STECKEN SIE IHREN WEITERBILDER IN DIE TASCHE. Das eRef Curriculum AUGENHEILKUNDE Mit Plan zur Facharzt-Prüfung. Gemeinsam mit Fachgesellschaften, Berufs- verbänden und Kliniken haben wir in der eRef Weiterbildungscurricula zur Vorberei- tung auf die Facharzt-Prüfung erarbeitet. Das Ergebnis: Facharzt-Vorbereitung so strukturiert wie nie. Aktuelle SOPs, Leit- linien und die besten Übersichtsbeiträge zu allen Inhalten der Weiterbildungsordnung übersichtlich auf einen Klick. Und auf Ihrem Smartphone oder Tablet jederzeit dabei. Das Weiterbildungscurriculum Augenheil- kunde, erstellt in Kooperation mit der Augenklinik am Katharinenhospital Stuttgart finden Sie in der eRef – wie auch Curricula zu vielen weiteren Fachgebieten. Jetzt kostenlos testen! www.thieme.de/curricula Für Sie gemacht. 20PD5521PJN3

Inhalt Klinische Monatsblätter für Augenheilkunde Januar 2022 · 239. Band: Seite 1 – 132 6 6 9 12 17 Für Sie notiert | Amblyopie: Kombination aus Atropin und Okklusion nur wenig effektiver als alleinige Okklusion 27 Für Sie notiert | COVID-19: Nachweis von SARS‑CoV‑2 auf der Augenoberfläche In eigener Sache | Das „Weiterbildungscurriculum Augen- heilkunde“ – von jungen Augenärzt*innen für junge Augenärzt*innen entwickelt Handlungspfad | Diabetische Retinopathie – Handlungs- pfad Felix Hagenau, Tina Herold Editorial | Editorial Anja Eckstein, Ludwig M. Heindl, Chris- toph Hintschich 37 46 57 Lewandowicz, Malgorzata Übersicht | Fetal Development of the Orbit Piotr Jakub Gaca, Michael Lipczynska- Lewandowska, Michael Simon, Philomena A. Wawer Matos, Alexandros Doulis, Alexander C. Rokohl, Ludwig M. Heindl Das Wissen über die fetale Entwicklung der Orbita ermög- licht sowohl Einblicke in die Entstehung normaler Variatio- nen in der Orbitastruktur als auch ein Verständnis dafür, wie angeborene Missbildungen und Anomalien auftreten, wenn die normale Entwicklung fehlschlägt. Die Autoren haben die Meilensteine in der Orbitalmorphogenese zu- sammengefasst. Übersicht | Embryologic and Fetal Development of the Eyelid and the Lacrimal Drainage System Piotr Jakub Gaca, Michael Lewandowicz, Malgorzata Lipczynska-Lewandowska, Michael Simon, Philomena A. Wawer Matos, Alexandros Doulis, Alexander C. Rokohl, Ludwig M. Heindl Die embryologische und fetale Morphogenese der Augen- lider und des Tränendrainagesystems ist multifaktoriell und komplex. Das Verständnis dieser Entwicklungsprozesse könnte den Weg für die Entwicklung neuer Therapieoptionen ebnen. Übersicht | Angeborene Fehlbildungen der ableitenden Tränenwege Jens Heichel, Ludwig M. Heindl, Hans-Gert Struck Eine persistierende Hasner-Membran ist mit Abstand die häufigste Ursache einer konnatalen Tränenwegstenose. Allerdings können selten auch angeborene Fehlbildungen der Tränenwege eine Rolle spielen. Klinische Studie | Tränenwegsbefunde von 143 Kindern mit Mikrophthalmus-Anophthalmus-Komplex Michael P. Schittkowski, Andreas Leha, Maren Horn, Sabine Naxer Circa 22⁄33 der Patienten mit Mikrophthalmus-Anophthalmus- Komplex weisen eine Pathologie der ableitenden Tränen- wege auf. Der dabei häufigste Befund ist eine Kanalikulus- stenose nach im Mittel 4 mm. Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239 | © 2022. Thieme. All rights reserved. Okuloplastik/Orbita 19 of Jakub Gaca, Michael the Orbit Übersicht | Embryonic Development Piotr Lewandowicz, Malgorzata Lipczynska-Lewandowska, Michael Simon, Philomena A. Wawer Matos, Alexandros Doulis, Alexander C. Rokohl, Ludwig M. Heindl Die embryologische und fetale Entwicklung der Orbita um- fasst eine Reihe aufeinanderfolgender, streng regulierter morphogenetischer Entwicklungsschritte, die mit der Be- fruchtung der Eizelle beginnen und sich von diesem Zeit- punkt an bis zur Geburt erstrecken. Das Verständnis dieses multidimensionalen Entwicklungsprozesses im pränatalen Leben, die Identifizierung und Verknüpfung von Signalkas- kaden und regulatorischen Genen mit bestehenden Krank- heiten können den Weg für eine fortschrittliche molekulare Diagnostik, die Entwicklung minimalinvasiver Interventio- nen und den Einsatz von Vorläufer-/Stammzellen und sogar regenerativer Therapie ebnen.

64 73 79 86 Inhalt Klinische Studie | Therapiestrategien bei 103 Kindern mit kongenitalem Mikrophthalmus Michael P. Schittkowski, Stefanie Martius, Mohamed Elabbasy, Steffi Knappe, Rudolf F. Guthoff Die Prüfung der visuellen Funktion besitzt für die weitere Therapieentscheidung eine große Bedeutung. Bei Säuglin- gen ist die Beurteilung des Vorliegens oder Fehlens einer Pupillenreaktion sehr hilfreich. Bei Asymmetrie oder unter- entwickelter Lidspalte sollte eine Prothesenanpassung früh- zeitig im 1. Lebensjahr erfolgen, ohne dass daraus Kompli- kationen resultieren. 94 99 Der interessante Fall | The Eyes of an African Penguin (Spheniscus demersus): General Morphology and Ophthal- mopathology Ekaterina Sokolenko, Gero Hilken, Nora Denk, Fabia Wyss, Christian Wenker, Pascal W. Hasler, Peter Meyer Der interessante Fall | Acute Bilateral Angle-Closure Glau- coma Related to Intranasal Cocaine Abuse Lucìa Moreno- Castro, Gerardo Pedro García-García, Juan José Pérez- Santonja 103 Der interessante Fall | Beidseitige Visusminderung mit Papillenödem bei duraler arteriovenöser Fistel und Sinus- venenthrombose Katrin Höcker, Florian Philipp Raber, Gerhard K. Lang, Gabriele E. Lang 106 Statement | Stellungnahme der Verkehrskommission von BVA und DOG zu Anforderungen an das Sehvermögen bei Krankenfahrstühlen und anderen motorisierten Fahr- zeugen Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V. (BVA), Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) 111 Augenheilkunde up2date | CME – Zertifizierte Fort- bildung | Benigne Lidtumoren Maria Luisa Feldmann, Erik Chankiewitz, Svenja R. Sonntag, Steffen Emmert, Mahdy Ranjbar, Salvatore Grisanti, Vinodh Kakkassery 132 Impressum Covergestaltung: © Thieme Bildnachweis Cover: © Thieme Moreno-Castro L, García-García GP, Pérez-Santonja JJ. Acute Bilateral Angle-Closure Glaucoma Related to Intranasal Cocaine Abuse. Klin Monbl Augenheilkd 2022; 239: 99–102 Klinische Studie | Partielle oder komplette Bindehaut- deckung – Indikation und operatives Vorgehen bei chro- nischen therapieresistenten Hornhautoberflächenproble- men Markus Kohlhaas, Georgios Perdikakis, Vastardis Iraklis, Gürol Gökel, Carsten Avermann, Sofia Fili Die Bindehautdeckung ist eine etablierte Operationstech- nik, die häufiger zur Behandlung einer neurotrophen Kera- titis oder bei persistierenden, nicht abheilenden Epithel- defekten als bulbuserhaltende Maßnahme angewendet wird. Klinische Studie | Quantifizierung der frühen und inter- mediären altersabhängigen Makuladegeneration mittels OCT-„en-face“-Darstellung Frauke Jürgens, Kai Rothaus, Henrik Faatz, Britta Heimes-Bussmann, Daniel Pauleikhoff, Albrecht Peter Lommatzsch Die Quantifizierung von Drusen bei der frühen und inter- mediären AMD mittels En-face-OCT zeigt eine gute Ver- gleichbarkeit mit den Analysen der Fundusfotos. Dies ist für klinische Studien zur Intervention bei Drusen und zur spezifischen Risikoabschätzung der Progression der Drusen und zur Entwicklung einer späten AMD von zentraler Be- deutung. Klinische Studie | Die XEN-Microstent-Implantation nach erfolgloser Trabekulektomie: eine sinnvolle Behandlungs- option? Caroline Bormann, Manuela Schmidt, Catharina Busch, Matus Rehak, Christian Thomas Scharenberg, Jan Darius Unterlauft Ergebnisse einer retrospektiven, monozentrischen Studie zur XEN45-Gel-Stent-Implantation nach vorangegangener, erfolgloser und/oder vernarbter TE. Es zeigte sich im Verlauf eine effektive Drucksenkung, vergleichsweise niedrige Komplikationsraten und vertretbare Revisions-/Needling- raten im postoperativen Verlauf von 12 Monaten. Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Für Sie notiert Amblyopie: Kombination aus Atropin und Okklusion nur wenig effektiver als alleinige Okklusion Wang S et al. Effect of Combined Atropine and Patching vs. Patching Alone for Treatment of Severe Amblyopia in Children Aged 3 to 12 Years. JAMA Ophthalmol 2021; 139: 990–996 Obwohl die Okklusionstherapie die erste Wahl zur Behandlung einer schweren Amblyopie ist, erweist sie sich häufig als wenig wirksam, da die Patienten, insbesondere Kinder, das Augenpflaster früher als empfohlen entfernen. Die Compliance bei der alternativen Atropin-Behandlung ist nachweislich besser. Man geht jedoch davon aus, dass die alleinige Atropin- Gabe bei schwerer Amblyopie einen ungenügenden Behandlungserfolg er- zielt. Ein Team um Shu Wang von der Fudan Uni- versity in Shanghai, China, verglich in einer randomisierten Studie nun die beiden Therapieoptionen bei Kindern im Alter von 3 bis 12 Jahren: Ist die Kombination aus Atropin und Okklusion (CAPT) wirk- samer als die Okklusionstherapie allein? Den 108 teilnehmenden Kindern, die auf- grund von Strabismus und/oder Anisome- tropie an schwerer Amblyopie (20/100 bis 20/500) litten, wurde bei Bedarf zunächst eine Brille verschrieben. Dann erfolgte ran- domisiert die Zuteilung zur CAPT-Therapie (53 Kinder) oder zur Okklusionstherapie (55 Kinder). Die Okklusionszeit sollte 6 Stunden am Stück betragen. Die Eltern wurden angewiesen, die Stundenzahl des Pflastertragens in beiden Gruppen und den Tag der Atropin-Verabreichung in der CAPT-Gruppe aufzuzeichnen. Appliziert werden sollte 1 Tropfen 1%iges Atropin- sulfat 1 × täglich für die ersten 3 Tage und danach 1 × alle 2 Tage. Verbesserte sich der Visus des amblyopen Auges nach 3 Monaten derart, dass er 1 Zeile weniger als im anderen Auge betrug, reduzierte sich die Okklusionszeit auf 2 Stunden pro Tag und die Verwendung von Atropin auf 2 × pro Woche. Die Nachuntersuchungen fanden nach 3 und 6 Monaten statt. Bei Studienbeginn betrug der mittlere Visus des amblyopen Auges 0,95 logMAR. Nach 6 Monaten zeig- te sich kein signifikanter Unterschied zwi- schen den Gruppen hinsichtlich ihrer Com- pliance mit der Okklusionstherapie. Kein Teilnehmer verließ aufgrund von un- erwünschten Nebenwirkungen die Studie. Nach 6 Monaten betrug die Sehschärfe- verbesserung in amblyopen Augen in der CAPT-Gruppe durchschnittlich 0,72 log- MAR (7,2 Zeilen) im Vergleich zu 0,58 log- MAR (5,8 Zeilen) in der Okklusionsgruppe (Differenz 0,14 logMAR [1,4 Linien]). Inte- ressanterweise gab es 7 Teilnehmer in der Okklusionsgruppe, aber keinen in der CAPT-Gruppe, die nach 6 Monaten eine Visusverbesserung im amblyopen Auge von 0,30 logMAR (3 Linien) oder weniger aufwiesen. Wang und Kollegen fanden keine signifi- kante Interaktion zwischen den Behand- lungsgruppen und den folgenden Aus- gangsmerkmalen: Alter, Ursache der Am- blyopie und Sehschärfe des amblyopen Auges. Nach 3 Monaten war die Verbesserung der Sehschärfe des amblyopen Auges in der CAPT-Gruppe ebenfalls größer als in der Okklusionsgruppe (5,4 vs. 4,1 logMAR, Unterschied 0,13 logMAR [1,3 Linien]). In beiden Gruppen war keines der Kinder zu Studienbeginn zu stereoskopischem Sehen fähig. Nach 6 Monaten wiesen in der CAPT-Gruppe 15 Teilnehmer (28%) und in der Okklusionsgruppe 12 Teilneh- mer (22%) eine Tiefensehschärfe von 400 Bogensekunden oder besser auf. FAZIT Sowohl die kombinierte Atropin- und Okklusionstherapie CAPT als auch die alleinige Okklusionstherapie erwies sich bei Kindern im Alter von 3 bis 12 Jahren mit schwerer Amblyopie als wirksam. Die CAPT führte im Durchschnitt zu einer größeren Seh- schärfeverbesserung des amblyopen Auges als die alleinige Okklusionsthe- rapie. Die Unterschiede waren jedoch relativ gering und die klinische Rele- vanz dieses Unterschieds konnte in dieser Studie nicht bestimmt werden. Dr. Michaela Bitzer, Tübingen COVID-19: Nachweis von SARS‑CoV‑2 auf der Augenoberfläche Azzolini C et al. SARS‑CoV‑2 on Ocular Surfaces in a Cohort of Patients with COVID-19 from the Lombardy Region, Italy. JAMA Ophthalmol 2021; 139: 956–963 SARS‑CoV‑2 (Severe respiratory Syn- drome Coronavirus 2) ist ein neues Coronavirus, das bei Menschen sehr leicht über die Atemwege übertragen werden kann, aber eine vergleichswei- se geringe Virulenz aufweist. Daher werden viele Menschen positiv auf das Virus getestet, ohne dass sie Anzei- chen einer Erkrankung zeigen. SARS- CoV‑2-RNA wurde im Nasopharyngeal- trakt und im Bronchialsekret, im Spei- chel, in Tränen, im Urin und in Fäkalien nachgewiesen. Bislang gibt es allerdings nur sehr wenige Informationen über das Vorkommen des Virus in der Tränenflüssigkeit beim Men- schen. Claudio Azzolini und Kollegen ha- ben dies nun in einer Querschnittsstudie untersucht. Dafür entnahmen sie im April und Mai 2020 bei 91 COVID-19-Patienten 6 Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

sopharyngealabstrichs negativ, die Ergeb- nisse des Bindehautabstrichs jedoch posi- tiv, die Viruslast lag bei einem mittleren Wert von 881,7 Kopien/µL (Bereich 29– 6900 Kopien/µL). Bei den 24 Patienten mit einem positiven Ergebnis im Nasen- Rachen-Abstrich war bei 15 Patienten auch der Bindehautabstrich positiv. FAZIT Bei einem großen Teil der hospitali- sierten COVID-19-Patienten konnte SARS‑CoV‑2-RNA auf der Augenober- fläche nachgewiesen werden, wobei die Infektiosität des Probenmaterials nicht bestimmt werden konnte. Die Studie zeigt, dass Patienten of- fensichtlich positive Testergebnisse mit einem Bindehautabstrich und negative Ergebnisse mit einem Naso- pharyngealabstrich haben können. Daher könnte die Verwendung des leicht invasiven Bindehautabstrichs als zusätzlicher diagnostischer Test in Betracht gezogen werden. Dr. Michaela Bitzer, Tübingen Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

In eigener Sache ▶ Abb. 1 Ein Blick in das eRef-Weiterbildungscurriculum: die Playlist zum Thema Amotio reti- nae und Netzhautforamen. Hier finden sich aktuelle Leitlinie, up2date-Fortbildungsartikel und Buchkapitel aus den wichtigsten Thieme-Werken zur Augenheilkunde. Die Thieme-Wissensplattform eRef bietet den digitalen Zugriff auf die Inhalte der medizinischen Fachbücher und Zeitschrif- ten von Thieme, ein umfangreiches Bild- archiv, Videos und viele weitere Services – nicht nur für die Augenheilkunde, sondern für alle Fachgebiete der Medizin. Wenn Ihre Klinik die entsprechenden Lizenzpake- te erworben hat, ist das zum Nachschla- gen bei kniffligen Problemen ideal – auf alle Fragen findet man in der eRef eine Antwort. Doch wer sich gezielt auf die Facharztprüfung vorbereiten möchte, im Klinikalltag eine rasche Antwort sucht oder einen Refresher für die nächste Rota- tion braucht, ist hier leicht überfordert: Welche Infos sind die wichtigsten? Dieses Wissen für die Facharztweiterbildung ha- ben junge Ärztinnen und Ärzte des Klini- kums Stuttgart nun für Sie im Weiterbil- dungscurriculum Augenheilkunde in Form gut strukturierter Leselisten gebündelt. unter Wer beispielsweise „Netzhaut- ablösungen“ sucht, findet nicht nur den Buchbeitrag aus der aktuellen Auflage des Thieme-Standardwerks „Augenheil- kunde“, sondern auch einen Artikel aus der Fachzeitschrift Augenheilkunde up2date und die Leitlinie der DOG. Praktisch für die kontinuierliche Prüfungsvorbereitung: Der persönliche Lernfortschritt lässt sich ver- merken. „Mithilfe dieser Playlists ist es uns hoffent- lich gelungen, eine digitale Datenbank miterstellt zu haben, durch die man schnell und unkompliziert Informationen erhalten kann. Als Weiterbildungsassis- tent*innen der Augenheilkunde an einem großen städtischen Klinikum legten wir unseren Schwerpunkt darauf, die Inhalte praxisnah und übersichtlich zu sortieren – sei es schnell im Dienst für den Notfall oder zwischendurch zur Vertiefung eines Falles in der Sprechstunde. Uns war es wichtig, über die reinen Lehrbuchinhalte hinaus das Curriculum mithilfe von Leit- linien, weiterführenden Links und Videos anschaulich zu gestalten“, so Sandra Krawczyk, Dr. Konrad Lenhard und Dr. Sandra Schwarz, die das Curriculum er- stellt haben. Das Ärzteteam hofft, dass es vielen Kolleginnen und Kollegen sowohl zur Vorbereitung auf die Facharztprüfung als auch auf dem Weg dorthin von Nutzen sein wird. Weitere Informationen zur eRef und zu allen Weiterbildungscurricula finden Sie hier: https://eref-testen.thieme.de 10 Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Handlungspfad Diabetische Retinopathie – Handlungspfad Felix Hagenau, Tina Herold Die Folgen der diabetischen Retinopathie sind für die heutige und zukünftige Gesellschaft aufgrund der Beeinflussung des alltäglichen Lebens von hoher Relevanz. Die Therapie der diabetischen Retinopathie ist in ihren verschiedenen Stadien viel- schichtig und ist ohne die kontinuierliche internistische Mitbetreuung nicht nach- haltig durchführbar. Dieser Handlungspfad soll den aktuellen Wissensstand abbilden und den Leser gemäß den aktuellen Leitlinien bei Diagnostik und therapeutischer Vorgehensweise bei diabetischer Retinopathie unterstützen. ABKÜR ZUNGEN DR DMÖ PVL pLK UWF‑FLA Ultraweitwinkel-Fluoreszenzangiografie diabetische Retinopathie diabetisches Makulaödem Peripheral Vessel Leakage panretinale Laserkoagulation Epidemiologie und Einteilung Die altersbereinigte Prävalenz des Diabetes mellitus wird in Deutschland bei den über 20-Jährigen mit etwa 10,4% angegeben, von denen wiederum ca. 20% Fundusverän- derungen im Rahmen einer manifesten diabetischen Re- ▶ Tab. 1 Klinische Zeichen nach Schweregrad der diabetischen Retino- pathie [3]. Schweregrad der DR klinische Zeichen milde NPDR ▪ Mikroaneurysmen moderate NPDR schwere NPDR ▪ Mikroaneurysmen ▪ harte Exsudate ▪ Cotton-Wool-Herde ▪ Punkt- und Fleckblutungen ▪ Mikroaneurysmen ▪ harte Exsudate ▪ Cotton-Wool-Herde ▪ Punkt- und Fleckblutungen (≥ 20/Quadrant) ▪ intraretinale mikrovaskuläre Abnormalitäten (IRMA) PDR ▪ Neovaskularisationen der Papille (NVD) oder der peripheren Netzhaut (NVE) ▪ Blutung präretinal/vitreal tinopathie (DR) aufzeigen [1]. Dies ist abhängig von dem Typ des Diabetes, der Dauer der Erkrankung und der Re- gulation der internistischen Parameter wie Blutzucker- spiegel und Blutdruck [2]. Visusgefährdende Komplika- tionen im Sinne eines diabetischen Makulaödems oder einer proliferativen diabetischen Retinopathie (PDR) wer- den mit etwa 6–10% angegeben [3, 4]. Unterteilt wird die diabetische Retinopathie abhängig von retinalen Veränderungen in zwei klinische Unterfor- men: die nicht proliferative (NPDR) und die proliferative Form (PDR). Die NPDR wird wiederum nach Ausprägungsgrad in eine milde, moderate und schwere Form eingeteilt (▶ Tab. 1). Liegt ein diabetisches Makulaödem (DMÖ) vor, so wird unterschieden, ob die ödematösen Veränderungen den zentralen Millimeter betreffen (centre-involving), oder außerhalb der zentralen 1 mm liegen (non centre-invol- ving). Ätiologie Diabetes mellitus ist eine Stoffwechselerkrankung, die entweder durch eine Zerstörung der Betazellen des Pan- kreas (Typ I) oder durch eine progrediente Insulinresis- tenz (Typ II) zu einer gestörten Glukose-Homöostase führt. Der chronisch erhöhte Blutzuckerspiegel führt über verschiedene Stoffwechselwege zu Veränderungen in vielen Organen und irreversiblen mikrovaskulären Schäden. Diese mikrovaskulären Veränderungen sind es, die durch ein Aufbrechen der Blut-Retina-Schranke zu den typi- schen Veränderungen im Bereich der Netzhaut führen. Erhöhte Gefäßpermeabilität und Kapillarokklusion resul- 12 Hagenau F, Herold T. Diabetische Retinopathie – … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 12–16 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Handlungspfad ▶ Abb. 1 Beispiel einer schweren aktiven proliferativen diabetischen Retinopathie mit kürzlich erfolgter Laser- koagulation. Es imponieren Glaskörper- und subhyaloidale Blutungsreste sowie fibrovaskuläre Membranen am obe- ren Gefäßbogen, ausgehend von Neovaskularisationen der Papille. ▶ Abb. 2 Befund einer schweren proliferativen diabeti- schen Retinopathie bei einer 27-jährigen Typ-1-Diabetike- rin in der UWF‑FLA. Es zeigen sich Neovaskularisationen der Papille, ein ausgedehntes Peripheral Vessel Leakage (PVL) und Ischämien der Peripherie sowie eine ischä- mische Makulopathie. mögliche Therapiekonzepte und Risiken bei PDR oder DMÖ [6, 7]. NPDR Eine milde-moderate NPDR benötigt bei fehlendem DMÖ in der Regel keine aktive Therapie. Essenziell bleibt hier die Regulation internistischer Parameter wie Blutzucker, Blutdruck und Dyslipidämie. Augenärztliche Kontrollen sind in regelmäßigen Abständen je nach Schweregrad der DR durchzuführen (s. ▶ Tab. 2). Bei schwerer NPDR mit hohem Risiko für Progression (Non-Adhärenz, un- regulierte internistische Parameter, ausgeprägte Ischä- mien) sollte eine Laserkoagulation der Netzhaut erwogen werden. PDR Eine aktive Therapie wird dann notwendig, wenn sich der Übergang in eine proliferative Form (▶ Abb. 1, Abb. 2) und/oder ein diabetisches Makulaödem zeigt. Hier bedingt der klinisch imponierende Befund die Vor- gehensweise wie im Algorithmus (▶ Abb. 3) dargestellt, der die Therapiewege in verschiedene klinische Szenarien bei aktiver PDR einteilt. a) PDR mit DMÖ Zeigt sich im Rahmen einer aktiven PDR ein centre-in- volving DMÖ, so ist zunächst mittels (UWF-)FLA zu evaluieren, ob und in welchem Ausmaß eine retinale Ischämie vorliegt. Die Therapie des centre-involving DMÖ basiert auf der intravitrealen Gabe von Anti- VEGF gemäß den Leitlinien der Fachgesellschaften [7]. Zugelassen sind beim DMÖ neben den Anti-VEGF- Wirkstoffen Ranibizumab und Aflibercept auch Ste- roid-Implantate. Zeigt sich in der (UWF-)FLA eine deutliche periphere Ischämie, so sollte nach Beginn der intravitrealen The- rapie und Stabilisierung des DMÖ ergänzend eine ver- zögerte panretinale Laserkoagulation (pLK) erwogen werden, da die unbehandelte retinale Ischämie auch im Verlauf als ein erheblicher pathophysiologischer Trigger der DR agiert. Auch wenn sich bei Erstdiag- nose keine periphere Ischämie zeigt, so ist während einer intravitrealen Therapie in regelmäßigen Abstän- den die Wiederholung der FLA sinnvoll. b) PDR ohne DMÖ Auch hier gilt zunächst die Evaluation der Perfusion der Netzhautperipherie mittels UWF‑FLA. Die pLK war seit den frühen ETDRS-Studien die einzige Therapie- möglichkeit der aktiven PDR und ist nach wie vor der „Standard of care“ der PDR. Im Jahr 2019 ist bei der PDR ohne DMÖ die Therapie mit dem Anti-VEGF-Wirkstoff Ranibizumab hin- zugekommen, deren Wirksamkeit in klinischen Stu- dien über 2 und 5 Jahre der pLK nicht unterlegen war [8, 9]. Essenziell ist hier die Patientenselektion. So kann in ausgewählten Patienten die Monotherapie mit Anti-VEGF intravitreal monatlich durchgeführt werden. Nach Stabilisierung im ersten Jahr scheint eine weitere Therapie in den Folgejahren mit größeren Intervallen von 3 Monaten bei diesen Patienten mög- lich zu sein. Eine Anti-VEGF-Monotherapie der aktiven PDR scheint jedoch aufgrund der längerfristigen Be- handlungs- und vor allem Kontrollnotwendigkeit am ehesten sinnvoll bei ausgewählten Patienten mit guter Adhärenz, vorhandener peripherer Perfusion und ohne Traktionen im Bereich der zentralen vitreoretina- len Grenzfläche [6]. 14 Hagenau F, Herold T. Diabetische Retinopathie – … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 12–16 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Handlungspfad Ist eine Netzhautablösung ausgeschlossen, kann je nach Blutungsdichte und ‑verteilung eine Resorption abgewartet werden. Bei fehlender Resorptionsten- denz nach 4 Wochen, ist jedoch ebenfalls eine Pars- plana-Vitrektomie mit Endolaserkoagulation und ggf. Gabe von Anti-VEGF 3–5 Tage präoperativ anzustre- ben. Bei Resorption der Blutung oder initial suffizien- tem Funduseinblick sollte eine pLK begonnen werden. Fazit Die Therapie der diabetischen Retinopathie bleibt eine Herausforderung bei steigender Prävalenz in der Bevölke- rung. Die Basis für eine erfolgreiche augenärztliche The- rapie ist die strenge Regulation von Blutzuckerspiegel und Blutdruck. Die Pharmakotherapie, Laserverfahren und vitreoretinale Chirurgie ermöglichen heutzutage – entsprechend dem Schweregrad stadiengerecht eingesetzt – eine Stabilisie- rung auch einer fortgeschrittenen diabetischen Retino- pathie und können so zu einem langfristigen Sehschär- fenerhalt führen. Interessenkonflikt F. Hagenau: Vortragshonorare Novartis, Allergan. T. R. Herold: Vortragshonorare Novartis, Allergan, Bayer. Autorinnen/Autoren Felix Hagenau Dr. med. Felix Hagenau ist Funktionsoberarzt an der Augenklinik der LMU München. Sein In- teresse gilt klinisch-histopathologischen Korre- lationen der vitreoretinalen Grenzfläche und retinalen Gefäßerkrankungen. Tina R. Herold PD Dr. med. Tina R. Herold ist Oberärztin an der Augenklinik der LMU München mit Schwer- punkt Retinologie und leitet dort u. a. die Spe- zialsprechstunde für diabetische Augenerkran- kungen. Korrespondenzadresse PD Dr. med. Tina R. Herold Augenklinik und Poliklinik Klinikum der Universität München LMU München Mathildenstr. 8 80336 München Deutschland Tina.Herold@med.uni-muenchen.de Literatur [1] Raum P, Lamparter J, Ponto KA et al. Prevalence and cardiovas- cular associations of diabetic retinopathy and maculopathy: results from the Gutenberg Health Study. PLoS One 2015; 10: e0127188 [2] Hammes HP, Welp R, Kempe HP et al. Risk Factors for Retinop- athy and DME in Type 2 Diabetes-Results from the German/ Austrian DPV Database. PLoS One 2015; 10: e0132492. doi:10.1371/journal.pone.0132492 [3] Wong TY, Sun J, Kawasaki R et al. Guidelines on Diabetic Eye Care: The International Council of Ophthalmology Recom- mendations for Screening, Follow-up, Referral, and Treatment Based on Resource Settings. Ophthalmology 2018; 125: 1608–1622. doi:10.1016/j.ophtha.2018.04.007 [4] International Diabetes Federation. IDF Diabetes Atlas, 9. Auf- lage. Brüssel, Belgien: International Diabetes Federation; 2019 [5] Hirneiß C, Mackert M, Messmer E, Priglinger S. Standardabläu- fe in der Augenheilkunde. Stuttgart: Thieme; 2021 [6] Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG), Retinologi- sche Gesellschaft e. V. (RG). Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e. V. (BVA). Ergänzende Stellungnahme der DOG, der RG und des BVA zur Therapie der proliferativen dia- betischen Retinopathie. Ophthalmologe 2020; 117: 755–759. doi:10.1007/s00347-020-01116-3 [7] Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG), Retinologi- sche Gesellschaft e. V. (RG). Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e. V. (BVA). Stellungnahme der DOG, der RG und des BVA zur Therapie des diabetischen Makulaödems. Klin Monbl Augenheilkd 2020; 237: 325–352. doi:10.1055/a- 1097-3440 [8] Lang GE, Stahl A, Voegeler J et al. Efficacy and safety of ranibi- zumab with or without panretinal laser photocoagulation ver- sus laser photocoagulation alone in proliferative diabetic reti- nopathy – the PRIDE study. Acta Ophthalmol 2020; 98: e530– e539. doi:10.1111/aos.14312 [9] Gross JG, Glassman AR, Liu D et al., Diabetic Retinopathy Clin- ical Research Network. Five-year outcomes of panretinal pho- tocoagulation vs. intravitreous ranibizumab for proliferative diabetic retinopathy: A randomized clinical trial. JAMA Oph- thalmol 2018; 136: 1138–1148. doi:10.1001/jamaophthal- mol.2018.3255 Bibliografie Online-publiziert 19.11.2021 Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 12–16 DOI 10.1055/a-1667-6207 ISSN 0023-2165 © 2021. