Pfl ege. up-to-date Pfl ege. vernetzt Pfl ege. selbst gestaltet Pfl ege. kompetent Pfl ege. nachhaltig Pfl ege. menschlich Jetzt Ticket sichern! 28. – 29. September 2023 | hub27, Messe Berlin Seien Sie dabei, wenn der Deutsche Pfl egetag im September zum 10. Mal seine Pforten öffnet – in neuer Location. Es erwarten Sie 80 Sitzungen mit über 250 hochkarätigen Referent:innen aus Politik, Gesundheitswesen und Wirtschaft, sowie viele Highlights: Von der Eröffnungsveranstaltung mit der Präsidentin des Deutschen Pfl egerats, Christine Vogler und Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach über die Verleihung des Deutschen Pfl egepreises bis hin zur Pfl egetags-Party – vor Ort dabei zu sein, lohnt sich mehr denn je! www.deutscher-pfl egetag.de

science kompakt Professionelle Gesundheits- kompetenz Pflege schätzt eigene Fähigkeiten optimistisch ein P flegefachpersonen schätzen ihre profes- sionelle Gesundheitskompetenz allge- mein recht positiv ein. Allerdings haben viele Probleme damit, statistische Ergebnisse richtig einzuordnen sowie Evidenz und Vertrau- enswürdigkeit von Fachinformationen korrekt zu beurteilen. Dies ergab eine aktuelle Studie unter der Beteiligung der Hertie School und der Universität Bielefeld. Hierfür wurden in Deutschland über 600 Pflegefachpersonen und über 300 Allgemeinärzte im Rahmen einer On- lineerfassung zu ihrer „professionellen Gesund- heitskompetenz“ befragt. Dies war das erste Mal, dass Angehörige von Gesundheitsberufen zu diesem Thema befragt wurden. In vorherigen Untersuchungen stand stets die persönliche Gesundheitskompetenz im Fokus, also „die Fä- higkeit, Gesundheitsinformationen suchen und finden, sie verstehen, beurteilen und für die eigene Gesundheit nutzen zu können“ (Sørensen et al., 2012). Diese scheint in Deutschland nicht sehr ausgeprägt zu sein: Laut Autoren weisen fast 60 % der über 18-Jährigen eine geringe Ge- sundheitskompetenz auf und sehen sich vor große Schwierigkeiten im Umgang mit Gesund- heitsinformationen gestellt (Schaeffer et al., 2021a). In der aktuellen Studie wurden aber Pflegende und Ärzte zu ihrer professionellen Kompetenz befragt, also jene, die nötig ist, um die Gesundheitskompetenz von Patienten zu fördern. Hierfür mussten sie einschätzen, wie leicht oder schwer ihnen Aufgaben in diesen vier Bereichen fallen: Informations- und Wissens- management, Informations- und Wissensver- mittlung, patienten zentrierte Kommunikation, professionelle digitale Gesundheitskompetenz. Ergebnis: Von den 0 bis 100 möglichen Punkten liegt der Punktwert in keinem der Aufgabenbe- reiche unter 50. 17 % der Pflegenden fällt es aber schwer, statistische Ergebnisse richtig zu bewer- ten, 37 % finden falsch informierte Patienten kra herausfordernd. Schaeffer D, Haarmann A, Griese L (2023): Ergebnisse HLS-PROF-GER. Berlin/Bielefeld: Hertie School, Uni Bielefeld, Stiftung Gesundheitswissen 2 CNE.magazin 4.23 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

science kompakt kurz & bündig Post Covid Ein Viertel der Post-Covid-Betroffenen leidet unter Muskelschmerzen und frühzeitiger Muskel ermüdung in den Beinen. Im MRT zeigen sich keine Entzündungszeichen oder Dystrophien – jedoch mikrostrukturelle Veränderungen. Forschende vermuten ein Schrumpfen von Muskelgewebe durch Dekonditionierung. lk Eur J of Neurol 2023; 30: 970–981 Gesund im Mund Mundgesundheit und psychisches Wohlbe- finden scheinen in Verbindung miteinander zu stehen. Wahr genommener Stress macht sich oft durch Befindlichkeitsstörungen im Mund bemerkbar. Außerdem berichten