Kardiologie up2date 1 · 2022 März 2022 · 18. Jahrgang · Seite 1–104 2 Editorial · 4 Herausgeberboard · 5 Studienreferate 13 SOP Der herzkranke Diabetespatient · 19 Elektrische Kardioversion – Schritt für Schritt · U3 Impressum 3 Herzklappen- erkrankungen 25 Der ältere Patient mit Klappenvitium Mohammad Almalla, Annemarie Kirschfink, Marcus Haushofer, Ertunc Altiok 1 Koronare Herzkrankheit (KHK) 45 Plaquemodifikation durch intravaskuläre Lithotripsie Kambis Mashayekhi 6 Thrombozyten und Gerinnungssystem 65 COVID-19 und Thrombosen Stavros Konstantinides, Anna Mavromanoli, Lukas Hobohm 7 Kardiovaskuläre Notfall- und Intensivmedizin 89 Infarktbedingter kardiogener Schock Martin Ruß, Michael Buerke, Karl Werdan Covergestaltung: © Thieme Bildnachweis Cover: © Michal Rössler. Hintergrundbilder: Haas N, Kleideiter U. Normale Koronarien. In: Haas N, Kleideiter U, Hrsg. Kinderkardiologie. 2., unveränderte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2018; Hessling G. Asymptomatische ventrikuläre Präexzitation – was tun? Kardiologie up2date 2019; 15: 207–218; Haring B, Schmidt A, Frantz S. Was tun bei akutem Thoraxschmerz? DMW – Deutsche Medizinische Wochenschrift 2019; 144: 1223–1228 Die Übersicht über alle Rubriken Ihrer up2date erhalten Sie unter: https://eref.thieme.de/R7BH3

Herausgeberboard Herausgeber Prof. Dr. Stephan Achenbach 1987–1993 Studium der Humanmedizin an der Friedrich- Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Promotion; 1999 Habilitation. Berufliche Stationen: Universitätsklini- kum Erlangen, Massachusetts General Hospital (Boston, USA) und Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Stand- ort Gießen. Er ist Direktor der Medizinischen Klinik 2 – Kar- diologie und Angiologie des Universitätsklinikums Erlangen und Ordina- rius des Lehrstuhls für Innere Medizin II (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg). Klinische Schwerpunkte: interventionelle Kardiolo- gie, kardiale Bildgebung und Intensivmedizin. Forschungsschwerpunkte: kardiale Bildgebung (Computertomografie) und interventionelle Kardio- logie. 2020–2022 Präsident der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie. Prof. Dr. med. Sabine Ernst Studium der Humanmedizin in Ulm und Boston 1990– 1997. Promotion in Ulm 1997. Wissenschaftliche Tätigkeit als Stipendiatin des DAAD in UCLA, Los Angeles 1994. Assistenzärztin/Oberärztin am Allgemeinen Krankenhaus St. Georg in Hamburg 1997–2007. Habilitation an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf 2006. Seit 2007 Consultant Cardiologist am Royal Brompton Hospital in London (UK) for Cardiology (Electrophysiology). Seit 2017 Professor of Practice, National Heart and Lung Institute, Imperial College London, UK. Prof. Dr. Dr. Markus Ferrari Er hat in Göttingen von 1986 bis 1993 Medizin und Sport- wissenschaften studiert. Promotionen in beiden Fächern 1993 und 1994. Bis 1997 Assistenztätigkeit am Universi- tätsklinikum Göttingen, danach Wechsel nach Jena, wo er nach dem Facharzt für Innere Medizin die Zusatzbezeich- nung Kardiologie erwarb. 2001 Fellowship am Texas Heart Institute, Houston, Texas. Anschließend Oberarzt und ab 2006 leitender Oberarzt in der Klinik für Innere Medizin 1 in Jena. Seit 2013 ist er Direktor der Klinik für Innere Medizin 1 (Kardiologie, Angiologie und Intensivmedi- zin), HELIOS Dr. Horst-Schmidt-Kliniken in Wiesbaden. Prof. Dr. Meinrad Gawaz 1981–1987 Medizinstudium in Ulm und München. 1988– 1993 Assistenzarzt an der Medizinischen Klinik III, Klinikum Großhadern, LMU München. 1994–1997 Assistenzarzt an der 1. Medizinischen Klinik, TU München. 1997–2004 Oberarzt an der 1. Medizinischen Klinik, Klinikum rechts der Isar und am Deutschen Herzzentrum München, TU München. Seit 2004 Ordinarius für Innere Medizin und Ärztlicher Direktor der Abteilung für Kardiologie und Kreislauferkrankungen der Medizini- schen Klinik, Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Prof. Dr. Utz Kappert Er studierte Medizin an der Humboldt-Universität zu Berlin. Promotion 1999. Seit 1999 ist er wissenschaftlicher Mit- arbeiter der Technischen Universität Dresden. 2011 Habili- tation über die endoskopische Myokardrevaskularisation. Seit 2007 ist er Leitender Oberarzt an der Abteilung für Herzchirurgie am Herzzentrum Dresden Universitätsklinik. Zu seinen wissenschaftlichen und klinischen Schwerpunkten zählen der katheterbasierte/minimalinvasive Aortenklappenersatz, Aortenchirurgie und Chirurgie der Herzinsuffizienz. Prof. Dr. med. Volker Köllner Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychothera- pie, Sozialmedizin. 1979 – 1986 Studium der Human- medizin an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms Universität Bonn, 1990 Promotion, 2003 Habilitation an der TU Dres- den. Berufliche Stationen: Universitätsklinikum Bonn (Herz- und Gefäßchirurgie), Universitätsklinikum Bonn (Innere Medizin), Universitätsklinikum des Saarlandes (Psychosomatik), Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden (Psychosomatik). Seit 2015 Chefarzt der Abteilung Verhaltenstherapie und Psychosomatik und Ärztlicher Direktor am Rehazentrum Seehof der Deutschen Renten- versicherung in Teltow, dort Aufbau einer Abteilung Psychokardiologie, Leiter der Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation, Univer- sitätsmedizin Charité, Berlin. Prof. Dr. Nikolaus Marx Er studierte Medizin in Mainz, Genf und Düsseldorf. Appro- bation und Promotion 1994. 1994–1997 Assistenzarzt an der 1. Medizinischen Klinik und Poliklinik der TU München, am Klinikum rechts der Isar und Deutschen Herzzentrum. 1997–1999 wissenschaftliche Tätigkeit als Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft am Brigham and Womanʼs Hospital, Harvard Medical School, Boston, USA. 1999–2009 Assistenzarzt, Oberarzt und Leitender Oberarzt der Abteilung Innere Me- dizin II am Universitätsklinikum Ulm. Seit November 2009 ist er Direktor der Medizinischen Klinik I am Universitätsklinikum Aachen. Prof. Dr. Martin Moser Er studierte Medizin in Heidelberg und Montpellier. Pro- motion 1996. 1996–2001 Assistenzarzt in der Klinik für In- nere Medizin III (Kardiologie und Angiologie) der Universität Heidelberg. 2001–2003 wissenschaftliche Tätigkeit als Sti- pendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Caroli- na Cardiovascular Biology Center der University of North Carolina at Chapel Hill, USA. 2003–2013 Assistenzarzt, Oberarzt und Leiter der Herzkatheterlabors der Abteilung Innere Medizin III am Universitäts- klinikum Freiburg. Seit 2013 Abteilungschefarzt im Universitäts-Herzzen- trum Freiburg · Bad Krozingen, Klinik für Kardiologie und Angiologie I. Prof. Dr. Christoph A. Nienaber 1974–1980 Studium der Humanmedizin in Düsseldorf und Münster. Promotion 1980 in Münster. 1983–1987 Ausbil- dung Innere Medizin an der Uni Hamburg. 1988–1991 Pharmakologie und Kardiologie an der Universität von Kali- fornien (UCLA Los Angeles). 1992 Habilitation an der Uni- versitätsklinik Hamburg-Eppendorf. 1992–2000 Innere Medizin und Kardiologie am Klinikum Hamburg-Eppendorf, C3-Professor und Oberarzt. 1996 Zusatzqualifikation Interventionelle Kardiologie. Seit Dezember 2000 C4-Professor und Direktor der Abteilung Kardiologie der Universität Rostock. 2015 Consultant am Royal Brompton Hospital in Lon- don, Cardiology and Aortic Centre; Imperial College, UK. Prof. Dr. Andreas Zirlik Studium der Medizin in Leipzig, Birmingham (USA) und Montpellier. Promotion 2001, Habilitation 2009. 2000– 2003 und 2005–2009 Assistenzarzt an der Medizinischen Klinik der Universität Freiburg, Abteilung für Kardiologie und Angiologie. 2003–2005 Postdoctoral Fellowship am Brigham and Women’s Hospital, Cardiovascular Medicine, Harvard Medical School, Boston (USA). 2009 Oberarzt, 2013 Stellvertreter des ärztlichen Direktors. 2018 Universitätsprofessor für Innere Medizin und Kardiologie an der Medizinischen Universität Graz. Seither dort Lei- tung der klinischen Abteilung für Kardiologie. Amtierender Vorsitzender der deutschen Gesellschaft für Arterioskleroseforschung (DGAF). 4 Kardiologie up2date 2022; 18 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Studienreferate Erkrankungen menhang auch von einer atrialen Myo- pathie, die durch verschiedene intra- und extrakardiale getriggert werden kann. Zu diesen prädisponieren- den Erkrankungen zählen auch die chroni- sche Niereninsuffizienz sowie der Diabetes mellitus. Bei Patienten mit Vorhofflimmern hat man in der Vergangenheit eine erhöh- te Expression von Mineralokortikoidrezep- toren gefunden und im Tiermodell konnte das ungünstige atriale Remodeling über eine Hemmung der Mineralokortikoid- rezeptoren einschränkt werden. In einer Fibroblastenkultur wurde durch Finerenon die Mineralokortikoidrezeptor-induzierte Expression von Schlüsselfaktoren für die Fi- brogenese sogar vollständig unterdrückt. Die aktuellen Analysen basieren auf der multizentrischen, internationalen, prospek- tiven FIDELIO-DKD-Studie (FIDELIO-DKD: Efficacy and Safety of Finerenone in Sub- jects With Type 2 Diabetes Mellitus and Diabetic Kidney Disease). Im Rahmen der Untersuchung waren mehr als 5700 Pa- tientinnen und Patienten mit bestehender Nierenerkrankung (Albuminurie und einge- schränkte glomeruläre Filtrationsrate) und Diabetes mellitus 1 : 1 in eine Behand- lungsgruppe mit 10–20 mg/d Finerenon und eine Placebogruppe randomisiert wor- den. Letztlich konnten die Daten von 5674 Studienteilnehmern ausgewertet werden, von denen bei 8,1 % der Patienten in der Vorgeschichte schon Vorhofflimmern auf- getreten war. Die Neumanifestation von Vorhofflimmern war in der Studie als explo- ratorischer Endpunkt präspezifiziert wor- den. Innerhalb einer medianen Beobachtungs- zeit von 2,6 Jahren wurde bei insgesamt 273 Patienten Vorhofflimmern dokumen- tiert; von diesen erlitten 199 Studienteil- nehmer eine Erstmanifestation. Der Ver- gleich der beiden Interventionsgruppen zeigte, dass die Inzidenz von Vorhofflim- mern unter der Einnahme von Finerenon deutlich niedriger ausfiel als unter der Ein- nahme des Placebos (3,2 % versus 4,5 %; HR 0,71; 95 %-KI 0,53–0,94). Der Behand- lungseffekt trat dabei erstmals nach 6 Mo- naten zu Tage. Auch der kombinierte rena- le Endpunkt (Nierenversagen, anhaltende Reduktion der glomerulären Filtrationsrate um mehr als 40 %, Versterben aus renaler Ursache) und der kombinierte kardiovasku- läre Endpunkt (Versterben aus kardialer Ur- sache, Myokardinfarkt, Schlaganfall, Hospi- talisierung wegen Herzinsuffizienz) wurden in der Finerenongruppe signifikant seltener erreicht als in der Placebogruppe (17,8 % versus 21,1 %; HR 0,82; 95 %-KI 0,73– 0,93 bzw. 13,0 % versus 14,8 %; HR 0,86; 95 %-KI 0,75–0,99). Subgruppenanalysen ergaben jeweils konsistente Effekte für Fi- nerenon auf die kardiovaskulären und re- nalen Endpunkte sowie auf die Gesamt- mortalität bei Patienten mit bzw. ohne zu- vor stattgehabte Manifestation von Vor- hofflimmern. FAZIT Der nichtsteroidale Mineralokorti- koidrezeptor-Antagonist Finerenon war bei Patienten mit Nierenerkran- kung und Diabetes mellitus mit einer signifikanten Verringerung der Neumanifestationen von Vorhofflim- mern verbunden. Darüber hinaus wurden auch renale und kardiovas- kuläre Endpunkte günstig beein- flusst – unabhängig davon, ob in der Vergangenheit schon Vorhofflim- mern aufgetreten war. Die gezielte Beeinflussung des adversen atrialen Remodelings könnte bei Hochrisiko- patienten helfen, Folgeschäden zu verhindern, so die Autoren. Dr. med. Katharina Franke, Darmstadt Nichtinvasive Diagnostik der Myokarditis mit Mikro-RNA Blanco-Domínguez R et al. A Novel Circulating MicroRNA for the Detection of Acute Myocarditis. N Engl J Med 2021; 384: 2014–2027. doi:10.1056/ NEJMoa2003608 Zahlreiche Ursachen können zu einer Myokarditis führen, die wegen ähnli- cher Symptome und Laborveränderun- gen schwer vom Myokardinfarkt ab- grenzbar sein kann. Diagnostischer Goldstandard ist die Myokardbiopsie, die wegen der Risiken des invasiven Eingriffs nur bei schwereren Fällen er- folgt. Alternativ bietet sich nun die Mi- kro-RNA hsa-miR-Chr8 : 96 an, die in ersten Vergleichen eine Differenzie- rung von Myokarditis, Myokardinfarkt und gesundem Herzmuskel ermöglich- te. Infektiöse Pathogene, Toxine, Drogen und Autoimmunkrankheiten können eine Myo- karditis hervorrufen. Die Prävalenzen sind ungewiss, denn viele Myokarditiden bilden sich spontan zurück. Andererseits können dilatative Kardiomyopathie und plötzlicher Herztod Folgen sein. Diagnostisch kommt neben der Biopsie auch die MRT in Be- tracht, die jedoch nicht überall verfügbar ist und deren Sensitivität mit der Zeit ab- nimmt. Immunologisch bekannt ist die Re- levanz des Phänotyps von T-Helfer-Zellen, sowohl bei der Myokarditis als auch beim Myokardinfarkt. Myosinspezifische Th17- Lymphozyten, die Interleukin-17 produzie- ren, spielen für die Myokarditis und dilata- tive Kardiomyopathie eine zentrale Rolle. Die Autoren induzierten bei Mäusen zu- nächst Autoimmun- und virale Myokar- ditiden sowie Myokardinfarkte. Das Tropo- nin I, die Kreatinkinase und Laktatdehydro- genase stiegen entsprechend den Akut- phasen substanziell an mit Peaks nach 21 Tagen (Myokarditis) und 3 Tagen (Myo- kardinfarkt). Die linksventrikuläre Ejek- tionsfraktion nahm bei den Infarkten rasch und bei den primären Entzündungen ver- zögert ab. Die Zahl zirkulierender T-Zellen stieg bei beiden Erkrankungen an (signifi- kant an Tag 14). Nur bei den Myokarditi- den waren Th17-Zellen also in der akuten Phase charakteristisch. Die Arbeitsgruppe identifizierte 27 miRNA, die in den Th17- Zellen heraufreguliert waren. In der Ana- lyse mit der quantitativen PCR war über- exprimierte mmu-miR-721 spezifisch für Myokarditiden. Dies galt bei der auto- immunen und viralen Genese. Das nicht bekannte humane Äquivalent wurde mit einem Genomscreening auf ho- mologe Sequenzen gesucht. Eine 18-Nu- kleotidsequenz auf Chromosom 8 war mit mmu-miR-721 identisch, die als hsa- miR-Chr8 : 96 bezeichnet wurde. Deren Re- levanz überprüften die Autoren zunächst bei 132 Patienten mit Myokarditiden oder Myokardinfarkten und 80 Kontrollen. Die neue miRNA wurde spezifisch von Th17- Zellen bei Myokarditispatienten gebildet. 6 Kardiologie up2date 2022; 18: 5–11 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Studienreferate gepasste, langsam gesteigerte Trainings- intensität wurden 4 motorische Hauptqua- litäten (Ausdauer, Kraft, Koordination, Flexibilität) verbessert und der primäre Studienendpunkt als validierter Summen- score der körperlichen Funktionen signifi- kant gesteigert. Diese Fähigkeiten sind für eine selbstbestimmte Versorgung und die Beweglichkeit im Alltag sowie als Sturzpro- phylaxe entscheidend. Auch alle Subgrup- pen zeigten einen klaren Trend zugunsten der Reha-Intervention. Eine signifikante Reduktion klinischer Endpunkte wurde nicht erreicht. Dazu war die Kohorte zu klein und das Follow-Up mit 6 Monaten zu kurz. In dieser Studie war der frühe Beginn der Reha-Maßnahmen, unmittelbar nach Re- kompensation und Stabilisierung der Herz- insuffizienz, wichtig. Damit passt die hier beschriebene Intervention sehr gut zu dem in Deutschland etablierten System der Anschluss-Rehabilitation (AHB), die un- mittelbar nach Entlassung aus der Akutkli- nik beginnt. Das Fortführen der Reha-Maß- nahmen über Monate ist in Deutschland bei Patienten mit Herzinsuffizienz jedoch noch nicht üblich. Um dieses Manko aus- zugleichen werden jetzt die neuen ambu- lanten Herzinsuffizienzgruppen der DGPR in ganz Deutschland etabliert [3]. Diese sind von allen Kostenträgern anerkannt und sollen die positiven Effekte der körper- lichen Trainingstherapie nach Entlassung aus der KardReha bei Patienten mit Herz- insuffizienz verstetigen [4]. In der Studie von Kitzman et al. wurde die Bewegungstherapie in ambulanten Reha- Einrichtungen fortgeführt, an drei Tagen pro Woche, für jeweils 60 Minuten Dauer, über 12 Wochen, oder maximal 36 Sitzun- gen, „sobald der Patient dazu in der Lage war“. Allerdings wurden die besonders schwachen Patienten von Therapeuten zu- hause betreut, bis sie körperlich in der Lage waren, die Reha in den ambulanten Einrichtungen aufzunehmen. Damit unter- scheidet sich diese 1 : 1 Betreuung in der Studie sehr deutlich vom Versorgungsall- tag der Patienten in Deutschland und es bleibt auch insgesamt fraglich, ob die hier erzielten Ergebnisse auf die große All- gemeinheit der multimorbiden Patienten mit dem klinischen Syndrom Herzinsuffi- zienz übertragen werden können. Von 27 300 stationär aufgenommen Patienten mit kardialer Dekompensation wurden nach Screening der elektronischen Patien- tenakten 98,7 % wegen vorliegender Aus- schlusskriterien nicht weiter evaluiert. Aus dieser superselektionierten Entität konnten jedoch 87 % der randomisierten Patienten (304 von 349) die Trainings-basierte Reha- bilitation über 6 Monate zu Ende führen. Die Adhärenz zu den Reha-Anwendungen war mit 78 ± 3 % sehr hoch. Zusammenfassend sollte die Trainings-ba- sierte-Rehabilitation auch in Deutschland ein fester Bestandteil der sektorenüber- greifenden, multiprofessionellen Therapie der Patienten mit Herzinsuffizienz werden. Entscheidend dafür sind die Überwindung von Zugangsbarrieren an den Schnittstel- len zwischen den Leistungserbringern, ein früher Beginn der Bewegungstherapie nach Rekompensation und deren Fortset- zung am Wohnort. Entscheidend für den Erfolg sind die sorgfältige Auswahl der Pa- tienten und die Adhärenz zu dieser nicht- pharmakologischen Therapie. Die adäqua- ten Auswahlkriterien auf Patientenseite müssen jedoch weiter evaluiert werden. Dabei dürfen Alter und Gebrechlichkeit keine Ausschlusskriterien für eine trai- ningsbasierte Rehabilitation von Patienten mit Herzinsuffizienz sein. Das hat die Stu- die von Kitzman et al. sehr deutlich ge- zeigt. Interessenkonflikt Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Autorinnen/Autoren Bernhard Schwaab Prof. Dr. med. Curschmann Klinik, Rehabilitationskranken- haus für Kardiologie, Angio- logie, Diabetologie, Timmen- dorfer Strand; Präsident der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreis- lauferkrankungen (DGPR) e. V. Literatur [1] Deutsche Herzstiftung. Deutscher Herz- bericht 2020. Frankfurt am Main: Deutsche Herzstiftung; 2020: 165. https://www.herz- stiftung.de/service-und-aktuelles/publikatio- nen-und-medien/herzbericht [2] Jünger C, Rauch B, Schneider S et al. Effect of early short-term cardiac rehabilitation after acute ST-elevation and non-ST-elevation myocardial infarction on 1-year mortality. Curr Med Res Opin 2010; 26: 803–811. doi:1 0.1185/03007991003604216 [3] Wienbergen H, Schwaab B, Bjarnason-Weh- rens B et al. Ärztliche Betreuung von ambu- lanten Herzgruppen. Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK) in Ko- operation mit der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreis- lauferkrankungen (DGPR). Kardiologe 2020. doi:10.1007/s12181-020-00433-w [4] Güder G, Wilkesmann J, Scholz N et al. Estab- lishing a cardiac training group for patients with heart the “HIP-in-Würzburg” study. Clin Res Cardiol 2021. doi:1 0.100 7/s 00392-021-01892-1 failure: Signifikant erhöhtes CV-Risiko nach COVID-19- Erkrankung Katsoularis I et al. Risk of acute myocardial infarc- tion and ischemic stroke following COVID-19 in Sweden: a self-controlled case series and matched cohort study. Lancet 2021; 398: 599–607. doi:10. 1055/a-1662-8956 In der Anfangszeit der SARS-CoV-2- Pandemie lag der Fokus des klinischen Interesses auf schweren Akutverläufen der COVID-19-Erkrankung mit Pneu- monie und akutem Atemnotsyndrom. Im Laufe der Zeit stellt sich aber he- raus, dass thrombotische Komplikatio- nen nach einer COVID-19-Erkrankung erheblich zur Morbidität und Mortalität beitragen. Dies wird jetzt von umfang- reichen aktuellen Daten aus Schweden untermauert. Zwischen Februar und September 2020 wurden in Schweden insgesamt 86 742 SARS-CoV-2-Infektionen verzeichnet. Das mediane Alter der Betroffenen betrug 48 Jahre und 43 % waren Männer. Die retro- spektiven Analysen basieren auf Daten einer selbstkontrollierten Fallserie (self 8 Kardiologie up2date 2022; 18: 5–11 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