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany 16 Hagenau F, Herold T. Diabetische Retinopathie – … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 12–16 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Editorial pertise in diesem Bereich haben, aufgrund eigener Zahlen dar- gelegt. Liebe Leser*innen, wir hoffen, dass dieses Schwerpunktheft Okuloplastik/Orbita der Klinischen Monatsblätter auch abseits ausgetretener Pfade Ihr Interesse findet und Sie beim „Hinein- schnuppern“ interessante Aspekte entdecken können. Erkenntnisgewinn und Anregung bei der Lektüre wünschen Ihnen Anja Eckstein Ludwig M. Heindl Christoph Hintschich 18 Editorial Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 17–18 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Übersicht Introduction The anatomy of the orbit and periorbital region is complex and has been well studied. The diagnosis and treatment of patients with orbital/periorbital abnormalities requires expertise and awareness of orbital development. Orbital morphogenesis is mul- tifaceted and complex [1]. This protracted process that begins in the 3rd week of prenatal life involves a successive series of subtle and tightly regulated morphogenetic events. Human prenatal development is divided into an embryonic pe- riod and a fetal period. With fertilization, the embryonic period starts and ends 8 weeks later. The fetal period extends from that point onwards until birth. Intense organogenetic activity charac- terizes the embryonic period, while the fetal period is marked by less intense changes. Since 1914, the staging of human embryos in the first 8 weeks has been divided into 23 Carnegie stages or “developmental hori- zons” (named after the Carnegie Institute of Washington, which began collecting and classifying embryos in the early 1900s). Each stage represents an arbitrary point along the timeline of develop- ment. The stages are based on a variety of morphological features and are independent of chronological age or size [2]. Major studies detailing human embryonic and fetal orbital morphogenesis were mostly performed decades ago and are lim- ited. Studies that have been recently performed and published document the molecular basis of this process. To adapt old and new studies, for the sake of standardization and to avoid confu- sion with nomenclature, which can be alien to ophthalmologists, the age mentioned in this article is the postfertilization age in weeks without reference to gestational age. All the measurements in mm refer to the crown-rump length (CRL). Any reference to the Carnegie staging system is disregarded. Milestones in Embryonic Development of the Orbit during Week 3 (CRL 1–2.5 mm) The appearance of the neural plate marks the first morphologic manifestation of the forming of the central nervous system. Neu- ral plate formation is the first step of neurulation, which is the generation of the neural tube. During the stage of neural plate formation, that appears on day 19, the embryo consists of three cell layers: the ectoderm, the mesoderm, and the endoderm. The ectodermal cells on the dorsal portion of the embryo are ulti- mately the ones that form the neural plate. Approximately half of those cells will be induced to remain ectoderm, while the other half will form the neural plate [3]. Once the neural plate has formed, both of its lateral borders elevate, forming the neural folds, and these move toward each other in the midline [4]. When these come into contact, the central part of the neural folds be- gins to fuse at the neck region, and this process proceeds bidirec- tionally – cranially and caudally. It produces a structure looking like an elongated deflated balloon. The neural tube and the facing surfaces of the large neural folds are made up of neural ectoderm. The two symmetric wings of the surface ectoderm come together and fuse over the newly closed neural tube. The surface ectoderm proliferates and covers the entire embryo until the epidermis is formed [5]. The cranial end of the evolving neural tube dilates to form three distinct brain segments: the prosencephalon (fore- brain), the mesencephalon (midbrain), and the rhombencephalon (hindbrain) (▶ Fig. 1 b). The forebrain later differentiates into the telencephalon and the diencephalon (▶ Fig. 1 b) [5]. Sulci make their first appearance as an invagination on the inner surface of the diencephalon. Further deepening of the sulci produces the optic evaginations, which later develop into full-fledged optic pits. At this time, pluripotential progenitor cells in the neural folds have the ability to form multiple derivative cells, including the cranial neural crest cells (CNCCs) [6]. CNCCs are neuroectodermal cells originating from the edge of the neural folds at the neurosomatic junction, losing their epithelial affinities as they form a flattened mass between the neural ectoderm and the overlying surface ectoderm. The CNCCs go through a process of epithelial-mesen- chymal transition and acquire a unique migratory capacity that contributes heavily to orbital and ocular development [7]. Subse- quent epithelial interactions between the superficial ectodermal and neural crest-derived mesodermal cells can result in dermoid cyst formation with adnexal structures. The varied topography of dermoid cysts is dependent on the precise timing and location of abnormal ectodermal inclusion during the embryonic develop- ment. Periorbital dermoid cysts arise primarily from the zygoma- ticofrontal suture (external angle of the supraorbital ridge) [8]. At week 3, three distinct populations of CNCCs differentiate into dif- ferent types of cells [5, 6]. Another important issue starting before a complete closure of the neural tube is the segmentation or rounding of the paraxial mesoderm (mesoderm immediately adjacent to both sides of the neural tube) into transient blocks of cells or segments called somites (▶ Fig. 1 a) [9]. Mesoderm rostral to this level incomplete rounded blocks with indistinct borders called somitomeres (▶ Fig. 1 a) [9]. Since there are no well-defined paraxial mesoder- mal somites in the head, the CNCCs initiate a challenge of provid- ing many of the connective tissue phenotypes of the developing skull and orbit [9]. Tawfik et al. postulate that the orbit is funda- mentally a byproduct of CNCCs [9]. forms ill-defined, (pre-oticsomites) When CNCCs and the mesoderm migrate to their destinations in the orbit, the mesoderm becomes augmented with the CNCCs, forming the mesenchyme [7]. It is important to realize that whereas the mesoderm specifically relates to the middle embry- onic layer, mesenchyme is a loose term used to describe any em- bryonic connective tissue. The periocular mesenchyme massively contributes to the development of the anterior segment of the eye, the eyelids, and the orbit [10, 11]. Except for a loose network of highly undifferentiated mesenchymal cells, there is no indica- tion of a proper orbit. Milestones in Embryonic Development of the Orbit during Week 4 (CRL 4–5 mm) Eye development begins at day 22 of embryogenesis with the eva- gination of the neural tube from bilateral grooves in the neuro- ectoderm, forming the optic vesicles. When a failure in optic vesicle development or complete regression of the optic vesicle occurs, the clinical condition of anophthalmia can result [12]. In 20 Gaca PJ et al. Embryonic Development of … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 19–26 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Übersicht ▶ Fig. 2 Axial and coronal magnetic resonance imaging (MRI) scans of the orbit with microphthalmia with an orbital cyst seen along the inferior aspect of the left orbit. MRI is preferable to computed tomography (CT) scanning since there is higher resolution of the structures of interest and no radiation exposure. vesicle and trigeminal ganglion. Initially, this vein drains most of the primordial orbit and the olfactory region [15]. At this time, the blood supply to the orbit is still plexiform [5]. At day 29, the rhombencephalon (hindbrain) is divided into distinct segments called rhombomeres (▶ Fig. 1 a, b). This is a sig- nificant step toward the deeply ordered and complex genesis of cranial nerves. Each rhombomere has its own attendant CNCC [20]. A unique developmental pattern that sets the sensory nerves within the orbit apart from motor nerves is that they originate from two distinct embryonic sources – rhombomere CNCCs and the ectodermal placodes. The ectodermal placodes are plate-like condensations derived from surface ectoderm. Contrary to CNCCs, these placodes almost exclusively generate neural tissue, except for the adenohypophysial and lens placodes [21]. While very complex, in general, rhombomeres 2 through 6, CNCCs, and the ectodermal placode variously contribute to the formation of trigeminal and facial ganglia and nerves. The picture is not as clear-cut for other cranial nerves. The origin of the troch- lear nucleus with its unusual nerve fiber exit trajectory is still a matter of debate. Most authors maintain that it arises from the mesencephalon just caudal to the oculomotor nucleus [22], whereas others argue for a rhombomere origin from the hindbrain [23, 24] or from the isthmus rhombencephali in between [20]. Unlike other cranial nerves, the oculomotor nerve and the ciliary ganglion have traditionally been assumed to originate embryolog- ically within mesencephalic CNCCs [13, 25], but recent evidence suggests a possible additional origin for the ciliary ganglion and, possibly, the oculomotor nerve from rhombomere 1.55 [20]. The structures of the face and the orbit start to appear during the 5th week. The maxillary and the lateral nasal processes encircle the optic cup to form the osseous structures of the orbit. The maxil- lary processes contribute to the formation of the floor and the lateral wall of the orbit, and the nasal processes to the formation of the ethmoidal and the lacrimal bones [26]. The development of the eyes determines the formation of the bony orbital walls and of the surrounding orbital soft tissue contents. The growth and migration of the eyes play an important role in the shape and position of the orbits. Growth of the eyes provides an expanding force that separates the neural and facial skeletons at the fronto- maxillary and frontozygomatic sutures. In cases of moderate or severe microphthalmia there is often underdevelopment of the bony orbit, the eyelids, and the fornices. Early socket expansion is important to minimize facial deformity and can be started very soon after birth in cases of anophthalmia or severe microphthal- mia [27]. At week 5, frontalization of the orbit starts. Selective differentiation and proliferation of mesenchymal cells cause the maxillary prominences to enlarge and migrate medially toward each other and the lateral and medial nasal prominences [28]. This migration is associated not only with patterns of cellular growth within the maxillary prominences, but also with timely mi- gration of the eye fields from the lateral to the frontal regions of the embryoʼs face during the 5th through 8th weeks. Distur- bances in normal eye field migration have been suggested as one possible cause of median facial clefting and the conditions of hypo- and hypertelorisms. Under normal conditions the axes of two orbits swing forward as a result of the growth of the maxillary processes and migrate from the initial position of extreme hyper- telorism observed at week 4 (180° relation to each other) toward a more frontal position. The axes of the orbits become reduced to 160°at the 5th week. This process of lateral to frontal reorienta- tion continues at an intense pace until week 9, and then slows down, but does not stop except after birth. The orbital axis re- mains moderately divergent at birth. Postnatal changes in skull growth contribute to the final position of the orbits (▶ Fig. 3) [26, 29]. Milestones in Embryonic Development of the Orbit during Week 6 (CRL 8–14 mm) Osteogenesis around the developing neural and visceral contents of the orbit starts [13]. The seven bones comprising the bony or- bit (maxilla, zygomatic bone, lacrimal bone, palatine bone, frontal bone, ethmoid bone, and sphenoid bone), like most bones of skull vault and base, originate from CNCCs, on the contrary to the bones in the posterior portion of the skull (parietal and occipital bones) [13]. The very first bone to appear around the orbit is the maxillary bone, which is seen initially as a single ossification center or a thin strip of bone above the dental lamina of the future canine tooth [30]. Except for the lesser wing of the sphenoid and the eth- moid bones arising from a cartilaginous construct, all the orbital bones (including the greater wing of the sphenoid) originate from membranous connective tissue and develop by direct intramem- branous ossification and not by endochondral ossification [12]. The greater wing of the sphenoid bone is the most controver- sial with contradictory evidence pointing either to an endochon- dral [31] or intramembranous origin, or even a dual origin. Simul- taneously, at this time, precursors of mesodermal extraocular muscles (EOMs) appear. The earliest indication of EOMs are two populations of mesodermal cells. First are the rostral somitomeres of the unsegmented or poorly segmented paraxial head meso- derm, which are likely to contribute to the lateral rectus (LR) muscle (innervated by the abducens) and superior oblique (SO) muscle (innervated by the trochlear nerve). The second popula- 22 Gaca PJ et al. Embryonic Development of … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 19–26 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Übersicht Through a complicated anastomotic process, whereby the proximal portions of the DOA and the VOA regress, the perma- nent stem of the OA finally appears [16, 34]. At this time, the su- perior ramus of stapedial artery is still the major supplier of blood. The hyaloid arterial system is fully developed by the end of the 7th week [17]. Toward the end of week 7, the muscle belly of the SO becomes clearly visible. The most anterior portion of the SO belly is still hardly observable from the sclera. The trochlea cannot be identi- fied at this time yet [39]. At week 7 (16–18 mm, 46th day), morphogenesis of the lacri- mal gland begins as a result of interactions between the conjunc- tival epithelium and the periocular mesenchyme. This process be- gins as a thickening of the epithelium at the superior conjunctival fornix (SCF), which subsequently invades the underlying mesen- chyme. The most remarkable feature at this time is the organiza- tion of the mesenchyme surrounding the superior fornix epithe- lium, which adopts an ovoid form (▶ Fig. 4 A). The thickening of conjunctival epithelium and the mesenchymal condensation con- stitute the supposed glandular area [40]. Epithelial differentiation into acinar, ductal, and myoepithelial cells is controlled by fibro- blast growth factor (FGF10). Their exact role in lacrimal gland morphogenesis is not completely clear. It is postulated that these cells play a crucial role not only during the morphogenesis but also in maintenance and repair of the lacrimal gland during adult life [41]. There is still no evidence of orbital fat, connective tissue, fas- cia, or muscle sheaths. The constitution of the face takes place after the fusion be- tween the maxillary and the lateral nasal processes has become complete. After this process, the external nares are formed. The angle between the axes of the two orbits is reduced to 120° (▶ Fig. 3). The interorbital distance is about 60% of the width of the face [29]. Milestones in Embryonic Development of the Orbit during Week 8 (CRL 23–31 mm) At this time, the frontalization of both orbits makes further progress, but despite this, the width of the interorbital distance is still significant. A consequent and rapid increase in all dimen- sions and zones of the growing face leads to the nearly final for- mation of most of the embryonic face, which makes this week the most critical in orbital and facial development [29]. During week 8, intramembranous ossification of the frontal bone begins anteriorly close to the supraorbital convexity and progresses pos- teriorly concurrently with the rest of the face [42]. As the optic stalk becomes fully filled with axons, it reaches the diencephalon, enclosing the HA, and the definitive ON forms. There appears the oculomotor nucleus, which consists of two groups of cells on either side of the midline in the basal plate of the mesencephalon. During week 8, the lesser wing of the sphenoid already appears as a well-differentiated cartilaginous center lateral to the ON. Be- tween the frontal bone and the lesser wing of the sphenoid, a small recognizable cartilaginous structure extends from the eth- moid precursor medially toward the ala orbitalis. It was postulated ▶ Fig. 4 A Epithelial thickening (ET) of the superior conjunctival fornix (SCF), invasion of underlying mesenchyme (MC) and mesen- chymal condensation during the presumptive glandular stage of lacrimal gland morphogenesis. B Epithelial bud condensation into the SCF and invagination into the MC constitutes the glandular pri- mordium. C Appearance of central lumina (CL) within the glandular epithelial buds. B, C Epithelial bud stage of lacrimal gland morpho- genesis. that this cartilaginous precursor is the forerunner of the lesser wing of the sphenoid and the ethmoids. A recent study review shows that this sphenoethmoidal cartilage is a transient structure and progressively disappears without ossifying [42]. During this week, there progresses the intramembranous ossification of zygomatic and palatine bones. Primordial Müller orbital muscle, an enigmatic structure with an uncertain cell origin, separates the pterygopalatine fossa from the floor of the orbit [43]. Histological sections from Leo Koornneefʼs milestone article about the development of orbital connective tissue demonstrate that all EOM bellies are already present at the 8th week (▶ Fig. 5) [31]. Toward the end of this week, the tendons of the rectus muscles are also observed microscopically to be attached to the apical perichondrium (future periosteum) [44]. In the orbit, the EOMs grow posteriorly and insert into the cartilaginous skeleton of the sphenoid bone, the four recti first and the levator palpebrae later. Regarding analogues to the muscle bellies, Sevel favored a mesodermal origin for the tendons of the EOMs, and not a CNCC origin [44]. The MR muscle fuses with the dura of the ON at its origin. Compared to the LR, even at this early stage, the MR is stronger and better developed [31, 44]. Initially muscular in nature, the origin of the IO is attached to the periorbita close to the bony opening of the nasolacrimal duct [44]. The levator palpe- brae superior (LPS) muscle, which is the last muscle to materialize in the orbit, develops from the superior mesodermal complex, and is initially indistinct from the SR and the SO [44]. The LPS first appears as a mesenchymal condensation that begins to separate from the medial aspect of the SR by a method of differential growth (▶ Fig. 5). Throughout most of the fetal period, the LPS shares a common epimysium with the SR, which is initially quite dense and well demarcated [31]. The nerve supply to the levator passes through the SR mass. The trochlea develops from the mesenchymal tissue at the superomedial corner of the orbit as a 24 Gaca PJ et al. Embryonic Development of … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 19–26 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

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Übersicht Introduction Human prenatal development is divided into an embryonic period and a fetal period. Intense organogenetic activity characterizes the embryonic period of prenatal life, while the fetal period is marked by less intense changes. Knowledge of the embryology of the orbit not only allows one insight into how normal variations in the orbital structure arise, but also provides an understanding of how congenital deformities occur when normal orbital devel- opment goes awry. For better understanding of the develop- mental anatomy of the orbit during the fetal period of prenatal life, the authors have summarized major milestones in orbital morphogenesis, a temporally precise and morphogenetically in- tricate process. The complex embryology of the orbit from post- fertilization week 9 until birth has been reviewed, with illustra- tions to help clarify the various steps in the process of changes that naturally occur at a specified time frame. Because the litera- ture reflects uncertainty about the timing of specific events and even the true nature of the events itself, in this review, we present the prevalent interpretations described in it. To adapt old and new studies, for the sake of standardization and to avoid confusion with nomenclature, which can be alien to ophthalmologists, the age mentioned in this article is the postfertilization age in weeks, without reference to gestational age. All the measurements in mm refer to the crown-rump length (CRL). Any reference to the Carnegie staging system is disregarded. The bony orbit develops from mesenchyme that encircles the optic vesicle in early embryonic development. The scaffolding of the orbital bones is established within the first 8 weeks of prenatal life [1]. The cranial neural crest cells (CNCCs) go through a process of epithelial-mesenchymal transition and acquire a unique migra- tory capacity that contributes heavily to orbital and ocular devel- opment. Migration of the CNCCs over the face follows two routes, which meet in the area of the orbit (▶ Fig. 1). The frontonasal anlage migrates over the prosencephalon, approaching the orbit from above, whereas the maxillary wave curves around the devel- oping eye from below. The frontonasal process gives rise to the lacrimal and ethmoid bones. The floor and lateral walls of the orbit are components of the maxillary process. Knowledge of this migratory pattern helps in understanding the pathogenesis of congenital orbital, eyelid, and lacrimal anomalies. Individual bones develop from a complex series of ossifications of two types. Endochondral bones ossify secondarily after they have been pre- formed in cartilage. Membranous bones ossify directly from con- nective tissue without a cartilaginous precursor. The origin of the extraocular muscles (EOMs) seems to be more controversial. Sevel postulates a mesodermal origin for the tendons of the EOMs, similar to the muscle bellies, and not a CNCC origin [2]. More recent observations have suggested that the extraocular muscles and their connective tissue components differentiate simultaneously along their entire lengths from mes- enchyme derived from CNCCs [3]. Development of orbital vessels is a complicated subject. Small blood spaces appear within the orbital mesenchyme contempora- neous with the appearance of the arterial plexus around the optic vesicle, that later coalesce and form venous channels. The oculo- motor nerve and the ciliary ganglion have traditionally been as- ▶ Fig. 1 CNCCs arise along the dorsolateral part of the neural tube and migrate ventrally to fill in the upper facial process in two waves. The frontonasal anlage migrates over the PE, whereas the maxillary wave migrates from caudal to cranial. CNCCs, cranial neural crest cells; PE, prosencephalon. sumed to originate from mesencephalic CNCCs [4]. Recent stud- ies suggest a possible additional origin for the ciliary ganglion and possibly the oculomotor nerve from rhombomere 1 [5]. The very first indication of orbital adipogenesis is the prolifera- tion of primitive blood vessels, followed by the aggregation of a dense mass of mesenchymal cells (preadipocytes) (▶ Fig. 2) [6]. The exact mesenchymal progenitors of adipocyte cell lineages in the orbit are largely unknown. In the trunk and limbs, adipocytes are traditionally regarded as having a mesodermal origin [7]. In vivo and in vitro studies have demonstrated that, in the cephalic region, preadipocytes display an overrepresentation of CNCC- associated genes, which strongly suggests a conceivable neural origin for cephalic fat from CNCCs [8]. A dual origin for orbital and eyelid fat has also been demonstrated by Korn and coworkers, whose studies confirm the contribution of CNCCs to orbital fat morphogenesis [8]. Milestones in Fetal Development of the Orbit during Week 9 (CRL 40 ± 2 mm) The process of lateral to frontal reorientation of the orbit contin- ues and reaches its peak by the end of 9th week, and then slows down, but does not stop. It results in a proportional decrease in the inner canthal and in the interorbital distance and consolida- tion of the major facial primordia. Near the end of 9th week, the interorbital distance occupies only 20% of the overall facial width, compared to about 60% at week 7 [1]. The abovementioned pro- cesses make a human face for the first time fully recognizable. Measuring some orbitofacial and ocular biometrical parameters in fetuses at various periods should help to describe the growth of the middle face, which is of special interest to the ophthalmol- 28 Gaca PJ et al. Fetal Development of … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 27–36 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Übersicht ▶ Fig. 3 Graphic interpretation of the frontalization process of both orbits. ▶ Table 1 Congenital problems that may occur when normal orbital development goes awry. CRL, Crown-rump length. Age in weeks 9 CRL (mm) 40 ± 2 10 55–68 13 109 ± 10 14 121 ± 11 32 301 ± 33 Event 1. Disrupted process of lateral to frontal reorientation of the orbit that normally reaches its peak by the end of 9th week. Congenital problems that may arise 1. Failure of complete rotation results in the clinical condition of hypertelorism, whereas over rotation causes hypotelorism. 1. Disturbed sepa- ration of the SR and LPS muscles, occurance of thickened fibrous tissue between them and associ- ated underaction of the SR. 1. The clinical condition of con- genital ptosis. 1. Embryologic strands remaining between the tendon of the SO and the trochlea. 2. An abnormal growth of both glandular and mesenchymal portions of the lacrimal gland. 1. Superior oblique ten- don sheath syndrome. 2. It can form a pleo- morphic adenoma (benign mixed tumor). 1. Ossification of the orbi- tosphenoid. 2. Failure of fusion between the neural crest waves. 3. Sequestration of surface ectoderm in areas of neural crest cell fusion. 1. Malpositions in ossifica- tion of orbital bones may result in craniosynostosis. 2. It results in clefting syn- drome around the orbit. 3. Dermoid cysts. 1. The ethmoid sinus can be observed beginning to take its shape much earlier than other paranasal sinuses. 1. The early pneumatization, the thinness of the lamina papyracea, and the vascular foramina for the anterior and posterior ethmoidal arteries account for the high incidence of orbital cellulitis from adjacent ethmoiditis in children. muscles is inadequate, and fibrous tissue persists with incomplete atrophy of the intervening mesenchymal tissue. This close developmental relationship of the LPS and SR can be observed in the clinical condition of congenital ptosis due to the associated underaction of the SR (▶ Table 1) [22]. Packer and Bienfang postulate that the close proximity of the LPS and SR axons results in underactions that usually involve both muscles [23]. Apart from the LPS, all other extraocular muscles attain their adult position and architecture. The maxillary vein and the hyaloid artery start to regress [24]. The aponeurotic expansion from the LPS (the lateral horn of the levator aponeurosis) divides the lacri- mal gland into two defined portions, a superficial palpebral and a deeper orbital lobe. From this time onward, the gland starts to attain its adult morphology (▶ Fig. 4) [25]. An early precursor of orbital fat occurs [3]. Milestones in Fetal Development of the Orbit during Week 11 (CRL 87 ± 8 mm) Since the 11th week, orbitometric measurements are available onwards until birth. Haas and coworkers [26] investigated the de- 30 Gaca PJ et al. Fetal Development of … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 27–36 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Übersicht parenchyma, glandular vascularization, and anastomosis between the lacrimal and zygomatic nerves [25]. The lacrimal gland has a double origin; the glandular parenchyma derives from the epithe- lium and the surrounding mesenchymal stroma [25]. At this week, the lacrimal gland achieves its nearly adult morphology (▶ Fig. 4). An abnormal growth of both glandular and mesenchy- mal portions can form a pleomorphic adenoma (benign mixed tu- mor) (▶ Table 1) [30]. The complex of capillaries, small vessels, and mesenchyme is becoming more prominent. The proliferation of primitive blood vessels followed by the aggregation of a dense mass of mesenchymal cells (preadipocytes) is the first indication of orbital adipogenesis (▶ Fig. 2) [6, 31]. Milestones in Fetal Development of the Orbit during Week 14 (CRL 121 ± 11 mm) The mean fetal orbital diameter is 6.6 mm. The lesser wing of the sphenoid contains, at this time, a lateral and a medial ossification center. The process of bone formation in the lateral center typi- cally starts earlier than in the medial. At this time, the greater wing of the sphenoid contains both a lateral and a medial ossifica- tion center. Contrary to the lesser wing, the ossification typically starts in the medial center and progressively extends laterally. Zhang and coworkers suggest individual differences in the ossifi- cation patterns of the orbitosphenoid [32]. Malpositions in the os- sification of orbital bones may result in craniosynostosis (▶ Table 1) [33]. Several well-recognized syndromes, like Crouzon, Apert, or Pfeiffer syndrome are associated with craniosynostosis. The most common of the craniosynostosis syndromes is Crouzon syn- drome. It is characterized by a midface retrusion, reduced orbital volume, proptosis, and exorbitism. The orbit and maxillary bones are affected by premature suture fusion. The midface retrusion and shallow orbits result from hypoplasia of the ethmoid, frontal, maxillary, and sphenoid bones. The exorbitism of these patients can result in an exposure keratopathy. A failure of the fusion be- tween the neural crest waves results in clefting syndromes around the orbit. Several syndromes display periorbital clefts, like Treacher Collins syndrome, oculoauriculovertebral dysplasia, and hemifacial microsomia [34]. The typical location of dermoid cysts at the frontozygomatic and frontoethmoidal suture line results from sequestration of the surface ectoderm in areas of neural crest cell fusion (▶ Table 1) [30, 35, 36]. The most significant occurrence during this period for the lacrimal gland is a steady and remarkable increase of vascularization [25]. Milestones in Fetal Development of the Orbit during Week 16 (CRL 145 ± 12 mm) The size of the lesser wing of the sphenoid significantly increases due to extensive bone formation within the medial ossification center [32]. This process narrows the opening of the infratempo- ral fossa to the orbital space. The MM retains its position and still separates the orbit from the rest of the developing face [31]. At this time, the ethmoidal cartilaginous chondrocranium is still unossified [3]. Perivascular osteoprogenitor cells, potentially orig- inating from the orbitosphenoid and ethmoid, start to colonize the MM. This process initiates the replacement of its smooth muscle fibers by collagen fibers. This development is postulated to initiate and guide ossification of the inferior orbital wall [31]. Development of the connective tissue is inextricably associated with the development of the extraocular muscles and their ten- dons. A mature connective tissue is present both within and sur- rounding the EOMs. Circular septae surround the SO and are con- nected to the septae surrounding the SR/LPS complex by means of a septum that encloses the SOV. Septae also extend from the MR to the medial periorbita and to the IR [3]. Progression of the fatty tissue differentiation continues. At this time, fat becomes a definite structure all over the orbit. Its biggest concentration oc- curs retrobulbar [31]. The most significant occurrence during this period for the lacrimal gland is a glandular vascularization. Each lobule of the lacrimal gland receives its own arterial vessel [25]. Milestones in Fetal Development of the Orbit during Week 17 (CRL 158 ± 13 mm) The LR is in direct contact with the periorbit of the sphenoid. All EOMs reach their adult topographical positions and are sur- rounded by an extensive, almost complete system of connective tissue [3]. All insertions of the rectus muscles are still situated equidistant from the corneal limbus and remain so until the 22nd week [2]. Milestones in Fetal Development of the Orbit during Week 18 (CRL 171 ± 14 mm) The mean fetal orbital diameter is 9.8 mm [28]. The canthal index (inner canthal/outer canthal distance × 100) is around 39% [10]. The medial and lateral ossification centers of the greater wing of the sphenoid present equal density [32]. The medial and lateral ossification centers of the orbitosphenoid are fully fused at this time to form the lesser wing of the sphenoid [32]. For the first time during the fetal life, a thin layer of bone separates the orbit from the sphenopalatine and infratemporal fossae [31]. Around week 18, the lesser sphenoid wing gradually surrounds the optic nerve (ON) to form the optic canal [32]. At this time the space be- tween the orbitosphenoid (lesser wing) and the alisphenoid (greater wing), that later creates the SOF, can still be described as a dehiscence. The process of replacing smooth muscle fibers by the connec- tive tissue in the MM accelerates. It results in a reduction in muscle size, as evidenced by the reduction of reactivity in smooth muscle actin. The absolute and relative size of the MM decreases [31]. The amount of orbital fat, with the least concentration around the ON, increases significantly. The fat compartment is significant in global support. The unique architecture of the orbi- tal fat, with its lobule-like arrangement and connective tissue sep- tal membranes dividing adipose tissue, can already be seen [3]. From this point of development, no histologic differences be- tween fetal and adult orbital fat can be noted [31]. 32 Gaca PJ et al. Fetal Development of … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 27–36 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Übersicht ▶ Fig. 6 A coronal histologic section near the apex of the right orbit at the 32nd week of prenatal life. Orbital bones reach a stage of near final maturation. At this time, the orbital fat and extensive system of fascial septal planes of the orbit are already established within and outside the muscle cone between the EOMs, Tenon capsule, and the ON. The OCTSS supports fragile structures such as nerves and vessels and provides pathways draining fluid forward to the eyelid lymphatics or backward to the cavernous sinus. The MM re- duces its thickness but still occupies a sizable portion of the orbital floor. AT, adipose tissue; CT, connective tissue septa; EB, ethmoidal bone; FB, frontal bone; IR, inferior rectus; LPS, levator muscle; LR, lateral rectus; MM, Müller muscle; MR, medial rectus; PB, periorbita; OA, ophthalmic artery; SB, sphenoid bone; SE, sphenoethmoidal cartilage; SO, superior oblique; SOV, superior ophthalmic vein; SR, superior rectus; V, blood vessels. tes many structures, limits movement, and maintains order within a constantly shifting dynamic environment [33]. Without this sys- tem, the semi-fluid orbital fat lobules would quickly redistribute themselves, which can be noticed when the fascial system is dis- rupted following extensive orbital surgery or enucleation [40, 41]. The orbital deformities after a surgery can result from the loss of support by the OCTSS. Removal of large sections of the orbital walls can lead to changes in a position of the supporting sling to the EOMs, orbital soft tissues, and globe. The consequence can consist in a different position of the eye, and changes in the direc- tion and degree of motility restriction. The OCTSS supports fragile structures, such as nerves, arteries, and veins, and provides path- ways draining fluid forward to the eyelid lymphatics or backward to the cavernous sinus. The OCTSS for each of the EOM supports and helps maintain the functional relationships between them during complex ocular movements and allows for a more constant vector force orientation in all positions of gaze [42]. Motility re- striction in Graves orbitopathy has been thought to result from fibrosis in the extraocular muscles. However, it is more likely that this restriction is associated with hypertrophy of the OCTSS result- ing from a chronic orbital inflammation [43]. The LR has the longest trajectory of any of the rectus muscles. Its course from origin to insertion can be compared to an arc around the globe, which makes it more susceptible to sideslip, with extremes of vertical gaze shifts. Due to this fact, a more ex- tensive fascial suspensory system is associated with this muscle. This system helps to maintain it in a fixed relationship to the globe and to the orbital wall [38]. The LR is the first muscle that distan- ces itself from the periorbita at this point [3]. The periorbita, also called orbital fascia, is the periosteum of the orbital bones. It is only loosely adherent to the underlying bones, except at the ante- rior orbital rim, at the orbital margins, the edges of fissures and foramina, the optic canal, the ethmoid canals, and the lacrimal crest. At the lacrimal crests, a sheet of periorbita covers the lacri- mal sac, and the periorbita is continuous with the tissue lining the nasolacrimal canal. Another portion of the periorbita covers the lacrimal gland. On the orbital surface of the optic canal and the medial aspect of the superior orbital fissure, the periorbita thick- ens, forming tendinous attachments of the four rectus muscles, the levator palpebrae superioris (LPS), and the SO, creating a ten- dinous ring (the annulus of Zinn). This dense connective tissue membrane serves not only as an attachment site for muscles, ten- dons, and ligaments, it is also a support structure for the blood supply to the orbital bones [44]. Milestones in Fetal Development of the Orbit during Week 26 (CRL 250 ± 21 mm) The amount of retrobulbar adipose tissue increases significantly in size and continues this exponential growth until the 30th week (▶ Fig. 6) [45]. The optic nerve, at this point, is surrounded by a well-defined arachnoid sheath [32]. Milestones in Fetal Development of the Orbit during Week 28 (CRL 267 ± 27 mm) Superfluous axons are continuously eliminated in the process of apoptosis. The total number of the ON axons stabilizes and reaches an amount that is comparable with the adult nerve [37]. Milestones in Fetal Development of the Orbit during Week 30 (CRL 284 ± 32 mm) The orbital index reaches more than 85 % [26]. The orbital en- trance becomes hypsiconchal. Entrances with an index of more than 85.0 are called “hypsiconchal orbits” [26, 46]. Milestones in Fetal Development of the Orbit during Week 32 (CRL 301 ± 33 mm) The mean fetal orbital diameter is 15.2 mm [28]. The canthal in- dex is around 37% [10]. Orbital bones reach a stage of almost final maturation. The lesser wing of the sphenoid and the frontal bone, each with its own ossification front, its own basement membrane, and with a cartilaginous center in between them, which forms a transient 5-layered junctional structure that is termed the orbito- sphenofrontal suture, approach and overlap each other [18]. Due to this overlap, the junction between both ossification centers ap- 34 Gaca PJ et al. Fetal Development of … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 27–36 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