Menschen mit Depressionen, Angst oder Essstörungen häufig über Beschwerden im Mund wie Zahn- und Kieferschmerzen. sisa Curr Psychol 2023; DOI: 10.1007/s12144-022-04121-8 Kinder = Glück in der Beziehung? Kinder sind kein Glücksgarant für werdende Eltern. In den Jahren vor der Geburt werden diese zwar bis zum Höhepunkt der Entbindung zufriedener, 5 Jahre danach ist das Wohlbefinden aber wieder vergleichbar mit den Jahren vor der Geburt. Gleichzeitig steigt allerdings das Risiko für Ärger und Stress ab der Elternschaft rasant an. sisa Emotion 2023; DOI: 10.1037/emo0001217 Kicken erhöht Demenzrisiko Profifußballer haben ein erhöhtes Risiko für die Alzheimer- und andere Demenz- erkrankungen. Interessant: Scheinbar sind nur Feldspieler betroffen, keine Torhüter. Verstärkte Maßnahmen zum Schutz des Gehirns wären künftig wünschenswert. sisa The Lancet Pub Health 2023; 8: e256–e265 © Melinda Nagy/stock.adobe.com 4 tipps & trends © upixa/stock.adobe.com Neue G-BA-Vorgaben zur Notfallversorgung Am 6. Juli 2023 veröffentlichten die Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) die Vorgaben für ein qualifiziertes und stan- dardisiertes Erst einschätzungsverfahren in Notaufnahmen von Krankenhäusern gemäß § 120 Absatz 3b SGB V (Ersteinschätzungs- Richtlinie). Die Mindestanforderungen an das Verfahren beziehen sich auf digitale Assis- tenzsysteme sowie auf die Qualifikationen des beteiligten medizinischen Personals, um die Reform der Notfallversorgung vor anzutreiben. Die erste große Veränderung stellt ein erweiter- tes Ersteinschätzungsverfahren für Menschen dar, die keinen sofortigen Behandlungsbedarf aufweisen. In drei Dringlichkeitsgruppen wer- den die Zeitfenster und Versorgungsorte zur Behandlung definiert. In Anbetracht der zu er- wartenden umfassenden Konvergenz phase der anstehenden Kranken hausreform soll diese Reform der Notfallversorgung zusätzlich zeitnah zum Juni 2024 umgesetzt werden. sisa www.g-ba.de Drohnen verschicken Laborproben Vorausichtlich ab August sind erstmals in Europa Drohnen in der Medizinlogistik im Regelflugbetrieb unterwegs. Die Drohnen transportieren Laborproben zwischen den Helios Kliniken in Breisach und Müllheim. Für diese etwa 30 Kilometer lange Strecke zwischen den Kliniken benötigt die Drohne rund 25 Minuten – ein großer Vorteil im Vergleich zum Straßenverkehr. kra Helios Kliniken Fachkräfteeinwanderung erleichtern Im Juli hat der Bundestag den Gesetzentwurf zur Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes beschlossen. Das Gesetz soll es Unternehmen erleichtern, Fach- und Arbeitskräfte aus dem Ausland zu akquirieren. Eine schrittweise Umsetzung ist ab Herbst 2023 geplant. Die Reform fußt auf drei Säulen: der Fachkräfte-, der Erfahrungs- und der Potenzialsäule. sisa www.lirscientific.com Neuer Entwurf zur Krankenhausreform schockiert Verbände Bund und Länder haben sich auf Eckpunkte zur Krankenhausstrukturreform geeinigt. Die Berufsver- bände äußern scharfe Kritik. Christine Vogler, Präsidentin des DPR attestiert unter anderem: „Die Politik zementiert die Pflege nach wie vor in den ärztlich dominierten Arbeits-, Befehls- und Verant- wortungsstrukturen des 19. Jahrhunderts.“ sisa www.deutscher-pflegerat.de CNE.magazin 4.23 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

