Abtauchen mit CNE Das große Gewinnspiel © Sandor Jackal/stock.adobe.com Sie möchten gerne einmal weg vom Rest der Welt? Raus aus dem Alltag, einfach entspannen oder etwas erleben? Dann machen Sie mit beim großen Gewinnspiel und gewinnen Sie mit etwas Glück: einen 500 € Wertgutschein oder einen von zwei 250 € Wertgutscheinen von mydays. Einfach mitmachen! Auf CNE.online finden Sie die Rubrik Gewinnspiel mit den Fragen. Begeben Sie sich im Portal auf die Suche nach den jeweiligen Antworten. Das Lösungswort ergibt sich dann aus diesen. Und los geht̛s: cne.thieme.de/quiz Viel Glück! Das Beste für die Pflege.

science kompakt Lebenserwartung von Männern und Frauen Die Region macht den Unterschied L ange Jahre stieg die Lebenserwartung von Das hat unterschiedliche Gründe, etwa Frauen schneller an als die von Männern. Lebensstil und Erwerbsbeteiligung etc. Das so groß. Zudem gibt es Unterschiede zwischen Stadt und Land: in großen Städten wird oft eine vergleichsweise niedrige Sterblichkeit mit ge­ ringen Geschlechterunterschieden beobachtet. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung Wie die Ergebnisse anderer Studien zeigen, (BiB) hat sich in einer Studie mit der Lebens­ kann nur ein kleiner Teil der Unterschiede erwartung der Geschlechter beschäftigt und zwischen Männern und Frauen auf biologische herausgefunden, dass es zudem regionale Unterschiede zurückgeführt werden. Der Unterschiede gibt. Hierfür haben die Forscher größere Teil ist vom Lebensstil sowie von detaillierte Todesursachendaten für 228 Regi­ Prävention und Früherkennung von Krank­ onen in sieben europäischen Ländern evaluiert. heiten abhängig. „Wie etwa die Rollen von Es zeigte sich, dass Männer noch in den 1990er Männern und Frauen im Privatleben, Beruf und Jahren bei der Lebenserwartung durchschnitt­ lich über 7 Jahre hinter Frauen zurücklagen. Dieser Wert hat sich seither auf unter 5,5 Jahre Krisensituationen gesellschaftlich gesehen werden, hat einen erheblichen Einfluss auf die Geschlechterunterschiede in der Sterblichkeit“, reduziert, und das mit erheblichen räumlichen erklärt Sebastian Klüsener, Mitautor der Studie. Unterschieden: In Süddeutschland, Dänemark und der Schweiz sind die Differenzen mit teils weniger als vier Jahren besonders gering. „Dazu zählt etwa, ob der Mann eher in der Ver­ antwortung für das Haushaltseinkommen gesehen wird oder ob bestimmte gesundheits­ Spitzenreiter mit nur 3,3 Jahren Abstand ist die beeinträchtigende Verhaltensweisen wie das Region Nordwestschweiz mit Basel und Um­ Rauchen oder der Alkoholkonsum bei Männern land, dicht gefolgt von München und Umland oder Frauen eher toleriert werden und ver­ mit 3,5 Jahren. In Teilen Ostdeutschlands, breiteter sind.“ Wenn sich klassische Rollen­ Tschechien, der Slowakei und Frankreich sind bilder ändern, gleichen sich auch die Sterblich­ die Unterschiede zwischen Männern und keitsunterschiede an. sisa Frauen mit 6 und mehr Jahren dagegen doppelt Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung 2 CNE.magazin 5.23 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

science kompakt kurz & bündig Suizidrate bei Vollmond Mondphasen beeinflussen die Anzahl von Suiziden. Die Zahl der Selbsttötungen steigt in einer Vollmondwoche vor allem bei Menschen über 55 Jahren deutlich an. Zusätzlich spielen auch die Jahres- und Uhrzeit eine Rolle. Die meisten Suizide erfolgen im September zwischen 15 und 16 Uhr. lk Discov Ment Health 2023; DOI: 10.1007/s44192-023-00035-4 Einsam auf YouTube? YouTube wirkt sich auf die psychische Gesundheit aus. Personen, die auf You- Tube oft Inhalte über das Leben anderer ver folgen, erzielen in Tests höhere Werte in den Items Einsamkeit, Angst und De- pression. Expert*innen warnen vor dem Konsum von mehr als zwei Stunden täglich und raten zu echter sozialer Interaktion. lk tipps & trends Quelle: Kirsten Oborny/Thieme Gesundheitsetat 2024 Der Gesundheitsetat für 2024 soll rund 8 Milli­ arden Euro geringer ausfallen als 2023. Statt 24,48 Milliarden Euro sind 16,22 Milliarden Euro haushalts beitrage. Dies sei gerechtfertigt, da die hohen Pandemiekosten nicht mehr an fielen. Im Vergleich zu vor der Corona­Pandemie wachse veranschlagt. In der ersten Beratung im Bundes­ der Haushalt. Lauterbach sprach von einem sich Informatics 2023; 10: 39 tag äußerten die Oppositionsparteien ihren Un­ stabilisierenden Etat, machte zugleich aber deut­ Schlecht für die Good News Der Umsatz einer Zeitschrift wird stark beeinflusst von der Schlagzeile – vor allem, wenn diese stark negativ ist. Gleiches gilt für Klickzahlen von Medienportalen. Schon ein einziges negatives Buzzword steigert signifikant die Klickrate. sisa Nat Hum Behav 2023; 7: 812–822 Auf die Nuss Die kognitive Entwicklung und psychologi- sche Reifung von Jugendlichen wird durch den Konsum von Walnüssen gefördert. Diese enthalten Omega-3-Fettsäuren, die den Ausbau von Synapsen im Frontal- lappen bei regelmäßigem Verzehr stärken. Die Hirn region ist relevant für komplexe emotionale und kognitive Funktionen. sisa eClinicalMedicine 2023; 59: 101954 Quelle: Kirsten Oborny/Thieme 4 mut. Sie befürchten, dass sich mit der schleppend lich, dass große Reformen unerlässlich seien. Im vorangehenden Krankenhausreform eine Vergleich zu anderen EU­Ländern seien die Ge­ schlechtere Versorgungssituation für die sundheitsausgaben hoch, die „Ergebnis qualität“ Patient*innen ergibt. BGM Prof. Dr. Karl Lauter­ aber sei schlecht. Dabei verwies er auf die ge­ bach räumte ein, dass sein Etat am stärksten sunkene Lebenserwartung. sisa schrumpfe und zur Konsolidierung des Bundes­ www.bundestag.de Kommission­empfiehlt­Anhebung­der­Mindestlöhne Die Pflegekommission hat sich für eine weitere Erhöhung der Mindestlöhne in der Altenpflege ausgesprochen. Bis 1. Juli 2025 sollen diese in zwei Schritten steigen: Für Pflegehilfspersonal empfiehlt die Kommission eine Anhebung auf 16,10 Euro pro Stunde, für qualifizierte Pflegehilfs­ personen auf 17,35 Euro und für Pflegefachpersonen auf 20,50 Euro pro Stunde. sisa www.bundesgesundheitsministerium.de Integrationsbarometer 2023: Deutschland wenig attraktiv Das Integrationsbarometer 2023 zeigt, das Deutschland als Arbeitsort für ausländische Pflege kräfte unattraktiver wird. Laut Umfrage empfanden 40 Prozent der Pflegenden den Integrationsprozess als unzureichend, nur knappe 70 Prozent würden sich heute wieder für Deutschland entscheiden. 