unterschieden sich Effektivität und Kompli- kationen von 81 mg vs. 325 mg ASS nicht signifikant: ▪ Sterblichkeit/Myokardinfarkt/Schlag- anfall HR 1,02 (7,28 % vs. 7,51 %; 95 %- KI 0,91–1,14) und ▪ transfusionspflichtige Hämorrhagie HR 1,18 (0,63 % vs. 0,60 %; 95 %-KI 0,79– 1,77). gesellschaften wider: Die aktuellen Leitlini- en der Europäischen Gesellschaft für Kar- diologie (ESC) empfehlen eine vergleichs- weise niedrige Dosis (75 bis 100 mg täg- lich) [2], während sich die Leitlinien der amerikanischen Fachgesellschaften (ACC/ AHA) nicht festlegen möchten und daher eine sehr breite Therapiespanne von 81 bis 325 mg ASS täglich vorschlagen [3]. 315 Patienten mit 81 mg und 357 Patien- ten mit 325 mg ASS starben (HR 0,87 95 %-KI 0,75–1,01). Für die übrigen End- punkte ergaben sich keine wesentlichen Unterschiede. FAZIT Aus der niedrigen Dosierung von ASS resultierte kein geringerer Nutzen, aber auch kein reduziertes Blutungsrisiko. Die Gruppen wiesen aber einen anderen Unterschied auf, der laut den Autoren eine Datenver- zerrung begünstigen könne: Patien- ten mit 325 mg stellten die Therapie häufiger auf 81 mg um als umge- kehrt (41,6 % vs. 7,1 %). Die geringe- re Adhärenz könne an der Patienten- präferenz, der Inkorporation europä- ischer Empfehlungen, leichten Blu- tungsereignissen und konkurrieren- den Erkrankungen gelegen haben. Dr. med. Susanne Krome, Melle Kommentar zu „‚Baby-ASS‘ ohne Nachteile“ Im Rahmen der Sekundärprävention bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankun- gen gehört eine in der Regel lebenslange Gabe von ASS zu den zentralen Säulen der medikamentösen Therapie. Während die Effektivität der Therapie im Rahmen zahl- reicher Studien klar belegt werden konnte [1], gibt es bezüglich der „optimalen Do- sis“ teils widersprüchliche Ergebnisse und dementsprechend seit vielen Jahren kon- troverse Diskussionen. Die „Unschärfe“ in Bezug auf die optimale ASS-Dosierung spiegelt sich auch auf der Ebene der Leit- linien verschiedener kardiologischer Fach- Aktuelle Daten der randomisierten Studie Aspirin Dosing: A Patient-Centric Trial As- sessing Benefits and Long-Term Effective- ness (ADAPTABLE), die jüngst im Rahmen des Jahreskongresses des American Col- lege of Cardiology (ACC 21) vorgestellt und parallel im New England Journal of Medicine publiziert wurden, zeigten kei- nerlei Unterschiede in puncto Effektivität oder Sicherheit einer niedrigen (81 mg) vs. eine hohe (325 mg) ASS-Dosis. Für die Praxis lässt sich somit klar ableiten, dass eine niedrig dosierte ASS-Therapie mit einer Dosis von ≤ 100 mg/täglich effek- tiv und sicher ist. Höhere Dosierungen soll- ten in der Dauertherapie nicht verwendet werden, und zwar auch deswegen nicht, weil die Compliance der Patienten unter höheren Dosierungen in ADAPTABLE und auch im klinischen Alltag deutlich reduziert ist. Tatsächlich verbleibt die hohe Cross- over-Rate (> 41 %) von der hohen zur nied- rigen Dosis als wichtigste Limitation der Studie. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die erhobenen Ergebnisse dadurch signifikant beeinflusst wurden. und Bemerkenswert an der ADAPTABLE-Studie ist v. a. der pragmatische, ökonomische und innovative Charakter mit virtueller webbasierter Einverständniserklärung, Visi- ten Event-Adjudizierung. Durch ADAPTABLE wurde somit gezeigt, wie Stu- dien im Bereich der kardiovaskulären Medi- zin in Zukunft pragmatisch und effektiv konzipiert werden können. Damit ergibt sich die Möglichkeit, dringende klinische Fragestellungen zügig und fokussiert zu beantworten. Auch nach ADAPTABLE besteht sicherlich weiterer Forschungsbedarf für die Effektivi- tät und Sicherheit höherer ASS-Dosierun- gen bei adipösen Patienten (BMI-adaptier- te Dosierung) und bei Hochrisikokollek- tiven wie Patienten mit koronarer Mehr- gefäßerkrankung und multiplen kardio- vaskulären Risikofaktoren. Evidenzbasierte Therapiekonzepte favorisieren derzeit im Kollektiv der Patienten mit hohem throm- botischem und niedrigem Blutungsrisiko keine Erhöhung der ASS-Dosis, sondern vielmehr eine duale antithrombozytäre Therapie (ASS + X) mit einer niedrigen Do- sis ASS und Hinzunahme von Rivaroxaban (2,5 mg 2 × täglich) oder eines P2Y12-An- tagonisten wie z. B. Ticagrelor, Clopidogrel oder Prasugrel [2]. Interessenkonflikt Honorare für Vorträge und Advisory Board Aktivitäten von Sanofi, Bayer, Daiichi, Pfizer, AstraZeneca. Autorinnen/Autoren Dirk Sibbing Prof. Dr. med. Privatklinik Lauterbacher Mühle am Oster- see, Seeshaupt; Klinikum der Universität München, Ludwig- Maximilians-University, Department of Cardiology, München; German Center for Cardiovascular Research (DZHK), Partner Site Munich Heart Alliance Literatur [1] Antithrombotic Trialistsʼ (ATT) Collaboration. Aspirin in the primary and secondary preven- tion of vascular disease: collaborative meta- analysis of individual participant data from randomised trials. Lancet 2009; 373: 1849– 1860. doi:10.1016/S0140-6736(09)60503-1 [2] Knuuti J, Wijns W, Saraste A et al. 2019 ESC Guidelines for the diagnosis and manage- ment of chronic coronary syndromes. Eur Heart J 2020; 41: 407–477. doi:10.1093/eur heartj/ehz425 [3] Amsterdam EA, Wenger NK, Brindis RG et al. 2014 AHA/ACC Guideline for the Manage- ment of Patients with Non-ST-Elevation Acute Coronary Syndromes: a report of the American College of Cardiology/American Heart Association Task Force on Practice Guidelines. J Am Coll Cardiol 2014; 64: e139–e228. doi:10.1016/j.jacc.2014.09.017 Kardiologie up2date 2022; 18: 5–11 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 11

SOP/Arbeitsablauf SOP Der herzkranke Diabetespatient Johannes Gollmer, Andreas Zirlik, Heiko Bugger Evidenz aus klinischen Studien der vergangenen Jahre hat zu wesentlichen Veränderungen der Therapieempfehlungen für Patienten mit Diabetes mellitus mit begleitenden kardiovaskulären Risikofaktoren und Erkrankungen geführt. Im nachfolgenden Diagnostik- und Therapiealgorithmus werden aktuelle Empfeh- lungen unterschiedlicher Leitlinien in einem vereinfachten, pragmatischen Leitfaden kombiniert, der auf den weit überwiegenden Teil aller Patienten mit Typ-2-Diabetes angewendet werden kann. ABKÜR ZUNGEN ESC GLP1-RA Glucagon-like-Peptide-1-Rezeptor- European Society of Cardiology HFpEF HFrEF MACE SGLT2 Agonist Herzinsuffizienz mit erhaltender Ejektionsfraktion Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion Major adverse cardiac Event Sodium-Glukose-Co-Transporter 2 Einleitung Im Jahr 2019 litten ca. 463 Millionen Menschen an Dia- betes mellitus und zusätzliche 374 Millionen an einer ge- störten Glukosetoleranz. Die International Diabetes Fede- ration prognostiziert, dass bis 2045 bis zu 700 Millionen Menschen von Typ-2-Diabetes betroffen sein werden [1]. Hinzu kommt, dass ca. 50 % der Patienten mit Typ-2-Dia- betes nicht wissen, dass sie erkrankt sind. Wesentliche Ursache dieser hohen Prävalenz ist eine zu- nehmende Alterung der Bevölkerung sowie Lifestyle- veränderungen (z. B. Fehlernährung, Bewegungsmangel), die insbesondere das Auftreten von Übergewicht zuneh- men lassen und kollektiv die Entwicklung von Typ-2-Dia- betes begünstigen. Trotz Verbesserungen in Diagnostik und Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen sind kardio- vaskuläre Ereignisse wie der akute Herzinfarkt und der Schlaganfall sowie ein vermehrtes Auftreten einer Herzin- suffizienz weiterhin die häufigsten Ursachen für eine er- höhte Morbidität und Letalität von Menschen mit Typ-2- Diabetes [2]. Basierend auf den erfreulichen Ergebnissen klinischer Stu- dien der vergangenen Jahre, die insbesondere den kardio- vaskulären Nutzen neuerer Antidiabetika nachwiesen, wurden die Behandlungsempfehlungen von Leitlinien der Fachgesellschaften zur Behandlung von Menschen mit Diabetes mellitus fortlaufend modifiziert. Im nachfolgen- den Diagnostik- und Therapiealgorithmus werden aktuel- le Empfehlungen unterschiedlicher Leitlinien in einem ver- einfachten, pragmatischen Leitfaden kombiniert, der auf den weit überwiegenden Teil aller Patienten mit Typ-2- Diabetes zur Prävention oder Behandlung von kardiovas- kulären Erkrankungen angewendet werden kann. Diagnostik Typ-2-Diabetes geht häufig mit kardiovaskulären Risiko- faktoren einher (z. B. Hypertonie, Dyslipidämie), erhöht das Risiko für eine koronare Herzerkrankung und eine Herzinsuffizienz und beschleunigt deren Entwicklung und Schweregrad. Merke Daher sollte kontinuierlich, insbesondere aber bei Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren oder manifester kardiovaskulärer Erkrankung, ein Diabetes- Screening mittels Bestimmung der Nüchternglukose (≥ 126 mg/dl; 7 mmol/mol) und/oder des HbA1c-Wertes (≥ 6,5 %; 48 mmol/mol) erfolgen. Liegt grundsätzlich ein Typ-2-Diabetes vor, sollte eine Ein- schätzung des kardiovaskulären Risikos erfolgen, z. B. an- hand des kardiovaskulären Risiko-Scores (Score2) der ESC- Leitlinien (ESC: European Society of Cardiology) [3]. Der weit überwiegende Teil aller Patienten wird aufgrund des Typ-2-Diabetes automatisch in die kardiovaskuläre Hoch- oder Höchstrisikogruppe fallen, für die dieser Leitfaden Gollmer J et al. SOP Der herzkranke ... Kardiologie up2date 2022; 18: 13–18 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 13

gelten soll. In die Höchstrisikogruppe gehören alle Dia- betiker mit bereits etablierter atherosklerotischer Erkran- kung (koronare Herzerkrankung, zerebrale/periphere ar- terielle Verschlusskrankheit), mit anderen Endorganschä- den (Niereninsuffizienz, Polyneuropathie, Retinopathie) oder mit 3 oder mehr kardiovaskulären Risikofaktoren (Al- ter, Hypertonie, Dyslipidämie, Nikotinkonsum, Adiposi- tas). Die übrigen Patienten fallen prinzipiell in die Hoch- risikogruppe und nur dann in die Gruppe mit moderatem Risiko, wenn der Diabetes erst seit kurzer Zeit besteht (< 10 Jahre) und kein Endorganschaden oder oben ge- nannter Risikofaktor vorliegt. Diabetesdauer und bisheri- ge Therapie, Evaluation von kardiovaskulären Risikofak- toren und Erkrankungen, Diagnostik von Endorganschä- den sowie ein EKG und eine transthorakale Echokardio- grafie sind somit die notwendigen Voraussetzungen, um entsprechende präventive und therapeutische Maßnah- men vornehmen zu können (▶ Abb. 1). Prävention und Therapie Kardiovaskuläre Risikopatienten und atherosklerotische Erkrankung Patienten mit Typ-2-Diabetes und hohem kardiovaskulä- rem Risiko bzw. manifester atherosklerotischer Erkran- kung wird eine Lebensstiländerung mit Ernährungs- umstellung und Gewichtsreduktion, vermehrter körper- licher Aktivität und Nikotinabstinenz empfohlen. Der Al- gorithmus zur blutzuckersenkenden Therapie hat sich durch den Nachweis eines kardiovaskulären Nutzens be- stimmter neuer Antidiabetika gewandelt. Für Antidiabetika, die eine renale Glukoseausscheidung durch Hemmung des Sodium-Glukose-Co-Transporters 2 (SGLT2i) bedingen, konnte bei Patienten mit hohem kar- diovaskulärem Risiko oder manifester kardiovaskulärer Er- krankung nachgewiesen werden, dass eine Senkung des klassischen kombinierten kardiovaskulären Ereignisend- punkts aus kardiovaskulärem Tod, nicht fatalem Herz- infarkt und nicht fatalem Schlaganfall (MACE) sowie eine Reduktion von Gesamtletalität und Herzinsuffizienzhospi- talisierung erreicht werden kann [4, 5, 6]. Glucagon-like-Peptide-1-Rezeptor-Agonisten (GLP1-RA) entfalten ihre antidiabetische Wirkung durch Erhöhung der Insulinverfügbarkeit und zellulären Glukoseaufnahme, Hemmung der Glukagonfreisetzung, Verzögerung der Magenentleerung sowie Verstärkung des Sättigungs- gefühls. Ähnlich den SGLT2i konnte bei Diabetikern mit kardiovaskulären Risikofaktoren oder manifester kardio- vaskulärer Erkrankung eine Senkung des MACE-Endpunkts und teilweise auch der Gesamtletalität nachgewiesen werden [7, 8, 9, 10]. Obwohl die untersuchten Kollektive und jeweiligen positi- ven Effekte teilweise leicht zwischen den Studien differier- ten, können die entsprechenden Medikamente (SGLT2i: Empagliflozin, Dapagliflozin, Canagliflozin; GLP1-RA: Lira- glutid, Semaglutid, Dulaglutid, Albiglutid) im Sinne eines Klasseneffekts zur Prävention und Therapie empfohlen werden. Merke Entsprechend den Empfehlungen der ESC richtet sich die Einleitung eines Antidiabetikums zunächst prinzi- piell nicht mehr nach dem HbA1c-Wert, sondern nach dem individuellen Risiko für eine kardiovaskuläre Erkrankung. Alle Diabetiker in der kardiovaskulären Hoch- oder Höch- strisikogruppe, die entweder bislang keine Therapie oder nur Metformin als Dauertherapie haben, sollten jedenfalls (unabhängig vom HbA1c-Wert) mit einem SGLT2i oder GLP1-RA behandelt werden [11]. Ist der HbA1c oberhalb des grundsätzlichen HbA1c-Ziel- werts von < 7 %, sollte Metformin ergänzt werden, wenn initial mit SGLT2i oder GLP1-RA behandelt wurde. Ein we- niger strenges HbA1c-Ziel sollte bei langer Diabetesdauer, hohem Alter oder Gebrechlichkeit erwogen werden. Be- steht bereits eine Kombinationstherapie und das HbA1c- Ziel wird nicht erreicht, sollte zunächst die jeweils andere Substanzklasse mit nachgewiesenem kardiovaskulärem Benefit erwogen werden (GLP1-RA oder SGLT2i), bevor weitere Alternativen zur HbA1c-Einstellung in Anspruch genommen werden. GLP1-RA scheinen vermehrt anti- inflammatorisch und antiatherosklerotisch zu wirken, während SGLT2i offenbar insbesondere eine Herzinsuffi- zienz beeinflussen, sodass diese Wirkungscharakteristika bei der Wahl der ersten Substanz herangezogen werden können (s. ▶ Abb. 1) [12]. Bei einer SGLT2i-Therapie kann es vermehrt zu urogenita- len Pilzinfektionen kommen, die häufiger bei Frauen als bei Männern auftreten. Eine seltene, aber potenziell schwere Komplikation ist eine diabetische Ketoazidose, die insbesondere dann auftreten kann, wenn eine Kom- binationstherapie mit einem Insulin oder Sulfonylharnstoff besteht. Bei den GLP1-RA kommt es nach Beginn häufig zu gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen, welche sich mit zunehmender Therapiedauer meist abmildern. Zudem ist auf Komplikationen an den Injektionsstellen zu achten. Speziell für eine Therapie mit Semaglutid ist zu beachten, dass in der SUSTAIN-6-Studie eine höhere Rate an diabetischer Retinopathie im Ver- gleich zur Placebogruppe beobachtet wurde [13]. Blutdruckziele liegen bei Patienten mit Typ-2-Diabetes bis 65 Jahre bei 120–130/70–80 mmHg, bei Patienten > 65 Jahre bei 130–139/70–80 mmHg. Gollmer J et al. SOP Der herzkranke ... Kardiologie up2date 2022; 18: 13–18 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 15

Interessenkonflikt Johannes Gollmer: keine. Heiko Bugger: Boehringer Ingelheim (Advisory board). Andreas Zirlik: Consultant: Bayer Health Care, Boehringer Ingelheim, Sanofi, Novartis; Honoraria for lectures: Bayer Health Care, Astra Zeneca, Boehringer Ingel- heim, Sanofi Aventis, Pfizer, Novartis, Bristol Myers Squibb, Daichi Sankyo. Autorinnen/Autoren Johannes Gollmer Dr. med. Studium der Humanmedizin an der Universität Freiburg. Assistenzarzt in Facharzt- ausbildung Innere Medizin und Kardiologie zunächst 2017–2019 am Universitäts-Herz- zentrum Freiburg und seit 2019 am LKH-Univer- sitätsklinikum Graz. Andreas Zirlik Univ.-Prof. Dr. med. Studium der Humanmedi- zin an der Universität Leipzig. Facharzt für Inne- re Medizin und Kardiologie. Seit 2018 Professor für Innere Medizin und Kardiologie an der Medizinischen Universität Graz und Leiter der Klinischen Abteilung für Kardiologie am LKH- Universitätsklinikum. Seit 2020 Leiter des Universitären Herz- zentrums Graz. Heiko Bugger Prof. Dr. med. Studium der Humanmedizin an der Universität Freiburg. Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, und internistische Inten- sivmedizin. Professor für Kardiovaskuläre Immu- nologie an der Medizinischen Universität Graz und Oberarzt am Universitären Herzzentrum Graz. Korrespondenzadresse Ass.-Prof. Dr. Heiko Bugger, FESC Oberarzt, Klinische Abteilung für Kardiologie, LKH Universitätsklinikum Graz Auenbruggerplatz 15 8036 Graz Österreich heiko.bugger@medunigraz.at Literatur [1] [2] Sinclair A, Saeedi P, Kaundal A et al. Diabetes and global ageing among 65–99-year-old adults: Findings from the International Diabetes Federation Diabetes Atlas, 9 th edition. Diabetes Res Clin Pract 2020; 162: 108078. doi:10.1016/j.diabres.2020.108 078 Pearson-Stuttard J, Bennett J, Cheng YJ et al. Trends in predom- inant causes of death in individuals with and without diabetes in England from 2001 to 2018: an epidemiological analysis of linked primary care records. 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Schritt für Schritt Elektrische Kardioversion – Schritt für Schritt Jan Peter Berg, Daniel Rabe, Markus Christoph Degenhardt Der letztes Jahr erschienenen Leitlinie des European Resuscitation Council (ERC) zum Advanced Life Support des Erwachsenen sowie den aktuell gültigen Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) zu Therapien von Herzrhythmusstörungen ist eines gemeinsam: Führt eine tachykarde Herzrhythmusstörung zu Instabilität, ist zur Terminierung die elektrische Kardioversion Methode der Wahl – unabhängig vom Ursprungsort der Rhythmusstörung. ABKÜR ZUNGEN AVNRT AV-Knoten-Reentry-Tachykardie (N = Nodus) AV-Reentry-Tachykardie European Resuscitation Council European Society of Cardiology AVRT ERC ESC Einleitung Grundsätzlich können verschiedene tachykarde Herz- rhythmusstörungen eine elektrische Kardioversion erfor- derlich machen. Die Leitlinien empfehlen jeweils außer- halb von Reanimationsbedingungen die synchronisierte elektrische Kardioversion bei Instabilität bedingt durch: Vorhofflimmern, AV-Knoten-Reentry-Tachykardie (AVNRT; N = Nodus), AV-Reentry-Tachykardie (AVRT), fokal atriale Tachykardie oder ventrikuläre Tachykardie [1, 2, 3, 4]. Gleiches gilt für tachykarde Herzrhythmusstörungen mit schmalem oder breitem Kammerkomplex bei Instabilität, selbst wenn eine genaue Zuordnung noch nicht möglich ist [3]. Das dargestellte Vorgehen bezieht sich auf die Behand- lung Erwachsener. Der Algorithmus zu instabilen tachy- karden Herzrhythmusstörungen bei Kindern ist nicht Ge- genstand dieser Arbeit. Im Gegensatz zur Defibrillation erfolgt die Kardioversion R-Zacken synchron. Hierdurch wird eine Schockabgabe in der vulnerablen Phase – mit der Gefahr der Induktion von Kammerflimmern – verhindert. Grundsätzlich sollte die Kardioversion biphasisch erfolgen. Indikationsstellung Die Indikation ergibt sich aus dem Vorliegen einer rele- vanten tachykarden Herzrhythmusstörung und der daraus resultierenden Instabilität. Es ist also eine elektrokardio- grafische Dokumentation der Tachykardie erforderlich. Die Ableitung eines 12-Kanal-EKGs vor Kardioversion wird durch die Leitlinien direkt nur für die stabilen Patient*in- nen empfohlen [1, 3, 4]. Bei bestehender Instabilität sollte die Kardioversion nicht verzögert werden. Bei grenzwerti- ger Stabilität ist das 12-Kanal-EKG hingegen sehr hilfreich, da durch dieses eventuell erst die Instabilität nachgewie- sen werden kann (siehe Instabilitätskriterien). Außerdem sollte vor einem Kardioversionsversuch eine Sinustachy- kardie sicher ausgeschlossen sein. Nicht unerwähnt blei- ben sollte auch, dass ein vorliegendes 12-Kanal-EKG für die weitere Therapieplanung vorteilhaft sein kann. Dies gilt insbesondere, wenn in der Akutsituation die genaue Entität der Herzrhythmusstörung nicht sicher geklärt wer- den kann. PR A XISTIPP Wenn kein 12-Kanal-EKG erstellt wurde, sollte zu- mindest ein Ausdruck des Monitor- oder Defibrilla- tor-EKGs für die Akte festgehalten werden. Instabilitätskriterien sind gemäß ERC-Leitlinie ▪ Schock – erkennbar an Hypotension (z. B. systolischer Blutdruck < 90 mmHg), an Symptomen gesteigerter Sympathikusaktivität und an reduziertem zerebralem Blutfluss ▪ Synkope – als Konsequenz reduzierten zerebralen Blutflusses ▪ schwere Herzinsuffizienz mit Ausbildung eines Lungen- ödems (Linksherzinsuffizienz) und/oder mit erhöhtem jugularvenösem Druck (Rechtsherzinsuffizienz) Berg JP et al. Elektrische Kardioversion ... Kardiologie up2date 2022; 18: 19–24 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 19

▶ Abb. 3 Vorbereitung der Sedierung. PR A XISTIPP Eine weitere hämodynamische oder auch respirato- rische Verschlechterung unter Sedierung muss anti- zipiert werden. Vor diesem Hintergrund werden Katecholamine zur Verabreichung bereitgelegt. Gegebenenfalls kann ein Noradrenalinperfusor auf- gezogen werden. Eine Nasenbrille zur möglichen Sauerstoffgabe wird angelegt. Material zur notfall- mäßigen Atemwegssicherung muss sich vorbereitet in Reichweite befinden. Schritt 3 R-Zacken-Synchronisation Zur Sicherstellung einer R-Zacken-gesteuerten Kardiover- sion wird die Sync-Funktion aktiviert und sich davon über- zeugt, dass eine korrekte Ableitung und Markierung der Kammerkomplexe erfolgt (▶ Abb. 4). den Defibrillator durch ▶ Abb. 2 Monitoring und Defibrillationselektroden, hier in anteroposteriorer Position. Posteriore Ansicht: Elektrode posterior zum Herzen knapp unterhalb der linken Skapula. Schritt 2 Peripherer Zugang und Vorbereitung der Medikamente Neben der Anlage mindestens eines sicheren peripherve- nösen Zugangs werden die für eine adäquate Sedierung notwendigen Medikamente vorbereitet (▶ Abb. 3). Es ste- hen verschiedene Präparate wie z. B. Propofol, Midazolam oder Etomidat zur Auswahl. Letzteres bedingt die gerings- te hämodynamische Beeinträchtigung, wird aber ansons- ten kontrovers diskutiert [5]. PR A XISTIPP Der/die Anwender*in sollte ein Medikament einset- zen, mit dem er/sie selbst erfahren und sicher im Umgang ist. ▶ Abb. 4 Aktivierung der Sync-Funktion. Die gelben „S“ markieren die in diesem Fall korrekt erfassten Kammer- komplexe (Zoll X Series). Berg JP et al. Elektrische Kardioversion ... Kardiologie up2date 2022; 18: 19–24 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 21

▶ Abb. 8 Dokumentation der Erfolgskontrolle mit Vorliegen eines stabilen Sinusrhythmus. Merke Interessenkonflikt Um die Brandgefahr in einer mit Sauerstoff angereicher- ten Atmosphäre zu minimieren, empfiehlt die Leitlinie während der Schockabgabe einen Sicherheitsabstand für Nasenbrille oder Sauerstoffmaske von mindestens 1 m vom Brustkorb des/der Patienten*in entfernt. Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Autorinnen/Autoren PR A XISTIPP Sollte bereits Sauerstoff über die vorbereitete Nasenbrille oder eine Maske appliziert werden, so ist diese für die unmittelbare Schockabgabe zu entfernen. Schritt 7 Erfolgskontrolle Es folgt die Überprüfung und Dokumentation des Kardio- versionserfolgs (▶ Abb. 8) sowie die Prüfung der hämody- namischen wie auch respiratorischen Situation. Gegebe- nenfalls werden die zuvor vorbereiteten Maßnahmen zur Kreislaufunterstützung oder zur Verbesserung der Oxy- genierung ergriffen. Bei Stabilität wird erneut ein 12-Ka- nal-EKG abgeleitet. PR A XISTIPP War die Kardioversion primär nicht erfolgreich, wird die korrekte Anbringung der Elektroden überprüft. Die Kardioversion wird maximal noch 2-malig mit jeweils höherer Energie (bspw. je 50 J mehr), sofern möglich, wiederholt. Sollte auch dies nicht erfolg- reich sein, wird unter Berücksichtigung der Kontra- indikationen eine medikamentöse antiarrhyth- mische Therapie mit 300 mg Amiodaron i. v. über 10–20 Minuten verabreicht und erneut eine Kardio- version durchgeführt. Hiernach kann eine Infusion mit 900 mg Amiodaron über eine Laufzeit von 24 Stunden verabreicht werden. Jan Peter Berg Dr. med., Jg. 1980. 2001–2007 Studium der Humanmedizin an der Rheinischen Friedrich- Wilhelms-Universität Bonn. 2013 Facharzt für Innere Medizin. 2017 Facharzt für Innere Medi- zin und Kardiologie. 2018 Zusatzbezeichnung Notfallmedizin. 2020 Zusatzbezeichnung Klinische Akut- und Notfallmedizin. 2018–2020 Oberarzt Zentrale Notaufnahme Malteser Krankenhaus Bonn/Rhein- Sieg. Seit 2021 leitender Oberarzt Zentrale Notaufnahme Helios Klinikum Bonn/Rhein-Sieg. Daniel Rabe Jg. 1992. 2013–2019 Studium der Humanmedi- zin an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. 2018 Erhalt des Bauerfeind Förderprei- ses im Rahmen des Doktorandenprogramms. 2020 Beginn zur Facharztweiterbildung Innere Medizin Malteser Krankenhaus Bonn/Rhein- Sieg. Seit 2021 Facharztweiterbildung Innere Medizin im Helios Klinikum Bonn/Rhein-Sieg. Markus Christoph Degenhardt Dr. med., Jg. 1987. 2006–2013 Studium der Humanmedizin an der Rheinischen Friedrich- Wilhelms-Universität Bonn. 2014–2016 Assis- tenzarzt der Klinik und Poliklinik für Anästhesio- logie und Operative Intensivmedizin am Univer- sitätsklinikum Bonn. Ab 2016 Assistenzarzt für Innere Medizin und Kardiologie, seit 2020 in der Klinik für Innere Medizin III: Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin am Universitätsklinikum des Saarlandes. Berg JP et al. Elektrische Kardioversion ... Kardiologie up2date 2022; 18: 19–24 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 23