berufspolitik Leiharbeit: Problem oder Lösung? Dünne Personaldecke, Ausfälle, die kompensiert werden müssen – das ist der Pflege- alltag in Deutschland. Vielerorts sind Zeitarbeitskräfte eine gängige Methode, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Aktuell gibt es kontroverse Diskussionen, die Zeit- arbeit zu verbieten bzw. einzuschränken und damit der Leasingspirale zu entfliehen. D ie aktuelle Diskussion zeigt: Leiharbeit in der Pflege hat rasant zugenommen. Waren es 2014 noch rund 12 000 Leasingkräfte, die in der Pflege und klinischen Geburtshilfe tätig waren, stieg laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit bis 2018 die Zahl auf fast das Doppelte: 22 000 befristete Leih- arbeitskräfte. Auch in der Alten pflege hat sich die Zahl der zeitweisen Pflegeunterstützung im selben Zeitraum um 50 Prozent auf 12 000 erhöht. „Obwohl seit 2020 die Kosten für Leih- arbeit nur bis zum Tariflohn budgetiert wur- den und Zahlungen von Vermittlungsentgelten nicht im Pflegebudget berücksichtigt werden konnten, steigt die Zahl der Leiharbeitnehmer weiter an – seit 2017 um insgesamt 64 Pro- zent“, erklärt Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerates (DPR). Der Ruf nach einer Begrenzung oder gar eines Verbotes der Leiharbeit wird – wieder einmal – laut. Auch oder gerade weil der Berliner Krankenhausge- sellschaft zufolge die Krankenhäuser zwei- bis zweieinhalbmal so viel Geld für eine Leasing- kraft zahlen wie für Festangestellte. Viele Leiharbeitnehmer in der Pflege 26 582 Leiharbeitnehmer waren 2022 in der klinischen Pflege beschäftigt – zusammen mit der Altenpflege sogar 43 556. Während die einen stöhnen, stellen sich die Zeitarbeitsfirmen offen hin und postulieren, dass sie die besseren Arbeitgeber seien und die Hälfte aller Zeitarbeiter in der Pflege bei einem Verbot der Zeitarbeit die Tätigkeit aufgeben und eben nicht – wie häufig gemutmaßt – wieder in die Festanstellung zurückkehren würde. Zugegebenermaßen ist dies ein Ergebnis einer 6 Befragung, die vom Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister und dem Interessen- verband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen in Auftrag gegeben wurde. Dennoch sind einige Ergebnisse dieser Onlinebefragung durchaus bedenkenswert, denn sieben von zehn Arbeits- kräfte entscheiden sich für ein Zeitarbeits- unternehmen, weil sie dort besser verdienen. Für jeden Dritten ist Dienstplansicherheit der Grund, in die Zeitarbeit zu wechseln. Und die Hälfte der Befragten fühlt sich bei der Zeit- arbeitsfirma mehr wertgeschätzt als bei ihrem vorherigen Arbeitgeber. Klares Ergebnis ist, dass für die meisten der befragten Leasing- kräfte die Zeitarbeit ohne Alternative ist. Verbot oder Eindämmung möglich? Wie ambivalent das Thema diskutiert wird, zeigt ein Vorschlag der Deutschen Kranken- hausgesellschaft (DKG) aus dem März dieses Jahres, in dem sie ein Verbot der Leiharbeit forderte, ähnlich wie im Baugewerbe. Dieser Vorstoß ist nicht neu und wurde bereits 2019 von einer Berliner Allianz der Krankenhäuser gemacht, die neben einer Preisbindung auch eine zeitliche Reglementierung der Leiharbeits- kräfte angestrebt hatte. Die Bemühungen dieser Allianz verliefen – wie so vieles – im Sande. Das Problem indes hat sich nicht erledigt. Während die Politik – einst Gesundheits- minister Jens Spahn (CDU) und jetzt Arbeits- minister Hubertus Heil (SPD) – nach Brasilien und Mexiko reist, um Arbeitskräfte für die Gesundheitsbranche anzuwerben, sind diese bereits bei uns im Land. „Wenn ich bei uns im Bildungscampus an den Getränkeautomaten gehe, stehen da 20 Brasilianerinnen, die von ihren Einrichtungen zu uns in die Integrations- lehrgänge geschickt werden“, erklärt Vogler, die in ihrem hauptamtlichen Leben den Berliner Bildungscampus leitet. Die Politik scheint der eigentlichen