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Inhalt Journal Club AINS März 2022 · Volume 11: Seite 1– 56 ▶ S. 8 ▶ S. 10 ▶ S. 12 ▶ S. 14 ▶ S. 47 m o c . e b o d a . k c o t s / n i l l u d a b G i l i m a R © m o c . e b o d a . k c o t s / e p o H n a V © Abfall im OP-Trakt: Vorschläge für mehr Nachhaltigkeit Müll belastet zunehmend unsere Umwelt und stellt heute auch im OP-Trakt eines Krankenhauses ein Problem dar. So produzieren die USA jährlich etwa 5 Millionen Tonnen Abfall, wobei auch die Anästhesie einen großen Teil dazu beiträgt. In die- sem Kontext haben Xiao und Team in ihrer Übersichtsarbeit den perioperativen Plastikverbrauch genauer beschrieben, und stellen zudem verschiedene Nachhal- tigkeitsstrategien vor. Bildquelle: @ Ramil Gibadullin/stock.adobe.com Englische Leitlinie zur Regionalanalgesie bei Unterschenkeltrauma Die „Association of Anaesthetists“ von Großbritannien und Irland hat eine neue Leitlinie zum Thema regionale Schmerztherapie bei Unterschenkeltrauma und dem damit verbundenen Risiko eines akuten Kompartmentsyndroms veröffent- licht. Darin sind Handlungsempfehlungen für eine optimale Analgesie bei Unter- schenkeltrauma als Expertenkonsens enthalten. Bildquelle: @ VanHope/stock. adobe.com m o c . e b o d a . k c o t s / h c s u b e g a H S © m o c . e b o d a . k c o t s / 7 4 7 3 h t i j i h b a © Kaffee und Herzrhythmusstörungen – ein Vorurteil? In der Bevölkerung und bei medizinischem Personal wird Kaffeekonsum als mögli- cher Auslöser für Arrhythmien wahrgenommen. Dabei ist die Datenlage in keiner Weise eindeutig und teilweise sogar konträr: Schreiben einige Studien dem ent- haltenen Koffein ein proarrhythmogenes Potenzial zu, so zeigt eine an Ärzten durchgeführte Arbeit einen U-förmigen Zusammenhang mit dem geringsten Ar- rhythmierisiko bei 1–3 Tassen Kaffee pro Tag auf. Bildquelle: © S Hagebusch/ stock.adobe.com Journal Club In unserer Journal-Club-Rubrik präsentieren wir Ihnen eine Auswahl praxisrelevan- ter internationaler Studien aus der Anästhesiologie – auf Deutsch zusammenge- fasst und von Experten kommentiert. (Thieme Verlagsgruppe/Dörte Jensen) ERC-Leitlinien 2021 zur kardiopulmonalen Reanimation Im Jahr 2021 wurden die aktualisierten ERC-Leitlinien zur kardiopulmonalen Reanimation veröffentlicht – aufgrund der COVID-19-Pandemie später als ur- sprünglich geplant. Der vorliegende Artikel stellt die beiden neuen Kapitel Epide- miologie und Systeme, die Leben retten vor. Darüber hinaus fasst er ausgewählte Aspekte zur Reanimation zusammen und greift wesentliche und praxisrelevante Änderungen auf. Bildquelle: © abhijith3747/Adobe.stock.com Journal Club AINS 2022; 11 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Aktuelles Wie wirksam ist die Bauchlagerung? Alltag auf der Intensivstation: Um einen Patienten mit akutem Lungen- versagen fachgerecht und komplika- tionslos vom Rücken auf den Bauch umzulagern, sind durchschnittlich 5 Personen im Einsatz. Die Maßnahme hat sich bei schwerkranken COVID- 19-Patienten bewährt. Unter be- stimmten Voraussetzungen ist die Bauchlagerung sogar besonders er- folgreich. Das hat Jenny Tropmann, Krankenpflegerin am Herz- und Dia- beteszentrum NRW (HDZ NRW), Bad Oeynhausen, in ihrer Bachelorarbeit dargestellt [1]. Mehr als 10 % aller Intensivpatienten lei- den an einem akuten Lungenversagen. Bei einem schweren Verlauf verstirbt fast die Hälfte der Betroffenen. Mit ihrer Forschungsarbeit belegt Tropmann, dass gerade bei dieser Patientengruppe eine Bauchlagerung das Sterblichkeitsrisiko um bis zu 15 % senken kann. Die Metho- de ist umso wirksamer, je früher sie an- gewandt wird. „Zudem sollten die Pa- tienten möglichst lange auf dem Bauch gelagert werden, die Leitlinien der Ar- beitsgemeinschaft der Wissenschaftli- chen Medizinischen Fachgesellschaften empfehlen sogar 16 Stunden.“ Literatur [1] Tropmann J Müller I. Wirksamkeit der Bauch- lagerung bei ARDS. Intensiv 2021; 29: 242– 246 Nach einer Mitteilung der Universitätskli- nik der Ruhr-Universität Bochum – Herz- und Diabeteszentrum NRW Bad Oeyn- hausen Register für medizinische Forschung weiterent- wickeln In Registern werden Daten für die medizinische Forschung standardi- siert erhoben. Sie gehören neben kli- nischen Studien zu den wichtigsten Werkzeugen für die Erforschung neu- er Therapien und zur Verbesserung Behandlungsmethoden. etablierter Welche medizinischen Register in Deutschland bereits bestehen und wie diese weiterentwickelt werden können, beschreibt ein vom Bundes- ministerium für Gesundheit (BMG) beauftragtes Gutachten. Es wurde vom BQS Institut für Qualität und Pa- tientensicherheit GmbH und der TMF – Technologie- und Methodenplatt- form für die vernetzte medizinische Forschung e. V. erstellt und bei der TMF in Berlin präsentiert. In Deutschland gibt es eine große Anzahl unterschiedlicher Register, mit denen verschiedene Ziele verfolgt werden. Das „Gutachten zur Weiterentwicklung me- dizinischer Register zur Verbesserung der Dateneinspeisung und -anschlussfä- higkeit“ im Auftrag des BMG schafft nun erstmals eine differenzierte Übersicht über medizinische Register in Deutsch- land. Das Gutachten stellt zunächst die Regis- terlandschaft vor und erörtert die recht- lichen Rahmenbedingungen. TMF-Ge- schäftsführer Sebastian C. Semler: „Wir empfehlen auf Basis unseres Gutachtens, einen geeigneteren gesetzlichen Rah- men für medizinische Register zu schaf- fen. Wir begrüßen daher, dass im Koali- tionsvertrag bereits vorgesehen ist, ein Registergesetz zur besseren wissen- schaftlichen Nutzung von Registerdaten auf den Weg zu bringen. Wir werden die- sen Prozess gemeinsam mit der medizi- nischen Register-Community unterstüt- zen und begleiten.“ Im Gutachten wurden sowohl Hürden als auch fördernde Faktoren in der Nutzung von Registern herausgearbeitet. Um die Qualität von Registern zu bewerten und diese in ihrer Weiterentwicklung zu un- terstützen, wurden ein Kriterienkatalog und ein Reifegradmodell für Register entwickelt. Dr. Christof Veit, Institutslei- ter des BQS Instituts: „Ein solcher Kata- log gibt den Registern Klarheit über die an sie gerichteten Anforderungen. Er er- möglicht ihnen, ihre Qualität nach einem einheitlichen Standard transparent dar- zustellen und von unabhängigen Exper- ten auditieren zu lassen.“ Im Resümee gehen die Autoren auf 10 Handlungsempfehlungen für die Weiter- entwicklung der Registerlandschaft ein. Ziel der Empfehlungen ist es, Barrieren für den Betrieb und die Nutzung von Re- gistern abzubauen, die Qualität der Re- gister und die transparente Darstellung der Registerlandschaft zu fördern und die Einbeziehung der Register in die wei- tere Digitalisierungsstrategie im Ge- sundheitswesen zu bewirken. So wird empfohlen, eine Zentralstelle für medizinische Register einzurichten, die eine öffentlich zugängliche, zentrale Lis- te geprüfter medizinischer Register bie- tet. „Die Zentralstelle wird unter staatli- cher Aufsicht stehen, inhaltlich jedoch unabhängig und der Wissenschaft und Forschung verpflichtet sein“, erklärt Gutachterin Dr. Anna Niemeyer, TMF. Eine unabhängige Wissenschaftsorgani- sation soll laut Gutachten beauftragt werden, einen Qualitätskriterienkatalog für die Zentralstelle für medizinische Re- gister zu entwickeln und zu pflegen. Empfohlen wird weiterhin, dass der Ge- meinsame Bundesausschuss (G-BA) Auf- gaben in der Planung und Beauftragung von Registern übernimmt. Die Gutachtergruppe sieht eine Stärkung medizinischer Register auch darin, die Interoperabilität der Register zu verbes- sern, damit sie mit anderen Datenquel- len zusammengeführt werden können wie beispielsweise mit Daten der elektro- nischen Patientenakte (ePA). Um dies zu erleichtern, soll auch die e-Health-Regu- latorik um Register erweitert und die Nutzung der ePA zu Forschungszwecken vereinfacht werden. Des Weiteren sollen Netzwerkbildung und Know-how-Trans- fer sowie die Beteiligung von Indus- trieunternehmen Patientinnen und Patienten beziehungsweise Proban- dinnen und Probanden an der Weiterent- wicklung medizinischer Register geför- dert werden. sowie Nach einer Mitteilung der TMF – Techno- logie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e. V. (TMF) 4 Journal Club AINS 2022; 11: 4–6 | © 2022. Thieme. 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Aktuelles m o c . e b o d a . k c o t s / k c o t s p u o s © ▶ © soupstock/stock.adobe.com merziell erfolgreich sind“, ordnet Pro- jektleiterin Prof. Dr. Sabine Bohnet- Joschko die Ergebnisse ein. Literatur [1] Koss J, Rheinlaender A, Truebel H, Bohnet- Joschko S, Social media mining in drug deve- lopment – fundamentals and use cases. Drug Discovery Today 2021. doi:10.1016/j.drudis. 2021.08.012 Nach einer Mitteilung der Universität Witten/Herdecke Sepsis-Langzeitfolgen: Jahrelanger Behandlungs- und Pflegebedarf neuen Drei von 4 Sepsis-Überlebenden sind von Gedächtnisstörungen bzw. seelischen oder körperlichen Er- krankungen betroffen. Sogar in der Gruppe der unter 40-Jährigen leiden mehr als die Hälfte der Sepsis-Über- lebenden daran. Das sind 2 Befunde einer jetzt im Fachjournal JAMA Net- work Open erschienenen anonymi- sierten Auswertung von Krankenver- sicherungsdaten [1]. Das Autoren- team vom Universitätsklinikum Jena, Charité – Universitätsmedizin Berlin und Wissenschaftlichen Institut der AOK untersucht darin die Häufigkeit und die Kosten der gesundheitlichen Folgen einer Sepsiserkrankung. jedes In Deutschland werden Jahr 320 000 Fälle im Krankenhaus behandelt, die Sterblichkeit im Krankenhaus liegt bei ca. 25 % und ist damit alarmierend hoch. Auch die Mehrzahl der Behandel- ten mit schwerem COVID-19-Verlauf weisen aktuellen Untersuchungen zufol- ge eine Sepsis auf. Forschungsergebnisse des Zentrums für Sepsis und Sepsisfolgen (CSCC) am Uni- versitätsklinikum Jena (UKJ) haben nicht nur maßgeblich zur Vernetzung von pa- tientennaher Grundlagenforschung mit klinischer Forschung im Bereich Sepsis beigetragen, das Zentrum hat auch Langzeitfolgen und Rehabilitation nach der schweren Erkrankung untersucht. Derzeit wird hier ein interdisziplinäres Post-Covid-Zentrum aufgebaut. Eine vom Gemeinsamen Bundesausschuss mit Mitteln des Innovationsfonds geför- derte Kooperation des UKJ und der Chari- té analysierte nun gemeinsam mit dem Wissenschaftlichen Institut der AOK die Folgeerkrankungen, Risikofaktoren, Ver- sorgung und Kosten der Sepsis. Für die Auswertung konnte das Studien- team auf die anonymisierten Gesund- heitsdaten von mehr als 23 Millionen Versicherten der AOK der Jahre 2009– 2017 zurückgreifen, die gut für die deut- sche Gesamtbevölkerung stehen kön- nen. Das Team identifizierte darunter 159 684 Versicherte im Alter von über 15 Jahren, die in den Jahren 2013 oder 2014 wegen einer Sepsis auf einer Nor- mal- oder Intensivstation im Kranken- haus behandelt wurden. Für diese wur- den sowohl die Vorerkrankungen erfasst als auch Diagnosen, die in den 3 Jahren nach der Sepsis neu auftraten, und der daraus resultierende Behandlungs- und Pflegebedarf. „Dabei suchten wir nach neuen körperlichen, psychischen und ko- gnitiven Einschränkungen, wie sie be- kanntermaßen als Folge einer Sepsis auf- treten können – etwa Herz-Kreislauf-Er- krankungen, kognitive bzw. motorische Störungen, das Erschöpfungssyndrom Fatigue oder Depressionen“, so Projekt- leiterin Dr. Carolin Fleischmann-Struzek. Allein im ersten Jahr nach der Entlassung kam bei drei Viertel der Sepsis-Überle- benden eine neue Diagnose hinzu, mehr als 30 % verstarben noch im ersten Jahr. Sogar in der Gruppe der unter 40-Jähri- gen stellten sich bei mehr als 56 % im ers- ten Jahr nach der Krankheit Folgeerkran- kungen ein. Prof. Dr. Christiane Hartog, Versorgungsforscherin an der Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt opera- tive Intensivmedizin der Charité und Letztautorin der Studie, unterstreicht: „Psychische, kognitive und körperliche Folgen betreffen die Mehrzahl der Über- lebenden und treten sogar häufig ge- meinsam auf, was für die Betroffenen eine besondere Belastung ist. Erstaun- licherweise macht es dabei nur einen geringen Unterschied, ob die Sepsis weniger schwer verlief oder sie auf der Intensivstation behandelt werden muss- te. Insbesondere mit Blick auf das Infek- tionsfolgesyndrom nach COVID-19 ist dies von großer Relevanz.“ Das Studienteam analysierte auch die Kosten, die bei den Überlebenden für stationäre und ambulante Behandlun- gen, Rehabilitation, Heilmittel und Medi- kamente anfallen. Auf 29 000 Euro bezif- fert es die Behandlungskosten pro Fall in den ersten 3 Jahren nach der Erkrankung. Darin sind Notfall- und Transportkosten, Hilfsmittel, Pflegekosten und indirekte Kosten wie Arbeitsausfall nicht enthal- ten. Mehr als 30 % der Sepsis-Überleben- den wurden im Jahr nach der Kranken- hausentlassung pflegebedürftig, nach einem schweren Verlauf mussten mehr als 13 % neu in einem Pflegeheim betreut werden. Das Autorenteam konstatiert in seiner Studie auch, dass es kaum ange- passte Nachsorgemaßnahmen gibt. Nur 5 % der Sepsis-Überlebenden wurde in eine Rehabilitationseinrichtung entlas- sen. „Die Sepsis hat massive und langjäh- rige Folgen – sowohl für Überlebende und ihre Angehörigen als auch für das Gesundheitssystem. Deshalb bedarf es spezifischer Nachsorgekonzepte für die Sepsis“, betont Carolin Fleischmann- Struzek. Literatur [1] Fleischmann-Struzek C et al. Epidemiology and Costs of Postsepsis Morbidity, Nursing Care Dependency, and Mortality in Germany, 2013 to 2017. JAMA Netw Open 2021; 4: e2134290. doi:10.1001/jamanetworkopen.2021.34290 Nach einer Mitteilung des Universitäts- klinikums Jena 6 Journal Club AINS 2022; 11: 4–6 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Highlight Abfall im OP-Trakt: Vorschläge für mehr Nachhaltigkeit Xiao MZX et al. A Roadmap for Environmental Sustainability of Plastic Use in Anesthesia and the Perioperative Arena. Anesthesiology 2021; doi:10.1097/ ALN.0000000000003845 Müll belastet zunehmend unsere Um- welt und stellt heute auch im OP- Trakt eines Krankenhauses ein Pro- blem dar. So produzieren die USA jährlich etwa 5 Millionen Tonnen Ab- fall, wobei auch die Anästhesie einen großen Teil dazu beiträgt. In diesem Kontext haben Xiao und Team in ihrer Übersichtsarbeit den perioperativen Plastikverbrauch genauer beschrie- ben, und stellen zudem verschiedene Nachhaltigkeitsstrategien vor. Anästhesistinnen und Anästhesisten in hoch entwickelten Ländern sind bei ihrer Arbeit zunehmend auf die Nutzung von Einmalprodukten aus Plastik angewie- sen. Sie reichen von Gesichtsmasken, über Handschuhe bis hin zu Larynxmas- ken und Infusionssets. Diese Entwick- lung sorgt dabei für hohe Hygienestan- dards und wurde im Zuge der aktuellen Coronapandemie noch verstärkt. Auf der anderen Seite entsteht ein Müll- problem: So gehen aktuelle Schätzungen davon aus, dass in den USA in Kranken- häusern jährlich 5 Millionen Tonnen Ab- fall produziert werden. Da anteilsmäßig etwa 30 % auf den Operationstrakt ent- fallen, und hierbei wiederum die Anäs- thesie 25 % beisteuert, ergibt sich ein An- satzpunkt für Nachhaltigkeitsstrategien. Im Rahmen ihrer Übersichtsarbeit haben Xiao und Team diesen Aspekt aufgegrif- fen und beschreiben neben der aktuellen Müllsituation in der perioperativen Anäs- thesie ebenfalls mögliche Änderungs- strategien. Bei der Umreißung des Status quo diffe- renzieren sie zunächst zwischen klassi- schen Abfällen, wie sie beispielsweise auch im Haushalt anfallen, und medizini- schen Abfällen, die unter hohem Kosten- und Energieaufwand speziell entsorgt werden müssen. Zu letzteren zählen da- bei u. a. kontaminierte Nadeln, Spritzen, und Bioabfälle wie Blut und Geweberes- te. Beim Müllaufkommen sehen Xiao et al. Einsparpotenzial: Nach ihren großes Analysen würden etwa 50 % von den vor- bereiteten und aufgezogenen Medika- menten und Infusionen für eine Opera- tion ungenutzt verworfen werden. Auch lande ein nicht unwesentlicher Anteil von Wertstoffmüll, wie z. B. Plastikverpa- ckungen und leere Spritzen mit ehemals Kochsalzlösung, im Restmüll und könn- ten somit gar nicht erst recycelt werden. Reduzieren und recyclen Mit dem Ziel der langfristigen und nach- haltigen Müllreduktion in der periopera- tiven Medizin wünschen sich Xiao und Arbeitsgruppe in erster Linie ein größe- res Bewusstsein für die Problematik auf- seiten der Akteure. Sie schlagen daher konkret eine Strategie mit den Schlag- worten „reduzieren, wiederverwenden und recyceln“ vor. Dabei wäre nach ihrer Meinung der beste Müll genau der Müll, der gar nicht erst entstehen würde. Ärz- tinnen und Ärzte sollten also nicht unnö- tig Medikamente vorbereiten, die hinter- her im Abfall landen könnten. Auch sollte vermehrt über die Aufberei- tung und Wiederverwendung von ausge- wählten Materialien nachgedacht wer- den. Geöffnete, aber noch nicht appli- zierte Fertigspritzen mit Kochsalzlösung könnten z. B. im Rahmen der nächsten OP zum Anspülen von Zugängen verwen- det werden. Die Autorinnen/Autoren weisen schließlich darauf hin, dass die Mülltrennung vor Ort eine große Rolle spielen würde und geben mittels einer umfangreichen Tabelle zur richtigen Ent- sorgung der einzelnen Materialien einen guten Überblick. Damit adressieren sie den Punkt des Recyclings und sehen auch hier eine Möglichkeit der langfristi- gen Müllreduktion. FA Z I T In dieser Übersichtsarbeit wird zu- nächst deutlich, dass sich in der pe- rioperativen Anästhesie tagtäglich große Mengen Abfall ansammeln. Die Autorinnen/Autoren weisen daher ausdrücklich und kritisch auf diesen m o c . e b o d a . k c o t s / n i l l u d a b G i l i m a R © ▶ Quelle: © Ramil Gibadullin/stock. adobe.com Missstand hin, bemängeln den aktuell geringen Anteil von Recycling und schlagen unterschiedlich Ansätze für mehr Nachhaltigkeit im OP-Trakt vor. So könne nur mit einer gezielten „re- duzierten, wiederverwendeten und recycleten“ Strategie das Müllvolu- men langfristig verringert werden. Dipl.