Kardiologie up2date 1 · 2022 Herzklappenerkrankungen 3 Der ältere Patient mit Klappenvitium Mohammad Almalla Annemarie Kirschfink Marcus Haushofer Ertunc Altiok VNR: 2760512022161722790 DOI: 10.1055/a-1075-3648 Kardiologie up2date 2022; 18 (1): 25–44 ISSN 1611-6534 © 2022 Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

CME-Fortbildung Der ältere Patient mit Klappenvitium Mohammad Almalla, Annemarie Kirschfink, Marcus Haushofer, Ertunc Altiok Lebensqualität, Selbstständigkeit und Verbesserung der Symptome sind die Therapieziele bei älteren Patienten mit Klappenvitium. Vor einer Therapieentschei- dung sollte die Gebrechlichkeit des Patienten erfasst werden, weil Einschränkungen im funktionellen Status mit erhöhter Morbidität und Mortalität verbunden sind. Insgesamt unterscheiden sich die klinischen Befunde, die Diagnostik, das Manage- ment und die Therapieoptionen zwischen den unterschiedlichen Klappenvitien. Einleitung Herzklappenerkrankungen Merke Die häufigsten behandlungsrelevanten Herzklappen- erkrankungen sind heutzutage bei älteren Patienten die Aortenklappenstenose und die Mitralklappeninsuffizi- enz [1]. Die Ätiologie, das Management der Herzklappenerkran- kungen und die zu erwartenden Ergebnisse der Herzklap- pentherapie differieren zwischen älteren und jüngeren Pa- tienten [2]. Alle relevanten Herzklappenerkrankungen sind ohne The- rapie mit einer ungünstigen Prognose assoziiert. Die Mor- talität nach klassisch chirurgischer Herzklappenoperation bleibt aufgrund multipler Begleiterkrankungen in dieser Patientengruppe hoch. Weiterhin ist die Lebensqualität ein wichtiger Punkt bei der Behandlungsentscheidung. In den letzten Jahren haben die interventionellen Therapie- optionen immer mehr an Bedeutung gewonnen. Dabei hat der große Erfolg der Transkatheter-Aortenklappen- implantation (TAVI) die aktive Entwicklung der perkuta- nen Mitral- und Trikuspidalklappenintervention voran- getrieben. Demografie und Epidemiologie Die Bevölkerung der Europäischen Union wurde am 1. Ja- nuar 2018 auf 512,4 Millionen Menschen geschätzt. Älte- re Personen (≥ 65 Jahre) machten einen Anteil von 19,7 % aus, was einem Anstieg von 0,3 Prozentpunkten gegen- über dem Vorjahr und einem Anstieg von 2,6 Prozent- punkten in den letzten 10 Jahren entspricht. Merke Bislang gibt es keine universelle Definition des älteren Menschen und es konnte kein neuer Biomarker für das Altern identifiziert werden. Die WHO definiert eine Person als älteren Menschen ab einem Lebensalter von 60 Jahren, während die meisten amerikanischen Klassifikationen ein Alter von 65 Jahren verwenden. Wenn bei der interventionellen Behandlung von Herzklappenerkrankungen ältere Patienten themati- siert werden, dann betrifft dies in der Regel jedoch Men- schen im Alter > 70–75 Jahre, d. h. betagte bzw. hoch- betagte Patienten und nicht pauschal ältere Patienten (> 65 Jahre). Somit beschäftigt sich diese Übersichtsarbeit im Wesentlichen mit betagten bzw. hochbetagten Patien- ten, ohne eine allgemeine Altersgrenze festzusetzen. Die unterschiedlichen Definitionen begründen sich da- durch, dass die physiologischen Altersveränderungen in- dividuell und nicht in einem bestimmten Alter auftreten. Außerdem schreitet der Alterungsprozess nicht bei allen Menschen im gleichen Tempo voran. Kardiovaskuläre Erkrankungen sind sowohl die häufigste Diagnose als auch die häufigste Todesursache bei Patien- ten > 65 Jahren. Erkrankungen der Herzklappen sind bei älteren Menschen nicht isoliert. So leiden 80 % der älteren amerikanischen Menschen an einer chronischen Erkran- kung und 50 % sogar an zweien. Pathophysiologie und Ätiologie Merke Altersbedingte Veränderungen des Herzens beginnen mit einer myxomatösen Degeneration und Kollagen- infiltration, die als Sklerose bezeichnet werden. Almalla M et al. Der ältere Patient ... Kardiologie up2date 2022; 18: 25–44 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 27

In der letzten Dekade hat sich die kathetergestützte en- dovaskuläre Herzklappentherapie enorm entwickelt und rasch als alternative Therapieoption zur offenen operati- ven Therapie etabliert. Besonders bei inoperablen Patien- ten (Patienten mit mehreren Komorbiditäten, die eine wahrscheinliche Sterblichkeit von 50 % innerhalb von 30 Tagen nach Operation haben) hat die kathetergestütz- te Therapie deutliche Vorteile im Vergleich zur optimalen medikamentösen Therapie (OMT) gezeigt [9]. Nach den aktuell vorhandenen Daten ist bei Patienten > 75 Jahren mit hochgradiger Aortenklappenstenose die Transkathe- ter-Aortenklappenimplantation (TAVI) die Therapie der Wahl. Merke Die optimale Therapie des älteren Patienten mit Herz- klappenerkrankung muss basierend auf Gebrechlich- keit, Begleiterkrankungen, Patientenpräferenz und Klappenpathologie individualisiert werden. Hier spielt das sog. Heart-Team für die Therapieentschei- dung eine große Rolle (▶ Abb. 1). Das Heart-Team sollte idealerweise aus einem interven- tionellen Kardiologen, einem Herzchirurgen, einem in der Narkose von kardial Vorerkrankten erfahrenen Anästhe- siologen sowie Spezialisten in den Bereichen Herzinsuffi- zienz, Bildgebung und Geriatrie bestehen (▶ Abb. 2). Nach dem Review-Meeting, in dem alle Befunde über- prüft werden, besucht das Heart-Team die Patienten am Bett, um alle therapeutischen Optionen mit dem Patien- ten und seiner Familie zu besprechen [10, 11]. Gebrechlichkeit In der Literatur wird der Begriff Gebrechlichkeit zuneh- mend verwendet, um den mehrdimensionalen Zustand von muskulärer Schwäche, Vulnerabilität und verminder- ter physiologischer Reserve zu beschreiben. Gebrechlich- keit ist ein wichtiger Parameter bei älteren Patienten, die sich einer interventionellen Therapie der Herzklappen- erkrankung unterziehen. Die Gebrechlichkeit ist verbun- den mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität nach der invasiven Therapie. Für gebrechliche Patienten nach invasiver Therapie gilt: Es treten mehr Komplikationen, eine längere Liegedauer, eine Einschränkung im funktio- nellen Status und eine erhöhte Mortalität und Morbidität im Vergleich zum nicht gebrechlichen Patienten auf. Be- reits vor 3 Dekaden wurden chirurgische Risiko-Scores zur Einschätzung des präoperativen Risikos vor einer Bypass- operation entwickelt: der STS-Score und der EuroSCORE (▶ Tab. 2). Die Anwendung dieser beiden Scores ist je- doch nicht gut geeignet für ältere Patienten vor einer in- vasiven Herzklappenbehandlung. Die aktuellen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) emp- fehlen die Evaluation der Gebrechlichkeit und die physika- lischen Funktionen der älteren Patienten vor einer inter- ventionellen Therapie der Herzklappenerkrankung. Alter begleitende Koronarerkrankung Gebrechlichkeit begleitende weitere Herzklappen- erkrankungen der ältere Patient seine Familie Heart-Team Begleit- erkrankungen das operative Mortalitätsrisiko, EuroSCORE, STS-Score Anatomie und Morphologie von Klappenvitium und Zugangswegen ▶ Abb. 1 Die erfolgreiche Therapie des älteren Patienten mit Herz- klappenerkrankung wird basierend auf der Gebrechlichkeit, den Begleit- erkrankungen, der Patientenpräferenz und der Klappenpathologie indivi- dualisiert. interventionelle Kardiologie Intensivmedizin Geriatrie Herzchirurgie Patient und seine Familie Herzinsuffizienz- Spezialist Bildgebungs- Spezialist Anästhesie ▶ Abb. 2 Die optimale Behandlung der Herzklappenerkrankungen bei älteren Patienten umfasst die gemeinsame Entscheidung zwischen dem Patienten, seiner Familie und dem Heart-Team. Almalla M et al. Der ältere Patient ... Kardiologie up2date 2022; 18: 25–44 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 29

therapie, Anästhesiologie und idealerweise die Hausarzt- praxen. Idealerweise erfolgt die Identifizierung von ge- brechlichen Patienten so früh wie möglich, um präventive Maßnahmen bereits im häuslichen Umfeld einzuleiten. ▶Tab. 3 Messmethoden der Gebrechlichkeit. Methode Bewertung Aortenklappenstenose Katz-Index ▪ 1 Baden ▪ 2 Ankleiden ▪ 3 Hilfestellung bei den Toilettengängen ▪ 4 bewegt sich aus und ins Bett oder Stuhl ohne FALLBEISPIEL Ältere Patientin mit hochgradiger Aortenklappen- stenose und ausgeprägter Gebrechlichkeit Eine 87-jährige Patientin wird wegen akuter kardi- aler Dekompensation bei symptomatischer hoch- gradiger Aortenklappenstenose stationär auf- genommen. Die Patienten hat folgende Vorerkran- kungen: koronare Herzerkrankung, chronisch- obstruktive Lungenerkrankung (COPD) GOLD III, periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) und chronische Niereninsuffizienz Stadium III. Die transthorakale Echokardiografie zeigte eine mittel- schwer reduzierte systolische linksventrikuläre Funktion mit hochgradiger Aortenklappenstenose (KÖF = 0,5 cm

▶Tab. 5 Kategorien der Aortenklappenstenose durch echokardiografische Parameter. Kategorien der AS KÖF Pmean LVEF Schlagvolumenindex hochgradige AS leichtgradige AS, mit reduzierter LVEF leichtgradige AS, mit erhaltener LVEF mittelgradige AS < 1,0 cm

Nach dem Konsensuspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und der Deutschen Gesellschaft für Tho- rax-, Herz- und Gefäßchirurgie aus dem Jahr 2020 wird die TAVI empfohlen bei Patienten > 75 Jahren nach Ent- scheidung im Heart-Team. Merke Bei 70–75-Jährigen entscheidet man sich im Heart- Team für eine TAVI oder einen AKE. Der chirurgische Aortenklappenersatz wird nur bei Patien- ten < 75 Jahren, Patienten mit Verdacht auf Endokarditis und Patienten mit komplexer Koronarerkrankung und weiteren Herzklappenerkrankungen empfohlen [10]. Aortenklappeninsuffizienz Die Prävalenz der Aortenklappeninsuffizienz (AI) nimmt mit dem Alter zu. In einer Studie wurde mit der transtho- rakalen Echokardiografie bei älteren Patienten (> 80 Jah- ren) eine leichtgradige Aortenklappeninsuffizienz bei 13 % der Patienten, eine mittelgradige und hochgradige Aor- tenklappeninsuffizienz bei 16 % der Patienten festgestellt. Außerdem zeigte die Framingham-Studie eine Prävalenz der leichtgradigen Aortenklappeninsuffizienz von 13 %, wobei das Alter der bestimmende Risikofaktor mit einer Odds Ratio von 2,3 für jede weitere Lebensdekade war [5]. Die Aortenklappeninsuffizienz kann bedingt sein durch eine primäre Alteration der Aortenklappe (bikuspide Klap- pe, Endokarditis, myxomatöse Veränderungen) oder durch eine Dilatation der Aortenwurzel. Bei älteren Pa- tienten ist die häufigste Ursache für eine chronische Aor- tenklappeninsuffizienz die Dilatation der Aortenwurzel in- folge einer arteriellen Hypertonie, während die Haupt- ursachen für eine akute Aortenklappeninsuffizienz die in- fektiöse Endokarditis und eine Aortendissektion sind. Klinischer Befund Die Patienten mit chronischer Aortenklappeninsuffizienz sind lange beschwerdefrei, wohingegen sich Patienten mit einer akuten Aortenklappeninsuffizienz mit einer kar- dialen Dekompensation bis hin zum kardiogenen Schock präsentieren. Leitsymptome: ▪ Belastungsdyspnoe ▪ Ruhedyspnoe ▪ Angina pectoris ▪ Palpitationen Bei einer Endokarditis der Aortenklappe mit Aortenklap- peninsuffizienz sind die Symptome und die klinische Mani- festation bei älteren Patienten häufig schleichend und un- spezifisch im Vergleich zu jüngeren Patienten. ▶ Abb. 3 a Selbstexpandierbare Aortenklappenprothese CoreValve Evolute Pro. Quelle: mit freundlicher Unterstützung der Firma Medtronic. b Aortenangiografie nach Implantation einer selbstexpandierbaren Aortenklappenprothese, CoreValve Evolute Pro. ▶ Abb. 4 a Ballonexpandierbare Aortenklappenprothese, Edwards Sapien 3. Quelle: Edwards Lifesciences Services GmbH. b Aortenangiografie nach Implantation einer ballonexpandierbaren Aortenklappenprothese Sapien 3. Diagnose Körperliche Untersuchung Der typische Auskultationsbefund ist das Decrescendo-Di- astolikum direkt nach dem 2. Herzton. Aufgrund des er- höhten peripheren Gefäßwiderstands bei älteren Patien- ten kann die große Blutdruckamplitude trotz hochgradi- ger Aortenklappeninsuffizienz fehlen. Bildgebung Die bildgebende Diagnostik bei älteren Patienten mit Aor- tenklappeninsuffizienz unterscheidet sich nicht von der bei jüngeren Patienten. Die transthorakale und transöso- phageale Echokardiografie (TEE) sind die Standardmetho- den zur Darstellung der Aortenklappeninsuffizienz und Quantifizierung des Schweregrades sowie zur Evaluation der Größe und Funktion des LV (▶ Tab. 6). Merke Die kardiale MRT ist der Goldstandard zur Quantifizie- rung des Aortenrefluxes, der linksventrikulären Volu- mina, der Auswurffraktion und der Aortendiameter. Almalla M et al. Der ältere Patient ... Kardiologie up2date 2022; 18: 25–44 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 35

Diagnostik Körperliche Untersuchung Der Mitralöffnungston bei älteren Patienten kann auf- grund der Mitralklappenverkalkung und Steifigkeit fehlen. Die Intensität des ersten Herztons kann wegen ähnlicher Gründe deutlich reduziert sein. Bildgebung Die transthorakale Echokardiografie ist der Grundpfeiler der Diagnostik. Bei schlechter transthorakaler Bildqualität ist jedoch eine Diagnosestellung mit der TEE möglich. Management Ältere Patienten mit seniler kalzifizierender Mitralklap- penstenose sind keine Kandidaten mehr für eine perkuta- ne Mitraklappenvalvuloplastie (Ballondilatation mit Spren- gung der verengten Klappensegel). Der chirurgische Mit- ralklappenersatz ist mit einem erhöhten Operationsrisiko verbunden. Der Schweregrad der Kalzifizierung hat erheb- liche Auswirkung auf die Operation. Das Débridement des posterioren Anulus kann schwierig sein, und die restliche Verkalkung ermöglicht normalerweise kein adäquates Ein- nähen der Mitralklappenprothese mit dem Risiko einer postoperativen paravalvulären Regurgitation aufgrund einer Nahtinsuffizienz bzw. -dehiszenz. Darüber hinaus be- steht ein erhebliches Risiko einer umfassenden Schädi- gung des linken Ventrikels. Die perioperative Mortalität kann zwischen 10–20 % liegen im Gegensatz zu 6 % bei einem durchschnittlichen Patienten. Merke Eine Reparatur der nativen Mitralklappe ist bei älteren Patienten aus oben genannten Gründen schwierig. Mitralklappeninsuffizienz (MI) FALLBEISPIEL Älterer Patient mit hochgradiger Mitralklappen- insuffizienz und hohem operativem Risiko für die Durchführung eines Mitralklappenersatzes oder -rekonstruktion Ein 81-jähriger Patient mit bekannter koronarer Herzerkrankung und chronischer Niereninsuffizienz Stadium IV wird wegen Belastungsdyspnoe (NYHA- Klasse III) stationär in die Kardiologie eingewiesen. Ein akuter Myokardinfarkt konnte ausgeschlossen werden. In der transthorakalen und transösopha- gealen Echokardiografie zeigte sich eine schwer reduzierte systolische linksventrikuläre Funktion (LV-EF = 25 %) und eine hochgradige Mitralklappen- insuffizienz auf dem Boden eines Prolapses des pos- terioren Mitralsegels. Es wurden folgende Indizes berechnet: logistischer EuroSCORE 28 %, Katz-Index 5/6. Wegen des hohen Alters des Patienten und den Komorbiditäten wurde im Heart-Team nach einer gemeinsamen Bettvisite und einem ausführ- lichen Gespräch mit dem Patienten und seiner Familie eine Entscheidung zur Durchführung einer kathetergestützten endovaskulären Edge-to-Edge- Therapie getroffen. In den westlichen Ländern ist die Mitralklappeninsuffizienz die häufigste Herzklappenerkrankung bei Patienten > 65 Jahren. Ältere Patienten machen etwa 40 % aller Pa- tienten mit Mitralklappeninsuffizienz aus. Die Prävalenz einer moderaten Mitralklappeninsuffizienz in der Framing- ham-Studie betrug 11,1 % bei Männern im Alter von 70 bis 83 Jahren [5]. Klinischer Befund Myxomatöse, degenerative Veränderungen der Mitral- klappe und Papillarmuskelsdysfunktionen infolge von Ko- ronarerkrankungen oder eines Herzinfarkts als Ursache für die Mitralklappeninsuffizienz nehmen bei älteren Pa- tienten zu. Die rheumatische Mitralklappenerkrankung nimmt in der Prävalenz ab und die endokarditisbedingte Mitralklappeninsuffizienz bleibt unverändert. Eine funktio- nelle Mitralklappeninsuffizienz durch eine Dilatation des LV und konsekutiv des Mitralanulus ist bei älteren Patien- ten häufig. Leitsymptome: ▪ Herzinsuffizienz und Lungenödem bei akuter Mitral- klappeninsuffizienz, aber auch bei älteren Patienten mit chronischer Mitralklappeninsuffizienz ▪ chronische Mitralklappeninsuffizienz kann auch asymptomatisch verlaufen, insbesondere bei bewe- gungsarmer Lebensweise ▪ typische Symptomatik: Abgeschlagenheit, Palpita- tionen, Belastungsdyspnoe, Orthopnoe und Ruhe- dyspnoe Diagnostik Körperliche Untersuchung Bei älteren Patienten mit hochgradiger Mitralklappenin- suffizienz unterscheidet sich der körperliche Unter- suchungsbefund nicht von dem jüngerer Patienten. Der Herzspitzenstoß ist verbreitert, verstärkt und nach links verlagert. Eventuell zeigen sich Zeichen der Rechtsherz- insuffizienz. Das typische bandförmige Holosystolikum über der Herzspitze ist normalerweise bei chronischer Mi- tralklappeninsuffizienz vorhanden. Bei akuter hochgradi- ger Mitralklappeninsuffizienz kann das Systolikum fehlen. Die Korrelation zwischen der Lautstärke des Systolikums und dem Schweregrad der Mitralklappeninsuffizienz ist gering. Almalla M et al. Der ältere Patient ... Kardiologie up2date 2022; 18: 25–44 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 37

Trikuspidalklappeninsuffizienz (TI) Die Trikuspidalklappeninsuffizienz ist die zweithäufigste Herzklappenerkrankung nach der Mitralklappeninsuffi- zienz. Die Prävalenz nimmt ebenfalls mit dem Alter zu. Daten aus der Framingham-Studie haben gezeigt, dass 1,5 % der Männer (70–83 Jahre) und 5,6 % der Frauen (70–83 Jahre) eine mindestens mittelschwere Trikuspidal- klappeninsuffizienz haben. Klinischer Befund Die sekundäre Trikuspidalklappeninsuffizienz aufgrund der Linksherzerkrankungen ist die häufigste Ätiologie bei dem älteren Patienten. Die primäre Trikuspidalklappenin- suffizienz macht ca. 25 % der Ätiologien aus (▶ Tab. 1). Bei fehlender klarer Ursache des Klappenfehlers wird die TI idiopathisch benannt und häufig auf das Alter oder Vor- hofflimmern zurückgeführt. Leitsymptome: ▪ Belastungsintoleranz, Ödemneigung, Anasarka, Aszites und Pleuraergüsse ▪ gastrointestinale Beschwerden wie Nausea oder dys- peptische Schmerzen (bei Stauungsgastritis) oder Oberbauchschmerzen können auftreten Diagnostik Körperliche Untersuchungen Bei älteren Patienten mit hochgradiger Trikuspidalklap- peninsuffizienz unterscheidet sich der körperliche Unter- suchungsbefund nicht von dem jüngeren Patienten. Häu- fig nachweisbare Befunde sind: Hepatomegalie, Hals- venenstauung, Pleuraergüsse, Ikterus und periphere Zya- nose. Bildgebung Echokardiografie: Neben der Anamnese und körperlichen Untersuchung nimmt die transthorakale Echokardiografie eine zentrale Rolle im Rahmen der Diagnosestellung ein. Nach ESC-Leitlinien wird die Trikuspidalklappeninsuffizienz anhand der echokardiografischen Parameter in 3 Schwe- regrade (leicht, mittelgradig, schwergradig) eingeteilt. Neue Empfehlungen schlagen eine Einteilung der TI in 5 Schweregrade mit Erweiterung von mehr als schwergradi- gen Befunden vor (leicht, mittelgradig, schwergradig, massiv und sintflutartig [engl. [29] (▶ Tab. 7). torrential]) vor Merke Zur Beschreibung der genauen Morphologie und Patho- logie der TI, zur Detektion der genauen Lokalisation des Koaptationsdefekts und besonders zur Planung der Therapiestrategie ist oft eine ergänzende TEE mit ggf. 3-dimensionaler Darstellung erforderlich. Ergänzend zur TEE bietet die hochauflösende, EKG-getrig- gerte CT-Angiografie heutzutage viele Informationen zur Evaluation der Trikuspidalklappe und Planung der inter- ventionellen Therapie, insbesondere beim Cardioband- Verfahren. Nachteile der CT-Angiografie sind die hohen Kosten, die Strahlungsbelastung und die notwendige Kon- trastmittelgabe, die gerade bei älteren Patienten mit Nie- reninsuffizienz mit einem zusätzlichen Risiko einer renalen Schädigung einhergehen. Management Das Management der Trikuspidalinsuffizienz ist oft ein schwieriges Dilemma, da die Ätiologie und die Symptome schwierig festzustellen sind. Leider werden gerade ältere Patienten lange konservativ behandelt. Wenn bereits eine fortgeschrittene Rechtsherzinsuffizienz mit Aszites vor- liegt, dann ist gerade bei älteren Patienten keine kausale Therapie mehr möglich. Daher wird bei symptomatischen Patienten mit der eher selteneren Form der primären hochgradigen Trikuspidalklappeninsuffizienz die operative Therapie zu einem frühen Zeitpunkt empfohlen, um eine rechtsventrikuläre Dysfunktion zu vermeiden. Die aktuel- len ESC-Leitlinien geben die Klasse-I-Empfehlung zur ope- rativen Therapie: 1. bei hochgradiger primärer Trikuspidalklappeninsuffizi- enz und gleichzeitig indizierter linksseitiger Klappen- operation (Mitralklappenvitien oder Aortenklappen- vitien) 2. bei hochgradiger, isolierter symptomatischer primärer Trikuspidalklappeninsuffizienz ohne relevante rechts- ventrikuläre Dysfunktion ▶Tab. 7 Klassifikation der Trikuspidalklappeninsuffizienz (Daten aus [28]). Parameter leichtgradig mittelgradig schwergradig massiv sintflutartig EROA bei PISA VC (biplan) 3D VC-area < 20 < 3 – 20–39 3–6,9 – 40–59 7–13 75–94 60–79 14–20 95–114 ≥ 80 ≥ 21 ≥ 115 EROA = effektive Regurgitationsöffnungsfläche; PISA = Proximal Isovelocity Surface Area; VC = Vena contracta; 3D = 3-dimensional Almalla M et al. Der ältere Patient ... Kardiologie up2date 2022; 18: 25–44 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 39

