtert die wei- tere Therapieplanung. Im Basisteam des kinderchirurgi- schen Schockraums nimmt zudem die Interdisziplinarität besonderen Stellenwert ein. So werden im iTRAP [S]-Kon- zept die Aufgabenverteilung und Kommunikation zwi- 122 Franz N et al. Schädel-Hirn- und Polytrauma … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 113–132 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung FALLBEISPIEL 2 Die 4-jährige Patientin war bei einem Verkehrsunfall aus dem Kindersitz geschleudert worden und gegen die Rücken- lehne des Vordersitzes geprallt. Nach initial noch vorhandenen Abwehrbewegungen auf Schmerzreiz im Sinne AVPU- Score „P“ oder pGCS 8 trübte die Patientin im Verlauf ein, wurde schutzintubiert und mittels Hubschrauber in den Schockraum gebracht. In der initialen Schnittbildgebung zeigten sich komplexe Mittelgesichtsfrakturen, eine offene Schädelbasisfraktur mit multifokalen Lufteinschlüssen und Subarachnoidalblutungen sowie eine Leber- und Nierenlazeration mit freier abdomi- neller Flüssigkeit und Lungenkontusionen beidseits (▶ Abb. 2). Nach Abschluss der Diagnostik wurde umgehend eine Hirndrucksonde angelegt. Die abdominellen Verletzungen konnten bei stabiler Gerinnung und Blutungsverlauf konser- vativ behandelt werden. Bei im Verlauf konservativ nicht beherrschbaren Druckspitzen wurde eine CT-Verlaufsbildgebung angefertigt (s. ▶ Abb. 3), welche zunehmende subdurale und Kontusionsblutungen bifrontal und ein initial nicht abgrenzbares epidu- rales Hämatom zeigten. Die Patientin wurde umgehend hemikraniektomiert und blutungsevakuiert. Bei komplikativem Verlauf mit Ventrikulitiden, Meningitis und intrakraniellen Abszessen durch das offene SHT und die Mittelgesichtsfrakturen waren multiple Revisionen notwendig, die Patientin wurde nach 4 Monaten auf der pädiatri- schen Intensivstation in die neurologische Frührehabilitation verlegt. Erfreulicherweise zeigt die Patientin einen guten Rehabilitationsprogress, spricht und läuft mit Hilfsmitteln bei regredienter Hemiparese links nahezu selbstständig. ▶ Abb. 2 a Schockraum-CT mit Leberlazeration im Bereich des Lebervenensterns (Pfeil). b Schockraum-CT mit Mischbild aus Aspiration und Lungenkontusion (Pfeile). ▶ Abb. 3 a Schockraum-CT, Weichteilfenster mit multifokalen Lufteinschlüssen intrakraniell und Kontusionsblutung. b Schockraum-CT, Knochenfenster mit komplexen Mittelgesichtsfrakturen und Lufteinschlüssen. c Verlaufsbildgebung nach Hirndruckspitzen, demaskierte Epiduralblutung mit progredienter Kontusionsblutung und Mittellinienverlagerung. 124 Franz N et al. Schädel-Hirn- und Polytrauma … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 113–132 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Thorax Abdomen Die Inzidenz des Thoraxtraumas beim polytraumatisier- ten Kind ist gering, steigt jedoch mit zunehmendem Alter und der Teilnahme am Straßenverkehr. Wie beim Erwach- senen dominieren in Deutschland stumpfe Trauma- mechanismen, penetrierende Thoraxverletzungen stellen eine Rarität dar. Nichtsdestotrotz trägt ein relevantes Thoraxtrauma erheblich zur Steigerung von Morbidität und Mortalität bei [39]. Da der kindliche Knochen noch sehr flexibel und weniger mineralisiert ist, wird die kinetische Energie vermindert knöchern resorbiert und vermehrt auf die intrathorakalen Organe übertragen. Stumpfe Traumata führen daher eher zur Kontusionsverletzung des