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Übersicht ge Meilensteine der embryologischen und fetalen Entwick- lung der Augenlider sind u. a. der Beginn der Augenlidausbil- dung in der 6. Woche p. c., die Augenlidfusion, die normaler- weise bis zur 8. Woche erfolgt, und die Entwicklung der ein- zelnen Lidstrukturen ab der 9. Woche p. c. Diese schreitet bis zur Lidteilung der 24. Woche p. c. fort. Nach der Augenlid- teilung beginnen die Augenlider ihre fast endgültige Form an- zunehmen. In der 32. Woche p. c. sind die Augenlider voll- ständig entwickelt und meistens komplett getrennt, aber noch geschlossen. Zu den wichtigsten Entwicklungsschritten des Tränendrainagesystems gehört: 1. Die Bildung der Lamina lacrimalis (das Primordium des zukünftigen Tränensystems). 2. Die Bildung des Tränenstranges (das Primordium der Trä- nenkanäle) in der 7. Woche. 3. Die Kanalisation der Tränen- wege, die ab der 10. Woche beginnt. In der 10. Woche zeigt das Tränensystem dann ein Lumen mit einem echten Tränen- gang. Das Epithel der Tränenkanäle geht nun zum palpebralen Bindehautepithel über und das kaudale Ende des Tränen- kanals und des Meatus nasalis inferior wachsen zusammen. Das Verständnis für diese Entwicklungsprozesse sowie die Identifizierung und Verknüpfung der Signalkaskaden mit re- gulatorischen Genen kongenitaler Erkrankungen könnte den Weg für die Entwicklung neuer Therapieoptionen ebnen. Diese könnten minimalinvasive Interventionen und narben- reduzierende Operationsmethoden umfassen. Zudem könn- ten Therapiemöglichkeiten zur Ausbreitungskontrolle von Malignomen eröffnet werden. Durch die Verwendung von Stammzellen könnten sogar regenerative Therapien in Zu- kunft möglich sein. Introduction Ocular, eyelid, and lacrimal drainage system development pro- ceeds in a stepwise fashion. Any misstep will be followed by a fail- ure of the next steps [1, 2]. Understanding of this multidimension- al process of development in the prenatal life, and its underlying signaling, provides us with clinical implications for the origin of congenital abnormalities involving eyelids and the lacrimal drain- age system. It may pave the way for developing minimally invasive interventions, scar reducing surgical methods, or controlling the spread of malignancies [3 – 7]. Human prenatal development is divided into an embryonic pe- riod and a fetal period. With fertilization, the embryonic period starts, and it ends 8 weeks later. The fetal period extends from that point onwards until birth. Since 1914, the staging of human embryos in the first 8 weeks has been divided into 23 Carnegie stages or “developmental horizons” (named after the Carnegie Institute of Washington, which began collecting and classifying embryos in the early 1900s). Each stage represents an arbitrary point along the timeline of development. The stages are based on a variety of morphological features and are independent of chronological age or size. The anatomical structures have been well studied. Major studies detailing human embryologic and fetal ocular, eyelid, and lacrimal drainage system morphogenesis were mostly performed decades ago and are extremely limited. They usually focused on development during the embryonic rather than the fetal period. Studies that have been recently conducted and published document the molecular basis of this process. To adapt the old and the new studies, for the sake of standardization and to avoid confusion with nomenclature that can be alien to ophthalmologists, the age mentioned in this article is the post- fertilization age in weeks, without reference to the gestational age. All the measurements in mm refer to the crown-rump length (CRL). Any reference to the Carnegie staging system is dis- regarded. Eyelid Morphogenesis – A Dynamic Process of Complex Interactions between the Epidermis and Dermis The human eye is composed of a variety of tissues that embryoni- cally have their derivation from the surface ectoderm, neural crest, and mesoderm. The mesoderm gives later rise to a loosely interlinked tissue called the mesenchyme, among other compo- nents in the developing embryo. The surface ectoderm is a sin- gle-layered epithelium. It proliferates later and forms a new outer transient layer of simple squamous epithelium called the peri- derm, and an underlying proliferating layer called the basal layer. The periderm forms a transient covering for the epidermis during most of the remaining period of its development. The basal layer constitutes the stem cell layer that will renew the epidermis throughout life. Both layers are separated from the underlying dermis by a basement membrane. By the 11th week (87 ± 8 mm), deep to the periderm layer, a third layer containing kerati- nocytes is produced called the intermediate cell layer. By the 21st week, when differentiation of the underlying epidermal layers is complete, the periderm cell layer is gradually shed into the amniotic fluid, until it completely disappears by the 24th week (232 ± 18 mm) [8, 9]. The eyelids develop from secondary mesen- chyme and surface ectoderm [secondary mesenchyme is pro- duced when the cranial neural crest cells (CNCCs) invade the mes- oderm] [10, 11]. The periocular mesenchyme contributes heavily to the development of the anterior segment of the eye – the eye- lids and the orbit [4, 12, 13]. The mesenchyme gives rise to the tarsal plate (TP), the muscles in the eyelids, and the orbital sep- tum. The mesodermal contribution is only to blood vessels endo- thelium and striated muscles in the eyelids and orbit. The surface ectoderm gives rise to the eyelid skin epithelium, conjunctival, hair follicles, and accessory glands (▶ Table 1). The eyelid begins to form during the 6th week and continues to develop until nearly complete at the 36th week. The three temporal features of eyelid development in humans are eyelid growth, eyelid differentiation, and eyelid maturation [14]. 38 Gaca PJ et al. Embryologic and Fetal … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 37–45 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Übersicht a Keratinocyte migration b c Kerainocyte terminal differentiation d granular layer basal layer Mesen- chyme Eyelid root Cornea Leading edge Fused eyelid cornified layer conjunctiva ▶ Fig. 2 Interactions between the periderm and epidermal layers in the process of eyelid fusion. Only the periderm and epidermal layers are in- volved in the process of eyelid fusion. a At around week 8, the flattened periderm cells (arrow) undergo a morphogenetic and proliferative change into rounded or cuboidal periderm cells. b The leading edge of these proliferating cells helps make contact with the advancing edge of the opposing eyelid periderm cells until a connection is established. c When a connection is established between the apposed eyelids, these periderm cells flatten again and form a strip ultimately covering the cornea. d During the eyelid fusion, the mesenchymal layers of the upper and lower eyelids remain separate. Once contact is made between the apposed eyelids, these cells flatten and form a strip along the fusion line until they slough off with the rest of the periderm [28]. the lacrimal duct makes contact with the inferior meatal lamina (▶ Fig. 1 d) [1]. Etiopathogenesis of punctal agenesis is likely to be the result of a failure of canaliculi outbudding from the lateral extreme of the solid LC. Punctal agenesis has important ocular and systemic associations. Lyons and coworkers [17] found 23% of their cases (n = 57) to have ocular abnormalities, such as lacrimal fistula, blepharitis, distichiasis, eyelid tags, absence of caruncle, and divergent strabismus. Examples of syndromes associated with the punctal agenesis include Hay-Wells, Levy-Hollister, Rapp- Hodgkin, Robinow, Brachmann-de-Lange, ectodactyly-ectoder- mal dysplasia-clefting syndrome, and congenital rubella [18 – 22]. At the beginning of week 8 (54–56 days, 23–28 mm), there is a gap between the upper and lower eyelid folds, and the cornea is still visible. Trying to fill the gap, the flattened periderm cells undergo a morphogenetic change into rounded or cuboidal cells that proliferate and start to migrate centripetally toward each other from the rim of both eyelids. The remarkable process of eye- lid fusion begins, just anterior to the horizontal equator of the globe (▶ Fig. 2) [23, 24]. The upper and the lower eyelids first meet at the outer canthus of the palpebral fissure. The inner can- thus is established a few days later [11, 15, 25]. By the end of week 8 (56–60 days, 27–31 mm), the closure of the eyelids is complete [11, 15]. Only the peridermal and epidermal layers are involved in eyelid fusion, while the mesenchymal layers of the upper and lower eyelids remain separate [23]. The eyelid fusion serves sev- eral important functions. This process is significant for the differ- entiation of eyelid appendages, and performs a protective func- tion on the developing components of the eye, especially the cor- nea [16, 26 – 28]. It is extremely important that the eyelids fuse before the commencement of the renal function, because as the kidneys start to function, the urea, uric acid, and creatinine con- tent of amniotic fluid increase significantly [16]. The embryonic process of eyelid fusion, involving synchronized series of tissue re- modeling and tissue movements (the formation of the leading edge of epithelial cells with actin stress fibers, directed cell migra- tion, and re-epithelialization), shares similarities to skin healing [29, 30]. Eyelid development shares common features throughout the mammalian family tree, especially in viviparous mammals and in mice [31, 32]. Embryonic eyelid formation can be easily observed in murine models, and the mouse has been the favorite model for studying the mammalian organogenesis. Modification of the germ line and creation of mouse mutants with various tech- niques, such as null mutations, point mutations, microdeletions, gene insertions, or chromosomal rearrangement, have deepened our knowledge of eyelid embryonic development and eyelid de- velopmental defects (especially associated with the eyelid fusion and reopening failure) [33 – 35]. In mammals, Grainyhead-like epithelial transactivator 1 (Get1, also referred to as Grainyhead-like 3, Grhl3), one of the three mammalian Grainyhead genes, has been most extensively studied [36 – 38]. This gene regulates key aspects of the terminal differen- tiation program and barrier formation of the mouse epidermis 40 Gaca PJ et al. Embryologic and Fetal … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 37–45 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Übersicht a Week 9 b Week 14 c Week 20 d Week 32 e Full Term superior tarsal muscle tarsal plate Meibomian glands orbital part of the orbicularis muscle primordial tarsal plate orbicularis culi muscle levator apo- neurosis 500 μm 500 μm 2 mm 1 mm 1 mm ▶ Fig. 3 Development of the eyelids during the fetal period. Development of the eyelids (a), week 9 (40 ± 2 mm). In the 9th week, immediately after eyelid fusion, mesenchymal cell condensations and an occasional ingrowth of surface epithelium into the underlying mesenchyme starts the formation of eyelid structures. The orbital part of the orbicularis muscle appears as the first structure. b By week 14 (121 ± 11 mm), the eyelid is clearly divided into separate layers. Near the eyelid margin, rudimentary eyelashes, sebaceous, and sweat glands can be recognized. The primordial tarsal plate can be distinguished. c Week 20 (195 ± 15 mm). Eyelid separation starts anteriorly. This process can be confirmed at a microscopic level. The tarsal plate lengthens and meibomian glands branching can be first observed. The orbicularis oculi further develop, and the nearly mature eyelash follicles at the eyelid margin can be observed. d Week 32 (301 ± 33 mm). Meibomian glands increase in length and are present in two- thirds of the length of the tarsal plate. The eyelids are nearly fully developed and fully separated, but still visibly closed. e Full term. The final appearance of the eyelids at birth. All the measurements in mm refer to the crown-rump length (CRL). the levator aponeurosis is observed running downwards in close proximity to the primordium of the orbital septum, which origi- nates from the periosteum of the orbital roof [11]. The superior TP acquires a superiorly oriented D-shape and starts to merge with the levator aponeurosis [11, 44], but the inferior TP remains sausage-shaped [11]. During the 12th week of development (98 ± 9 mm), reabsorption of the inferior meatal lamina is clearly visible [1]. During the 13th week (109 ± 10 mm), the epithelial cord of the meibomian anlage develops lateral outgrowths [14], differentiat- ing into the holocrine sebaceous glands of Zeis and modified sweat glands of Moll [14, 26]. By week 14 (121 ± 11 mm), the eye- lid is clearly divided into the skin, subcutaneous, muscular, and tarsofascial layers. Eyelashes, sebaceous, and sweat glands can be seen in the lower part of the upper eyelids. The primordium of the TP forms due to condensation of the mesenchymal cells (▶ Fig. 3 b). The orbital septum and the levator aponeurosis run downward separately. Müllerʼs muscle appears and is attached to the upper border of the TP. By week 16 (145 ± 12 mm), the orbital fat, with its anterior extraconal component behind the orbital septum, is seen as a definite structure [11]. During the 13th– 16th weeks of development, the direct tendon of the medial palpebral ligament inserts into the anterior lacrimal crest of the maxillary bone. Hornerʼs muscle fibers, which are arranged dorsal to the lacrimal sac, may be observed in the posterior lacrimal crest of the lacrimal bone. The reflex tendon is visible. It is fixed on the posterior lacrimal crest of the lacrimal bone. The canaliculi are al- ready defined, but the puncta remain closed until complete eyelid separation [1]. Because of a relative differential rapidity of growth of the maxillary processus compared to that of the frontonasal processus, the inferior punctum lies more temporally than the su- perior one [6]. The exact timing of the development of the lacri- mal caruncle is not thoroughly clear. In the literature, it is consid- ered to develop “soon” after eyelid fusion [14]. It should be noted that it is not formed from the conjunctiva but as an offshoot from the lower eyelid. The developing lower canaliculus cuts the car- uncle off from the remaining eyelid tissue [44]. The lacrimal car- uncle contains sebaceous glands and hairs, and an ectopic canal- iculus occasionally opens to the caruncle. The reason for this is the common developmental origin of the lower eyelid and the car- uncle. By week 18 (171 ± 14 mm), the tarsal gland (TG) grows into the well-defined TP, which is now surrounded by the capsule. The vascular arcades are well defined. The meibomian gland anlages are now observed as a well-defined structure [11]. By the 20th week (195 ± 15 mm), the meibomian gland branching starts to take place, and the TP lengthens significantly (▶ Fig. 3 c) [11]. At this time, eyelid separation starts [11, 16]. There is a number of discrepancies between the accounts of different researchers con- cerning the separation between upper and lower eyelids. Byun and coworkers clarify the discrepancy by indicating that, although 42 Gaca PJ et al. Embryologic and Fetal … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 37–45 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Übersicht on gross inspection the eye appeared to be closed, the eyelids have already started to separate (what could be proven by histo- logical sections) [11] (▶ Fig. 3 d). Sevel defines that eyelid separa- tion is not a short-term event but a continuous process. He sug- gests that several tissue strands normally persist between both eyelids until delivery [16]. If this were true, obstetricians would have reported isolated ankyloblepharon filiforme adnatum more often. Histologic sections reveal that eyelids start to separate na- sally and anteriorly, then extend temporally and posteriorly by gradual sloughing of periderm cells into the amniotic fluid [11, 14, 16]. Until recently, eyelid separation remained unclear. It was postulated that the keratinization process of the intermediate cell layer softens the cells in the junctional layer [14, 16, 45, 46]. Other studies revealed that the keratinization is only second in order of importance to holocrine production of lipids from the developing meibomian glands [12, 14], and that the final stage of disjunction is attributed to traction by eyelid muscles [14]. Recently, these old concepts have been modified [11]. Apoptosis-induced reduction in the size of the junctional area is postulated to facilitate differen- tiation and keratinization of the underlying epidermis. This pro- cess enables easy disruption of the junctional epithelial plug. It could be assumed that apoptosis plays a secondary but earlier role, and the keratinization remains the ultimate and final process in eyelid separation [47]. Interestingly, the apoptosis not only seems to be a key event in eyelid separation but was demonstrat- ed to play a pivotal role from the beginning of eyelid fusion. After the eyelid separation by week 24 (232 ± 18 mm), the eyelids begin to take their nearly developed shape [11, 16]. At this time, the orbicularis oculi muscle extends medially and laterally to be at- tached to the medial and lateral palpebral ligaments, respectively. The TP lengthens and increases in width. The levator palpebrae superioris muscle, aponeurosis, and the orbital septum are all clearly visible, while Müllerʼs muscle is visibly attached to the superior border of the tarsus and is posterior to the levator apo- neurosis [16]. By week 28 (267 ± 27 mm), the differentiation of the orbicularis oculi muscle is almost complete. The pretarsal, preseptal, and orbital components are clearly discerned [12]. The meibomian glands span half the length of the TP [11]. On the eye- lid margin, opening of the puncta can be observed [1]. By week 32 (301 ± 33 mm), the upper eyelid central fat pad and the preseptal fat are well defined [16]. By the 32nd week, the meibomian glands increase in length, and are present in two-thirds of the length of the TP (▶ Fig. 3 d). The onset of dynamic eyelid movements (blinking) has rarely been scrutinized in detail in the literature. In 1985, Birnholz observed the earliest evidence of blinking at the age of 33 weeks (310 ± 33 mm) after orange color stimulation [48]. Unlike these previous studies, Petrikovsky and coworkers documented an earlier onset of fetal blinking by week 31 (292 ± 33 mm) in 90% of fetuses examined by ultrasonography [49]. The actual onset of blinking may be much earlier, but eyelids may be too small for dynamic movements to be detected by ultra- sound [49]. By week 36 (336 ± 32 mm), the eyelid is almost fully formed with smooth eyelid margins, apparently because of the secretion of the meibomian glands [12]. The TGs occupy almost the entire length of the TP. Folds and fornices develop in the con- junctiva. The horizontal diameter of the conjunctival fornix is lon- ger than that of the vertical one. The space between the periorbit and medial, inferior, and lateral muscles becomes wider. The orbi- cularis oculi muscle is located subcutaneously, and the levator muscle is connected to Müllerʼs muscle, a smooth muscle that extends along the superior edge of the TP (▶ Table 2). Later on, approaching childbirth, the levator palpebrae superior–rectus complex separates from the roof of the orbit [11]. Clinical Implications/Future The organogenesis of the eyelids and lacrimal drainage system is a temporally precise and morphogenetically intricate process, re- quiring the cells to fold, proliferate, migrate, fuse, and separate later in a synchronized and timely manner. Various congenital anomalies can result from abnormal tissue proliferation, fusion, and reseparation of the eyelids. A basic understanding of the processes underlying morpho- genesis, which we hope to have achieved in this review, coupled with research tools that are already available at hand today, is a crucial first step towards making the use of progenitor/stem cell therapy and regenerative therapy to treat intractable genetic or acquired pathologies. Conflict of Interest The authors declare that they have no conflict of interest. References [1] [2] de la Cuadra-Blanco C, Peces-Pena MD, Janez-Escalada L et al. Morpho- genesis of the human excretory lacrimal system. J Anat 2006; 209: 127– 135. doi:10.1111/j.1469-7580.2006.00606.x Saleh GM, Hussain B, Verity DH et al. A surgical strategy for the correc- tion of Fraser syndrome cryptophthalmos. Ophthalmology 2009; 116: 1707–1712.e1. doi:10.1016/j.ophtha.2009.05.018 [3] Heindl LM. [Update on minimally invasive lacrimal drainage surgery]. Ophthalmologe 2017; 114: 396. doi:10.1007/s00347-016-0426-2 [4] Rokohl AC, Guo Y, Mor JM et al. 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Übersicht Angeborene Fehlbildungen der ableitenden Tränenwege Congenital Anomalies in Lacrimal Drainage Autoren Jens Heichel 1, Ludwig M. Heindl 2, Hans-Gert Struck 1 Institute 1 Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinik Halle, Deutschland 2 Zentrum für Augenheilkunde, Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln, Universität zu Köln, Köln, Deutschland Schlüsselwörter Tränenwegstenose, konnatale Tränenwegstenose, Tränen- wegfehlbildungen, Tränenwegchirurgie, Tränenwegatresie, Tränenwegfistel Key words dacryostenosis, connatal dacryostenosis, lacrimal malforma- tions, lacrimal surgery, lacrimal atresia, lacrimal fistula 27. 9. 2021 eingereicht angenommen 7. 12. 2021 10.1055/a-1717-2110 Bibliografie Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 46–56 DOI ISSN 0023-2165 © 2022. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany Korrespondenzadresse Dr. Jens Heichel Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinik Halle Ernst-Grube-Straße 40, 06120 Halle, Deutschland Tel.: + 49 (0) 34 55 57 18 78, Fax: + 49 (0) 34 55 57 18 48 jens.heichel@uk-halle.de ZUSAMMENFASSUNG Die konnatale Tränenwegstenose ist der häufigste Grund einer ophthalmologischen Konsultation im Kindesalter. Sie ist mit Ab- stand am häufigsten bedingt durch eine persistierende Hasner- Membran. Aber es können selten auch angeborene Fehlbildun- gen der Tränenwege auftreten. Im Bereich der proximalen ablei- tenden Tränenwege kann es zur Anlage überzähliger Tränen- pünktchen und Tränenröhrchen kommen, aber auch zu Diver- tikeln, Fisteln und Atresien. Die distalen ableitenden Tränen- wege können von Fisteln, Amniotozelen und Zysten betroffen sein. Eine Assoziation vonTränenwegfehlbildungen mit angebo- renen systemischen Erkrankungen wird in ca. 10% der Fälle be- schrieben. In Abhängigkeit vom Schweregrad der Symptome kann eine chirurgische Sanierung erfolgen, wobei endoskopi- sche Verfahren mit den Möglichkeiten der modernen Tränen- wegschienungen wichtige Ergänzungen darstellen. ABSTR AC T Congenital dacryostenosis is the most common reason for ophthalmic consultation in childhood. It is most often caused by persisting of Hasnerʼs membrane. However, congenital malformations of the lacrimal drainage system can also occur in rare cases. In the area of the proximal lacrimal drainage sys- tem, supernumerary lacrimal puncta and canaliculi can arise as well as diverticula, fistula, and atresia. The distal lacrimal drainage system can be affected by fistulas, amniotoceles, and cysts. Association of lacrimal malformations with congen- ital systemic diseases is reported in about 10 % of cases. De- pending on the severity of the symptoms, surgical rehabilita- tion can be performed, and endoscopic procedures and mod- ern lacrimal drainage intubation systems may be employed. Einleitung Die Epiphora im Kindesalter ist häufig die Folge einer Stenosie- rung der ableitenden Tränenwege (TNW) und beruht zumeist auf einer persistierenden Hasner-Membran. Dennoch sind konnatale Dakryostenosen sehr heterogen. Verschiedenste Strukturanoma- lien im Bereich des Mittelgesichtes können zu einer Vielzahl an Störungen führen und dabei die TNW affektieren. Die Entwick- lungsstörungen der TNW sind deshalb in Ausprägung und Schwe- regrad vielgestaltig. Sie kommen sporadisch und familiär gehäuft sowie isoliert wie auch im Rahmen von Fehlbildungen bzw. Syn- dromen vor. Dabei können der membranöse oder der knöcherne Anteil der TNW bzw. Kombinationen aus beiden betroffen sein. Zudem ist es wichtig, den Lidapparat mit den TNW als eine funktionelle Einheit zu betrachten. Entsprechend gehen komplexe Fehlbildungen der TNW häufig mit Fehlanlagen im Bereich der Lider bzw. der Orbita und des Gesichtsschädels einher. Zur Embryologie der ableitenden Tränenwege Tränenröhrchen, Tränensack und Tränen-Nasen-Gang entwickeln sich aus dem Ektoderm. Der Entwicklungsvorgang beginnt als 46 Heichel J et al. Angeborene Fehlbildungen der … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 46–56 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Übersicht ▶ Abb. 1 Waardenburg-Klein-Syndrom. a Lateralverlagerung des medialen Lidwinkels (Dystopia canthi medialis lateroversa) und prominente Nasenwurzel (Hyperplasia radicis nasi), vermehrte mediale Brauenbehaarung (Hyperplasia supercilii medialis), Ptosis und Blepharophimose. b Lateralverlagerung des Tränenpünktchens (Dystopia puncti lacrimalis). c Lagophthalmus. Entleerung des Tränensackes vor der Prüfung des spontanen Trä- nenabflusses zu vermeiden. Das Exprimieren des Tränensackes gibt Hinweise auf eine mögliche Dakryozystitis. Mukopurulentes Sekret und Druckdolenz wären hierfür typisch [17]. Die Spülung der TNW aus diagnostischer Intention sollte bei Kindern compliancebedingt ohne Sedierung keine Anwendung finden, da iatrogene Traumata mit konsekutiven Stenosen drohen [20]. Ansonsten stellt sie eine der wichtigsten Untersuchungs- techniken dar. Weiterhin sollte eine Rhinoskopie erfolgen, um eine Aussage zu möglichen komplexen anatomischen Variationen im Bereich der endonasalen Anatomie zu gewinnen [17]. Die HNO-ärztliche Vorstellung ist ebenso bei Verdacht auf syndroma- le Fehlbildungen angezeigt, da hier auch Anomalien des äußeren und inneren Ohres auftreten können. Weiterhin ist die Inspektion der Haut, des Mundes (Zahnstatus, Spaltbildungen) und der Ex- tremitäten (Hände/Füße) sowie eine vollständige klinische Unter- suchung der Augen bei diesen Patienten erforderlich. Insofern ist die interdisziplinäre Betreuung bei Fehlbildungen der TNW häufig notwendig [15]. Die betreuenden Pädiater sollten ebenso ein- bezogen werden, da, je nach Schwere des Syndromleidens, auch relevante Funktionsstörungen wichtiger Organsysteme (z. B. Herz, Lungen, Nieren, Gastrointestinaltrakt) vorliegen können. Bildgebung Die Sonografie ermöglicht, weitere Aspekte zur Anatomie zu gewin- nen. Dabei kann das Vorhandensein der Tränenröhrchen oder des Tränensackes überprüft werden [21]. Die tieferen Abschnitte sind durch Schnittbildverfahren darzustellen, da sie den intraossären Teil der TNW zur Abbildung bringen. Zumeist hat die dünnschichtige Computertomografie eine