Entwicklung hinter- herzuhinken. Auch der jüngste Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), die Leiharbeit einzudämmen, indem die Mehrkosten auch in der stationären Alten- pflege nicht ersetzt werden sollen, ignoriert die Praxis. Die erneute Empfehlung der Berliner Kran- kenhausgesellschaft vom März, die Arbeit- nehmerüberlassung strenger zu steuern und sich mit den Leasingfirmen auf neue Verträge zu einigen, schwebt ebenfalls noch in der Luft. Beinahe resigniert betont die DPR-Präsidentin zu der Debatte, dass nicht „Leiharbeit- nehmer*innen in der Pflege das Problem sind, sondern das Ergebnis unzureichender Arbeits- bedingungen und zum Teil auch fehlender Führungskompetenzen“. Sie plädiert dafür, dringend Arbeitsbedingungen zu schaffen, die Leiharbeit in der Pflege nicht mehr regelhaft erforderlich mache, sondern lediglich die Aus- nahmen bilde. Zwei Seiten der Medaille Dass Leiharbeit durchaus zwei Seiten hat, zeigt ein Bericht aus dem Tagesspiegel vom 1. Juni, in dem eine Pflegekraft verrät, warum sie aus der Leasingfirma wieder zurück in die Festanstellung gewechselt ist. Der männliche Pfleger gibt zwar zu, dass er in der Leasing- firma „seine Dienste so legen konnte, wie ich wollte“, und er auch „nicht am Wochenende oder an Feiertagen arbeiten“ musste. Der CNE.magazin 4.23 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

berufspolitik – Mini-Umfrage Wie klappt die Zusammenarbeit mit Leiharbeitern auf Ihrer Station – sind die Kollegen eine gute Entlastung? Teilnahme unter: cne.thieme.de/umfrage eben nicht die pflegerische Qualität beim Ein- satz von Leiharbeitskräften leide, sondern allenfalls die arbeitstechnische prozessuale Organisation. Vogler ist der Auffassung, dass die gesamte Diskussion um Leiharbeit in der Pflege „viel differenzierter betrachtet“ werden müsse. Einig sind sich alle: Trotz verkürzter Visa- Verfahren und zahlreicher Staatsbesuche in Ländern wie Mexiko und Brasilien – es hat sich in der Pflegerealität noch nichts verändert. „Wir steuern mit großen Schritten auf den Kipppunkt hin, der 2026/27 kommen wird, wenn der erste Schwung an Pflegekräften kollektiv in Rente geht“, ist sich Vogler sicher. Bis dahin sollte die Politik endlich den Fokus darauf setzen, „wie wir die Bedingungen, die die Pflegenden in den Leiharbeitsfirmen fin- den, in die reguläre Arbeitsmarktsituation“ der Pflege integrieren können. Familienfreundliche Arbeits bedingungen, angemessenes Gehalt, Mitarbeiterförderung und Wertschätzung sind laut Kuhnert in der Praxis die Hebel, an denen geschraubt werden muss, um Mitarbeiter zu überzeugen, in der Pflege zu bleiben oder in die Festanstellung zurückzukehren. Da können auch Arbeitgeber ansetzen. Natürlich findet die DPR-Präsidentin es un- angemessen, dass die Leiharbeitsfirmen Geld aus dem System abschöpfen, das nicht unein- geschränkt bei den Pflegenden ankommt: „Das meiste Geld fließt aus dem Sozialsystem in die Firmen selbst ab“, ärgert sie sich. Hier gelte es regulatorische Maßnahmen anzusetzen – beim Geld, nicht bei der Leiharbeit an sich. Denn immerhin sei Leiharbeit ein „Ventil, das wenigstens noch etwas Druck aus dem Kessel nimmt“. Alexandra Heeser – Interview – Denn frei ist frei! Quelle: Kirsten Oborny/Thieme (Symbolbild) Welche Vorteile hat man als Pflegekraft in der Leiharbeit gegenüber dem Stamm­ personal auf den Stationen? Als Pflegekraft in der Leiharbeit hat man die volle Kontrolle über seinen Dienstplan: die Stundenanzahl im Monat, die Anzahl der Dienste pro Woche und auch die Schichten an verschiedenen Tagen. Es gibt keine Anrufe, mit denen man in seinem Frei überrascht wird und für Kolleg*innen einspringen soll. Die Urlaubsplanung kann recht kurzfristig, mitunter sogar einen Monat im Voraus gemacht werden. In der Festanstellung in einem großen Team kaum denkbar. 