KERNAUSSAGEN ▪ Bislang gibt es keine universelle Definition des älteren Menschen. ▪ Bei älteren Patienten steht bei der Behandlung von Klappenvitien mehr als die Verlängerung der Lebensdauer die Verbesserung der Lebens- qualität, Selbstständigkeit und der Linderung von Symptomen im Vordergrund. ▪ Die Gebrechlichkeit und funktionellen Ein- schränkungen des älteren Patienten sollten erfasst und mit in die Therapieentscheidung einbezogen werden. ▪ Die häufigsten behandlungsbedürftigen Herz- klappenerkrankungen bei älteren Patienten sind die Aortenklappenstenose und die Mitral- klappeninsuffizienz. ▪ In der interventionellen Behandlung haben sich besonders die TAVI zur Therapie der hochgradi- gen Aortenklappenstenose und die katheter- gestützte endovaskuläre Edge-to-Edge-Therapie bei der hochgradigen Mitralklappeninsuffizienz etabliert. Interessenkonflikt Erklärung zu finanziellen Interessen Forschungsförderung erhalten: nein; Honorar/geldwerten Vor- teil für Referententätigkeit erhalten: nein; Bezahlter Berater/ interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: nein; Patent/ Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an im Bereich der Medizin aktiven Firma: nein; Patent/Geschäfts- anteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an zu Spon- soren dieser Fortbildung bzw. durch die Fortbildung in ihren Geschäftsinteressen berührten Firma: nein. Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Autorinnen/Autoren Mohammad Almalla Priv.-Doz. Dr. med, 1993–2000 Studium der Humanmedizin an der Aleppo Universität. 2016 Promotion. 2021 Venia legendi für das Fach „Innere Medizin”. Facharzt für Innere Me- dizin – Kardiologie, Interventionelle Kardiologie. Seit 2016 Oberarzt in der Medizinischen Klinik 1 der Uniklinik Aachen. Annemarie Kirschfink Dr. med., 2003–2009 Studium der Humanmedizin an der RWTH Aachen. 2011 Promotion. 2017 Facharzt in für Innere Medizin und Kardiologie. Seit 2020 Funktionsoberärztin in der Medizinischen Klinik 1 der Uniklinik Aachen. Marcus Haushofer Dr. med., 1989–1995 Studium der Humanmedizin an der Ludwigs-Maximilians-Universität München, 2006 Facharzt für Herzchirurgie, Facharzt für spezielle herzchirurgische Intensiv- medizin. Seit 2008 Oberarzt in der Herzchirurgie Klinik der Uniklinik Aachen. Ertunc Altiok Priv.-Doz. Dr. med., 1995–2001 Studium der Humanmedizin an der RWTH Aachen. 2003 Promotion. 2014 Venia legendi für das Fach „Innere Medizin”. Facharzt für Innere Medizin – Kardiologie, Internistische Intensivmedizin, Interventionelle Kardiologie. Seit 2016 Oberarzt in der Medizinischen Klinik 1 der Uniklinik Aachen. Korrespondenzadresse Priv.-Doz. Dr. med. Mohammad Almalla Uniklinik RWTH Aachen, Klinik für Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin Pauwelsstraße 30 52074 Aachen Deutschland malmalla@ukaachen.de Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungs- bestimmungen: Priv.-Doz. Dr. med. Mohammad Almalla, Aachen Almalla M et al. Der ältere Patient ... Kardiologie up2date 2022; 18: 25–44 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 41

Punkte sammeln auf CME.thieme.de Diese Fortbildungseinheit ist in der Regel 12 Monate online für die Teilnahme verfügbar. Unter https://cme.thieme.de/CXEBMHV oder über den QR-Code kommen Sie direkt zur Startseite des Wissenstests und zum Artikel. Sie finden dort auch den genauen Einsendeschluss. Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, finden Sie unter https://cme.thieme.de/hilfe eine ausführliche Anleitung. Wir wünschen viel Erfolg beim Beantworten der Fragen! VNR 2760512022161722790 Frage 1 Welches behandlungsrelevante Klappenvitium tritt bei älteren Patienten am häufigsten auf? A Aortenklappeninsuffizienz B Mitralklappeninsuffizienz C Pulmonalklappeninsuffizienz D Pulmonalklappenstenose E Trikuspidalklappenstenose Frage 2 Welche Methode ist nicht geeignet zur Beurteilung der Gebrech- lichkeit? A Katz-Index B HAS-BLED-Score C Canadian Study of Health and Aging Frailty-Index und Frailty- Skala D Edmonton-Frail-Skala E LUCAS-Funktionsindex Frage 3 Welche Kombination von Befunden wird als Heyde-Syndrom bezeichnet? A Mitralklappeninsuffizienz und intestinale Angiodysplasien B Mitralklappeninsuffizienz und Petechien C Aortenklappeninsuffizienz und Petechien D Aortenklappenstenose und intestinale Angiodysplasien E Aortenklappenstenose und Petechien Frage 4 In welche Kategorie wird die Aortenklappenstenose anhand echokardiografischer Parameter nicht eingeteilt? A Aortenklappenstenose mit erhöhten Gradienten B Low-flow-low-gradient-Aortenklappenstenose C paradoxe Low-flow-low-gradient-Aortenklappenstenose D Normal-flow-low-gradient-Aortenklappenstenose E Low-flow-normal-gradient-Aortenklappenstenose Frage 5 Welche Aussage zur perkutanen Ballon-Aortenklappenvalvulo- plastie trifft bei Patienten mit hochgradiger Aortenklappen- stenose zu? A Die Restenoserate nach 6 Monaten beträgt 10 %. B Die Restenoserate nach 6 Monaten beträgt 20 %. C Die Restenoserate nach 6 Monaten beträgt 50 %. D Die Restenoserate nach 6 Monaten beträgt 80 %. E Die Restenoserate nach 6 Monaten beträgt 95 %. Frage 6 Wann wird der chirurgische Aortenklappenersatz bei Patienten mit hochgradiger Aortenklappenstenose gegenüber der Trans- katheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) nicht vorgezogen? A bei Patienten mit hohem Operationsrisiko B bei Patienten < 75 Jahren C bei Patienten mit Verdacht auf Endokarditis D bei Patienten mit komplexer Koronarerkrankung E bei Patienten mit weiteren Herzklappenerkrankungen Frage 7 Als interventionelle Therapie für ältere Patienten mit hochgradi- ger Mitralklappeninsuffizienz kommt folgende Methode nicht zur Anwendung? A kathetergestützte endovaskuläre Edge-to-Edge-Therapie B kathetergestütztes endovaskuläres System zur direkten Mit- ralklappenanuloplastie C kathetergestütztes endovaskuläres System zur indirekten Mitralklappenanuloplastie D kathetergestützter Mitralklappenersatz E Ballon-Mitraklappenvalvuloplastie Frage 8 Welches der beschriebenen Symptome gilt nicht als Leitsymptom der hochgradigen Trikuspidalklappeninsuffizienz? A Synkope B Belastungsintoleranz C Ödemneigung D Aszites E Pleuraergüsse ▶ Weitere Fragen auf der folgenden Seite … Almalla M et al. Der ältere Patient ... Kardiologie up2date 2022; 18: 25–44 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 43

Kardiologie up2date 1 · 2022 Koronare Herzkrankheit (KHK) 1 Plaquemodifikation durch intravaskuläre Lithotripsie Kambis Mashayekhi VNR: 2760512022161722816 DOI: 10.1055/a-1403-5658 Kardiologie up2date 2022; 18 (1): 45–62 ISSN 1611-6534 © 2022 Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

CME-Fortbildung Plaquemodifikation durch intravaskuläre Lithotripsie Kambis Mashayekhi Die Rate an unerwünschten klinischen Ereignissen in der Behandlung von kalzifi- zierten Koronarstenosen mittels perkutaner Katheterintervention ist immer noch höher als bei nicht kalzifizierten Stenosen. Daher gewinnt die risikoarme intravasku- läre Lithotripsie (IVL) zunehmend an Bedeutung. Folgend werden die technischen Details, präklinischen und klinischen Daten der IVL-Therapie bei Koronarstenosen sowie zukünftige Therapieoptionen zusammengefasst. ABKÜR ZUNGEN CTO EHL ESWL IVL MACE chronischer Koronarverschluss elektrohydraulische Lithotripsie extrakorporale Stoßwellenlithotripsie intravaskuläre Lithotripsie Rate an schweren kardiovaskulären Ereignissen optische Kohärenztomografie perkutane Koronarintervention ventrikuläre Fibrillation (Kammer- flimmern) OCT PCI VF Einleitung Die perkutane Koronarintervention (PCI, „percutaneous coronary intervention“) mit Implantation von medika- mentenfreisetzenden Stents ist die häufigste Form der ko- ronaren Revaskularisation. Der Anteil von schwer und mo- derat kalzifizierten Koronarstenosen liegt bei ca. 20–30 % aller mittels PCI behandelter Patienten [1, 2]. Die vaskulä- ren Verkalkungen führen zu einer Versteifung der Gefäß- wand, sodass die vaskuläre Compliance der Gefäßwand während der PCI stark eingeschränkt ist. Durch eine nicht adäquate Präparation der kalzifizierten Plaque wird das kurz- und langfristige klinische Ergebnis nach PCI potenzi- ell negativ beeinflusst [2]. Aufgrund der bekannten Limitationen bei der Behandlung kalzifizierter Koronarstenosen hat in den letzten Jahren vor allem die intravaskuläre Lithotripsie (IVL) als neuarti- ges Therapieverfahren an Bedeutung dazu gewonnen. Ba- sierend auf einer etablierten therapeutischen Methode – akustische Druckwellen zur Behandlung von Nierenstei- nen – ist mit dieser Methode auch die Behandlung von Gefäßverkalkungen möglich. Durch die Einbindung von Lithotripsie-Emittern (Quelle für akustische Druckwellen) entlang des Ballonangioplastie-Katheters werden lokali- sierte pulsierende akustische Druckwellen zirkumferen- ziell an die Gefäßwand abgegeben, die den Gefäßkalk modifizieren. Die Sicherheit und Wirksamkeit der IVL wur- de bereits in mehreren klinischen Studien bei stark ver- kalkten Koronarstenosen untersucht (▶ Tab. 1). Anwendung der extra- und intrakorporalen Lithotripsie Merke Seit ihrer Einführung in den 1980er-Jahren wird die extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL) als Therapieverfahren der 1. Wahl zur Behandlung von Nierensteinen eingesetzt. Dabei wird üblicherweise die elektrohydraulische Litho- tripsie (EHL) zur Steinfragmentierung mittels hochenerge- tischer akustischer Stoßwellen eingesetzt. Bei der EHL führt eine Entladung über eine Funkenstrecke zwischen 2 Elektroden zur Bildung einer akustischen Druckwelle in- nerhalb des übertragenden flüssigen Mediums, die sich sphärisch kugelförmig vom Emitter ausbreitet. Diese Ent- ladung findet bei der ESWL, wie der Name bereits sagt, außerhalb des Körpers statt. Die hochenergetischen Stoß- wellen werden dann durch eine parabolische Reflexion (Fokussierung) und mittels Ultraschall- oder Röntgen- ortung auf den Punkt der höchsten Energiedichte, den Nierensteinen gerichtet, mit dem Ziel der Fragmentie- rung. Bei der ESWL-Behandlung mit EHL-Technologie lie- gen dabei die positiven Spitzendrücke im Bereich von 300–1100 bar. Die EHL-Technologie wird heute auch für die endoskopische Behandlung (intrakorporale Stoßwel- lenlithotripsie: ISWL) von Blasen-, Harnleiter- und Nieren- steinen in Situationen, in denen die ESWL weniger effektiv ist, eingesetzt (z. B. bei sehr adipösen Patienten). Mashayekhi K. Plaquemodifikation durch intravaskuläre ... Kardiologie up2date 2022; 18: 45–62 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 47

▶ Abb. 1 A IVL Generator (1), Konnektor-Kabel (2) und IVL-Katheter (3). Quelle: Shockwave Medical GmbH. B Diverse Shockwave IVL-Ballonkatheter mit Lokalisation der Emitter (*). Quelle: mit freundlicher Genehmigung von Shockwave Medical Inc., USA. 2. Die Druckwellen-Emitter sind in einem aufgeblasenen, Merke mit Flüssigkeit gefüllten Ballon eingeschlossen, um thermische Verletzungen zu vermindern. 3. Mehrfache Emitter wurden hintereinander am Ballon- Mit der IVL-Therapie gelingt es, eine ausreichende Kalkmodifikation zu erzielen, ohne gleichzeitig das umliegende Gewebe zu verletzen. schaft angeordnet, um die kalzifizierten Stenosen entlang des gesamten Ballons und nicht nur lokal zu behandeln. Merke Um die elektrohydraulische Lithotripsie-Technologie für die intravaskuläre Verwendung sicher und effektiv zu machen, wurden die Emitter am Ballonschaft ange- bracht und in dem mit Flüssigkeit gefüllten Ballon ein- geschlossen, um thermische Verletzung zu vermindern. Mechanismus der akustischen Druckwellenmodifikation durch IVL Die IVL-Emitter erzeugen elektrische Funken, die im um- gebenden flüssigen Medium des Ballons Dampfblasen er- zeugen. Die durch die IVL erzeugte elektrische Energie, welche zur schnellen Ausdehnung der Dampfblasen führt, resultiert dann wiederum in starken akustischen Druck- wellen, die ihre Energie kreisförmig an die umliegende Gefäßwand, transmural abgeben. Durch die Modifizie- rung der an den Emittern angelegten Pulsbreite erreicht die IVL-Schalldruckwelle einen relativ niedrigen positiven Spitzendruck von ca. 50 atm mit einem vernachlässig- baren Spitzenunterdruck (ca. 3 atm) im Vergleich zur ESWL. Ähnlich wie bei der ESWL übt dabei die IVL nur eine minimale Wirkung im Bereich von Weichteilen aus. So- bald die Stoßwelle allerdings auf Kalzium trifft, kommt der volle Effekt der Lithotripsie zum Tragen, was im Regel- fall zu einer Frakturierung der kalzifizierten Gefäßanteile führt. Da das Ziel der IVL-Therapie (im Gegensatz zur Pul- verisierung bei der ESWL) Kalziumfrakturen in unmittel- barer Nähe der IVL-Stoßwellen sind, wird für die IVL viel weniger Energie benötigt (im Vergleich zur ESWL). Integration der IVL in einen Angioplastieballon Die Implementierung der IVL in einen „semi-compliant“- Ballon mit Emittern bietet mehrere Vorteile in der IVL-Be- handlung. Da der IVL-Ballon mit einer Mischung aus Kon- trastmittel und Kochsalzlösung gefüllt wird, kann er die bei der Dampfblasenbildung entstehende Wärme direkt abführen und schirmt gleichzeitig die Emitter von einem direkten Kontakt mit der Gefäßwand ab. Dabei führt die wiederholte Deflation des Ballons zwischen den Impuls- zyklen zur einer weiteren Wärmeableitung und zur Entfer- nung von Restgasblasen. Gleichzeitig kommt es bei der Ballondeflation zu Koronar- fluss und verkürzter Ischämiezeit. Verstärkt wird der IVL- Effekt durch eine effektive Kopplung der verschiedenen Emitter entlang des Ballons. Bei einer angemessenen Di- mensionierung des IVL-Ballons mit einer adäquaten Ap- position an die Gefäßwand, die bereits bei Drücken von nur 4 atm erreicht wird, konnten dadurch größere Ring- frakturen ohne Barotrauma beobachtet werden. Merke Die während der IVL-Therapie empfohlene Ballondefla- tion führt zu einer Entfernung von Restgasblasen und reduziert die Ischämiezeit während der Anwendung. Der IVL-Ballon verwendet mehrere Emitter außerhalb des Monorail-Lumens, welche in einer Reihe entlang des Bal- lonsegments angeordnet sind. Dabei sind die IVL-Emitter als diametral gegenüberliegende Paare, also im 180°-Ab- stand, angeordnet. Die Emitter wiederum sind Kanälen zugeordnet, wobei jeder Kanal mit 1 Hz pulsiert. Derzeit Mashayekhi K. Plaquemodifikation durch intravaskuläre ... Kardiologie up2date 2022; 18: 45–62 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 49

Merke Nach den vielversprechenden Ergebnissen der Disrupt CAD I-Machbarkeitsstudie wurde im Verlauf eine Studie zur Sicherheit und Effektivität der koronaren Lithotrip- sie-Therapie initiiert. Die sog. Disrupt CAD II-Studie war eine prospektive, mul- tizentrische angelegte, einarmige Studie, die an 15 Kran- kenhäusern in 9 Ländern durchgeführt wurde [6]. Patien- ten mit schwerer Koronararterienverkalkung und einer kli- nischen Indikation zur Revaskularisation wurden vor der Stentimplantation mittels IVL vorbehandelt. Der primäre Endpunkt wurde als Auftreten von schwerwiegenden un- erwünschten kardialen Ereignissen im Krankenhaus (plötzlicher Herztod, Myokardinfarkt und/oder eine er- neute Revaskularisation im Zielgefäß) definiert. Zwischen Mai 2018 und März 2019 wurden 120 Patienten einge- schlossen. Schwere Verkalkungen der Koronarien lagen bei 94,2 % der Läsionen vor. Der Shockwave-Katheter konnte bei allen Patienten erfolgreich an die Zielläsion vorgebracht werden. Insgesamt betrugt der akute Lu- mengewinn nach der IVL-Therapie 0,83 ± 0,47 mm, bei 32,7 ± 10,4 %iger Reststenose, die mit der Implantation medikamentenfreisetzender Stents weiter auf 7,8 ± 7,1 % reduziert werden konnte. Dabei kam es zu keinem ein- zigen abrupten periprozeduralen Koronarverschluss, zu- dem trat kein „slow-flow“- oder „no-reflow“-Phänomen und keine einzige Perforation auf. Die intrahospitale MACE-Rate lag bei nur 5,8 %, basierend auf 7 Nicht-ST-He- bungsinfarkten. Somit konnte erstmalig gezeigt werden, dass bei Patienten mit kalzifizierenden Koronarläsionen die IVL-Therapie ein sicheres und effektives Verfahren zur Plaquemodifikation vor Stentimplantation darstellt. Die zuletzt publizierte Disrupt CAD III-Studie ist die erste prospektive, einarmige multizentrische Zulassungsstudie zur koronaren IVL-Therapie [7]. Hierfür wurde als primärer Endpunkt ein Sicherheitsendpunkt, definiert als das Aus- bleiben jeglicher MACE nach 30 Tagen gewählt. Zudem wurde ein weiterer primärer Effektivitätsendpunkt ana- lysiert, nämlich der prozedurale Erfolg (definiert als er- folgreiche Stentplatzierung mit einer residualen Stenose von < 50 % nach „CoreLab“-Auswertung ohne intrahospi- tale MACE-Rate). Zusätzlich wurde der Mechanismus der Kalziummodifikation durch eine OCT-Substudie (OCT: op- tische Kohärenztomografie) untersucht. Von 431 Patien- ten erreichten 384 Patienten den primären Endpunkt. Der primäre Sicherheitsendpunkt nach 30-Tage-Freiheit von MACE betrug 92,2 %. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt des Behandlungserfolgs lag bei 92,4 %; die minimale Stentfläche betrug 6,5 ± 2,1 mm2. Damit konnten die Ef- fektivität und Sicherheit der IVL-Therapie in den Korona- rien erneut unter Beweis gestellt werden. In einer weiteren japanischen Zulassungsstudie, der Dis- rupt CAD IV-Studie, konnten die Studienergebnisse von Disrupt CAD III bestätigt werden [8] (▶ Abb. 2). 100 95,0 % 95,0 % 92,4 % 94,2 % 92,2 % 92,4 % 93,8 % 93,8 % t n e z o r P 80 60 40 20 0 CAD I (n = 60) CAD II n = 119) ( CAD III 383) n = ( CAD IV ( 64) n = 30 Tage ohne MACE prozeduraler Erfolg ▶ Abb. 2 Freiheit unerwünschter schwerwiegender kardiovaskulärer Ereig- nisse (MACE) nach 30 Tagen, definiert als das fehlende Auftreten von kardialer Mortalität, eines Myokardinfarktes oder einer erneuten Revasku- larisation am Zielgefäß nach 30 Tagen. Der prozedurale Erfolg ist definiert als erfolgreiche Stentimplantation mit einer Reststenose < 50 % nach „CoreLab“-Auswertung. CAD I = Disrupt CAD I-Studie [5]; CAD II = Disrupt CAD II-Studie [6]; CAD III = Disrupt CAD III-Studie [7]; CAD IV = Disrupt CAD IV-Studie [8] Optische Kohärenztomografie Visualisierung von Kalziumfrakturen nach IVL-Therapie Die OCT-Substudien der Disrupt CAD I–III und Disrupt PAD II zeigten nachweisliche Kalziumfrakturen nach einer IVL-Behandlung. Dabei waren folgende übereinstimmen- den Beobachtungen in den OCT-Substudien nachweisbar: 1. Die IVL-Behandlung führt zu Kalziumfragmentation, ohne dass eine Hochdruck-Ballonangioplastie erforder- lich ist, 2. die IVL führt zu kreisförmigen und longitudinalen Kalziumfrakturen, 3. durch die IVL wird die vaskuläre Compliance verbessert und dadurch die Stentexpansion in kalzifizierten Koro- narstenosen erleichtert. Zudem kommt es nach einer IVL-Behandlung zu einer Vergrößerung der arteriellen Lumenfläche („lumen gain“) bei bereits niedrigen Drücken von 6 atm mittels Shock- wave-Ballon. Die genaue Differenzierung zwischen intimaler und me- dialer Kalzifizierungen kann bei schwer kalzifizierten Koro- narstenosen selbst mittels OCT sehr schwierig sein. Daher sind die Bezeichnungen oberflächliche („superficial“) und tiefe („deep“) Kalzifizierungen in Bezug auf die Kalzium- lokalisation zutreffender. Daten zur Überprüfung der Mashayekhi K. Plaquemodifikation durch intravaskuläre ... Kardiologie up2date 2022; 18: 45–62 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 51

welche die Mikrozirkulation im distalen Gefäßbeet redu- zieren, was wiederum zu einem „slow-flow“- oder im schlimmsten Fall zu einem „no-reflow“-Phänomen führen kann. Dahingegen bleiben die frakturierten größeren Kal- ziumfragmente, die durch die IVL erzeugt werden, an Ort und Stelle subendothelial. Zudem wurden in den Zulas- sungsstudien komplexe oder flusslimitierende Dissektio- nen (Typ D–F) äußerst selten gesehen, was vermutlich auf das Fehlen eines Barotraumas durch die Niederdruck-Bal- loninflationen während der IVL-Therapie zurückzuführen ist. Merke Die Rate an koronaren periprozeduralen Komplikatio- nen war verglichen zu anderen Studien mit schwer kalzifizierten Koronarstenosen in Disrupt CAD I und II verglichen gering. Die Rate an intrahospitalen Myokardinfarkten lag in bei- den Studien unter 6 %, die Rate von Dissektionen und Per- forationen bei 0,3 %. Es fanden sich keine kompletten Ge- fäßverschlüsse oder „no-reflow“-Ereignisse nach IVL-The- rapie. Die zulassungsrelevante Disrupt CAD III-Studie zeig- te keinerlei Perforationen und keine Verschlüsse oder „no-reflow“-Ereignisse nach alleiniger IVL, obwohl kom- plexere Läsionen als in Disrupt CAD I und Disrupt CAD II behandelt wurden [7]. Potenzielle Interaktion zwischen Herzrhythmus und IVL-Therapie IVL-Akustikdruckwellen haben eine Pulsdauer von 0,6 bis 1,2 ms und werden mit einer Rate von 1 Hz (1 Puls/s) ab- gegeben. Dabei erzeugen sie extrem geringe Energie- mengen von 8 bis 10 mJ, die wiederum schnell abklingen, ohne dass eine elektrische Komponente in das umliegen- de Gewebe eindringt. Dennoch kann prinzipiell während der koronaren IVL-Behandlung eine ektope ventrikuläre Aktivität des Myokards durch transiente IVL-induzierte Koppelung (Capture) auftreten. Dieses IVL-induzierte Capture resultiert aus einer mechanoelektrischen Kopp- lung von akustischen Druckwellen mit dem kardialen Reizleitungssystem. Ein nachhaltiges ventrikuläres Cap- ture ist nur dann möglich, wenn die akustischen Druck- wellen das kardiale Gewebe depolarisieren und die eigene Herzfrequenz niedriger als 60 Schläge/min ist oder die R-R-Intervalle, wie bei Vorhofflimmern, variieren und > 1 s betragen. Das daraus resultierende IVL-induzierte Capture erfolgt mit einer Rate von 60 Schlägen/min für die Dauer der IVL-Applikation, also über maximal 10 s. Die Koppe- lung der Herzschläge mit der IVL-Applikation kann prinzi- piell auf ein einzelnes atriales, einzelne oder mehrere ven- trikuläre Captures begrenzt sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass es durch diese Induktion zu einer ventrikulären Ta- chykardie oder zu einem Kammerflimmern (VF) kommt, ist sehr gering, wenn man bedenkt, dass die angewandte mechanische Energie von 8 mJ (verteilt über die Oberflä- che des C2-IVL-Ballons) um mehrere Größenordnungen geringer ist als die Energie, die bei Standardtests von im- plantierbaren Defibrillatoren verwendet wird. Im Gegen- satz dazu beträgt die elektrische Energie, die für die In- duktion einer ventrikulären Tachykardie oder eines Kam- merflimmerns beim Testen eines neu implantierten im- plantierbaren Defibrillators erforderlich ist, 0,6–2,0 J. Aktuell existiert ein Fallbericht, der eine mögliche Assozia- tion einer koronaren IVL-Anwendung mit Induktion von Kammerflimmern widerspiegelt [9]. Allerdings wurden in diesem Fallbeispiel auch alternative Ursachen diskutiert. Die Autoren berichten, dass das Kammerflimmern auch durch eine Balloninflation-induzierte myokardiale Ischä- miereaktion, durch eine spontane (nicht IVL-bedingte) ventrikuläre Ektopie oder sogar durch die Verwendung von IVL als eine Off-Label-Indikation entstanden sein könnte. In einer weiteren Studie konnte gezeigt werden, dass Patienten mit einer Herzfrequenz von < 65 Schlägen/ min eine 16-fach höhere Inzidenz von koronarer IVL-indu- zierter Stimulation während der IVL-Therapie aufweisen als Patienten mit einer Herzfrequenz > 65/min (Odds Ra- tio: 16,3; 95 %-Konfidenzintervall: 2,4–110,8; p = 0,004). Somit scheint das ventrikuläre Capture sehr von der Ruhe- herzfrequenz abhängig zu sein [10]. Bei keinem einzigen Patienten kam es zu einer anhaltenden Arrhythmie mit klinisch relevanter Hypotonie. Zur weiteren Bewertung dieses Phänomens wurde eine systematische Beurteilung des Herzrhythmus unter IVL-Applikation in der Disrupt CAD III durgeführt [7]. In immerhin 41,1 % der Fälle wurde ein IVL-induziertes Capture beobachtet, welches aller- dings zu keinerlei anhaltenden ventrikulären Arrhythmien führte. Obwohl das IVL-induzierte Capture relativ häufig war, war ihr Auftreten gutartig und ohne klinische Folgen. Merke Während der IVL-Therapie kann es bei einer Herzfre- quenz von ≤ 60 Schlägen/min zu einer Stimulation des ventrikulären Myokards mit ektoper Reizleitungs- bildung kommen. Das Phänomen scheint allerdings gutartig und im Wesentlichen ohne klinische Folgen zu sein. Anwendung der IVL im klinischen Alltag Die Shockwave M5- und S4-IVL-Katheter sind in Europa, den Vereinigten Staaten und weiteren Ländern weltweit für die Behandlung von peripheren Gefäßerkrankungen zugelassen. Sicherheit und Wirksamkeit wurden in mehre- ren klinischen Studien nachgewiesen. Eine Datenanalyse von 5 prospektiven Studien mit insgesamt 336 Patienten mit mäßig bis stark kalzifizierten peripheren Läsionen konnte die Effektivität und Sicherheit mit einer konsisten- ten Reduktion der Flächenstenose mittels der IVL-Thera- Mashayekhi K. Plaquemodifikation durch intravaskuläre ... Kardiologie up2date 2022; 18: 45–62 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 53