2022 waren es laut Angaben des Recruiting­Unternehmens Globogate über 90 Prozent. sisa https://publications.globogate.de Rettung für den Rettungsdienst? Im September stellte BGM Lauterbach die Reformvorschläge der Regierungskommission für den Rettungsdienst vor. Die Patient*innen sollen demnach seltener in die Notaufnahme kommen und dort besser versorgt werden. Hinzu kommen ein heitliche Länderstandards, ein höherer Digitalisie­ rungsgrad, größerer Leistungsumfang, höhere Qualität, mehr Befugnisse und bessere Bezahlung. sisa www.kma-online.de CNE.magazin 5.23 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

berufsfeld The way to Germany Bis 2030 sollen laut Bertelsmann-Stiftung 517 000 Pflegekräfte fehlen. Ein Baustein in der Gesamtstrategie von Kliniken und Einrichtung sind ausländische Pflegekräfte, die jedoch ange- worben und integriert werden müssen. Auch bürokratische Hürden gilt es zu meistern. Einige Kliniken haben in den letzten Jahren eine hohe Expertise aufgebaut. S echs Uhr morgens auf Station: Eine Pflege kraft hat sich kurzfristig krank- gemeldet, eine zweite ist schon seit einer Woche zu Hause, außerdem ist Urlaubszeit. Realität in deutschen Kliniken und Einrichtun- gen. Die Pflegekräfte werden knapp, es bedarf pragmatischer Lösungen. Manchmal hilft nur noch eine Leasingkraft von einer Zeitarbeits- firma. Doch das ist keine dauerhafte Lösung des Problems. Um dem Fachkräftemangel nicht immer nur punktuell etwas entgegenzusetzen, braucht es eine langfristigen Strategie. Internationale Pflegekräfte können helfen. Jenny Wortha, Pflegedirektorin am Gesundheits-Campus Klinikum Frankfurt (Oder), hat bereits Erfah- rung beim Rekrutieren, beim Onboarding und bei der Integration von ausländischen Pflege- kräften. Sie hat oft genug erfahren, welche rechtlichen Rahmenbedingungen für die Ein- reise von internationalen Pflegekräften erfüllt sein müssen. Denn sie war lange stellvertre- tende Pflege direktorin an der Charité und hat sich dort bereits 2016 mit dem Thema beschäf- tigt. „Das war damals in Deutschland noch nicht so ein Thema, wie es das jetzt ist“, erin- nert sie sich. Internationale Akquise von Pfle- gekräften habe bis heute „enorm an Fahrt aufgenommen“, und auch die Länder, aus de- nen rekrutiert wird, hätten sich gewandelt. Damals kamen die Pflegekräfte vornehmlich aus Europa – Länder wie Spanien und Italien. „Es gab auch kaum wirkliche Erfolgsgeschichten. Die spanischen Pflegekräfte sind schnell wie- der zurück, sodass man angefangen hat, aus Drittstaaten anzuwerben“, beschreibt Wortha den Prozess zu Beginn. 6 Glück im Unglück Die Charité hat 2016 angefangen, mit Agen- turen Kolleginnen und Kollegen aus Albanien und aus Mexiko anzuwerben. „Die Vermitt- lungsfirma, mit der wir die mexikanischen Pflegekräfte angeworben haben, ist noch während des Prozesses insolvent gegangen, und wir haben so gelernt, wie wir selbst – ohne Vermittler – Pflegekräfte aus dem Ausland rekrutieren können“, erinnert sich die Exper- tin. Das hat die Charité sehr viel Geld gekostet, aber sie wollte nicht auf die mexikanischen Kollegen verzichten, mit denen sie schon in sehr engem Austausch war. Und retrospektiv betrachtet hat es dazu geführt, dass die Charité im Anwerbungsprozess schnell sicher wurde und sich gut für die Zukunft aufgestellt hat. Der Prozess wurde angepasst sowie erweitert, und die Charité hat – über die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammen- arbeit (GIZ) – zum Anwerben die Fühler auch auf die Philippinen ausgestreckt. Die Gütegemeinschaft vergibt ein Siegel an Agen- turen für faire Anwerbung. Mit der Zentralen Auslands- und Fachver- mittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit hat die Charité ihre Akquise in Mexiko erweitert und mit Berlitz am Ende als selbstanwerbende Klinik auch noch Brasilien ins Portfolio genom- men und dort Pflegekräfte angeworben. „Zudem wurden erste Kontakte nach Indien während meiner Zeit an der Charité angebahnt“, erinnert sich Wortha , die mit ihrem damaligen Arbeit- geber um die 350 Pflegekräfte aus Drittstaaten angeworben hatte. „Wir hatten eine extrem hohe Bindung, und die Anzahl der Kolleginnen, die wir wieder verloren haben, lässt sich an zwei Händen abzählen“, weiß sie zu berichten. Eine Erfolgsgeschichte, wobei es jedoch hinter den Kulissen streckenweise sehr mühsam und der Weg mitunter wirklich steinig war. Qualität vor Quantität So viel Umtriebigkeit und Erfolg spricht sich herum. Wortha hat auf Messen und Kongressen zum Thema Anwerbung ausländischer Pflege- kräfte referiert und sogar im Auswärtigen Amt Schulungen für Mitarbeitende gehalten bzw. über ihre damalige Praxiserfahrung berichtet und was im Anwerbungsprozess berücksichtigt werden muss. Sie war beim Thema Aus- landsakquise auch in die Konzertierte Aktion Pflege (KAP) eingebunden und wies schon da- mals mit darauf hin, dass es ein Qualitätssiegel für Agenturen zur Anwerbung braucht. Daraus ist dann die Gütevereinigung für Akquise von internationalen Pflegefachkräften zur fairen Anwerbung entstanden, wo das Siegel von Agenturen oder selbstwerbenden Einrichtun- gen erworben werden kann. Dieses Siegel ist bislang noch freiwillig, „wir kämpfen darum, dass es ein Pflichtsiegel wird“. Jenny Wortha ist in diesem Verein stellvertretende Vor- standsvorsitzende und treibt das Thema in ihrer neuen berufl ichen Heimat weiter voran. Neuer Arbeitgeber, neue Ansätze Als Wortha als Pflegedirektorin ans Klinikum Frankfurt (Oder) wechselte, war sie erstaunt, dass es dort so gut wie keine ausländischen CNE.magazin 5.23 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