ausreichende Aussagekraft [22]. Kontrastmitteldarstellungen (z. B. Dakryozystografie) als in- direkte bildgebende Verfahren ermöglichen eine Darstellung der TNW bez. ihres Verlaufes sowie Größenvariationen und Stenosen. Allerdings ist – wie bei der Computertomografie – die Strahlenbe- lastung zu beachten (Cave: Kinder). Auch die Dakryoszintigrafie kann in bestimmten Fällen einen diagnostischen Beitrag leisten. Die direkte Visualisierung der TNW durch die Dakryoendoskopie kann hier eine Alternative bieten [23 – 25]. Chirurgische Exploration Besteht der Verdacht auf eine komplexe Fehlbildung und liegt eine Behandlungsindikation vor, muss ggf. eine chirurgische Ex- ploration in Erwägung gezogen werden. Dabei können Landmar- ken wie das mediale Lidbändchen oder die Crista lacrimalis ante- rior helfen, z. B. um – ausgehend vom Tränensack und vom Os- tium internum canaliculi – eine retrograde Darstellung/Eröffnung der Tränenröhrchen zu erreichen [15, 25, 26]. Fehlbildungen im Bereich der proximalen ableitenden Tränenwege Die proximalen TNW umfassen die Tränenpünktchen und Tränen- röhrchen. Fehlbildungen dieser Abschnitte liegt ein unvollständi- ges oder ausgebliebenes Aussprossen der Tränenwegsanlage in Richtung der Lider sowie eine unzureichende Kanalisierung zu- grunde. Die Variabilität der Ausprägung ist hoch. Insgesamt sind die unteren Tränenröhrchen/-pünktchen häufiger befallen, aber auch beidseitige und die unteren sowie die oberen Abschnitte be- treffende Manifestationen sind möglich. Zum Teil zeigt sich ledig- lich eine stark verkleinerte Öffnung oder membranöse Atresie. Demgegenüber können langstreckige Verschlüsse oder Aplasien vorliegen. Wenn eine familiäre Häufung besteht, ist ein dominan- 48 Heichel J et al. Angeborene Fehlbildungen der … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 46–56 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Übersicht Syndromale Assoziationen Es sind über 50 Fehlbildungssyndrome bekannt, die eine Mitbetei- ligung der TNW aufweisen können (s. Infobox) [39]. Die extreme Heterogenität, die Seltenheit und variierende Penetranz dieser Er- krankungen erschweren eine exakte Diagnosestellung. Weiterhin kann eine unabhängige Koinzidenz einer syndromalen Grund- erkrankung mit einer klassischen konnatalen Dakryostenose vorlie- gen. Bisweilen werden die TNW lediglich durch eine Fehlbildung sekundär affektiert, sind selbst jedoch regelrecht entwickelt [15]. ▪ Miller-Syndrom, syn. Postaxial acrofacial dysostosis ▪ Nager-Syndrom ▪ Pascual-Castroviejo-Syndrom Typ 2, PHACE (PHACE: poste- rior fossa brain malformations, hemangiomas of the face, arterial anomalies, cardiac anomalies, and eye abnormali- ties) ▪ Peters-(plus-)Syndrom ▪ Poland-Möbius-Syndrom ▪ Rapp-Hodgkin-Syndrom (RHS) ▪ Robinow-Syndrom, syn. Robinow-Silverman-Smith- INFOBOX Syndrom Übersicht syndromaler Erkrankungen mit Assoziationen zu den ableitenden Tränenwegen (modifiziert nach [38, 39]) ▪ Acro-Dermato-Ungual-Lacrimal-Tooth (ADULT) Syndrome ▪ Amnionbandsyndrom ▪ Angelman-Syndrom („happy puppet“ syndrome) ▪ Ankyloblepharon-Ectodermal Defects-Cleft lip and/or palate (AEC) Syndrome, syn. Hay-Wells-Syndrom ▪ Apert-Syndrom, syn. Akrozephalosyndaktylie Typ Ia ▪ Aplasia of the Lacrimal and Salivary Glands (ALSG) Syndrome ▪ Blepharonasofaziales Syndrom, syn. Pashayan- Prozansky-Syndrom ▪ Blepharophimosis-Syndrom, syn. Blepharophimose- Epicanthus inversus-Ptosis-Syndrom ▪ Branchio-okulo-faziales Syndrom (BOFS), syn. Lee-Root-Fenske-Syndrom ▪ Branchio-oto-renales Syndrom (BOR-Syndrom) ▪ CHARGE-Syndrom, syn. Hall-Hittner-Syndrom (CHARGE = coloboma, heart defects, atresia choanae, retarted devel- opment, genital hypoplasia, and ear anomalies) ▪ Congenital arhinia-microphthalmia Syndrome, syn. Bosma-Henkin-Christiansen-Syndrom ▪ Congenital rubella Syndrome ▪ Cornelia-de-Lange-Syndrom ▪ Crouzon-Syndrom ▪ Down-Syndrom ▪ Ectrodactyly-Ectodermal dysplasia-Clefting (EEC) Syndrome, syn. Walker-Clodius-Syndrom ▪ fetales Alkoholsyndrom ▪ Goldenhar-Syndrom (okulo-aurikulo-vertebrale Dysplasie) ▪ Goltz-Gorlin-Syndrom ▪ Hallermann-Streiff-Syndrom; okulo-mandibulo-faziales Syndrom ▪ HPPD syndrome (hypertelorism, preauricular sinus, punctal pits, deafness) ▪ Johanson-Blizzard-Syndrom ▪ Kallman-Syndrom ▪ Klinefelter-Syndrom ▪ Kryptophthalmie-Syndaktylie-Syndrom, syn. Fraser-Syndrom ▪ Lacrimo-auriculo-dento-digitales (LADD) Syndrom, syn. Levy-Hollister-Syndrom ▪ Limb-Mammary Syndrome (LMS) ▪ Rubinstein-Taybi-Syndrom ▪ Seathre-Chotzen-Syndrom, syn. Akrozephalosyndaktylie Typ III ▪ Split Hand/Split Foot Malformation (SHFM4) ▪ Treacher-Collins-Syndrom, syn. Franceschetti-Zwahlen- Klein-Syndrom ▪ Ulrich-Turner Syndrome ▪ Urrets-Zavalia-Syndrom ▪ VACTERL-Assoziation (VACTERL: vertebral abnormalities, anal atresia, cardiac defects, tracheal anomalies/tracheo- esophageal fistula, esophageal atresia, renal [kidney] and radial [thumb side of hand] abnormalities, limb abnor- malities) ▪ Valproat-Embryopathie ▪ Velokardiofaziales Syndrom, syn. 22q11.2-Deletions- Syndrom (DS), früher DiGeorge-Syndrom ▪ Waardenburg-Klein-Syndrom ▪ Wiliams-Beuren-Syndrom ▪ Wolf-Hirschhorn-Syndrom, syn. Chromosom-4p-Syndrom Zu den häufiger vorkommenden Syndromen gehören die Trisomie 21, das Ectrodactyly-Ectodermal dysplasia-Clefting Syndrome (EEC-Syndrom) und das Treacher-Collins-Syndrom (syn. France- schetti-Zwahlen-Klein-Syndrom; ▶ Abb. 3). Zahlreiche assoziierte ▶ Abb. 3 Treacher-Collins-Syndrom. a Seitansicht mit typischer Gesichtsform und Retro- sowie Apertognathie (otomandibuläre Dysplasie). b Fehlen der Tränenröhrchen und nach temporal abfallende Lidachse mit Kolobom im temporalen Drittel. 50 Heichel J et al. Angeborene Fehlbildungen der … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 46–56 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Übersicht ▶ Abb. 6 Klassifikation der Fehlbildungen der ableitenden Tränenwege. ▶ Abb. 7 TNW-Ringintubation bei membranöser Atresie des unteren Tränenpünktchens. a Einführen der Pigtail-Sonde über das obere Tränen- röhrchen und retrogrades Aufladen des unteren Tränenröhrchens. b Membranotomie nach Aufspannen mit der Pigtail-Sonde. c Einführen eines Führungsfadens über das untere Tränenpünktchen. d Retrogrades Ausleiten des Führungsfadens aus dem oberen Tränenpünktchen. e Einführen eines Silikonschlauches über den Führungsfaden. f Spannungsfrei platzierte Ringintubation nach Knüpfen und Einkürzen der freien Fadenenden. anhand der vorliegenden anatomischen Verhältnisse zu indizie- ren. Hier kann nur eine Auswahl bestimmter Szenarien beispiel- haft dargestellt werden. Membranöse Tränenpünktchenatresie Ist nur eines der Tränenpünktchen betroffen, kann der Versuch einer retrograden kanalikulären Sondierung (z. B. mit Pigtail-Son- de nach Worst) erfolgen. Nach Sprengung der Membran ist eine temporäre Schienung der TNW mit Silikonstützmaterial notwen- dig (z. B. Ringintubation, ▶ Abb. 7) [25, 45]. 52 Heichel J et al. Angeborene Fehlbildungen der … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 46–56 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Übersicht ▶ Abb. 10 Arhinie-Mikrophthalmie-Syndrom mit angelegten, jedoch nicht mit dem Tränensack kommunizierenden, unteren Tränenröhrchen. Beidseitiger Befund nach Dakryozystektomie infolge mehrfacher Dakryophlegmonen. a Übersichtsfoto der Gesichtspartie mit Synophrys und Mikrophthalmus (rechts > links). b Rechtes Auge in der Übersichtsaufnahme mit erkennbarer Skle- rokornea. c Linkes Auge in der Übersichtsaufnahme mit Iriskolo- bom. d Rechtes Auge in der vergrößerten Aufnahme mit tiefen kornealen Vaskularisationen und Iriskolobom. e Linkes Auge in der vergrößerten Aufnahme mit Katarakt. Symptomatische Tränensackfistel Permanente Epiphora oder Schleimabsonderungen aus dem Fis- telgang führen häufig zur Frage nach einer chirurgischen Sanie- rung. Derartig symptomatische kutane Fisteln erfordern eine mikrochirurgische Exzision des epithelialisierten Fistelganges. Kombiniert vorliegende Stenosen (z. B. persistierende Hasner- Membran) müssen ausgeschlossen und ggf. therapiert werden (▶ Abb. 9) [25]. Hierbei ergänzt die Dakryoendoskopie die diag- nostischen und therapeutischen Optionen [33]. Die temporäre Schienung der TNW zur Prophylaxe einer postoperativen TNW- Stenose sollte in diesen Fällen immer erfolgen. Isoliert vorliegender Tränensack einer Dakryozystektomie Besteht eine Dakryozystitis bei Aplasie bzw. Atresie der Tränen- röhrchen und des Ductus nasolacrimalis, muss die Frage bez. der Durchführung gestellt werden (▶ Abb. 10). Insbesondere zur Vermeidung einer Keratoconjunc- tivitis sicca bei kombiniert vorliegenden Beeinträchtigungen der Tränenproduktion hat dieses Verfahren noch immer einen Stellen- wert [15, 26, 50]. Eine Auswahl der verschiedenen Pathomechanismen mit den dazugehörigen klinischen Erscheinungsformen und möglichen Therapieoptionen sind in ▶ Tab. 1 zusammengefasst. Fazit Anlagestörungen der TNW sind sehr vielgestaltig, wenngleich die persistierende Hasner-Membran am häufigsten auftritt. Zahlrei- che syndromale und nicht syndromale Assoziationen zu den TNW existieren und können uns im klinischen Alltag begegnen. Die Variabilität der Erkrankungen ist nicht weniger groß. So kann das gleiche Grundleiden mit unterschiedlichen TNW-Affektionen ein- hergehen. Aufgrund der familiären Häufung und der Systemmani- festationen an unterschiedlichsten Organsystemen sind die ▶ Tab. 1 Fehlbildungsformen im Bereich der ableitenden Tränenwege mit klinischem Erscheinungsbild und möglichen Therapieoptionen. Pathologie Hintergrund klinisches Erscheinungsbild Therapieoptionen (Auswahl) Agenesie Aplasie vollständiges Fehlen der Organanlage schwerste Anlagestörung der TNW; keine Gefahr einer Dakryozystitis Konjunktivorhinostomie (nur im Falle einer störenden Epiphora) fehlende Ausbildung bei vorhandener Organanlage Teile der TNW fehlen; häufig im Bereich der Tränen- röhrchen; z. T. ausbleibende Anlage des Ductus naso- lacrimalis bei proximalen Verschlüssen ggf. Resektion des atreti- schen Anteils mit nachfolgender Kanalikulusplastik und TNW-Intubation; Dakryozystorhinostomie bei distaler Aplasie; ggf. Konjunktivodakryozystostomie (Stallard) Atresie ausbleibende Kanalisie- rung/Eröffnung isolierte Epiphora bei präsakkaler Lokalisation; Dakryozystitis bei postsakkaler Lokalisation; Mukozelen, Amniotozelen transkanalikuläre Eröffnung mit nachfolgender TNW- Intubation; Resektion atretischer Anteile; Dakryozysto- rhinostomie angeborene Fisteln fehlerhaftes Aussprossen oder gestörte Einstülpung der Tränenwegsanlage Tränensackfisteln bei kompletten Fisteln; Divertikel bei inkompletten Fisteln; häufig kombiniert mit Stenosen nur im Falle symptomatischer Fisteln; Fistulektomie mit nachfolgender TNW-Intubation Divertikel- bildung überproportionales Flächenwachstum chronische Dakryozystitis mit relativer oder absoluter mechanischer Stenose, atoner Tränensack Tränensackmassage, Dakryozystorhinostomie mit Sakkusplastik Doppel- anlagen unregelmäßige Ausstül- pung oder Kanalisation mehrfach angelegte Tränenröhrchen; Knospen, Zapfen und Buchten im Bereich von Tränensack und Ductus nasolacrimalis Behandlungsindikation nur im Falle chronischer Entzün- dungen (Kanalikulotomie, Dakryozystorhinostomie) 54 Heichel J et al. Angeborene Fehlbildungen der … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 46–56 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Übersicht [41] Serra V, Castori M, Paradisi M et al. Functional characterization of a novel TP63 mutation in a family with overlapping features of Rapp-Hodgkin/ AEC/ADULT syndromes. Am J Med Genet A 2011; 155 A: 3104–3109 [46] Komínek P, Cervenka S, Matousek P et al. Conjunctivocystorhinostomy with Jones tube – is it the surgery for children? Graefes Arch Clin Exp Ophthalmol 2010; 248: 1339–1343 [42] Makarenkova HP, Ito M, Govindarajan V et al. FGF10 is an inducer and Pax6 a competence factor for lacrimal gland development. Develop- ment 2000; 127: 2563–2572 [43] Kisser U, Heichel J, Glien A. Rare Diseases of the Orbit. Laryngorhinooto- logie 2021; 100 (S01): S1–S79 [44] Schittkowski MP, Guthoff RF. Results of lacrimal assessment in patients with congenital clinical anophthalmos or blind microphthalmos. Br J Oph- thalmol 2007; 91: 1624–1626 [45] Murube del Castillo J. Bikanalikuläre Ring-Intubation. Buch Augenarzt 1981; 84: 115–119 [47] Vanderveen DK, Jones DT, Tan H et al. Endoscopic dacryocystorhinos- tomy in children. J AAPOS 2001; 5: 143–147 [48] Struck HG, Weidlich R. Indikation und Prognose der Dakryozystorhi- nostomie im Kindesalter. Eine klinische Studie 1970–2000. Ophthalmo- loge 2001; 98: 560–563 [49] Hicks C, Pitts J, Rose GE. Lacrimal surgery in patients with congenital cranial or facial anomalies. Eye (Lond) 1994; 8: 583–591 [50] Sagili SR, Rene C, Russo A. Dacryocystorhinostomy precipitating kerato- conjunctivitis sicca in aplasia of lacrimal and major salivary glands (ALSG). Ophthal Plast Reconstr Surg 2012; 28: e50 56 Heichel J et al. Angeborene Fehlbildungen der … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 46–56 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Klinische Studie Methods A retrospective study of the notes of 207 consecu- tive patients treated surgically at least once with highly hydro- philic self-inflating expanders for MAC between 1998 and 2021. The lacrimal drainage system was always probed and irrigated under general anaesthesia before any other proce- dure was started. Results 64 patients were excluded due to possible misdiag- nosis because of previous lid or orbit surgery elsewhere or due to missing data. The analysis therefore included 67 girls and 76 boys aged between 1 and 126 months (median age: 5 months). 72 patients presented with unilateral and 42 with bilateral anophthalmos, and 24 had unilateral and 5 bilateral microphthalmos; consequently, 286 orbits (of which, 190 with probable pathology) were available for assessment. In uni- lateral cases the lacrimal system on the normal side was never affected. On the anophthalmic or microphthalmic side the lacrimal system was normal in 68 orbits only (35.8%). The most frequent finding was canalicular stenosis (91 orbits; 48%). Common canaliculus stenosis was observed in 12 orbits (6.3%) and nasolacrimal duct obstruction in 9 orbits (4.7 %). There were four cases of punctal aplasia, but no other anoma- lies. In unilateral MAC pathologic findings during lacrimal probing were found to be associated with anatomical malfor- mation of the contralateral fellow eye. Only in unilateral anophthalmos there was a significant association with cleft lip and palate, which was not found in the three other groups. Conclusions In congenital clinical anophthalmos the lacrimal system is affected in up to 66.5 % of cases, mostly due to canalicular stenosis. Even if there is no clear evidence of an embryological connection, this association is certainly not a random finding. Einleitung Fehlbildungen der Augenanlage wie ein kongenitaler klinischer Anophthalmus (KA) oder ein funktionsloser (blinder) Mikrophthal- mus (BM) gehören zu den seltenen Erkrankungen. Die Prävalenz für beide Erkrankungen, die häufig auch unter dem Begriff Mikrophthalmus-Anophthalmus-Komplex (MAC) zusammenge- fasst werden, wird mit ca. 0,2–3,0/10 000 Geburten angegeben [1]. 2003 berichteten Oguz et al. [2] erstmals über die Assoziation eines KA mit einer angeborenen Stenose des Tränen-Nasen- Ganges bei einem 8-jährigen Mädchen. 2007 erschien die erste systematische Analyse der Tränenwegsbefunde von 51 konsekuti- ven Patienten mit KA [3] oder BM [4] und es konnte gezeigt wer- den, dass 75% der Patienten eine Form von Tränenwegsstenose aufwiesen [5]. Eine Publikation von Nayak et al. [6] aus dem ver- gangenen Jahr ergab nach der Untersuchung von 31 Kindern in 68% der Fälle eine Stenose der Tränenwege. Ziel der vorliegenden Studie ist es, die Art und Häufigkeit krankhafter Veränderungen der ableitenden Tränenwege an einer größeren Gruppe von Patienten mit KA oder BM zu analysieren. Weiterhin stellte sich die Frage der Assoziation einer Tränenwegs- stenose mit der Präsenz einer Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte (LKG) sowie bei einseitiger Erkrankung mit einer anatomischen Fehlbil- dung des vorhandenen Partnerauges. Material und Methoden Patienten Die retrospektive Analyse umfasste die Unterlagen aller 207 kon- sekutiven MAC-Patienten, die über einen Zeitraum von 1998 bis Juli 2021 mindestens einmal mit hochhydrophilen selbstquellen- den Hydrogelexpandern oder einem Dermis-Fett-Transplantat operativ behandelt wurden. Die oben erwähnte Studie von 2007 [5] war retrospektiv er- folgt. Nach Erkenntnis des hohen Anteils pathologischer Befunde der betroffenen Patienten wurde eine präoperative Untersuchung der ableitenden Tränen-Nasen-Wege in das Behandlungsregime integriert. In die vorliegende Studie wurden nur die Patienten ein- bezogen, die der Erstautor selbst untersucht hat. Folgende Ausschlusskriterien für die retrospektive Auswertung wurden angewandt: ▪ Patienten ohne Tränenwegsbeurteilung vor einer erstmaligen Lid- oder Orbitachirurgie, um die Fehldiagnose einer iatroge- nen Tränenwegserkrankung als angeboren zu vermeiden ▪ Patienten, bei denen zuvor auswärts bereits eine Operation oder auch eine Sondierung der Tränenwege erfolgt war ▪ Patienten, von denen Daten nicht komplett vorlagen Beurteilung der Tränenwege Nach Einleitung der Narkose wurde vor der jeweils ersten Opera- tion eine Tränenwegsuntersuchung vorgenommen. Der Befund wurde wie von Jane Olver vorgeschlagen beurteilt [7]: ▪ Zunächst wurde nachgeprüft, ob alle 4 Tränenpünktchen vor- handen waren. Aplasie, Stenose oder ein membranöser Ver- schluss wurde dokumentiert. Die relative Lage der oberen und unteren Tränenpünktchen zum Lid und zueinander wurde er- fasst. ▪ Danach wurde das Tränenabflusssystem sondiert und gespült. Das Tränenpünktchen wurde i. d. R. vorsichtig mit einem regu- lären Punctum-Dilatator erweitert. Zur weiteren Sondierung und Spülung wurden eine 2-ml-Spritze mit Standardkochsalz- lösung und eine Bangerter-Kanüle (Hersteller: Geuder AG, Hei- delberg) verwendet. Diese Kanüle hat eine stumpfe Spitze, um das Risiko iatrogener Verletzungen zu minimieren und eine seitliche Öffnung, um den Flüssigkeitsabfluss zu ermöglichen. Die Kanüle wurde zunächst vertikal und dann horizontal ge- mäß der Anatomie des Tränenkanälchens eingeführt. ▪ Im Falle einer Stenose wurde die Kanüle an dieser Stelle unmit- telbar vor dem Eintritt in den Tränenpunkt markiert. Nach dem Zurückziehen der Kanüle wurde der Abstand zwischen dem markierten Punkt und der Spitze in mm gemessen und als Län- ge des Kanälchens vor der Stenose dokumentiert. ▪ Konnte die Kanüle bis in den Tränensack vorgeschoben wer- den, wurde anschließend eine Spülung durchgeführt. Der Er- 58 Schittkowski MP et al. Tränenwegsbefunde von 143 … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 57–63 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Klinische Studie ▶ Abb. 1 Ergebnisse der Tränenwegsspülung für die gesamte Patientengruppe (oben) und nach zugrunde liegender Fehlbildung (unten). unteren Tränenkanälchen gleich ausgeprägt; in wenigen Fällen lag eine Differenz von 1–3 mm zwischen den beiden Kanälchen vor. Nur auf lediglich einer Seite bei einem Patienten mit beidseitigem KA war rechtsseitig der obere Kanalikulus bis unmittelbar präsak- kal zu sondieren, am unteren zeigte sich, wie auch bei beiden Kanälchen links, eine Stenose nach 5 mm. Eine Stenose des Canaliculus communis bestand in 12 Fällen (6%). Eine Verlegung auf Höhe des Ductus nasolacrimalis wurde auf 9 Seiten (5%) festgestellt, wobei sich in 7 Fällen (77,8%) durch Überdruckspülung bzw. Sondierung die Durchgängigkeit wieder herstellen ließ. Bei den 2 Kindern mit einseitigem KA, bei denen die Eröffnung nicht gelang, fehlte auf der betroffenen Seite zu- sätzlich die Nasenanlage. In einem Fall blieb die Veränderung asymptomatisch, in einem anderen wurde wegen chronischer Da- kryozystitis mit Fistelbildung eine Exstirpation des Tränensackes vorgenommen, die zu Beschwerdefreiheit führte. Bezüglich der Korrelation zum Status des Partnerauges lag bei einseitigem KA mit unauffälligem Partnerauge signifikant häufi- ger freie Spülbarkeit der Tränenwege auf der Seite mit KA vor (p = 0,026), eine krankhafte Veränderung des Partnerauges war häufiger mit einer Stenose beider Tränenkanälchen des betroffe- nen Auges verbunden (p = 0,039). Bei einseitigem BM zeigte sich im Vergleich zu einem normalen Befund ebenfalls eine Fehlbil- dung des Partnerauges signifikant häufiger bei Blockade eines (p = 0,032) oder beider (p = 0,008) Tränenkanälchen. Wie die Betrachtung der Absolutwerte (▶ Tab. 1) bereits auf- zeigt, war bei einseitigem KA häufiger eine LKG zu finden (p = 0,007), nicht jedoch in den anderen 3 Gruppen. Ein möglicher Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein einer LKG und einer Form der Stenose der Tränenwege ließ sich bei diesen Pa- tienten statistisch nicht belegen. Diskussion Klinische Befunde Eine Aplasie der Tränenpünktchen des oberen und des unteren Kanalikulus war in der vorliegenden Serie mit 4 betroffenen Seiten 60 Schittkowski MP et al. Tränenwegsbefunde von 143 … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 57–63 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Klinische Studie Entwicklungsbereich gesehen wird – der Augapfel oder das Trä- nenwegssystem nicht isoliert geschädigt werden. Interessant war bei einseitigem MAC das statistisch gesicherte Ergebnis der Assoziation einer Pathologie der Tränenwege mit einer anato- mischen Fehlbildung des Partnerauges. Ein Zusammenhang mit einer LKG-Spalte ließ sich bei einseitigem KA nachweisen, nicht je- doch bei beidseitiger Erkrankung oder BM. Diesbezüglich wäre eine ggf. multizentrische Datenanalyse einer größeren Patienten- gruppe wünschenswert, um diese Ergebnisse zu verifizieren. Mögliche Therapieoptionen Neben der akademischen Fragestellung ist zu diskutieren, ob sich aus dieser Studie praktische Konsequenzen für die Therapie er- geben. Bei der klassischen Stenose in Höhe der Hasner-Membran ist es unstrittig, dass die funktionelle Epiphora und insbesondere das Risiko einer Dakryozystitis eine Indikation zur Sondierung dar- stellt, wenn die Spontanheilung mit zunehmender Nasenreife aus- bleibt. Strittig ist lediglich das Alter der Patienten, in dem diese vorgenommen werden sollte [7, 14, 15]. Bei unseren Patienten ließ sich die Stenose in 7 von 9 Fällen erfolgreich eröffnen. Bei einem Patienten mit partieller Arhinie auf der betroffenen Seite gelang dies nicht, ohne dass sich im weiteren Verlauf Symptome gezeigt hätten, bei einem anderen lag eine chronische Dakryozys- titis vor, die bereits zu einer transkutanen Fistel geführt hatte. Zu diskutieren war in der Situation der Versuch einer chirurgischen Verbindung zur kontralateralen Nasenhöhle [16]. In Anbetracht der anatomischen Situation erschien nach Diskussion mit den El- tern eine operative Entfernung des Tränensackes und damit des Keimreservoirs angemessen und führte anhaltend zu Beschwer- defreiheit. Nach Wang et al. [17] kann eine klinische postsakkale Stenose auch auf einer Agenesie des Ductus lacrimalis beruhen. Die thera- peutische Konsequenz besteht darin, dass sich der Tränen-Nasen- Gang dann nicht wie üblich durch Überdruckspülung oder Sondie- rung eröffnen lässt, eine Dakryzystorhinostomie ist die therapeu- tische Option der Wahl. Die häufigste krankhafte Veränderung der Tränenwege unserer Patienten lag in Form einer Stenose des Canaliculus communis bzw. einer Stenose sowohl des Canaliculus inferior als auch des Canaliculus superior vor. Aufgrund dieser Befundkonstellation ist die Ausbildung einer Dakryozystitis nicht zu erwarten, da es kein Reservoir für Flüssigkeit und Bakterien gibt. Das einzige Symp- tom, das möglicherweise auftreten könnte, ist Epiphora, und selbst die größeren Kinder äußerten keine entsprechenden Be- schwerden bzw. war dies bei der Untersuchung nicht auffällig. Bei Erwachsenen wird bei einer irreparablen Stenose vor allem des unteren Tränenkanälchens eine Bypassoperation mit einem Lester-Jones-Tubus (LJT) empfohlen [18]. Die Langzeitergebnisse sind vielversprechend [19] und diese Technik wurde auch bei Kin- dern erfolgreich eingesetzt [20 – 23]. Welham und Hughes berichteten, dass die LJT-Erfolgsrate bei angeborenen Anomalien (94%) im Vergleich zu funktionellen Pro- blemen (50%), Infektionen (88%) oder Traumata (89%) am höchs- ten ist [20]. Wenn eine Operation durchgeführt wird, ist eine offe- ne Technik vorzuziehen, damit eine retrograde kanalikuläre Ope- ration versucht werden kann [22]. Zusammenfassend sehen die Autoren entsprechend der Erfah- rung mit einer relativ großen Patientengruppe bei beschwerde- freien und symptomlosen Patienten keine Notwendigkeit für eine operative Intervention. Interessenkonflikt Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Literatur [1] Stallings EB, Isenburg JL, Mai CT et al. Population-based birth defects data in the United States, 2011–2015: A focus on eye and ear defects. 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Tränenwegsbefunde von 143 … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 57–63 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Klinische Studie Therapiestrategien bei 103 Kindern mit kongenitalem Mikrophthalmus Therapeutic Strategies in 103 Children with Congenital Microphthalmos Autoren Michael P. Schittkowski 1, Stefanie Martius 2, Mohamed Elabbasy 1, Steffi Knappe 2, Rudolf F. Guthoff 2 Institute 1 Abteilung Augenheilkunde, Bereich Strabologie, Neuroophthalmologie und okuloplastische Chirurgie, Universitätsmedizin Göttingen, Deutschland 2 Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Universität Rostock, Deutschland Schlüsselwörter plastische Chirurgie, Kinderophthalmologie, Prothese, Expander, Mikrophthalmus Key words paediatric ophthalmology, plastic surgery, microphthalmos, prosthesis, expander eingereicht 11. 9. 2021 angenommen 19. 11. 2021 10.1055/a-1685-5002 Bibliografie Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 64–72 DOI ISSN 0023-2165 © 2022. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany Korrespondenzadresse Prof. Michael P. Schittkowski Abteilung Augenheilkunde, Bereich Strabologie, Neuroophthalmologie und okuloplastische Chirurgie, Universitätsmedizin Göttingen Robert-Koch-Straße 40, 37085 Göttingen, Deutschland Tel.: + 49 (0) 5 51 39 61 42, Fax: + 49 (0) 5 51 39 60 93 michael.schittkowski@med.uni-goettingen.de ZUSAMMENFASSUNG Einleitung Ein kongenitaler Mikrophthalmus kann entweder isoliert auftreten (einfacher Mikrophthalmus) oder mit wei- teren okulären Fehlbildungen, wie einer Sklerokornea oder einer Katarakt, assoziiert sein (komplexer Mikrophthalmus). Aufgrund des seltenen Auftretens fehlen einheitliche Behand- lungsempfehlungen. Material und Methoden Retrospektive Fallserie von 103 Patienten bzw. insgesamt 114 Augen mit kongenitalem Mikrophthalmus mit Erfassung von Alter, Geschlecht, Visus, Pupillenreaktion, axialer Bulbuslänge, horizontaler Weite der Lidspalte, Art der durchgeführten Therapie, Komplikationen. Ergebnisse Alle Patienten waren ausnahmslos primär pro- thesenfähig. Die Größe der Lidspalte hing vom zugrunde lie- genden Befund ab: „beidseits Mikrophthalmus“ < „Mikroph- thalmus und gesundes Partnerauge“ < „Mikrophthalmus und Anophthalmus der anderen Seite“. Um bei einem Säugling in den ersten Lebenswochen oder ‑monaten die visuelle (Rest-)Funktion als wichtigsten Faktor für die Entscheidung über die Therapie zu beurteilen, ist die Pupillenreaktion, spe- ziell bei einseitiger Erkrankung die indirekte Lichtreaktion des gesunden Auges, von größter Bedeutung. In etwa der Hälfte der Fälle war eine konservative Prothesenbehandlung aus- reichend. Nach der erfolgreichen Erstanpassung einer Vor- legeprothese fand eine regelmäßige Prothesenvergrößerung nach Maßgabe des Okularisten statt. Wenn die Bulbuslängen- differenz so groß war, dass auch mit einer doppelwandigen Prothese keine Symmetrie zu erzielen war, wurde eine Volu- menauffüllung durch retrobulbär implantierte selbstquellen- de Pelletexpander (osmed GmbH, Ilmenau) angeboten. Bei knapp einem Drittel der Patienten erfolgte keine operative Therapie oder prothetische Versorgung. Die Ursache dafür war meist das Vorliegen einer minimalen Sehfunktion des Mikrophthalmus (Wahrnehmung von Lichtschein bis Angabe von Handbewegungen). Schlussfolgerung Bei vorhandener Sehfähigkeit des Mi- krophthalmus sollten operative Maßnahmen nicht oder nur mit äußerster Zurückhaltung indiziert werden, da der Erhalt des vorhandenen Visus als vorrangig vor dem kosmetischen Befund angesehen werden muss. Bei Asymmetrie oder unter- entwickelter Lidspalte kann der Therapiebeginn frühzeitig im 1. Lebensjahr erfolgen, ohne dass daraus resultierende Kom- plikationen zu befürchten sind. ABSTR AC T Introduction Congenital microphthalmos can either occur alone (simple microphthalmos) or be associated with other ocular malformations, such as sclerocornea or cataract (com- 64 Schittkowski MP et al. Therapiestrategien bei 103 … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 64–72 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Klinische Studie ▶ Tab. 1 Empfohlene Untersuchungsmethoden zur Einschätzung der Lichtwahrnehmung bzw. visuellen Funktion bei V. a. einseitigen funktions- losen Mikrophthalmus (bei beidseitiger Erkrankung entfällt Punkt 4 i. d. R.). Methode 1. Anamnese Anmerkungen Eltern sind die wertvollsten Beobachter! Wird Hinwendung zum (oder Abwendung vom) Licht angegeben? Hinweis auf eine mögliche Fehlerquelle: Dass Fotografieren mit (vermeintlicher) Hinwendung zum Blitzlicht u. U. nur ein Hörtest in Bezug auf das begleitende Geräusch sein kann, ist meist geläufig. Nach Erfahrung der Autoren ist die Erkenntnis nicht so verbreitet, dass die Reaktion auf Sonnenlicht keine verwertbare bzw. sicher zu inter- pretierende Angabe darstellt. Auch (oder gerade) beidseitig Augenlose, unabhängig davon, ob kongenital oder erworben, können sehr sensibel die Infrarotstrahlung des Sonnenlichts über die Haut wahrnehmen. 2. Augenspiegel (o. ä.) Kaltlicht! Ist eine (reproduzierbare) Reaktion auf zunehmende Intensität der Beleuchtung während der Untersuchung auszumachen? 