pie bestätigen [11]. Zudem besteht eine zunehmende kli- nische Erfahrung beim Einsatz der IVL bei der Verwen- dung von großlumigen Kathetern im Bereich schwer kalzi- fizierter Beckenarterien. Das wiederum kann die Zugangs- problematik für eine transfemorale TAVI-Prozedur, von endovaskulären abdominalen oder thorakalen Aorten- stents und von mechanischen Herzunterstützungsgeräten (z. B. Impella) deutlich erleichtern [12]. Diese Erfahrung zeigt, dass ein großer Teil der Patienten, die für einen transfemoralen Zugang als inakzeptabel galten, mittels IVL-Therapie erfolgreich und sicher behandelt werden können. Der Shockwave C2 IVL-Katheter ist seit 2018 nach dem Abschluss von Disrupt CAD I in Europa kommerziell er- hältlich und mittlerweile in > 49 Ländern im Einsatz [5] (▶ Abb. 4). Disrupt CAD III (U.S. investigational device exemption Pre-Market-Studie) und Disrupt CAD IV (japa- nische Pre-Market-Studie) schlossen die Rekrutierung im Jahr 2020 ab [7, 8]. In allen Disrupt CAD-Studien wurden Patienten mit stabiler ischämischer Herzerkrankung und stark verkalkten Zielläsionen behandelt (▶ Tab. 1). Dabei war die IVL-Therapie in allen Disrupt CAD-Studien sicher und wirksam (▶ Abb. 2). Alle Disrupt CAD-Studien um- fassten zudem unabhängige, „core-lab“-OCT-Substudien, die in mehreren Ebenen Kalziumfrakturen zeigten und letztere als dominanten Wirkmechanismus für die erhöh- te Gefäß-Compliance nach IVL-Behandlung verantwort- lich machten. Merke Der Shockwave M5- und S4-IVL-Katheter ist für die peripheren Gefäße, der C2 IVL-Katheter für die koronare Behandlung kalzifizierter Stenosen zugelassen. IVL-Therapie bei komplexen Koronarläsionen In der klinischen Routine sprechen kalzifizierte Läsionen möglicherweise besser auf die IVL-Therapie an als auf an- dere Verfahren zur Plaquemodifikation. Zum Nutzen der IVL-Therapie, der mittels intrakoronarer Bildgebung in Form von Kalziumfrakturen beurteilt werden kann, liegen bereits Studien vor. Durch die IVL-Therapie kann in eini- gen Fällen sogar eine optimale Stent-Expansion erzielt werden, wenn spezielle Ballon,- oder Atherektomieverfah- ren versagen [13]. Im Gegensatz dazu sind einige Läsio- nen möglicherweise trotz der Anwendung aller 80 Pulse nicht für eine IVL-Behandlung geeignet. Starke Tortuosität oder schwere Angulationen, höchstgradige Lumenreduk- tion oder Plaqueprotrusionen in das Lumen bei zusätzlich stark eingeschränkter Gefäß-Compliance (z. B. kleine kal- zifizierte Gefäße mit mehreren Stentschichten) können den Ballonvorschub und somit die Positionierung beein- trächtigen. Merke Die Limitation der ballonbasierten IVL-Therapie ist die Ballonplatzierung, welche durch starke Tortuosität, schwere Angulationen und höchstgradig verkalkte Stenosen erschwert sein kann, sodass in einigen Fälle eine zusätzliche Therapie mittels Spezialballons oder Atherektomieverfahren notwendig ist [14]. Darüber hinaus kann die Wirksamkeit der IVL-Therapie bei einer fehlenden Apposition des Ballons an die Gefäßwand deutlich reduziert werden. Dies kann durch eine erheb- liche Exzentrizität der Plaque oder durch einen vorhande- nen Reststenosedurchmesser von > 4 mm (maximale Grö- ße des koronaren Stoßwellenballons) der Fall sein. PCI des linken Hauptstamms Die PCI ist mittlerweile zu einer Option für die Behand- lung der linken Hauptstammstenose geworden und wird in den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardio- logie mit einer Klasse-IA-Empfehlung für Patienten mit einem SYNTAX-Score ≤ 22 und Klasse IIA für einen SYN- TAX-Score von 23–32 empfohlen. Grundsätzlich erhöhen schwere Verkalkungen die Komplexität einer PCI und das damit assoziierte Risiko von Komplikationen. Die IVL-The- rapie bietet hier eine gute Alternative zu den bisher her- kömmlichen Atherektomieverfahren [15]. Durch die Ab- gabe von kontrollierten Impulsen, die unter niedrigem Druck abgegeben werden, kann somit die Plaque-Modifi- kation mit einem nur geringen Risiko für einen akuten Ge- fäßverschluss, einer Perforation oder Embolisation erfol- gen. Allerdings muss in einigen besonders schwer ver- kalkten Fällen primär erst ein Kanal mittels Rotablation in die Hauptstammstenose gefräst werden, damit der IVL- Ballonkatheter an Ort und Stelle gebracht werden kann. Chronische Koronarverschlüsse Die IVL hat sich als sicheres und effektives Verfahren zur Kalziummodifikation bei nicht okklusiver koronarer Herz- krankheit erwiesen, allerdings gab es bis vor Kurzem nur vereinzelte Fallberichte über ihre Anwendung bei verkalk- ten chronischen Koronarverschlüssen (CTO). In einem nun veröffentlichten internationalen multizentrischen Re- gister, in welches Patienten mit einer PCI bei chronischem Koronarverschluss eingeschlossen wurden, war die IVL- Therapie in 5,2 % (n = 55 von 1053 behandelten CTOs) der Fälle eingesetzt worden [16]. Dabei wurde die IVL zur Pla- quemodifikation in 53 Fällen nach erfolgter Drahtpassage und in 2 Fällen vor der erfolgreichen Drahtpassage mit einem prozeduralen Erfolg von 93 % eingesetzt. Insgesamt kam es zu 6 periprozeduralen Komplikationen, davon 3 Hauptgefäßperforationen (5 %). Zwei der Ellis-III-Perfo- rationen traten nach einer „extraplaque“-Passage (= um die Kalkplaque herum) auf und 1 Ellis-III-Perforation nach- folgend einer „intraplaque“-Passage (= durch die Kalkpla- que hindurch) mittels Rotablation (REF). Die MACE-Rate nach IVL bei CTO PCI war sehr niedrig und lag bei einem medianen Follow-up von 13 (4–21) Monaten bei nur 4 %. Mashayekhi K. Plaquemodifikation durch intravaskuläre ... 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Eine größere Schaftlänge des IVL-Katheters würde die Be- handlung von weiter distal gelegenen Läsionen ermögli- chen, während größere IVL-Ballongrößen sich optimal auf die Therapie größerer Koronargefäße, wie dem linken Hauptstamm oder in der Peripherie der Iliakalgefäße, aus- wirken würde. Eine Erweiterung der aktuellen Ballonma- trix für den Shockwave C2 IVL-Katheter für Koronararte- rien (4,0 mm), die S4 (4,0 mm) und M5 (7,0 mm) IVL-Ka- theter für periphere Arterien würde zu einer optimierten Dimensionierung der Ballonkatheters führen und somit durch die optimierte Ballonadaption zur einer besseren Energieabgabe speziell an größeren Gefäßen führen. Schließlich könnte eine Erhöhung der Anzahl der abge- gebenen Impulse pro Katheter möglicherweise den Zeit- aufwand und die Kosten des Verfahrens reduzieren. Obwohl die akuten Ergebnisse der IVL-Studien bei stark verkalkten Koronarläsionen sehr vielversprechend waren, sind längerfristige Nachbeobachtung erforderlich, um zu verstehen, wie sich diese guten Primärergebnisse und die optimierte Stent-Expansion auf die langfristigen kli- nischen Ergebnisse auswirken. Hier werden zukünftige Daten aus Disrupt CAD III mit einem geplanten klinischen 2-Jahres-Follow-up erwartet [7]. Weitere Studien werden sich dann auf Patienten mit in- stabilen Koronarsyndromen, ostialen und koronaren Bifur- kationsstenosen, der Behandlung von In-Stent-Rezidiv- Stenosen und unterexpandierten Koronarstents sowie in der Peripherie auf schwere Verkalkungen in den Gefäßen der oberen Extremitäten (d. h. A. carotis, A. subclavia/axil- laris) und Venentransplantaten in der infrarenalen Aorta und den Radial- sowie Brachialarterien fokussieren. Aktuell werden weitere IVL-behandelte Patienten in einem spanischen „all-comer“-Register nachbeobachtet (REPLICA [Registry of Coronary Lithotripsy in Spain; NCT04298307], n = 400). Eine weitere Studie prüft nun nach der Zulassung des „Shockwave Coronary“ IVL-Sys- tems durch die FDA die Sicherheit und Effektivität des Shockwave-Geräts in einer erweiterten „realen“ Patien- tenpopulation. Dazu werden die Daten des amerikani- schen CathPCI-Registers genutzt. Merke Weitere Pilotstudien sind geplant, in denen die IVL- Therapie mit modifizierten Ballons oder Atherektomie- verfahren verglichen wird, um die Sicherheit und Wirk- samkeit bei stark verkalkten Koronarläsionen vor der Stentimplantation zu bewerten. Da die Wirksamkeit der IVL-Behandlung bei exzentrischer und/oder knotiger Verkalkung noch gänzlich ungeklärt ist und die Erfahrungen dabei sehr begrenzt sind, wird gera- de eine Substudie mittels optischer Kohärenztomografie mit gepoolten Daten aus den Teilstudien Disrupt CAD I-IV durchgeführt. Allerdings zeigen erste Zwischenergebnisse bereits Hin- weise, dass die IVL-Therapie auch bei exzentrischen Läsio- nen effektiv ist. Letztendlich sind aber weitere randomisierte klinische Vergleichsstudien der IVL mit anderen kalziummodifizie- renden Therapien (d. h. Hochdruck-Ballon, atheroablative Technologien, Laseratherektomie) erforderlich, um di- rekte Beweise für die relative Sicherheit und Wirksamkeit dieser Therapien zu liefern und Algorithmen für die Be- handlung von stark verkalkten Läsionen in den Koronarien und peripheren Gefäßen zu etablieren. Auch die mögli- chen Anwendungen der IVL bei stark verkalkten Aorten- klappen, rheumatischer Mitralstenose und mitraler Anu- lusverkalkung sind Bereiche, die perspektivisch weiter un- tersucht werden könnten. KERNAUSSAGEN ▪ Das IVL-System wandelt elektrische Energie in mechanische Energie um. ▪ Durch die IVL-Anwendung wird das Risiko eines Barotraumas deutlich reduziert. ▪ Durch die IVL-Therapie ist es möglich, oberfläch- liche und tiefe Kalzifizierungen der Gefäßwand zu frakturieren, ohne gleichzeitig das umliegen- de Gewebe zu verletzen. ▪ Für den primären Therapieerfolg ist eine perfek- te Platzierung des Ballonkatheters sowie die richtige Größe des Ballonkatheters entschei- dend. ▪ Die Effektivität und die Sicherheit der IVL-Thera- pie konnten sowohl in den peripheren Gefäßen als auch in Koronargefäßen belegt werden. ▪ Die IVL-Therapie kann zu einer optimierten Stent-Expansion mit einem größeren Lumen- gewinn führen. ▪ Während der koronaren IVL-Behandlung kann es prinzipiell zu einer ektopen ventrikulären Aktivi- tät des Myokards kommen. ▪ Der Shockwave M5- und S4-IVL-Katheter ist für die peripheren Gefäße, der C2 IVL-Katheter für die koronare Behandlung kalzifizierter Stenosen zugelassen. ▪ Limitation der ballonbasierten IVL-Therapie ist die Ballonplatzierung selbst. ▪ In einigen Fällen ist eine zusätzliche Vorbehand- lung mittels Spezialballons oder Atherektomie- verfahren notwendig. ▪ Verglichen mit den herkömmlichen Verfahren zu Behandlung von kalzifizierten Stenosen (Atherektomie, Angioplastie mit modifizierten Ballons) scheint die IVL ein sehr komplikations- armes und effektives Verfahren zu sein. 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[17] Yamamoto MH, Maehara A, Karimi Galougahi K et al. Mecha- nisms of Orbital Versus Rotational Atherectomy Plaque Modifi- cation in Severely Calcified Lesions Assessed by Optical Coher- ence Tomography. JACC Cardiovasc Interv 2017; 10: 2584– 2586. doi:10.1016/j.jcin.2017.09.031 Bibliografie Kardiologie up2date 2022; 18: 1–18 DOI 10.1055/a-1403-5658 ISSN 1611-6534 © 2022. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany Sie möchten Studienergebnisse, neue Erkenntnisse und tragen? Hatten schon einmal eine unangenehme Begegnung mit den Medien? Kennen die Situation, Journalisten gegenüber Rede und Antwort zu stehen? ankommen. Dazu bieten wir Ihnen ein modular aufgebautes Medientraining für Einzelpersonen und Kleingruppen. Interessiert? www.thieme.de/medientraining l e w a r / a l i l o t o F © Mashayekhi K. Plaquemodifikation durch intravaskuläre ... Kardiologie up2date 2022; 18: 45–62 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 59

Punkte sammeln auf CME.thieme.de Fortsetzung … Frage 5 Die Disrupt CAD I-IV-Studien konnten die Effektivität und Sicher- heit der IVL darlegen. Welche der folgenden Aussagen ist falsch? A In der Disrupt CAD I-Studie konnte erstmalig die Sicherheit und Wirksamkeit der Shockwave IVL-Therapie bei 60 Patien- ten gezeigt werden. B Der klinische Erfolg der Disrupt CAD I-Studie lag bei 95 % nach 30 Tagen. C In der Disrupt CAD II-Studie wurden 120 Patienten einge- schlossen. Die intrahospitale MACE-Rate lag bei 5,8 %. D Der primäre Sicherheitsendpunkt nach 30-Tage-Freiheit von MACE betrug in der Disrupt CAD III-Studie 92,2 %. E Die Durchführung der Disrupt CAD IV-Studie führte letztend- lich zur Zulassung der koronaren IVL in USA. Frage 6 Welche Aussage zur optischen Kohärenztomografie (OCT) nach IVL ist falsch? A OCT-Substudien konnten nachweisen, dass die IVL-Behand- lung zu Kalziumfrakturen führt, ohne dass eine Hochdruck- Ballonangioplastie erforderlich ist. B Da die Differenzierung zwischen intimaler und medialer Kalzi- fizierungen in der intrakoronaren Bildgebung nicht immer eindeutig gelingt, spricht man bei der Beschreibung des Kalzi- ummusters von oberflächlichen („superficial“) und tiefen („deep“) Kalzifizierungen. C Die aktuell existierende gepoolte Subgruppenanalyse mit Patientendaten von Disrupt CAD I und CAD II zur Frage der Wirksamkeit der IVL-Therapie in exzentrisch verkalkten Koronarläsion hatte OCT-Daten als Grundlage. D Zum aktuellem Zeitpunkt fehlen OCT-Analysen zum besseren Verständnis der IVL-Wirkung bei exzentrisch und nodulären Verkalkungen. E In der Disrupt CAD III-Studie wurden bei insgesamt 67,4 % der Läsionen nach einer IVL-Therapie Kalziumfrakturen mittels OCT nachgewiesen. Frage 7 Welche Aussage zu Komplikationen der IVL-Therapie ist falsch? A Die Rate an intrahospitalen Myokardinfarkten lag in der Dis- rupt CAD I- und II-Studie unter 6 % und die Rate an schweren Dissektionen und Perforationen bei 0,3 %. B Prinzipiell kann es während der koronaren IVL-Behandlung zu einer ektopen ventrikulären Aktivität des Myokards kommen. C Als unabhängige Prädiktoren einer IVL-induzierten Stimula- tion des Herzens werden eine Herzfrequenz ≤ 60 Schläge/ min, ein männliches Geschlecht und die Gesamtanzahl der verabreichten IVL-Impulse angesehen. D Infolge der ektopen Stimulation kann es während einer IVL- Therapie sehr häufig zu Kammerflimmern kommen. E In den koronaren Zulassungsstudien zur IVL-Therapie kam es äußerst selten zu komplexen oder flusslimitierenden Dissek- tionen (Typ D-F). Frage 8 Markiere die Falschaussage zur IVL-Anwendung im klinischen Alltag. A Der Shockwave M5-Katheter ist der einzige für die Koronarien zugelassene Katheter. B Der Shockwave C2 IVL-Katheter ist seit 2018 nach dem Ab- schluss von Disrupt CAD I in Europa erhältlich. C Disrupt CAD III war die Zulassungsstudie der koronaren IVL- Therapie in den USA. D Die japanische Zulassungsstudie Disrupt CAD IV schloss ihre Rekrutierung im Jahr 2020 ab. E Die IVL-Therapie kann den transfemoralen Zugang bei der Implantation von Transkatheter-Aortenklappen, von endovas- kulären abdominalen oder thorakalen Aortenstents und von mechanischen Herzunterstützungsgeräten deutlich erleich- tern. Frage 9 Welcher Aussage zur IVL-Therapie bei komplexen Koronar- läsionen stimmen Sie nicht zu? A Die Limitation der ballonbasierten IVL-Therapie ist die Ballon- platzierung, welche in kalzifizierten Gefäßen deutlich er- schwert sein kann. B Bei einigen koronaren Läsionen kommt es trotz der Anwen- dung aller 80 IVL-Pulse nicht zu einer effektiven Plaquemodifi- kation. C Bis zu 46 % der mittels IVL behandelten Läsionen benötigen eine zusätzliche Therapie mittels Spezialballons oder Atherek- tomieverfahren. D Die IVL-Therapie ist vor allem bei exzentrischen Plaques und Reststenose-Durchmessern von > 4 mm hocheffektiv. E Zukünftige OCT-Daten sollen einen besseren Aufschluss zur Detektion von Patienten, die auf eine IVL-Therapie anspre- chen, liefern. Mashayekhi K. Plaquemodifikation durch intravaskuläre ... Kardiologie up2date 2022; 18: 45–62 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 61 ▶ Weitere Fragen auf der folgenden Seite …

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Kardiologie up2date 1 · 2022 Thrombozyten und Gerinnungssystem 6 COVID-19 und Thrombosen Stavros Konstantinides Anna Mavromanoli Lukas Hobohm VNR: 2760512022161722808 DOI: 10.1055/a-1402-5103 Kardiologie up2date 2022; 18 (1): 65–86 ISSN 1611-6534 © 2022 Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

CME-Fortbildung COVID-19 und Thrombosen Stavros Konstantinides, Anna Mavromanoli, Lukas Hobohm COVID-19 wird durch SARS-CoV-2, einen hoch ansteckenden Krankheitserreger, verursacht. Dieser Artikel fokussiert primär auf die Prophylaxe, Diagnose, Akutbe- handlung und Nachsorge von Patienten mit Venenthrombosen und Lungenembolien im Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion. Für die spezialisierte Diagnostik und Behandlung von Patienten (mit oder ohne COVID-19), die arterielle Thrombosen oder Thrombosen in atypischer Lokalisation entwickeln, wird auf fachspezifische Übersichtsarbeiten verwiesen. ABKÜR ZUNGEN ACE-2 aPL APS CT CTEPH CTPA Angiotensin-konvertierendes Enzym 2 Antiphospholipidantikörper Antiphospholipidsyndrom Computertomografie chronisch-thromboembolische pulmonale Hypertension computertomografische Pulmonalis- angiografie direkte orale Antikoagulanzien heparininduzierte Thrombozytopenie International Normalized Ratio Konfidenzintervall Lungenembolie Neutrophil extracellular Traps niedermolekulares Heparin Pulmonary Embolism Severity Index rechtsventrikulär DOAK HIT INR KI LE NETs NMH PESI RV SARS-CoV-2 Severe acute respiratory Syndrome sPESI VITT VKA WHO Coronavirus-2 Simplified pulmonary Embolism Severity Index Vaccine-induced immune thrombotic Thrombocytopenia Vitamin-K-Antagonist Weltgesundheitsorganisation Einleitung – Inzidenz und Prävalenz von Thrombosen bei COVID-19 Nach Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden seit Ausbruch der Pandemie mehr als 200 Millio- nen SARS-CoV-2-Infektionen registriert (Stand: August 2021). Von den Infizierten bleiben die meisten asympto- matisch oder oligosymptomatisch, etwa 20 % müssen je- doch – vor allem wegen akuter respiratorischer Insuffi- zienz – stationär aufgenommen werden, und die Letalität kann in der Akutphase bei älteren Personen mit Komorbi- ditäten bis zu 14 % erreichen. Bereits wenige Wochen nach dem erstmaligen Auftreten von COVID-19 wurden thrombotische Ereignisse, zu- nächst in China und anschließend in anderen Ländern, be- richtet. Es handelte sich in den meisten Fällen um Venen- thrombosen und Lungenembolien, seltener um venöse Thrombosen atypischer arterielle Thrombosen (▶ Abb. 1). Der aktuelle Kenntnisstand zu den Entstehungsmechanismen thrombotischer Ereignisse wird im folgenden Abschnitt diskutiert. Lokalisation oder Eine im April 2021 erschienene Metaanalyse von 102 Stu- dien schloss insgesamt 64 503 Patienten mit COVID-19 ein [1]. Darin betrug die gewichtete Häufigkeit von venö- sen Thromboembolien insgesamt 14,7 % (95 %-Konfidenz- intervall [KI] 12,1–17,6%), davon entfielen 11,2 % auf Ve- nenthrombosen und 7,8 % auf Lungenembolien. Die Häu- figkeit stieg auf 23,2 % (95 %-KI 17,5–29,6 %) bei schwer erkrankten Patienten, die auf Intensivstationen behandelt wurden. Im Vergleich dazu betrug die Häufigkeit arteriel- ler thrombotischer Ereignisse 4,0 % (95 %-KI 2,0–6,5 %), darunter fanden sich akute Koronarsyndrome (1,1 %), ischämische Schlaganfälle (1,6 %) und Ischämien im Splanchnikusgebiet oder in den peripheren Extremitäten (0,9 %). Zerebrale Sinusvenenthrombosen wurden sehr selten (< 1 : 100 000) berichtet. Bei diesen Zahlen ist aller- dings zu beachten, dass sie nur bestätigte, symptomati- sche Ereignisse oder akzidentelle Befunde darstellen und nicht das Ergebnis einer systematischen Suche nach Thrombosen in den jeweiligen Kohorten sind. Konstantinides S et al. COVID-19 und Thrombosen ... Kardiologie up2date 2022; 18: 65–86 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 67