berufsfeld der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin, um den philippinischen Pflegekräften – wenn sie hier sind – die Option zu bieten, in zwei Semestern den akademischen Abschluss zu bekommen, weil „sie ihren Bachelor of Nursing hierzulande leider nicht anerkannt bekommen“. Automatisch haben sie mit ihrem Bachelor im Übrigen auch ihren Praxisanleiter als Goodie on top. Integrationskonzepte wichtig Wortha hat in Frankfurt (Oder) bereits Woh- nungen für die neuen Pflegekolleginnen und -kollegen angemietet und eine Integrations- managerin eingestellt, die die Teams vorbe- reitet. Diese hält auch schon engen Kontakt mit den Brasilianern, obwohl sie noch nicht vor Ort sind. Sie holt sie vom Flughafen ab, begleitet sie bei den ersten Besorgungen und auf die Ämter und hilft ihnen, eine erste deutsche Han- dynummer sowie ein Bankkonto zu bekom- men. „Die Integrationsmanagerin ist zudem Pädagogin und begleitet dann auch die Praxis- anleiter auf den Stationen bei der weiteren Einarbeitung der ausländischen Kolleginnen“, Bürokratie und Recht ▬ Aufenthaltserlaubnis ▬ Ausreisevisum (Bearbeitungszeiten von sechs Wochen bis zu einem Jahr) ▬ B2-Sprachqualifikation; Zeit und Fachkraftprüfung Pflegesprache (je nach Bundesland) ▬ Zusage, an einer Qualifizierungs- maßnahme teilzunehmen ▬ Meldebescheinigungen ▬ Anmeldung der Krankenversicherung ▬ Eröffnung eines Bankkontos ▬ Wohnungsbereitstellung und -suche ▬ nach drei Monaten: Beantragung der Verlängerung der Aufenthaltstitel ▬ Kenntnisprüfung innerhalb von 18 Monaten 8 erklärt die Expertin das weitere Vorgehen. Für November ist bereits eine Schulung zum Thema interkulturelle Kompetenz für die Praxis ge- plant. Auch Integrationsmanagerin Julia Benz vom Diakonissen-Krankenhaus in Speyer weiß, wie wichtig ein fester Ansprechpartner in der neuen Heimat ist. Wie in Frankfurt (Oder) ist Wohn- raum in Speyer nicht das große Problem, sodass die Neuankömmlinge dort im ersten Jahr in klinikeigenen WGs wohnen. Dennoch gibt es immer wieder Kleinigkeiten, die unklar sind, oder „Wehwehchen, wie: Meine Klo spülung geht nicht“. Benz erinnert sich in diesem Zu- sammenhang an eine ausländische Kollegin, die ihr ein Bild geschickt hat mit der Frage, in wel- chem Mülleimer das entsorgt werden muss. Die Integrationsmanagerin aus Speyer ist in allen Lebenslagen Ansprechpartnerin; sie kümmert sich in der ersten Woche auch um den ganzen „Papierkram“ und sorgt dafür, dass sich alle wohlfühlen und auch das Kranken- haus kennenlernen. „Wir versuchen dann auch immer schon möglichst gleich zu Beginn mit dem drei- bis viermonatigen C1-Sprachkurs mit Schwerpunkt Pflege zu starten“, erklärt sie. Dieser Block dient zur Vorbereitung auf die An erkennungsphase, das heißt, „die Neuan- kömmlinge nehmen quasi Vollzeit im Sprach- kurs teil und haben jedes zweite Wochenende ein Dienstwochenende, um das Gelernte schon in einem kleinen, liebevollen Rahmen einset- zen zu können und das Haus und die Kollegen kennenzulernen“, erklärt Benz. Der Anteil der in Deutschland tätigen aus- ländischen Pflegekräfte ist – laut Bundesagen- tur für Arbeit – von 7 Prozent im Jahr 2016 auf 13 Prozent im Jahr 2021 gestiegen. In Speyer sind mittlerweile 80 Kolleginnen und Kollegen allein aus Albanien in der Pflege tätig. Es haben sich unterschiedliche Anwerbemodelle und innerbetriebliche Prozesse sowie Strukturen zur Integration von Pflegepersonal aus dem © alphaspirit/stock.adobe.com Ausland entwickelt. Es werden auch immer wieder neue Modellprojekte initiiert, weil die Notwendigkeit, dem Fachkräftemangel ent- gegenzuwirken, immer dringlicher wird. Ge- nerell lässt sich sagen, dass das Anwerben gut abgewogen werden sollte und Rückschläge sowie ausreichend Zeit eingeplant werden müssen. Es benötigt in der Regel zwei Jahre, bis sich internationale Pflegekräfte in das deutsche Gesundheitssystem integriert haben und sich selbst zurechtfinden – ohne Anwerbephase. RE-ALIS: Recruitment – Arbeiten, Leben, Integration und Sprache Das bestätigt auch Simon Jäger, der mittler weile sein eigener Chef ist. Der gelernte Krankenpfle- ger mit Master in Pflege management hat sich seit 2017 im Diakonissen-Stiftungs-Kranken- haus Speyer als stellvertretender Pflegedirektor mit dem Anwerben ausländischer Pflegekräfte beschäftigt und einen Stein ins Rollen gebracht, der sich nicht mehr aufhalten ließ. Das Ergebnis: Jäger ist heute CEO bei RE-ALIS – einer Ve rmittlungs agentur, die in Albanien, Indien, dem Kosovo und Tunesien Pflegekräfte anwirbt und 20 namhafte Kranken häuser in seiner Kundenkartei hat. Jäger greift zurück auf das bewährte Ver- fahren von Speyer, wo er mit seinem Team einst selbst Projekte im Ausland aufgebaut hat. An- fangs ist er noch zweigleisig gefahren, „weil mir mein Job in Speyer Spaß gemacht hat und ich CNE.magazin 5.23 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