3. Fakultative Funktionsprüfung Methoden, die in der visuellen Wahrnehmungsförderung Anwendung finden (z. B. „Schwarzlicht“ etc.) 4. Pupillenreaktion Bei einseitigem Mikrophthalmus mit ophthalmoskopisch gesundem Partnerauge ist diese Untersuchung von unschätzbarem Wert: ▪ Die direkte Lichtreaktion wird je nach Art und Umfang einer häufig vorliegenden Fehlbildung der vorderen Augenabschnitte des Mikrophthalmus nicht zu erheben oder schwer zu beurteilen sein. ▪ Wesentlich einfacher (und mit etwas Geduld nahezu immer auszuführen) ist es, die indirekte Lichtreaktion des gesunden Auges bei Beleuchtung des Mikrophthalmus zu prüfen. Ist diese sicher nicht zu beobachten, ist von einem funktionslosen Mikrophthalmus auszugehen. ▪ Wegen der enormen prognostischen Bedeutung des Ergebnisses für die weitere Behandlungsstrategie empfiehlt es sich, diese Untersuchung von mindestens 2 unabhängigen Untersuchern vornehmen zu lassen. ▪ horizontale Weite der Lidspalte (mit Zirkel oder Lineal gemes- sen) ▪ Art der durchgeführten Therapie ▪ Komplikationen Falls Verlaufsbeobachtungen über mehr als 1 Jahr vorlagen, wurde zusätzlich die horizontale Lidspaltenweite bei der letzten Vorstel- lung erfasst. Funktionsprüfung Die Behandlungsstrategie der betroffenen Augenhöhle richtete sich nach dem Vorhandensein einer Lichtwahrnehmung bzw. visuellen (Rest-)Funktion, die gemäß den Empfehlungen in ▶ Tab. 1 untersucht wurde. Zur Auswertung wurden die Patienten aufgrund der unter- schiedlichen Therapiestrategien in 3 Gruppen unterteilt: ▪ Patienten mit einseitigem Mikrophthalmus und normaler Kon- figuration und Bulbuslänge des Partnerauges (MN) ▪ Patienten mit beidseitigem Befund (Mikrophthalmus rechts und Mikrophthalmus links: MM) ▪ Patienten mit einseitigem Mikrophthalmus und kontralatera- lem kongenitalen Anophthalmus (MA). Die Studie wurde nach positivem Votum der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universitätsmedizin Göttingen und unter Einhaltung der geltenden rechtlichen und ethischen Grund- lagen für Studien an Menschen (Deklaration von Helsinki) durch- geführt. Ergebnisse Klinische Daten Klinisches Bild 103 Patienten bzw. 114 Augen mit kongenitalem Mikrophthalmus konnten in die Auswertung einbezogen werden. Jungen (n = 55) waren im Vergleich zu Mädchen (n = 48) etwas häufiger betroffen. Am häufigsten (83 Fälle = 80,5%) lag ein isolierter, einseitiger Mikrophthalmus vor. Das linke Auge (n = 49) war dabei häufiger betroffen als das rechte (n = 34). Einen beidseitigen Mikrophthalmus zeigten 11 Kinder (10,7%) und 9 Kinder mit einseitigem Mikrophthalmus (8,8%) hatten auf der Gegenseite einen klinischen Anophthalmus. Bulbuslänge Die mittlere axiale Bulbuslänge der 85 Augen, von denen Daten zur Länge des Mikrophthalmus vorlagen, betrug 13,2 mm (▶ Tab. 2). Bei 77 Kindern war die Differenz zwischen beiden Augen erfasst. Diese betrug im Mittel 5,5 mm und lag bei einseiti- gem Mikrophthalmus und gesundem Partnerauge mit 6,1 mm höher als bei beidseitigem Mikrophthalmus (1,1 mm). Lidspalte Bei der ersten Vorstellung innerhalb des 1. Lebensjahres lag die mittlere Differenz der horizontalen Lidspalte zur Gegenseite im Gesamtkollektiv bei 3,3 mm (▶ Tab. 2). Bei diesem Wert fällt eine deutliche Abstufung nach zugrunde liegendem Befund auf (beid- seits Mikrophthalmus < Mikrophthalmus und gesundes Partner- auge < Mikrophthalmus und Anophthalmus der anderen Seite). 66 Schittkowski MP et al. Therapiestrategien bei 103 … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 64–72 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Klinische Studie OP-Wunsches (1 Patient), hohen Narkoserisikos (1 Patient) bzw. nicht erfolgter Wiedervorstellung (2 Patienten) nicht durch- geführt worden. Zu bedenken ist, dass es sich teilweise um Pa- tienten aus dem Ausland handelte, bei denen u. U. eine sprach- liche Barriere bestand und die oft nur einmalig zu einer Beratung vorstellig waren. Nach der Erfahrung der Autoren ist es nahelie- gend, dass auch finanzielle (fehlende Krankenversicherung) und strukturelle (Zugang zu okularistischer Behandlung) Probleme eine Rolle dabei spielten. Auswertung nach Diagnose (▶ Tab. 3) Einseitiger Mikrophthalmus (MN) Bei 32 Patienten dieser Gruppe war eine Implantation von Pellet- expandern erfolgt (▶ Tab. 4). Das waren im Vergleich die Kinder mit kleinerem Auge (mittlere Bulbuslänge 11,9 mm, mittlere Dif- ferenz der Bulbuslänge 8,3 mm) und größerer Lidspaltendifferenz (3,8 mm) als der Durchschnitt. 36 Patienten wurden ausschließlich durch Anpassung von Vorlegeprothesen therapiert (▶ Abb. 1). Im Vergleich hatten die- se Kinder ein größeres Auge (mittlere Bulbuslänge 13,8 mm, mitt- lere Differenz der Bulbuslänge 5,6 mm) und eine ähnliche Lidspal- tendifferenz (3,3 mm) wie der Durchschnitt. 15 Patienten mit MN erhielten keine weitere Therapie, 10 we- gen Sehfähigkeit des Mikrophthalmus, 5 aufgrund gering aus- geprägter Asymmetrie. Beidseitiger Mikrophthalmus Die 11 Patienten dieser Gruppe hatten mit im Mittel 10,1 mm die im Vergleich geringste axiale Bulbuslänge (▶ Tab. 2). Die Differenz der Bulbuslängen zwischen den beiden fehlgebildeten Augen betrug in dieser Gruppe im Mittel 1,8 mm (n = 10). Die mittlere Differenz der horizontalen Lidspalte betrug 1,1 mm. Anzumerken ist, dass die Differenz in einem Fall 9 mm betrug. Aufgrund dessen wurde als operative Intervention ein Volumen- aufbau mit Pelletexpandern angeboten, die von den Eltern ab- gelehnt wurde. Ohne diese „Ausnahme“ bestand in dieser Sub- gruppe primär Symmetrie und damit weniger Intention für einen Therapiestart. Lediglich bei 3 Augen (2 der 11 Patienten) wurde eine opera- tive Volumenauffüllung durchgeführt. 11 Augen wurden mit Vor- legeprothesen versorgt (▶ Abb. 2). Bei 8 Augen erfolgte keine Therapie, da diese eine Restfunktion besaßen. ▶ Abb. 2 Sechs Monate alter Patient mit beidseitigem Mikroph- thalmus, Bulbuslänge bei Erstvorstellung 9 mm. a Probatorisch mit einwandigen Lochprothesen. b Mit ersten doppelwandigen Pro- thesen 2 Monate später. c 4. Lebensjahr: symmetrische Lidspalten- entwicklung durch regelmäßige Prothesenvergrößerung. An Komplikationen trat bei 4 von 36 Behandelten eine Disloka- tion von 1–2 Expandern in das Unterlid auf, die eine operative Ent- fernung dieser „verrutschten“ Pellets nach sich zog, ohne dass dadurch die Prothesenfähigkeit negativ beeinflusst wurde. Bei einem Patienten wurde eine vollständige Entfernung der Pellets und des mikrophthalmischen Bulbus mit Volumenersatz durch ein Dermis-Fett-Transplantat vorgenommen [14]. Beobachtung/keine okuloplastische Therapie oder Prothesenversorgung 30 Patienten erhielten keine operative Therapie oder prothetische Versorgung (▶ Tab. 3 und Tab. 4; ▶ Abb. 3 und Abb. 4). Die Ur- sache dafür war bei 22 Kindern das Vorliegen einer meist mini- malen Sehfunktion des Mikrophthalmus, die zwischen Wahrneh- mung von Lichtschein bis hin zu Handbewegungen reichte. Nur bei einem Auge mit einer Achsenlänge von 20,5 mm lag mit 0,3 eine deutlich bessere Sehschärfe vor. Bei den verbleibenden 8 Kindern bestand bei 5 Kindern keine Lichtscheinwahrnehmung und in 3 Fällen waren keine Angaben vorhanden. In 4 von 5 Fällen war eine operative Volumenauffül- lung empfohlen worden, diese war jedoch aufgrund fehlenden ▶ Tab. 4 Detaillierte Darstellung der Patienten mit einseitigem Mikrophthalmus und gesundem Partnerauge (MN). Sofern nicht für alle Patienten Messdaten vorlagen, ist die Anzahl der ausgewerteten Patienten in Klammern angegeben (* bei einigen Patienten war nur die Differenz der Ach- senlängen dokumentiert, sodass die Anzahl der Werte insgesamt größer ist als die in der Angabe der konkreten Bulbuslänge eine Zeile höher). Patientenanzahl 32 (38,6%) 36 (43,3%) 15 (18,1 %) Implantation von Pelletexpandern nur Prothesenversorgung keine Therapie mittlere axiale Bulbuslänge des Mikrophthalmus mittlere Seitendifferenz der Bulbuslänge mittlere Seitendifferenz der Lidspaltenweite 11,9 mm (5,0–18,4 mm) (n = 19) 13,8 mm (8,5–19,0 mm) (n = 23) 15,7 mm (11,0–20,5 mm) 8,3 mm (4,0–15,0 mm) (n = 23)* 5,6 mm (1,5–10,0 mm) (n = 29)* 4,1 mm (1,0–8,7 mm) 3,8 mm (0–8,0 mm) 3,3 mm (0–11,0 mm) 1,8 mm (0–5,0 mm) (n = 13) 68 Schittkowski MP et al. Therapiestrategien bei 103 … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 64–72 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Klinische Studie denseins einer indirekten Lichtreaktion am gesunden Partnerauge bei Beleuchtung des Mikrophthalmus, von Bedeutung für die Beurteilung des weiteren Vorgehens. In den ersten Lebenstagen oder ‑wochen ist noch nicht die Möglichkeit gegeben, mit Metho- den des Preferential Looking das Sehvermögen zu beurteilen. Be- stehen Zweifel an dem Resultat der Untersuchung, ist eine zeit- nahe Wiederholung der Diagnostik anzustreben. Die Eltern soll- ten, insbesondere bei beidseitig betroffenen Kindern, instruiert werden, in der Zwischenzeit auf Zeichen der Lichtwahrnehmung zu achten (▶ Tab. 1). Konnte verlässlich festgestellt werden, dass Lichtwahrneh- mung vorliegt, schließt sich die Frage an, inwieweit funktionelle (Brillenkorrektur, Okklusion) und/oder chirurgische (z. B. Lent- ektomie, Pars-plana-Vitrektomie bei persistierendem hyperplas- tischen primären Glaskörper [PHPV] etc.) Optionen zur Optimie- rung der vorhandenen Sehfähigkeit beitragen werden. Konservative prothetische Behandlung Ist ein Mikrophthalmus sicher funktionslos, rückt die okulo- plastisch-rekonstruktive Behandlung in den Vordergrund. Durch mechanische Dehnung und Stimulierung des Wachstums sowohl des Bindehautsackes als auch des Lidapparates sollen möglichst früh, d. h. in den ersten Lebensmonaten, die Voraussetzungen für die Anpassung einer Augenprothese herbeigeführt werden. Im Gegensatz zum kongenitalen Anophthalmus waren bei Mikroph- thalmus bei unseren Patienten die Lid- und Bindehautstrukturen ausnahmslos so entwickelt, dass ohne chirurgische Maßnahmen eine Augenprothese angepasst werden konnte [13]. Eine frühe Zuweisung zur okularistischen Behandlung ist damit sinnvoll. Län- gerfristiges Ziel ist dabei die Verbesserung der Gesichtssym- metrie, auch durch Stimulation des Orbitawachstums. Komplika- tionen waren bei dieser Behandlungsform in unserer Patienten- gruppe nicht zu beobachten und diese wurden bisher auch nicht von anderen Autoren berichtet [15, 18]. Chirurgische Therapie Im Gegensatz zum kongenitalen klinischen Anophthalmus, bei dem die Domäne der Behandlung die Chirurgie ist [13, 21], wurde in der hier untersuchten Population mit einem Mikrophthalmus lediglich bei 35% der Patienten eine minimalinvasive orbitale Vo- lumenauffüllung mittels injizierbarer Pelletexpander vorgenom- men. Diese Zahl lässt sich nicht verallgemeinern, da ihr keine re- präsentative Stichprobe zugrunde liegt. Anzunehmen ist, dass be- vorzugt Kinder mit sichtbarer Asymmetrie überwiesen wurden. Kinder, bei denen eine alleinige Prothesenversorgung als ausrei- chend erachtet wurde, wurden vermutlich eher direkt beim Oku- laristen vorgestellt. Diese Frage ließe sich nur über eine Register- studie klären, die alle betreffenden Kinder erfassen müsste. Die Re-Injektionsrate nach Pelletexpander-Implantation lag mit 19% (6 von 32 Patienten) im Bereich der zuvor angegebenen Rate von 15–20% [13]. Diese Beobachtung deutet darauf hin, dass damit zu rechnen ist, dass in einigen Fällen das betroffene Auge nicht ausreichend wächst, um die Symmetrie zu erhalten. Genau ließ sich dies nicht belegen, da einerseits keine systematische Achslängenerhebung erfolgte, andererseits auch über die Zeit Veränderungen in der Menge und Verteilung des orbitalen Fett- gewebes denkbar wären, die wiederum nur in einer systemati- schen prospektiven neuroradiologischen Erfassung zu beurteilen wäre. Eine spezielle Situation zeigte sich bei den Patienten mit beid- seitigem Mikrophthalmus. Bei 10 der 11 Kinder bestand primär Symmetrie; bei 8 der 22 Augen lag mindestens Lichtwahrneh- mung vor. Intention der Behandlung war daher eher die beidseiti- ge Entwicklung der Lidspalte und das Überdecken der Fehlbildung bei funktionslosem Auge (z. B. bei Sklerokornea). So erklärt sich, warum eine chirurgische Therapie nur in 13,6% erfolgte und die Versorgung mit Vorlegeprothesen allein meistens genügte. Liegt auf der Gegenseite ein kongenitaler Anophthalmus vor, sind therapeutische Maßnahmen auf der anophthalmischen Seite zum Erreichen der Symmetrie des Mittelgesichtes vorrangig. 78% der mikrophthalmischen Augen dieser Gruppe wurden daher nicht behandelt. Die Indikation muss sich immer an der schwieri- ger und aufwendiger zu behandelnden anophthalmischen Augen- höhle ausrichten, eine Überbehandlung kann schnell den Aspekt eines „Exophthalmus“ des Mikrophthalmus hervorrufen. Behandlungsalternativen Zum Volumenaufbau sind auch andere chirurgische Alternativen zu diskutieren. Die Enukleation des Mikrophthalmus mit anschlie- ßender Implantatversorgung wäre eine Option. Sie wird unserer- seits nicht empfohlen, da durch den Verbleib des Auges eine effi- zientere Stimulierung des Lid- und Orbitawachstums angenom- men werden kann. In der eigenen Patientengruppe wurde auf eine Enukleation als Primärtherapie grundsätzlich verzichtet. In der eigenen Erfahrung der Autoren gibt es aber Fälle, bei de- nen der Mikrophthalmus nicht mitwächst oder auch im Verlauf über Monate und Jahre schrumpft, dann ist diese Option neu zu überdenken. Gegen einen umfangreichen Orbitaeingriff in Form einer Enukleation im Vorschulalter spricht weiterhin das vor allem in den ersten Lebensjahren erhöhte Risiko der (Bindehaut-)Ver- narbung. Die Erfahrung zeigt weiterhin, dass die Eltern einem sol- chen Eingriff sehr kritisch gegenüberstehen und eine Alternative wie die genannten Pellets zur Injektion viel leichter akzeptieren. Die Art der Volumensubstitution nach Enukleation ist generell Gegenstand zahlreicher Publikationen, für die hier untersuchte Population liegen aufgrund des seltenen Vorkommens kaum be- lastbare Daten vor. Weniges spricht für eines der verfügbaren allo- plastischen Implantate, da, je kleiner das Kind zum Zeitpunkt des Eingriffs ist, i. d. R. kaum die später adäquate Größe einzusetzen ist und komplizierte Sekundäroperationen oft nicht zu vermeiden sind. Fallserien sprechen für ein Dermis-Fett-Transplantat, da die Verträglichkeit hervorragend ist, die Größe immer individuell an- gepasst werden kann und eine Volumenvergrößerung parallel zum Körperwachstum eintritt [14, 22]. Therapieentscheidung nach objektiven Kriterien Als objektive Parameter zur Befundbeschreibung stehen die axiale Bulbuslänge des Mikrophthalmus, die Weite der horizontalen Lid- spalte sowie die Differenz dieser Parameter zur Gegenseite zur Verfügung. Als objektiver Verlaufsparameter ist die Verwendung der Veränderung der Lidspaltenweite sinnvoll, und zwar in Ab- solutwerten bezogen auf das betroffene Auge bzw. als Differenz zum anderen Auge. 70 Schittkowski MP et al. Therapiestrategien bei 103 … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 64–72 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

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Klinische Studie mance of a conjunctival flap. Conjunctival flap was performed using the Gundersen technique. A very thin flap of the upper bulbar conjunctiva is dissected downward towards the limbus without creating buttonholes. When the limbus is reached, the resultant flap is freed and without tension it is pulled over the corneal defect and sutured with nylon sutures placed at the limbus (complete conjunctival flap) or at the stroma of healthy cornea (partial conjunctival flap). Results This kind of conjunctival flap has low rates of compli- cation. The postoperative follow-up after the partial or com- plete conjunctival flap was satisfying in 34 cases and showed a good healing process without major complications. Partial conjunctival flap shrinkage was observed in 3 cases, which could be revised in 2 of them. One case underwent enuclea- tion, because of recurrent severe keratopathy. Conclusion Conjunctival flap is an established surgical proce- dure that is applied rarely. The more frequent performance of this technique is suggested as it consists the ultima ratio for the treatment of refractory neurotrophic keratitis and non- healing epithelial defects. Einleitung Partielle oder auch komplette Bindehautdeckungen werden heut- zutage deutlich seltener notwendig und auch praktiziert als in frü- heren Jahrzehnten. Sie haben ihre Indikation fast nur noch bei chronischen und schmerzhaften Oberflächenproblemen der Hornhaut, die dauerhaft gelöst werden sollen und bei denen Kon- taktlinsen und Keratoplastiken ausscheiden. Zu diesen chronischen Oberflächenproblemen zählen ulzeröse Hornhautprozesse mit schlechter Heilungstendenz und ungünsti- ger Wirtshornhaut, einschmelzende Hornhautprozesse bei hinfäl- ligen Patienten, mangelhafte Nachsorgemöglichkeiten sowie auch und eine schmerzhafte Keratopathia bullosa [1 – 4]. Patienten Wir berichten insgesamt über 37 Patienten, 23 Frauen und 14 Männer, mit einem Alter von 23–87 Jahren (Mittelwert 73 Jah- re), bei denen wir in dem Zeitraum 1/2006 bis 12/2019 jeweils in Intubationsnarkose 27 × eine komplette und 10 × eine partielle Bindehautdeckung durchgeführt haben. Präoperativ wurde 23 × eine neuroparalytische Keratitis Sta- dium 2–3 nach Mackie [5] diagnostiziert, davon 9 × aufgrund einer Herpes-simplex-Keratitis (▶ Abb. 1) und 4 × aufgrund einer Herpes-zoster-Keratitis, 6 × aufgrund eines Akustikusneurinoms (▶ Abb. 2) und 4 × aufgrund einer Keratopathia e lagophthalmo. Bei 5 Patienten lag eine schmerzhafte bullöse Keratopathie bei Zustand nach zum Teil mehrfachen perforierenden Keratoplas- tiken und bei 8 Patienten lagen am ehesten therapieresistente pe- riphere oder auch zentrale Hornhautulzerationen vor. 27 Patienten klagten zum Teil über massivste Augenoberflä- chenschmerzen, 3 davon äußerten sogar Suizidgedanken. 14 Pa- tienten waren körperlich hinfällig und beginnend dement zu wer- den, bei 12 Patienten war die ambulante Nachsorge mehr als mangelhaft. Als wichtige Systemerkrankungen traten 21 × Diabetes melli- tus, 12 × Morbus Parkinson sowie ein Patient mit Morbus Wege- ner (▶ Abb. 3) auf, der eine Reulzeration an einer 6 Monate zuvor durchgeführten exzentrischen tektonischen Sklerokeratoplastik aufwies. Bei 8 Patienten bestand eine Tumorerkrankung, die be- reits mit Chemotherapie behandelt war oder behandelt wurde. Bei 9 Patienten bestand eine Schlafapnoe, die mit Sauerstoff- schlafmasken, sog. CPAP-Überdruckbeatmungsgeräten, behan- delt wurde. Sieben Patienten mit behandelter Schlafapnoe zeig- ten periphere therapieresistente Epithel- und Stromadefekte in der unteren Zirkumferenz. Diese Patientengruppe erhielt i. d. R. eine partielle periphere Bindehautdeckung. Vor der Bindehautdeckung lag der bestkorrigierte Visus zwi- schen größtenteils Handbewegungen (33 ×) und brillenkorrigiert bis 0,2 (4 ×). Präoperative Behandlung Vor der eigentlichen chirurgischen Maßnahme der Bindehaut- deckung erfolgte bei allen Patienten eine wochen- bis monate- lange ambulante wie auch stationäre Behandlung der chronischen therapieresistenten Oberflächenveränderungen und auch der Schmerzsymptomatik. Diese Behandlung umfasste zunächst eine intensive lokale Sal- bentherapie verbunden – falls erforderlich – mit einer systemi- schen Steroid- und/oder antiviralen oder antimikrobiellen Thera- pie. Es wurden therapeutische Verbandskontaktlinsen aufgesetzt, Punctum Plugs eingesetzt, Wärmepads appliziert, Uhrglasverbän- de getragen, mehrfache Amnionmembranaufnähungen durch- geführt, Serumaugentropfen gegeben und auch temporäre oder permanente partielle Tarsorrhaphien angelegt [3, 4]. Die partielle oder komplette Bindehautdeckung wurde dann schlussendlich bei mangelndem Erfolg einer Oberflächenabhei- lung oder ‑beruhigung durchgeführt, auch weil viele Patienten trotz intensivster Behandlung einfach wegen der Schmerzen und der langen und aufwendigen Behandlung „mürbe“ waren und eine chirurgische Behandlung wünschten. Bevor in einer solchen desaströsen Situation eine Enukleation durchgeführt wird, ver- suchen wir, falls möglich, eine Besserung durch eine permanente Bindehautdeckung zu erzielen, auch mit dem Ziel, das Auge zu er- halten. Methodik Das Ziel einer partiellen oder kompletten Bindehautdeckung be- steht darin, dass eine dauerhafte Deckung der Hornhautoberflä- che erzielt werden soll. Dafür muss ein Bindehautlappen mög- lichst partiell oder komplett spannungsfrei über die Hornhaut ge- zogen und dann stromal oder am Limbus verankert werden, bis eine Verwachsung der Subkonjunktiva mit den erkrankten Horn- hautarealen erfolgt ist. In der Regel wird heutzutage dafür die Technik nach Gundersen durchgeführt [1]. 74 Kohlhaas M et al. Partielle oder komplette … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 73–78 | © 2020. Thieme. All rights reserved.

Klinische Studie ▶ Abb. 5 Vier Wochen postoperativ – siehe ▶ Abb. 3 – ist die par- tielle Bindehautdeckung fest mit der Hornhautoberfläche verwach- sen. Die fortlaufende Naht kann entfernt werden. Der 72-jährige Patient mit bekanntem Morbus Wegener ist beschwerdefrei. ▶ Abb. 6 Komplette Bindehautdeckung bei einer 61-jährigen Patientin, die wegen einer Herpes-zoster-Keratitis mit therapie- resistenten Oberflächenproblemen mit Ulzerationen und teilweise beginnenden stromalen Einschmelzungen durchgeführt wurde. dierten Hornhautoberfläche verbunden. Im weiteren Verlauf kön- nen dann Augenprothesen oder Irisprintkontaktlinsen angepasst werden, um auch den kosmetischen Aspekt des Gesichts und des operierten Auges zu verbessern (▶ Abb. 6 u.7). Postoperative Komplikationen und Nachoperationen Bei 34 Patienten waren die postoperativen Verläufe insgesamt re- gelrecht. Die partiellen oder auch kompletten Bindehautdeckun- gen heilten komplikationslos ein. Bei 3 Patienten mit kompletter Bindehautdeckung kam es zwi- schen 3 und 11 Tagen zu einer Fadenlockerung verbunden mit einer Bindehautretraktion. Diese Retraktion war 2 × umschrieben ca. 2–3 mm weit und konnte problemlos dauerhaft mit einer Fa- dennachlegung korrigiert werden. Einmal hatte sich die Binde- haut komplett retrahiert und konnte trotz mehrmaliger Versuche nicht am Limbus und an der Hornhaut anwachsen (▶ Abb. 8). Bei ausgeprägter Schmerzsymptomatik wurde dieses Auge im Ver- lauf enukleiert. ▶ Abb. 7 Bei der Patientin von der ▶ Abb. 6 konnte nach 8 Wochen aus kosmetischen Gründen eine therapeutische Irisprintkontaktlin- se angepasst werden. Diskussion Partielle oder auch komplette Bindehautdeckungen werden heut- zutage deutlich seltener durchgeführt als in früheren Jahrzehnten. Sie haben ihre Indikation fast nur noch bei chronischen und schmerzhaften Oberflächenproblemen der Hornhaut, die dauer- haft gelöst werden sollen [2]. Zu diesen chronischen Oberflächenproblemen zählen die neu- rotrophe Keratopathie, ulzeröse Hornhautprozesse mit schlechter oder auch nicht vorhandener Heilungstendenz und ungünstiger Wirtshornhaut, einschmelzende Hornhautprozesse bei hinfälligen Patienten, mangelhafte Nachsorgemöglichkeiten sowie auch eine schmerzhafte Keratopathia bullosa [3 – 5]. Wir berichten über unsere Erfahrungen mit partiellen und/ oder kompletten Bindehautdeckungen, die wir bei 37 Patienten mit obigen Diagnosen in den vergangenen 15 Jahren durch- geführt haben. Vor der eigentlichen chirurgischen Maßnahme der Bindehaut- deckung erfolgte bei allen Patienten eine wochen- bis monate- lange ambulante wie auch stationäre Behandlung der chronischen therapieresistenten Oberflächenveränderungen und auch der Schmerzsymptomatik sowie auch der systemischen Grunderkran- kungen wie Diabetes mellitus, Morbus Parkinson oder auch Schlafapnoe. Bei der Behandlung dieser chronischen Hornhautoberflächen- pathologien müssen wir die auslösenden pathogenetischen Fak- 76 Kohlhaas M et al. Partielle oder komplette … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 73–78 | © 2020. Thieme. All rights reserved.

Klinische Studie Bindehautdeckung für mindestens 4 Wochen auf der Augenober- fläche belassen, um gerade solche Vernarbungen zu verhindern. Fast alle Patienten sind mit dem postoperativen Ergebnis zu- frieden, da sie von einer intensiven und wochenlangen Oberflä- chenbehandlung samt Schmerzen „befreit“ sind. Nur sehr wenige (2 von 37) beklagen nach Beruhigung der Oberflächenpathologie ein sehr schlechtes Sehen von Handbewegung. In diesen Fällen könnte man durchaus überlegen, nach einer gewissen Zeit im reizfreien Intervall die zentrale Bindehautdeckung wieder zu eröffnen. Dies haben wir bei unseren Patienten nicht gemacht. Um auch ein ansprechendes kosmetisches Äußeres zu gewähr- leisten, sollte nach 4–6 Wochen entweder eine flache Augenpro- these oder eine Irisprintkontaktlinse angepasst werden. Die Pa- tienten tolerieren beides sehr gut und sind i. d. R. mit dem kosme- tischen Ergebnis sehr zufrieden, zumal die Bulbusmotilität im Ver- gleich zu einer Enukleation normal ist. Einhaltung ethischer Richtlinien Für diesen Beitrag wurde von den Autoren keine Studie an Men- schen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gel- ten die jeweils dort aufgeführten ethischen Richtlinien. Interessenkonflikt Literatur [1] Gundersen T. Conjunctival flaps in the treatment of corneal disease with reference to a new technique of application. AMA Arch Ophthalmol 1958; 60: 880–888 [2] Mackensen G, Neubauer H. Augenärztliche Operationen Teil 1. Berlin, Heidelberg: Springer; 1988 [3] Messmer EM. Sterile Keratitis. Klin Monbl Augenheilkd 2019; 236: 1235– 1250 [4] Mergler S, Dietrich-Ntoukas T, Pleyer U. Neurotrophe Keratopathie. Ophthalmologe 2019; 116: 797–810 [5] Mackie IA. Neuroparalytic Keratitis. In: Frauenfelder F, Roy FH, Meyer SM, eds. Current ocular Therapy. Philadelphia, PA, USA: WB Saunders; 1995: 452–454 [6] Bialasiewicz AA, Kohlhaas M, Engelmann K et al. Verlängerte Wundhei- lung nach optischer perforierender Keratoplastik. Risikofaktor CPAP- Überdruckbeatmungsgeräte gegen Schlafapnoe. Ophthalmologe 2001; 97: 437–440 [7] Fechner PU, Teichmann KD. Medikamentöse Augentherapie. Stuttgart: Thieme; 2000 [8] Gundersen T, Pearlson HR. Conjunctival flaps for corneal disease: their usefulness and complications. Trans Am Ophthalmol Soc 1969; 67: 78– 95 [9] Geria RC, Wainsztein RD, Brunzini M et al. Infectious keratitis in the cor- neal graft: treatment with partial conjunctival flaps. Ophthalmic Surg Lasers Imaging 2005; 36: 298–302 [10] Insler MS, Pechous B. Conjunctival flaps revisited. Ophthalmic Surg Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. 1987; 18: 455–458 [11] Galindo-Ferreiro A, Akaishi PS, Al-Aliwi M et al. Five yearsʼ experience with tenon-conjunctival flaps in phthisical eyes. Semin Ophthalmol 2017; 32: 642–646 [12] Alino AM, Perry HD, Kanellopoulos AJ et al. Conjunctival flaps. Ophthal- mology 1998; 105: 1120–1123 78 Kohlhaas M et al. Partielle oder komplette … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 73–78 | © 2020. Thieme. All rights reserved.

Klinische Studie ABSTR AC T Background Early and intermediate age-related macular de- generation (AMD) results in drusen deposits under the retinal pigment epithelium (RPE). These early stages of AMD exhibit different risks of progressing to late AMD. To date, early AMD has been classified and quantified by fundus photography. This does not appear to be sensitive enough for clinical trials studying the impact on drusen. SD‑OCT with two-dimensional rendering of the segmented slices analysed allows for en face imaging of the drusen. The present trial studied the potential of quantifying early and intermediate AMD by en-face optical coherence tomography (OCT). Material and Methods Thirty-one eyes of 29 patients in dif- ferent stages of early and intermediate AMD were studied. To this end, fundus photographs (Kowa VX-10i, Kowa, Tokyo, Japan) and en-face OCT images (RTVue XR Avanti, Optovue, Inc., Fremont, CA, USA) were taken. First, different segmenta- tion levels (6 µm underneath the RPE, on the RPE, 6 µm and 9 µm above the RPE) and different layer thicknesses (5 µm, 10 µm, 20 µm and 30 µm) were analysed to determine the best segmentation for visualising drusen. Drusen were marked manually and their number and surface area calcu- lated. This analysis was then compared with the standardised drusen analyses on fundus photography. Additional changes in early and intermediate AMD such as pigment epithelial de- tachments (PEDs) and subretinal drusenoid deposits (SDD) as well as small atrophies were also documented and compared. Outcomes The best segmentation for delineating the drusen on the en-face OCT images was found to be a segmentation 6 µm underneath the RPE with a slice thickness of 20 µm. Comparison of drusen quantification on en-face OCT images with the standardised drusen analysis on fundus photography revealed particularly good similarity. Other changes in early and intermediate AMD, such as PEDs, SDD and small atro- phies, were easier to assess on the en-face OCT images. Conclusions The analysis and quantification of drusen from en-face OCT images with 20 µm segmentation at 6 µm under- neath the RPE allows differentiated quantification of various drusen characteristics. Moreover, other changes in early and intermediate AMD can also be analysed. In future observatio- nal and clinical trials, this could help quantify drusen. Einleitung Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist eine degene- rative Erkrankung der Netzhaut im Bereich der Makula und betrifft Menschen ab einem Alter von rund 50 Jahren [1]. Bis heute finden weltweit unterschiedliche Klassifikationssysteme Verwendung, was die klinische Variabilität der Erkrankung widerspiegelt [2]. Das AMD Classification Committee der Beckmann-Initiative für Makulaforschung arbeitete 2013 ein klinisches Klassifikationssys- tem der AMD aus, das internationale Anerkennung und Anwen- dung findet [3]. Die frühe Form der AMD ist durch das Vorhandensein von Dru- sen (extrazelluläre Ablagerungen unterhalb des Pigmentepithels) und Hyper- und/oder Hypopigmentierungen des retinalen Pig- mentepithels (RPE) charakterisiert [4]. Ferris et al. prägten den Begriff der intermediären AMD und beschreiben damit das fort- geschrittene Stadium der frühen AMD. Hier beträgt die Drusen- größe mehr als 125 µm [3] (▶ Abb. 1). Bei bis zu 80% der Bevölkerung über 60 Jahren können Drusen nachgewiesen werden. Sie können ohne Symptome auftreten oder insbesondere bei zentral gelegenen weichen Drusen Meta- morphopsien hervorrufen. Harte Drusen sind kleiner als 63 µm und sind klinisch als gelbliche Spots zu erkennen [5]. Weiche Dru- sen imponieren ophthalmoskopisch als gelblich-gräuliche, schei- benförmige Veränderungen und können partiell von Pigment- veränderungen durchsetzt sein. Sie können sich zurückbilden oder auch konfluieren. Konfluierende weiche Drusen verursachen eine gut begrenzte Abhebung des RPE, eine sog. drusenoide Pig- mentepithelabhebung (DPED) [6, 7]. Subretinal drusenoid Depo- sits (SDD) weisen ophthalmoskopisch betrachtet eine Ähnlichkeit zu den sog. regulären Drusen auf und liegen betont temporal oberhalb der Fovea. Ihre individuelle Größe beträgt 50 bis 400 µm [8]. Eine Atrophie ist klinisch als scharf begrenztes, depigmentier- tes Areal zu erkennen. Sie kann neu entstehen oder sich aus Hy- perpigmentierungen oder Drusen entwickeln [9]. Zur Diagnostik von retinalen Erkrankungen steht heute eine Vielzahl von digitalen Untersuchungsmethoden zur Verfügung. Die Farbfundusfotografie wird insbesondere zur Dokumenta- tion retinaler Veränderungen eingesetzt und hat keine primäre diagnostische Bedeutung. Sie spielt für die AMD sowie für andere Erkrankungen der Makula in vielen multizentrischen Studien eine bedeutende Rolle [10]. Die nicht invasive Technik der optischen Kohärenztomografie (OCT) ist das Verfahren der 1. Wahl zur Untersuchung makulärer Veränderungen [11]. Sie ist ein geeignetes Verfahren zur Darstel- lung der Drusen bei früher AMD. Ziel dieser Studie ist es, Möglichkeiten einer neuen Quantifizie- rung der frühen und intermediären AMD mittels SD‑OCT (Spect- ral-Domain-OCT) in En-face-Darstellung herauszufinden. Bisher erfolgte eine Klassifizierung und Quantifizierung der frühen und intermediären AMD (Drusen) anhand von Fundusfotos und der Auswertung der Drusencharakteristika im ETDRS-Grid (ETDRS: Early Treatment Diabetic Retinopathy Study). Zur Beurteilung der Beeinflussung der Drusen in klinischen Studien erscheint dieses Verfahren zu wenig sensitiv. Material und Methode In einer konsekutiven Fallstudie wurden Patienten mit einer frü- hen und intermediären AMD untersucht. Einschlusskriterium war das Vorhandensein von weichen Drusen. Ausschlusskriterium war eine unzureichende Bildqualität in den entsprechenden Unter- suchungsmethoden. 