-Psych. Annika Simon, Braunschweig Kommentar In dieser Publikation wird ein Thema be- handelt, das auf den ersten Blick einfach und selbsterklärend erscheint. Es wird auf die Notwendigkeit der Müllvermei- dung, Wiederverwendung von Material, Mülltrennung und die Wiederaufberei- tung in Operationszentren hingewiesen. Dieses vielschichtige Thema ist aber alles andere als trivial. Inzwischen ist hinreichend bekannt, dass Plastik als Mikroplastik, d. h. in Fragmen- ten kleiner als 5 mm, über Jahrhunderte in der Umwelt persistiert und neben der Schädigung von Tieren über die Nah- rungskette auch mitverantwortlich ist für kardiovaskuläre, endokrine und bös- artige Erkrankungen beim Menschen. Ca. 30 % des in den Krankenhäusern an- fallenden Mülls wird alleine im OP gene- riert. Nach Gewicht betrachtet wäre un- 8 Journal Club AINS 2022; 11: 8–9 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Highlight Englische Leitlinie zur Regionalanalgesie bei Unterschenkeltrauma Nathanson MH et al. Regional analgesia for lower leg trauma and the risk of acute compartment syndrome. Anaesthesia 2021; 76: 1518–1525 Die „Association of Anaesthetists“ von Großbritannien und Irland hat eine neue Leitlinie zum Thema regio- nale Schmerztherapie bei Unter- schenkeltrauma und dem damit ver- bundenen Risiko eines akuten Kom- partmentsyndroms veröffentlicht. Darin sind Handlungsempfehlungen für eine optimale Analgesie bei Unter- schenkeltrauma als Expertenkonsens enthalten. Dieser Expertenkonsens setzt sich aus den Meinungen von Ver- tretern verschiedener britischer Fach- gesellschaften und Berufsvereinigun- gen auf Initiative der „Association of Anaesthetists of Great Britain and Ireland“ zusammen. Das methodische Vorgehen der Konsensustechnik wird dabei nicht beschrieben. Da zur Frage der optimalen Analgesie bei Unterschenkeltrauma keine anderen Leit- linien vorliegen und auch kein systemati- scher Review verfügbar ist, basieren die Konsensus-Empfehlungen dieser Leitlinie auf einer Beurteilung der vorhandenen Fallberichte und Fallserien. Qualitativ hochwertige Studien gibt es zu dieser Fragestellung nicht. Ziel der Leitlinie war es, eine praktische Handlungsempfeh- lung für eine optimale Analgesie bei Un- terschenkeltrauma zu geben und die Wichtigkeit einer engmaschigen Kontrol- le auf das mögliche Auftreten eines Kom- partmentsyndroms bei Risikopatienten hervorzuheben – und zwar unabhängig von der gewählten Analgesieform. Die wichtigsten der Empfehlungen lau- ten: ▪ Schon bei Krankenhausaufnahme sollten Risikopatienten für ein Kom- partmentsyndrom identifiziert wer- den. ▪ In die Versorgung der Patienten sollte die Kontrolle auf Kompartmentsyn- drom fest integriert werden. ▪ Allen Patienten sollte eine effektive Analgesie angeboten werden. ▪ Lang anhaltende komplette neuro- axiale oder periphere Blockaden, die die Operationsdauer überschreiten, sollten vermieden werden, um nicht die Symptome eines Kompartment- syndroms zu maskieren. ▪ Einmalgaben oder kontinuierliche periphere Nervenblockaden mit nied- rig dosierten Lokalanästhetika ohne Zusätze führen dagegen verfügbaren Literaturberichten zufolge nicht zu einer Verzögerung der Diagnose eines Kompartmentsyndroms. Den Erläuterungen der Expertengruppe zufolge ist es nicht ausreichend, die Dia- gnosestellung eines Kompartmentsyn- droms alleine von klinischen Zeichen ab- hängig zu machen. Klinische Frühzeichen eines Kompartmentsyndroms sind un- verhältnismäßige Schmerzen und Paräs- thesien. Die Sensitivität und der positive Vorhersagewert dieser Zeichen sind je- doch nur niedrig. Eher sind diese Symp- tome geeignet, um bei Abwesenheit ein Kompartmentsyndrom ausschließen zu können. Doch gerade Regionalanästhe- sien können deren Beurteilung erschwe- ren. Eine höhere Sensitivität erhält man, wenn zusätzlich weitere klinische Zei- chen wie Paralyse und Pulslosigkeit hin- zutreten, doch diese Symptome treten erst spät auf, sodass bereits irreversible Schäden durch Ischämie aufgetreten sein können. Daher ist nach Meinung der Verfasser eine engmaschige Kontrol- le auf Symptome eines Kompartment- syndroms, in Zweifelfällen verbunden mit der Messung des Kompartment- logendrucks als Goldstandard, erforder- lich. Doch auch in Kombination mit der Druckmessung in der Kompartmentloge kann ein Kompartmentsyndrom nicht immer sicher diagnostiziert oder ausge- schlossen werden. Schließlich widmen die Autoren der Leit- linie sich den beiden Sonderfällen Kinder und militärische Verletzungen: Für Kinder gelten die gleichen Empfeh- lungen wie hier für Erwachsene postu- liert: Schon 2015 sprachen die ESRA (Eu- ropean Society of Regional Anaesthesia and Pain Therapy) und die ASRA (Ameri- can Society of Regional Anesthesia and Pain Medicine) in einer Leitlinie die Emp- m o c . e b o d a . k c o t s / e p o H n a V © ▶ Quelle: © VanHope/stock.adobe. com fehlung aus, dass niedrige Konzentratio- nen an Lokalanästhetika für Single-Shot- oder kontinuierliche Nervenblockaden auch bei Kindern mit Risiko für ein Kom- partmentsyndrom sicher angewendet werden können. Seit dieser Empfehlung seien keine Fallberichte veröffentlicht worden über Kompartmentsyndrome in Zusammenhang mit einer Regionalanäs- thesie bei Kindern. Für Verletzungen in Krisengebieten gilt, dass das Verletzungsmuster häufig ein hohes Risiko für die Entwicklung eines Kompartmentsyndroms mit sich bringt. Außerdem haben die Verletzten nach der primären Chirurgie meistens einen längeren Transportweg vor sich. Den- noch wandten Anästhesisten des „UK Defence Medical Services“ häufig erfolg- reich kontinuierliche periphere Nerven- blockaden mit niedrig dosierten Lokal- anästhetika ohne Zusätze an. Das Ziel da- bei war, eine suffiziente Analgesie unter Erhalt der Sensorik und Motorik zu errei- chen. Untersuchungen zeigten, dass es mit dieser Verfahrensweise bei über 100 Fällen keine zu spät entdeckten Kom- partmentsyndrome gab. FA Z I T Abschließend betonen die Autoren die Bedeutung einer suffizienten Schmerztherapie für Patienten mit Unterschenkeltrauma und das Recht der Patienten, nach sorgfältiger Auf- klärung über Nutzen und Risiken mit- zuentscheiden, welches Analgesie- verfahren sie wünschen. 10 Journal Club AINS 2022; 11: 10–11 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Highlight Kaffee und Herzrhythmusstörungen – ein Vorurteil? Kim E-J, Hoffmann TJ, Nah G et al. Coffee consumption and incident tachyarrhythmias. Reported behavior, Mendelian randomization, and their interac- tions. Jama Intern Med 2021; 181: 1185–1193. doi:10.1001/jamainternmed.2021.3616 In der Bevölkerung und bei medizini- schem Personal wird Kaffeekonsum als möglicher Auslöser für Arrhyth- mien wahrgenommen. Dabei ist die Datenlage in keiner Weise eindeutig und teilweise sogar konträr: Schrei- ben einige Studien dem enthaltenen Koffein ein proarrhythmogenes Po- tenzial zu, so zeigt eine an Ärzten durchgeführte Arbeit einen U-för- migen Zusammenhang mit dem ge- ringsten Arrhythmierisiko bei 1–3 Tassen Kaffee pro Tag auf. Andere Au- toren kommen sogar zu dem Schluss, dass Kaffeekonsum eher positive Ef- fekte hat als gesundheitsschädlich zu sein und führen beispielsweise des- sen antioxidativen Effekt an. Den Zusammenhang zwischen Kaffee- und somit Koffeinkonsum und dem Risi- ko Arrhythmien zu entwickeln, unter- suchte Kim Eun-Jeong mit seinen Kolle- gen von der Universität Kalifornien (San Francisco, Kalifornien, USA). Sie stützten sich in ihrer prospektiven Kohortenstu- die auf die UK Biobank des Gesundheits- systems von Großbritannien und bezo- gen erstmals genetische Faktoren in eine derartige Untersuchung ein. Primärer Endpunkt war dabei das Auftre- ten von Tachyarrhythmien jeder Form zwischen Januar 2006 und Dezember 2018. Über 500 000 Teilnehmer füllten dazu in einem 5-Jahres-Zeitraum Fragebögen zum Kaffeekonsum aus, wurden ärztlich untersucht und gaben Blutproben ab. Sie tranken im Median 2 Tassen Kaffee am Tag. Da die Verstoffwechslung von Koffein zum Großteil enzymatisch über CYP1A2 erfolgt und der Abbau von dessen Aktivi- tät abhängt, kreierten die Forscher einen polygenetischen Punktwert, aus dem die Enzymaktivität herauszulesen ist. Über 380 000 Probanden Unter den Teilnehmern befanden sich 111 218 (22,1 %), die keinen Kaffee tran- ken und 74 371 (14,8 %), die nur entkof- feinierte Getränke zu sich nahmen. Letztlich analysierten die Autoren nach Anwendung Ausschlusskriterien 386 258 Patienten im mittleren Alter von 56 Jahren, die durchschnittlich 4,5 Jahre nachbeobachtet wurden. Bei die- sen traten 16 369 supraventrikuläre und ventrikuläre Herzrhythmusstörungen auf: überwiegend Vorhofflimmern in 12 811 Fällen. der Jede über den mittleren Kaffeekonsum hinausgehende Tasse Kaffee reduzierte das Arrhythmierisiko um 3 % (Hazard Ra- tio 0,97; p < 0,001). Dies traf vor allem auf Vorhofflimmern und supraventriku- läre Tachykardien zu. konsumierten Interessanterweise die Patienten mit verlangsamtem oder ver- ringertem Koffeinabbau, auch weniger Kaffee, ohne dass die reduzierte Enzym- aktivität mehr Rhythmusstörungen aus- löste. Patienten, die mehr als die täglichen 2 Tassen Kaffee konsumierten zeichneten sich unter anderem dadurch aus, dass ▪ es sich um ältere, weiße Männer handelte, ▪ sie an Krebs oder peripherer arteriel- ler Verschlusskrankheit litten, ▪ sie mehr rauchten oder Alkohol tranken, ▪ sie seltener an Bluthochdruck, Dia- betes oder chronischer Nierenerkran- kung erkrankt waren, ▪ sie seltener Tee tranken. Im Gegensatz zu den Kaffeetrinkern hat- ten Raucher ein höheres Arrhythmierisi- ko. Mendelʼsche Randomisierung Das Besondere an der Arbeit ist, dass die Autoren die Mendelʼsche Randomisie- rung zugrunde legten. Mithilfe der Ana- m o c . e b o d a . k c o t s / h c s u b e g a H S © ▶ Quelle: © S Hagebusch/stock. adobe.com lyse genetischer Marker können Zusam- menhänge zwischen Exposition (hier Koffein) und einer Erkrankung – in die- sem Falle Herzrhythmusstörungen – festgestellt werden. Sie kann dadurch den Einfluss von Störfaktoren und ande- ren Variablen deutlich abmildern. Dies ist auch eine der Stärken der vorlie- genden Untersuchung neben der bei- spiellosen Patientenzahl. Einschränkend muss allerdings angemerkt werden, dass die Einschätzung des Kaffeekonsums auf einer Selbsteinschätzung beruhte und auch die Art des Kaffees (Espresso etc.) nicht erfasst wurde. FA Z I T Die Autoren können das Vorurteil, dass Koffein Arrhythmien auslöst, ausräumen: in ihrer Untersuchung war zunehmender Kaffeekonsum mit einem geringeren Risiko für Arrhyth- mien (insbesondere Vorhofflimmern und supraventrikuläre Tachykardien) verbunden. Genetische Unterschiede im Koffeinmetabolismus vermochten diesen Zusammenhang auch nicht zu beeinflussen. Dr. med. Marc-Michael Ventzke, Augsburg 12 Journal Club AINS 2022; 11: 12 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Journal Club Epidermolysis bullosa: Anästhesiemanagement erfordert Fingerspitzengefühl Mittal BM et al. Anesthetic Management of Adults With Epidermolysis Bullosa. Anesth Analg 2021; doi:10.1213/ANE.0000000000005706 Unter Epidermolysis bullosa versteht man eine Gruppe genetisch beding- ter und blasenbildender Erkrankun- gen. Obgleich es heute im Hinblick auf das spezifische Anästhesiemana- gement hauptsächlich Studien und Empfehlungen für Kinder gibt, müs- sen sich auch Betroffene im Erwach- senenalter immer öfter Operationen unterziehen. Mittal und Team haben daher eine Übersicht zum Thema ver- fasst, und geben viele Tipps für eine sichere und erfolgreiche Narkose. Unter der Bezeichnung Epidermolysis bullosa versteht man eine Gruppe gene- tisch bedingter Hauterkrankungen, bei denen vor allem die Blasenbildung durch Ablösung der Epidermis im Vordergrund steht. Diese Erkrankungen werden so- wohl autosomal-dominant als auch re- zessiv und X-chromosomal vererbt und lassen sich in nicht dystrophische und dystrophische Formen unterteilen. Auf- grund des genetischen Ursprungs gibt es bis heute fast ausschließlich sympto- matische Therapieansätze. Ansätze mit patienteneigenen zur Hautregeneration sind Gegenstand ex- perimenteller Studien. Stammzellen Obgleich es heute schon einige Erkennt- nisse und Empfehlungen über das Anäs- thesiemanagement bei pädiatrischen Pa- tientinnen und Patienten mit Epidermo- lysis bullosa gibt, stellt eine geplante Narkose bei Betroffenen im Erwachse- nenalter für die Anästhesistin und den Anästhesisten immer noch eine große Herausforderung dar. In diesem Zusam- menhang haben sich Mittal und ihr Team eingehend mit der Thematik be- fasst, und legen nun ihre Ergebnisse in Form einer narrativen Übersichtsarbeit vor. Um eine Grundlage für Empfehlungen zum Anästhesiemanagement schaffen zu können, geben Sie zunächst einen fundierten Einblick in die Pathophysio- logie der Blasenbildung. Hierbei wird schnell deutlich, dass insbesondere me- chanische Reize, wie sie beispielsweise bei einer unsachgemäßen Lagerung während der Operation auftreten, eine gesundheitliche Bedrohung für die Be- troffenen darstellen können. Sichere Anästhesie möglich Aus anästhesiologischen Behandlungen von Menschen mit Epidermolysis bullosa weiß man, dass alle Formen der Anästhe- sie, einschließlich Regionalanästhesie und neuraxiale Anästhesie bei entspre- chender Vorbereitung sicher und erfolg- reich durchführbar wären. Unausweich- lich sei hierbei eine gründliche Anamne- se und die fokussierte weiterführende Diagnostik in Abhängigkeit vom Allge- meinzustand und der spezifischen Krank- heitsform. Darüber hinaus weist das Autorenteam darauf hin, dass Erwachsene mit Epider- molysis bullosa nicht selten unter Ein- schränkungen der Lungenfunktion lei- den, und häufig einen schwierigen Atem- weg mitbringen. Auch dies sollte drin- gend im Rahmen der Vorbereitung be- rücksichtigt werden. In diesem Kontext würden daher auch eine vorausschauen- de Planung sowie eine multidisziplinäre Koordination in Bezug auf Zeitabläufe und den Operationsplan eine wichtige Rolle spielen. Schließlich empfehlen die Autorinnen und Autoren die gründliche Schulung al- ler perioperativer Mitarbeiter, sodass bei jeder Mobilisierung der Patientin oder des Patienten Adhäsionen, Scherkräfte und Reibungen an Haut und Schleimhaut vermieden werden können. Obgleich sie immer wieder darauf hinweisen, dass beim Anästhesiemanagement von Er- wachsenen mit Epidermolysis bullosa viel Fingerspitzengefühl erforderlich sei, ziehen sie das Fazit, dass eine sichere Anästhesie bei diesem Patientenklientel mit einer Minimierung des Risikos für Blasenbildung möglich sei. FAZIT In dieser Übersicht zum Anästhesie- management bei erwachsenen Pa- tientinnen/Patienten mit Epidermoly- sis bullosa gewähren die Autorinnen/ Autoren Einblick in die komplexe Pa- thophysiologie und erläutern die Konsequenzen für das anästhesiolo- gische Vorgehen. So spielen die Lage- rung vor, während und nach der OP eine große Rolle, sowie die Atem- wegssicherung eine wichtige Rolle. Obgleich jede Form der Anästhesie Fingerspitzengefühl erfordere, halten die Autorinnen/Autoren eine sichere Narkose für machbar. Dipl.