Lungenparenchyms, Rippenfrakturen sind im Kindesalter selten und hinwei- send auf eine hohe Krafteinwirkung. Merke Eine Thoraxdrainage sollte nie unter Mamillenhöhe und immer unter stumpfer Palpation gelegt werden. Treten Rippenfrakturen beim pädiatrischen Traumapa- tient auf, gilt jedoch besondere Vorsicht, da diese mit sig- nifikant erhöhten Raten an Lungenkontusionen, Pneu- mo- und Hämatothoraces sowie Verletzungen an Milz, Niere und Leber vergesellschaftet sind [40]. Entspre- chend findet sich in der Literatur eine bis zu 20-fach er- höhte Letalität bei Kindern mit Thoraxtrauma, welche aufgrund des größeren Kopf-Körper-Verhältnisses auch auf die erhöhte Rate von begleitenden und prog- nosebestimmenden zurück- zuführen ist [39, 41]. Schädel-Hirn-Traumata Die Behandlung des Thoraxtraumas beim pädiatrischen Traumapatienten erfolgt analog zu der des Adulten; Hä- mato- und Pneumothoraces werden mittels Anlage einer Thoraxdrainage therapiert. Bei sehr engen Interkostalräu- men bei Kindern und Säuglingen kann das Einbringen einer Thoraxdrainage mittels Minithorakotomie er- schwert sein und mit erhöhten Raten an Verletzungen von Interkostalgefäßen einhergehen. Hier hat sich als Al- ternative die Pigtail-Drainage etabliert, welche ebenfalls in Seldinger-Technik unter vorheriger Punktion des Tho- rax mittels Draht und Vorschieben der Drainage über sel- bigen eingebracht werden kann [42]. Bei Anlage einer Thoraxdrainage erfolgt die Wahl des Durchmessers grö- ßenadaptiert. Wird eine Thoraxdrainage verwendet, sollte diese primär stumpf und unter digitaler Kontrolle eingebracht werden. Hierdurch wird das Risiko für Verletzungen von Interkos- talgefäßen minimiert und gleichzeitig die Eröffnung und nicht nur das Anheben des parietalen Pleurablattes kon- trolliert. Intraabdominelle Organverletzungen treten beim pädia- trischen Traumapatienten häufiger auf als beim Erwach- senen. Durch ein tiefer stehendes Zwerchfell, den ver- minderten knöchernen Schutz des Thorax, weniger aus- geprägte abdominelle Muskulatur und weniger polstern- des Viszeralfett finden sich bei Kindern schon bei gerin- ger Verletzungsschwere und niedrigerer Kinematik Läsio- nen der abdominellen Organe [4]. Durch eine dickere Or- gankapsel sowie mehr glatte Muskulatur und Elastin in den Gefäßen zeigen sich im klinischen Verlauf nach Or- ganaffektion jedoch deutlich weniger sekundäre Ruptu- ren, sodass heutzutage die größte Anzahl an abdominel- len Organverletzungen konservativ behandelt werden kann [43]. In allen Alterskohorten stellen Milz-Leber- und Nierenver- letzungen mit über 90 % den Großteil der Läsionen dar, während Verletzungen an Pankreas oder den Hohlorga- nen selten vorkommen. Eingeteilt werden Läsionen an Milz, Leber und Nierenparenchym nach Moore in 5 Schweregrade. Während beim Erwachsenen die OP-Indikation vornehm- lich in Abhängigkeit des Schweregrades gestellt wird, ist dies im Kindesalter von der hämodynamischen Stabilität abgelöst worden [44]. Selbst schwere Milz- oder Nieren- lazerationen zeigten unter konservativer Therapie nur in bis zu 10% der Fälle im Verlauf eine hämodynamische In- stabilität, sodass hier bei gegebener Überwachungskapa- zität immer der Organerhalt anzustreben ist [45]. Dieser führt neben einer verringerten Anzahl perioperativer Komplikationen zu verringerten Intensiv- und Kranken- haustagen, schnellerer Rückkehr zur körperlichen