80 Jürgens F et al. Quantifizierung der frühen … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 79–85 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Klinische Studie ▶ Abb. 3 Beispiel für die Analyse der Drusen in En-face-Ansicht in der Schnittebene 6–25 µm unterhalb des RPE: Überprüfung der schwarzen Fläche in En-face-Ansicht im entsprechenden B-Scan und parallel Markierung der Drusenfläche in der Software ImageJ. ▶ Abb. 4 Fundusfotografie mit entsprechender Überlagerung des quadratischen Grids und des EDTRS-Grids. In der Ebene knapp unterhalb des RPE von 6 µm bis 25 µm un- terhalb des RPE konnte bei allen Patienten eine gute Abgrenzung der Drusen in der Fläche erreicht werden, sodass diese Schnitt- ebene als Standard für die weitere Untersuchung gewählt wurde. Es wurden 31 Augen bei 29 Patientinnen und Patienten mit dem Avanti OCT untersucht. Die En-face-Bilder der 3 × 3 mm2 gro- ßen Netzhautabschnitte wurden gemäß der zuvor beschriebenen Methode dargestellt und als jpg-Dateien gespeichert. Die Auswer- tung der Parameter erfolgte mithilfe der Software ImageJ 1.50i (National Instituts of Health, Bethesda, MD, USA). Zunächst wur- de jeweils die Größe des Bildausschnittes mit den entsprechenden Bildpixeln definiert als 3 × 3 mm2. Weiche Drusen waren als schwarze Flächen dargestellt. Jede schwarze Fläche wurde parallel in der Software AngioVue des Avanti OCT überprüft, ob es sich hierbei um eine Druse oder um ein Artefakt handelte (▶ Abb. 3). Jede Drusenfläche wurde in der Software ImageJ schwarz markiert. Die markierten Flächen wurden mittels der Threshold- Color-Funktion vom restlichen Bildhintergrund abgehoben. An- hand dieses Bildes erfolgte die Beurteilung der Drusenanzahl und der Drusenfläche. Die Flächenmessung wurde mithilfe der Funk- tion „ROI-Manager“ (ROI: Region of Interest) berechnet. Um zu überprüfen, ob das untersuchte Auge eine Atrophie oder eine PED oder SDD aufweist, wurden die B-Scans in dem ent- sprechenden Bereich beurteilt. Digitale Fundusaufnahmen wurden mit der Kowa Fundus- kamera VX-10i der Firma Kowa, Tokyo, Japan, aufgenommen und mit der Software Heidelberg Eye Explorer Version 1.0.10.0 oder neuer oder der Software HEYEX Viewer Version 6.5.7.0 dargestellt und beurteilt. Die Beurteilung der Fundusfotografien erfolgte in Anlehnung an die internationale Klassifikation von Bird et al. [1], wurde je- doch zur besseren Vergleichbarkeit mit den Aufnahmen der OCT stark modifiziert. So wurde ein quadratisches Grid erstellt und die zentrale 3 × 3 mm2 große Fläche beurteilt. Aufgrund der unter- schiedlichen Maßstäbe der Fundusfotos wurde das quadratische Grid mit dem ETDRS-Grid kombiniert auf Folie gedruckt und am Computerbildschirm an den entsprechenden Maßstab der Fun- dusaufnahme angepasst. Mithilfe des ETDRS-Grids im Spectralis OCT wurden je 3 Schnittpunkte mit den retinalen Gefäßen auf- gesucht und am Bildschirm entsprechend übereinander gelagert (▶ Abb. 4). Die Messung der Drusenfläche erfolgte ebenfalls in Anlehnung an die internationale Klassifikation. In den zentralen 4 Abschnitten (superior, nasal, inferior und temporal) wurde jeweils der prozen- tuale Anteil der Drusenfläche abgeschätzt und auf die entspre- chende Fläche in mm2 umgerechnet. Die größte Druse wurde ge- messen und maßstabsgetreu umgerechnet. Die Beurteilung über eine vorhandene Atrophie, eine PED und retikuläre Pseudodrusen erfolgte durch Betrachtung der Fundus- aufnahme. Ergebnisse Die Anzahl der weichen Drusen korrelierte in beiden Messmetho- den mit der Drusenfläche. Je mehr weiche Drusen vorhanden wa- ren, desto größer war die Fläche der weichen Drusen (Rangkorre- lation nach Spearmans Rho = 0,731; p = 0,001 < 0,05 [OCT Avanti] und Rho = 0,581; p = 0,0006 < 0,05 [Fundusfoto]). Die durchschnittliche Fläche der weichen Drusen, gemessen im Avanti OCT, betrug 1,86 mm2 und im Fundusfoto 1,75 mm2. Es bestand kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den Messmethoden Avanti OCT und Fundusfoto (Wilcoxon-Test für gepaarte Stichproben: n = 31; p = 0,4331 > 0,05; ▶ Abb. 5). In der Passing-Bablok-Regression wurden keine statistisch signifikanten systematischen Differenzen zwischen den beiden Messmethoden nachgewiesen (Rangkorrelation nach Spearmans Rho = 0,697; p < 0,0001 < 0,05). Die Formel der Steigung der Re- gressionsgeraden lautet: y = − 0,106 + 1,132× (▶ Abb. 6). Hinsichtlich der Identifikation von PEDs in den bildgebenden Verfahren Avanti OCT und Fundusfotografie gab es einen großen 82 Jürgens F et al. Quantifizierung der frühen … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 79–85 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Klinische Studie Es zeigten sich sehr unterschiedliche Ergebnisse bei der Ana- lyse der PEDs. Die deutlich höhere Anzahl der PEDs im Avanti OCT kann durch eine bessere Beurteilbarkeit der Drusenflächen in Bezug auf das abgehobene RPE zustande kommen. In der Fun- dusfotografie kann eine möglicherweise unscharfe Begrenzung zur „gesunden“ Netzhaut dazu führen, dass die Druse kleiner ge- messen wird, als sie tatsächlich ist. Der Unterschied im Auffinden von Atrophien war bei beiden Untersuchungsmethoden nur ge- ring. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Anzahl der Atrophien vernachlässigt wurde und kein Vergleich der Größe der Atrophien erfolgte. Auch die Beurteilung der SDD zeigte in beiden bild- gebenden Verfahren einen sehr geringen Unterschied, obwohl die Analyse sehr unterschiedlich war. Die SDD wurden in der Fun- dusfotografie betont temporal oberhalb der Fovea detektiert. Eine Beurteilung der SDD im Avanti OCT war nur im B-Scan möglich, hier konnte keine bevorzugte Lokalisation festgestellt werden. Sowohl in der Fundusfotografie als auch in der OCT Avanti wur- de eine positive Korrelation der Anzahl der weichen Drusen mit der Fläche der weichen Drusen nachgewiesen. Prinzipiell kann es, insbesondere bei fortgeschrittenen Stadien und großen Drusen, auch zum Konfluieren der Drusen kommen, was die Anzahl wieder verringern würde. In einer Studie von Diniz et al. wurden die ma- nuelle Drusenflächenmessung in der Farbfundusfotografie und Scanning-Laser-Ophthalmoskopie in Retromode sowie die auto- matisierte Flächenmessung in der Cirrus HD‑OCT (Carl Zeiss, Meditec, Inc.) verglichen. Bei der automatisierten Messung war die Anzahl der Drusen signifikant niedriger als bei den manuell ausgewerteten Bildern. Die Flächenmessung hingegen war ver- gleichbar, was darauf hindeutet, dass durch den Algorithmus kon- fluierende Drusen als eine Druse gewertet werden [15]. In dieser Studie war die Flächenmessung in beiden Verfahren vergleichbar, während die zusätzlich erhobenen Parameter zur frühen AMD genauer in der SD‑OCT bewertet werden konnten. Die Darstellung der Drusen in ihrer Fläche in Verbindung mit der Beurteilung im Querschnitt (B-Scan) ermöglicht einerseits eine bessere und genauere Analyse der Flächen, PEDs, Atrophien und retikulären Drusen, steht jedoch auch in Verbindung mit einem deutlich höheren Zeitaufwand. Anzustreben wäre eine automati- sierte Flächenmessung, ohne dass kleine und flache Drusen ver- nachlässigt werden, wie es bereits in der Literatur beschrieben wurde [15 – 17]. Gregori et al. bewerten die Drusenflächen, gemessen in der Fundusfotografie sowie in der SD‑OCT mittels Cirrus HD‑OCT, im Hinblick auf die Progression der Drusenflächen. In dieser Unter- suchung waren die Drusenflächen, gemessen in der SD‑OCT, klei- ner als in den digitalen Fundusfotos, da kleine, flache und subreti- nal gelegene drusenoide Ablagerungen bei der automatisierten Messung vernachlässigt werden. Die Autoren sind der Meinung, dass die automatisierte Drusenflächenmessung dennoch für den klinischen Alltag Relevanz hat, da insbesondere mittelgroße und große Drusen für die Progredienz der frühen AMD eine bedeuten- de Rolle spielen. Sie weisen ebenfalls darauf hin, dass eine auto- matisierte, standardisierte Messung im Verlauf vergleichbarer sei [16]. Im Unterschied zu den Untersuchungsergebnissen von Gregori et al. waren die in dieser Arbeit gemessenen Drusenflächen in der SD‑OCT größer als im Fundusfoto. Hier muss beachtet werden, dass bei der manuellen Messung auch jede flache und kleine RPE- Elevation, die durch drusenoide Ablagerungen entsteht, gemes- sen wurde. Für den klinischen Alltag ist eine automatisierte Mes- sung der Drusenfläche deutlich praktikabler, dennoch ist es wich- tig zu verstehen, an welcher Stelle die Aussagekraft einer auto- matisierten Messung limitiert ist. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) durch Deep Learning und/oder maschinelles Lernen eröffnet weitere Möglich- keiten der automatisierten Bildanalyse bei der AMD [20 – 23]. Hierbei handelt es sich um maschinell durchgeführte, „intelligen- te“ Entscheidungsprozesse. Während beim maschinellen Lernen Fähigkeiten mithilfe von Algorithmen erlernt werden, wird beim Deep Learning ein tiefes neuronales Netz zur Datenanalyse ge- nutzt [24]. Es konnte auch gezeigt werden, dass die neuen Techniken der KI effektiv zur Detektion, Stadieneinteilung und Prädiktion der AMD herangezogen werden können [25]. In einer Studie von Burlina et al. konnten bei der Stadieneinteilung der AMD anhand von Fundusfotos, in Anlehnung an die Stadieneinteilung der ARED-Studie, durch Deep Learning und ärztliche Beurteilung ver- gleichbare Ergebnisse erzielt werden [26]. Die Arbeitsgruppe um Lee et al. untersuchte die Möglichkeit, OCT-Aufnahmen mittels Deep Learning zu analysieren, um zwischen einer gesunden Netz- haut und einer vorhandenen AMD zu unterscheiden [20]. Auch Venhuizen et al. konnten zeigen, dass eine Stadieneinteilung der AMD anhand von OCT-Aufnahmen mittels maschinellen Lernens und ärztlicher Beurteilung vergleichbare Ergebnisse aufweisen. Der Vorteil des maschinellen Lernens wird in der schnellen und zu- verlässigen Analyse einer großen Anzahl von OCT-Bildern, ins- besondere bei großen AMD Studien, gesehen. Es bietet auch die Möglichkeit eines OCT-basierten AMD-Screenings [22]. Schlussfolgerung Trotz einiger Limitationen, insbesondere durch das geringe Pa- tientenkollektiv, konnte in dieser Arbeit ein Verfahren zur Quanti- fizierung von Drusen bei früher und intermediärer AMD ent- wickelt werden, das auf verschiedene Untersuchungsgeräte ange- wandt werden kann. Voraussetzung ist hier die Möglichkeit einer En-face-Ansicht in einer definierten Netzhautebene. Auch wenn in einigen Studien die Analyse von Drusenvolumina zur Quantifizie- rung der AMD bevorzugt wird [13, 14], spielt die Drusenfläche eine bedeutende Rolle. Das beschriebene Verfahren ermöglicht außerdem die Beurtei- lung anderer Netzhautveränderungen bei früher und intermediä- rer AMD, wie Atrophien, PED und SDD. Es ist vergleichbar mit der bisherigen Methode der Auswertung der Fundusfotografien und ist in einigen Aspekten, wie z. B. der Begrenzung der Drusen, noch sensitiver. Jedoch ist diese Methode der Quantifizierung und Klassifizie- rung der frühen und intermediären AMD für den klinischen Alltag und für klinische Studien aufgrund des hohen Zeitaufwands nicht praktikabel und muss in einem weiteren Schritt auf die Möglich- keit eines automatisierten Verfahrens untersucht werden. Auch die Einbeziehung von KI im Sinne von maschinellem Ler- nen und Deep Learning kann hier große Vorteile bringen. 84 Jürgens F et al. Quantifizierung der frühen … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 79–85 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Klinische Studie Die XEN-Microstent-Implantation nach erfolgloser Trabekulektomie: eine sinnvolle Behandlungsoption? Implantation of XEN After Failed Trabeculectomy: an Efficient Therapy? Autoren Caroline Bormann 1, Manuela Schmidt 1, Catharina Busch 1, Matus Rehak 1, Christian Thomas Scharenberg 2, Jan Darius Unterlauft 1 Institute 1 Klinik & Poliklinik für Augenheilkunde, Universitätsklinik Leipzig, Deutschland 2 Augenheilkunde, Augenärzte am Kurpark, Lüneburg, Deutschland Schlüsselwörter XEN, MIGS, erfolglose Trabekulektomie, therapierefraktäres Glaukom Key words XEN, MIGS, failed trabeculectomy, refractory glaucoma eingereicht angenommen online publiziert 15. 3. 2021 14. 7. 2021 27.9.2021 10.1055/a-1553-4547 Bibliografie Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 86–93 DOI ISSN 0023-2165 © 2021. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany Korrespondenzadresse Prof. Dr. med. Jan Darius Unterlauft Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde Liebigstraße 10–14, 04103 Leipzig, Deutschland Tel.: + 49 (0) 34 19 72 16 50, Fax: + 49 (0) 34 19 72 14 99 jandarius.unterlauft@medizin.uni-leipzig.de ZUSAMMENFASSUNG Hintergrund Die Trabekulektomie (TE) ist der Goldstandard der chirurgischen Glaukomtherapie. Die Effektivität und das Sicherheitsprofil des XEN45-Gel-Stents (XEN) nach voran- gegangener, erfolgloser und/oder vernarbter TE sollen unter- sucht werden. Material und Methoden Die postoperativen Verläufe bei XEN-Microstent-Implantation nach TE wurden analysiert. In- traokularer Druck (IOD), Anzahl applizierter Antiglaukoma- tosa, bestkorrigierter Visus, Gesichtsfelduntersuchung und Komplikationsraten wurden erhoben. Ergebnisse 31 Augen von 28 Patienten wurden behandelt (mittleres Alter: 66,2 ± 13,4 Jahre; 39% weiblich; 48% rechte Augen; mittleres Zeitintervall nach TE: 70,3 ± 64,9 Monate). Im Verlauf der ersten 12 Monate nach XEN-Microstent-Im- plantation kam es zu einer IOD-Senkung von 23,5 ± 6,5 auf 18,0 ± 5,3 mmHg (− 23,5%; p = 0,01) bei gleichzeitiger Reduk- tion der applizierten Antiglaukomatosa von 2,8 ± 1,1 auf 1,1 ± 1,5 (p < 0,01). Der mittlere bestkorrigierte Visus blieb stabil (vor OP: 0,5 ± 0,6 logMAR; 12 Monate nach OP: 0,5 ± 0,6 logMAR). In 4 Augen (13 %) zeigte sich im Verlauf eine transiente Aderhautamotio. Neun Augen (29 %) bedurften eines Needlings, 4 Augen (13%) einer Re-XEN-Implantation, 3 Augen (10%) einer offenen Revision der Bindehaut, 1 Auge einer erneuten TE (3 %) und 2 Augen einer Ahmed-Valve-Im- plantation (6 %). Insgesamt war bei 19 Augen (61%) weder ein Needling noch ein weiterer glaukomchirurgischer Eingriff nötig. In 10 von 22 auswertbaren Augen (45 %) konnte 12 Mo- nate nach erfolgter XEN-Implantation eine IOD-Senkung von > 20% erreicht werden. Schlussfolgerung Die XEN-Microstent-Implantation kann eine effektive Methode zur Drucksenkung nach vorangegan- gener erfolgloser TE sein. Die Komplikationsraten sind niedrig und die Rate an Needlings und/oder Revisionen scheint ver- tretbar. ABSTR AC T Background Trabeculectomy (TE) has been the standard procedure in glaucoma surgery for a long time. This study ex- amined the efficacy and safety profile of XEN45 Gel Stent (XEN) after failed and/or scarred trabeculectomy. Material and Methods We analysed all files of patients, who received a XEN after insufficient TE and examined changes in intraocular pressure (IOP), IOP-lowering medication, best cor- rected visual acuity, visual field tests as well as the intra- and postoperative complications recorded within a 12-month fol- low-up period. 86 Bormann C et al. Die XEN-Microstent-Implantation nach … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 86–93 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Klinische Studie geplanten XEN-Implantation wurden alle Antiglaukomatosa abge- setzt und eine Lokaltherapie mit dexamethasonhaltigen Augen- tropfen begonnen (Dexa-EDO 2× tgl.), die bis zum OP-Termin fortgeführt wurde. Um IOD-Spitzen abzufangen, wurde nach Ab- setzen der Antiglaukomatosa mit einer systemischen Therapie mit Carboanhydrasehemmern begonnen, die ebenfalls bis zum OP- Termin fortgeführt wurde. Am Tag vor der Operation wurde nochmals eine umfassende ophthalmologische Untersuchung durchgeführt und sowohl die Diagnose als auch die Indikation zur operativen Intervention überprüft. Die Untersuchungen um- fassten eine Bestimmung des IOD mittels Applanationstonome- trie nach Goldmann, die Bestimmung des besten mittels Gläsern korrigierten Visus (best corrected visual acuity: BCVA) mit Snel- len-Haken (umgerechnet in logMAR zur statistischen Analyse), eine spaltlampenmikroskopische Untersuchung des vorderen und hinteren Augenabschnitts, die Durchführung einer statisch- automatischen Perimetrie (Twinfield 2, Oculus, Wetzlar, Deutsch- land; 24–2-Teststrategie, 55 Testlokalisationen) sowie eine Unter- suchung des Kammerwinkels mittels Kontaktglas nach Sussmann. Neben demografischen Daten wurde die OP-Seite, alle bereits vo- rangegangenen Operationen und das intraoperative Vorgehen (XEN-Implantation allein vs. XEN + Phakoemulsifikation + Hinter- kammerlinsenimplantation) erfasst. Operatives Vorgehen Präoperativ wurde eine Desinfektion der Gesichtshaut und Au- genoberfläche mit 5%igem Povidon-Jod durchgeführt. Es wurden 2 Parazentesen angelegt und die Vorderkammer mit einem nie- dermolekularen, dispersiven Viskoelastikum gefüllt. Im nasal obe- ren Quadranten wurde 3 mm peripher des Limbus eine Markie- rung gesetzt, die der anvisierten späteren Durchtrittsstelle des XEN-Microstents durch die Sklera entsprach. Maximal 0,1 ml einer 0,1%igen MMC-Lösung (Patient wurde über Off-Label-Use auf- geklärt und es erfolgte eine schriftliche Einwilligung) wurde in die- sem Bereich mittels 30-G-Kanüle unter die Bindehaut appliziert, sodass sich die Bindehaut von Sklera und Episklera abhob. Der Ap- plikator des XEN-Microstents wurde durch die dem nasal oberen Quadranten gegenüberliegende Parazentese in die Vorderkam- mer eingebracht. Die Implantation des XEN-Microstents erfolgte dann unter gonioskopischer Kontrolle im nasal oberen Quadran- ten, sodass die Spitze der Applikatornadel 3 mm hinter dem Lim- bus durch die Sklera hindurchtrat und unter der Bindehaut sicht- bar wurde. In allen betrachteten Fällen wurde der XEN-Microstent im nasal oberen Quadranten implantiert. Darüber hinaus wurde während der Implantation darauf geachtet, dass der XEN neben das bereits vernarbte Sickerkissen der TE platziert wurde. Falls der äußere Anteil des XEN nicht gerade verlief oder immobil war, wurden etwaige Anheftungen an Bindehaut und Tenon mittels 30-G-Kanüle gelöst (intraoperatives Needling). Im Falle einer kombinierten XEN-Implantation mit Kataraktoperation wurde diese vor der XEN-Implantation über einen zusätzlichen 2,4 mm breiten kornealen Schnitt bei 12 Uhr durchgeführt. Postoperative Kontrolluntersuchungen erfolgten 1 und 2 Tage sowie 1, 3, 6 und 12 Monate nach der XEN-Implantation. Bei jeder dieser Kontrollen wurden IOD und Visus bestimmt. Die vorderen und hinteren Augenabschnitte wurden an der Spaltlampe unter- sucht und bez. des Auftretens unerwünschter Ereignisse bewertet (Narbenreaktion der Bindehaut, flaches Sickerkissen, Aderhaut- abhebung usw.). Außerdem wurden Anzahl und Häufigkeit der zum Zeitpunkt der Untersuchung applizierten Antiglaukomatosa erfragt. Gesichtsfelduntersuchungen wurden zu den Kontrollen nach 6 und 12 Monaten wiederholt. Der Erfolg der Operationen wurde anhand der von der World Glaucoma Association veröffentlichten Kriterien beurteilt (Guide- lines on Design & Reporting Glaucoma Trials, im Internet: https:// wga.one/wga/guidelines-on-design-reporting-glaucoma-trials/). Für einen vollständigen Erfolg musste eine IOD-Senkung > 20% ohne antiglaukomatöse Lokaltherapie vorliegen. Ein einge- schränkter Erfolg lag bei einer IOD-Senkung > 20% unter postope- rativ unveränderter oder reduzierter antiglaukomatöser Lokalthe- rapie vor. Alle Augen, die diese Kriterien nicht erfüllten, wurden als Misserfolg gewertet. Erfassung und Analyse der erhobenen Daten erfolgte mit den Programmen Excel (Version 2007, Microsoft; Redmond, USA) und SPSS (IBM Version 22.0; Chicago, Illinois, USA). Visus, Patien- tenalter, IOD, Anzahl der Antiglaukomatosa und der mittlere De- fekt der statisch-automatischen Gesichtsfelduntersuchung wer- den als Mittelwert und Standardabweichung angegeben. Die nicht parametrischen Tests nach Wilcoxon und Friedman wurden zum Test der Untersuchungsergebnisse auf statistische Signifi- kanz im postoperativen Verlauf eingesetzt. Das Signifikanzniveau wurde bei p ≤ 0,05 festgelegt. Ergebnisse implantiert Im Zeitraum von Mai 2017 bis Oktober 2019 wurde in 31 Augen von 28 Patienten nach erfolgloser oder im Verlauf vernarbter TE ein XEN-Microstent (39% weiblich; 48 % rechtes Auge). Das mittlere Alter betrug bei XEN-Implantation 66,2 ± 13,4 Jahre, das mittlere Zeitintervall nach TE 70,3 ± 64,9 Monate. In 74% der behandelten Augen lag ein POWG, in 10% ein PEX-Glau- kom und in 16% ein Sekundärglaukom vor. Ursachen für die Se- kundärglaukome waren eine Fuchsʼsche Heterochromiezyklitis (n = 2), eine Contusio bulbi mit Cataracta traumatica (n = 1) sowie eine Spätfolge einer perforierenden Keratoplastik (n = 1). Vor der XEN-Implantation erfolgte neben der vorangegangenen TE eine Zyklophotokoagulation in 20 Augen, eine Laserbehandlung (Argonlasertrabekuloplastik [ALT], selektive Lasertrabekuloplastik [SLT] oder Pattern-Lasertrabekuloplastik [PLT]) in 11 Augen oder eine transkonjunktivale 23-G-Pars-plana-Vitrektomie in 3 Augen (bei proliferativer diabetischer Retinopathie oder Ablatio retinae). In 55% der Fälle wurde der XEN-Microstent implantiert, bei 45 % der Augen erfolgte eine kombinierte Kataraktoperation mit XEN- Implantation. Ein intraoperatives Needling erfolgte in 48% der Augen. Eine Zusammenfassung aller demografischen und chirur- gischen Daten zeigt ▶ Tab. 1. Der mittlere IOD lag zum Zeitpunkt der Indikationsstellung bei 23,5 ± 6,5 mmHg, am Tag vor der OP bei 19,5 ± 4,5 mmHg und sank 2 Tage nach OP auf 10,3 ± 6,7 mmHg (siehe ▶ Abb. 1). Ein (n = 30) und 3 (n = 23) Monate nach XEN-Implantation zeigte sich ein mittlerer IOD von 17,9 ± 8,5 mmHg bzw. 17,8 ± 7,1 mmHg. Zwölf (n = 22) Monate nach XEN-Implantation lag der mittlere IOD bei 18,0 ± 5,3 mmHg, was einer Abnahme von − 23,5% im Vergleich zum Zeitpunkt vor OP entspricht. Für alle untersuchten 88 Bormann C et al. Die XEN-Microstent-Implantation nach … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 86–93 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Klinische Studie ▶ Abb. 1 Mittlerer IOD und Standardabweichung (mmHg) im klinischen Verlauf über 12 Monate. ▶ Tab. 2 Mittlerer IOD und IOD-Differenzen (mmHg) im Vergleich zur Baseline im klinischen Verlauf über 12 Monate. klinischer Verlauf mittlerer IOD ± SD, mmHg IOD-Differenz zur Baseline, mmHg p-Wert (IOD-Differenz) Baseline = präoperativ (n = 31) 2 Tage postoperativ (n = 31) 1 Monat postoperativ (n = 30) 3 Monate postoperativ (n = 23) 6 Monate postoperativ (n = 19) 9 Monate postoperativ (n = 13) 12 Monate postoperativ (n = 22) 23,5 ± 6,5 10,3 ± 6,7 17,9 ± 8,5 17,8 ± 7,1 18,2 ± 8,9 17,7 ± 5,5 18,0 ± 5,3 – – − 12,1 ± 8,7 − 5,7 ± 8,1 − 4,3 ± 9,6 − 3,6 ± 9,1 − 5,8 ± 7,7 − 4,5 ± 6,6 p < 0,01 p < 0,01 p < 0,01 p < 0,01 p < 0,01 p = 0,02 IOD: intraokularer Druck, SD: Standardabweichung ▶ Tab. 3 Mittlere Anzahl applizierter Antiglaukomatosa im klinischen Verlauf über 12 Monate. klinischer Verlauf Anzahl Antiglauko- matosa ± SD, n Baseline = präoperativ (n = 31) 2 Tage postopera- tiv (n = 31) 1 Monat postopera- tiv (n = 30) 3 Monate postopera- tiv (n = 24) 6 Monate postopera- tiv (n = 20) 9 Monate postopera- tiv (n = 14) 12 Monate postopera- tiv (n = 23) 2,8 ± 1,1 0,3 ± 0,9 1,0 ± 1,6 0,7 ± 1,3 0,7 ± 1,3 1,0 ± 1,6 1,1 ± 1,5 p-Wert (Antiglauko- matosa-Differenz) – SD: Standardabweichung p < 0,01 p < 0,01 p < 0,01 p < 0,01 p < 0,01 p < 0,01 primären Offenwinkelglaukom litten und vorher keiner Glaukom- operation unterzogen wurden, eine eindrückliche Senkung des mittleren IOD von 23,0 ± 5,5 mmHg auf 12,4 ± 4,0 mmHg und eine Senkung der applizierten Medikation von 2,5 ± 0,9 auf 0,1 ± 0,4 24 Monate nach TE ± MMC nachgewiesen werden [17]. Im Rahmen unserer Studie von 31 Augen konnte der mittlere IOD sowie die mittlere Anzahl der notwendigen Antiglaukomato- sa reduziert werden. Grob entspricht dies den Daten einer Vielzahl bereits publizierter allgemeiner Studien zur Effektivität des XEN- Microstents bez. IOD-Reduktion und Medikamenteneinsparung 90 Bormann C et al. Die XEN-Microstent-Implantation nach … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 86–93 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Klinische Studie stellen. In rund 80% der untersuchten Augen lag ein primäres Of- fenwinkelglaukom vor und in 34,4% bzw. 7,5% wurde bereits in der Vorgeschichte ein Lasereingriff oder eine inzisionale Glaukom- operation durchgeführt [22]. Darüber hinaus konnten anhand der von uns erhobenen Daten die Ergebnisse von Karimi et al. und Grover et al. bestätigt wer- den, welche den postoperativen Verlauf eines XEN nach erfolg- loser TE bzw. in zu 85% voroperierten Augen untersuchten [23, 24]. Grover et al. zeigten nach 12 Monaten eine signifikante Reduktion der applizierten Antiglaukomatosa von 3,5 ± 1,0 auf 1,7 ± 1,7 und eine Reduktion des mittleren IOD von 25,1 ± 3,7 auf 15,9 ± 5,2 [23]. Karimi et al. zeigten eine mittlere Medikamen- tenreduktion von 2,8 ± 0,6 auf 1,0 ± 1,3 und eine mittlere IOD- Senkung von 21,5 ± 2,4 auf 13,6 ± 3,4 im 12-monatigen postope- rativen Verlauf [24]. In einer Falldarstellung eines 44-jährigen männlichen Patienten mit POWG wurde ebenfalls die Wirksamkeit eines XEN nach 2 erfolglosen Ahmed-Valve-Implantationen be- schrieben. Der IOD sank dabei von 29 mmHg präoperativ auf 17 mmHg 12 Monate nach XEN-Implantation unter weiterhin nö- tiger Applikation von Cosopt. Von Komplikationen wurde nicht berichtet [25]. Die Datenlage hinsichtlich postoperativer Needlingraten nach primärer TE und primärer XEN-Implantation variiert in der Litera- tur. Verschiedene Studien beobachten Needlingraten von 33–45% während der ersten 12 Monate nach XEN-Implantation [10, 11, 26] bzw. von 32,5–53% nach sekundärer XEN-Implantation [23, 24]. Im Rahmen der APEX-Studie wurde eine Needlingrate von 41,1% nach 24 Monaten beobachtet (n = 83/202), die sich nicht statistisch signifikant zwischen den beiden betrachteten Studien- populationen (XEN-Implantation allein oder in Kombination mit einer Kataraktoperation) unterschied [10]. Midha et al. konnten in 40 Augen nach primärer XEN-Implantation feststellen, dass ein erhöhter IOD (> 20 mmHg) am 1. postoperativen Tag mit einer signifikant höheren Needlingrate während der ersten 12 Monate nach Operation assoziiert war [27]. In einer eigenen retrospekti- ven Studie, welche die Effektivität einer XEN-Microstent-Implan- tation oder TE bei POWG-Patienten verglich, wurde ebenfalls eine höhere Needlingrate nach XEN-Implantation (42%) im Vergleich zur TE (22%) während der ersten 12 postoperativen Monate beob- achtet [28]. Wagner et al. wiederum verzeichnen gleiche Needlin- graten von 16% nach primärer TE oder XEN-Implantation während der ersten 12 Monate nach Operation [29]. Eine weitere Studie verglich die Wirksamkeit einer XEN-Implantation in OP-naiven Augen gegenüber voroperierten Augen (TE, Zyklophotokoagula- tion, Phakoemulsifikation, Mikro-Bypass-Stent, Laseranwendun- gen). Die Needlingrate nach vorangegangenem glaukomchirurgi- schen Eingriff lag bei insgesamt 35% 12 Monate nach XEN-Im- plantation; in der Subgruppe aller Augen, die zuvor eine TE erhiel- ten, stieg die Needlingrate nach sekundärer XEN-Implantation auf 48% [21]. Von der TE ± MMC ist bekannt, dass der Zustand der Bindehaut (Reizung durch langanhaltende Applikation von Glaukommedika- menten, chronische Entzündungen, Voroperationen) einen mess- baren Einfluss auf die Ausbildung eines Sickerkissens und damit auf den Erfolg der Operation hat [30]. Angenommen, dass der Zu- stand der Bindehaut ebenfalls ausschlaggebend für die Ausbil- dung eines funktionierenden Filterkissens nach XEN-Implantation ist, würde man eine höhere Needlingrate nach XEN-Implantation bei Patienten mit vernarbter TE bzw. voroperierter Bindehaut er- warten. Unsere Ergebnisse zeigen eine Needlingrate von 29 % während der ersten 12 Monate nach XEN-Implantation, die durch- aus mit den bereits publizierten Needlingraten nach primärer XEN-Implantation vergleichbar ist. Dies könnte zum einen durch den geringeren Entzündungsreiz im Rahmen einer im Vergleich zur TE weniger traumatischen XEN-Implantation und zum ande- ren durch das flexible Design des XEN-Microstents bedingt sein. Allerdings waren in 7 von 31 Augen unserer Studie weitere glau- komchirurgische Eingriffe (23%) innerhalb der ersten 12 Monate nach erfolgter XEN-Implantation notwendig. Darüber hinaus konnte ein kompletter Erfolg auch nur in 27% und ein einge- schränkter chirurgischer Erfolg in 45% der Fälle beobachtet wer- den (Angaben analog der Guidelines on Design & Reporting Glau- coma Trials). Grover et al. fanden eine Re-OP-Rate (XEN-Explantation, Zyklo- photokoagulation, Tube-Implantation) von 13,8% nach 65 XEN- Implantationen (85% voroperierte Augen) sowie eine einge- schränkte chirurgische Erfolgsrate von 75,4% und eine Needling- rate von 32,3 % [23]. Karimi et al. beschrieben eine Re-OP-Rate (filtrierende OP) von 11,1% nach 256 XEN-Implantationen (42% voroperierte Augen), ein vollständiger chirurgischer Erfolg lag in 37,4% bzw. ein eingeschränkter Erfolg in 24,2% vor [22]. Eine wei- tere Studie beschrieb eine eingeschränkte chirurgische Erfolgs- rate von bis zu 72% [21]. Die im Vergleich höhere Re-OP-Rate un- serer Studie und die geringeren Erfolgsraten könnten auf das klei- nere Patientenkollektiv zurückzuführen sein; andererseits sind un- terschiedliche Definitionen chirurgischer Erfolgsraten innerhalb der Studien zu beachten. Aufgrund des retrospektiven monozentrischen Studien- designs, der eher kleinen und heterogenen Studienpopulation und dem Fehlen einer Kontrollgruppe ist die Aussagekraft dieser Studie begrenzt. Außerdem ist die teilweise unvollständige Daten- lage bedingt durch Dokumentationslücken aufgrund unzurei- chend wahrgenommener postoperativer Visiten zu beachten. Auch wurde die Morphologie der Bindehaut und des Sickerkissens nach primärer TE nicht erhoben bzw. analysiert, obwohl die Be- schaffenheit der Bindehaut ein wichtiges Kriterium für das post- operative Ergebnis nach XEN-Implantation darstellen könnte. Zusammenfassend ergeben sich Hinweise für die Wirksamkeit einer XEN-Microstent-Implantation auch nach erfolgloser oder bereits vernarbter TE. Es konnte eine signifikante IOD-Senkung so- wie Reduktion notwendiger Antiglaukomatosa im postoperativen Verlauf über 12 Monate beobachtet werden. Die Needlingrate war mit 29% vergleichsweise durchschnittlich, jedoch waren in 23% der betrachteten Augen weitere glaukomchirurgische Ergriffe nö- tig. Die Erfolgsrate der XEN-Microstent-Implantation nach erfolg- ter TE lag somit deutlich niedriger als bei Augen, die bisher kei- nem glaukomchirurgischen Eingriff unterzogen worden waren. Außerdem konnte in nur 45 % der betrachteten Augen eine > 20%ige IOD-Senkung 12 Monate nach erfolgter XEN-Implanta- tion erreicht werden. Längere Verlaufsbeobachtungen an einer größeren Zahl von Augen wären sicherlich hilfreich. 