pflege und mehr Hilfe bei Exoten Von rund 30 000 bekannten Krankheiten zählen 6000 bis 8000 zu den seltenen. Bis sie erkannt werden, machen die Patient*innen oft eine Odyssee mit. Wichtige Gründe dafür sind mangelndes Wissen und Bewusstsein für Seltene Erkrankungen. Der Einsatz künstlicher Intelligenz könnte dies ändern. D ie Eltern von Leon* waren lange da­ von überzeugt, ein gesundes Kind zu haben. Ihr Sohn lernte zwar spät laufen , aber dafür krabbelte er umso schneller . Und mit seinen vollen Lippen kam er ganz nach seinem Vater. Sicher, er war extrem geräuschempfindlich – aber andere Kinder hatten auch ihre Eigenheiten. Als Leon mit drei Krankheit betroffen sind. Etwa 80 Prozent der Seltenen Erkrankungen sind genetisch bedingt oder mitbedingt. Das Spektrum der Seltenen Erkrankungen umfasst dennoch die gesamte Medizin: Die Ahornsirupkrankheit, eine angeborene Stoffwechselerkrankung mit einer Störung im Aminosäurenstoffwechsel, die unbehandelt schon im Säuglingsalter zum Jahren in der Entwicklung dann aber deutlich Tod führen kann, gehört zum Beispiel eben­ © Who is Danny/stock.adobe.com betroffenen Menschen in Deutschland aus, auf der ganzen Welt sind es etwa 350 Millionen. zurückhing, schickte die Kinderärztin die so dazu wie die Achalasie, eine motorische Unter anderem durch die Fortschritte in der Familie vorsichtshalber in eine humangeneti­ Störung der Speiseröhre oder die Ich thyose humangenetischen Diagnostik nimmt ihre sche Sprechstunde. Das Ergebnis: Leon hat ein (Fischschuppen­Krankheit), bei der es zu einer Zahl zu. Und so unterschiedlich ihre Erkran­ Williams­Beuren­Syndrom. Verhornungsstörung der Haut kommt. Auch Hinter diesem Syndrom steckt eine spontane bekanntere Krankheiten wie die Osteogenesis Mutation auf Chromosom 7, die unter ande­ rem Gene betrifft, die für die Bildung von Bindegewebe zuständig sind. Neben einer typischen Gesichtsform mit vollen Lippen imperfecta (Glasknochenkrankheit) oder die Zystische Fibrose (Mukoviszidose), die vor allem die Lunge betrifft, gehören per definiti­ onem zu den Seltenen Erkrankungen. Schon kungen auch sein mögen, die Probleme der Patientinnen und Patienten ähneln sich häufig. Bis ihre Krankheit erkannt wird, machen sie oft eine Odyssee mit. Wichtige Gründe dafür sind mangelndes Wissen und Bewusstsein für Seltene Erkrankungen. Von den ersten Symp­ und langem Philtrum (Rinne zwischen Nase daraus ist ersichtlich, dass es nicht „die“ eine tomen bis zur korrekten Diagnose vergehen und Oberlippe) und einigen weiteren charak­ Ärztin oder „den“ einen Therapeuten für teristischen Merkmalen können Menschen Seltene Erkrankungen geben kann. mit einem Williams­Beuren­Syndrom auch Nierenfehlbildungen und Herzfehler auf­ weisen. Und: Das Syndrom tritt nur bei etwa einem von 20 000 bis 50 000 Menschen auf. Es gehört zu den Seltenen Erkrankungen. Ein Chat kann zielführen- der sein, als jahrelang von Arzt zu Arzt zu wandern. Von Ahornsirupkrankheit bis Zystische Fibrose „Seltene Erkrankung“ bedeutet in der Euro­ Allein auf einer Odyssee Zusammengenommen sind Seltene Erkran­ durchschnittlich etwa 6 Jahre. Je weniger Menschen von einer Erkrankung betroffen sind, umso geringer ist in der Regel die Zahl der Spezialistinnen und Spezialisten, die sich mit ihren Beschwerden auskennen, und umso weiter verstreut arbeiten diese. Oft fühlen sich die Betroffenen deshalb allein gelassen. Zentren und Lotsen für die Seltenen Um diese Situation zu verbessern, fördert die Bundesregierung seit einigen Jahren For­ päischen Union, dass nicht mehr als 5 von kungen allerdings keine Exoten: Von den schungen und etliche weitere Maß nahmen. 10 000 Menschen in der EU von dieser * Name von der Redaktion geändert 10 rund 30 000 weltweit bekannten Krankheiten zählen etwa 6000 bis 8000 zu den seltenen. Schätzungen gehen von ungefähr 4 Millionen Dazu gehört zum Beispiel das Nationale Aktionsbündnis für Menschen mit Selte­ nen Erkrankungen (www.namse.de), das CNE.magazin 5.23 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

pflege und mehr – Interview – Fehlerfrei bis zum Burnout? Perfektionismus kann krank machen. Warum Wissenschaftlerin Dr. Christine Altstötter- Gleich dafür plädiert, mehr „grau“ zu denken anstatt immer nur schwarz oder weiß. passiert, wenn Sie die Ansprüche, Ihre eigenen oder die der anderen, nicht erfüllen? Wie Sie mit der Möglichkeit umgehen zu scheitern, und was es für Sie bedeutet, wenn Sie Fehler machen, ist das zweite Element des Perfektionismus. Das Zusammenspiel dieser beiden Funktionen entscheidet darüber, ob jemand gut zurechtkommt oder nicht. Und was passiert, wenn das Zusammenspiel dieser Eigenschaften nicht gelingt? Dann kann es zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Essstörungen, Burnout oder auch zu sozialen Ängsten kommen. Weiß die Forschung, wie solch ein ungesunder Perfektionismus entsteht? Das untersuchen wir. Was alle dazu geführten Studien finden, ist eine genetische Komponente. Sie hängt damit zusammen, wie jemand allgemein unter Stress reagiert. Neuro physiologische Messungen zeigen darüber hinaus auch einen Zusammenhang © Microgen/stock.adobe.com – Stock photo. Posed by a model Frau Dr. Altstötter-Gleich, Sie forschen als wir ein Messinstrument hatten, mit dem wir zwischen perfektionistischen Bedenken und Psychologin am Campus Landau der zum Perfektionismus forschen konnten. So stärkeren Aktivitätsmustern im Gehirn als Rheinland-Pfälzischen Technischen Universi- habe ich mit dem Thema angefangen und bin Reaktion auf Fehler. tät seit vielen Jahren zum Thema Perfektio- dabei geblieben. nismus. Wie kamen Sie ausgerechnet dazu? Damals plante ich mit einem Kollegen eine Untersuchung zur Wochenbettdepression. Ich fand dabei etliche Publikationen über die Was messen Sie mit diesem Perfektionismus -Test genau? Wir untersuchen etwas anderes als das, was Dann kommen wir also schon als Perfektionisten auf die Welt? Nein, die Studien kommen auch zu dem Schluss, dass die Erblichkeit bei beiden Zusammenhänge zwischen Perfektionismus man umgangssprachlich unter Perfektionis­ Dimensionen des Perfektionismus nur etwa und Depression aus dem englischsprachigen mus versteht. Wissenschaftlich betrachtet ist Raum, aber keine aus Deutschland. Das hat Perfektionismus keine homogene Eigen­ mich erstaunt. Ich dachte, dass es hier, im schaft, sondern besteht aus zwei Dimensio­ 30 bis höchstens 50 Prozent beträgt. Da bleibt viel Luft für weitere Einflüsse. Die Kindheit spielt ebenfalls eine große Rolle. Land der Perfektionisten, doch Forschung nen: Einmal ist da das Streben nach sehr Versagen ist eine klassische Erfahrung, die darüber geben sollte. Zusammen mit einem guten Leistungen – das, was allgemein als Kinder machen müssen, wenn sie etwas Kollegen habe ich dann einen Test aus dem Perfektionismus gilt. Die zweite Dimension lernen – sie können nicht alles auf Anhieb Englischen übersetzt und evaluiert, damit sind die perfektionistischen Bedenken: Was können. Wenn die Eltern oder das Umfeld 12 CNE.magazin 5.23 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