-Psych. Annika Simon, Braunschweig Kommentar Die Übersichtsarbeit von Mittal et al. widmet sich dem anästhesiologischen Management Erwachsener mit Epider- miolysis bullosa (EB). Bisherige Arbeiten leiten ihre Empfehlungen primär aus Da- ten betroffener pädiatrischer Patienten ab. Neue Therapieansätze in der Behand- lung dieser seltenen genetischen Erkran- kung konnten die Lebenserwartung ver- bessern, sodass die Notwendigkeit adap- tierter Empfehlungen für das periopera- tive und insbesondere das anästhesiolo- gische Management Erwachsener unab- dingbar scheint. Das klinische Erscheinungsbild der Er- krankung zeigt durch die mögliche Betei- ligung verschiedenster Organsysteme eine große Variation. Jedes betroffene Organsystem für sich stellt eine eigene Herausforderung in der Betreuung dieser Patienten dar. Für den anästhesiologi- schen Alltag leiten Mittal et al. einige Handlungsempfehlungen aus ihrer Über- sichtsarbeit ab, die auf den ersten Blick banal erscheinen mögen. Schließlich sollte grundsätzlich und ausnahmslos 14 Journal Club AINS 2022; 11: 14–46 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Journal Club m o c . e b o d a . k c o t s / l a d n e t S a M © i ▶ © MiaStendal/stock.adobe.com. Lunge durch Schätzung des transpulmo- nalen Drucks ermittelt. Anschließend wurden die Patienten anhand ihres Ausgangs-PaO2/FiO2 (Tag 1) gemäß der Berlin-Definition für das ARDS in 5 Grup- pen eingeteilt: 1. Nicht-CARDS (media- ner PaO2/FiO2 361 mmHg, IQR [323– leichtes CARDS (224 mmHg 379]), 2. [211–249]), 3. leicht–mittelschweres CARDS (173 mmHg [164–185]), 4. mit- tel–schweres CARDS (126 mmHg [114– 138]) und 5. schweres CARDS (88 mmHg [86–99]; p < 0,001). Ergebnisse Es wurden 140 Patienten entweder durch einen Helm mit kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck (n = 131) oder durch maskengestützte nicht inva- sive Beatmung (n = 9) behandelt. Davon hatten 106 Patienten (76 %) ein positives Behandlungsergebnis, d. h. sie erholten sich und benötigten 10 [6–13] Tage nach der Aufnahme keine Atemunter- stützung mehr. Dagegen versagte die Behandlung bei 34 (24 %) Patienten, d. h. die Patienten wurden 6 [4–9] Tage nach der Aufnahme auf die Intensivstation verlegt, intubiert und mechanisch beat- met. ▪ Alle Untergruppen hatten ein ähnli- ches mittleres Lungengewicht: 1215 g (1083–1294), 1153 (888–1321), 968 (858–1253), 1060 (869–1269) und 1127 (937–1193) (p = 0,37) und einen ähnlichen Anteil an nicht belüftetem Gewebe: 10,4 % (5,9–13,7), 9,6 (7,1– 15,8), 9,4 (5,8–16,7), 8,4 (6,7–12,3) bzw. 9,4 (5,9–13,8) (p = 0,85). Wei- terhin waren auch die CT-Bilder zwi- schen den Schweregraden ähnlich. ▪ Am 1. Tag auf der Intensivstation unterschieden sich die Patienten mit positivem Behandlungsergebnis und die, bei denen die Behandlung versagte, nur in den folgenden 3 Va- riablen: PaO2/FiO2-Verhältnis (OR = 0,99 [0,98–0,99]; p = 0,02), Ösopha- gusdruckschwankung (OR = 1,13 [1,01–1,27]; p = 0,032) und Gesamt- belastung (OR = 1,17 [1,06–1,31]; p = 0,004). ▪ In einer multivariaten logistischen Regressionsanalyse war nur die Ge- samtbelastung unabhängig mit dem Versagen der Behandlung verbunden (OR = 1,16 [1,01–1,33]; p = 0,032). FAZIT Eine hohe Gesamtbelastung der Lunge war unabhängig mit dem Ver- sagen der nicht invasiven Atemunter- stützung bei frühem CARDS verbun- den. Weiterhin war die Hypoxämie bei CARDS-Patienten nicht mit der Pathoanatomie der CT-Bilder asso- ziiert – im Gegensatz zum typischen ARDS. Wenngleich die COVID-19- Pneumonie in ihrer Frühphase zwar der Berliner ARDS-Definition entspre- che, weise sie pathoanatomische Merkmale auf, die die gegenwärtig empfohlene Behandlung (hoher PEEP) infrage stellen, so die Autoren. Leandra Metzger, Stuttgart Kommentar Die Studie von Copolla und Mitarbeiter [1] fordert uns auf, unsere bisherigen Therapieansätze zu überdenken und zu individualisieren. Die Pathophysiologie des CARDS unter- scheidet sich von ARDS anderer viraler Erreger. Autopsien von verstorbenen Pa- tienten in der Frühphase des CARDS zeigten mikrovaskuläres Verletzungs- muster mit Mikrothromben verursacht durch eine Endothelverletzung nach vira- ler Endozytose und ist deutlich aggra- viert im Vergleich zu einer H1N1-Infek- (High) tion [2]. Dies und weitere Pathomecha- nismen resultieren in einem veränderten Perfusions-Ventilations-Verhältnis. Es wurden 2 Phänotypen von CARDS defi- niert: den H-Typ: Elastance, Rechts-Links-Shunt, Lungengewicht und Rekrutierbarkeit, wie es bei Non-COVID ARDS meist vorzufinden ist sowie den L- Typ mit (Low) geringer Elastance, Venti- lations-Perfusions-Verhältnis, Lungen- gewicht und Rekrutierbarkeit [3]. In der vorliegenden Studie sind diese Parame- ter jedoch unabhängig vom Schwere- grad des CARDS und keine Indikatoren für die Wahl der Beatmungsmodi. Bei Patienten mit CARDS können durch die enorme Atemarbeit auch unter Spon- tanatmung, ohne Beatmung, Lungen- schäden festgestellt werden [4], auch P-SILI (Patient self-inflicted lung injury) benannt. Dabei sind Parameter, wie Atemfrequenz und PaO2/FiO2-Ratio bzw. SpO2 häufig inkongruent und schlechte Parameter für die Wahl der Beatmungs- optionen, wie es auch in der Studie von Copolla ersichtlich wird. Neben Messung des Atemzugvolumens und Bestimmung der Zwerchfellbewegung per Ultraschall bietet die Messung der ösophagealen Druckschwankungen per Ösophagus- sonde unter nicht invasiver Beatmung die beste Möglichkeit, die Atemarbeit unter Spontanatmung zu messen. Tonelli und Mitarbeiter zeigten in einer Studie an Patienten mit moderatem bzw. schwerem hypoxischen Lungenversagen, dass die ösophageale Schwankung inner- halb den ersten 2 Stunden nach Initiie- rung der NIV-Behandlung ein guter Prä- diktor für das Outcome innerhalb den ersten 24 Stunden ist [5]. In der hier prä- sentierten Studie zeigt sich jedoch, dass dies auf Patienten mit CARDS nicht un- bedingt ösophagealen Schwankungen waren hier während der PEEP-Challenge nahezu identisch, was für verminderte Rekrutierbarkeit spricht. zutrifft. Die Die Autoren sprechen sich zurecht für einen Paradigmenwechsel aus: Anwen- dung von hohem PEEP bei CARDS-Pa- tienten. Die Pathophysiologie des CARDS ist geprägt von erhöhtem Shuntvolumen und Mikro- und Makrothrombosen, wel- che in einem vermehrten Shuntvolumen 16 Journal Club AINS 2022; 11: 14–46 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Journal Club und 17 Jahren. Ziel der Studie war es, das Ansprechen auf die Flüssigkeit auf ein passives Beinheben bei Kindern vor und nach der Einleitung einer Vollnarkose zu ermitteln. Zunächst erhob die Studie da- für die Ausgangsvitalparameter der Kin- der. Zudem wurden im Wachzustand der SVI, die Herzfrequenz, der systolische Blutdruck, der diastolische Blutdruck so- wohl in halbliegender Position als auch nach dem passiven Beinheben gemes- sen. Die Messungen wurden unmittelbar nach Einleitung der Vollnarkose wieder- holt. Ergebnisse Insgesamt umfasste die Studie 24 Pa- tienten, die ASA 1 oder 2 ohne kardiopul- monale Erkrankungen waren. Davon er- hielten 21 eine Inhalationsinduktion mit Sevofluran, 3 weitere Patienten erhielten intravenöses Propofol, gefolgt von Sevo- fluran. Die Atemwege wurden bei 19 Pa- tienten intubiert und 5 erhielten eine Larynxmaske. ▪ Bei passiver Beinhebung im Wach- zustand stieg der SVI um 25 % von 54,8 auf 68,0 ml/m2 (p < 0,001). Dabei zeigten 21 Patienten einen Anstieg des SVI um ≥ 10 %. ▪ Der diastolische Druck sank nach Anheben der Beine im Wachzustand um 15,4 % von 67,9 auf 58,2 mmHg (p = 0,004). ▪ Die Herzfrequenz und der diastolische Blutdruck veränderten sich nicht sig- nifikant. ▪ Nach Einleitung der Anästhesie er- höhte sich der SVI durch passives Beinheben um 25,6 % von 42,6 auf 53,5 ml/m2 (p = 0,003). Dabei zeigten 19 Probanden einen Anstieg des SVI um ≥ 10 %. ▪ Nach Einleitung der Anästhesie und dem Anheben der Beine verringerte sich die Herzfrequenz um 9,3 % und der systolische Blutdruck stieg um 2,8 %. FAZIT Im Wachzustand zeigten 96 % der 11- bis 17-jährigen Kinder eine Reak- tion auf Flüssigkeit, nach Einleitung der Vollnarkose 79 %. Zudem weise die Studie laut den Autoren darauf hin, dass die Messung der Verände- rungen des SVI bei gesunden Kindern vor und nach dem passiven Anheben der Beine mit dem Cheetah NICOM- System möglich sei. Außerdem könne die Möglichkeit, die präoperative Re- aktion auf Flüssigkeiten vorherzusa- gen, als Leitfaden für die intraopera- tive Flüssigkeitsverabreichung dienen. Die relative Volumenzufuhr durch das PLR bewirkt eine Vergrößerung des end- diastolischen Volumens und steigert gemäß Frank-Starling-Mechanismus, das linksventrikuläre Schlagvolumen – zu- mindest im Bereich der aufsteigenden Frank-Starling-Kurve. Dieser Effekt spie- gelt sich im Anstieg des SVI wider. Leandra Metzger, Stuttgart Kommentar Um kritisch kranke Erwachsene mit einem erweiterten hämodynamischen Monitoring zu überwachen, gibt es mitt- lerweile eine Vielzahl von Systemen. In der Versorgung pädiatrischer Patien- ten haben wir hingegen bis heute kaum vergleichbare Möglichkeiten zur Über- wachung der Hämodynamik. Ein Großteil der verfügbaren Techniken ist für den Einsatz im Bereich der Kinderanästhesie und pädiatrischen Intensivmedizin we- der evaluiert noch zugelassen. Unter Verwendung des „noninvasive car- diac output monitors“ (NICOM, Firma Cheetah Medical) unternimmt die vorlie- gende Studie den Transfer der Technik von Erwachsenen auf ein pädiatrisches Patientenklientel. Dieser Ansatz ist daher durchaus interes- sant und vielversprechend. Das Studien- design hingegen enttäuscht. Ein zentraler Messparameter in der Stu- die von Stasic et al. ist der Schlagvolu- menindex (SVI). Dieser wird erst in halb sitzender Position und im Verlauf nach passive-leg-raising (PLR) gemessen, erst beim wachen später auch beim narkoti- sierten Patienten. Eingeschlossen wurden 24 Patienten zwischen 11 und 17 Jahren. Das zum einen relativ kleine Patientenkollektiv vernachlässigt damit das Säuglings- und Kleinkindalter, wodurch der Altersdurch- schnitt unserer Patientinnen und Patien- ten im Kindersaal kaum adäquat reprä- sentiert sein dürfte. Stasic et al. führen diesen volumenab- hängigen Anstieg des SVI auf die präope- rative Nüchternheit zurück und sehen in den Ergebnissen die Grundlage, den Monitor in der Pädiatrie einzusetzen. Die bisher fehlende Validierung des NICOM- Systems zur Messung des Schlagvolu- mens bei Kindern lassen die Autoren dennoch nicht unerwähnt. In der Tat sollte die Validität der durch- geführten Messungen durchaus kritisch hinterfragt werden. Bei leitliniengerech- ter Prämedikation pädiatrischer Patien- ten beginnt die Flüssigkeitskarenz ledig- lich 1 Stunde vor einem Elektiveingriff. Unter Berücksichtigung dieser Grenze sowie in der Annahme eines „gesunden“ Patientenklientels, erscheint der Anstieg des Cardiac Index (CI) und des SVI um knapp 25 % (!) nach Durchführung des PLR daher vergleichsweise hoch. (z. B. Vorlastparameters Von Interesse wäre im Hinblick auf diese Fragestellung der Trend eines dynami- schen der Schlagvolumenvariation). Auch eine be- gleitende Sonografie der Vena cava infe- rior (VCI) und des Herzens könnten wei- tere interessante Informationen liefern, welche die Interpretation der SVI-Werte sinnvoll ergänzen würden. Leider fehlen entsprechende Messungen in der vor- liegenden Studie, obwohl die Untersu- chung nicht invasiv, bettseitig und mit wenig Aufwand durchgeführt werden kann. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass der Einsatz von Bioimpedanz und Biore- actance eine sehr interessante Technik darstellt. Aufgrund ihrer fehlenden Inva- sivität könnten diese, gerade im pädiatri- schen Setting, zukünftig eine Alternative im Bereich der hämodynamischen Mess- verfahren bieten. 18 Journal Club AINS 2022; 11: 14–46 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Journal Club ninwert) das Risiko der Aufnahme auf die Intensivstation (sHR = 2,79; 95 %-KI 2,48–3,15). ▪ Von den Patienten, die auf der Inten- sivstation aufgenommen wurden, starben 2441 (19,9 %) auf der Inten- sivstation und 3790 (31 %) während des Krankenhausaufenthalts. FAZIT Die Studienergebnisse weisen darauf hin, dass kritische Erkrankungen bei Patienten mit hämatologischem Mali- gnom häufig sind und früh nach der Diagnose auftreten – so wurden 13,9 % innerhalb eines Jahres auf der Intensivstation behandelt. Außerdem war insbesondere die Sterblichkeits- rate im Krankenhaus sehr hoch. Nach Meinung der Autoren könne die Iden- tifikation bestimmter patientenbezo- gener Merkmale helfen, um diejeni- gen mit dem höchsten Risiko für eine kritische Erkrankung zu erkennen. Leandra Metzger, Stuttgart Kommentar Kritisch kranke Patienten mit hämatolo- gischen, malignen Erkrankungen ver- brauchen häufig hohe Ressourcen auf den Intensivstationen. Auch wenn die Sterblichkeitsrate schwerkranker Patien- ten mit hämatologischen Malignomen im Vergleich zu nicht immungeschwäch- ten Patienten doppelt so hoch ist [1], kann die Intensivtherapie als Überbrü- ckung bis zur definitiven Heilung genutzt werden. Bei Überlebenden auf der Inten- sivstation ist das Ansprechen auf Chemo- therapie, Remission sowie die Lebens- qualität und das 1-Jahres-Überleben nicht signifikant geringer als bei Patien- ten, die keine Aufnahme auf die Intensiv- station benötigten. Ferreyro und Kolle- gen stellen die Ergebnisse einer popula- tionsbasierten Kohortenstudie an Er- wachsenen mit neu diagnostizierter ma- ligner hämatologischer Erkrankung in Ontario, Kanada (2006–2017), vor. Eine derart groß angelegte Auswertung der Inzidenz und der Prädiktoren für eine Aufnahme auf die Intensivstation aus diesem Patientenkollektiv war bisher nicht verfügbar. Diese Daten sollten als Grundlage für die behandelnden Intensivmediziner und Hämatologen dienen, um den Patienten und Angehörigen klare und transparente Informationen über den Behandlungs- pfad einschließlich der Intensivtherapie bereitzustellen, anstatt dies als eine un- wahrscheinliche Komplikation einzustu- fen. Die Hälfte der Aufnahmen auf die Inten- sivstation war in der vorliegenden Studie innerhalb von 30 Tagen nach Stellung der Diagnose erforderlich. Dies zeigt, dass die meisten Patienten mit aggressiv fortschreitender Erkrankung sowie Pa- tienten mit Organkomplikationen, direkt oder indirekt durch die Grunderkran- kung verursacht, primär auf die Intensiv- station aufgenommen wurden. Diese Pa- tienten profitieren – bei guter Prognose und Behandelbarkeit der Grunderkran- kung – von der sichereren Umgebung der Intensivstation, wo sie im interdiszip- linären Ansatz von Intensivmedizinern und Hämatologen behandelt werden können. Diese Studie sollte in anderen Ländern mit ggf. anderen Gesundheitssystemen wiederholt werden. Die Aufnahme auf Intensivstationen wurde wahrscheinlich unterschätzt, da mehr als die Hälfte der Patienten in einem späteren Verlauf der Erkrankung aufgenommen wurden und hier unter Umständen bereits eine Vor- auswahl getroffen wurde. Dies kann auch durch den in vielen Ländern bereits vor der Corona-Pandemie manifesten Mangel an Intensivbetten bedingt sein. Bei zunehmenden kurz- und längerfristi- gen Überlebensraten bei hämatologi- schen Intensivpatienten und neuartigen Behandlungsverfahren wie z. B. der Car- T-Cell-Therapie [2], muss zukünftig ver- mutlich liberaler über die Intensivthera- pie bei hämatologischen Grunderkran- kungen nachgedacht werden, z. B. in interdisziplinären Ad-hoc-Indikations- teams. Hier sollte nach dem Mehraugen- prinzip eine interdisziplinäre Entschei- dung gemeinsam auf Augenhöhe unter Berücksichtigung der verfügbaren wis- senschaftlichen Daten getroffen werden. Grundvoraussetzung bleibt, dass die In- tensivtherapie nicht um ihrer selbst Wil- len durchgeführt wird, sondern eine „bridge to prolonged cure“, also eine überbrückende Versorgung bis zur defi- nitiven Heilung darstellt. Der Patienten- wille muss unbedingt und selbstver- ständlich bei allen Entscheidungen be- rücksichtigt werden. Interessenkonflikt Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Autorinnen/Autoren Prof. Dr. med. Hendrik Bracht, Zentrale interdis- ziplinäre Notaufnahme, Universitätsklinikum Ulm Literatur [1] Asdahl PH, Christensen S, Kjærsgaard A et al. One-year mortality among non-surgical pa- tients with hematological malignancies ad- mitted to the intensive care unit: a Danish nationwide population-based cohort study. Intensive Care Med 2020; 46: 756–765. doi:10.1007/s00134-019-05918-1 [2] Azoulay E, Mokart D, Pène F et al. Outcomes of critically ill patients with hematologic mali- gnancies: prospective multicenter data from France and Belgium – a groupe de recherche respiratoire en réanimation onco-hématolo- gique study. J Clin Oncol 2013; 31: 2810– 2818. doi:10.1200/JCO.2012.47.2365 20 Journal Club AINS 2022; 11: 14–46 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Journal Club Schädel-Hirn-Trauma derartige Netzwerke scheint die detail- lierte Untersuchung von speziellen Sub- gruppen von einzelnen Krankheitsbil- dern (in diesem Fall das moderate bis schwere ohne schwerwiegende Begleitverletzungen) möglich zu sein. Dies ist zwingend erfor- derlich, um die Evidenz für klinische Neuerungen zu schaffen. Umso mehr, da statistische Signifikanzen großer rando- misierter kontrollierter Studien zu thera- peutischen Interventionen in der Inten- sivmedizin häufig ausbleiben. Als einer der wesentlichen Gründe wird eben die Heterogenität der untersuchten Krank- heitsbilder mit den daraus resultieren- den multiplen Einflussfaktoren disku- tiert. Lassen Sie uns nach diesem kurzen „Vor- wort“ zu der Studie kommen. Die Ergeb- nisse dieser retrospektiven Folgeunter- suchung sind schlüssig und konsistent, jedoch „nur“ bestätigender Natur. Oder überrascht es Sie, dass Patienten, die zusätzlich zum Schädel-Hirn-Trauma eine Multiorganfunktionsstörung inner- halb der ersten 3 Tage entwickeln, ein schlechteres Outcome haben, als die- jenigen, denen dieser Verlauf erspart bleibt? Damit kann und wird diese Unter- suchung lediglich die Basis für prospekti- ve Studien sein, um die für die Therapie entscheidenden Fragen zu klären: Was sind die Ursachen für die Entwicklung der Organfunktionsstörungen und wel- che Interventionsmöglichkeiten beste- hen für uns auf der Intensivstation? Zu den Ursachen können aufgrund der en- gen (und wohl überlegten) Ein- und Aus- schlusskriterien bereits erste