8 Als Leiharbeitskraft ist man zudem aus dem festen Teamgefüge raus. Interne Debatten, Team-Versammlungen, Probleme, Konflikte u. ä. betreffen Leiharbeitnehmer*innen nicht. Für mich war das ein erleichterndes Gefühl nach elf Jahren in einem festen Team, auch wenn ich prinzipiell gern im Team arbeite. CNE.magazin 4.23 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

ausland Hoffen zwischen Trümmern Über 58 000 Menschen starben, als Anfang des Jahres in der Türkei und in Syrien die Erde bebte. Dank internationaler Rettungsteams konnten aber auch Verschüttete lebend geborgen werden. Einer der Helfer: Simon Gutzeit, Gesundheits- und Krankenpfleger und Teammitglied der Duisburger Hilfsorganisation I.S.A.R. Germany. A m 6. Februar 2023 bebt um 2 Uhr 36 und im angrenzenden Syrien die Erde. deutscher Zeit im Südosten der Türkei In einem Umkreis von ungefähr 400 Kilometern führerinnen, Logistikern, Feuerwehrleuten und in der Türkei die Erde, am Dienstagmorgen der Tierärztin und blieb. In vielen Wochenend- übungen lernte er nach und nach alle Geräte kennen, baute unzählige Male das Zelt auf und kommt das Team von I.S.A.R. dort an, mit sieben Hunden und 42 Menschen. Betroffen ist im Land eine Fläche etwa so groß wie Öster- stürzen über 200 000 Gebäude ein. Es ist eines wieder ab, schlief darin und übte, ohne Kom- reich. „Bis ich es gesehen hatte, konnte ich es der schwersten Erdbeben der Region seit dem fort zu leben. In allen möglichen Szenarien mir nicht vorstellen“, sagt Simon Gutzeit. Beginn der Aufzeichnungen. Um 4 Uhr 47 versorgten sie Verletzte, die von einer eigenen „Apokalyptisch, anders kann ich es nicht be- klingelt in Oberhausen neben dem Bett des Gesundheits- und Krankenpflegers Simon Gutzeit das Handy – ein besonderer Alarm mit Darstellertruppe gespielt wurden – von schreiben.“ Hier und da steht noch ein Haus, Kopfver letzungen, vaginalen Blutungen bei aber meist so ruiniert, dass niemand mehr dort Schwangeren über das ABCDE-Schema bis hin einer Nachricht der Duisburger Organisation zur Triage. Auch an Online-Security-Work- I.S.A.R., International Search and Rescue: „Es gab shops der UN nahm er teil, denn I.S.A.R. arbei- heute Nacht ein Erdbeben in der Türkei, wir tet unter dem Dach der Vereinten Nationen, rücken aus.“ und ihre Sicherheitseinweisungen für Ausland- seinsätze sind Pflicht. Gut und jahrelang geprobt Simon Gutzeit könnte den Einsatz ablehnen und sich wieder ins Bett kuscheln. Er ist Beatmungstherapeut und arbeitet in der Beatmungspflege. Bei I.S.A.R. engagiert er sich, wie alle 180 Mitglieder, nur ehrenamtlich. Apokalyptisch, anders kann ich es nicht beschreiben. wohnen kann. Nach Naturkatastrophen wie diesem erhalten betroffene Länder Unterstüt- zung durch die UN, die hilft, die Region zu kartografieren und internationale Helfer ein- zuteilen. Das Team landet zunächst in Gaziantep, um dann weiterzufahren in die Region Kırıkhan, Provinz Hatay, 20 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Klopfen und Atmen unter dem Schutt Simon Gutzeits erster Einsatzort liegt in der Allerdings hat die Organisation ihn genau für Vier Jahre dauerte es von Simon Gutzeits Nähe einer Moschee. Aus dem Haus daneben solche Einsätze ausgebildet. I.S.A.R. Germany erster Übung bis zu seinem ersten Einsatz: Im hat jemand Stimmen gehört. Die Allerersten, ist eine gemeinnützige Hilfsorganisation, die Juni 2020 half er mit einem Team von I.S.A.R. die das Überleben eines Menschen unter weltweit Hilfe bei Naturkatastrophen, Un- zwei Wochen lang in Armenien auf Covid- Trümmern bestätigen können, sind die glücksfällen und humanitären Katastrophen Stationen. Im November 2020 ging es dann Rettungs hunde. Sie werden vorgeschickt. „Oft leistet, vor allem auch bei der Suche nach Ver- schütteten. 