RÜCKENSCHMERZEN Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten körperlichen Beschwerden. In einer Studie des Robert Koch Instituts (RKI) aus dem Jahr 2020 gaben 61 Prozent der Befragten an, in den letzten 12 Monaten unter Rückenschmerzen gelitten zu haben. Insgesamt berichteten die weiblichen Teilnehmer häufiger davon als die männlichen. Frauen berichteten deutlich häufiger von Schmerzen im Rücken als Männer. [1] Der Trias Ratgeber Rückenschmerzen endlich im Grif f ist ab sofort drei Monate lang in der CNE Mediathek verfügbar unter: cne.thieme.de/mediathek. Junge Menschen sind öfter von starken akuten Rückenschmerzen betroffen, die nach einigen Tagen vergehen, als ältere Menschen. Über die Jahre können sich aber durch Fehlstellungen und Fehlbelastungen chronische Rückenschmerzen entwickeln. Sie variieren in ihrer Intensität und bestehen über mindestens 3 Monate. Daher ist es wichtig, Rückenschmerzen frühzeitig mithilfe von geeigneten Maßnahmen vorzubeugen. Bestehen die Schmerzen bereits, lässt sich häufig keine eindeutige Ursache ausmachen. Man spricht dann von unspezifischen Ursachen. Sie sind meist im unteren Rücken, also in der Lendenwirbelsäule lokalisiert, weshalb man vom „tiefen Rückenschmerz“ spricht. Es gibt aber auch spezifische Ursachen für Rückenschmerzen. Das heißt, es gibt eine klare Ursache für die Schmerzen, wie beistpielsweise einen Bandscheibenvorfall. Am häufigsten treten Schmerzen im Nacken oder im unteren Rücken auf. Wesentlich seltener sind Schmerzen in der Brustwirbelsäule. muskuläre Verspannungen Skoliose oder Wirbelgleiten Fehlbelastung oder Fehlhaltung Bandscheibenvorfall oder Degeneration der Bandscheibe unspezifische Ursachen Bewegungsmangel Knochenschäden wie Degenera- tion, Tumoren oder Metastasen, Frakturen spezifische Ursachen schlechter Schlaf Spinalkanalverengung 14 CNE.magazin 5.23 | © 2023. Thieme. All rights reserved. [1] Robert Koch Institut (RKI), Hrsg. Prävalenz von Rücken- und Nackenschmerzen in Deutschland. Ergebnisse der KrankheitslastStudie BURDEN 2020. Journal of Health Monitoring 2021; 6(23). DOI: 10.25646/7854Bildnachweis „Frau mit Rückenschmerzen“ und „Frau mit Wärmflasche“: © simplehappyart/stock.adobe.com; „rückenschonendes Arbeiten“: © Kudryavtsev/stock.adobe.com; „Frau Yoga“: © buravleva_stock/stock.adobe.com; „Frau spazieren“: © elenabsl/stock.adobe.com; „Medikamente und Spritze“: I care Pflege. 2. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2020.

pflege und mehr © Maren Winter/stock.adobe.com Gleiche Welt, andere Welt Es sind zwei Welten, manche würden sagen zwei Kulturen, die für Autisten jeden Tag aufeinandertreffen: die neurotypisch geprägte Umwelt und die eigene autistische Realität. Gerade Kinder und Jugendliche mit einer Autismus-Spektrum-Störung benötigen einen geschützten Rahmen, in dem sie sich entwickeln können und lernen, mit diesem lebenslang andauernden „Kulturschock“ zurechtzukommen. Das Frère-Roger-Kinderzentrum Augsburg ist so ein Ort. D as organisierte Chaos bricht pünktlich aus. Es ist 7:30 Uhr an einem Dienstag im Juni. Sechs Jungen im Alter zwischen 13 und 15 Jahren machen sich fertig Wohngruppe des Frère­Roger­Kinder­ liche Ruhe auf der Wohngruppe zum Doku­ zentrums in Augsburg. Ruhig und beharrlich mentieren, für Telefonate und Besprechungen erinnert sie an frische T­Shirts, Zähneputzen sowie zur Übergabe an die Kollegen vom Früh­ und das Schuheanziehen. „Morgens, bevor die dienst, die um 9:30 Uhr kommen. für die Schule. Die Gespräche der letzten Nach­ Medikamente wirken, ist der Begleitungs­ zügler am Frühstückstisch werden durch bedarf sehr groß“, sagt Engstler, deren Dienst Geschirr klappern untermalt – der Küchen­ am Vortag um 13:30 Uhr begonnen hat. In der Was ist Autismus? Autismus ist eine tiefgreifende Entwicklungs­ dienst räumt noch schnell die Spülmaschine Bereitschaftszeit von 23 bis 6:30 Uhr hat sie störung, die durch Unterschiede in Informa­ ein. Draußen im Flur herrscht bereits wuseli­ im Büro auf einer Liege geschlafen. „Wenn um tions­ und Wahrnehmungsverarbeitung, ge Aufbruchs stimmung. Mittendrin Julia 8 Uhr alle Jugendlichen in der Schule sind, ist Sprache, sozialer Kommunikation und Inter­ Engstler, Erzieherin, und an diesem Morgen man wieder richtig wach“, lacht sie. Ihr Dienst aktion gekennzeichnet ist. Kinder und Jugend­ im Dienst auf der homogenen Autismus­ geht noch bis 10 Uhr. Sie nutzt die vormittäg­ liche im Autismus­Spektrum zeigen oft wenig 16 CNE.magazin 5.23 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