92 Bormann C et al. Die XEN-Microstent-Implantation nach … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 86–93 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Der interessante Fall The Eyes of an African Penguin (Spheniscus demersus): General Morphology and Ophthalmopathology Augen eines Brillenpinguins (Spheniscus demersus): allgemeine Morphologie und Ophthalmopathologie Introduction The habitat of African penguins (Sphenis- cus demersus) is situated in Namibia and South Africa on the West Coast of Africa. They grow to a height of 60–70 cm and weigh between 2.5–3 kg. African penguins are supreme swimmers. Hunting for prey, they dive down up to 60 m and can reach a top speed of close to 20 km/h. The dis- tance that African penguins have to travel to find food varies in accordance with the region (30 to 110 km per trip). S. demersus can get very old (10 to 27 years in the wild, and in captivity, a longer lifespan is known [1]). This penguin species is on the endangered species list. However, African penguins are regularly kept in zoos. The European breeding program (EEP) is regulated by Ar- tis Zoo, located in the Netherlands. Initial studies on their eye pathology are there- fore carried out on zoo animals. Their eyes are adapted to land and their marine envi- ronment. Under water, light is limited by restrictions caused by absorption, scatter- ing, refraction, and reflection. Due to the reduced speed of light in water compared to air, water has a refractive index of 1.33. In our report, we describe a penguin from the Basel Zoo (▶ Fig. 1) that had to be sac- rificed due to blindness. Before that, the young penguin freely ran around the enclosure, but the other penguins showed aggressive behavior it. After death, the penguinʼs eyeballs were sent to the Ophthalmology Department of the University Hospital Basel to identify the cause of the blindness. towards Material and Methods The eyes of a recently deceased African penguin from the Basel Zoo were pre- pared, formalin fixated, paraffin em- bedded, and histologically examined. ▶ Fig. 1 Penguin from the Basel Zoo. ▶ Fig. 3 Macroscopic sagittal view of the left eye after cutting. ▶ Fig. 2 Macroscopic frontal view of the left eye. ▶ Fig. 4 Microscopic sagittal view of the left eye after cutting. Results Macroscopic examination The eyeballs of the investigated penguin initially appeared unremarkable. Both are asymmetric, with a size of 21–23 mm hor- izontal, 22 mm vertical, and 22 mm sagit- tal. The diameter of the small, flat cornea is about 9 × 9 mm (▶ Figs. 2 and 3). The anterior segment of the eyes is much more curved than the posterior segment (▶ Fig. 4). Both segments are connected to each other by scleral ossicles. The scleral region consists of very dense fi- brous tissue and, thus, is as difficult to cut as the ossicles themselves. After cutting a calotte in both eyeballs, a diffuse white opacification of the spherical lenses was noted. On the posterior pole, a pigmented pecten oculi could be detected. 94 Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Der interessante Fall ▶ Fig. 12 Scleral ossicles (× 40 magnifi- cation). ▶ Fig. 15 Oval-shaped pecten oculi. ▶ Fig. 14 Retina showing no pathologi- cal alterations. Uvea with large arteries and veins. Diagnosis The macroscopic and histological investi- gation of two blind eyes of an African pen- guin shows cataractous changes of its two lenses. Since the anatomical structure of the lens is similar to the structure of lenses found in human eyes, the pathological changes can be assumed to be similar in both species as well. The cataractous lenses are usually sperophacic, and the most marked opacifications are located centrally (see macroscopy). The nucleus of the lens appears sclerotic with karyorrhectic and pyknotic cell nuclei. There is a marked distinct cortical lique- faction with splits and spacious vacuoles. The lens epithelium and capsule appear normal, with no evidence of posterior mi- gration of the epithelial cells. Discussion The eye of an African penguin has a few specifics compared to the eyes of other birds and humans. The eye globe of pen- guins, including the African penguin, has an asymmetric and flattened shape. This shape is common for birds with a narrow head. There are two other common shapes of bird eyes: globular and tubular. The human eyeball, however, is nearly ▶ Fig. 13 Lamina cartilaginea. Another conspicuous feature of the pen- guin eye is the presence of the cartilage lamina (lamina cartilaginea; ▶ Fig. 13). The uvea is 200 µm thick. It contains nu- merous large arteries and veins. Clumsy, sparsely branched melanocytes are very common in the stroma. The retinal pig- ment epithelium shows no pathological al- terations (▶ Fig. 14). The ten-segmented layers of the avascular retina do not show any pathological changes either. The pecten oculi spreads out over the oval-shaped N. opticus entry point in the vitreous body (▶ Figs. 15 and 16). The pecten oculi starts from the choroid, form- ing some highly vascularized folds. It is laced with glial interstitial tissue. The optical nerve itself shows no abnor- malities. ▶ Fig. 16 Oval-shaped Pecten oculi (× 4 magnification). spherical. The anterior segment, especially the cornea, shows differences from the eyes of other avian species and humans. The shape is not globular and there is no concavity in the ciliary region. The rela- tively flat and thick cornea is typical for diving birds as it helps them see under- water. No Bowman layer was visible in the periodic acid-Schiff stain. This is unusual since birds, just like humans, have a cornea consisting of five layers (these five layers do not include Duaʼs layer, a layer that, according to a 2013 paper, is located between the corneal stroma and the Descemetʼs membrane in the human eye). The conjunctiva of the African penguin consists of a multilayered, non-kerati- nized, stratified, and squamous epithelium 96 Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Der interessante Fall References [3] Keymer IF. Cataracts in birds. Avian Pathol 1977; 6: 335–341 Bibliography [1] Crawford R, Underhill L, Coetzee J et al. Influ- ences of the abundance and distribution of prey on African penguins Spheniscus demer- sus off western South Africa. Afr J Mar Sci 2008; 30: 167–175 [2] Wood CA. The Fundus Oculi of Birds, espe- cially as viewed by the Ophthalmoscope: A Study in Comparative Anatomy and Physi- ology. Nature 1917; 100: 322–323 [4] Moore BA, Teixeira LBC, Sponsel WE et al. The consequences of avian ocular trauma: histopathological evidence and implications of acute and chronic disease. Vet Ophthal- mol 2017; 20: 496–504 [5] Church ML, Priehs DR, Denis H et al. Tech- nique, postoperative complications, and vi- sual outcomes of phacoemulsification cata- ract surgery in 21 penguins (27 eyes) 2011– 2015. Vet Ophthalmol 2018; 21: 612–621 10.1055/a-1388-3960 0023-2165 published online 14.4.2021 Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 94–98 DOI ISSN © 2021. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany 98 Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Der interessante Fall ▶ Fig. 1 Slit lamp biomicroscopy of the patient showing shallow anterior chamber, mydriasis, and corneal edema at the time of admission. a Right eye. b Left eye. ▶ Fig. 2 Slit lamp biomicroscopy showing findings 12 hours after bilateral Nd : YAG peripheral iridotomies. Deep anterior chamber and permeable iridotomies were present in both eyes. Iatrogenic hyphema is shown in the RE (a) and mild mydriasis remains in the LE (b). 2.18 mm, respectively, in the RE and 21.99 and 1.80 mm, respectively, in the LE. Go- nioscopy was performed with a four-mir- ror Goldmann lens (Volk Optical Inc., Men- tor, OH, USA), revealing both 360 degrees fully closed angles involving appositional angle closure. Bilateral fundus examina- tion was unattainable due to the lack of corneal clarity. Based on a diagnosis of a bilateral AACG induced by the bilateral sniffing of co- caine, the patient was admitted to hospi- tal. A conservative treatment with intrave- nous mannitol 20% 250 mL, oral acetazol- amide 250 mg three times a day, oral po- tassium hydrogen carbonate 1000 mg once a day, topical timolol/dorzolamide twice a day, both topical 2% pilocarpine solution and 0.1 % dexamethasone five times a day, and painkillers as needed was prescribed. Over the next 12 hours, the bi- lateral cornea clarified and IOP decreased to 10 mmHg in the RE, but it remained above 35 mmHg in the LE. Ophthalmo- scopy revealed bilateral glaucomatous op- tic head damage. Nd : YAG peripheral iri- dotomies were performed in both eyes, which were difficult to achieve in the LE due to a lower myosis and developing iat- rogenic hyphema in the RE (▶ Fig. 2). The next day, IOP remained at about 10 mmHg in the RE and decreased to 14 mmHg in the LE, with permeable iridotomies in both eyes, clear corneas, and a slight hyphema in the RE, and the patient was discharged from the hospital. Narrow angle images were obtained with anterior segment optical tomography (Anterion, MED SRL) (▶ Fig. 3). One month later, BCVA was 0.7 in the RE and 0.6 in the LE. Biomicroscopy disclosed clear corneas, bilateral permeable iridoto- mies, and a fixed, mid-dilated pupil in the LE secondary to angle synechiae. IOP was 15 mmHg in the RE and 17 mmHg in the LE with bilateral topical timolol/dorzola- mide treatment. This is the latest clinical review because the patient was lost to fol- low-up care at this stage. Discussion Because of its geographical location, Spain has one of the highest levels of drug traf- ficking and consumption in Europe, partic- ularly for cannabis and cocaine. In 2016, 4565 drug-related admissions to the emergency room in Spanish hospitals wards were reported, with most of them occurring during the weekends and the use of cocaine being the most frequent cause for consultation [15]. According to their abuse habits, a minority consumerʼs pattern of intravenously injected smoked cocaine (cocaine base or crack) was pri- marily linked to marginalized patients, and the more frequent habit of cocaine being sniffed through the nose (powder of cocaine hydrochloride) – linked to more affluent and socially integrated patients – has been reported in our hospital emer- gency department. Bilateral simultaneous AAGC secondary to cocaine consumption is not a common entity in clinical practice. This unusual ophthalmologic emergency requires an ef- fective integral management involving collaboration between emergency doc- tors, ophthalmologists, and other physi- cians to achieve successful outcomes. The symptoms of AAGC are diverse and in- clude headache, intense ocular pain, and blurred vision, among others, in patients with red eyes and unilateral or bilateral symmetric unresponsive mydriasis. Be- cause many of these symptoms and clini- cal signs are common to individuals who come to an emergency department suf- fering from cocaine abuse, identifying and differentiating both concomitant diseases can be difficult for unexperienced health professionals. The correct clinical suspi- cion, the one-to-one anamnesis focused on drug consumption, and the ophthal- mological examination are crucial factors 100 Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Der interessante Fall Conclusion Bilateral AAGC secondary to cocaine con- sumption is a rare ophthalmological emer- gency. Cocaine, due to its mydriasis effect, is a trigger for AAGC in healthy individuals with risk factors such as a narrow anterior chamber. Due to the widespread use of drugs in the general population, we should be aware of this possible adverse effect and be vigilant in detecting it in patients with a history of drug use and symptoms such as headache or decreased vision. The abuse of cocaine should be considered in the differential diagnosis of AAGC. Acknowledgements The authors would like to thank Dra. María Teresa Marcos Parra and Dr. Konrad Schargel Palacios for their valuable comments on the manuscript, and especially to the nursing staff and everyone involved in the care of the patient during her stay in the hospital. Conflict of Interest The authors declare that they have no conflict of interest. Authors , Juan José Pérez-Santonja Lucìa Moreno-Castro , Gerardo Pedro García- García Ophthalmology, Alicante General University Hospital, Alicante, Spain Correspondence Dr. Gerardo Pedro García García, MD Alicante General University Hospital Ophthalmology Maestro Alonso Street 109 03010 Alicante Spain Phone: + 34 6 87 07 85 05 Fax: + 34 9 65 93 31 12 zemfira36@hotmail.com References [1] Quigley HA. Glaucoma. Lancet 2011; 377: 1367–1377 [2] [3] [4] [5] [6] [7] Foster PJ, Buhrmann R, Quigley HA et al. The definition and classification of glaucoma in prevalence surveys. Br J Ophthalmol 2002; 86: 238–242 Lachkar Y, Bouassida W. Drug-induced acute angle closure glaucoma. Curr Opin Ophthal- mol 2007; 18: 129–133 Yalvac IS, Tamcelik N, Duman S. Acute angle- closure glaucoma associated with latano- prost. Jpn J Ophthalmol 2003; 47: 530–531 Tripathi RC, Triathi BJ, Haggerty C. Drug-in- duced glaucoma: mechanism and manage- ment. Drug Saf 2003; 26: 749–767 Shanti CM, Lucas CE. Cocaine and the critical care challenge. Crit Care Med 2003; 31: 1851–1859 Schwartz BG, Rezkalla S, Kloner RA. Cardio- vascular effects of cocaine. Circulation 2010; 122: 2558–2569 [8] Koller K. Ueber die Verwendung des Cocain zur Anästhesierung am Auge. Wien Med Wochenschr 1884; 34: 1276–1278 [9] Dupuy-Dutemps B. Cure de la dacrocystite chronique commune et du larmoiement par la dacrocystorhinostomie plastique. Bull Acad Med 1921; 86: 293–295 [10] McHenry JG, Zeiter JH, Madion MP et al. Cor- neal epithelial defects after smoking crack cocaine. Am J Ophthalmol 1989; 108: 732 [11] Ravin JG, Ravin LC. Blindness due to illicit use of topical cocaine. Ann Ophthalmol 1979; 11: 863–864 [12] Strominger MB, Sachs R, Hersh PS. Microbial keratitis with crack cocaine. Arch Ophthal- mol 1990; 108: 1672 [13] Zagelbaum BM, Tannenbaum MH, Hersh PS. Candida albicans corneal ulcer associated with crack cocaine. Am J Ophthalmol 1991; 111: 248–249 [14] Van Herick W, Shaffer RN, Schwartz A et al. Estimation of width of angle of anterior chamber. Incidence and significance of the narrow angle. Am J Ophthalmol 1969; 68: 626–629 [15] European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction. Spain Country Drug Report 2019. Luxembourg: Publications Office of European Union; the 2019. Accessed March 1, 2021 at: https://www.emcdda. europa.eu/system/files/publications/11353/ spain-cdr-2019.pdf [16] Mitchell JD, Schwartz AL. Acute angle-clo- sure glaucoma associated with intranasal cocaine abuse. Am J Ophthalmol 1996; 122: 425–426 [17] Hari CK, Roblin DG, Clayton MI et al. Acute angle closure glaucoma precipitated by in- tranasal application of cocaine. J Laryngol Otol 1999; 113: 250–251 [18] Wilcsek GA, Vose MJ, Francis IC et al. Acute angle closure glaucoma following the use of intranasal cocaine during dacryocystorhinos- tomy. Br J Ophthalmol 2002; 86: 1312 [19] Bremner F. Apraclonidine is better than co- caine for detection of Horner syndrome. Front Neurol 2019; 10: 55 [20] Chan PP, Pang JC, Tham CC. Acute primary angle closure-treatment strategies, evi- dences and economical considerations. Eye (Lond) 2019; 33: 110–119 [21] Jonas JB, Aung T, Bourne RR et al. Glaucoma. Lancet 2017; 390: 2183–2193 [22] Noh HJ, Kim ST. Combined treatment of pha- coemulsification and single-port limited pars plana vitrectomy in acute angle-closure glaucoma. Int J Ophthalmol 2019; 12: 974– 979 [23] Strike C, Robinson S, Guta A et al. Illicit drug use while admitted to hospital: Patient and health care provider perspectives. PLoS One 2020; 15: e0229713 [24] Umbricht A, De Fulio A, Winstanley EL et al. Topiramate for cocaine dependence during methadone maintenance treatment: a ran- domized controlled trial. Drug Alcohol De- pend 2014; 140: 92–100 Bibliography 10.1055/a-1388-7330 0023-2165 published online 14.4.2021 Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 99–102 DOI ISSN © 2021. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany 102 Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Der interessante Fall ▶ Abb. 2 a, b Digitale Subtraktionsangiografie (DSA) der AV-Fistel. a Vor Embolisation mit AV-Fistel zwischen der A. occipitalis rechts (aus A. carotis externa) und dem Sinus sigmoideus rechts (s. Pfeil). b Nach Embolisation ist keine AV-Fistel mehr sichtbar (s. Pfeil). geprägtes bilaterales Papillenödem mit Papillenrandblutungen unklarer Genese (▶ Abb. 1 a, b). In der OCT zeigte sich beid- seits eine zystoide Makulopathie sowie eine intermediäre altersbezogene Makula- degeneration. In der Fluoresceinangiogra- fie (▶ Abb. 1 c, d) fand sich eine Arm-Reti- na-Zeit von 23 s und eine beidseitig hyper- fluoreszente Papille mit zunehmender Fluoresceinextravasation. Der Patient wur- de notfallmäßig in eine neurologische Kli- nik eingewiesen. Die neurologische Ab- klärung ergab CT- und MR-angiografisch eine durale arteriovenöse Fistel (AV-Fistel) im Bereich des Sinus sigmoideus rechts (▶ Abb. 2 a) sowie die vorbekannte Sinus- venenthrombose im Bereich des Sinus transversus links. Sonografisch konnte eine retrobulbäre dilatierte V. ophthalmica superior in der superioren Orbita dar- gestellt werden. Durch die Neurochirurgie erfolgte therapeutisch eine transarterielle Embolisation der symptomatischen AV- Fistel. Sechs Monate nach der Intervention zeigte sich in der durchgeführten Kontroll- DSA (digitale Subtraktionsangiografie) eine vollständig embolisierte durale AV- Fistel rechts (▶ Abb. 2 b) sowie eine zu- nehmende Hyperämie des chronisch ver- schlossenen linken Sinus transversus. Bei einer augenärztlichen Verlaufskontrolle 1 Jahr nach Erstdiagnose war der bestkor- rigierte Visus noch deutlicher reduziert als initial (RA Handbewegungen, LA 0,1). Ophthalmoskopisch zeigte sich eine voll- ständige Rückbildung der Blutungen und eine bilaterale, sekundäre Optikusatrophie (▶ Abb. 3 a, b). Diskussion Der vorliegende Fallbericht beschreibt den dramatischen Krankheitsverlauf eines Pa- tienten mit einem Visusverlust infolge einer chronischen Stauungspapille mit Op- tikusatrophie auf der Basis einer duralen AV-Fistel sowie einer vorbestehenden Si- nusvenenthrombose. In der Literatur fin- den sich nur sehr wenige vergleichbare Fälle [1, 2]. Bei einer duralen AV-Fistel handelt es sich um eine pathologische Anastomose zwi- schen einer meningealen Arterie aus dem A.-carotis-externa-Stromgebiet und einem duralen zerebral-venösen Sinus oder einer kortikalen Vene. Die Pathogenese ist nicht abschließend geklärt. Mögliche Entste- idiopathisch, hungsmechanismen posttraumatisch, im Anschluss sind iatrogen, an eine Infektion oder im Rahmen einer vorbestehenden Sinusvenenthrombose, wie sie bei unserem Patienten vorlag [3]. Durch die AV-Fistel gelangt arterielles Blut in das venöse System und kann, je nach Schweregrad, zu einer venösen Hyperten- sion mit intrakranieller Blutung oder zu neurologischen Defiziten durch Oxygenie- rungsstörungen führen. Auch eine intra- kranielle Hypertension mit Ausbildung einer chronischen Stauungspapille, wie in dem vorliegenden Fallbericht, ist möglich. Pathogenetisch handelt sich um einen multifaktoriellen Mechanismus, wobei eine Oxygenierungsstörung zur Angioge- nese führt oder bereits bestehende Gefäß- verbindungen geöffnet werden [4]. Thera- peutische Optionen bei duralen AV-Fisteln sind der endovaskuläre Verschluss mittels Embolisation oder Coiling sowie offene neurochirurgische Verfahren. Die Inzidenz von zerebralen Sinusvenen- thrombosen ist mit 13,2–15,7 Fällen/ 1 Mio. Einwohner höher als bisher ange- nommen [5]. Sinusvenenthrombosen wer- den meistens infolge einer zerebralen Blu- tung oder durch eine Erhöhung des venö- sen Drucks symptomatisch. Der superiore sagittale Sinus (72%) sowie der Sinus 104 Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Statement Stellungnahme der Verkehrskommission von BVA und DOG zu Anforderungen an das Sehvermögen bei Krankenfahrstühlen und anderen motorisierten Fahrzeugen* Stand März 2021 Autoren Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V. (BVA) 1, Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) 2 Institute 1 Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e. V., Düsseldorf, Deutschland 2 Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft, München, Deutschland 10.1055/a-1680-8412 Bibliografie Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 106–109 DOI ISSN 0023-2165 © 2022. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany Korrespondenzadresse Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft Platenstraße 1, 80336 München, Deutschland geschaeftsstelle@dog.org Aus gegebenem Anlass gibt die Verkehrskommission von DOG und BVA zu den Anforderungen an das Sehvermögen bei Kran- kenfahrstühlen und anderen motorisierten Fahrzeugen unter Berücksichtigung gesetzlicher Regelungen und Verordnungen u. a. Straßenverkehrsgesetz (StVG), Straßenverkehrsordnung (StVO), Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV), Fahrerlaubnisver- ordnung (FeV) und Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) usw. folgende Empfehlung ab: In der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) werden lediglich für Kraftfahrzeuge klare Anforderungen an das Sehvermögen defi- niert. Ansonsten gilt nach § 2 Abs. 1 der FeV generell für die Teil- nahme am Straßenverkehr: „… darf am Verkehr nur teilnehmen, wenn Vorsorge getroffen ist, dass er andere nicht gefährdet“. Insbesondere für motorisierte Krankenfahrstühle stellt sich im- mer wieder die Frage einer Fahrtüchtigkeit aus augenärztlicher Sicht. Als weitere Richtlinie kann eine Urteilsbegründung des Lan- dessozialgerichts Niedersachsen vom 21.02.2001 herangezogen werden: „Der Anspruch auf Versorgung mit einem E‑Rollstuhl setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer aus verkehrsmedizinischer und verkehrspsychologischer Sicht in der Lage ist, den Rollstuhl selbst sicher zu führen.“ * Diese Leitlinie erscheint auch in der Zeitschrift Der Ophthalmologe, Springer Verlag, Heidelberg. Das Redaktionskomitee dieser Stellungnah- me wird am Beitragsende gelistet. Motorisierte Krankenfahrstühle nach § 2 FeV, § 2 FZV fahrerlaubnisfrei Als Krankenfahrstuhl ist seit 01.09.2002 in der FeV, § 4, ein ein- sitziges, nach der Bauart zum Gebrauch durch körperlich behin- derte Personen bestimmtes Kraftfahrzeug mit Elektroantrieb, einer Leermasse von nicht mehr als 300 kg einschließlich Batte- rien, jedoch ohne Fahrer, einer zulässigen Gesamtmasse von nicht mehr als 500 kg, einer durch die Bauart bestimmten Höchst- geschwindigkeit von nicht mehr als 15 km/h und einer Breite über alles von maximal 110 cm definiert. Krankenfahrstühle im Sinne der FeV können ohne Fahrerlaubnis gefahren werden. Krankenfahrstühle alten Rechts Frühere Regelungen erlaubten auch Geschwindigkeiten bis 25 km/h bzw. bis zum 31.12.1998 sogar 30 km/h. Im Sinne der Besitzstandswahrung dürfen solche alten Krankenfahrstühle wei- terhin benutzt werden. Bei den Krankenfahrstühlen bis zum 31.12.1998 war eine Fahr- erlaubnis der Klasse 5 erforderlich, gleichzeitig war nach der StVZO eine Sehschärfe von 0,3 auf dem besseren Auge ausrei- chend, sofern das Wahrnehmungsvermögen des Bewerbers trotz verminderten Sehvermögens zum sicheren Führen eines Kraft- fahrzeugs ausreicht. Der augenärztliche Gutachter sollte Anfragen zur Fahrtauglich- keit für solche Fahrzeuge immer in Form eines Gutachtens beant- 106 BVA, DOG. Stellungnahme der Verkehrskommission … Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 106–109 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

▶ Tab. 1 Erklärung von Interessen und Umgang mit Interessenkonflikten. In ▶ Tab. 1 sind die Interessenerklärungen als tabellarische Zusammenfassung dargestellt sowie die Ergebnisse der Interessenkonflikt- bewertung und Maßnahmen, die nach Diskussion der Sachverhalte beschlossen und im Rahmen der Konsensuskonferenz umgesetzt wurden. Berater- bzw. Gutachtertätigkeit Mitarbeit in einem Wissenschaftlichen Beirat (Advisory Board) bezahlte Vortrags- oder Schulungs- tätigkeit bezahlte Autoren- oder Coautoren- schaft Forschungs- vorhaben/Durch- führung klinischer Studien Eigentümer- interessen (Patent, Urheberrecht, Aktienbesitz) indirekte Interessen Bezug zur Stellung- nahme S t a t e m e n t nein nein nein nein nein Mitgliedschaft: BVA, DOG kein Drosch, Siegfried, Dr. Freißler, Gernot, Dr. Deutsche Bahn, Sozial- gerichte in Berlin und Brandenburg, Landesamt für Gesundheit und Soziales, Rentenversiche- rung Bund, Rentenver- sicherung Berlin-Bran- denburg, Berliner Ärzte- kammer, Berufsgenos- senschaften FGIMB = Fachgesellschaft für interdisziplinäre medizinische Begutach- tung 1 0 8 B V A , D O G . S t e l l u n g n a h m e d e r V e r k e h r s k o m m i s s i o n … K l i n M o n a t s b l A u g e n h e i l k d 2 0 2 2 ; 2 3 9 : 1 0 6 – 1 0 9 | © 2 0 2 2 . i T h e m e . A l l r i g h t s r e s e r v e d . FGIMB BVA/DOG nein nein nein Frischmuth, Jörg, Dr. Bundeswehr dienstlicher Auftrag nein nein nein nein nein nein Lachenmayr, Bernhard, Prof. Dr. nein DOG/AAD nein nein nein kein kein Mitgliedschaft: BVA/DOG; Sprecher: Verkehrskommission und Mitglied Rechtskommission Schwerpunkte wissenschaftlicher Tätigkeiten, Publikationen: Rechts- und Verkehrsophthalmologie Schwerpunkte klinischer Tätigkeiten: Retinologie, Neuroophthalmologie, Rechtsophthalmologie Mitgliedschaft: Deutsche Ophthalmo- logische Gesellschaft DOG, Berufsver- band der Augenärzte BVA, Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt- medizin DGLRM Schwerpunkte wissenschaftlicher Tätigkeiten, Publikationen: Flugoph- thalmologie Schwerpunkte klinischer Tätigkeiten: Flugophthalmologie, Flugmedizin Mitgliedschaft: BVA und DOG, Sprecher der DOG-BVA-Verkehrs- kommission kein Fortsetzung nächste Seite

THE QUINTESSENTIAL STEP-BY-STEP GUIDE ON SURGICAL MANAGEMENT OF STRABISMUS This unique how-to book provides comprehensive coverage of strabismus treatment – with state-of-the- art techniques based on recent anatomical research and discoveries. These approaches are designed to correct muscle displacements and muscle defects related to abnormalities of the extraocular muscle pulleys and inter- muscular bands. KEY HIGHLIGHTS • Recognition and repair of stretched scar and flap tear • Cutting-edge procedures for CNS-related causes of strabismus such as nystagmus and cranial nerve palsies • A wealth of surgical videos demonstrate a full spectrum of basic to advanced techniques • Remarkable illustrations beautifully capture the complex anatomy of the eye muscles and pulleys Ebook available Online at MedOne ISBN 978 1 62623 526 7 The Americas RRP $129.99 Europe, Africa, Asia, Australia RRP 119,99 € o t o h p k c o t S – m o c . e b o d a . k c o t s – k n a b o t o h P © o t o h P www.thieme.com . e c i t o n t u o h t i w e g n a h c o t t c e b u s e r a s e c i r P . j o r u E n , a c i r f A , e p o r u E n i s r e m o t s u C . r a l l o D s e t a t S d e t i n U n i d e c i o v n i e r a s a c i r e m A e h T n i s r e m o t s u C i d e c i o v n i e r a a i l a r t s u A d n a a i s A

CME-Fortbildung ▶ Tab. 1 Benigne Lidtumoren mit ihren wesentlichen Charakteristika. Topomor- phologie Tumor typische Anamnese epidermale Tumoren Plattenepithel- papillom ≥ Alter seborrhoische Keratose >> Alter, UV-Exposition klinische Hauptcharak- teristika meist gestielt, blumenkohlartig meist gelblich- bräunlich, Fissuren, gut abgegrenzt invertierte folli- kuläre Keratose jedes Alter weißlich bis pink- farbene Papel histologische Charakteristika Differenzial- diagnosen Therapie Prognose Akanthose, Hyperkeratose um fibrovasku- lären Stiel Hyperkeratose, Akanthose, Papillomatose, Pseudohorn- zysten BCC, sebor- rhoische Kera- tose, Platten- epithelkarzinom BCC, Platten- epithelkarzinom und ‑papillom, Melanom wirbelartig ange- ordnete Zellen in Epidermis BCC, Platten- epithelkarzinom und ‑papillom, Melanom Exzision, aber auch Kryo- oder Thermoablation gut, keine Entartung, Lokal- rezidive häufig Exzision, Peroxid- lösung oder La- serablation gut Exzision gut Keratoakanthom immunsuppri- mierte Patienten sehr prominenter Tumor, rasch wachsend akanthotisches Epithel über ulze- riertem Krater Plattenepithel- karzinom Exzision, Anti- metaboliten Rezidive möglich Cornu cutaneum > Alter, UV-Exposition Hornzapfen, spontane Rück- bildung Hyperkeratose, teilw. ulzerierter Hof Plattenepithel- karzinom Exzision notwen- dig, da Entartung möglich meist gut, aber Nachkontrollen wichtig Xanthelasmen Hyperlipidämie melanozytäre Tumoren melanozytärer Nävus kongenital oder erworben okulodermale Melanozytose Nävus bleu vaskuläre Tumoren Hämangiome häufiger bei Frau- en und Menschen asiatischen oder afrikanischen Ursprungs, meist schon seit der Geburt Manifestation erst in Adoleszenz bevorzugt weib- liche Säuglinge, familiäre Häufungen gelbliche, leicht erhabene Läsion nasal beginnend amelanotisch, aber meist un- regelmäßig pigmentiert und erhaben im Trigeminus- bereich tief gräu- liche, bläuliche oder bräunliche Hyperpigmenta- tionen flache, glatte grau-blaue bis braun-schwarze Läsionen roter Fleck Naevus flammeus meist mit Sturge- Weber-Syndrom rötlich-livide, leicht erhaben Streifen bis Flecken große Histiozyten mit leerem Inhalt typisches Bild exzisionale Biopsie gut geordnete Anordnung in Zellnestern malignes Melanom exzisionale Biopsie Entartung in seltenen Fällen möglich dendritische Melanozyten malignes Melanom, Nävus bleu exzisionale Biopsie oder Laser gut tief liegende spindelförmige Melanozyten zarte fibrotische Kapsel um- schließt buntes Zellbild mit Mast- zellen, Perizyten und Endothel- zellen zahlreiche Hohl- räume mit Endo- thelauskleidung und Erythrozyten malignes Melanom, okulodermale Melanozytose kavernöses Hämangiom, Rhabdomyo- sarkom Beobachtung, exzisionale Biopsie sehr gut keine Entartungs- tendenzen, aber Rezidive möglich verschiedene Laserverfahren, exzisionale Biop- sie oder Versuch mit systemischer oder lokaler Propanololgabe andere Angiome verschiedene Lasertechniken, Exzision Entartung nicht bekannt, Kontrol- le Augendruck Fortsetzung nächste Seite 112 Feldmann ML et al. Benigne Lidtumoren Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 111–130 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Initial wird eine Beobachtung mit Fotodokumentation empfohlen oder aus kosmetischen Gründen eine zeitige chirurgische Exzision veranlasst. Ablative Behandlungen, wie Thermo-, Kryo- oder Lasertherapien, wurden früher häufiger durchgeführt, heute wird jedoch eine komplette Exzision unter örtlicher Betäubung vorgezogen. Für aus- gedehnte Läsionen kann eine Therapie mit Interferon α2β intraläsional erfolgversprechend sein [3]. Nur bei un- vollständiger Entfernung kann es durch verbliebenes Restgewebe gelegentlich zum Lokalrezidiv kommen. Bei multiplem Auftreten um die Augen erscheint es unmög- lich, alle Papillome einzeitig zu exzidieren. Durch das Vor- liegen onkogener Mutationen können ebenso de novo immer wieder neue Tumoren dieser Art entstehen [4]. Eine maligne Transformation ist bisher kaum von den Au- toren beobachtet [4]. Plattenepithelpapillome der Lid- kante sollten im Hinblick auf mögliche chronische Au- genoberflächenschädigungen überprüft werden. Seborrhoische Keratose Diese Keratose repräsentiert den zweithäufigsten gutarti- gen Lidtumor und tritt vermehrt bei hellhäutigen Er- wachsenen auf [1, 5]. Selten sind jüngere Menschen be- troffen. Diese Läsionen entstehen bei der Proliferation von unreifen epidermalen Keratinozyten und sind mit Mutationen des Fibroblasten-Wachstumsfaktors FGFR3 assoziiert [5]. Ein großer Risikofaktor ist die kumulative UV-Exposition. Der Aspekt dieser Tumoren kann sehr variabel sein. Die Läsionen sind gut definiert, meistens rund oder oval, mit einem umgebenden Halo. Eine verruköse Oberfläche mit Fissuren ist typisch (▶ Abb. 1). Die Farbe variiert zwischen bräunlich, gelblich oder gräulich. Sie können als einzelne oder multiple Läsionen auftreten. Das Wachstum ist lang- sam mit Dickenzunahme. Eine spontane Rückbildung ist bisher nicht beschrieben. Unter dem Leser-Trélat-Syn- drom, welches kontrovers diskutiert wird, wird als Son- derform das plötzliche und multiple Auftreten von häufig juckenden seborrhoischen Keratosen als paraneoplas- tisches Syndrom bei Magen-Darm-, Lungenkarzinom, lymphoproliferativen oder gynäkologischen Tumoren be- schrieben [6]. Patienten mit dieser Symptomatik sollten in den entsprechenden Fachabteilungen (Gastroentero- logie, Gynäkologie usw.) abgeklärt werden. Die Inflam- mation einer bestehenden Läsion während einer Chemo- therapie mit Medikamenten wie Cytarabin wird als ein Pseudo-Leser-Trélat bezeichnet [5]. Die Läsionen besitzen in der Regel in Abgrenzung zu Basaliomen oder Platten- epithelkarzinomen keine Gefäße oder Ulzerationen. Meis- tens sind die Betroffenen asymptomatisch, jedoch kön- nen einige Läsionen Juckreiz oder eine lokale Irritation auslösen, sodass eine histologische Abklärung erforder- lich wird. Das histologische Bild ist eine Hyperkeratose mit intraepidermalen Zysten, welche auch Keratin enthal- ten können, den sogenannten Pseudohornzysten. Je nach Subtyp kann eine unterschiedliche Ausprägung an Hyper- keratose, Akanthosen und Papillomatose vorliegen. Bei Unklarheit der Dignität, lidtypischen Malignitätszei- chen wie Wimpernverlust, schnelles Wachstum, Ulzera- tionen oder Blutungen oder aus kosmetischen Gründen soll eine Behandlung durchgeführt werden. Während bis- her die seborrhoischen Keratosen entweder chirurgisch oder mit Kryotherapie entfernt wurden, stehen auch neue Behandlungsmöglichkeiten wie Nd:YAG-Laser, Ale- xandrit-Picosekundenlaser (755 nm) oder eine Behand- lung mit 40 %iger Peroxidlösung zur Verfügung [5]. Es gibt eine leichte Tendenz für Lokalrezidive in Abhängig- keit der angewandten Methode, wobei bei Kryo- und ei- nigen Lasertherapien gegenüber der chirurgischen Exzisi- on häufiger Rezidive beobachtet wurden [5, 7]. Deshalb sollten Nachkontrollen durchgeführt werden. ▶ Abb. 1 Seborrhoische Keratose. Links ist die Übersichtsaufnahme zu sehen, rechts ist die seborrhoische Keratose in der Nahauf- nahme dargestellt. In diesem Fall ist die Veränderung eher bräunlich. Sie ist gefäßlos und besitzt keine Ulzerationen. Die Ränder sind klar definiert. 