2020 flog ein Team zum Beispiel nach der Explosion im Hafen von Beirut in den Libanon, 2021 half eines nach dem Erdbeben in Haiti. Simon Gutzeit kam vor knapp acht Jahren über einen befreundeten Hausarzt zu I.S.A.R., als er an einer ersten Wochenend- übung in Hünxe am Niederrhein teilnahm, auf dem Gelände des Bundesverbandes Rettungs- hunde. Er fühlte sich wohl zwischen den Rettungsmedizinern, Pflegekräften, Hunde- 10 nach Namibia, auch wegen der Covid- wissen wir zunächst nicht, wie instabil das Pandemie. Von Hünxe nach Kırıkhan Der Fachkrankenpfleger kennt alle Team- mitglieder für den Türkei-Einsatz. Er vertraut ihnen, er mag sie. Von seinem Oberhausener Bett aus sagt er ja, er fliegt mit. Dann geht alles schnell: Am Mittag treffen sie sich in Hünxe, beladen die LKWs und fahren nach Köln zum Ganze ist, und Hunde können sich so exzellent bewegen“, sagt Simon Gutzeit. Wenn unter den Trümmern jemand lebt, schlägt der Hund an. Zur Kontrolle folgt immer noch ein Zweiter hinterher. Hinweise können außerdem noch ihre Bioradar-Geräte geben, die selbst durch Betonwände hindurch bis in sechs, sieben Me- tern Entfernung kleinste Bewegungen erken- nen, etwa das Atmen eines Menschen oder Flughafen. Von Sonntag- auf Montagnacht bebt seinen Herzschlag. CNE.magazin 4.23 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

ausland Am Haus neben der Moschee schlagen die tet, dass er nicht herauskam. „So ein Gebäude Hunde an, und das Team von I.S.A.R. bahnt sich über einem, das wiegt halt auch“, so Simon langsam einen Weg durch die Trümmer. Leise Gutzeit. Gänse haut bekommen die Teammit- hören sie etwas, Klopfen oder Rufen. Nach glieder, als der Junge am nächsten Tag noch knapp vier Stunden können sie, hinter einem einmal vorbeischaut, um sich zu bedanken. Kühlschrank und einem Holzschrank, in einem Treppenhaus eine etwa 40-jährige Frau retten. Um etliche Ecken herum tragen sie sie auf Die Hunde schlagen nicht immer an Die Teammitglieder von I.S.A.R. arbeiten in einer einem Spineboard zum Ambulanzwagen. Tag- und einer Nachtschicht, jeweils für zwölf Da es in der Nacht zwei Erdbeben hinter- Stunden, nun in einem ursprünglich achtge- einander gab, wurden viele Menschen in schossigen Gebäude, das auf eine Höhe von fünf Treppen häusern verschüttet. Beim ersten Beben griffen die allermeisten wohl die Kinder und noch eine Decke, und bevor sie im Freien waren, Metern zusammengestaucht wurde. Hier liegt ein Mensch hinter fast zwölf Metern Schutt. Langsam kommen sie näher. Immer wieder © I.S.A.R. Germany kam das zweite Beben. Die 40-Jährige überlebt, stoßen Leute zu ihnen, die an anderen Stellen jedenfalls hat Simon Gutzeit nichts Gegen- noch etwas gehört haben wollen oder die vor teiliges gehört. „Diese Frau war eine der Ersten, kurzer Zeit von irgendwo aus den Trümmern Während die Nachtschicht weiter am achtge- die von internationalen Teams gerettet wurde, noch eine SMS erhielten. Die Rettungs hunde schossigen Haus arbeitet, hat Simon Gutzeit weil wir so schnell da waren“, sagt er. „Das hat haben viel zu tun. „Die Bevölkerung stand ma- Pause im Zelt, im Feldbett. „Mit echtem Aus- sich in der Region schnell herumgesprochen: Es ximal unter Adrenalin“, sagt Simon Gutzeit. ruhen und Schlafen hatte das aber wenig zu kann noch jemand gerettet werden.