führen und damit in Abhängigkeit vom Schweregrad der Infektion das Thromboserisiko an verschiedenen Stellen (▶ Abb. 1) erhöhen. Umgekehrt können thromboembo- lische Komplikationen den klinischen Schweregrad und Verlauf der Infektion in der Akutphase entscheidend be- einflussen, auch wenn in diesem Zusammenhang anzu- merken ist, dass der Anteil an Thrombose(n) in der Ge- samtzahl der COVID-19-assoziierten Todesfälle bisher nicht zuverlässig ermittelt werden konnte. Veränderung der laborchemischen Gerinnungsparameter Bei den meisten Patienten mit COVID-19 halten sich – trotz der Invasion von Pneumozyten und Endothelzellen durch SARS-CoV-2 und der begleitenden lokalen Mikroan- giopathie – die systemischen gerinnungsfördernden und gerinnungshemmenden Pathomechanismen genauso wie die proinflammatorischen und antiinflammatorischen Faktoren die Waage. Nur in ca. 5 % der symptomatischen Fälle entgleist der proinflammatorische Prozess in den be- reits erwähnten Zytokinsturm, welcher unter anderem zu einem generalisierten prokoagulatorischen Zustand führt. Letzterer wird auch als COVID-19-assoziierte Koagulo- pathie bezeichnet und besteht in einer Konstellation von Veränderungen der Gerinnungsparameter, wie diese in ▶ Tab. 1 dargestellt wird. Die Gegenüberstellung zu ande- ren schwerwiegenden Koagulopathien in dieser Tabelle zeigt, dass die COVID-19-assoziierte Koagulopathie pri- mär eine thrombotische und keine hämorrhagische Ge- rinnungsstörung ist. Nichtsdestotrotz darf auch das Blu- tungsrisiko insbesondere bei kritisch kranken Patienten auf der Intensivstation nicht außer Acht gelassen werden, da es in diesen Fällen zu einer Kombination aus Thrombo- zytopenie, Thrombozytendysfunktion und Verbrauch von Gerinnungsfaktoren kommen kann. Diese Überlegungen müssen bei der Auswahl der Heparindosis für die primäre Thromboseprophylaxe bei schwerer COVID-19 (s. u. „Schutz vor Thrombosen in der COVID-19-Ära: aktueller Stand“) berücksichtigt werden. Die Internationale Gesellschaft für Thrombose und Hä- mostase (ISTH) empfiehlt eine Bestimmung der D-Dimer- Werte, der Prothrombinzeit, der Thrombozytenzahl und der Fibrinogenkonzentration (in obiger Reihenfolge der Priorisierung) bei allen Patienten mit neu diagnostizierter COVID-19. Insbesondere wurde bereits zu Beginn der Pandemie der Stellenwert einer D-Dimer-Erhöhung her- vorgehoben. Dies basierte auf übereinstimmenden Befun- den zahlreicher Kohortenstudien, dass dieser laborche- mische „Gerinnungsmarker“ bei bis zu 50 % der hospitali- sierten Patienten erhöht ist und dass der D-Dimer-Titer mit der Patientenprognose in der Akutphase der COVID- 19 korreliert. Anschließende Studien fokussierten auf die Kinetik der D-Dimer-Konzentration während des Kranken- hausaufenthalts und berichteten, dass die Geschwindig- keit des D-Dimer-Anstiegs (ausgedrückt in mg/l/d) bei konsekutiven täglichen Messungen eine große prognosti- sche Aussagekraft besaß. Insgesamt bestätigen die vorliegenden Daten, dass die D- Dimer-Konzentration im Plasma ein empfindlicher Indika- tor schwerer SARS-CoV-2-Infektionen ist und dass serielle D-Dimer-Bestimmungen zur Überwachung der Krank- heitsaktivität im Krankenhaus hilfreich sein können. Ande- rerseits ist eine D-Dimer-Erhöhung nach aktueller Evi- denzlage weder als direkter Nachweis von Thrombosen (und damit als Indikation zur therapeutischen Antikoagu- lation) noch als alleiniger Grund für eine „hochdosierte“ Thromboseprophylaxe zu interpretieren. Vielmehr weist der D-Dimer-Anstieg auf die Notwendigkeit einer eng- maschigen klinischen Überwachung hin. Diese sollte die systematische Abfrage von Symptomen und Suche nach klinischen Zeichen einer venösen Thromboembolie oder Thrombose in anderer Lokalisation beinhalten, um die entsprechende Diagnostik (s. u. „Diagnose von Thrombo- sen und Lungenembolien“) bei dokumentiertem kli- nischem Verdacht ohne Verzögerung zu veranlassen. ▶Tab. 1 Konstellation der Laborparameter bei COVID-19-assoziierter Koagulopathie im Vergleich zu anderen Koagulopathien. Koagulopathie PT/aPTT Thrombo- zytenzahl D-Dimer Fibrinogen Faktor-VIII- Aktivität Protein C, S Anti- thrombin aPL COVID-19-assoziierte Koagulopathie Antiphospholipidsyndrom disseminierte intravasale Gerinnung thrombotische Mikroangiopathie* ↔ oder ↑ ↑oder ↓ PT ↔ aPTT ↑ ↑ ↔ ↓ ↓ ↓ ↑ ↔ ↑ ↑ ↔ ↔ oder ↓ ↔ oder ↑ ↔ ↑ ↔ ↓ ↑ ↓ ↓ ↓ ↔ ↔ ↔ ↓ ↔ + + – – aPL: Antiphospholipidantikörper, aPTT: aktivierte partielle Thromboplastinzeit, PT: Prothrombinzeit * hämolytisch-urämisches Syndrom oder thrombotisch thrombozytopenische Purpura Konstantinides S et al. COVID-19 und Thrombosen ... Kardiologie up2date 2022; 18: 65–86 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 69

Substanzen selbst werden teilweise unterschiedliche D- Dimer-Cut-off-Werte für die Indikationsstellung zur Pro- phylaxe getestet. Drei große randomisierte Studien (ACTIV-4, ATTACC und REMAP-CAP) mit harmonisierten Protokollen untersuch- ten Nutzen versus Risiken einer therapeutisch dosierten (im Vergleich zur prophylaktischen Standarddosis) Hepa- rinbehandlung zur Primärprävention von Thrombosen bei hospitalisierten, aber nicht kritisch kranken (nicht inten- sivpflichtigen) Patienten mit COVID-19. Die Patienten wurden nach D-Dimer-Werten bei Aufnahme (mindes- tens das Doppelte des oberen Normwerts/weniger als das Doppelte des oberen Normwerts/unbekannt) stratifiziert. Auf der Basis der positiven Ergebnisse der Interimsanalyse wurden die Studien vorzeitig beendet [9]. Bei der Analyse von 2219 Patienten wurde eine Verbesserung der Überle- bensrate in der Akutphase um 4 absolute prozentuale Punkte festgestellt. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei Be- endigung der Studie, wie ursprünglich geplant, eine Über- legenheit der therapeutischen im Vergleich zu der Stan- darddosis in der geplanten Gesamtpopulation gezeigt würde, lag zwischen 93 % und 97 % und war in allen D-Di- mer-Subgruppen weitgehend konsistent. Diese ermuti- genden Ergebnisse sollten allerdings noch vorsichtig in- terpretiert werden. Es ist noch zu früh, eine allgemeine Empfehlung auszusprechen, bei welchen stabilen hospita- lisierten Patienten von einem hohen Thromboserisiko aus- zugehen ist und somit eine hochdosierte Thrombosepro- phylaxe (bspw. 40 mg Enoxaparin s. c., 1-mal täglich) in der klinischen Praxis erfolgen sollte. Hospitalisierte, kritisch kranke Patienten auf der Intensivstation Obwohl derzeit weder durch die vorhandene Evidenz noch durch die Empfehlungen der meisten Fachgesell- schaften unterstützt (Zusammenfassung aktueller Leitlini- en in [8]), sieht die Thromboseprophylaxe in den Behand- lungsprotokollen vieler Intensivstationen weltweit eine „verstärkte“ Antikoagulation mittels intermediärer oder volltherapeutischer Heparindosis vor. In manchen Fällen gilt das für Intensivpatienten, die (unterschiedlich defi- nierte) Risikokriterien für Thrombosen erfüllen, oft han- delt es sich aber um eine Allgemeinempfehlung. Die Ra- tionale dafür liegt in der Erkenntnis, dass die Häufigkeit venöser Thromboembolien bei intensivpflichtigen Patien- ten mit COVID-19 im Vergleich zu Patienten auf periphe- ren Stationen bis zu 6-mal erhöht ist. Darüber hinaus tra- ten in einigen der Kohortenstudien aus dem Jahr 2020 akute Lungenembolieereignisse unter, und trotz, prophy- laktischer Antikoagulation auf. In einer bereits durch die Infektion und möglicherweise beginnende Sepsis belaste- ten hämodynamischen Situation kann auch eine periphe- re Lungenembolie (LE) zum Tod beitragen, daher gilt es, sie unbedingt (wenn auch nicht um jeden Preis!) zu ver- hindern. Als zusätzliche Unterstützung des „offensiven“ Vorgehens dient die primär prokoagulatorische und nicht prohämorrhagische Konstellation der Laborparameter (s. o. „Veränderung der laborchemischen Gerinnungs- parameter“) bei COVID-19. Allerdings können diese Argu- mente, auch wenn sie sinnvoll erscheinen, eine evidenz- basierte Nutzen-Risiko-Abwägung nicht ersetzen. Die bereits oben erwähnten randomisierten Studien ACTIV-4, ATTACC und REMAP-CAP untersuchten mit har- monisierten Protokollen Nutzen versus Risiken einer the- rapeutisch dosierten Heparinbehandlung zur Primär- prävention von Thrombosen auch bei intensivpflichtigen Patientinnen und Patienten mit COVID-19. Auch diese Studien wurden vorzeitig abgebrochen, allerdings wegen negativer Ergebnisse der Interimsanalyse [10]. Bei der Analyse von 1098 Patienten konnte weder eine Verbes- serung der Überlebensrate in der Akutphase (bis zur Ent- lassung aus dem Krankenhaus) noch eine Zunahme der stationären Tage ohne Atem- oder Kreislaufunterstützung bis zum Tag 21 beobachtet werden, während die Inzidenz schwerer (Major) Blutungen von 2,3 % auf 3,8 % anstieg. Eine weitere Studie mit einer intermediären versus stan- darddosierten Heparinantikoagulation war ebenfalls ne- gativ [11]. Sicherlich hatten alle diese Studien Limitatio- nen und waren nicht repräsentativ für alle Risikogruppen unter den intensivpflichtigen Patienten, somit ist das letz- te Wort zu dieser kritischen Fragestellung noch nicht ge- sprochen. Allerdings sind die bisherigen Ergebnisse nicht ermutigend. Weitere laufende Studien untersuchen Thrombozyten- hemmer, parenterale direkte Thrombininhibitoren oder Fibrinolytika (▶ Abb. 2). Aktuell wird keine dieser Sub- stanzen und keines dieser Schemata für den Einsatz in der klinischen Routine auf Intensivstationen empfohlen. Merke ▪ Keine Thromboseprophylaxe in der Allgemein- bevölkerung während Pandemiewellen. ▪ Keine Routine-Prophylaxe bei beschwerdearmen, ambulant behandelten Infizierten. ▪ Keine Routine-Weiterführung der Antikoagulation nach Entlassung aus dem Krankenhaus. Konstantinides S et al. COVID-19 und Thrombosen ... Kardiologie up2date 2022; 18: 65–86 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 71

Merke Keine Routine-Lungenemboliediagnostik mittels Bild- gebung bei: ▪ alleiniger D-Dimer-Erhöhung ohne konkreten klinischen Verdacht, ▪ respiratorischer oder hämodynamischer Verschlech- terung, wenn diese höchstwahrscheinlich pneumo- nie- oder sepsisbedingt ist. Risikoadaptierte Therapie in der Akutphase Nach der Bestätigung einer LE sollte das therapeutische Vorgehen risikoadaptiert erfolgen. Hämodynamisch insta- bile Patienten sollten sofort eine parenterale Antikoagula- tion (in der Regel intravenöse Dauerinfusion von unfrak- tioniertem Heparin) und eine Reperfusionstherapie erhal- ten, während bei hämodynamisch stabilen Patienten die Antikoagulationsbehandlung mit einem direkten oralen Antikoagulans (DOAK) oder einem niedermolekularen He- parin (NMH) initiiert oder – falls bereits begonnen – fort- geführt wird. Dabei muss auf mögliche Komorbiditäten und insbesondere das Risiko einer schnellen kardiorespira- torischen Verschlechterung aufgrund der LE selbst oder der COVID-19 geachtet werden. Akute Lungenembolie mit hämodynamischer Instabilität: Kreislaufunterstützung, Reperfusionsbehandlung Unabhängig vom Schweregrad von COVID-19 und der Dynamik der infektionsbedingten respiratorischen und hämodynamischen Kompromittierung nach stationärer Aufnahme ist das Vorliegen eines kardiogenen bzw. „ob- struktiven“ LE-bedingten Schockes bei Aufnahme mit einer sehr hohen frühen Letalitätsrate von bis zu 65 % as- soziiert. Bei Patienten mit hämodynamischer Instabilität soll zur Diagnosesicherung der LE der von den Europä- ischen Leitlinien [13] empfohlene Notfallalgorithmus an- gewendet werden und im Kontext von COVID-19 insbe- sondere auf einen raschen Ausschluss anderer möglicher Ursachen der septischer Schock) geachtet werden. Die kreislaufunterstützenden Maßnahmen bei bestätigter Hochrisiko-LE sind in ▶ Tab. 2 dargestellt, die Prioritäten im Rahmen des Not- fallmanagement-Algorithmus in ▶ Abb. 3. Im Vorder- grund stehen eine rasche Reperfusionsbehandlung und dadurch die sofortige Entlastung des Pulmonalkreislaufs und folglich des rechten Ventrikels. Aus diesem Grund wird der Stellenwert der transthorakalen Echokardiografie hervorgehoben, da diese am Patientenbett einen raschen Nachweis oder Ausschluss eines RV-Versagens durch die LE ermöglicht. Die Durchführung einer CTPA gilt zwar prinzipiell bei jedem klinischem Verdacht einer akuten LE als diagnostischer Standard, vorausgesetzt, dass die hä- modynamische Situation des Patienten einen Transport ermöglicht und keine Kontraindikationen zur Durchfüh- rung einer CTPA vorliegen. (Hypovolämie, Instabilität ▶Tab. 2 Pharmakologische und mechanische Kreislaufunterstützung bei Patienten mit hämodynamischer Instabilität aufgrund einer schweren Lungenembolie (hohes Risiko). Substanz/Verfahren Anwendung und Wirkmechanismus Komplikationen Optimierung des intravaskulären Volumens NaCl 0,9 % oder Ringer-Laktat (maximal 500 ml) innerhalb von 15–30 min bei Patienten mit niedrig-normalem zen- tralvenösem Druck, z. B. bei Hypovolämie Gefahr der Volumenüberlastung und Dilatation des rechten Ventrikels Vasopressoren und inotrope Substanzen Norepinephrin 0,2–1,0 μg/kg/min inotrope Wirkung auf den rechten Ventrikel Blutdruckanstieg Erhaltung/Erhöhung der Koronarperfusion mögliche Gewebshypoxie durch exzessive Vasokonstriktion Dobutamin 2–20 μg/kg/min inotrope Wirkung auf den rechten Ventrikel Reduktion der RV Füllungsdrucke mögliche hämodynamische Verschlechterung (Hypotonie) bei alleiniger Anwendung ohne Vasokonstriktoren Herzrhythmusstörungen mechanische Kreislaufunterstützung venoarterielle ECMO schnelle Stabilisierung des Kreislaufs mögliche Blutungen, Infektionen bei Anwendung > 5–10 d klinischer Nutzen nur in Kombination mit chirurgischer Embolektomie oder kathetergestützten Therapie Infrastruktur und Erfahrung erforderlich ECMO: extrakorporale Membranoxygenierung, RV: rechtsventrikulär Konstantinides S et al. COVID-19 und Thrombosen ... Kardiologie up2date 2022; 18: 65–86 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 73

▶Tab. 3 In Deutschland zugelassene Heparine für die Behandlung akuter Venenthrombosen und Lungenembolien. Präparat Dosis Anmerkung unfraktioniertes Heparin (i. v.) niedermolekulare Heparine Dalteparin (s. c.) Enoxaparin (s. c.) Tinzaparin (s. c.) Fondaparinux (s. c.) 80 IE/kgKG als Bolus, gefolgt von 18 IE/kg/h als Dauerinfusion Ziel: aPTT-Verlängerung auf das 1,5- bis 2-Fache des Normalwerts Tagesdosis: 100 IE/kgKG × 2 oder 200 IE/kgKG × 1 ▪ 10 000 IE bei KG < 57 kg ▪ 12 500 IE bei KG 57–68 kg ▪ 15 000 IE bei KG 69–83 kg ▪ 18 000 IE bei KG > 83 kg Tagesdosis: 1 mg/kgKG × 2 oder 1 mg/kgKG × 1 bei GFR < 30 ml/min Tagesdosis: 175 IE/kgKG × 1 mit Tageshöchstdosis 20 000 IE Vorsicht bei Asthmapatienten Tagesdosis: ▪ 5 mg × 1 bei KG < 50 kg ▪ 7,5 mg × 1 bei KG 50–100 kg ▪ 10 mg × 1 bei KG > 100 kg Kontraindikation bei Patienten mit GFR < 30 ml/min aPTT: aktivierte partielle Thromboplastinzeit, GFR: glomeruläre Filtrationsrate, IE: internationale Einheiten, i. v.: intravenös, KG: Körpergewicht, s. c.: subkutan Alle Patienten mit LE benötigen eine therapeutische Anti- koagulation. Eingeleitet wird diese mit einem NMH oder Fondaparinux, alternativ mit Apixaban oder Rivaroxaban. Der Initial- oder Akuttherapie (erste 5–10 Tage) schließt sich die chronische Phase der Antikoagulation mit einer Dauer von mindestens 3 Monaten an. Die in Deutschland zugelassenen Heparine (unfraktioniertes Heparin, NMH, Fondaparinux) für die Behandlung und Sekundärpräven- tion akuter Venenthrombosen und LE sind in ▶ Tab. 3, die zugelassenen DOAK in ▶ Tab. 4 dargestellt. Dabei ist zu beachten, dass Edoxaban und Dabigatran erst nach einer mindestens 5-tägigen parenteralen Heparinbehandlung angesetzt werden dürfen, während Apixaban und Rivaro- xaban zwar von Beginn an zugelassen sind, aber in den ersten 7 Tagen (Apixaban) bzw. 3 Wochen (Rivaroxaban) in erhöhter Dosis eingenommen werden müssen. Grundsätzlich wird heute der Einsatz eines DOAK gegen- über den Vitamin-K-Antagonisten (VKA) sowohl in evi- denzbasierten Leitlinienempfehlungen als auch in der kli- nischen Praxis vorgezogen. Dies gilt auch für Patienten mit COVID-19. Während initial (im Frühjahr 2020) eine Warnung vor möglichen Interaktionen zwischen DOAK und den zum damaligen Zeitpunkt getesteten antiviralen Substanzen und Schemata ausgesprochen wurde, beste- hen aktuell keine Bedenken mehr in diesem Zusammen- hang [15]. Vitamin-K-Antagonisten sollten in der Throm- bosebehandlung (nur) dann in Betracht gezogen werden, wenn die Behandlung mit einem DOAK kontraindiziert ist. Lungenembolie bestätigt, Kreislauf stabil Antikoagulation beginnen/fortführen klinische Zeichen schwerer LE oder signifikante Komorbidität? (PESI-Klasse III–V oder sPESI 1)≥ RV-Dysfunktion in der Bildgebung? mindestens eines vorhanden keines vorhanden intermediäres Risiko niedriges Risiko Krankenhausaufnahme, Überwachung* bei Dekompensation Lyse oder Intervention oder OP Frühentlassung, ambulant weiterbehandeln ▶ Abb. 4 Risikoadaptiertes Management einer bestätigten akuten Lungenembolie bei stabilen Kreislaufverhältnissen. LE: Lungenembolie, OP: Operation (chirurgische Embolektomie), PESI: Pulmonary Embolism Severity Index, RV: rechtsventrikulär, sPESI: Simplified (vereinfachter) pulmonary Embolism Severity Index * insbesondere bei intermediär-hohem Risiko, d. h. bei Vorliegen einer rechtsventrikulären Dysfunktion in der Bildgebung in Kombination mit erhöhten Troponin-Werten Konstantinides S et al. COVID-19 und Thrombosen ... Kardiologie up2date 2022; 18: 65–86 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 75

In diesem Zusammenhang ist ebenfalls der echokardio- grafische Ausschluss einer Rechtsherzbelastung – auch bei Patienten mit scheinbar „normalen“ klinischen Para- metern! – hervorzuheben, da der Nachweis einer RV-Dys- funktion bei akuter LE einen unabhängigen prognosti- schen Stellenwert hat. Die Empfehlung zur Frühentlas- sung wird durch die Ergebnisse der HoT-PE-Studie (Home Treatment of pulmonary Embolism) unterstützt. Darin war eine frühzeitige Entlassung (binnen 48 Stunden, im Median 36 Stunden) und ambulante Weiterbehandlung von Patienten, die alle oben aufgeführten Kriterien eines niedrigen Risikos erfüllten, mit einer sehr niedrigen LE-Re- zidivrate (0,6 %) assoziiert [16]. Diese Strategie könnte zu einer Ökonomisierung von Krankenhauskapazitäten in Pandemiezeiten beitragen und parallel dazu die Patien- tenzufriedenheit und -lebensqualität verbessern. Absolute Voraussetzung ist selbstverständlich eine asymptomati- sche oder oligosymptomatische SARS-CoV-2-Infektion und damit das Fehlen einer Indikation zur stationären Überwachung und Behandlung. Fragliche klinische Konsequenz von Antiphospholipidantikörpern bei Patienten mit COVID-19 Das Antiphospholipidsyndrom (APS) ist eine potenziell le- bensbedrohliche, erworbene thrombophile Störung mit einer Prävalenz von 17 bis 50 Fällen pro 100 000 in der All- gemeinbevölkerung. Die Patienten bilden Autoantikörper gegen Phospholipide und phospholipidbindende Proteine wie Prothrombin und β2-Glykoprotein I (β2-GPI). Anti- phospholipidantikörper (aPL) binden an Zelloberflächen und aktivieren somit Endothelzellen, Blutplättchen und Neutrophile, sodass ein prothrombotisches Milieu ent- steht. Zu den diagnostischen Kriterien des APS gehören neben dem Nachweis von Anticardiolipin- und β2-GPI- Antikörpern das Lupus antikoagulans, ein funktioneller Assay, der verschiedene aPL-Spezies detektiert. Bereits im Frühjahr 2020 wurden einzelne, teils katastrophale Fälle von APS bei Patienten mit schwerer SARS-CoV-2-Infektion berichtet, später erschienen die ersten Kohortenstudien. Darin war – je nach untersuchter Kohorte und Cut-off- Werten – bei bis zu 50 % der Patienten mindestens ein aPL-Titer erhöht, während bei ca. 14 % Doppel-Positivität und bei 7 % Triple-Positivität bestand [17]. Allerdings konnte in den bisherigen Studien keine klare Assoziation der aPL-Titer mit klinisch dokumentierten, schweren thrombotischen Komplikationen oder mit der Patienten- sterblichkeit bestätigt werden, sodass die klinische Rele- vanz dieser Laborbefunde noch unklar ist. Dementspre- chend bleiben auch ihre therapeutischen Konsequenzen und somit die klinische Notwendigkeit einer „flächen- deckenden“ aPL-Bestimmung im Rahmen von COVID-19 umstritten. Bei Patienten mit einer Thrombose oder LE und dem Nachweis von aPL besteht grundsätzlich (nur dann) eine Kontraindikation gegen DOAK, wenn eine Triple-Positivi- tät und/oder ein arterielles thrombotisches Ergebnis vor- liegt (▶ Tab. 5). Eine Testung auf aPL wird allerdings nicht routinemäßig, sondern nur bei konkretem klinischem Ver- dacht empfohlen. Indikationen für eine aPL-Testung blei- ben in der COVID-19-Ära die folgenden: ▪ rezidivierende LE oder tiefe Venenthrombosen, ▪ thromboembolisches Ereignis (arteriell oder venös) unter oraler Antikoagulation, ▪ APS-entsprechende Schwangerschaftskomplikationen, ▪ venöse Thrombose(n) atypischer Lokalisation, ▪ Schlaganfall oder sonstiges arterielles thromboembo- lisches Ereignis unklarer Genese, ▪ akrale Durchblutungsstörungen unklarer Genese, ▪ Ulcus cruris unklarer Genese, ▪ bekannte/konkret vermutete Autoimmunerkrankung/ Kollagenose, ▪ Livedo reticularis. ▶Tab. 5 Optionen der antithrombotischen Therapie bei Patienten mit Antiphospholipidsyndrom. klinischer Schweregrad DOAK-Therapie (nur the- rapeutische Dosierungen) VKA-Therapie VKA in Kombination mit ASS-Therapie APS mit arteriellen Thrombosen kein Einsatz von DOAK VKA Goldstandard bei vaskulären Risikofaktoren zusätzlich ASS erwägen schweres APS mit dreifach positiven Antiphospholi- pidtests (LA und ACA-AK und β2-GPI-AK), venösen Thrombosen moderates APS mit zweifacher AK-Positivität (ACA-AK und β2-GPI-AK), negativem LA, venösen Thrombosen mildes APS mit einfacher AK-Positivität (ACA-AK oder β2-GPI-AK), negativem LA, venösen Thrombosen kein Einsatz von DOAK VKA Goldstandard nicht erforderlich Einsatz von DOAK möglich alternativ: VKA nicht erforderlich Einsatz von DOAK möglich alternativ: VKA nicht erforderlich kein APS (z. B. falsch positive LA) Einsatz von DOAK alternativ: VKA nicht erforderlich ACA-AK: Anticardiolipin-Antikörper, AK: Antikörper, APS: Antiphospholipidsyndrom, ASS: Acetylsalicylsäure, β2-GPI-AK: beta-2-Glykoprotein I-Antikörper, DOAK: direkte orale Antikoagulanzien, LA: Lupus antikoagulans, VKA: Vitamin-K-Antagonist(en). In Übereinstimmung mit den interdisziplinären Empfehlungen der deutschen Fachgesellschaften [18]. Konstantinides S et al. COVID-19 und Thrombosen ... Kardiologie up2date 2022; 18: 65–86 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 77