Vermutun- gen angestellt werden. Schwere Begleit- verletzungen spielen aufgrund des Aus- schlusses von Patienten mit einem „non- head Abbreviated Injury Scale Score“ ≥ 3 wahrscheinlich keine wesentliche Rolle. Gleiches gilt für vorbestehende Begleit- erkrankungen, da das mittlere Alter der überwiegend männlichen Patienten mit 41 Jahren niedrig war. Auch Komplikatio- nen der Intensivtherapie können durch das enge Einschlussfenster von Tag 1–3 ursächlich weitgehend ausgeschlossen werden. Somit ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass, wie von den Autoren vermu- tet, die frühzeitige Multiorgandysfunk- tion durch die traumatische Hirnschädi- gung selbst hervorgerufen wird. In die- sem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Art der Organdysfunktionen. Hinweise hierzu sind der Abbildung 1 im Supplement des Artikels zu entnehmen. Die beiden Studiengruppen (mSOFA- Score ≤ 7 vs. > 7) unterscheiden sich ins- besondere in der Schwere der pulmona- len, neurologischen und kardiovaskulä- ren Organdysfunktionen. Diese Ansatz- punkte sollten verfolgt und entspre- chende präventive sowie frühzeitige the- rapeutische Interventionen untersucht werden. Das renale und Gerinnungssys- tem scheinen dagegen keine Rolle zu spielen. Abschließend muss ich noch auf einen weiteren Kritikpunkt hinweisen. Die Festlegung des Cut-off-Wertes für den mSOFA-Score zur Unterscheidung der beiden Studiengruppen wurde von den Autoren mit einer entsprechenden Ein- teilung einer vorhergehenden Studie be- gründet. Das ist zwar nachvollziehbar, die Verteilung der max. mSOFA-Scores in der Studie zeigt allerdings einen sprunghaften Häufigkeitsanstieg von 6 auf 7 (Abbildung 2 der Studie). Von 7 auf 8 besteht lediglich ein minimaler An- stieg. Entsprechend würde sich eher eine Gruppenaufteilung in ≤ 6 vs. > 6 anstatt von ≤ 7 vs. > 7 aufdrängen. Ob die Ergeb- nisse ebenso eindeutig wären, wenn man den Cut-off-Wert von 8 auf 7 absenken würde, wird in der Studie leider nicht dis- kutiert und bleibt somit offen. Interessenkonflikt Fresenius Kabi Deutschland, Amomed Phar- ma. Autorinnen/Autoren Prof. Dr. med. Sebastian Rehberg, Universitätsklinik für Anästhesiologie, Inten- sivmedizin, Notfallmedizin, Transfusionsmedizin und Schmerztherapie, Evangeli- sches Klinikum Bethel, Uni- versitätsklinikum OWL, Campus Bielefeld-Bethel Postoperative 24-stündige Physostigmingabe verringert Delirinzidenz nicht Spies CD et al. Physostigmine for prevention of postoperative delirium and long-term cognitive dysfunction in liver surgery. Eur J Anaesth 2021; 38943– 38956 Eine durch den chirurgischen Stimu- lus angestoßene Entzündungsreak- tion wird ursächlich für ein postope- ratives Delir angenommen, hypothe- tisch soll die cholinerge Stimulation die Inflammation unterdrücken und so die zerebralen Funktionen schüt- zen. Die vorliegende Studie unter- sucht die Auswirkungen einer 24- stündigen Physostigmingabe auf die Inzidenz von postoperativem Delir bzw. postoperativer Dysfunktion bei Patienten nach Leberchirurgie. Die nach Narkoseinduktion begonnene und 24 Stunden fortgeführte Physostig- mingabe beeinflusst die Inzidenz von postoperativem Delir (POD) und post- operativem kognitivem Defizit (POCT) nicht. Zu diesem Schluss kommen Clau- dia D. Spieß und Mitarbeiter von der Abteilung für Anästhesie und Intensiv- medizin der Charité Berlin in dieser ran- domisierten, doppel-blind und placebo- kontrollierten Studie. Die Forscher ran- domisierten Patienten, die sich einer Leberresektion unterziehen mussten in 2 Gruppen: eine Gruppe erhielt nach Narkoseinduktion 0,02 mg/kg Körperge- wicht Physostigmin als Bolus gefolgt von 22 Journal Club AINS 2022; 11: 14–46 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Journal Club Delir nicht zu übersehen und um zeitnah nach Ursachen zu suchen, mit dem Ziel, diese behandeln zu können. Nicht zuletzt scheint die Nähe zu ver- trauten Personen ein positiver Einfluss- faktor bei der Prävention und Therapie des Delirs zu sein, sodass eine enge Be- gleitung durch Angehörige nicht trotz, sondern gerade wegen der stationären Behandlung eines älteren Patienten er- möglicht werden sollte. Die Implemen- tierung und Anwendung des sog. „ABC- DEF bundles“ [3] (das „F“ steht hierbei für Family engagement and empower- ment) war hierbei mit einer verbesserten Überlebenswahrscheinlichkeit assoziiert. Interessenkonflikt Literatur Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Autorinnen/Autoren Prof. Dr. Richard K. Ellerk- mann, DESA, Klinik für Anästhesiologie und Ope- rative Intensivmedizin, Klinikum Dortmund [1] Funk W et al. Physostigmine and anaesthesia emergence delirium in preschool children: a randomized blinded trial. Eur J Anaesthesiol 2008; 25: 37–42. doi:10.1017/ S0265021507001159 [2] Marra A et al. The ABCDEF Bundle in Critical Care Crit Care Clin 2017; 33: 225–243. doi:10.1016/j.ccc.2016.12.005 [3] Barnes-Daly MA et al. Improving Hospital Sur- vival and Reducing Brain Dysfunction at Seven California Community Hospitals: Implement- ing PAD Guidelines Via the ABCDEF Bundle in 6,064 Patients. Crit Care Med 2017; 45: 171– 178. doi:10.1097/CCM.0000000000002149 Kaiserschnittgeburt führt bis ins Schulalter nicht vermehrt zu Atemstörungen Salem Y et al. Are children born by cesarean delivery at higher risk for respiratory sequelae?. Am J Obstet Gynecol 2021; doi:10.1016/j.ajog.2021.07.027 Kaiserschnittgeburten haben in den letzten Jahren deutlich zugenom- men. Ein großer Teil dieser Zunah- men geht auf elektive Schnittentbin- dungen zurück, die nicht aus medizi- nischer Indikation erfolgen, sondern lediglich auf Wunsch der Mutter. Eine Reihe von Untersuchungen hat allerdings Hinweise erbracht, die die- se Art der Geburt mit negativen Lang- zeitfolgen für die betroffenen Kinder in Verbindung bringen. Vor allem die Lungenreifung des Neuge- borenen soll durch diese Art der Geburt beeinträchtigt werden, sodass es zu postnatalen respiratorischen Störungen kommt. Ebenso wurden später Asthma- erkrankungen der Kinder damit in Ver- bindung gebracht. Allerdings sind die Ergebnisse dieser Studien teilweise wi- dersprüchlich; nun stellen Schweizer Mediziner umfangreiche Daten aus einer Langzeitkohorte vor. Yasmin Salem und ihre Kollegen haben seit 1999 insgesamt 578 Kinder mit einem Gestationsalter von ≥ 37 Wochen in aufgenommen (BILD: Basel-Bern Infant Lung Develop- ment). Darunter waren BILD-Kohorte die ▪ 464 Kinder mit vaginalen Entbindun- gen (Gruppe 1) und ▪ 114 Kinder mit Schnittentbindungen (Gruppe 2), von denen – 61 dringlich und – 47 elektiv erfolgt waren – für 6 Kinder fehlte die Angabe. In der Folge befragten die Wissenschaft- ler im 1. Lebensjahr des Kindes in wö- chentlichen Telefonaten die Eltern nach der Atemfrequenz ihres Kindes in Ruhe und eventuell aufgetretenen respirato- rischen Symptomen wie Husten oder „Wheezing“. Darüber hinaus bestimm- ten sie in der 5. Lebenswoche beim schlafenden Säugling die Lungenfunk- tion (Atemfrequenz, Atemzugvolumen bezogen auf das Körpergewicht, Zeit- dauer bis zum exspiratorischen Spitzen- fluss im Verhältnis zur gesamten Exspira- tionsdauer). Außerdem erfolgte ein Gas- auswaschtest über mehrere Atemzüge mit 4 % Schwefelhexafluorid. Stickstoff, ein Auswaschtest über einen Atemzug mit Stickstoffmonoxid (Hin- weis auf eosinophile Entzündungen der Atemwege). Darüber hinaus prüften die Forscher das Auftreten von respiratori- schen und atopischen Erkrankungen. Die Auswertung ergab, dass fast alle Kinder (93 %) im 1. Lebensjahr respirato- rische Symptome entwickelt hatten, bei 42 % waren sie schwer ausgeprägt. Ins- gesamt lagen Beschwerden ▪ in Gruppe 1 im Median für 5 Wochen vor, ▪ in Gruppe 2 waren es 4 Wochen, ▪ schwere respiratorische Symptome bestanden in beiden Gruppen im Median für 0 Wochen. Demnach fanden sich keine signifikanten Unterschiede in Abhängigkeit vom Ge- burtsmodus. Auch bei den Lungenfunk- tionstests ergaben sich keine wesentli- chen Differenzen. Im Alter von 6 Jahren wurde bei 371 die- ser Kinder (65 davon per Sectio geboren) die Lungenfunktion erneut untersucht, dieses Mal mittels Spirometrie und Body- plethysmografie. Ein Gasauswaschtest über mehrere Atemzüge erfolgte mit In der Regressionsanalyse errechneten die Autoren, dass lediglich das Vorhan- densein älterer Geschwister und der Be- such einer Kindertagesstätte mit häu- figeren Atembeschwerden verbunden waren. 24 Journal Club AINS 2022; 11: 14–46 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Journal Club Autorinnen/Autoren Literatur Prof. Dr. Mark U. Gerbers- hagen, MBA, Klinik für Anästhesiologie, Kranken- haus Köln Holweide, Klinik der Stadt Köln [1] Loke AY, Davis L, Mak Y. Is it the decision of women to choose a cesarian section as the mode of birth? A review of literature on the views of stakeholders. Pregnancy and Child- birth 2019; 19: 286. doi:10.1186/s12884- 019-2440-2 [2] Tribe RM, Taylor PD, Kelly NM et al. Parturia- tion and the perinatal period: can mode of delivery impact on the future health of the neonate? J Physiol 2018; 596: 5709–5722 [3] Minguez-Alarcon L, Rifas-Shiman S, Sordillo JE et al. Association of mode of obstetric delivery with child and adolescent body composition. JAMA Netw Open 2021; 4: e2125161 Lebensqualität in der Anästhesie: Persönlichkeitsfaktoren spielen eine Rolle Gafsou B et al. Determinants of Work-Related Quality of Life in French Anesthesiologists. Anesth Analg 2021; doi:10.1213/ANE.0000000000005397 Obgleich Arbeit und die subjektiv empfundene Lebensqualität eng mit- einander verbunden sind, weiß man heute nur wenig über die spezifische Situation von Anästhesistinnen und Anästhesisten. Gafsou und Kollegium wollten neben einer Quantifizierung der berufsbezogenen Lebensqualität vor allem mögliche Einflussfaktoren erfassen, und haben eine groß ange- legte Befragungsstudie in Frankreich durchgeführt. Zahlreiche Veränderungen während der letzten 3 Jahrzehnte in den Gesundheits- systemen vieler Länder haben einen un- mittelbaren Einfluss auf die Arbeitsbe- dingungen von Ärztinnen und Ärzten. Obgleich die individuelle Arbeitssitua- tion einen Einfluss auf die subjektiv emp- fundene Lebensqualität haben kann, gibt es bis heute wenig Evidenz zur arbeitsbe- zogenen Lebensqualität von Anästhesis- tinnen und Anästhesisten. Um mehr über die Ausprägung der be- rufsbezogenen Lebensqualität und ins- besondere über potenzielle Einflussfak- toren auf verschiedenen Ebenen erfah- ren zu können, haben Gafsou und Kolle- ginnen/Kollegen eine groß angelegte Be- fragung von dieser Berufsgruppe in Frankreich durchgeführt. Grundlage bil- dete eine elektronische Umfrage, die sich an alle arbeitenden Anästhesistin- nen und Anästhesisten mit einer Berufs- erfahrung von mindestens 2 Jahren rich- tete. Neben der berufsbezogenen Lebensqua- lität erfassten die Autorinnen und Auto- ren die folgenden Parameter mithilfe je- weils zielgerichteter Fragen bzw. Items: ▪ demografische Daten, ▪ Beziehungsstatus, ▪ persönliches und familiäres Einkom- men, ▪ Berufserfahrung, ▪ Dauer der Anstellung, ▪ wöchentliche Arbeitsbelastung, ▪ Organisation und Management am Arbeitsplatz, ▪ Persönlichkeitsfaktoren in Anlehnung an die Big-Five-Theorie. Zur Erfassung dieser Faktoren kam der Big-Five Inventory-Fragebogen in der französischen Übersetzung zum Einsatz. Hierbei wird jeweils die Ausprägung in Bezug auf 5 unterschiedliche Persönlich- keitsfaktoren gemessen. Diese sind: ▪ Offenheit, ▪ Gewissenhaftigkeit, ▪ Extraversion, ▪ Verträglichkeit und ▪ Neurotizismus. Auf statistischer Ebene griffen die Auto- rinnen und Autoren schließlich auf ein multivariates Regressionsmodell zurück. Multifaktorielle Einflüsse 2040 Anästhesistinnen und Anästhesis- ten nahmen an der Umfrage teil, 1922 Antworten konnten bei der Auswertung berücksichtigt werden. Dies entsprach einem Anteil von 19 % aller in Frankreich praktizierender Ärztinnen und Ärzte die- ser Fachrichtung. Sie waren im Durch- schnitt 45 Jahre alt. Folgende Faktoren zeigten unabhängig voneinander einen Zusammenhang mit einer hohen berufsbezogenen Lebens- qualität: ▪ Familieneinkommen, ▪ langfristige Beschäftigung, ▪ organisatorische und betriebswirt- schaftliche Faktoren, ▪ menschliche Beziehungen sowie ▪ berufliche Aufgaben wie beispielswei- se die Teilnahme an Teamaktivitäten. arbeitsbezogenen Auch die 3 Persönlichkeitsfaktoren Extra- version, Gewissenhaftigkeit und Offen- heit korrelierten positiv mit einer als gut empfundenen Le- bensqualität. Eine starke Ausprägung der Persönlichkeitseigenschaft Neuroti- zismus war hingegen mit einer reduzier- ten berufsbezogenen Arbeitsqualität verbunden. Die Autorinnen und Autoren ziehen auf Grundlage ihrer Daten das Fazit, dass so- wohl exogene als auch endogene Fakto- ren mit einer erhöhten berufsbedingten Lebensqualität bei Anästhesistinnen und Anästhesisten assoziiert sein würden. Sie betrachten ihre Erkenntnisse im Hinblick auf den Einfluss von Persönlichkeits- eigenschaften dabei als hypothesen- generierend und wünschen sich darauf aufbauend weitere Forschungsbemü- hungen zu diesem Thema. FAZIT In dieser Befragung von Anästhesis- tinnen/Anästhesisten zeigte sich ein messbarer Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsfaktoren und der be- rufsbezogenen Lebensqualität. So 26 Journal Club AINS 2022; 11: 14–46 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Journal Club Hämatom nach Schilddrüsen-OP: Fachgesellschaften empfehlen optimales Vorgehen Iliff HA, El-Boghdadly K, Ahmad I, Management of haematoma after thyroid surgery: systematic review and multidisciplinary consensus guidelines from the Difficult Airway Society, the British Association of Endocrine and Thyroid Surgeons and the British Association of Otorhinolaryngology, Head and Neck Surgery. Anaesthesia 2022; 77: 82–95 Postoperative Blutungen sind bei Pa- tienten nach Schilddrüsen-OP keine Seltenheit. Dabei ist nicht die Nach- blutung die wesentliche Gefahr für den Patienten, sondern das sich aus- bildende Hämatom, das in den engen anatomischen Strukturen am Hals schnell zu einer Kompression der Tra- chea und dann einer respiratorischen Insuffizienz führen kann. Das größte Risiko für den Patienten be- steht postoperativ, wenn der Endotra- chealtubus entfernt ist und er nicht mehr unter direkter ärztlicher Überwa- chung steht. Stattdessen liegt er im Auf- wachraum oder auf einer Wachstation, wo sich wenige Pflegekräfte um viele Pa- tienten kümmern müssen. keine Erstaunlicherweise gibt es bislang für das Vorgehen bei solchen Hämatomen nach Thyreoidektomien einhelligen Empfehlungen. Daher haben sich nun Vertreter von britischen medizinischen Fachgesellschaften, Patientenbeauftrag- te, Pflegekräfte und Assistenzärzte zu- sammengesetzt, um in einem 3-stufigen Prozess Handlungsempfehlungen zu ent- wickeln. Dabei erstellte die insgesamt 11-köpfige Arbeitsgruppe eine Reihe von praktischen Vorgehensweisen. Sie betreffen ▪ die Überwachung des Patienten, ▪ die Erkennung von Symptomen, die auf ein Hämatom hinweisen, ▪ das Management bei einem tatsäch- lichen Hämatom. Überwachung. Hämatome treten meist innerhalb von 24 h nach dem Eingriff auf, die Hälfte sogar innerhalb der ersten 6 h. In diesen 6 h muss die Überwachung also besonders engmaschig ausfallen: mindestens 1-mal/h. Dazu gehören Wundinspektion, früher Warnzeichen für ein Atmungsversagen (Atem- und Herzfrequenz, Blutdruck, Temperatur, arterielle Blutgasanalyse, Wachheit) und Schmerzen. Ebenso kön- Beachtung nen subtile Zeichen auf eine beginnende Atemnot hinweisen wie Angst oder Agi- tation. Nach diesen ersten 6 h kann man die Überwachungsfrequenz reduzieren, wenn der Patient klinisch unauffällig und beschwerdefrei ist. Befindet sich der Patient auf Normalstation, sollte er in Sichtweite des Schwesternstützpunkts untergebracht sein und optimalerweise auf einer Station, die regelmäßig Patien- ten nach Schilddrüseneingriffen betreut. Erkennung einer Hämatomsymptoma- tik. Dazu gehören etwa ▪ plötzliche Schluckschwierigkeiten ▪ Warnzeichen wie oben ▪ Schwellungen am Hals ▪ Tachypnoe, erhöhte Atemanstren- gungen ▪ Stridor Management. Besteht einmal der Ver- dacht auf ein Hämatom, beginnt die Be- handlung mit der Gabe von Sauerstoff und Hochlagerung des Patienten. Spä- testen jetzt sollte der behandelnde Chi- rurg informiert werden, und wegen der Gefahr eines erschwerten Zugangs zu den Atemwegen ggf. auch ein erfahrener Anästhesist. Scheint der Patient noch stabil, sollte man eine Verlegung auf die Intensiv- oder Wachstation erwägen – oder gleich wieder in den OP. Ist es dafür schon zu spät, erfolgt die Be- handlung direkt am Patientenbett. Dort sollte immer ein Notfallset verfügbar sein, das das notwendige Instrumentari- um für eine Hämatomentlastung ent- hält. Dabei werden zunächst der Verband und dann die Nähte entfernt. Die Hals- muskulatur und schließlich die Trachea werden freigelegt. Danach kann das Hämatom ausgeräumt werden, die Wun- de wird tamponiert und mit einem Pflas- ter verschlossen. m o c . e b o d a . k c o t s / e h C s k e A © l ▶ © Aleks Che/stock.adobe.com Bessert sich darunter der Zustand des Patienten nicht, ist eine