“ „Alle wollten mithelfen.“ Nicht selten brauchen tun“, sagt er. Zum einen ist es bitterkalt, minus Als Nächstes können sie einen 16-jährigen Jungen befreien, der auf den ersten Blick un- verletzt geblieben ist, er war nur so verschüt- sie ihre ganze Überredungskunst, um Menschen davon abzuhalten, in Flipflops auf die Trümmer zu klettern, um jemanden der Familie zu retten. © I.S.A.R. Germany Simon Gutzeit vor Ort in der Türkei bei der Arbeit im Rettungseinsatz © I.S.A.R. Germany Einer der Hunde durchsucht unzugängliches Gelände vorab. 12 zwölf Grad Celsius. Außerdem erzittert die Erde ab und zu in kleinen Nachbeben. Und dann sind da noch die Eindrücke des Tages, die ihm im Kopf herumschwirren: der kleine Croc in den Trümmern, der zu einem Menschen gehörte, der wahrscheinlich kaum drei Jahre alt war. Und die etlichen Male, als sie sagen müssen: Die Hunde schlagen nicht an, und da ist kein Klopfen mehr. Sie sehen viele Tote. Hundert Stunden Leben unter acht Stockwerken Unterschiede zwischen den Berufsgruppen spielen hier viel weniger eine Rolle als im Ar- beitsalltag in Deutschland. Jeder arbeitet nach seinen Fähigkeiten, und auch die Pflegekräfte wissen, wie ein Aufbrechhammer und eine Bohrmaschine funktionieren. Knapp 55 Stun- den dauern das Bohren, Buddeln, Schleifen und Flexen am achtstöckigen Haus an, zusammen mit der Hoffnung „Lass bitte diesen Menschen überleben“. Nach 55 Stunden können die CNE.magazin 4.23 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

LEITLINIEN UND STANDARDS IN DER PFLEGE Pflegestandards sind Handlungsrichtlinien, an denen sich Pflegende für ihre Arbeit am Patienten orientieren können. Sie werden betriebsintern erstellt und gelten nur innerhalb der entsprechenden Einrichtung. Mit jeder neuen pflegewissenschaftlichen Erkenntnis können Änderungen der Pflegestandards vorgenommen werden. So können die Gesundheitseinrichtungen sicherstellen, dass eine möglichst optimale Versorgung mit hoher Pflegequalität stattfin- det.Auch Expertenstandards zählen zu den Pflegestandards. Diese werden allerdings von einer Expertengruppe formuliert und gelten für die gesamte Berufsgruppe. Man unterscheidet die folgenden Pflegestandards: Universalstandards Richtlinienstandards Lokale Standards international gültig Herausgeber sind große internationale Organisationen (z. B. WHO, ICN) Hierzu zählen auch Experten- standards. national gültig Sicherung des Pflegeniveaus hausinterne Standards spezifische Handlungsabläufe für Patientengruppen Definit Formen Ziele Verbesserung von Qualität in der Pflege Vereinheitlichung von Arbeitsweisen Erhöhung der Transparenz von Pflegeprozessen Bei der Implementierung von Pflegestandards in die Praxis kann wie folgt vorgegangen werden: 1 Verantwortliche festlegen, die sich auf Soll-Ziele einigen und diese bis zu einem bestimmten Zeitpunkt umsetzen. 2 Fortbildungsbedarfe der Mitarbeitenden erkennen und ihnen die Inhalte der Standards erläutern 3 Pflegestandards in die alltägliche Pflegepraxis integrieren. Neuerungen können für alle einsehbar dokumentiert und somit festgehal- ten werden. 4 Evaluation, Diskussion und ggf. anschließende Anpassung der Pflegestandards Transfer in die Pr Recherc Hier finden Sie Neuigkeiten zu Pflege- und Expertenstandards: www.dnqp.de www.icn.ch www.who.int 14 CNE.magazin 4 . 23 | © 2023 . Thieme. All rights reserved.