pflege und mehr Gedränge an der Supermarktkasse, flimmernde Neonreklamen, ein penetrantes Parfum oder das Ticken einer Uhr – dies alles kann allein oder in der Summe zur Reizüberflutung führen . Deshalb gibt es in der Wohngruppe nur digi­ gehabt und …‘ Ich sage dann erst mal: ‚Stopp, Kontext. Wer ist Elisabeth? Welches rote Ding?‘ Die Fähigkeit, Dinge in einen Kontext zu setzen, fehlt eigentlich all unseren Jungs.“ tale Uhren. Wenn plötzlich alles zu viel wird, hilft vielen Autisten nur Ruhe, ein sicherer Rückzugsort, das Fokussieren auf eine einzige Sache. Für Außenstehende sei es in solchen Hilfreich: Struktur und Fakten Das sechsköpfige Team aus Heilerziehungs- pflegern, Erziehern und Sozialpädagogen be­ gegnet diesen Besonderheiten mit viel Struktur, Situationen am besten, geduldig abzuwarten, Absprachen und jeder Menge Fakten. Jeder Tag Verständnis zu zeigen und, wenn möglich, ist genau durchgeplant: ein Whiteboard mit Reize zu minimieren. Paulak: „Keinesfalls ist Fotos der Jungen zeigt das Programm. Nach­ es hilfreich, wenn Leute ungeduldig nach­ mittags erledigen die Jugendlichen ihre Haus­ fragen, auf einer Sache beharren oder die betroffene Person berühren.“ Meine = deine Perspektive? Auch soziale Interaktion ist für viele Autisten aufgaben, nutzen Therapie­ und Förderange­ bote oder verbringen ihre Freizeit allein oder auch mal zusammen. „Wenn ich richtig Bock auf einen Film habe, wie ‚Alles steht Kopf‘, gehe ich schon mal mit ins Kino“, sagt Julian, der herausfordernd. „Im Gruppenalltag verbringen seine freie Zeit ansonsten gern allein mit Lesen wir 90 Prozent unseres Tages mit Dolmetschen, weil es Missverständnisse gibt, die zu Konflikten führen“, sagt Erzieherin Engstler. Paulak er­ und Musikhören verbringt. Auch für Haushalts­ pflichten wie Wäschewaschen hat jeder der Jungen einen festen Tag in der Woche. „Die gänzt: „Eine der kognitiven Fähigkeiten, die wir aktuelle Gruppe funktioniert gut, weil die Jungs Neurotypiker von Haus aus mitbringen, ist die sich schon länger kennen“, sagt Paulak. „Sie sogenannte Theory of Mind.“ Gemeint ist damit können auch mal eine halbe Stunde zusammen die Fähigkeit, sich in eine andere Person hinein­ an der Wii spielen.“ Dennoch bliebe der Unter­ 2 Ohne Gefühle? Ein gängiges Vorurteil, das Manuela Paulak zuversetzen, deren Gedankengänge nachzuvoll­ stützungsbedarf hoch. Engstler und ihre Kolle­ immer wieder begegnet, ist die Annahme, ziehen. Menschen im Autismus­Spektrum ver­ gen helfen, indem sie geduldig erinnern, be­ Autisten hätten keine Gefühle und könnten fügten in der Regel nur über eine sehr schwach gleiten, dolmetschen. Dabei sind Fakten oftmals neurotypische Menschen folglich gar nicht ver­ ausgeprägte Theory of Mind. „Wenn zwei einer ihrer wichtigsten Helfer: Komme es zu stehen. „Entschuldigung, aber das ist Bullshit“, neuro typische Menschen versuchen, ein Sofa missverständlichen Situationen, sei es unge­ betont sie. „Unsere Jungen verfügen über sehr durch eine Tür zu tragen, ist ihnen klar, sie mein wichtig, dies gleich klar anzusprechen. viel Empathie und merken, wenn ich nicht die müssen sich abstimmen“, gibt Paulak ein Be­ „Ein Klassiker ist: Einer der Jugendlichen super gut gelaunte Manu bin.“ Schwer falle es spiel. „Ein Autist wird mit dem Sofa einfach spricht mit mir etwa über einen Zahnarzt­ ihnen zu verstehen, was genau los ist, das heißt, loslaufen in der Annahme, der andere Träger termin, bei dem er mit einer anderen Kollegin sie brauchen Unterstützung, um Gefühle zu hat das gleiche Vorgehen im Kopf wie er selbst.“ war“, erzählt Engstler. Als Reaktion auf ihre er kennen und zu benennen. Dies kann so aus­ Engstler beobachtet immer wieder, dass ihre Aussage, er habe darüber nicht mit ihr gespro­ sehen: Paulak: „Schau mir in mein Gesicht. Was Jungs davon ausgingen, sie teile deren Wissen, chen, antworte der Junge: „Doch, natürlich.“ siehst du?“ Junge: „Deine Mundwinkel gehen Erlebnisse oder Gedankengänge. „Wenn Julian Hier helfe oftmals der Gang zum Dienstplan. nach unten.“ Paulak: Was könnte das heißen?“ nach einem Wochenende zu Hause zurück in Engstler argumentiert dann zum Beispiel: Junge: „Du bist traurig? Du bist sauer ?“ Paulak: die Wohngruppe kommt und ich frage ihn, wie „Guck mal, an diesem Tag war ich gar nicht im „Ich bin traurig und unzufrieden , weil wir uns es war, dann sagt er beispielsweise: ‚Die Dienst. Du warst mit einer anderen Kollegin wegen deines Zimmers gestritten haben, das Elisabeth hat dort das rote Ding noch bei sich dort und hast sicherlich mit ihr ge sprochen.“ du noch nicht aufgeräumt hast.“ 18 CNE.magazin 5.23 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

pflege und mehr Good vibes only – warum Optimismus toxisch sein kann Schlimmer geht immer. Wenn Menschen zwanghaft positiv denken, lässt das kaum Raum für einen achtsamen Umgang mit der eigenen Gefühlswelt. Aber: Das Leben besteht nun mal nicht nur aus Glücks- und Erfolgserlebnissen, so wie es uns soziale Medien gerne vermitteln. D ie Zeiger scheinen in Rekordzeit ihre Runden zu drehen. Schicht­ wechsel. Auf dem Flur steht ein halb auf geräumter Pflegewagen. Der Patient in Zimmer drei braucht schnell ein EKG. Die Angehörigen der am Morgen gestürzten Dame auf Zimmer fünf warten mit düsterer Miene auf eine Erklärung. Zu Hause liegt ein krankes Kind. Der Schlaf mangel steht Pflegefachfrau Lena deutlich ins Gesicht geschrieben. „Es könnte schlimmer sein“, meint der Kollege im Vorbeigehen und klopft Lena wohlwollend auf die Schulter. Toxische Positivität Es könnte schlimmer kommen Unter toxische Positivität fällt zwanghaft positives Denken, das kaum Raum für einen achtsamen Umgang mit der eigenen Gefühls­ welt lässt. Toxisch positive Menschen sind wahre Meister im Bagatellisieren von Er­ eignissen und in der Verdrängung negativer Emotionen. Dies kann massive Auswirkun­ gen auf körperliche und seelische Gesund­ heit haben. Verstärkt wird der Effekt häufig durch soziale Netzwerke. Meist nutzen wir Insta­ gram, Facebook und Co. für die Darstellung unseres scheinbar perfekten und abwechs­ lungsreichen Konfetti­Lebens, ohne dabei auch nur einen kleinsten Einblick in unser ungeschminktes, abendliches Alltags­Ich zu gewähren, welches währenddessen mit einer Tüte Chips in der Hand und in Jogginghosen gemütlich Tatort schaut. 