endotracheale Intubation angezeigt, falls möglich mit einem Videolaryngoskop. Das vermin- dert die Anzahl der notwendigen Versu- che, die Glottis darzustellen, und verhin- dert das Fortschreiten eines Larynx- ödems. Klappt die Intubation nicht, muss rechtzeitig eine notfallmäßige Skalpell-Koniotomie oder -Tracheotomie erfolgen. Die Notfallsets mit allen erfor- derlichen Instrumenten sollten auf dem Notfallwagen leicht zugänglich gelagert werden, und jeder auf Station muss wis- sen, wo sich dieser befindet. Nach der Entfernung des Hämatoms soll- te der Patient mindestens auf eine Wach- station verlegt werden. Bei und auch noch nach der Entlassung sollte ihm psy- chologische Unterstützung angeboten werden, denn ein solcher lebensbedroh- licher Zwischenfall, den der Kranke zu- mindest teilweise vollständig wach mit- erlebt, kann ihn noch lange Zeit belas- ten. Ähnliches gilt für das medizinische Team. Und last but not least: Das gesamte Team, Ärzte und Pflegepersonal, sollte an regelmäßigen Schulungen teilneh- men, abhängig davon, wie häufig neue Mitglieder dazukommen. Dabei sollten nicht nur theoretische Informationen verteilt werden, sondern Simulationsver- 28 Journal Club AINS 2022; 11: 14–46 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Journal Club Zusammengefasst kann man sagen: Iliff et al. haben unter Mitarbeit von Anästhe- sisten, Chirurgen und Pflegenden eine interdisziplinäre Leitlinie vorgelegt, die Pflichtlektüre für alle im Krankenhaus sein sollte, die schilddrüsenoperierte Pa- tienten postoperativ betreuen. Interessenkonflikt Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Autorinnen/Autoren Literatur Prof. Dr. Katharina Holzer, Leiterin der Sektion Endo- krine Chirurgie, Klinik für Viszeral-, Thorax- und Ge- fäßchirurgie, Universitäts- klinikum Marburg [1] Lorenz K et al. Management von Nachblutun- gen nach Schilddrüsenoperationen. Chirurg 2015; 86: 17–23 [2] Burkey SH et al. Reexploration for symptoma- tic hematomas after cervical exploration. Sur- gery 2001; 130: 914–920 ICU: Welche Risikofaktoren beeinflussen die Sterblichkeit bei COVID-19? Zanella A et al. Time course of risk factors associated with mortality of 1260 critically ill patients with COVID-19 admitted to 24 Italian intensive care units. Intensive Care Med 2021; doi:10.1007/s00134-021-06495-y Seit Beginn der Coronapandemie ste- hen der Wissenschaft immer mehr Daten aus der Intensivmedizin zur Verfügung und geben Aufschluss über Klinik und Verlauf der Viruser- krankung. So haben auch Zanella und Kolleginnen/Kollegen eine retro- spektiv-prospektive multizentrische Studie mit Patientinnen und Patien- ten auf 24 italienischen Intensivsta- tionen durchgeführt. Der Fokus lag dabei auf der Identifikation von Risi- kofaktoren für die Sterblichkeit. Seit Beginn der Coronapandemie sam- meln sich die Daten von Menschen, die intensivmedizinisch behandelt werden mussten und der schweren Viruserkran- kung teilweise auch erlagen. Dieser Da- tenpool bietet eine große Chance für die Wissenschaft, um mehr über Klinik, Ver- lauf und Therapie von COVID-19 erfah- ren zu können und bildet jetzt schon die Grundlage zahlreicher Beobachtungsstu- dien. Auch Zanella und Team haben auf solch einen Datensatz zurückgegriffen und präsentieren nun die Ergebnisse ihrer retrospektiv-prospektiven multizentri- schen Studie. Die Untersuchung fand im Frühjahr 2020 statt, und schloss alle Pa- tientinnen und Patienten mit ein, die auf- grund von COVID-19 im Zeitraum zwi- schen dem 22. Februar und dem 31. Mai auf 24 ausgewählten italienischen Inten- sivstationen behandelt werden mussten. Für jeden Betroffenen registrierten die Autorinnen und Autoren insgesamt 18 klinische Parameter und analysierten mithilfe eines mehrstufigen linearen Regressionsmodells den Einfluss dieser Variablen auf die Sterblichkeit. Diese Pa- rameter waren u. a.: ▪ SOFA-Score, ▪ Temperatur, ▪ Sauerstoffsättigung, ▪ PEEP, ▪ PH-Wert, ▪ Laktatwert, ▪ Herzfrequenz, ▪ arterieller Mitteldruck, ▪ Kreatinin, ▪ Anzahl der Leukozyten und Lymphozyten, ▪ Bilirubin, ▪ Leberwerte, ▪ D-Dimere, ▪ Troponin T ▪ proBNP. Die entsprechenden Werte wurden dabei teils mehrfach täglich registriert, um sowohl Tageswerte als auch zeitliche Trends erfassen zu können. Viele relevante Parameter Die Daten von insgesamt 1260 Men- schen mit COVID-19 gingen in die Re- gressionsanalyse mit ein. Sie waren im Durchschnitt 63 Jahre alt, 77,7 % von ih- nen weiblich. Der mittlere BMI konnte auf 28 kg/m2 und der durchschnittliche SOFA-Score auf 4 mit einer Spannweite zwischen 3 und 5 beziffert werden. Zum Zeitpunkt der intensivmedizini- schen Aufnahme lag das mediane Ver- hältnis des arteriellen Sauerstoffpartial- drucks zum fraktionierten eingeatmeten Sauerstoff (PaO2/FiO2) bei 122 mmHg, 79 % alle Patientinnen und Patienten er- hielten eine invasive mechanische Beat- mung. Für die Gesamtmortalität errech- nete die Forschergruppe einen Anteil von 34 %. Sowohl die Tageswerte als auch die zeit- lichen Trends dieser Parameter waren in der statistischen Auswertung mit dem Überleben assoziiert: ▪ Atemcompliance, ▪ PaO2/FiO2, ▪ arterieller Kohlendioxidpartialdruck, ▪ Kreatinin, ▪ C-reaktives Protein, ▪ Ferritin, ▪ Neutrophilenzahl, ▪ Neutrophilen-Lymphozyten-Verhält- nis sowie ▪ Thrombozytenzahl. Dagegen zeigten bei den Parametern Laktat, pH-Wert, Bilirubin, Lympho- zytenzahl und Harnstoff ausschließlich 30 Journal Club AINS 2022; 11: 14–46 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Journal Club Autorinnen/Autoren Literatur Dr. med. Johannes Gra- matté, Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie, Univer- sitätsklinikum Dresden Prof. Dr. med. Peter M. Spieth, MSc, Klinik und Poliklinik für Anästhesio- logie und Intensivtherapie, Universitätsklinikum Dres- den [1] Zhou F et al. Clinical course and risk factors for mortality of adult inpatients with COVID-19 in Wuhan, China: a retrospective cohort study. Lancet 2020; 395: 1054–1062 [2] Wang D et al. Clinical Characteristics of 138 Hospitalized Patients With 2019 Novel Coro- navirus-Infected Pneumonia in Wuhan, China. JAMA 2020; 323: 1061–1069 [3] Wendel Garcia PD et al. Prognostic factors as- sociated with mortality risk and disease pro- gression in 639 critically ill patients with COVID-19 in Europe: Initial report of the in- ternational RISC-19-ICU prospective obser- vational cohort. EClinicalMedicine 2020; 25: 100449 [4] Fleuren LM et al. Risk factors for adverse out- comes during mechanical ventilation of 1152 COVID-19 patients: a multicenter machine learning study with highly granular data from the Dutch Data Warehouse. Intensive Care Med Exp 2021; 9: 32 Septischer Schock: Adrecizumab sicher und wirksam? Laterre PF et al. Safety and tolerability of non-neutralizing adrenomedullin antibody adrecizumab (HAM8101) in septic shock patients: the AdrenOSS-2 phase 2a biomarker-guided trial. Intensive Care Med 2021; doi:10.1007/s00134-021-06537-5 potenziell Adrecizumab ist ein humaner Anti- Adrenomedullin-Antikörper, der das vasoaktive Peptidhormon Adreno- medullin hochspezifisch bindet und somit den Verlauf eines septischen Schocks beeinflussen könnte. Da es allerdings zu dieser neuen Therapiestrategie noch viele offene Fragen gibt, haben Laterre und Kollegium nun eine biomarker- gestützte Phase-IIa-Studie zu Sicher- heit und Wirksamkeit von Adrecizu- mab durchgeführt. Adrecizumab ist ein humaner klonaler Antikörper und kann durch die spezifi- sche Bindung des vasoprotektiven Pep- tids Adrenomedullin im septischen Schock die endotheliale Barrierefunktion wiederherstellen und aufrechterhalten. Da eine Störung dieser Barriere als eine der Hauptursachen für die Sterblichkeit bei Sepsis gilt, stellt dieser Antikörper für die Betroffenen eine große Überle- benschance dar. Um mehr über die Wirksamkeit und vor allem die Sicherheit von Adrecizumab sa- gen zu können, haben Laterre und seine Arbeitsgruppe nun die Ergebnisse einer biomarkergestützten Phase-IIa-Studie vorgelegt. Im Detail handelte es sich um eine doppelblinde randomisierte und placebokontrollierte Untersuchung, bei der Verträglichkeit und Wirkung einer Einzelinfusion von Adrecizumab in der Dosierung von 2 oder 4 mg/kg KG mit einem Placebo verglichen wurde. Geeignete Patientinnen und Patienten sollten die folgenden Einschlusskriterien erfüllen: ▪ Alter ab 18 Jahren, ▪ septischer Schock in der Frühphase, ▪ Adrenomedullinspiegel über 70 pg/ ml, ▪ Beginn einer Therapie mit Vasopres- soren vor weniger als 12 Stunden. Als die wichtigsten Endpunkte definier- ten die Autorinnen und Autoren die 90- Tages-Mortalität, behandlungsbedingte unerwünschter Ereignisse sowie Unter- brechungen der Therapie und Störungen der Hämodynamik. Zu den Wirksam- keitsendpunkten zählten weiterhin die Ergebnisse des Sepsis Support Index (SSI) und Veränderungen des SOFA- Scores sowie die Sterblichkeit 28 Tage nach Studienbeginn. Der SSI spiegelt dabei v. a. die beat- mungs- und schockfreien Lebenstage wi- der. Adrenomedullin diente schließlich als zentraler Biomarker und wurde regel- mäßig abgenommen. Gute Verträglichkeit 301 Patientinnen und Patienten im Früh- stadium eines septischen Schocks nah- men an der Studie teil. Sie waren je nach Studiengruppe im Durchschnitt zwi- schen 68 und 71 Jahren alt, 31,2–43,4 % von ihnen weiblich. Die mediane Zeit der Dauer der bisherigen Therapie mit Vasopressoren vor Studienbeginn konnte auf 8,5 Stunden beziffert werden. Der Antikörper zeigte insgesamt eine gute Verträglichkeit – sowohl in der Gruppe mit 2 mg/kg KG als auch in der Gruppe mit einer Dosierung von 4 mg/ kg KG. So konnten die Autorinnen und Autoren lediglich eine einzige Unterbre- chung der Therapie, aber keine relevan- ten hämodynamischen Veränderungen feststellen. Auch auf die Sterblichkeit nach 90 Tagen zeigte die Zugehörigkeit zu einer Thera- piegruppe keinen wesentlichen Einfluss. Für die Sterblichkeit nach 28 Tagen er- gab sich allerdings ein signifikanter Un- terschied zwischen den beiden Therapie- gruppen einerseits und der Placebogrup- pe andererseits. So lag diese unter The- rapie mit dem Antikörper bei 23,9 % und unter Placebo bei 27,7 %. In ihrer Diskussion bezeichnen die Auto- rinnen und Autoren diese Phase-IIa-Stu- die mit experimentellem Charakter als machbar und sehen in ihren Zahlen wich- tige Belege für eine gute Verträglichkeit des untersuchten Antikörpers. Sie halten dennoch weiterführende Untersuchun- gen über Sicherheit und Wirksamkeit für 32 Journal Club AINS 2022; 11: 14–46 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Journal Club ICU: Charakteristika von Intensivpatienten mit COVID-19 in drei Nachbarländern Mesotten D et al. Differences and Similarities Among Coronavirus Disease 2019 Patients Treated in Seven ICUs in Three Countries Within One Region: An Observational Cohort Study. Intensive Care Med 2021; doi:10.1097/CCM.0000000000005314 Im Zuge der noch anhaltenden COVID-19-Pandemie müssen viele Betroffene zeitweise intensivmedizi- nisch behandelt werden. Da die Orga- nisation von Intensivstationen maß- geblich durch das jeweilige Gesund- heitssystem eines Landes bestimmt wird, stellt sich die Frage nach dem Einfluss auf den Pandemieverlauf. Mesotten und Kolleg*innen haben hier angesetzt und eine Kohortenstu- die auf 7 Intensivstationen in 3 be- nachbarten Ländern durchgeführt. Seit Ende 2019 hält die Coronapandemie die Welt in Atem und hat vielerorts auf den Intensivstationen zu einer Überlas- tung geführt. Die Organisation der In- tensivmedizin hängt in der Regel unmit- telbar mit dem Gesundheitssystem des jeweiligen Landes zusammen. Ob das je- weilige System wiederum einen Einfluss auf den Pandemieverlauf haben könnte, bleibt Gegenstand aktueller Forschungs- bemühungen. COVID-19-Diagnose So wollten Mesotten und seine Arbeits- gruppe herausfinden, ob sich die Eigen- schaften von Intensivpatient*innen mit einer zwischen Nachbarländern einer Region mit unter- schiedlichen Gesundheitssystemen un- terscheiden würden, und legen nun die Ergebnisse einer Kohortenstudie vor. Die Untersuchung erfolgte dabei auf 7 Inten- sivstationen in den 3 Ländern Belgien, den Niederlanden und Deutschland, die alle zur Region Euregio Maas-Rhein ge- hören. Alle Patientinnen/Patienten, die im Zeit- raum zwischen dem 2. März und 12. Au- gust 2020 auf den ausgewählten Statio- nen aufgenommen werden mussten und bei denen sich der Verdacht einer COVID-19-Erkrankung bestätigte, nah- men an der Studie teil. Die Arbeitsgrup- pe registrierte für jede Patientin und jeden Patienten sämtliche klinische und demografische Parameter bei Aufnahme ▶ © K. Oborny/Thieme und während der intensivmedizinischen Behandlung. Als einen wichtigen Endpunkt konzen- trierten sich die Autorinnen und Autoren auf die Sterblichkeitsrate und verglichen sie zwischen den Patientengruppen der einzelnen Länder. Da man davon ausge- hen kann, dass die Menschen dieser Re- gion einen vergleichbaren genetischen und sozioökonomischen Hintergrund teilen, wollte die Arbeitsgruppe mit ihrer Beobachtungsstudie vor allem den Ein- fluss der Gesundheitssysteme auf den Pandemieverlauf untersuchen. Deutliche Unterschiede Die Datensätze von insgesamt 551 Pa- tientinnen und Patienten gingen in die finale Auswertung mit ein. Sie waren im Durchschnitt 65,4 Jahre alt, 29 % von ih- nen weiblich. Der Acute Physiology and Chronic Health Evaluation II Score zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme lag für die Subkohorten aus Belgien, den Niederlanden sowie aus Deutschland bei 15 bzw. 16,8 bzw. 15,8, der Sequential Organ Failure Assessment Score konnte im Mittel auf 4,4 bzw. 7,4 bzw. 7,7 bezif- fert werden. Im Hinblick auf die Sterblichkeit errech- nete das Autorenteam folgende Häufig- keiten: ▪ Belgien: 22 %, ▪ Niederlande: 42 % sowie ▪ Deutschland: 44 %. Die Unterschiede zwischen den 3 Länder- gruppen erwiesen sich als hochsignifi- kant. Es zeigten sich große Unterschiede in Bezug auf die Häufigkeit des Einsatzes von Verfahren zur Organunterstützung sowie einer antimikrobiellen bzw. an- tientzündlichen Therapie. Auch bei der Aufnahmekapazität der Intensivstatio- nen zeigten sich große länderspezifische Unterschiede. Unter Berücksichtigung von potenziellen Störfaktoren wie Alter, Geschlecht, Schwere der Erkrankung, Komorbidi- täten, Therapien und Komplikationen blieben die Intergruppendifferenzen in einem gemischten multivariablen logis- tischen Regressionsmodell signifikant. Auf Grundlage dieser Untersuchung in 3 Ländern einer Region mit vermuteten genetischen sozioökonomischen Gemeinsamkeiten ziehen die Autorinnen und Autoren das Fazit, dass sich das je- weilige Gesundheitssystem auf den Ver- lauf der Pandemie in den einzelnen Län- dern auswirken würde. Dieser Einfluss- faktor könne somit auch bei Prognosen über die zukünftige Entwicklung der Pandemie eine wichtige Rolle spielen. und FAZIT In dieser Beobachtungsstudie einer Kohorte von Intensivpatienten mit COVID-19 in 3 benachbarten euro- päischen Ländern zeigten sich große Unterschiede bei klinischen Charak- teristika. Die Autor*innen erklären sich diese Differenzen durch die unterschiedliche Organisation der Gesundheitssysteme, was u. a. Auf- nahmekriterien und Kapazität der Intensivstationen betreffen würde. Sie betrachten daher die Heterogeni- tät von Gesundheitssystemen als relevanten Einflussfaktor auf den Pandemieverlauf. Dipl.