CTEPH objektive kardiopulmonale Funktionseinschränkung persistierende Perfusionsdefekte persistierende Symptome, LQ↓ alle Überlebenden einer akuten LE ▶ Abb. 5 Das klinische Spektrum der Spätfolgen nach akuter Lungenembolie. CTEPH: chronisch-thromboembolische pulmonale Hypertension, LQ: Lebensqualität, LE: Lungenembolie ▪ Bei Bedarf evaluieren Sie die Hämodynamik und RV- Funktion mittels Echokardiografie in Kombination mit der Bestimmung natriuretischer Peptide im Plasma oder einer Spiroergometrie. ▪ Bei pathologischen oder suspekten Befunden verwei- sen Sie Ihre Patientin/Ihren Patienten an ein CTEPH- Referenzzentrum. Merke Eine LE im Rahmen einer SARS-CoV-2-Infektion kann selbst ein prädisponierender Faktor für CTEPH sein! COVID-19-bedingte Thrombosen und Embolien an anderen Stellen Wie bereits zu Beginn erwähnt, fokussiert dieser Artikel primär auf die Diagnose und Behandlung von Venen- thrombosen und insbesondere von Lungenembolien, weil diese am häufigsten sind, in direktem Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Infektion und ihrer Prognose stehen und somit in der klinischen Praxis COVID-19-spezifische Managementstrategien benötigen. Bei Symptomen, die auf ein akutes Koronarsyndrom oder einen Schlaganfall hindeuten, hat – wie bei Patienten ohne COVID-19 – um- gehend die entsprechende, von aktuellen kardiologischen und neurologischen Leitlinien empfohlene weitere Diag- nostik und Therapie zu erfolgen. Das diagnostische Ver- fahren für Thrombosen der Extremitätenarterien um- fasst Duplexultraschall und gegebenenfalls eine CT- oder invasive Angiografie, um die Lokalisierung und das Aus- maß des thrombotischen Verschlusses zu bestimmen und zu behandeln. Bei COVID-19-Patienten mit anhaltenden Kopfschmerzen, fokalen neurologischen Defiziten oder Krampfanfällen bisher ungeklärter Ursache sowie Zeichen einer Enzephalopathie sollte bei ausgeschlossenem ischä- mischem Schlaganfall an eine zerebrale Sinusvenen- thrombose gedacht werden. Schließlich tritt eine Venen- thrombose im Splanchnikusgebiet, die Mesenterial-, Pfortader- und Milzvenen umfassend, typischerweise bei Patienten mit schwerer angeborener oder erworbener Thrombophilie, maligner Erkrankung oder Leberanoma- lien auf. Nichtsdestotrotz sollte auch bei Patienten mit COVID-19 an diese seltene Komplikation gedacht werden, insbesondere bei anhaltenden Magen-Darm-Beschwer- den, begleitet von zunehmender Gewebshypoxie und Laktatazidose. Für die spezialisierte Diagnostik und Behandlung von Pa- tienten (mit oder ohne COVID-19) mit arteriellen Throm- bosen oder Thrombosen atypischer Lokalisation werden die Leserinnen und Leser an fachspezifische Übersichts- arbeiten verwiesen. Konstantinides S et al. COVID-19 und Thrombosen ... Kardiologie up2date 2022; 18: 65–86 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 79

dass die Thrombozyztenzahl (noch) nicht pathologisch niedrig ist, da eine solche Konstellation im Frühstadi- um der VITT vorliegen kann. – Die VITT-Behandlung besteht aus: • Antikoagulation mittels Fondaparinux oder eines direkten oralen Antikoagulans (Apixaban oder Rivaroxaban), oder, bei kritisch kranken Patien- ten, mittels Argatroban, vorausgesetzt, dass die Thrombozytenzahl > 50 × 10⁹/l liegt und keine aktive Blutung vorliegt. • Kein Heparin, keine VKA! • Immunoglobulin intravenös (0,5–1,0 mg/kg täg- lich über 2 Tage) und gegebenenfalls Steroide (beispielsweise Prednisolon 1–2 mg/kg), falls die Thrombozytenzahl < 50 × 10⁹/l liegt. • Keine Transfusionen von Thrombozytenkon- zentraten! • Ein Plasmaaustausch oder Fibrinogensubstitu- tion auf eine Zielkonzentration > 1,0 g/dl ist zu erwägen, falls eine Thrombozytenzahl < 30 × 10⁹/l trotz Immunglobulin- und Steroid- behandlung persistiert. Merke Die Behandlung einer VITT soll immer nach Rücksprache mit einer Gerinnungsexpertin/einem Gerinnungsexper- ten erfolgen! Keine Routine-Thromboseprophylaxe mit- tels Antikoagulation vor oder nach SARS-CoV-2-Imp- fung in der Bevölkerung. Wenn schließlich bei einem Patienten mit vakzinassoziier- ter Thrombose sowohl eine normale (und nicht abfallen- de) Thrombozytenzahl als auch ein negativer PF4-Anti- körper-ELISA-Test vorliegt, kann von einer „klassischen“ Thrombose ausgegangen werden. Diese soll gemäß den in den vorherigen Abschnitten dieses Artikels zusammen- gefassten Empfehlungen und den aktuell geltenden Leit- linien behandelt werden. KERNAUSSAGEN ▪ Im Rahmen von COVID-19 sollte eine D-Dimer-Erhöhung zu engmaschigem Monitoring führen, stellt aber von alleine, ohne entsprechende klinische Symptomatik, keine Indikation zur Thrombosediagnostik oder therapeutischen Antikoagula- tion dar. ▪ Es ist keine Thromboseprophylaxe in der Allgemeinbevölke- rung während COVID-19-Pandemie-Wellen und keine Routine- Prophylaxe bei beschwerdearmen, ambulant behandelten, mit SARS-CoV-2 infizierten Personen indiziert. ▪ Es sollte keine Routine-Lungenemboliediagnostik mittels Bild- gebung bei respiratorischer oder hämodynamischer Ver- schlechterung erfolgen, wenn diese mit hoher Wahrscheinlich- keit pneumonie- oder sepsisbedingt ist. ▪ Eine interdisziplinäre Akutbehandlung instabiler Patienten mit Lungenembolie dient der Auswahl der optimalen Reperfusi- onsoption unter Berücksichtigung der pandemiebedingten Auslastung der Kapazitäten vor Ort. ▪ Die empfohlenen Antikoagulanzien sind für Patienten mit COVID-19-assoziierten Thrombosen die gleichen wie für jene ohne SARS-CoV-2-Infektion. Der Verzicht auf Vitamin-K-Anta- gonisten ist in Pandemiezeiten hervorzuheben. ▪ Eine akute oder abgelaufene SARS-CoV-2-Infektion stellt von alleine keine Indikation zur Diagnostik eines Antiphospholipid- syndroms dar. ▪ Eine im Rahmen einer SARS-CoV-2-Infektion aufgetretene Lungenembolie kann ein prädisponierender Faktor für eine chronisch-thromboembolische pulmonale Hypertension sein. Verlaufsbeobachtungen und ein Nachsorgeplan werden emp- fohlen. ▪ Von einer Routine-Thromboseprophylaxe mittels Antikoagula- tion vor oder nach SARS-CoV-2-Impfung in der Bevölkerung wird abgeraten. Die Behandlung einer vakzininduzierten Thrombose soll nach Rücksprache mit einer Gerinnungsexper- tin/einem Gerinnungsexperten erfolgen. Interessenkonflikt Erklärung zu finanziellen Interessen Forschungsförderung erhalten: ja, von einer anderen Institu- tion (Pharma- oder Medizintechnikfirma usw.); Honorar/geld- werten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: ja, von einer anderen Institution (Pharma- oder Medizintechnikfirma usw.); Bezahlter Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfän- ger: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehe- partner, Kinder) an im Bereich der Medizin aktiven Firma: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an zu Sponsoren dieser Fortbildung bzw. durch die Fortbildung in ihren Geschäftsinteressen berührten Firma: nein. Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Konstantinides S et al. COVID-19 und Thrombosen ... Kardiologie up2date 2022; 18: 65–86 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 81

[15] Steffel J, Collins R, Antz M et al. 2021 European Heart Rhythm Association Practical Guide on the Use of Non-Vitamin K An- tagonist Oral Anticoagulants in Patients with Atrial Fibrillation. Europace 2021; 23: 1612–1676. doi:10.1093/europace/euab0 65 [16] Barco S, Schmidtmann I, Ageno W et al. Early discharge and home treatment of patients with low-risk pulmonary embo- lism with the oral factor Xa inhibitor rivaroxaban: an interna- tional multicentre single-arm clinical trial. Eur Heart J 2020; 41: 509–518. doi:10.1093/eurheartj/ehz367 [17] Taha M, Samavati L. Antiphospholipid antibodies in COVID-19: a meta-analysis and systematic review. RMD Open 2021; 7: e001580. doi:10.1136/rmdopen-2021-001580 [18] Bauersachs R, Langer F, Kalka C et al. Treatment of the anti- phospholipid syndrome with direct oral anticoagulants: Posi- tion statement of German societies. Vasa 2019; 48: 483–486. doi:10.1024/0301-1526/a000815 [19] Greinacher A, Thiele T, Warkentin TE et al. Thrombotic Throm- J bocytopenia after ChAdOx1 nCov-19 Vaccination. N Engl Med 2021; 384: 2092–2101. doi:10.1056/NEJMoa2104840 [20] Konstantinides SV. Thrombotic complications of vaccination against SARS-CoV-2: what pharmacovigilance reports tell us – and what they don’t. Eur Respir J 2021; 58: 2101111. doi:10.1 183/13993003.01111-2021 Bibliografie Kardiologie up2date 2022; 18: 65–86 DOI 10.1055/a-1402-5103 ISSN 1611-6534 © 2022. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany Präsenz Sie möchten Studienergebnisse, neue Erkenntnisse tragen? Hatten schon einmal eine unangenehme Begegnung mit den Medien? Kennen die Situation, Journalisten gegenüber Rede und Antwort zu stehen? ankommen. Dazu bieten wir Ihnen ein modular aufgebautes Medientraining für Einzelpersonen und Kleingruppen. Interessiert? www.thieme.de/medientraining l e w a r / a l i l o t o F © Konstantinides S et al. COVID-19 und Thrombosen ... Kardiologie up2date 2022; 18: 65–86 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 83

Punkte sammeln auf CME.thieme.de Fortsetzung … Frage 4 Welche der folgenden Aussagen zum therapeutischen Einsatz direkter oraler Antikoagulanzien (DOAK) bei COVID-19-assoziier- ten venösen Thromboembolien ist korrekt? A DOAK weisen Wechselwirkungen mit vielen sich aktuell in der klinischen Testung befindenden antiviralen Substanzen auf. B DOAK sollten in der Akutphase nur dann eingesetzt werden, wenn eine Frühentlassung und ambulante Weiterbehandlung der Patientin/des Patienten geplant ist. C Der Einsatz von DOAK in der Behandlung einer venösen Thromboembolie soll den gleichen Regeln wie bei Patienten ohne COVID-19 folgen. D Wegen der häufigen Erhöhung des Titers der Antiphospho- lipidantikörper sind DOAK in den ersten Wochen nach der Akutphase der Infektion zu vermeiden. E Bei Patienten mit COVID-19 können alle zugelassenen DOAK gleich zu Beginn (ohne vorherige parenterale Heparinthera- pie) eingesetzt werden, um die Dauer des stationären Aufent- halts möglichst zu verkürzen. Frage 5 Welchem Zweck dient hauptsächlich die Etablierung, in jedem größeren Krankenhaus, eines interdisziplinären Lungenembolie- Teams? A Sie soll die interventionelle Behandlung von Lungenembolien fördern und die Erfahrung mit kathetergestützten Verfahren optimieren. B Sie soll bei Patienten mit hohem Risiko die Auswahl der am besten geeigneten Reperfusionsbehandlung ermöglichen. C Sie soll dazu dienen, unter den Patienten mit niedrigem Risiko die Kandidaten für eine Frühentlassung und ambulante Be- handlung sofort zu identifizieren. D Sie soll dazu beitragen, die Durchführung einer systemischen Thrombolyse bei Lungenembolien mit intermediärem Risiko wieder zu etablieren, da diese mit einem nachgewiesenen klinischen Nutzen in der Akutphase assoziiert ist. Frage 6 Welche Aussage im Zusammenhang mit der Primärprophylaxe von Thrombosen trifft bei Patienten, die für SARS-CoV-2 positiv getestet werden, zu? A Die neuesten Daten sprechen gegen den Einsatz einer voll- therapeutischen oder „intermediären“ Heparindosis zur Pri- märprophylaxe bei intensivpflichtigen Patienten. B Eine volltherapeutische Heparindosis ist zur Primärprophylaxe bei intensivpflichtigen Patienten grundsätzlich indiziert, da das Thromboserisiko in diesem Zusammenhang stark erhöht ist. C Eine Thromboseprophylaxe ist für alle Patienten ab einem Alter von 50 Jahren sinnvoll, auch wenn sie nur leichte COVID-19-bedingte Symptome haben und ambulant behan- delt werden können. D Bei hospitalisierten Patienten mit niedrigem Thromboserisiko sind Thrombozytenhemmer eine akzeptable Alternative zur Antikoagulation für die Primärprophylaxe. E Bei stabilen, nicht intensivpflichtigen stationären Patienten soll sich die Heparindosis am besten nach dem D-Dimer- Spiegel richten. Frage 7 Ein 58-jähriger Mann musste vor 6 Monaten wegen symptomati- scher COVID-19 hospitalisiert werden, dabei wurde auch eine beidseitige zentrale Lungenembolie festgestellt. Er stellt sich jetzt 8 Monate nach dem Akutereignis unter laufender oraler Antikoagulation ambulant vor. Er hat bereits bei geringer körper- licher Anstrengung starke Luftnot. Die Echokardiografie ist pa- thologisch im Sinne einer Rechtsherzbelastung, der geschätzte systolische Pulmonalisdruck beträgt 55 mmHg. Die Konzentra- tion des natriuretischen Peptids NT-proBNP im Blut ist stark erhöht (s. a. Fallbeispiel 3). Welche sind Ihre nächsten Schritte? A Veranlassung einer Nativ-CT der Lunge zum Ausschluss per- sistierender Lungeninfiltrate. B Als Erstes Durchführung einer CTPA zum Ausschluss eines E Sie soll den beteiligten Ärztinnen und Ärzten ermöglichen, Lungenembolierezidivs. sich von der hohen Wirksamkeit und Sicherheit der niedrigdo- sierten systemischen oder lokalen Thrombolyse zu überzeu- gen. C Verlängerung der Antikoagulation um 3 Monate und Empfeh- lung einer Rehabilitation zur Verbesserung der kardiopulmo- nalen Kondition. D Verweis an ein Expertenzentrum für pulmonale Hypertonie zur Diagnose oder zum Ausschluss einer chronisch-thrombo- embolischen pulmonalen Hypertension (CTEPH). E Therapieversuch mit einem Phosphodiesterase-5-Hemmer (z. B. Tadalafil), um den pulmonalarteriellen Druck zu senken. Konstantinides S et al. COVID-19 und Thrombosen ... Kardiologie up2date 2022; 18: 65–86 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 85 ▶ Weitere Fragen auf der folgenden Seite …

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Kardiologie up2date 1 · 2022 Kardiovaskuläre Notfall- und Intensivmedizin 7 Infarktbedingter kardiogener Schock Martin Ruß Michael Buerke Karl Werdan VNR: 2760512022161722832 DOI: 10.1055/a-1397-5642 Kardiologie up2date 2022; 18 (1): 89–104 ISSN 1611-6534 © 2022 Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

CME-Fortbildung Infarktbedingter kardiogener Schock Martin Ruß, Michael Buerke, Karl Werdan Die Sterblichkeit des infarktbedingten kardiogenen Schockes (IKS) ist ca. 10-fach höher als bei einem Myokardinfarkt ohne hämodynamische Beeinträchtigung. Lediglich die schnellstmögliche Revaskularisation der infarktverursachenden Arterie konnte bislang die Sterblichkeit substanziell senken. Die deutsch-österreichische S3-Leitlinie „Infarktbedingter kardiogener Schock – Diagnose, Monitoring und Thera- pie“ [1, 2] integriert sowohl kardiologische Aspekte als auch intensivmedizinische Belange, um eine übergreifende Handlungsempfehlung für diese Patienten zu geben. ABKÜR ZUNGEN ACS ACT BMS CPI CRRT DES ECMO HI HZV IABP IHT IKS LCA MAP MODS NSTEMI PCI PEEP pPCI RCA RCT RVI STEMI TMU akutes Koronarsyndrom Activated clotting Time Bare Metal Stent Cardiac Power Index kontinuierliche Nierenersatztherapie Drug-eluting Stent extrakorporale Membranoxygenierung Herzindex Herzzeitvolumen intraaortale Ballonpumpe intermittierende Hämodialyse infarktbedingter kardiogener Schock linke Kranzarterie mittlerer arterieller Druck Multiorgan-Dysfunktionssyndrom Nicht-ST-Hebungsinfarkt perkutane Koronarintervention positiver endexspiratorischer Druck primäre perkutane Koronarintervention rechte Kranzarterie randomisierte kontrollierte Studie rechtsventrikuläre Infarktbeteiligung ST-Hebungsinfarkt temporäre mechanische Kreislauf- unterstützung Targeted Temperature Management unfraktioniertes Heparin TTM UFH VA-ECMO venoarterielle extrakorporale Membran- VSD oxygenierung ventrikulärer Septumdefekt Schnelle Diagnose und Revaskularisation führen zur Verbesserung der Prognose ZUSATZINFO Empfehlungsgrade entsprechend der S3-Leitlinie Infarktbedingter kardiogener Schock (IKS) ▪ starke Empfehlung/Ablehnung: – ↑↑/↓↓ „soll“/„soll nicht“ – Mehr als 90 % der Patienten würden sich dafür/dagegen entscheiden bzw. davon profitieren/nicht profitieren oder sogar einen Schaden erleiden. ▪ Empfehlung/Ablehnung: – ↑/↓ „soll“/„soll nicht“ – Etwa 60 % der Patienten würden sich dafür/dagegen ent- scheiden bzw. davon profitieren/nicht profitieren oder sogar einen Schaden erleiden. ▪ Empfehlung offen: – ↔ „kann“ – Es liegen keine sicheren Studienergebnisse vor, die eine günstige oder schädigende Wirkung belegen. Die unverzügliche Diagnose (↑↑) des infarktbedingten kardiogenen Schockes (IKS) stellt die Basis der Behand- lung dar, da jede Verzögerung der Revaskularisation zu einer deutlichen Verschlechterung der Prognose führt. So konnte in der deutschen multizentrischen FITT-STEMI-Stu- die [3] gezeigt werden, dass bei Patienten mit IKS, die in- nerhalb von 90 Minuten eine perkutane Koronarinterven- tion (PCI) erhielten, die Krankenhaussterblichkeit halbiert werden konnte. Jede Verzögerung um 10 Minuten resul- tierte statistisch in 3,31 zusätzlichen Todesfällen pro 100 behandelten Schockpatienten bei Patienten ohne vorheri- ge Reanimation. Ruß M et al. Infarktbedingter kardiogener Schock ... Kardiologie up2date 2022; 18: 89–104 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 91

FALLBEISPIEL – FORTSETZUNG Es wird sofort eine Echokardiografie durchgeführt, hier zeigt sich eine hochgradig reduzierte linksven- trikuläre Pumpfunktion ohne rechtskardiale Beein- trächtigung (▶ Video 1, ▶ Video 2), die laut Aus- sage des Patienten bisher nicht bekannt war. Auf- grund der Befunde ergibt sich somit der Verdacht auf eine ischämische Ursache der Beschwerden und einen beginnenden kardiogenen Schock. ▶ Video 1 In der Echokardiografie zeigt sich eine hochgradig eingeschränkte Pumpfunktion ohne eindeutige lokale Kontraktionsstörung, sodass sich zunächst kein sicherer Hinweis auf eine ischä- mische Ursache des beginnenden Schockes und auch kein Hinweis auf die Lokalisation des Infarktgefäßes ergab. ▶ Video 2 Echokardiografie nach Revaskularisa- tion. Nach Revaskularisation zeigt sich bereits nach wenigen Stunden eine Erholung der linksventrikulä- ren Pumpfunktion ohne relevante Mitralinsuffi- zienz. Merke Die Diagnosekriterien eines IKS werden erfüllt, wenn ein Schock (s. Box Definition) in Kombination mit einem akuten Koronarsyndrom (ACS) auftritt. Im Falle eines IKS bei ST-Hebungsinfarkt (STEMI) kann da- her bereits durch den Notarzt die Diagnose gestellt wer- den. Schwieriger gestaltet sich die Diagnose durch den Notarzt bei einem akuten Koronarsyndrom ohne ST-He- bungen im EKG. Hier weisen die Klinik (Angina pectoris, Atemnot, Rhythmusstörungen) und die Anamnese (kar- diovaskuläre Risikofaktoren, kardiale Vorerkrankung) auf eine kardiale Ursache hin. Ein erhöhter Troponinwert [4], der innerhalb von 60 Minuten auf der Notaufnahme vor- liegen sollte, bestätigt dann das akute Koronarsyndrom. DEFINITION Schock Bei jedem ACS muss geprüft werden, ob nicht auch eine Schocksituation vorliegt. Von einem Schock geht man bei einem Blutdruck < 90 mmHg über 30 Minuten mit Zeichen einer Organminderperfu- sion aus: Oligurie, kalte Extremitäten („Zentralisie- rung“) oder psychische Veränderungen (Agitation, „vermeintliche Non-Compliance“). Auch bei einem Blutdruck, der dauerhaft > 30 mmHg unter dem sonst üblichen Blutdruckwerten liegt, ergibt sich der Verdacht auf einen Schock. Eine invasive Diag- nostik zur Bestimmung des Herzindexes oder des pulmonalarteriellen Okklusionsdrucks sind zur Diagnosestellung nicht erforderlich. Das stündliche Monitoring der Diurese ist ein sehr sensiti- ver Parameter für die Entwicklung eines Schockgesche- hens und ist bei allen Patienten erforderlich, insbesonde- re, wenn das Schockgeschehen in der Frühphase noch nicht offensichtlich ist. Da bei einem Teil der Patienten primär eine Hypoperfusion bei niedrig normalen oder nur leicht erniedrigten Blutdruckwerten besteht (IKS mit pri- märer Hypoperfusion bei vermutlich endogen sehr hohen Katecholaminspiegeln), ist die engmaschige Überwa- chung dieser Patienten essenziell (vorzugsweise am Moni- tor). Steht das Schockgeschehens im Vordergrund, sind ein EKG (↑↑) (▶ Abb. 1) und die Bestimmung des Troponins (↑↑) erforderlich, um ein ACS zu bestätigen oder ge- gebenenfalls auszuschließen. Mindestens einmal am Tag sollte ein erneutes 12-Kanal-EKG angefertigt werden, auch nach erneuten thorakalen Schmerzereignissen und Verschlechterungen des Zustands (↑↑). Die Echokardio- grafie (↑↑) ermöglicht darüber hinaus eine schnelle Dif- ferenzialdiagnose, da eine kardiale Schockursache umso unwahrscheinlicher ist, je besser sich die linksventrikuläre Pumpfunktion darstellt. Auch eine rechtskardiale Ursache eines Schockes, bei rechtsventrikulärem Infarkt und Lun- genembolie, lässt sich so schnell diagnostizieren. Fehlende ST-Erhebungen im EKG können einen infarkt- bedingten kardiogenen Schock nicht ausschließen, da dieser auch bei einem NSTEMI-ACS auftreten kann (s. Fall- beispiel) und insgesamt eine ähnlich schlechte Prognose wie der IKS bei STEMI hat [4]. Ruß M et al. Infarktbedingter kardiogener Schock ... Kardiologie up2date 2022; 18: 89–104 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 93