20 Ein Indianer kennt keinen Schmerz Im Gegenzug zu einem gesunden und positiven Mindset lässt toxische Positivität kaum Raum für Entwicklung. Bereits als Kind haben wir ein fest geschnürtes Bündel an unterschiedlichen Glaubenssätzen mit auf den Weg bekommen, das uns bis heute ▬ Was hat dich früher unterstützt, erlebte Krisen zu bewältigen? ▬ Was kannst du aktuell machen, um einen guten Umgang für dich und mit dir selbst zu finden? ▬ Wo könntest du dir aktiv Hilfe holen, wenn du merkst, dass dir alles über den Kopf hart näckig begleitet und uns täglich daran wächst? hindert, negative Emotionen zuzulassen. Jedoch sind besonders diese Empfindungen wichtig, um die täglichen Hürden des Lebens Nutze die Kraft deiner Sprache Wähle sowohl einen mitfühlenden und proaktiv bewältigen zu können. Das Fühlen achtsamen Monolog als auch Dialog, die und Erleben unterschiedlichster Gefühls lagen Raum und Zeit für das breite Spektrum unterstützt uns täglich dabei, unser emotio­ nales Öko system in kongruenter Balance zu halten. Probleme sind nur un gelöste Potenziale. Toxic Positivity beschreibt Menschen, die immer nur das Positive sehen. aller Emotionen lassen. Sei ehrlich zu dir selbst. Sei mutig, negative Emotionen of­ fen anzusprechen. Es geht nicht darum, alles „schönzureden“, sondern darum, au­ thentisch zu sein und gut bei dir selbst zu bleiben . Dies unterstützt dich langfristig dabei, besser bei dir anzukommen, und er­ möglicht eine achtsamere Interaktion mit deinen Mitmenschen. Impulse für mehr Emodiversity Positiv denken, aber richtig Das Leben besteht nicht nur aus Glücks­ und Erfolgserlebnissen. Auch kleine oder größere Krisen, die häufig nicht in unserer Hand liegen, können Teil davon sein. Negative Achte auf einen dosierten Social-Media- Umgang Entfolge Accounts, deren Content Druck bei dir erzeugen. Häufig entspricht das schein­ bare Bilderbuchleben nicht der Realität, sondern zielt darauf ab, durch die perfekte selbst darstellerische Inszenierung und das Emotionen sind hierbei völlig normal. Ver­ Versprühen positiver Vibes möglichst viele suche, diese Gefühle anzunehmen und zu­ gleich so objektiv wie möglich auf die aktuelle Situation zu blicken. Diese Fragen können dir dabei helfen: Menschen zu erreichen. Auch weltbekannte Influencer leiden unter ähnlichen Themen wie der Durchschnittsbürger von nebenan – und auch das ist völlig o. k.. CNE.magazin 5.23 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

pflege konkret © kanpisut/stock.adobe.com – Stock photo. Posed by a model Wieder aufstehen mit Carbon In Deutschland werden werden im Jahr etwa 60 000 Amputationen vorgenommen. Jede einzelne bedeutet für die Betroffenen einen Verlust der körperlichen Integri- tät, der sie ein Leben lang begleiten wird. Katrin van gen Hassend tanzt trotzdem. A ls das Jahr 2018 beginnt, ist die Welt Ordnung. Die 28­jährige Arzthelferin von Katrin van gen Hassend noch in kommt es zu Mikroembolien, schließlich zum Fällen eine arterielle Ver schluss krankheit, ein septischen Schock mit Multiorganversagen. Diabetes mellitus oder beides zusammen. Katrin van gen Hassend fällt ins Koma. Als sie Hinter Amputationen im Fuß bereich stecken fährt gern zu ihrer Arbeit in eine Hausarzt­ im Oktober wieder aufwacht, hat sie keine praxis nach Duisburg und freut sich auf den Füße und keine Finger mehr. Frühling. Dann erleidet sie einen epileptischen Anfall, und alles wird anders: Als Ursache stellen die Kardiologen einen zu hohen Blut­ druck und einen Herzfehler fest, den Katrin Nie leicht: Makro- und Mikro- amputationen Katrin van gen Hassends Geschichte ist sicher diese Erkrankungen bei etwa der Hälfte der Betroffenen, ungefähr genauso häufig sind Traumen, zum Beispiel bei Arbeits­ oder Ver­ kehrsunfällen. Traumen sind auch bei etwa einem Drittel der Amputationen an der oberen Extremität der Verursacher, danach folgen Tu­ van gen Hassend unbemerkt wohl schon seit eine besondere. Amputationen, also das teil­ moren und arterielle Durch blutungs störungen. ihrer Geburt mit sich trägt. Im April erhält sie weise oder vollständige Entfernen einer Extre­ Allerdings handelt es sich nur bei etwa einer eine neue Aortenklappe, gleichzeitig ver­ mität, sind dagegen nicht selten. Genaue Erhe­ von zehn Amputationen um eine große, eine schließen die Chirurgen ein Loch in ihrer Herz­ bungen fehlen zwar, aber Schätzungen gehen soge nannte Makro amputation. Darunter ver­ scheidewand. Im Juli, während sie in der für Deutschland von etwa 60 000 Amputatio­ steht man einen Schnitt proximal des oberen Wiedereingliederung denkt, alles sei über­ standen, tritt ein erneuter Grand­mal­Anfall auf, und das Schicksal wird noch erbarmungs­ nen im Jahr aus. Die Ursachen unterscheiden sich, je nachdem welche Extremität betroffen ist. Der Grund für eine Amputation an Unter­ Sprunggelenkes an der unteren Extremität und einen Schnitt proximal des Handgelenkes an der oberen Extremität. Alles andere wird als loser: Bei einer infektiösen Endokarditis und Oberschenkel ist in etwa neun von zehn Mikro amputation bezeichnet – was nicht heißt, 22 CNE.magazin 5.23 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

pflege konkret Stufe für Stufe, aber etliche hundert Meter Ge­ hen sind auf ebenem Boden kein Problem. „Und Tanzen sieht zwar nicht mehr so aus wie früher, geht aber auch.“ Mit einer Roboterhand am OP-Tisch Der Prothesenbau hat sich seit den „Holz­ beinen“ früherer Generationen deutlich weiter­ entwickelt – was sich gut an den Carbonfeder­ füßen und mikroprozessorgesteuerten Knie gelenken beobachten lässt, mit denen Sportlerinnen und Sportler etwa bei den Paralympics über die Laufbahnen rasen. Die Kosten für solche Prothesen liegen allerdings auch im fünfstelligen Bereich. © Yakobchuk Olena/stock.adobe.com Auch an der oberen Extremität werden Prothesen heute aus ganz unterschiedlichen Passteilen und Komponenten zusammen­ dienen oder auch ihr Smartphone. „Mit der stunden mit einer spezialisierten Fahr­ gebaut. Hilfreich können für manche Men­ Roboterhand hatte ich kein Gefühl, wenn ich lehrerin, einer Prüfung beim TÜV und fünf schen dabei myoelektrische Prothesen sein. Bei etwas angefasst habe.