-Psych. Annika Simon, Braunschweig 34 Journal Club AINS 2022; 11: 14–46 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Journal Club Literatur [1] Amaya AB, De Lombaerde, P. Regional coop- eration is essential to combatting health emergencies in the Global South. Global He- alth 2021; 17: 9. https://doi.org/10.1186/ s12992-021-00659-7 [2] European Commission. Coronavirus: European solidarity in action: Coronavirus Response. European Commission; 2020 (https://ec.eu- ropa.eu/info/live-work-travel-eu/health/coro- navirus-response/coronavirus-european-soli- darity-action_en; abgerufen 20 Juni 2020) [3] Basrur R, Kliem F. Covid-19 and international cooperation: IR paradigms at odds. SN Soc Sci 2021; 1: 7. doi:10.1007/s43545-020-00006-4 [4] Website der Euregio Maas-Rhein, 2021 (www. euregio-mr.info; abgerufen 15 Nov 2021) [5] Website der Euregio Maas-Rhein Vorfall- und Krisenbewältigung (www.emric.info; abgeru- fen 15 Nov 2011) [6] WHO Global Health Observatory Data Reposi- tory [online database]. Geneva, World Health Organization, 2017 (http://apps.who.int/gho/ data/view.main, abgerufen 14 Nov 2021) Delir: Therapie mit Haloperidol senkt Mortalität bei Intensivpatienten Duprey MS et al. Association Between Incident Delirium Treatment With Haloperidol and Mortality in Critically Ill Adults. Critical Care Medicine August 2021; 49: 1303–1311 doi:10.1097/CCM.000000000000497 Das Delir kommt bei schwer kranken Intensivpatienten mit einer Inzidenz von bis zu 50 % vor. Der REDUCE Trial (Prophylactic Haloperidol Use for De- lirium in ICU Patients at High Risk für Delirium) zeigte, dass Patienten nicht von der prophylaktischen Gabe von Haloperidol profitieren, die vorlie- gende Post-hoc-Analyse untersucht, ob die therapeutische Haloperidol- gabe den Patienten, die im REDUCE Trial ein Delir entwickelten, geholfen hat. Das Überleben von schwer kranken Pa- tienten, die während des Aufenthalts auf der Intensivstation ein Delir entwickel- ten, konnte durch die therapeutische Gabe von Haloperidol verbessert wer- den, der Effekt ist dosis- und zeitabhän- gig, so senkte jedes mg Haloperidol die 28-Tages-Mortalität um 7 %. Das ist das Ergebnis der Post-hoc-Ana- lyse von Mathew S. Duprey und Mitarbei- tern von der Northeastern University in Boston, USA. Die Vorgaben des REDUCE Trials sahen eine Randomisierung von allen Patienten vor, deren Behandlungsdauer auf der In- tensivstation auf ≥ 2 Tage geschätzt wur- de und die bei Aufnahme kein Delir sowie keine neurologische Grunderkrankung aufwiesen. Es erfolgte die doppelblind durchgeführte Randomisierung der Pa- tienten in drei Gruppen: Gabe von 2 mg Haloperidol alle 8 Std., Gabe von 1 mg Haloperidol alle 8 Std. und Placebo. Soll- te ein Delir auftreten, waren die behan- delnden Ärzte, die nicht wussten, in wel- che Gruppe die Patienten randomisiert waren, angehalten eine Therapie zu- nächst 3-mal täglich 2 mg mit Haloperi- dol zu beginnen, die Dosis durfte gestei- gert werden bis 3 × 5 mg/Tag. Wenn es nach 3 Tagen zu einer Besserung des Delirs kam, sollte die Haloperidoldosis täglich halbiert und nach 3 delirfreien Tagen gestoppt werden. Trat danach wieder ein Delir auf, begannen die Medi- ziner die Delirtherapie mit der zuletzt niedrigsten wirksamen Dosis von Hal- operidol. Die Diagnose Delir stellten die Mediziner durch Erhebung des CAM-ICU (Confusion Assessment Method fort he ICU) und der Beurteilung der Vigilanz an- hand des RASS-Score (Richmond Agita- tion Sedation Scale). Von den in den ursprünglichen REDUCE Trial eingeschlossenen 1495 Patienten entwickelten 542 (36 %) ein Delir, die meisten Patienten entwickelten das Delir am Tag 4 des Aufenthalts auf der Inten- sivstation. 489 Patienten (32 %) erhielten offene, d. h. durch den behandelnden Arzt angeordnete therapeutische Gaben von Haloperidol, im Mittel 2,1 mg pro Tag (1–3,8 mg). Die Therapiedauer be- trug im Schnitt 6 Tage (3–11 Tage), nur bei 10 Patienten (2 %) konnte das Hal- operidol nicht bis zur Entlassung von der Intensivstation ausgeschlichen werden. Die therapeutische Dosis war bei den überlebenden Patienten höher als bei den verstorbenen Patienten. In der Nach- verfolgung zeigte sich, dass die thera- peutische Gabe von jedem mg Haloperi- dol mit einem verbesserten 28-Tages- Überleben von 7 % assoziiert war, in der 90-Tage-Nachverfolgung war noch eine Verbesserung des Überlebens von 3 % pro mg Haloperidol, das der Patient the- rapeutisch erhalten hatte, zu verzeich- nen. Dieser Effekt war dosisabhängig und zeitabhängig, er war immer gerin- ger, je später die Mediziner mit der the- rapeutischen Haloperidoltherapie be- gannen. FAZIT Die Post-hoc-Analyse des REDUCE Trials zeigt, dass die therapeutische Gabe von Haloperidol die 28- und 90- Tages-Mortalität senkt. Der Effekt ist sowohl dosisabhängig – jedes mg Haloperidol senkt die 28-Tages-Mor- talität um 7 % – als auch zeitabhängig – je früher die Therapie erfolgt, desto besser ist das Überleben. Die Forscher verweisen aber darauf, dass weitere Studien nötig sind, um diese Ergeb- nisse zu bestätigen. Dr. Ulrike Brünjes, Aurich Kommentar Ein Delir ist eine akute „Organdysfunk- tion“ des Gehirns bei kritisch kranken Patienten und ist mit einer erhöhten Mortalität assoziiert [1]. Die vorliegende Studie [2] ist eine Post- hoc-Analyse der „REDUCE“-Studie [3]. Diese randomisierte, placebokontrollier- te Studie zeigte keinen Nutzen einer pro- phylaktischen Gabe von Haloperidol für das Auftreten von Delir auf der Intensiv- 36 Journal Club AINS 2022; 11: 14–46 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Journal Club immer sicherer geworden, gehen aber für die Betroffenen immer noch mit starken Schmerzen einher. Da diese auch zu Funktionseinschränkungen wie einer verminderten Gehfähigkeit führen können und sich oftmals negativ auf die Krankenhausverweildauer auswirken, spielt eine suffiziente Schmerztherapie eine wichtige Rolle. Vor diesem Hintergrund haben Waelkens und Kollegium eine aktuelle systemati- sche Übersichtsarbeit zum Thema vor- gelegt und geben dabei vor allem auch verfahrensspezifische Hinweise. Das übergeordnete Ziel der Arbeitsgruppe lag darin, sämtliche verfügbare Veröf- fentlichungen auszuwerten und Empfeh- lungen für eine optimale Schmerzthera- pie nach komplexen Wirbelsäulenopera- tionen zu identifizieren. Sie orientierten sich an der sogenannten PROcedure-SPECific-Methode für post- operatives Schmerzmanagement und re- cherchierten in folgenden Datenbanken: ▪ Medline, ▪ Embase sowie ▪ Cochran. Geeignete Publikationen erfüllten die folgenden Kriterien: ▪ Veröffentlichung im Zeitraum zwi- schen Januar 2008 und April 2020, ▪ Verfügbarkeit in englischer Sprache, ▪ randomisierte kontrollierte Studien oder systematische Übersichtsarbei- ten, ▪ Messung postoperativer Schmerzen nach Wirbelsäulenoperationen unter Einsatz verschiedener Schmerzmittel. Neben der Wirksamkeit im Hinblick auf die subjektiv empfundenen und Schmer- zen der Betroffenen berücksichtigten die Autorinnen und Autoren auch das jewei- lige Sicherheitsprofil und die Evidenz der eingesetzten Wirkstoffe und Therapie- verfahren. Von Methadon wird abgeraten 111 Publikationen kamen zunächst in die engere Auswahl. 31 randomisierte kon- trollierte Studien sowie 4 systematische Übersichtsarbeiten erfüllten schließlich m o c . e b o d a . k c o t s / j e d a r e e T © ▶ © Teeradej/stock.adobe.com die Einschlusskriterien und konnten bei der Analyse berücksichtigt werden. Unter Beachtung von Wirksamkeit und Sicherheit stellten sich die folgenden Wirkstoffe als effektiv für die periopera- tive Phase heraus: ▪ Paracetamol, ▪ spezifische COX-2-Inhibitoren sowie ▪ NSAR. Für das postoperative Setting präsentier- ten sich dagegen Opioide als Notfallanal- getika mit guter Wirksamkeit in Kombi- nation mit den o. g. Nicht-Opioid-Anal- getika. Auch eine intravenöse Ketamin- infusion sowie regionale Analgesietech- niken einschließlich der Epiduralanalge- sie unter Verwendung von Lokalanästhe- tika mit oder ohne zusätzliche Opioide zeigten messbar positive Effekte auf das Schmerzmaß. Eine begrenzte Evidenz stellten die Autorinnen und Autoren u. a. für ▪ lokale Wundinfiltration, ▪ intrathekale oder epidurale Opioide, ▪ den Block des Erector spinae, ▪ intravenöses Lidocain, ▪ Dexmedetomidin sowie ▪ Gabapentin fest. Obgleich die analysierten Veröffentli- chungen auch Studien über die intraope- rative Gabe von Methadon umfassten, sieht die Autorengruppe den Einsatz auf- grund eines eingeschränkten Sicher- heitsprofils als kritisch an. Sie kommen zu dem Fazit, dass zu der hier fokussier- ten Thematik weitere randomisierte kon- trollierte Studien erforderlich seien. Nur so könnten Wirksamkeit und Sicherheit der aktuellen Empfehlungen zur post- operativen Schmerzlinderung nach Wir- belsäulen-OPs bestätigt werden. FAZIT In dieser systematischen Übersichts- arbeit zur peri- und postoperativen Schmerztherapie bei komplexen Ein- griffen an der Wirbelsäule erwies sich die prä- oder intraoperative Gabe von Paracetamol, spezifischen COX-2-In- hibitoren oder von NSARs als sicher und wirksam. Auf Basis ihrer Ergeb- nisse empfehlen die Autor*innen den postoperativen Einsatz von Opioiden als Notfallanalgetika und raten auf- grund eines eingeschränkten Sicher- heitsprofils von einer intraoperativen Methadontherapie ab. Dipl.-Psych. Annika Simon, Braunschweig Kommentar Die vorliegende Arbeit ist im Rahmen der PROSPECT-Initiative entstanden, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, evidenz- basierte und alltagstaugliche Empfeh- lungen für die perioperative Schmerz- therapie der häufigsten Operationen zu- sammenzustellen. Zunächst ein paar Be- merkungen zu PROSPECT: Diese inzwi- schen unter das Dach der ESRA ge- schlüpfte Initiative wird von einer Grup- pe europäischer Chirurgen*innen und Anästhesisten*innen koordiniert ver- sorgt die Schmerz-Community seit vie- len Jahren mit prozedurenspezifischen Therapieempfehlungen. Die Methodik ähnelt den Kriterien einer Leitliniener- stellung, so findet nach einer systemati- schen Literaturrecherche und der Erstel- lung einer Evidenztabelle eine kritische klinische Würdigung und ggf. eine Auf- oder Abwertung der Stärke der einzelnen Therapieempfehlungen (Grade of Re- commendation/GoR; A = höchste und D = niedrigste Empfehlungsstufe) statt. Im Gegensatz zu vielen „Schmerz“-Leitlini- en werden bisweilen auch chirurgische Aspekte adressiert, die die postoperative Schmerzsituation beeinflussen können, die Maßnahmen werden in prä-, intra- und postoperative Interventionen unter- teilt, und es werden auch Nichtempfeh- lungen ausgesprochen. 38 Journal Club AINS 2022; 11: 14–46 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Journal Club erhaltung eines vom behandelnden Klini- ker festgelegten arteriellen Mitteldrucks > 24 h ohne Gabe von Vasopressoren). Von den jetzigen Teilnehmern hatten ▪ 263 Hydrokortison erhalten, ▪ 231 Placebo. Nach 90 Tagen waren 115 Patienten ge- storben (23,2 %), davon ▪ 66 in der Hydrokortisongruppe und ▪ 49 in der Placebogruppe. Dabei fanden sich keine signifikanten As- soziationen zwischen der Expression der adrenokortikalen Kandidatengene und der Sterblichkeit bzw. der Dauer bis zur Schockrückbildung. Allerdings entdeckten die Autoren eine signifikante Interaktion zwischen der Be- handlungsgruppe und der Genexpres- sion, wenn es um die Dauer bis zum Rückgang des Schocks ging: ▪ Patienten mit Expression von GLCC11, das für ein glukokortikoidinduziertes Transkriptionsprotein codiert, zeigten eine kürzere Zeit bis zur Rückbildung, wenn sie Hydrokortison erhielten (Hazard Ratio [HR] 3,81 vs. 0,64 für Placebo). ▪ Demgegenüber war bei Patienten mit Expression von BHSD1, das für ein Enzym der intrazellulären Umwand- lung von Kortison zu Kortisol codiert, unter Hydrokortison die Dauer bis zum Rückgang des Schocks verlängert (HR 0,55 vs. 1,32 für Placebo). FAZIT Demnach beeinflusst die Expression der verschiedenen untersuchten Gene nicht direkt das klinische Out- come von Patienten im septischen Schock, fassen die Autoren zusam- men. Einige Gene beeinflussen aber durchaus das Ansprechen auf be- stimmte Medikamente, hier Hydro- kortison. Wenn weitere Arbeiten diese Ergebnisse bestätigen, wäre vielleicht zukünftig eine Risikostrati- fizierung und individuellere Behand- lung der Patienten möglich. Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim Kommentar Die Geschichte der Cortisontherapie in der Behandlung schwerer Infektionen und des septischen Schocks währt schon seit Jahrzehnten. In den 70er-Jahren hat man noch eine Hochdosis-Cortison-The- rapie angewendet, ist aber dann auf eine niedrig dosierte Therapie mit 200 mg/d übergegangen, die in die Sepsis-Guide- lines Einzug hielt. Aktuell soll bei fortge- setztem Vasopressorbedarf bereits ab 0,25 µg/kg/min mit der Hydrocortison- therapie begonnen werden [1]. Die teilweise widersprüchlichen Ergeb- nisse im Hinblick auf die klinische Wir- kung in randomisierten multizentrischen Studien haben zu Spekulationen über die Ursachen geführt. Ganz in diesem Sinn ist in den vergangenen Jahren neben der leitlinienbasierten Therapie zunehmend der personalisierte Therapieansatz auch in der Intensivmedizin in den Fokus ge- rückt worden. Ein Ansatz ist das „Rein- forcement learning“, das über die Nut- zung von Algorithmen helfen kann, auch in komplexen Fällen eine erfolgreichere, individualisierte Therapiestrategie um- zusetzen [2]. Allerdings müssen Thera- piebausteine durch Erstellung individuel- ler Profile personalisiert und so eine Ab- kehr vom „one-fits-all“-Ansatz der Ver- gangenheit eingeführt werden. Hürden auf dem Weg dorthin werden auch die Bedenken patientenindividuelle Profile zu generieren und für eine Thera- pie zu speichern. sein, Vor diesem Hintergrund haben Cohen et al. in einer Untersuchung Gene identifi- ziert, die die klinische Antwort im septi- schen Schock beeinflussen [3]. Dies hat- te zwar keine Auswirkung auf die Letali- tät, macht es aber in Zukunft u. U. mög- lich, für bestimmte Patienten den Vorteil der Hydrocortisontherapie zu realisieren, während die Patienten, die keinen Vorteil erwarten können, nicht die potenziellen Nachteile erwarten müssen. Bis zur Reali- sierung der patientenzentrierten indivi- duellen Intensivmedizin ist es jedoch noch ein weiter Weg. Wenigstens scheint der Weg aber begonnen zu ha- ben. Interessenkonflikt Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Autorinnen/Autoren Prof. Dr. med. Tobias Schürholz, Klinik für Ope- rative Intensivmedizin und Intermediate Care, Unikli- nik RWTH Aachen Literatur [1] Evans L et al. Surviving Sepsis Campaign: In- ternational Guidelines for Management of Sepsis and Septic Shock 2021. Crit Care Med 2021; 49: e1063–e1143. doi:10.1097/ CCM.0000000000005337 [2] Komorowski M, Celi LA, Badawi O et al. The Artificial Intelligence Clinician learns optimal treatment strategies for sepsis in intensive care. Nature medicine 2018; 24: 1716–1720 [3] Cohen et al. The relationship between adre- nocortical candidate gene expression and clinical response to hydrocortisone in patients with septic shock. Intensive Care Med 2021; 47: 974–983. doi:10.1007/s00134-021- 06464-5. Epub 2021 Jun 29 40 Journal Club AINS 2022; 11: 14–46 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Journal Club Verändert peripartale SARS-CoV-2-Infektion mütterliche und kindliche Outcomes? Katz D et al. The Society for Obstetric Anesthesia and Perinatology Coronavirus Disease 2019 Registry: An Analysis of Outcomes Among Pregnant Women Delivering During the Initial Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus-2 Outbreak in the United States. Anesth Analg 2021; 133: 462–473 der Infektion Zu Beginn der COVID-19-Pandemie gab es widersprüchliche Aussagen zum Einfluss auf Schwangerschaft und Geburt. Erste Berichte schienen zwar ermutigend, später jedoch kamen Befürchtungen wegen thrombotischer Komplikatio- nen auf. Insgesamt scheint diese As- soziation aber nicht generell zuzu- treffen, sondern nur bei einer Sub- gruppe von Patientinnen. Die US-amerikanische Society for Obste- tric Anesthesia and Perinatology (SOAP) hat daher ein Register angelegt, in dem peripartale Outcomes und anästhesio- logisches Vorgehen bei Frauen mit bzw. ohne Coronavirusinfektion verglichen werden sollen. Katz et al. veröffentlichen nun erste Ergebnisse. Die Wissenschaftler nahmen zwischen 19. März und 31. Mai 2020 insgesamt 1454 Schwangere aus 17 Kliniken auf, bei denen die Geburt bevorstand. Darun- ter waren 490 mit durch PCR gesicherter COVID-19-Infektion innerhalb von 14 Ta- gen peripartal (176 von ihnen sympto- matisch), ihnen wurden im Verhältnis 1:2 964 nicht infizierte Kontrollpatien- tinnen zugewiesen, die am gleichen Tag in der gleichen Klinik entbunden hatten. Die Forscher beurteilten verschiedene Endpunkte: ▪ Geburtshilfliche Outcomes umfassten den Anteil von Schnittentbindungen, hypertensive Schwangerschaftser- krankungen (von der einfachen Schwangerschaftshypertonie bis hin zum manifesten HELLP-Syndrom), Frühgeburten, Plazentaabrisse, ge- schätzten Blutverlust und Dauer des Klinikaufenthalts. ▪ Negative neonatale Outcomes um- fassten ein Kompositum aus einem APGAR-Wert < 7 nach 1 oder 5 min, umfassendere Versorgung im Kreiß- saal als üblich oder Verlegung auf die Neugeborenen-Intensivstation oder die Notwendigkeit einer Atemunter- stützung im Kreißsaal (von Masken- beatmung bis hin zur endotrachealen Intubation). ▪ Als sekundäre anästhesiologische Endpunkte beurteilten die Forscher die analgetische Versorgung unter der Geburt bzw. die Anästhesietechnik bei Kaiserschnitt. Patientinnen mit SARS-CoV-2-Infektion waren durchschnittlich etwas Jünger (30,4 Jahre vs. 32 Jahre bei den Nichtinfi- zierten) und seltener Erstgebärende. Ebenso wiesen sie häufiger Begleiter- krankungen auf (Diabetes, Adipositas, Herzerkrankungen), litten aber seltener an Autoimmunerkrankungen als die Kon- trollen. Die Auswertung ergab nach Adjustie- rung für Störfaktoren bei infizierten Frauen ▪ ein höheres Risiko für eine Frühgeburt (Gestationsalter < 37 Wochen, adjus- tierte Odds Ratio [aOR] 1,47), aber ansonsten keine wesentlichen Un- terschiede bei den geburtshilflichen und neonatalen Outcomes zwischen Infizier- ten und Nichtinfizierten. Dann führten die Wissenschaftler 2 Sub- gruppenanalysen durch und verglichen ▪ asymptomatisch infizierte Frauen mit den Kontrollen und ▪ symptomatisch Infizierte mit den Kontrollen. Und dabei fanden sie für die symptoma- tischen Frauen ▪ ein erhöhtes Risiko für eine Kaiser- schnittgeburt (aOR 1,57), ▪ eine fast verdoppelte postpartale Verweildauer (aOR 1,89) und ▪ ein mehr als verdoppeltes Risiko für Frühgeburten (aOR 2,08). Im Vergleich der asymptomatischen Infi- zierten mit den Kontrollen gab es dage- gen keine entsprechenden Unterschiede. Analgesie Weiterhin fiel den Autoren auf, dass infi- zierte Frauen (unabhängig von einer eventuellen Symptomatik) seltener eine rückenmarknahe erhielten (aOR 0,52) und bei Kaiserschnitten eher eine Allgemeinanästhesie als ein rücken- marknahes Verfahren (aOR 3,69). Bei symptomatischen Frauen war dieses Vorgehen sogar noch wahrscheinlicher (aOR 9,68). Indikation für die Vollnarko- se zur Sectio war bei Infizierten überwie- gend eine respiratorische Insuffizienz der Mutter (80 % der Fälle). Bei nicht infizier- ten Frauen dagegen herrschten fetale Indikationen oder das Versagen einer rückenmarknahen Anästhesie als Gründe vor. FAZIT Nach diesen Daten gehen Unter- schiede der geburtshilflichen Out- comes bei peripartaler SARS-CoV-2- Infektion im Wesentlichen auf die Untergruppe der symptomatischen infizierten Patientinnen zurück, fassen die Autoren zusammen. Bei asymptomatischen Infizierten waren sie dagegen mit denen der Kontroll- gruppe vergleichbar. Warum infizier- te Frauen unter der Geburt allerdings seltener eine rückenmarknahe Anal- gesie erhielten, ist derzeit unklar – hier besteht weiterer Forschungs- bedarf. Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim Kommentar Mit dieser großen multizentrischen Re- gisterstudie konnten Katz et al. die peri- partalen Verläufe von SARS-CoV-2 positi- ven Schwangeren mit denen nicht infi- zierter Mütter vergleichen und poten- zielle Gefährdungen für Mutter und Neu- geborenes ableiten [1]. Zunächst er- scheint die Fallzahl von ausgewerteten 1454 Schwangeren sehr hoch, allerdings 42 Journal Club AINS 2022; 11: 14–46 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Journal Club Tranexamsäure bei Blutungen: Chance für den Kreißsaal? Hurskainen T et al. Tranexamic acid for prevention of bleeding in cesarean delivery: An overview of systematic reviews. Acta Anaesthesiol Scand 2021; doi:10.1111/aas.13981 Blutungen zählen weltweit zu den häufigsten Ursachen von Mütter- sterblichkeit – effektive Behand- lungsstrategien werden dringend ge- sucht. Da Tranexamsäure die Blutun- gen bei Traumata und Operationen messbar reduzieren konnte, wäre dieser Wirkstoff auch eine Chance für den Kreißsaal. Hurskainen und Kollegium haben sich eingehend mit dieser Thematik beschäftigt, und präsentieren nun die Ergebnisse einer systematischen Literaturrecherche. Tranexamsäure zählt zur Gruppe der An- tifibrinolytika bzw. der Lysinanaloga, und wird in der Unfallchirurgie und Notfall- medizin bei Traumata und Blutungen eingesetzt. Da schwere Blutungsereig- nisse gleichzeitig zu den häufigsten Ur- sachen der Müttersterblichkeit gehören, könnte Tranexamsäure auch im Kreißsaal eine wirksame Therapieoption darstel- len. Obgleich heute schon einige Studien und entsprechende Reviews über die Wirk- samkeit von Tranexamsäure bei Blu- tungsereignissen im Rahmen von Kaiser- schnittoperationen verfügbar sind, kom- men die Veröffentlichungen zu wider- sprüchlichen Resultaten. Vor diesem Hintergrund haben sich Hurskainen und seine Kolleg*innen eingehend mit der Thematik befasst und eine systematische Übersichtsarbeit auf Basis sämtlicher bis- her veröffentlichter Reviews geschrie- ben. Die übergeordneten Ziele dieser Arbeit lagen dabei in der Zusammenfassung der verfügbaren Evidenz sowie in der Identifikation möglicher Ursachen für widersprüchliche Schlussfolgerungen in bereits publizierten Übersichtsarbeiten. Für die Recherche griffen die Autorinnen und Autoren auf folgende Datenbanken zurück: ▪ Medline, ▪ Embase, ▪ Cochrane Database of Systematic Reviews. 44 Als Suchzeitraum definierten sie den je- weiligen Beginn der Datenbankaufzeich- nung bis April 2021. Screening der Titel und Abstracts, Datenextraktion und Qualitätsbewertungen erfolgten durch 2 unabhängige Gutachter. Um Evidenz und Bias-Risiko objektiv bewerten zu können, kamen schließlich das „Measurement Tool to Assess Reviews 2“ sowie das „Risk of Bias Assessment Tool für syste- matische Reviews“ zur Anwendung. Große Heterogenität systematische Übersichtsarbeiten 14 über den Einsatz von Tranexamsäure bei Kaiserschnittoperationen gingen in die finale Auswertung mit ein. Diese umfass- ten unter anderem 32 randomisierte Stu- dien, die von den Autorinnen und Auto- ren als relevant eingestuft werden konn- ten. Im Großteil der analysierten Reviews zeigte sich eine mäßige Reduktion der Häufigkeit von Bluttransfusionen und von schweren Blutungsereignissen. Evi- denz und Methodik waren über alle Un- tersuchungen hinweg sehr heterogen und wurden von der Forschergruppe je nach Studie bzw. Review als niedrig bis kritisch niedrig eingestuft. Das Bias-Risi- ko lag ebenfalls sehr hoch und die Quali- tät der Evidenz der einzelnen randomi- sierten Studien konnte lediglich als un- gewiss beurteilt werden. In ihrem Fazit bezeichnet das Forscher- team Methodik und Qualität der bisher veröffentlichten Arbeiten über die pro- phylaktische Anwendung von Tranexam- säure im Kreißsaal bei Kaiserschnittope- rationen abschließend als sehr hetero- gen. Da insbesondere Daten über Sicher- heit und zu möglichen Nebenwirkungen lückenhaft wären, sei nach Meinung der Autorinnen und Autoren eine fundierte Schlussfolgerung noch nicht möglich. Sie wünschen sich daher für die Zukunft gründlich und methodisch sauber konzi- pierte randomisierte klinische Studien zum Thema. FAZIT In dieser systematischen Übersichts- arbeit zur prophylaktischen Gabe von Tranexamsäure bei Kaiserschnittent- bindungen zeigte sich im Hinblick auf Methodik und Qualität eine große Heterogenität der analysierten Stu- dien. Obgleich Tranexamsäure in einigen Untersuchungen die Häufig- keit von Bluttransfusionen und schwerer Blutungen reduzieren konn- te, betrachten die Autor*innen die Daten über Sicherheit und Nebenwir- kungen als unzureichend. Dipl.-Psych. Annika Simon, Braunschweig Kommentar Tranexamsäure in der Geburtshilfe: therapeutisch ja, prophylaktisch nein therapeutische Einsatz von Tran- Der examsäure bei der postpartalen Hämor- rhagie (PPH) darf heute als Standard be- zeichnet werden. Dies obwohl eine hoch- rangige Evidenz fehlt. Die hierzu besten Daten kommen von der WOMEN-Studie [1], welche jedoch zum größten Teil in Ländern mit niedrigerer medizinischer Versorgung durchgeführt wurde. Richtli- nien empfehlen bei der PPH einen früh- zeitigen Einsatz von Tranexamsäure. Der Einsatz eines Antifibrinolytikums scheint explizit vor der Supplementierung von Fibrinogen sinnvoll zu sein. Tranexamsäure ist zweifellos ein wir- kungsvolles Antifibrinolytikum. Der Pla- zenta wird eine fibrinolytische Aktivität nachgesagt, auch wenn hier eindeutige Daten weitgehend fehlen. Unbestritten ist jedoch die schwangerschaftsbedingte Hyperkoagulabilität. Eine fibrinolytische Aktivität ist in diesem Kontext wichtig, um die Schwangere vor Thrombosen und Embolien zu schützen. Auch vor die- sem Hintergrund muss der prophylakti- sche Einsatz von Tranexamsäure – sowie Journal Club AINS 2022; 11: 14–46 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Journal Club ▪ Patienten der Gruppe B schließlich waren ab dem 2. Mai 2020 in einem der späten Zentren behandelt worden (n = 806). Als primären Endpunkt beurteilten die Wissenschaftler die Sterblichkeit in der Klinik bis Tag 90 nach Beginn der ECMO. Sekundäre Endpunkte umfassten u. a. die Dauer der ECMO, den endgültigen Zu- stand des Patienten und ECMO-assoziier- te Komplikationen. Bei der Auswertung im Hinblick auf den primären Endpunkt zeigte sich bis Tag 90 eine Sterblichkeit von ▪ 36,9 % in Gruppe A1 ▪ 51,9 % in Gruppe A2 und ▪ 58,9 % in Gruppe B. Nach Adjustierung für verschiedene Störfaktoren wie Alter, Geschlecht, Be- gleiterkrankungen, Blutgaswerte, Dauer der endotrachealen Intubation vor Start der ECMO, Einstellungen am Beatmungs- gerät und Art der EMO (veno-venös, ve- no-arteriell, veno-venoarteriell) errech- nete sich daraus ▪ für die Gruppe A1 ein statistisch sig- nifikant geringeres Sterberisiko im Vergleich zur Gruppe A2 (Hazard Ratio [HR] 0,82), ▪ in Gruppe B umgekehrt eine signifi- kant höhere Letalität gegenüber Gruppe A1 (HR 1,42). Im Hinblick auf die sekundären Endpunk- te fanden die Mediziner heraus, dass Patienten der Gruppe A1 häufiger nach Hause oder in ein Akut-Reha-Zentrum verlegt werden konnten als Patienten der Gruppe A2. Die Dauer der ECMO be- trug im Median 14,1 Tage (Gruppe A1) bzw. 20 Tage (Gruppe A2). Intrazerebrale Blutungen und Hämolysen traten in den Gruppen A1 und A2 ähnlich oft auf, Hirninfarkte und mechanische ECMO-Komplikationen dagegen waren in Gruppe A2 häufiger. Insgesamt waren Komplikationen in Gruppe A1 vs. Gruppe A2 und in Gruppe A2 vs. Gruppe B ver- gleichbar häufig, bezogen auf die Dauer der ECMO-Stunden. Schließlich stellt sich heraus, dass in Zen- tren, die schon im Jahr vor der Pandemie häufiger (mindestens 9-mal) eine ECMO eingesetzt hatten, die Sterblichkeit nur etwa halb so hoch war wie in Häusern ohne eine solche Erfahrung (HR 0,56). FAZIT Im Laufe des Jahres 2020 nahm die Sterblichkeit von Patienten mit COVID-19 unter ECMO um absolut ca. 15 % zu, so die Autoren. Die Grün- de dafür sind noch unklar: So verän- derte sich die Prä-ECMO-Therapie im Lauf des untersuchten Jahres, etwa indem ab Mai häufiger zunächst nicht invasive Beatmungsformen einge- setzt wurden. Dazu kam die vermehr- te Gabe von Dexamethason und Remdesivir in Gruppe A2. Möglicher- weise waren diese Patienten also ein- fach schwerer krank als die Anfang des Jahres behandelten. Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim Kommentar Die zentrale Schlussfolgerung der Auto- ren ist zwar ein Anstieg der Letalität der mittels ECMO behandelten COVID- Patienten, die Daten der Extracorporeal Life Support Organization belegen je- doch auch den Zusammenhang zwi- schen der Erfahrung der behandelnden Teams und dem Therapieerfolg. Der zu- nehmende Bedarf an ECMO-Behandlun- gen im Rahmen der Pandemie hat wie schon zu Zeiten der Influenzapandemie zu einer deutlichen Zunahme von Be- handlungszentren geführt. Eine Ursache für den Anstieg der Letalität ist daher wahrscheinlich die damit einhergehende zunehmende Anzahl von ECMO-Behand- lungen durch unerfahrene Zentren. Soll der Einsatz dieser Therapie nun also nur noch einzelnen großen Zentren vorbe- halten sein? Angesichts des aktuell ho- hen Bedarfs ist diese Lösung sicher nicht zielführend. Allerdings sollten ARDS-Be- handlungszentren zumindest regelhaft eine minimale Anzahl an ECMO-Behand- lungen nachweisen können müssen, wie dies ja auch in der modularen Zertifizie- rung der DGAI vorgesehen ist [1]. Nur so lässt sich auch in neu geschaffenen Zen- tren rasch die notwendige Expertise zum Wohle der Patienten erzielen. Interessenkonflikt Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Autorinnen/Autoren Prof. Dr. med. Rolf Dem- binski, Klinik für Intensiv- medizin und Notfallmedi- zin, Klinikum Bremen-Mitte Literatur [1] Bingold TM et al. Modulares Zertifikat der DGAI. Anästh Intensivmed 2014; 55: 316–329 46 Journal Club AINS 2022; 11: 14–46 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Leitlinien in der Praxis Merke Darüber hinaus sollten Notfallteams stets in den aktuellen Guidelines geschult sein, um in der Not- fallsituation ein gemeinsames Vorgehen nicht erst absprechen zu müssen. „Epidemiologie“ und „Systeme, die Leben retten“ – zwei neue Kapitel in den ERC-Guidelines 2021 In den ERC-Guidelines 2021 werden zwei erstmalig ver- öffentlichte Kapitel neu aufgeführt. Die im Kapitel Epi- demiologie wird die Häufigkeit des Kreislaufstillstands (OHCA) und der Wiederbelebungsversuche durch Ret- tungsdienste mit 67–170 und 19–97/100 000 Einwoh- ner/Jahr anhand der EuReCa angegeben. Dies betont die Dringlichkeit zur weiteren Datenerhebung der (prä)klinischen Reanimation durch Reanimationsregis- ter und die Auswertung hinsichtlich Langzeitüberleben und Rehabilitation von Überlebenden. Darüber hinaus beschäftigt sich das Kapitel Systeme, die Leben retten mit 5 zentralen Faktoren, die das Potenzial besitzen, in erheblichem Ausmaß die Überlebensrate von Patienten, die einen Herz-Kreislauf-Stillstand erlei- den, zu steigern. Hierzu wurde bereits von Bernd Böttiger et al. im Jahr 2020 die Relevanz der „big-five strategies for survival following out-of-hospital cardiac arrest“ betont und das erwartbare Ausmaß auf die Verbesserung des Überlebens definiert [5]. Im Folgenden zeigt der Artikel das Potenzial der einzelnen Punkte auf. Punkt 1 umfasst die Steigerung der Laienreanimations- quote durch vermehrte Wahrnehmung der Thematik in der Bevölkerung. Insbesondere der „European Restart A Heart Day“, der bereits 2013 erstmalig durchgeführt wurde, leistet einen entscheidenden Beitrag zur Be- wusstmachung der Laienreanimation in der Bevölke- rung [6]. Den zweiten zentralen Faktor stellen Initiativen wie „Kids save lifes“ dar, die die Schulung aller Kinder in Lai- enreanimation beinhaltet. Darauf aufbauend sollen Schulkinder Reanimationsmaßnahmen erlernen sowie weiterführend ermuntert werden, andere Kinder oder Erwachsene in der Laienreanimation anzuleiten. Durch die beiden erstgenannten Punkte wird eine ge- meinsame Verbesserung des Überlebens des Herz- Kreislauf-Stillstands um den Faktor 3 antizipiert [5]. Die dritte Einflussgröße ist die Nutzung und standardi- sierte Etablierung verschiedener Technologien wie Apps zur Ersthelferalarmierung als sog. First Responder oder Apps zum unkomplizierten Auffinden eines AED. Der möglicherweise erwartbare Einfluss auf das Über- leben schwankt zwischen dem Faktor 0,2 und 2. Punkt 4 in der Reihe zentraler Einflussgrößen auf das Überleben eines Kreislaufstillstands ist die flächende- ckende Versorgung von präklinischen Patienten in sog. Cardiac Arrest-Zentren, da es sich hier um zertifizierte und erfahrene Kliniken handelt, die Komplikationen re- gelhaft therapieren und die erforderlichen Einrichtun- gen (Herzkatheterlabore) und Gerätschaften (ECMO) vorhalten. Hiervon wird eine Verdopplung des Über- lebens erwartet. Den 5. zentralen Punkt der ERC-Guidelines 2021 stellt der flächendeckende Einzug der Telefon-Reanimation (T-CPR) dar. Diese wurde zwar bereits in den letzten Guidelines im Jahr 2015 veröffentlicht und empfohlen; der flächendeckende Einsatz ist jedoch bisher nicht er- folgt, sodass auch hier eine Verdopplung des Über- lebens durch die flächendeckende Einführung von tele- fonangeleiteter Laienreanimation erwartet werden kann. Bezüglich des erwartbaren Impacts der einzelnen Maß- nahmen auf das verbesserte Überleben muss erwähnt werden, dass der Impact einerseits vom Ausgangs- niveau abhängt und sich andererseits nicht ohne weite- res aufsummieren lässt und daher nur einen groben Anhaltspunkt darstellt. Weiterhin muss betont werden, dass das Zusammenspiel einzelner Faktoren wie Laien- reanimationsquote, Altersstruktur der Gesellschaft oder Hilfsfristen in spezifischen Systemen (bspw. Na- tionen) individuell betrachtet werden sollte [7–11]. Prävention des Out of Hospital Cardiac Arrest (OHCA) PR A XIS Key Facts ▪ Neue Beschwerden in der Brust, Atemnot, Palpitationen und Synkopen sind mögliche Warnzeichen (sog. „premonitory signs“) eines drohenden plötzlichen Herztods. ▪ Auch junge Erwachsene < 35 Jahre können diese sog. „premonitory signs“ entwickeln. ▪ Synkopale Patienten sollen nach dem Ereignis zeitnah auf Hochrisikomerkmale beurteilt werden. Viele überlebende Opfer eines OHCA berichten in den Tagen bis Stunden vor dem Ereignis von Symptomen wie Brustschmerz, Kurzatmigkeit, Palpitationen oder Synkopen [12–14]. Diese Warnzeichen oder sog. „pre- monitory signs“ betreffen nicht nur kardial vorerkrank- 48 Adams N-B, Hinkelbein J. ERC-Leitlinien 2021 zur … Journal Club AINS 2022; 11: 47–55 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Leitlinien in der Praxis Extracorporeal Cardiopulmonary Resuscitation (eCPR) PR A XIS Key Facts ▪ Die Dauer der Laienreanimation, Zeit bis zur Etablierung der eCPR, Alter und Vorerkrankun- gen sind entscheidende Kriterien für die Indi- kation einer eCPR. ▪ Innerklinisch sollte die eCPR bei PCI, Thromb- ektomie oder Wiedererwärmung bei Kreislauf- stillstand erwogen werden. Als extrakorporale CPR (eCPR) wird die venoarterielle Membranoxygenierung unter laufender Reanimation bezeichnet. Sie wird eingesetzt als Rescue-Therapie, wenn durch die herkömmliche CPR keine Rückkehr des Spontankreislaufs (ROSC) erzielt werden kann, oder zur Erleichterung spezifischer Interventionen wie der per- kutanen Koronarintervention (PCI), der Thrombekto- mie oder der Wiedererwärmung bei Hypothermie. Durch die zunehmende Verbreitung von mobilen ECMO-Geräten steigt auch der Anteil an Reanimatio- nen unter ECMO [18, 19]. Die Schwierigkeit für präkli- nisches und innerklinisches Personal liegt jedoch wei- terhin in der Frage, welcher Patient sich für eine eCPR eignet. Zum heutigen Zeitpunkt existieren hierzu keine pro- spektiv überprüften Einschlusskriterien. Jedoch wur- FAZIT FÜR DIE KLINISCHE PR A XIS Durch die nun erstmals veröffentlichten Ein- schlusskriterien wird Notfallmedizinern ein Handlungsleitfaden an die Hand gegeben, um sich besser für oder gegen die eCPR entscheiden zu können. Es darf jedoch nicht vergessen wer- den, dass die Kriterien nicht nur allgemein ge- halten sind, sondern auch im