Aktivi- tät und verminderten Inzidenzen von Postsplenektomie- syndromen [46]. Hohlorganverletzungen sind primär schwierig zu diag- nostizieren und aufgrund der Gefahr der bakteriellen Ver- schleppung mit kompliziertem und prolongiertem Kran- kenhausaufenthalt verbunden. Bei entsprechendem Ver- dacht aufgrund des Unfallmechanismus und klinischen Befundes sind eine engmaschige klinische Überwachung und erweiterte diagnostische Maßnahmen wie die ente- rale Kontrastmittelapplikation indiziert. Gerade beim Kontrastmittel-CT ist unbedingt auf kleinste Flüssigkeits- nachweise zu achten. Zusätzlich zeigen Inflammations- parameter (Interleukin-6-Leukozyten, C-reaktives Pro- tein) einen schnellen Anstieg, der zu einem akuten Abdo- men passt. Nachgewiesene Verletzungen sind unverzüglich operativ zu adressieren. OP-Indikationen bei intraabdominellen Verletzungen zeigt die Praxis-Box. 126 Franz N et al. Schädel-Hirn- und Polytrauma … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 113–132 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Autorinnen/Autoren KERNAUSSAGEN ▪ Definition Polytrauma (Berlin-Definition) – Injury Severity Score ≥ 18, – mindestens 2 Körperregionen betroffen, – mindestens 1 physiologisches Problem. ▪ Die Ausführungen dieses Beitrages beziehen sich neben dem Polytrauma auf schwere Monoverlet- zungen sowie schwerverletzte Patienten (ISS ≥ 16). ▪ Polytrauma und schwerste Verletzungen bei Kin- dern sind selten. ▪ Verletzungsmuster und Behandlungskonzepte un- terscheiden sich signifikant von denen Erwachse- ner. ▪ Kenntnisse der Besonderheiten in Anatomie und Therapieregimes sind für das behandelnde ärzt- liche und rettungsdienstliche Personal unerläss- lich. ▪ Im Schockraum sind wichtig: – die primäre Sicherung der Vitalfunktion, – eine schnelle und vollständige Diagnostik, – die Einleitung eines den speziellen Bedürfnissen der jungen Patienten angepasstes Therapie- konzepts. ▪ Der Beitrag behandelt anatomisch-physiologische Besonderheiten und therapeutische Maßnahmen in der Versorgung schwerverletzter Kinder geord- net nach ABCDE-Schema und Körperregionen bzw. Organsystemen. Interessenkonflikt Erklärung zu finanziellen Interessen Forschungsförderung erhalten: nein; Honorar/geldwerten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: nein; Bezahlter Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an im Bereich der Medizin aktiven Firma: nein; Patent/ Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an zu Sponsoren dieser Fortbildung bzw. durch die Fortbil- dung in ihren Geschäftsinteressen berührten Firma: nein. Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessen- konflikt besteht. Jan-Niklas Franz Dr. med., Assistenzarzt an der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Frankfurt am Main. Philipp Störmann PD Dr. med., Oberarzt an der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Frankfurt am Main, und aktiver Notarzt des Klinikums. Ingo Marzi Prof. Dr. med., Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Frankfurt am Main. Korrespondenzadresse Dr. med. Jan-Niklas Franz Universitätsklinikum Frankfurt Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie Theodor-Stern-Kai 7 60590 Frankfurt am Main Deutschland Jan-Niklas.Franz@kgu.de Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungs- bestimmungen für diesen Beitrag ist Dr. med. Jan-Niklas Franz, Frankfurt am