114 Feldmann ML et al. Benigne Lidtumoren Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 111–130 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung 10 Jahren (1992–2002) gefunden werden [10]. Die Nach- sorge erfolgt engmaschig bei konservativer Therapie auf- grund der erhöhten Rate von Tumorkoinzidenzen und nach Exzision abhängig vom feingeweblichen Befund. Xanthelasmen An den Lidern kommt die häufigste Form der Gelbknöt- chen (Xanthome) vor, die Xanthelasmen (▶ Abb. 3). Die Prävalenz beträgt bei Frauen ca. 1,1% und bei Männern 0,3% [11]. Eine erhöhte Inzidenz besteht zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr [11]. Als Risikofaktor wurde bei einem Drittel der Patienten ein erhöhter Cholesterinse- rumspiegel nachgewiesen [11]. Ebenfalls erhöhte Inzi- denzen gibt es im Zusammenhang mit weiteren Erkran- kungen wie Diabetes mellitus, Schilddrüsenfunktionsstö- rungen sowie entzündlichen Hauterkrankungen oder al- lergischen Kontaktdermatitiden. Daher ist bei ausgepräg- ten Befunden oder Rezidiven eine hausärztliche Unter- suchung mit Bestimmung des Langzeitzuckerwerts (HbA1c), der Blutfettwerte (HDL, LDL und Cholesterin) und Schilddrüsenhormone (fT3, fT4, TSH) sowie eine Vor- stellung beim Dermatologen zu empfehlen. Die schmerzlosen, wenig mechanisch spürbaren Prozesse führen zum Teil zu erheblichen kosmetischen Belastun- gen beim Patienten. Xanthelasmen imponieren als gelb- licher, flach-prominenter Tumor des nasalen Lidbereichs, meistens kontralateral symmetrisch. Das typische Aus- sehen ist unverwechselbar. Pathognomonisch sind Schaumzellen, optisch leere und sehr große, mehrkerni- ge Histiozyten in der oberflächlichen Dermis. Durch die Präparationsschritte werden die fettigen Bestandteile aus den Vakuolen herausgewaschen und sind dann op- tisch leer. Therapie der Wahl ist trotz der vielen Innovationen der letzten Jahre neben der CO2-Laser-Therapie die exzisiona- le Biopsie. Weitere Möglichkeiten sind Kryotherapie, Kau- terisierung, chemisches Peeling mit 50%iger Trichlor- essigsäure, Radiofrequenzablation (Form der ther- mischen Ablation mit hochfrequenten Radiowellen), aber auch andere Lasertechniken [11]. Im Gegensatz zur Chi- rurgie besteht bei diesen Techniken die Gefahr von Ver- narbungen oder Pigmentverschiebungen in Tumorareal. Merke Eine medikamentöse oder diätische Reduktion der Blutfettwerte bei Hyperlipidämie oder Senkung des Langzeitzuckerwerts bei Diabetes hat wenig Einfluss auf die bestehenden Läsionen, aber deutlich auf die Rezidivrate. Ein Entartungsrisiko besteht nicht. Melanozytäre Tumoren Melanozytärer Nävus Melanozytäre Nävi haben aufgrund der unterschiedlichen Pigmentierung eine breite Farbvariabilität. Nahezu „weiße“ Läsionen werden als amelanotisch bezeichnet (▶ Abb. 4). An der Lidkante verursachen die Nävi keinen Wimpernverlust. Allerdings respektieren Nävi an der Lid- kante die Grenze zur Bindehaut nicht, sodass sie sich auch an der Conjunctiva tarsi und sogar bulbi befinden kön- nen. Nävi können auch peripunktal, also rund um ein Punctum lacrimale, auftreten [7]. Kongenitale Nävi tra- gen mehr Pigmentierung als die erworbenen und sind großflächiger. ▶ Abb. 3 Xanthelasmen. Es zeigt sich das typische Er- scheinungsbild mit gelblich, flach prominentem Tumor im nasalen Lidbereich. Das Erscheinungsbild ist seitengleich (hier nur einseitig gezeigt). ▶ Abb. 4 Amelanotischer dermaler Nävus. Aufgrund der weißen Farbe wird der Nävus als amelanotisch bezeichnet. Er führt zwar zu keinem Wimpernverlust, aber er respek- tiert die Grenze zur Bindehaut nicht, weshalb hier ein peripunktales Wachstum vorliegt. 116 Feldmann ML et al. Benigne Lidtumoren Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 111–130 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung vorliegt [15]. Risikofaktoren sind nicht bekannt. Man geht von einem kongenitalen Vorkommen aus, jedoch besteht oft eine Manifestation erst später im jüngeren Erwachse- nenalter [16]. Dann fallen die flachen oder kaum erhabe- nen, glatten, grau-blauen bis teilweise bläulich-schwar- zen Läsionen auf. Diese stehen häufig solitär und können so gut vom diffusen und dickeren Nävus von Ota abge- grenzt werden. Das histologische Bild imponiert durch tief gelegene spindelförmige Melanozyten. Durch eine fehlende Migration dieser Zellen findet sich eine variable Ansammlung dieser Zellen intradermal. Eine Exzision erfolgt meistens nur aus kosmetischen Gründen. Ein Rezidivrisiko ist nach vollständiger Exzision nicht gegeben. Es besteht ein extrem seltenes Transfor- mationsrisiko, jedoch ist bei der Variante des „Cellular blue Nevus“ ein Malignitätsrisiko beschrieben [15]. In an- gemessenen Intervallen sind Kontrollen notwendig. Vaskuläre Tumoren Hämangiome Das Hämangiom ist der häufigste vaskuläre Tumor im Kindesalter und betrifft 23% aller Neugeborenen [17]. Bevorzugt ist das weibliche Geschlecht betroffen im Ver- hältnis 3 : 2 [17]. Eine genetische Prädisposition wird an- genommen bei familiärer Häufung mit autosomal-domi- nantem Erbgang. Ein höheres Risiko für ein Hämangiom besteht, wenn in der Schwangerschaft eine Chorionzot- tenbiopsie durchgeführt worden ist [17]. Weitere be- günstigende Faktoren sind [17]: ▪ kaukasische Herkunft, ▪ Frühgeborene, ▪ geringes Geburtsgewicht, ▪ hohes Alter der Mutter, ▪ Plazentaabnormalitäten. Die Organisation des Gefäßsystems ist postnatal noch nicht vollständig abgeschlossen. Der angiogenetische Einfluss erfolgt vermutlich über das von Mastzellen pro- duzierte Heparin. Diese stimulieren Endothelzellen zur Migration, inhibieren die Apoptose (Expression von bcl- 2) und fördern eine zelluläre Proliferationsaktivität (Ex- pression von Ki-67-Antigen) [18]. Ein Hämangiom imponiert durch einen roten Fleck, wel- cher oft erst ab der 2. Lebenswoche auftritt (▶ Abb. 5). Mit zunehmendem Alter kann sich der Befund noch ver- größern. Die Glasspatelprobe ist ein gutes Hilfsmittel, um den Prozess gegen andere Entitäten abzugrenzen. Rasch entleeren sich auf Druck die fehlangelegten Ge- fäße, der Prozess wird weiß und füllt sich wieder, wenn der Druck nachlässt. Bei mehr als einem Drittel der Fälle präsentiert sich der Befund bereits zur Geburt. Man kann mindestens 3 Phasen unterscheiden: ▶ Abb. 5 Hämangiom. Das Hämangiom imponiert hier als rötlicher Fleck am Oberlid. Eine Glasspatelprobe kann die Diagnosestellung unterstützen. ▪ die Proliferationsphase, ▪ die Stabilisierungsphase, ▪ die Involutionsphase. Einige Autoren stellen noch eine Prodromalphase und eine Initialphase voran [17]. Die Proliferationsphase ist geprägt von raschem Wachs- tum über 3–9 Monate, teilweise bis zu 18 Monaten, mit stärkerer Wachstumsgeschwindigkeit. Der Durchmesser beträgt 3–6 Monate nach Diagnosestellung 0,5–3 cm. Es folgt eine Stabilisierungsphase mit wenig Wachstum und keinen Veränderungen von 6–18 Monaten. Danach schließt oft eine Involutionsphase an, in der eine Rückbil- dung erfolgt, welche mit dem 10. Lebensjahr meistens abgeschlossen ist. Diese beginnt im Zentrum und geht über eine Abflachung und Aufhellung in die Peripherie. Zurückbleiben können wenige Teleangiektasien, pigmen- tierte oder depigmentierte Areale. Die Involutionsphase unterscheidet sich damit von allen anderen vaskulären Läsionen, welche ohne spontane Rückbildungstendenzen sind. Klinisch werden die Hämangiome nach der Tiefe, in der sie vorkommen, unterschieden: ▪ Oberflächliche Läsionen sind flache, umschriebene Lä- sionen mit feinen Teleangiektasien und umgebendem blassem Ring. Bei Wachstum entsteht eine rötliche Hämangiompapel. ▪ Tiefe Läsionen weisen eine bläuliche Färbung auf. Eine andere Unterscheidung erfolgt nach dem prägenden Gefäßsystem: ▪ Das kapilläre Hämangiom wird auch als infantiles Hämangiom bezeichnet, da es ausschließlich bei Kin- dern vorkommt. Es tritt dort deutlich häufiger am Oberlid auf (Verhältnis zum Unterlid 4 : 1). ▪ Das kavernöse Hämangiom kommt überwiegend bei Erwachsenen vor. 118 Feldmann ML et al. Benigne Lidtumoren Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 111–130 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Eine sehr effektive Therapie ist die gezielte Laserung der betroffenen Areale mit dem 595-nm-pulsed-Dye-Laser (PDL) [20]. Bei dieser Technik wird nicht nur die livide Fär- bung der Haut dauerhaft reduziert, auch eine spätere Vo- lumenzunahme der Areale wird verhindert. Eine chirurgi- sche Entfernung erfolgt nur in Extremfällen. Nach Lase- rung und besonders nach chirurgischer Exzision ist ein Rezidiv möglich, da selten das komplette Areal in toto entfernt werden kann. Eine maligne Entartungstendenz ist nicht bekannt. Merke Zeitlebens ist eine Kontrolle des intraokulären Au- gendrucks notwendig, da eine vaskuläre Kammer- winkelbeteiligung ein sekundäres Winkelblockglau- kom oder eine vaskuläre Hyperämie des Ziliarkörpers ein sekundäres Offenwinkelglaukom verursachen können. Lymphangiom Ein Lymphangiom ist ein Hamartom der Lymphgefäße. Diese Tumoren treten hauptsächlich im Kopf- und Hals- bereich auf und können somit auch in der Orbita, Binde- haut oder am Lid beobachtet werden. Am Lid sind diese Läsionen hauptsächlich als eine anteriore Extension aus Orbita oder eine Extension von Gesichtsläsionen zu se- hen. Eine ausschließliche Beteiligung des Lides ist selten. Das Lymphangiom hat keine Geschlechtspräferenz. In ca. 50% der Fälle ist die Läsion bereits bei der Geburt vorhan- den, aber erst ab dem 2. Lebensjahr klinisch auffällig [7]. Bei Einblutung – meistens nach einem Trauma – ent- wickelt sich ein akutes Krankheitsbild mit einer schmerz- haften Proptosis und Motilitätseinschränkung, das zu einer kompressiven Optikusneuropathie oder Expositi- onskeratopathie führen kann. Am Lid zeigt sich in der Tie- fe eine fluktuierte bläuliche Masse, die ein langsames Wachstum vorweist. Aufgrund seines Aspekts kann das Lymphangiom mit einer Varix verwechselt werden. Eine spontane oder posttraumatische Blutung kann das Lu- men füllen. Es entwickelt sich die sogenannte „Schoko- ladenzyste“. Eine vollständige Regression, wie bei ande- ren Gefäßanomalien, ist beim Lymphangiom nicht zu er- warten. Sollte der Verdacht auf eine orbitale Beteiligung beste- hen, oder zur Diagnosesicherung der Gefäßanomalie, kann eine Bildgebung wie z. B. eine MRT veranlasst wer- den. Dabei zeigt sich eine leicht verstärkende zystische Masse mit Flüssigkeitsspiegel, die das Orbitafett infil- triert, aber Augapfel und Muskeln respektiert. Der his- topathologische Befund besteht aus erweiterten Gefäß- kanälen, die mit dünnem Endothel ausgekleidet sind. Das Lumen ist leer oder enthält eine klare eosinophile Flüssigkeit (Lymphe). Die Lymphangiome zeigen am Lid häufig kavernöse Formen. Nach einer Einblutung ähnelt der Aspekt auch in der Histologie einem Hämangiom. Bei histologischer Unsicherheit kommen LYVE-1-Antikör- per gegen Lymphendothelien zum Einsatz. Ein systemische Kortisoneinnahme kann zur Reduktion der Tumorgröße führen. Eine chirurgische Maßnahme soll nur bei symptomatischen Läsionen indiziert werden. Eine vollständige Resektion ist anspruchsvoll bei der cha- rakteristischen diffusen Infiltration, fehlender Einkapse- lung der Läsion und der erhöhten intraoperativen Blu- tungstendenz. Eine alternative Therapie ist die Applika- tion einer perkutanen Sklerotherapie (OK-432, Picibanil) [21]. Insbesondere in palliativen Fällen kann als Ultima Ratio eine Radiatio zur Sklerosierung durchgeführt wer- den. Diese Tumoren zeigen ein erhöhtes Rezidivpotenzi- al, da sie nie vollständig entfernt werden können. Eine maligne Transformation ist nicht zu erwarten. Bei der er- höhten Rezidivrate sind klinische bzw. radiologische lang- fristige Nachbeobachtungen sinnvoll [22]. Varixknoten Eine Varix ist eine vaskuläre venöse Malformation. Im or- bitalen Bereich ist sie eine häufige Entität, aber am Lid tritt sie selten auf [7]. Eine primäre Läsion entsteht durch eine kongenitale, venöse Malformation. Eine sekundäre Läsion ist infolge eines intrakranialen oder orbitalen arte- riovenösen Shunts zu sehen [23]. Es sind bisher keine Ri- sikofaktoren bekannt. Eine Varix kann sich ebenso gele- gentlich als Resultat eines Traumas bei angeborenen, schwachen Venen entwickeln. Anhängig vom Ort kann sie zu einer Proptosis führen. Klinisch imponieren einzelne kleine, komprimierbare, zys- tenartige, vermiforme, nicht pulsierende Läsionen. Die überliegende Haut zeigte sich verdickt. Die Farbe kann zwischen bräunlich oder bläulich variieren. Durch ein Val- salva-Manöver kann dieser Tumor induziert werden. Dies geschieht durch den Druck auf die V. jugularis. Nach einer meist spontanen Thrombosierung verhärtet sich die Läsion durch die folgende Kalzifizierung und ein Val- salva-Manöver bewirkt dann keine Ausdehnung der Lä- sion mehr. Eine Varix besteht aus verdickten Venen mit Fibrose der Adventitia. Ihr Lumen enthält Erythrozyten, mononukleäre Zellen und Fibringerinnsel. Bei einer Thrombosierung sind eine Hämosiderinablagerung und dystrophische Verkalkungen zu sehen. Eine Exzision bzw. Ligation der Vene ist bei Beschwerden oder aus kosmeti- schen Gründen möglich [23]. Es ist kein Rezidiv zu erwar- ten. Lidvarizen sind benigne Läsionen ohne Malignitäts- potenzial. 120 Feldmann ML et al. Benigne Lidtumoren Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 111–130 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung läre oder systemische Malformationen sind nicht assozi- iert. Risikofaktoren sind bisher nicht bekannt. Es zeigt sich eine glatte, verschiebliche, schmerzlose Mas- se. Je nach Tiefe des Tumors sind zwei Präsentationsfor- men zu unterscheiden: ▪ Die oberflächlich liegende Variante tritt bei den Kin- dern auf und ist durch Ultraschall darstellbar. Sie hat einen kleineren Durchmesser im Vergleich zu der tie- fer liegenden Variante. ▪ Bei der tiefer liegenden Variante muss eine CT oder MRT durchgeführt werden, um die Extension und eine evtl. intrakranielle Beteiligung darstellen zu können. Im Gegensatz zur oberflächlichen Variante treten hier- bei die Läsionen in der Adoleszenz oder bei Erwachse- nen auf. Die Dermoidzyste hat eine langsam-progressive Größen- zunahme. Das Zystenwachstum führt zu fokalen Massen- effekten mit konsekutiver mechanischer Ptosis und Prop- tosis. Eine Zystenruptur verursacht eine granulomatöse Entzündung, die bei den Betroffenen zu Schmerzen führt. Je nach Tiefe des Tumors kann Diplopie auftreten. Die Dermoidzyste besteht aus mehrschichtigem keratinisier- tem Plattenepithel, begleitet von Hautanhangsgebilden wie Haarfollikeln, Talg- oder Schweißdrüsen und fibroadi- pösem Gewebe. Das Zystenlumen ist mit Keratin gefüllt. Die vollständige Exzision ist die Therapie der Wahl [9]. Der Zugang kann transkutan oder transkonjunktival er- folgen. Unbeabsichtigt kann es intraoperativ zu einer Zys- tenruptur kommen, was zu einer über einige Wochen postoperativ anhaltenden Fremdkörperreaktion auf den Zystendetritus führen kann. Ob solch eine intraoperative Zystenruptur allerdings mit einem Rezidiv assoziiert ist, gilt als umstritten [27]. Oft nicht klinisch relevante Rezi- dive sind durch die in den tieferen Knochennähten ver- bliebenen Zellnester bedingt, wenn keine knöcherne Ent- dachung möglich ist. Es gibt bei dieser Läsion kein Mali- gnitätspotenzial. Pseudotumoren Chalazion Das Chalazion ist die häufigste entzündliche Läsion des Augenlids. Es kann in jedem Alter auftreten, jedoch häu- figer im Erwachsenenalter. Es handelt sich um ein chro- nisches, steriles Lipogranulom. Dieses entsteht durch Li- pidabbauprodukte, welche in das umgebende Gewebe gelangen und dort eine granulomatöse Reaktion aus- lösen. Die Umgebung der Drüse verdickt sich durch die Zellreaktion und die Ödembildung, was eine weitere Ob- struktion der Drüse und auch der benachbarten Drüsen zur Folge hat. Besonders häufig ist das Chalazion bei Pa- tienten mit Rosazea oder seborrhoischer Dermatose. Auch ein Vitamin-A-Mangel ist mit wiederholten, multi- ▶ Abb. 7 Epidermoidzyste. Am Oberlid imponiert die Zyste als runde, erhabene, glatt-feste, aber verschieb- liche, solitäre Läsion. Eine Fluktuation des Prozesses entsteht, wenn durch eine sekundäre Infektion aus einer granulomatösen Entzün- dung ein Abszess entsteht. Auch spontane Rupturen sind möglich, welche dann mit Rötung und Schmerzen ein- hergehen. Es lassen sich aus den infizierten Zysten oft Bakterien der Hautflora wie z. B. Staphylococcus aureus oder Staphylococcus epidermidis nachweisen. Eine spon- tane Rückbildung ist häufig. Die echte intradermale Zyste besteht aus keratinisiertem Plattenepithel mit Keratin im Zystenlumen. Dabei weist die Zystenwand im Gegensatz zur Dermoidzyste keine Hautanhänge auf. Die rupturierte Zyste hat einen massiven granulomatösen Hof und zeigt oft charakteristische mehrkernige Fremdkörperriesenzel- len. Die Therapie besteht in der Exzision, wobei am Lid auch eine Marsupialisation oder Inzision mit Kürettage infrage kommen. Bei entzündeten Zysten ist eine intraläsionale Triamcinoloninjektion beschrieben. Dies soll für eine Mil- derung der Entzündung und rasche Regredienz sorgen. Die Möglichkeit der Wiederkehr der Läsion besteht am gleichen Ort, wenn die Zystenwand nicht vollständig ent- fernt werden konnte. Es wird eine Entartungswahrschein- lichkeit von weniger als 1% angegeben. Die Veränderung erfolgt zum Basalzellkarzinom oder Plattenepithelkarzi- nom und ist verdächtig bei schnellem Wachstum oder Ul- zeration [26]. Dermoidzyste Eine Dermoidzyste ist ein kongenitales benignes Choris- tom. Es entsteht aus eingeschlossenem Ektoderm an einer Sutura ossea und kommt im Kopf- und Halsbereich vor. Jedoch liegt eine Prädilektion für die periokuläre Re- gion vor. Dermoidzysten treten oft schon im 1. Lebens- jahr auf und sind am häufigsten an der Sutura frontocy- gomatica (in 80%), gefolgt von der Sutura frontoethmo- idalis oder frontomaxillaris lokalisiert [27]. Weitere oku- 122 Feldmann ML et al. Benigne Lidtumoren Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 111–130 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung In den meisten Fällen kommt es bei Selbstlimitierung zur Spontanheilung. Eine topische Behandlungsmöglichkeit am Auge ist schwierig, besteht aber mit Tretinoin 0,05%, Trichloressigsäure oder intraläsionalen 5-Fluorouracil-In- jektionen bei lidkantenfernen Läsionen. Wirkungsvoll sind auch eine Kryotherapie oder die Inzision mit Küretta- ge. Auch nach sorgsamer Kürettage sind nach den Erfah- rungen der Autoren Rezidive nicht selten, für Nichtlidpro- zesse werden sie bei Kindern mit bis zu 50% in 12 Mona- ten nach Entfernung angegeben [31]. Eine Entartungs- wahrscheinlichkeit besteht nicht [7]. Sarkoidose Eine okuläre Sarkoidose zeigt sich am Lid in nur 11% als solitäre oder multiple feste subkutane Knötchen oder in Form kleiner Papeln [32]. Auch eine diffuse Lidschwel- lung kommt vor [32]. Auch die angrenzende Konjunktiva kann diffuse Verdickungen und sogar Knötchen aufwei- sen. Eine aggressive Verlaufsform liegt vor, wenn die Knötchen oder Papeln einschmelzen und die Umgebung destruktiv verändern. Das histologische Bild ist ein nicht verkäsendes epitheloides Granulom mit den typischen Histiozyten und Riesenzellen. Daher kann durch eine Bi- opsie die Diagnose recht zuverlässig gestellt werden. Die Therapie zielt auf eine Immunsuppression ab. Sie kann sowohl oral oder vor allem bei der destruktiven Form intraläsional, als transkutane oder transkonjunkti- vale Injektion mit einem Kortison wie z. B. Triamcinolon erfolgen. Aufgrund der ätiologischen Systemerkrankung drohen bei erneuten Schüben auch Rezidive am Lid, ins- besondere nach Absetzen der immunmodulierenden Therapie [32]. Eine lebenslange Kontrolle ist daher rat- sam. Neurofibrom Ein Neurofibrom entwickelt sich an der Nervenscheide und ist assoziiert mit der Neurofibromatose Typ 1 (NF-1) [7]. 3 Ausprägungsformen, das solitäre Neurofibrom, multiple lokalisierte Neurofibrome und das plexiforme Neurofibrom, kommen an Augenlid und Orbita vor (▶ Abb. 10). Diese Läsionen liegen subkutan, sind gut palpabel, verschieblich und nicht druckdolent. Liegen die Befunde im Oberlid, können sie eine Ptosis verursachen. Rein solitäre Läsionen ohne weitere Merkmale wie Lisch- Knötchen oder Café-au-Lait-Flecken sind als Teil einer ge- neralisierten Neurofibromatose Typ 1 selten. In diesen seltenen Fällen können sie dann leicht mit anderen Entitä- ten, wie einem Chalazion, verwechselt werden. Multiple Neurofibrome kommen bei NF-1-Patienten gehäuft vor. Das histologische Bild ist unverwechselbar. Der gut abge- grenzte Tumor mit fehlendem Kontakt zum Oberflächen- epithel besteht aus dichten kaulquappenartigen Zellen mit spindelförmigen Zellkernen. Diese Zellen sind S100- Färbung positiv, da sie neuronalen Ursprungs sind. Sie fol- gen intraorbitalen Nerven und kommen insbesondere im superior-posterioren Bereich der Orbita vor. ▶ Abb. 10 Multiple Neurofibrome. Sowohl an den Lidern als auch am gesamten Integument zeigen sich multiple Neurofibrome im Rahmen einer Neurofibromatose. Die Läsionen liegen subkutan, sind verschieblich und nicht druckdolent. Aufgrund des ausgeprägten Befunds liegt bereits eine Ptosis am Oberlid vor. Gelingt einen Entfernung en bloc, ist nur noch selten mit einem Rezidiv zu rechnen. Nachkontrollen sind in jedem Fall erforderlich, da im Zusammenhang mit der für ein Tu- morsuppressorprotein kodierenden NF-1-Gen-Mutation eine maligne Degeneration für Neurofibrome und Schwann-Zell-Tumoren beschrieben worden ist [6, 7]. Merke Wann immer der Verdacht einer malignen Entartung im Raum steht oder um bei Kindern eine Amblyopie zu vermeiden, muss eine Exzision erfolgen. Lidrandferne Proben können mit einer Stanze genommen werden, sind aber im Gesichtsbereich aus kosmetischen Gründen nicht direkt zu empfehlen. Gerade Läsionen mit kosmetischen Störungen sollten schonend entfernt wer- den, möglichst ohne die Rezidivgefahr zu erhöhen und ohne die Funktion des Augenlids in Gefahr zu bringen. Deshalb ist bei offensichtlich benignen Prozessen der Si- cherheitsabstand geringer zu wählen, gerade wenn durch eine Histologie weitere Sicherheit gewährleistet ist. Ausblick Bereits jetzt werden Möglichkeiten erarbeitet, detaillierte Verlaufskontrollen telemedizinisch abzugleichen oder so- gar eine Ersteinschätzung durch Systeme mit artifizieller Intelligenz durchführen zu lassen. Gerade der Blick zu den Dermatologen zeigt auf, wie dieses aussehen kann. Be- reits erste Versuche zur Untersuchung von Hauttumoren sind durchgeführt worden [33, 34]. Der kritische Blick eines erfahrenen und die Komplexität der Liderkrankun- gen erfassenden Augenarztes wird in naher Zukunft je- doch nicht zu ersetzen sein. 124 Feldmann ML et al. Benigne Lidtumoren Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 111–130 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Salvatore Grisanti Prof. Dr. med. Studium der Humanmedizin in Köln. 2-jähriger Forschungsaufenthalt als DFG- Stipendiat im Department of Ophthalmology, University of Alabama, Birmingham und im Schepens Eye Research Institute, Harvard Uni- versity, Boston. Klinische und chirurgische Ausbildung in Köln und Tübingen. Seit 2008 Lehrstuhlinhaber und Direktor der Klinik für Augenheilkunde an der Universität zu Lübeck und im Universitäts-Klinikum Schleswig-Holstein. Wissenschaftliche Schwerpunkte im retinologischen und ophthalmolonkologischen Bereich. Vinodh Kakkassery Priv.-Doz. Dr. med. Studium der Humanmedizin in Aachen und in Hamburg. Facharztweiter- bildung in Hamburg, Berlin und Essen. For- schungsaufenthalt am Schepens Eye Research Institut (Harvard Medical School). Entwicklung der Tumorexpertise in Essen und Berlin, Habili- tation auf diesem Gebiet. Vertreter der DOG und des BVA in den Leitlinien Basalzellkarzinom, kutanes Melanom und Haut- krebsprävention. Aktuell Oberarzt am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (Campus Lübeck). Korrespondenzadresse Priv.-Doz. Dr. med. Vinodh Kakkassery Klinik für Augenheilkunde Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck Ratzeburger Allee 160 23538 Lübeck Deutschland vinodh.kakkassery@gmail.com Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungs- bestimmungen für diesen Beitrag ist Priv.-Doz. Dr. med. Vinodh Kakkassery, Lübeck. Literatur [1] Deprez M, Uffer S. Clinicopathological features of eyelid skin tumors. A retrospective study of 5504 cases and review of lit- erature. Am J Dermatopathol 2009; 31: 256–262 [2] Holbach LM, Apple DJ, Naumann GOH. Okuläre Adnexe: Lider, Tränenapparat und Orbita. In: Naumann GOH, Hrsg. Patholo- gie des Auges I und II. Berlin: Springer; 1997: 1423–1449 [3] Lee BJ, Nelson CC. Intralesional interferon for extensive squa- mous papilloma of the eyelid margin. 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CME-Fortbildung Punkte sammeln auf CME.thieme.de Diese Fortbildungseinheit ist in der Regel 12 Monate online für die Teilnahme verfügbar. Den genauen Einsendeschluss finden Sie unter https://cme.thieme.de. Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, finden Sie unter https://cme.thieme.de/hilfe eine ausführliche Anleitung. Wir wünschen viel Erfolg beim Beantworten der Fragen! Unter https://eref.thieme.de/CXG3K9U oder über den QR-Code kommen Sie direkt zur Startseite des Wissenstests. VNR 2760512021160215319 Frage 1 Frage 3 Welche Aussage zum Keratoakanthom trifft nicht zu? A Eine Immunsuppression zählt als Risikofaktor für die Entwick- lung eines Keratoakanthoms. B Eine sofortige Exzision ist nicht die Therapie der Wahl, da eine spontane Rückbildung stattfinden kann. C Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. D Das multiple Auftreten von Läsionen kann mit einer geneti- schen Störung wie z. B. dem Muir-Torre-Syndrom oder Xero- derma pigmentosum assoziiert sein. E Zu ca. 85% treten diese Läsionen im Gesichtsbereich auf. Frage 2 Welche Aussage zu Dermoidzysten trifft zu? A Kongenitaler Tumor, der durch eingeschlossenes Mesoderm in einer ossären Sutur entsteht und bei dem die vollständige Exzision die Therapie der Wahl ist. B Erworbener Tumor, der durch eingeschlossenes Ektoderm in einer ossären Sutur entsteht und bei dem die vollständige Ex- zision als Therapie der Wahl angestrebt wird. C Kongenitaler Tumor, der durch eingeschlossenes Ektoderm in einer ossären Sutur entsteht und dank seines oberflächlichen Auftretens eine reibungslose Entfernung ermöglicht. D Kongenitaler Tumor, der durch eingeschlossenes Ektoderm in einer ossären Sutur entsteht und in 2 Präsentationsformen (oberflächlich und tief) auftreten kann. E Dermoidzysten haben per Definition eine hohe Malignität. In der Notaufnahme empfangen Sie besorgte Eltern eines klei- nen Mädchens, die berichten, dass ihr 2-jähriges Kind vor eini- gen Wochen gegen eine Tischkante gestoßen sei. Seitdem hat das Kind eine persistierende bläuliche Beule am Oberlid. In der ophthalmologischen Untersuchung zeigt sich außerdem eine Proptosis. Welche Aussage trifft zu? A Sie beruhigen die Eltern und empfehlen lediglich ein Abwar- ten der spontanen Rückbildung der Läsion. B Sie nehmen die Sorge der Eltern ernst und verweisen aber die Familie an den Kinderarzt zurück; bei Persistenz empfehlen Sie eine ambulante Bildgebung. C Angesichts des Patientenalters denken Sie als Differenzial- diagnose an eine eingeblutete vaskuläre Läsion, wie z. B. ein Lymphangiom. D Sie unternehmen eine Punktion der Läsion, um die Ätiologie herauszufinden. E Der Fall deutet auf ein Shaken-Baby-Syndrome hin. Frage 4 Welche Aussage in Bezug auf das Molluscum contagiosum ist zu- treffend? A Da es nur eine typische Präsentationsform gibt, ist die kli- nische Diagnose relativ einfach. B Es handelt sich um eine virale Erkrankung, verursacht durch das Molluscum-contagiosum-Virus, und überwiegend Kinder sind betroffen. C Läsionen an der Lidkante können durch eine chronische Kon- junktivitis oder Keratitis mit Pannusbildung hervorrufen wer- den, eine andere Lokalisation ist nicht zu erwarten. D Histopathologisch ist das Vorhandensein von Henderson-Pa- terson-Körpern nicht ausschließlich bei MCV-Infektion zu se- hen. E Diese Erkrankung kommt nur in der Äquatorregion vor. ▶ Weitere Fragen auf der folgenden Seite … 128 Feldmann ML et al. Benigne Lidtumoren Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 111–130 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Punkte sammeln auf CME.thieme.de Fortsetzung … Frage 10 Welche Risiken bestehen bei der Therapie des Chalazions nicht? A Verletzung der Canaliculus lacrimalis durch Inzision eines in- neren medialen Chalazions B Hypo- oder Hyperpigmentierung der Lidhaut nach intraläsio- naler Injektion mit Steroiden C Entstehung einer präseptalen Zellulitis bei frustraner konser- vativer Therapie D Keratoconjunctivitis sicca bei ausgeprägter Kürettage der Meibom-Drüsen E Lagophthalmus 130 Feldmann ML et al. Benigne Lidtumoren Klin Monatsbl Augenheilkd 2022; 239: 111–130 | © 2021. Thieme. All rights reserved.

Impressum Klinische Monatsblätter für Augenheilkunde 239. Band Die Klinischen Monatsblätter für Augenheilkunde er- scheinen 12-mal jährlich. Jährlich erscheint 1 Band. ISSN (Print): 0023 – 2165 eISSN: 1439 – 3999 Copyright & Ownership Wenn nicht anders angegeben: © 2022. Thieme. All rights reserved. Die Zeitschrift Klinische Monatsblätter für Augenheilkunde ist Eigentum von Thieme. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany Schriftleitung Univ. Prof. Dr. med. Siegfried Priglinger Augenklinik des Klinikums der Universität München Mathildenstraße 8 80336 München Die Schriftleitung ist nicht verantwortlich für die Rubrik „Forum der Industrie“ sowie für in der Zeitschrift ent- haltene Anzeigen und Beilagen. 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