stressigen Umfeld eines (prä)klinischen Notfalls häufig nicht ausrei- chend beantwortet werden können. So verbleibt die individuelle Entscheidung zur eCPR häufig beim behandelnden Notfallmediziner vor Ort. Entscheidend für den weiteren Ablauf einer CPR sind Informationen wie Alter und Vorerkrankun- gen einzuholen, die Verfügbarkeit einer ECMO abzufragen und zügig eine Ursachenforschung für den Auslöser der Reanimation zu beginnen. Darüber hinaus sollte die Abwägung über den Beginn einer eCPR zügig durchgeführt und nicht verzögert werden, da die Zeit zwischen Beginn der herkömmlichen CPR und der eCPR 1 h nicht überschreiten sollte. den folgende in bisherigen klinischen Studien häufig verwendete Einschlusskriterien in den ERC-Guidelines 2021 veröffentlicht: ▪ Beobachteter Kreislaufstillstand mit Beginn einer Laien-CPR. ▪ Die Zeit zwischen Beginn der konventionellen CPR und dem Beginn der eCPR beträgt erwartbar weni- ger als 60 min. ▪ Jüngerer Patient (< 65–70 Jahre) ohne relevante Komorbiditäten, die eine Rückkehr zum unabhängi- gen Leben ausschließen. ▪ Bekannte, vermutlich behebbare Ursache des Kreis- laufstillstands. Sonografie während Advanced Life Support (ALS) PR A XIS Key Facts ▪ Point-of-Care Ultrasound (POCUS) sollte zur Ursachenforschung reversibler Ursachen des Herz-Kreislauf-Stillstands genutzt werden. ▪ Die sonografische Untersuchung soll zu keiner Verzögerung der Reanimationsmaßnahmen führen. ▪ Nur erfahrene Anwender sollen POCUS während einer Reanimation anwenden. ▪ Viele Patienten entwickeln unabhängig von der Ursache des Kreislaufstillstands eine rechtsventrikuläre Dilatation. Die Anwendung des Point-of-Care-Ultraschalls (POCUS) während einer Reanimation hat sich durch tragbare und immer leistungsfähigere Ultraschallgeräte inner- halb der letzten Jahre verbreitet. Möglicherweise rever- sible Ursachen eines Herz-Kreislauf-Stillstands können so bereits frühzeitig während der CPR detektiert wer- den. Dies wurde in den letzten ERC-Guidelines 2015 bereits betont [20]. Zu diesen reversiblen Ursachen zählen: ▪ (Spannungs)Pneumothorax, ▪ Herzbeuteltamponade, ▪ Lungenarterienembolie, ▪ Aortenaneurysma/Aortendissektion? ▪ intraabdominelle Blutungen. Als wichtigen Grundsatz der sonografischen Untersu- chung unter laufender Reanimation definieren die ERC-Guidelines 2021, dass POCUS bestenfalls zu keiner oder nur minimaler No-Flow-Time führen darf und da- her der Anwender möglichst geübt und sicher im Um- gang sein soll. Darüber hinaus betonen die Autoren der ERC-Guidelines 2021 die mangelnde Sensitivität der Sonografie, um zuverlässig eine Prognose über die Wiederkehr eines Spontankreislaufs stellen zu können. 50 Adams N-B, Hinkelbein J. ERC-Leitlinien 2021 zur … Journal Club AINS 2022; 11: 47–55 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Leitlinien in der Praxis nischer Instabilität wie Schock, Synkope, myokardialer Ischämie oder schwerer Herzinsuffizienz kann mittels Monitoring und körperlicher Untersuchung innerhalb weniger Minuten erfolgen. ▪ Als Primärtherapie instabiler tachyarrhythmischer Patienten gilt weiterhin die elektrische synchroni- sierte Kardioversion; sekundär sollte bei weiterbe- stehender Arrhythmie die Bolusgabe von 300 mg Amiodaron erfolgen. ▪ Bei bradykarden Arrhythmien sollte weiterhin die eskalierende Therapie mit initial Atropin, gefolgt von Adrenalin und nachfolgendem transkutanem Pacing gewählt werden. FAZIT FÜR DIE KLINISCHE PR A XIS Auch wenn aktuelle Daten den Nutzen und das günstige Risikoprofil von Procainamid nahele- gen, so begrenzt das kleine Studienkollektiv (n = 74) deutlich die Aussagekraft der Studie [23]. Hierdurch erklärt sich, warum trotz eindeutiger Ergebnisse auch Amiodaron weiterhin zur Be- handlung ventrikulärer Breitkomplextachykar- dien empfohlen wird. So braucht es weitere Studien, um die klinische Überlegenheit von Procainamid weiter zu belegen. Da Procainamid derzeit in Deutschland nicht zugelassen ist und auch international nicht flä- chendeckend verfügbar ist, bleibt der klinische Einsatz für die nächste Zeit fraglich. Manuelle Defibrillation PR A XIS Key Facts ▪ Die Unterbrechung der Thoraxkompressionen für eine Defibrillation sollte 5 s nicht über- schreiten. ▪ Das Aufladen des Defibrillators ohne Pause während der CPR sollte im Team regelmäßig trainiert werden. ▪ Im Zweifelsfall sollte die höchste biphasisch verfügbare Energiestufe eingesetzt werden. ▪ Die Drei-Schock-Strategie sollte nur bei beob- achtetem Kreislaufstillstand und sofort verfüg- barem Defibrillator angewendet werden. ▪ Die empfohlene Elektrodenposition ist weiter- hin die anterolaterale Position. ▪ Der Schlüssel für hochwertige CPR ist das re- gelmäßige interdisziplinäre Training von CPR- Szenarien. Die Defibrillation kann Rhythmen, die mit Kreislaufstill- stand einhergehen, z. B. Kammerflimmern (VF) oder pulslose ventrikuläre Tachykardie (pVT), sehr effektiv unterbrechen. Zur Durchführung hochwertiger Defibrillationen bei gleichzeitig hochwertiger CPR empfehlen die ERC-Gui- delines 2021 die Minimierung der Peri-Schock-Pause auf unter 5 s. Grundlage hierfür ist das manuelle Aufla- den des Defibrillators bereits während der CPR und vor der Schockabgabe, sodass nach kurzer visueller Rhyth- muskontrolle am Monitor direkt eine Defibrillation er- möglicht wird [24]. Um parallel die Sicherheit des Notfallteams zu gewähr- leisten, sollte kein Teammitglied während der Defibril- lation den Patienten berühren und die Brandgefahr durch Funkenschlag der Defibrillation verringert wer- den [25]. So sollen offene Applikationsformen für Sau- erstoff wie Masken, Beutel oder Nasenbrillen mindes- tens 1 m vom Patienten entfernt abgelegt werden. Bei geschlossenen Beatmungssystemen mit intubiertem und maschinell-beatmetem Patienten soll das System auch während der Defibrillation geschlossen bleiben, da Sauerstoffapplikation und Defibrillation durch das geschlossene Beatmungssystem räumlich getrennt werden. Derzeit wird von den ERC-Guidelines empfohlen, Kam- merflimmern oder pulslose ventrikuläre Tachykardien so schnell wie möglich und spätestens nach 3 min zu defibrillieren. Während der Etablierung der Defibrilla- tion ist die hochwertige CPR von größter Bedeutung. Die Autoren betonen in der Fassung von 2021, dass die bisherige Aussage „keine Defibrillation durchzufüh- ren bei fraglicher Unterscheidung zwischen Asystolie und extrem feinem Kammerflimmern (VF)“, abgeän- dert wurde. So soll ein Schock abgegeben werden, „wenn der Rhythmus eindeutig als Kammerflimmern beurteilt wird“. Die präferierte Elektrodenpositionierung für die Defi- brillation von Kammerflimmern oder pVT stellt weiter- hin die anterolaterale Position dar. Auch andere Posi- tionen wie die biaxilläre oder die anteroposteriore Posi- tionierung sind möglich. Ein Wechsel der Elektroden- position von der anterolateralen zur anteroposterioren Position während der CPR empfiehlt sich bei refraktä- rem Kammerflimmern (> 3 Defibrillationen ohne Kon- vertierung). Ausnahmen von der anterolateralen (syn. sternal-api- kalen) Position sollten bereits zu Beginn der CPR bei Pa- tienten mit implantierten Schrittmachern oder Defi- brillatoren erwogen werden [26]. Die mögliche Beschä- digung des implantierten Geräts lässt sich durch einen Mindestabstand der Elektroden von 8 cm vom implan- 52 Adams N-B, Hinkelbein J. ERC-Leitlinien 2021 zur … Journal Club AINS 2022; 11: 47–55 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Leitlinien in der Praxis Schlüsselwörter Herz-Kreislauf-Stillstand, Wiederbelebung, Advanced Life Support, Leitlinie, Reanimation Interessenkonflikt Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Autorinnen/Autoren [7] Bürger A, Wnent J, Bohn A et al. The effect of ambulance response time on survival following out-of-hospital cardiac arrest-an analysis from the German resuscitation registry. Dtsch Arztebl Int 2018; 115: 541–548. doi:10.3238/arzt- ebl.2018.0541 [8] Gräsner JT, Meybohm P, Lefering R et al. ROSC after cardiac arrest – the RACA score to predict outcome after out-of- hospital cardiac arrest. Eur Heart J 2011; 32: 1649–1656. doi:10.1093/EURHEARTJ/EHR107 [9] Wissenberg M, Lippert FK, Folke F et al. Association of Na- tional Initiatives to Improve Cardiac Arrest Management With Rates of Bystander Intervention and Patient Survival After Out-of-Hospital Cardiac Arrest. JAMA 2013; 310: 1377–1384. doi:10.1001/JAMA.2013.278483 Niels-Benjamin Adams [10] Sasson C, Rogers MAM, Dahl J et al. Predictors of survival Klinik für Anästhesiologie und Operative In- tensivmedizin, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum Köln (AöR), Köln Jochen Hinkelbein Prof. Dr. med., Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Medizinische Fa- kultät und Universitätsklinikum Köln (AöR), Köln Korrespondenzadresse Niels-Benjamin Adams Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum Köln (AöR) Kerpener Straße 62 50937 Köln Deutschland E-Mail: niels.adams@uk-koeln.de Literatur [1] Gräsner J-T, Herlitz J, Tjelmeland IBM et al. Epidemiologie des Kreislaufstillstands in Europa. Notfall + Rettungsmedizin 2021; 24: 346–366. doi:10.1007/S10049-021-00884-Y [2] Semeraro F, Greif R, Böttiger BW et al. Lebensrettende Sys- teme. Notfall + Rettungsmedizin 2021; 24: 367–385. doi:10.1007/S10049-021-00889-7 [3] Soar J, Böttiger BW, Carli P et al. Erweiterte lebensrettende Maßnahmen für Erwachsene. Notfall + Rettungsmedizin 2021; 24: 406–446. doi:10.1007/S10049-021-00893-X [4] Gräsner JT, Wnent J, Herlitz J et al. Survival after out-of- hospital cardiac arrest in Europe – Results of the EuReCa TWO study. Resuscitation 2020; 148: 218–226. doi:10.1016/J.RESUSCITATION.2019.12.042 [5] Böttiger BW, Becker LB, Kern KB et al. BIG FIVE strategies for survival following out-of-hospital cardiac arrest. Eur J Ana- esthesiol 2020; 37: 955–958. doi:10.1097/EJA. 0000000000001247 [6] Deutscher Rat für Wiederbelebung – German Resuscitation Council (GRC) e. V. https://www.grc-org.de/arbeitsgrup- pen-projekte/10–1-World-Restart-a-Heart-Day-WRAH; Stand: 16.09.2021 from out-of-hospital cardiac arrest a systematic review and meta-analysis. Circ Cardiovasc Qual Outcomes 2010; 3: 63– 81. doi:10.1161/CIRCOUTCOMES.109.889576 [11] Fischer M, Wnent J, Gräsner J-T et al. DGAInfo V68 Aus den Verbänden News | Information | Events Jahresbericht des Deutschen Reanimationsregisters Außerklinische Reanima- tion. 2020 [12] Wisten A, Messner T. Symptoms preceding sudden cardiac death in the young are common but often misinterpreted. Scandinavian Cardiovascular Journal 2005; 39: 143–149. doi:10.1080/14017430510009168 [13] Mazzanti A, O’Rourke S, Ng K et al. The usual suspects in sudden cardiac death of the young: a focus on inherited arrhythmogenic diseases. Expert Review of Cardiovascular Therapy 2014; 12: 499–519. doi:10.1586/14779072.2014. 894884 [14] Kramer MR, Drori Y, Lev B. Sudden death in young soldiers: high incidence of syncope prior to death. Chest 1988; 93: 345–347. doi:10.1378/CHEST.93.2.345 [15] Brignole M, Moya A, de Lange FJ et al. 2018 ESC Guidelines for the diagnosis and management of syncope. 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Impressum Journal Club AINS 11. Jahrgang Die Journal Club AINS erscheint 4-mal jährlich. ISSN (Print): 2194-9719 eISSN: 2194-9727 Copyright & Ownership Wenn nicht anders angegeben: © 2022. Thieme. All rights reserved. Die Zeitschrift Journal Club AINS ist Eigentum von Thieme. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany Herausgeber Prof. Dr. Gernot Marx, Aachen; Prof. Dr. Hinnerk Wulf, Marburg Expertenpanel Dr. med. Karin Becke, Nürnberg; PD Dr. med. Jo- hannes Bickenbach, Aachen; PD Dr. med. Jan-Peter Braun, Berlin; Prof. Dr. med. Dorothee Bremerich, Frankfurt am Main; Prof. Dr. med. Mark Coburn, Aachen; Prof. Dr. med. Rolf Dembinski, Bremen; Prof. Dr. med. Kristin Engelhard, Mainz; PD Dr. med. Michael Fries, Limburg/Lahn; Dr. med. Klaus Kerwat, Marburg; Prof. Dr. med. Paul Kessler, Frankfurt am Main; Prof. Dr. med. Clemens Kill, Marburg; Dr. med. Thomas Kratz, Marburg; Prof. Dr. med. Andreas Leffler, Hannover; Prof. Dr. med. Patrick Meybohm, Würzburg; PD Dr. med. Finn Radtke, Berlin; Prof. Dr. med. Sebastian Rehberg, Greifswald; Prof. Dr. med. Thomas Standl, Solin- gen; PD Dr. med. Thorsten Steinfeldt, Schwäbisch- Hall; Prof. Dr. med. Peter Tonner, Bremen; Prof. Dr. med. Christian Wunder, Stuttgart; Dr. med. Martin Zoremba, Siegen Die Herausgebenden sind nicht verantwortlich für in der Zeitschrift enthaltene Anzeigen und Beilagen. 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Soweit in diesem Heft eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, dürfen die Le- senden zwar darauf vertrauen, dass Autor*innen, Herausgebende und Verlag große Sorgfalt darauf Bezugspreise 2022* Persönliches Abonnement Institutionelles Abonnement** ermäßigtes Abonnement für Abonnenten der Zeitschrift AINS Versandkosten Gesamtkosten Abo 85,00 854,00 62,00 Inland 15,20 15,20 15,20 Ausland 19,10 19,10 19,10 Inland 100,20 869,20 77,20 Ausland 104,10 873,10 81,10 Einzelheft 27,00 C= (D) zuzüglich Versandkosten ab Verlagsort, unverbindlich empfohlener Preis; inklusive der gesetzl. MwSt (D). * Jährliche Bezugspreise in € (D), unverbindlich empfohlene Preise inkl. der gesetzl. MwSt (D). Im Ausland verstehen sich die Preise und Versandkosten exkl. der gesetzlichen MwSt. Das Abonnement wird zum Jahreswechsel im Voraus berechnet und zur Zahlung fällig. Das Abonnement kann jederzeit begonnen werden. Die Bezugsdauer verlängert sich automatisch jeweils um ein Jahr, wenn bis zum 30. September des Vorjahres keine Abbestellung vorliegt. ** Der institutionelle Jahresbezugspreis inkludiert den Online-Zugriff für 1 Standort. Weitere Informationen finden Sie unter http://www.thieme.de/connect/de/services/product-licensing.html. verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissens- stand bei Fertigstellung der Zeitschrift entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Ap- plikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Ge- währ übernommen werden. Jede*r Benutzende ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipack- zettel der verwendeten Präparate und ggf. nach Konsultation eines Spezialisten oder einer Spezialis- tin festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontrain- dikationen gegenüber der Angabe in dieser Zeit- schrift abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder sol- chen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzenden. Autor*innen und Verlag appellieren an alle Benutzenden, ihnen etwa auffal- lende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind für die Dauer des Ur- heberrechts geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigung und Verbreitung in gedruckter Form, Übersetzung, Übertragung und Bearbeitung in andere Sprachen oder Fassungen sowie die Einspeicherung und Ver- breitung in elektronischen Medienformen (z. B. CD- Rom, DVD, USB-Speicher, Datenbank, cloud-basier- ter Dienst, e-book und sonstige Formen des electro- nic publishing) und auch öffentlicher Zugänglich- machung (z. B. Internet, Intranet oder andere lei- tungsgebundene oder -ungebundene Datennetze), u. a. durch Wiedergabe auf stationären oder mobi- len Empfangsgeräten, Monitoren, Smartphones, Tablets oder sonstigen Empfangsgeräten per Download (z. B. PDF, ePub, App) oder Abruf in sons- tiger Form etc. Hinweis zu Studien-Referaten Die Autorinnen und Autoren unserer Referate- Rubriken schreiben frei- oder nebenberuflich für verschiedene Auftraggebende aus Verlagsbranche, Wissenschaft und Industrie. Bei Fragen zu Interes- senkonflikten einzelner Autor*innen wenden Sie sich bitte mit der im Impressum unter „Redaktion" genannten E-Mail-Adresse an den Verlag. Datenschutz Wo datenschutzrechtlich erforderlich, wurden die Namen und weitere Daten von Personen redaktio- nell verändert (Tarnnamen). Dies ist grundsätzlich der Fall bei Patient*innen, ihren Angehörigen und ihrem Freundeskreis, z. T. auch bei weiteren Perso- nen, die z. B. in die Behandlung von Patient*innen eingebunden sind. Wertschätzende Sprache und geschlechter- gerechter Sprachgebrauch Thieme Publikationen streben nach einer fachlich korrekten und unmissverständlichen Sprache. Da- bei lehnt Thieme jeden Sprachgebrauch ab, der Menschen beleidigt oder diskriminiert, beispiels- weise aufgrund einer Herkunft, Behinderung oder eines Geschlechts. Thieme wendet sich zudem gleichermaßen an Men- schen jeder Geschlechtsidentität. Die Thieme Rechtschreibkonvention nennt Autor*innen mitt- lerweile konkrete Beispiele, wie sie alle Lesenden gleichberechtigt ansprechen können. Die Anspra- che aller Menschen ist ausdrücklich auch dort inten- diert, wo im Text (etwa aus Gründen der Leseleich- tigkeit, des Text-Umfangs oder des situativen Stil- Empfindens) z. B. nur ein generisches Maskulinum verwendet wird. Printed in Germany Satz: seitenweise, Tübingen Druck und Bindung: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten 56 Journal Club AINS 2022; 11 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

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