“ medizinischen Gutachten: einem augenärzt­ lichen, einem neurologischen, einem ortho­ ihnen erfassen Elektroden die Aktivität der Muskeln am Stumpf und wandeln sie über elektrische Motoren zum Beispiel in die Greif­ bewegungen einer Handprothese um. Hört sich Phantomschmerz und andere Gefühle Außen, wo ihr Haut transplantiert wurde, pädischen, einem kardiologischen und einem internistischen. Die Fahrten im behinderten­ gerechten Auto geben ihr viel Freiheit, und nach Science­Fiction an, funktioniert mit fehlt die Sensibilität, und sie muss aufpassen, dennoch ist ihr Leben doch nicht ganz so wie etwas Übung aber. In einem Klinikum in Duis­ burg hat es eine Pflegefachkraft mit solch einer Roboterhand – sechs Motoren und 14 ver­ schiedene Griffarten – geschafft, wieder am OP­Tisch zu arbeiten. Sie gab Katrin van gen nicht aus Versehen an etwas Heißes zu kom­ früher: Sie ist berentet, vor allem, weil sie men, aber innen ist sie an beiden Händen seit ihrem Koma viel schneller erschöpft ist erhalten. Sie hat auch nicht das Gefühl, als und sich schlechter konzentrieren kann. wären ihre Finger noch vorhanden. An den Abends um acht ist sie oft so müde, dass sie Füßen kommt es ab und zu vor, dass sie mehr ins Bett geht. Beim Haare waschen und Hassend sogar Übungsstunden, aber diese spürt, als da ist. Anfangs trat in den Beinen kommt mittlerweile besser ohne Hand­ gelegentlich auch ein Phantomschmerz, ein prothesen klar. Sie hat von Rechts­ auf Links­ händerin umgeschult, da sie mit der verblie­ benen Hand auf der linken Seite etwas mehr machen kann, etwa einen Dosenöffner be- CNE.fortbildung Lesen Sie auch die Lerneinheit „Rehabilitation nach Majoramputation der unteren Extremität“. stechender Schmerz, auf. Dieser und andere Miss empfindungen wie Jucken, Kälte oder Wärme können nach Amputationen auftreten, ­föhnen lässt sie sich noch helfen, sonst er­ ledigt sie ihre Pflege selbst. Sie hat einen neuen Freund, den sie in der Reha kennengelernt hat, und lebt mit ihm in einem neuen Zuhause, einem Bungalow. Sie haben da das Areal im Gehirn, das die Sinnesreize zwei Katzen, einen Dackel und einen York­ für das amputierte Körperteil empfangen hat, shire­Terrier, und alle verstehen sich gut. ja noch funktioniert. Wird es aus irgend­ Katrin van gen Hassend sitzt gerne im Garten, welchen Gründen aktiviert, kommt es zum guckt sich die Tiere an und genießt das Leben. Phantom schmerz. Wie es weitergehen wird? „Da mache ich mir Bei Katrin van gen Hassend ist dieser jetzt nicht so viele Gedanken. Ich nehme das, was zum Glück verschwunden. Mittlerweile darf kommt. So wie bisher.“ sie sogar wieder Auto fahren, nach Fahr­ Silja Schwencke 24 CNE.magazin 5.23 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

medien medien-tipps probleme werden aufgegriffen und Stück für Stück erklärt. Besonders überzeugend sind dabei die praxisnahen Tipps. Ein toller Leitfaden für mehr Verständnis und Motivation im Lernprozess. Kathrin Hilkens, Aachen Waldinger und Schulz, The good life, ... und wie es gelingen kann, Kösel-Verlag, 24,00 € The good life Wie bleibt man wirklich glücklich und hat allen Widrigkeiten zum Trotz ein gutes Leben? Genau das wollten die beiden Professoren und Autoren dieses Buches herausfinden und haben dafür die Ergebnisse der einzigartigen „Harvard Study of Adult Development“ zusammengetra- gen: Diese hatte das Leben ihrer Teilnehmer 80 Jahre lang und über 2 Generationen hinweg begleitet. Dank der spannenden und ergreifen- den Einblicke in die Lebensgeschichten wird beim Lesen bald klar: Es sind unsere sozialen Beziehungen und Verbindungen zu anderen Menschen, die uns glücklich und zufrieden machen. Für viele Menschen ist es aber nicht einfach, soziale Kontakte aufzubauen und über lange Zeit zu halten. Die Autoren haben deshalb einige Tipps und Verhaltensweisen sowie Fragen zur Selbstreflexion einfließen lassen, die etwa dabei helfen sollen, wichtigen Menschen in unserem Leben mehr Aufmerk- samkeit zu schenken – jeden Tag ein bisschen mehr, sodass man selbst im Umkehrschluss immer glücklicher wird. Die schönste Erkennt- nis und gleichzeitig der Titel des letzten Kapitels:„Es ist nie zu spät, um glücklich zu sein.“ Den Anfang könnten Sie mit diesem Buch machen, denn nach der Lektüre sind Sie bestimmt ein kleines bisschen glücklicher. Alena Kunter, München Blank und Sbiegay. Lern­­coaching­in­der­Pflege.­ Auszubildende begleiten und beraten, Kohlhammer, 29,00 € Lerncoaching in der Pflege „Lernen ist viel mehr als die Aneignung von Wissen“, konstatieren Andreas Blank und Steffi Sbiegay in ihrem Buch und haben verstanden, worum es bei der Anleitung von Auszubilden- den wirklich geht. In ihrem Buch erklären sie Praxisanleitenden, wie sich die Anforderungen an Lernende und Lehrende durch das neue Pflegeberufegesetz verändert haben. Dabei beantworten sie nicht nur die Frage, wie Lernen eigentlich funktioniert, sondern geben auch wertvolle Tipps für die didaktische Gestaltung der Lernsituation. Lernherausforderungen wie Prüfungsangst, Konzentration und Motivations- impressum Eigentümer und Copyright © Georg Thieme Verlag KG 2023 Verlag: Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstr. 14 70469 Stuttgart Telefon: 0711/8931­420 Telefax: 0711/8931­871 Kontakt: https://kundenservice.thieme.de cne.thieme.de Persönlich haftender Gesell schafter: Dr. Albrecht Hauff Registergericht: Stutt gart Registernummer: HRA 3499, Verkehrsnummer 16427 Umsatzsteuer­ID gemäß § 27 a UStG: DE 147638607 ISSN: 1864­1865 Programmplanung Pflege: Thomas Moser V.i.S.d.P.: Simone Schwarz Fachredaktion: Kathrin Hilkens, Christine Köhler, Alena Kunter, Jael Ramsden, Stefanie Reuter Marketing: Stephanie Strobel Satz: Christine Köhler, Jael Ramsden Herstellung: Selina Römer Druck und Bindung: Vogel Druck und Medienservice GmbH, Höchberg Jahresbezugspreis für Privat perso nen: 325 € inkl. 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