FALLBEISPIEL – FORTSETZUNG Beim Umlagern zur Koronarangiografie kommt es zu einem Abfall des Blutdrucks, der durch niedrigdosierte Gabe von Noradrenalin ausgeglichen werden kann. Da unter 10 l O2-Gabe via Sauerstoffmaske eine ausreichende Sauer- stoffsättigung besteht, wird zunächst keine Intubation durchgeführt. Die Koronarangiografie ergibt einen chronischen Verschluss der rechten Herzkranzarterie (RCA, ▶ Abb. 2 a) und eine Plaqueruptur des distalen Hauptstamms (linke Kranzarterie, LCA, ▶ Abb. 2 b) mit hochgradiger Stenose als Erklärung für die ausgeprägte Ischämie. Aufgrund der schweren Mehrgefäßerkrankung wird eine operative Revaskularisation erwogen. Da jedoch eine beträchtliche Verzögerung der Revaskularisation durch den Transfer in das nächste Herz- zentrum zu erwarten gewesen wäre und sich der klinische Zustand verschlechtert, erfolgt die Entscheidung zur pPCI. Aufgrund der hohen Thrombuslast erfolgt die Gabe von eines GPIIb/IIIa-Inhibitors (Abciximab, ↔). Direkt im An- schluss erfolgt die pPCI der LCA (▶ Abb. 3) und die Verlegung des Patienten auf die Intensivstation. ▶ Abb. 2 Koronarangiografie. a Die rechte Kranzarterie (RCA) zeigt einen chronischen langstreckigen Verschluss am Über- gang zum medialen Drittel. b Plaqueruptur im Hauptstamm der linken Herzkranzarterie. Der Koronarbefund erklärt die globale Kontraktionsstörung, da die LCA Vorder- und Seitenwand und über Kollateralen auch die Hinterwand versorgt. ▶ Abb. 3 Linke Herzkranzarterie nach Revaskularisation. Nach Bifurkationsstenting von Hauptstamm/LAD/RCx zeigt sich eine Perfusion bis in die Peripherie. Ruß M et al. Infarktbedingter kardiogener Schock ... Kardiologie up2date 2022; 18: 89–104 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 95

Ziel der hämodynamischen Das Schocktherapie (▶ Abb. 4) ist es, eine Kreislaufstabilität unter minimalem Einsatz von Katecholaminen herzustellen. Auch hierbei ist zu beachten, dass klinische Zeichen einer ausreichenden Perfusion wichtiger sind als hämodynamische Messwerte, d. h., dass bei zunehmender Diurese und Abfall des Lak- tats Blutdruck- oder HI-Werte (HI: Herzindex) < 60 mmHg bzw. kleiner 2,5 l/min/kgKG unter engmaschiger Kontrolle akzeptiert werden sollten („grenzwertige Stabilität“). Als bisher bester prognostischer Parameter im IKS hat sich der Cardiac Power Index (CPI: HI × MAP × 0,0022 in W/m2) etabliert [8], wobei Werte > 0,4 bei möglichst ge- ringer Katecholamindosis und einer Herzfrequenz < 100/ min bei Sinusrhythmus und < 110/min bei Vorhofflim- mern erreicht werden sollten. Ziel ist es, mit der verblei- benden Herzleistung sowohl einen adäquaten Fluss als auch einen adäquaten Blutdruck zu gewährleisten, wobei als Zielwerte ein MAP um 65 mmHg und ein HI um 2,5 l/ min/kgKG gelten. Zur Steigerung der Inotropie sollte zu- nächst Dobutamin (↑) eingesetzt werden, Vasopressor der Wahl ist Noradrenalin (↑). Aufgrund negativer Studi- energebnisse soll Dopamin nicht mehr eingesetzt werden (↓↓), auch, da die verschiedenen Wirkungen dosis- abhängig und somit kaum zu kontrollieren sind [9]. Kann durch die Gabe von Dobutamin keine ausreichende Stei- gerung des HZV erreicht werden, kann ergänzend Levosi- mendan oder ein PDE-III-Inhibitor eingesetzt werden (↔). Hierbei sollte Levosimendan den PDE-III-Inhibitoren vor- gezogen werden (↑). Algorithmus hämodynamische Schocktherapie der hämodynamischen Prämisse Schocktherapie (▶ Abb. 4) ist, dass keine hämodynamische Intervention, insbesondere keine Gabe von Katecholaminen, erfolgt, solange der Kreislauf „grenzwertig stabil“ ist. Wie bereits bei der initialen Diagnostik stehen hierbei klinische Para- meter, wie zum Beispiel eine erhaltene oder wiedereinset- zende Nierenfunktion und ein Abfall der Laktatkonzentra- tion, im Vordergrund. Auch hypotensive Blutdruckwerte (55 mmHg < MAP < 65 mmHg) und ein niedriger HI (< 2,5 l/min/m2 KOF) sollten bei klinischer Besserung ak- zeptiert werden. Zeichnet sich unter echokardiografisch optimierter Vorlast keine Verbesserung ab, sollte der MAP auf einen Wert von ca. 65 mmHg angehoben werden, wobei Noradrenalin das Medikament der Wahl ist. Bei mittleren arteriellen Blutdruckwerten > 75 mmHg sollten der Vasopressor reduziert werden. Bei einem avisierten MAP von 65 mmHg sollte ein HI > 2,2 l/min/m2 KOF vorliegen (hier liegt der CPI über 0,4 W). Wird dieser Wert nicht erreicht, sollte zunächst das Dobutamin gesteigert werden, bei weiterhin beste- hender Minderperfusion kommt zunächst Levosimendan oder als Alternative der zweiten Wahl ein PDE-III-Hemmer (z. B. Milrinon oder Enoximon) zum Einsatz. Da diese Substanzen in der Peripherie gefäßerweiternd wirken, bie- ten sie sich vor allem bei erhöhtem systemisch-vaskulä- rem Widerstand an, wobei es dann zu Blutdruckabfällen kommen kann. Da sowohl Levosimendan als auch die PDE-III-Hemmer Betablocker-unabhängig wirken, beob- achtet man bei Patienten, die mit einem Betablocker vor- behandelt sind, manchmal ein besseres Ansprechen als bei Dobutamin. Bei stark erhöhten HZV sollten zunächst die Katecholami- ne reduziert werden. Zeichnet sich auch unter der nun optimierten Hämodyna- mik keine Verbesserung ab, kann eine TMU erwogen wer- den, wobei deren letalitätssenkende Wirkung bisher noch nicht belegt worden ist. Keine überzeugende Evidenz für eine temporäre mechanische Kreislaufunterstützung Lange Zeit galt die intraaortale Ballonpumpe (IABP) als Standardtherapie der mechanischen Kreislaufunterstüt- zung, da durch die IABP-Implantation eine Senkung der Nachlast und eine geringe Steigerung des HZV beschrie- ben worden war. Aufgrund negativer Studienergebnisse in der kleinen IABP-SHOCK- [10] als auch in der IABP- SHOCK-II-Studie [11], die weder eine Verbesserung des Multiorgan-Dysfunktionssyndroms (MODS) noch der Sterblichkeit zeigen konnten, wird die routinemäßige Im- plantation der IABP zur Kreislaufunterstützung im IKS nicht mehr empfohlen (↓), lediglich bei Auftreten me- chanischer Infarktkomplikationen kann die Implantation noch erwogen werden (↔). Allerdings konnten auch die aktuellen temporären me- chanischen Unterstützungssysteme wie die Impella-Pum- pen, das Tandem-Heart sowie die venoarteriellen extra- korporalen Membranoxygenierungssysteme (VA-ECMO: veno-arterial-extracorporeal-membrane oxygenation, ECLS: extracorporeal life support) trotz beachtlicher Stei- gerung des HZV und des mittleren arteriellen Blutdrucks sowie einer deutlichen Verbesserung der Oxygenierung bisher keine Senkung der Sterblichkeit bei IKS-Patienten erreichen. Beim Tandem-Heart wird eine venöse Ansaug- kanüle nach transseptaler Punktion im linken Vorhof plat- ziert und das nachfolgend arterialisierte Blut über eine ex- trakorporale Pumpe über die A. femoralis in den Körper- kreislauf zurückgepumpt, wobei eine HZV-Steigerung bis 4 l/min erreicht werden kann. Ruß M et al. Infarktbedingter kardiogener Schock ... Kardiologie up2date 2022; 18: 89–104 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 97

Bei den Impella-Pumpen handelt sich um eine mikroaxiale Pumpe, die entweder mittels Führungsdraht perkutan über die A. femoralis oder offen chirurgisch thorakal ein- geführt und via Aorta und Aortenklappe im linken Ventri- kel platziert wird. Über den Bluteinlass im linken Ventrikel werden je nach System bis zu 5 l Blut pro Minute antegrad über den Auslass distal der Aortenklappe in der A. ascen- dens gepumpt werden. Beide Systeme führen neben einer Blutdrucksteigerung auch zu einer Entlastung des linken Ventrikels sowie zu einer Steigerung der Koronar- durchblutung und insgesamt zu einer Reduktion des myokardialen Sauerstoffverbrauchs. Analog zum linken Ventrikel können die Impella-Systeme auch den rechten Ventrikel entlasten, auch eine biventri- kuläre Unterstützung ist möglich. Bis zum Vorliegen entsprechender randomisierter kontrol- lierter Studien (RCT) ergibt sich somit lediglich eine Kann- Empfehlung (↔) unter strenger Abwägung eines potenzi- ellen Nutzens [12]. In der Praxis besteht bisher das Problem, dass die Impella- Systeme eine Kreislaufstabilisierung weniger gut gewähr- leisten als die verschiedenen VA-ECMO-Systeme, die dies jedoch ohne eine entsprechende Entlastung des linken Ventrikels bewerkstelligen, sondern mit einer Nachlast- steigerung. Möglicherweise führt die Kombination der beiden Systeme („ECMELLA“), bei der die fehlende Entlas- tung des linken Ventrikels durch die zusätzliche Implanta- tion einer Impella erreicht wird, insgesamt zu einer Ver- besserung. Entsprechende Studien diesbezüglich liegen jedoch noch nicht vor. Wenn die Entscheidung für eine TMU getroffen wird, sollte dies möglichst früh erfolgen, idealerweise also zu einem Zeitpunkt, an dem noch das Kreislaufversagen im Vordergrund steht und sich noch kein ausgeprägtes MODS entwickelt hat. Dies wäre zum Beispiel noch im Herzkatheterlabor der Fall, wenn sich nach der Revaskularisation keine Anzeichen einer frühzei- tigen Verbesserung ergeben. Zwingend erforderlich vor der Implantation einer TMU ist die Dokumentation eines realistischen Therapieziels zwischen Kardiologe und Herz- chirurg im Herz-Team, die Anbindung bzw. die Koopera- tion mit einem Herz-Kreislauf-Zentrum zur Gewährleis- tung einer frühzeitigen Destinationstherapie und die Im- plantation vor dem Eintreten irreversibler Organschädi- gungen. Zudem sollten alle Patienten, die eine temporäre mechanische Kreislaufunterstützung bekommen, in ein TMU-Register aufgenommen werden, das von den ver- schiedenen Fachgesellschaften betrieben wird (DGK, DGTHG, DGIIN, ÖKG, ÖGIAIM, DGAI, DIVI). Rechtsventrikuläre Infarktbeteiligung Eine rechtsventrikuläre Infarktbeteiligung (RVI) tritt selten isoliert als rechtskardialer Infarkt, sondern mit einer Häu- figkeit bis zu 50 % beim akuten inferoposterioren und ca. 10 % beim akuten Vorderwandinfarkt auf, wobei die RVI als unabhängiger prognostischer Parameter für Morbidi- tät und Letalität während des Krankenhausaufenthalts gilt. Eine primäre rechtskardiale Schockursache bei IKS- Patienten findet man entsprechend den Daten des SHOCK-Registers in 5 % der Patienten mit IKS, wobei die rechte Herzkranzarterie (RCA) fast ausschließlich das In- farktgefäß ist. Während dem Vorliegen einer zusätzlichen rechtsventrikulären Schockkomponente bei einem links- ventrikulär bedingten kardiogenen Schock keine unab- hängige prognostische Bedeutung zukommt, steigt die Häufigkeit eines IKS bei Myokardinfarkt mit RVI auf bis zu 25 % an. Insbesondere bei Hinterwandinfarkt erhöht sich hierdurch die Sterblichkeit und die Häufigkeit schwerwie- gender Komplikationen, wie zum Beispiel höhergradige AV-Blockierungen, Kammertachykardien, Kammerflim- mern und ventrikulärer Septumdefekt (VSD), wobei ins- besondere bei RVI die frühzeitige Revaskularisation den Anstieg der Letalität verhindern kann. Klinisch imponiert bei rechtsventrikulärer Infarktbetei- ligung häufig die Trias „Hypotonie, fehlende Lungenstau- ung und erhöhter ZVD“, im EKG findet man signifikante ST-Hebungen ≥ 0,1 mV in aVR, V1 und in den rechts-prä- kordialen Ableitungen V3R und V4R [12], vor allem V4R. Bei unklaren Befunden kann die Echokardiografie die Ver- dachtsdiagnose sichern (Akinesie der freien RV-Wand, paradoxe Septumbewegung, vergrößerter rechter Vorhof, niedriger pulmonalarterieller Druck, dilatierte Leber- venen). Zur hämodynamischen Schocktherapie kann ein Pulmonalarterienkatheter wichtige Anhaltpunkte geben. Die Reperfusionstherapie bei rechtsventrikulärer Infarkt- beteiligung soll entsprechend den generell formulierten Empfehlungen zur Reperfusionstherapie durchgeführt werden (↑↑). Herzrhythmusstörungen im infarkt- bedingten kardiogenen Schock Bei unveränderter Sterblichkeit fand sich in der IABP- SHOCK-II-Studie ein Vorhofflimmern in 28,2 %. Daten über höhergradige ventrikuläre Herzrhythmusstörungen liegen nicht vor, wobei erfahrungsgemäß von einer hohen Präva- lenz ausgegangen werden muss. Als Besonderheit im IKS gilt, dass negativ inotrope Substanzen wie Betarezepto- renblocker oder Klasse-1 C-Antiarrhythmika aufgrund ih- rer negativ inotropen oder proarrhythmischen Eigenschaf- ten nicht eingesetzt werden sollten (↓), sodass bei Kam- mertachykardien Amiodaron verabreicht werden sollte (↑). Ruß M et al. Infarktbedingter kardiogener Schock ... Kardiologie up2date 2022; 18: 89–104 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 99

Hypoxische Hepatitis Definitionsgemäß liegt bei ≥ 20-fachen Anstieg der Ami- notransferasen eine hypoxische Hepatitis bei ITS-Patien- ten vor, die mit einer nahezu doppelten 30-Tage-Sterb- lichkeit einhergeht. Therapeutisch stehen die hämodyna- mische Stabilisierung sowie die Vermeidung hepatisch-to- xischer Substanzen sowie gegebenenfalls die Substitution von Gerinnungsfaktoren im Vordergrund. Intensivmedizinische Allgemeinmaßnahmen Solange eine unkontrollierte Schocksymptomatik vorliegt, sollte keine Nahrungszufuhr erfolgen (↓), auch im Verlauf ist keine Glutamin-Supplementierung erforderlich (↓). Zur Blutzuckereinstellung sollten Werte kleiner 150 mg/dl bzw. 8,3 mmol/l (↑) erreicht werden. Aufgrund der un- sicheren subkutanen Resorption ist eine i. v. Throm- boseprophylaxe mit unfraktioniertem Heparin (10 000– 15 000 IE/24 h) indiziert (↑). Weiterhin soll eine Stress- ulkusprophylaxe (↑↑) bei IKS erfolgen. Prognose und Lebensqualität Ein höheres Lebensalter (HR für Tod: 1,56 pro 10 Jahre Anstieg [95 %-KI 0,94–2,28], p = 0,022), weibliches Ge- schlecht (HR 6,35 für die 1-Jahres-Letalität als IKS-Patien- ten [95 %-KI 2,33–17,28], p < 0,001), niedriger Herzindex (HR für Tod 0,51 pro Anstieg um 0,5 Einheiten [95 %-KI 0,30–0,86], p = 0,011) sowie ein schlechter Fluss im In- farktgefäß (HR für Tod pro Anstieg um einen TIMI-Grad 0,37 [95 %-KI 0,21–0,65], p < 0,001) nach Intervention korrelieren mit einer schlechteren Prognose, ebenso wie ein initial erhöhtes Kreatinin (pro 100 µmol/l: HR 1,23 [95 %-KI 1,08–1,40], p = 0,002), ein initial erhöhtes Serum-Laktat (pro 10 mmol/l: HR 1,24 [95 %-KI 1,10– 1,39], p = 0,001), eine Oligurie (< 30 ml/h): HR 1,40 [95 %- KI 1,08–1,82], p = 0,01) oder ein alterierter Bewusstseins- zustand (1,57 [95 %-KI 1,15–2,16], p = 0,005). Entgegen der schlechten Prognose des IKS hat ein Groß- teil der Überlebenden nur geringe bis mäßiggradige Ein- schränkungen der Belastbarkeit aufgrund einer Dyspnoe (87–92 % Herzinsuffizienz mit NYHA-Schweregrad I oder II) oder einer Herzinsuffizienz (99 % CCS-Klasse I oder II) [14]. Dies spiegelt sich auch in der Lebensqualität wider, da 95 % der Patienten über eine mittelgradige oder gute Lebensqualität berichten und diese Zahlen einem alters- gematchten Kollektiv entsprechen. Aktuelle Entwicklungen Derzeit sind der Einsatz und Stellenwert der TMU Gegen- stand der Diskussion, insbesondere da diese bereits in großer Anzahl angewendet werden, ohne dass eine ent- sprechende Evidenz aus Studien vorliegt. Ein Überlebens- vorteil dürfte nur zu erwarten sein, wenn die Unterstüt- zungssysteme frühzeitig im Lauf des IKS eingesetzt wer- den, idealerweise im Rahmen der Akutrevaskularisation, falls sich im Anschluss an die Eröffnung des Infarktgefäßes keine Verbesserung der Hämodynamik nachweisen lässt. KERNAUSSAGEN ▪ Der infarktbedingte kardiogene Schock (IKS) ist nach wie vor die schwerwiegendste Komplika- tion eines akuten Koronarsyndroms. ▪ Trotz einer deutlichen Senkung der Sterblichkeit durch die Akutrevaskularisation liegt diese wei- terhin im Bereich zwischen 40 % und 50 %. ▪ Der intensivmedizinische Ressourcenverbrauch ist beträchtlich, insbesondere durch den Einsatz temporärer mechanischer Unterstützungssyste- me. ▪ Patienten, die den kardiogenen Schock über- leben, haben eine gute Langzeitprognose, bei meist guter Lebensqualität. ▪ Neben Studien zur hämodynamischen Stabilisie- rung sind Untersuchungen zur adäquaten Thera- pie des MODS im IKS erforderlich, da Inflamma- tion und MODS die wichtigsten Prädiktoren für die Prognose sind. ▪ Der Fallbericht zeigt, wie ein beginnender kar- diogener Schock aufgrund eines NSTEMI durch schnelle Diagnostik und adäquate Therapie be- handelt werden kann, ohne dass sich ein MODS entwickelt. Interessenkonflikt Erklärung zu finanziellen Interessen Forschungsförderung erhalten: nein; Honorar/geldwerten Vor- teil für Referententätigkeit erhalten: nein; Bezahlter Berater/ interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: nein; Patent/ Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an im Bereich der Medizin aktiven Firma: nein; Patent/Geschäfts- anteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an zu Spon- soren dieser Fortbildung bzw. durch die Fortbildung in ihren Geschäftsinteressen berührten Firma: nein. Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen Martin Ruß: Mitglied in DGK und DGIIN, Sektretär der Leitlinie IKS. Ruß M et al. Infarktbedingter kardiogener Schock ... Kardiologie up2date 2022; 18: 89–104 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 101

Punkte sammeln auf CME.thieme.de Diese Fortbildungseinheit ist in der Regel 12 Monate online für die Teilnahme verfügbar. Unter https://cme.thieme.de/CXGQLPE oder über den QR-Code kommen Sie direkt zur Startseite des Wissenstests und zum Artikel. Sie finden dort auch den genauen Einsendeschluss. Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, finden Sie unter https://cme.thieme.de/hilfe eine ausführliche Anleitung. Wir wünschen viel Erfolg beim Beantworten der Fragen! VNR 2760512022161722832 Frage 1 Ein IKS kann ausgeschlossen werden bei … A fehlenden ST-Hebungen im EKG. B normaler oder hyperkinetischer Pumpfunktion in der Echo- kardiografie. C normalem Troponin bei Aufnahme in der Klinik. D wachen Patienten. E komatösen Patienten. Frage 2 Zur Diagnose des IKS … A sind Blutdruck und klinische Zeichen ausreichend. B ist ein hämodynamisches Monitoring inklusive pulmonalkapil- lärem Wedge-Druck und Herzzeitvolumen erforderlich. C ist eine mehrstündige Beobachtung des Patienten notwen- dig. D muss der Patient auf der Intensivstation liegen. E Keine der Aussagen ist richtig. Frage 3 Die hämodynamische Stabilisierung vor und zur Revaskularisa- tion … A sollte stets aus einem Cocktail unterschiedlicher Substanzen zur Stabilisierung bestehen. B ist vor Revaskularisation nicht erforderlich. C ist allein durch Volumengabe zu bewerkstelligen. D gelingt am besten durch Gabe von Noradrenalin. E wird idealerweise mit Levosimendan durchgeführt. Frage 4 Die Akutrevaskularisation bei IKS … A sollte erst nach Kreislaufunterstützung durch eine TMU erfolgen. B ist vergleichbar der Thrombolyse. C sollte nur bei Patienten < 75 Jahre durchgeführt werden. D hat keinen Einfluss auf die Prognose. E sollte schnellstmöglich durchgeführt werden. Frage 5 Bei der Akutrevaskularisation bei IKS-Patienten mit einer korona- ren Mehrgefäßerkrankung … A ist die Bypassoperation der Akut-PCI überlegen. B sollten alle Gefäße mit einer Stenose > 50 % behandelt werden. C ist ein „Bare Metal Stent“ (BMS) am besten. D sollte nur das infarktverursachende Gefäß interventionell behandelt werden. E ist eine Ballondilatation meistens ausreichend. Frage 6 Die Beatmung im IKS … A ist bei primärem Vorwärtsversagen obligat. B sollte bei schlechter Oxygenierung als nicht invasive Beat- mung durchgeführt werden. C sollte mit möglichst hohem PEEP durchgeführt werden. D sollte mit möglichst hohen Frequenzen durchgeführt werden. E sollte entsprechend den Kriterien einer lungenprotektiven Beatmung durchgeführt werden, ohne die Hämodynamik zu beeinträchtigen. Frage 7 Das MODS … A tritt nur selten im IKS auf. B hat keinen Einfluss auf die Sterblichkeit. C kann nicht quantifiziert werden. D kann durch temporäre mechanische Unterstützungssysteme behandelt werden. E Keine der Aussage ist richtig. Frage 8 Das erweiterte hämodynamische Monitoring im IKS … A ist nach erfolgreicher pPCI nicht erforderlich. B sollte neben MAP (mittlerer arterieller Druck) das Herzzeit- volumen umfassen. C liefert wichtige Informationen zur Volumensteuerung. D ist nach einer Implantation eines TMU verzichtbar. E sollte bereits bei Aufnahme im Krankenhaus erfolgen. Ruß M et al. Infarktbedingter kardiogener Schock ... Kardiologie up2date 2022; 18: 89–104 | © 2022. Thieme. All rights reserved. 103 ▶ Weitere Fragen auf der folgenden Seite …

Impressum Kardiologie up2date 18. Jahrgang Die Kardiologie up2date erscheint 4-mal jährlich. ISSN (Print): 1611-6534 eISSN: 1860-3513 Copyright & Ownership Wenn nicht anders angegeben: © 2022 Thieme. All rights reserved. Die Zeitschrift Kardiologie up2date ist Eigentum von Thieme. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany Herausgeber Prof. Dr. med. Stephan Achenbach Universitätsklinikum Erlangen Ulmenweg 18, 91054 Erlangen stephan.achenbach@uk-erlangen.de Prof. Dr. med. Sabine Ernst Royal Brompton Hospital Sydney Street, London, SW3 6NP, UK s.ernst@rbth.nhs.uk Prof. Dr. Dr. Markus Ferrari HELIOS Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden Ludwig-Erhard-Straße 100, 65199 Wiesbaden markus.ferrari@helios-gesundheit.de Prof. Dr. Meinrad Gawaz Universitätsklinikum Tübingen Postfach 2669, 72016 Tübingen meinrad.gawaz@med.uni-tuebingen.de Prof. Dr. Utz Kappert Universitätsklinik an der TU Dresden Fetscherstraße 76, 01307 Dresden utz.kappert@herzzentrum-dresden.com Prof. Dr. med. Volker Köllner Reha-Zentrum Seehof der Deutschen Rentenversicherung Bund Lichterfelder Allee 55, 14513 Teltow koellner@psychosoma.de Prof. Dr. Nikolaus Marx Universitätsklinikum Aachen Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen nmarx@ukaachen.de Prof. Dr. Martin Moser Universitäts-Herzzentrum Bad Krozingen Südring 15, 79189 Bad Krozingen martin.moser@universitaets-herzzentrum.de Prof. Dr. Christoph A. Nienaber Imperial College, Sydney Street, London SW3 6NP, UK c.nienaber@rbht.nhs.uk Prof. Dr. Andreas Zirlik LKH-Universitätsklinikum Graz Auenbruggerplatz 15, A-8036 Graz, Österreich andreas.zirlik@medunigraz.at Die Herausgebenden sind nicht verantwortlich für die Rubrik „Forum der Industrie“ sowie für in der Zeitschrift enthaltene Anzeigen und Beilagen. Verlag Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart oder Postfach 30 11 20, 70451 Stuttgart Tel.: + 49 711 8931-0, Fax: + 49 711 8931-298 www.thieme.de, www.thieme.de/kardiologie-u2d www.thieme-connect.de/products Web-App: www.thieme.de/eref-app Redaktion Sie erreichen die Redaktion unter: kardio-u2d.impressum@thieme.de V. i. S. d. 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