Main. Literatur [1] Gatzka C, Begemann PGC, Wolff A et al. Verletzungsmuster und klinischer Verlauf polytraumatisierter Kinder im Ver- gleich mit Erwachsenen. Eine 11-Jahres-Analyse am Klinikum der Maximalversorgung. Unfallchirurg 2005; 108: 470–480. doi:10.1007/s00113-005-0921-4 [2] [3] [4] Jakob H, Marzi I. Management des schwer verletzten Kindes. Orthop Unfallchir up2date 2007; 2: 79–100. doi:10.1055/s- 2007-966385 Jakob H, Wyen H, Marzi I. Polytrauma im Kindesalter. Trauma Berufskrankh 2013; 15 (S1): 67–74. doi:10.1007/s10039-012- 1905-6 Schmittenbecher PP et al. S2k-Leitlinie „Polytraumaversor- gung im Kindesalter“; 2020. Im Internet (Stand: 03.12.2021): https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/006-120.html [5] AUC: TraumaRegister. Im Internet (Stand: 26.07.2021): https://www.traumaregister-dgu.de 128 Franz N et al. Schädel-Hirn- und Polytrauma … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 113–132 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung [39] Peclet MH, Newman KD, Eichelberger MR et al. Thoracic trau- ma in children: An indicator of increased mortality. J Pediatr Surg 1990; 25: 961–966. doi:10.1016/0022-3468 (90)90238- 5 [40] Kessel B, Dagan J, Swaid F et al. Rib fractures: compari- son of associated injuries between pediatric and adult population. Am J Surg 2014; 208: 831–834. doi:10.1016/ j.amjsurg.2013.10.033 [41] Störmann P, Weber JN, Jakob H et al. Thorakale Verletzungen beim schwer verletzten Kind: Assoziation mit erhöhter Verlet- zungsschwere und vermehrten Komplikationen. Unfallchirurg 2018; 121: 223–229. doi:10.1007/s00113-017-0312-7 [42] Panza R, Prontera G, Ives KN et al. Pigtail catheters versus traditional chest drains for pneumothorax treatment in two NICUs. Eur J Pediatr 2020; 179: 73–79. doi:10.1007/ s00431-019-03478-6 [43] Powell M, Courcoulas A, Gardner M et al. Management of blunt splenic trauma: Significant differences between adults and children. Surgery 1997; 122: 654–660. doi:10.1016/ s0039-6060(97)90070-2 [44] Stylianos S. Outcomes from pediatric solid organ injury: role of standardized care guidelines. Curr Opin Pediatr 2005; 17: 402–406. doi:10.1097/01.mop.0000163693.96101.84 [45] Veger HTC, Jukema GN, Bode PJ. Pediatric Splenic Injury: Non- operative Management First! Eur J Trauma Emerg Surg 2008; 34: 267–272. doi:10.1007/s00068-007-7008-6 [46] Okur MH, Arslan S, Aydogdu B et al. Management of high- grade renal injury in children. Eur J Trauma Emerg Surg 2017; 43: 99–104. doi:10.1007/s00068-016-0636-y [47] Voth M, Nau C, Marzi I. Brust- und Lendenwirbelsäulenverlet- zungen im Kindes- und Jugendalter. Unfallchirurg 2013; 116: 1062–1068. doi:10.1007/s00113-013-2460-8 [48] Kreinest M, Vetter S, Grützner P et al. Wirbelsäulenverletzun- gen im Kindesalter. Konzepte zu Diagnostik und Therapie. OP- Journal 2018; 34: 261–268. doi:10.1055/a-0592-8571 Bibliografie Notfallmedizin up2date 2022; 17: 113–132 DOI 10.1055/a-1352-8875 ISSN 1611-6550 © 2022. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany Die Schlagzeilen l e w a r / a l i l Sie möchten Studienergebnisse, neue Erkenntnisse tragen? Hatten schon einmal eine unangenehme Begegnung mit den Medien? Kennen die Situation, Journalisten gegenüber Rede und Antwort zu stehen? ankommen. Dazu bieten wir Ihnen ein modular aufgebautes Medientraining für Einzelpersonen und Kleingruppen. Interessiert? www.thieme.de/medientraining o t o F © 130 Franz N et al. Schädel-Hirn- und Polytrauma … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 113–132 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Punkte sammeln auf CME.thieme.de Fortsetzung … Frage 6 Frage 9 Welche der folgenden Aussagen zum kindlichen Schockraum- management trifft nicht zu? A Es sollte immer ein Ganzkörper-CT durchgeführt werden, um keine Traumafolge zu übersehen. B Derzeit werden Standardprotokolle für den kindlichen Schockraum entwickelt und etabliert. Was stellt keine zwingende OP-Indikation beim abdominellen Trauma bei pädiatrischen Patienten dar? A hämodynamische Instabilität B freie abdominelle Luft C Peritonitiszeichen D Milzruptur bei stabiler Hämodynamik und Gerinnungssitua- C Das Basisteam sollte durch einen pädiatrischen Intensivmedi- tion ziner ergänzt werden. D Interdisziplinarität nimmt beim Schockraummanagement des Kindes einen besonderen Stellenwert ein. E Bis zu 50% aller pädiatrischen Schockraumpatienten werden im Anschluss auf der Intensivstation überwacht. Frage 7 Eine der folgenden Aussagen zum Schädel-Hirn-Trauma beim Kind ist unzutreffend. Welche? A Es treten vermehrt diffuse Ödematisierungen auf. B Die Druck-Volumen-Kurve steigt bei Kindern schneller an als bei Erwachsenen. E Hohlorganperforation Frage 10 Wodurch sind Wirbelsäulenverletzungen beim Kind gekenn- zeichnet? A Bei Kindern unter 8 Jahren überwiegen Verletzungen an der Lendenwirbelsäule. B Der Wassergehalt der kindlichen Wirbelsäule ist niedriger als bei der eines Erwachsenen. C Die Einteilung der Wirbelsäulenfrakturen nach AO (Arbeits- gemeinschaft für Osteosynthesefragen) kann erst ab dem 25. Lebensjahr eingesetzt werden. C Epidurale Hämatome stellen die häufigste intrazerebrale Blu- D Viele Frakturen der Brust- und Lendenwirbelsäule können konservativ behandelt werden. E Im Adoleszentenalter treten Verletzungen vor allem an der Halswirbelsäule auf. tungsentität dar. D Kinder sind besonders anfällig für Sekundärschäden. E Auch bei schwersten Traumata können Kinder ein gutes Re- habilitationspotenzial zeigen. Frage 8 Welche der folgenden Verletzungen kommt bei Kindern im Rah- men des Thoraxtraumas häufig vor? A Lungenkontusion B Bronchusruptur C Rippenserienfraktur D Perikardtamponade E penetrierende Verletzungen 132 Franz N et al. Schädel-Hirn- und Polytrauma … Notfallmedizin up2date 2022; 17: 113–132 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

UNSERE FRAGEN. IHRE EXPERTISE. PULSE – die Befragungsplattform der Thieme Gruppe NEU Ihre Antworten wirken weiter. Für eine bessere Medizin. Bei PULSE platzieren Sie Ihre Meinungen und Einschätzungen direkt. Mitmachen lohnt sich: Mit regelmäßigen Umfragen sammeln Sie Punkte und können diese gegen Prämien oder Spenden eintauschen. Immer unverbindlich – Sie entscheiden jeweils, ob Sie teilnehmen. Zudem erhalten Sie Einblicke in ausgewählte Studienergebnisse. Durch Ihre Antworten bringen wir die ärztliche Aus-, Fort- und Weiterbildung, die Patientenversorgung und den wissenschaftlichen Austausch gemeinsam voran. Jetzt mitmachen: Die ersten 500 Teilnehmer erhalten 500 Extra-Punkte! Das Composing wurde von Thieme unter Verwendung der folgenden Bilder erstellt (v.l.n.r.): © Rido/stock.adobe.com, © Mangostar/stock.adobe.com, © Bernd Leitner/stock.adobe.com, © Nana_studio/stock.adobe.com – Stock photo. Posed by models pulse.thieme.de