pflege und mehr – Interview – Im inneren Chaos Wenn sich Besuch ankündigt, heißt es für die meisten von uns: erst mal aufräumen. Was ist aber, wenn das nicht möglich ist? Wenn so viele Sachen rumliegen, dass kein Durchkommen mehr ist? Wir haben mit Messie-Expertin Veronika Schröter über Ursachen und Hintergründe des Messie-Syndroms gesprochen – und darüber, was Pflegende tun können. scheidung ist sehr wichtig, denn nicht nur in ihren Ursachen, sondern auch in ihren Rechtsgrundlagen unterscheiden sich diese Ausprägungsformen. Was bedeutet „Pathologisches Horten“? Ab welchem Punkt wird eine Sammelleiden- schaft zur Krankheit? Zunächst ist anzumerken, dass das Patholo- gische Horten seit Januar 2022 als eigen- ständiges Krankheitsbild in die ICD-11 der WHO aufgenommen wurde. Die Haupt- symptomatik ist, dass sich diese Menschen nicht von ihren Dingen trennen können. Das Sammeln von materiellen Sachen ist für sie eine Überlebensstrategie, ein Schutz vor vergangenen oder aktuellen Verletzungen und Traumata. Es geht für die Betroffenen nicht darum, ob die Dinge schön oder hässlich, nützlich oder überflüssig sind. Diese Entscheidung können sie gar nicht treffen. Ich habe einmal eine Frau kennen- gelernt, deren Mutter Schneiderin war. Die Mutter nähte sehr viel Kleidung für ihren Mann, die Brüder und sich selbst, aber nicht für die Tochter. Später wollte diese Frau selbst Schneiderin werden, um der Mutter © Franz Pfluegl/stock.adobe.com Frau Schröter, Sie beschäftigen Sie sich seit Gesellschaftsschicht. Das stimmt so nicht. auf diesem Weg näherkommen zu können. über 20 Jahren mit dem Messie-Syndrom. Zusammen mit der Universität Freiburg Da die Eltern jedoch ein Unternehmen Was ist darunter genau zu verstehen? In der Forschung gab es auf diese Frage lange konnte ich drei Ausprägungstypologien des Messie-Syndroms klar abgrenzen. Sie können keine klare Antwort. Messie-Syndrom sich das so vorstellen: Das Messie-Syndrom ist assoziierten viele Leute mit Menschen, in die große Überschrift und darunter gibt es die deren Wohnung oder Haus sich der Müll drei Erscheinungsbilder „Pathologisches stapelt oder bei denen es riecht, an Bezieher Horten“, „Vermüllungssyndrom“ und von Hartz IV, eben an eine bestimmte „Verwahrlosungssyndrom“. Diese Unter- 16 hatten, entschieden sie, dass die Tochter Bürokauffrau werden sollte, um im Familien betrieb mithelfen zu können. Als die Eltern schließlich starben, hat die Frau angefangen, sich selbst Stoffe zu kaufen. Das ganze Elternhaus war eingepackt in Stoffe. Verpackt in Säcken und Kartons, die sie nie CNE.magazin 4.23 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

pflege konkret Quelle: Kirsten Oborny/Thieme (Symbolbild) Kleiner Piks mit großer Wirkung Ohrakupunktur, Aromaöle oder auch Nasensticks können im Rahmen eines inte- grativen Behandlungsmanagements helfen, Symptome wie Schmerzen, Übelkeit und Schlafprobleme zu lindern und eine wertvolle Ergänzung zur Schulmedizin sein. Mehr über komplementäre Pflegemethoden lesen Sie hier. A ngefangen hat es bei uns am Asklepios mit einer Kollegin aus der Anästhesie, Klinikum am Standort Schwalmstadt die positiven Gedanken, Eindrücke und die Ge- rüche der vielen verschiedenen Aromaöle. Ihr Entschluss war schnell gefasst: Sie wollte das Konzept auf ihrer unfallchirurgischen/ortho- die sich fortgebildet und dann die Ohr- akupunktur postoperativ angewendet hat“, pädischen/neurochirurgischen Akutstation erinnert sich Matina Dambmann an die Anfänge der komplementären Pflege. Nachdem diese Kollegin das Haus verlassen hatte, hat sich Dambmann überlegt, das Thema für die Akut- station nochmal anzugehen und umzusetzen. Sie reiste mit einer Kollegin nach Bayreuth und hat dort die „Weiterbildung zur Pflegeexpertin für integrativ-medizinisches Behandlungs- management“ absolviert. Direkt in der ersten Seminarwoche erfuhren sie, was die komple- mentäre Pflege mit all ihren Facetten für sie und auch für ihre Patentinnen und Patienten bieten kann. Bereits auf der mehrstündigen Heimreise erinnert sich die Stationsleitung an umsetzen und hat nach Absprache mit der Leitungsebene damit angefangen. „Wir wollten nicht nur die Theorie vermitteln, wir wollten, dass die Kollegen direkt die Praxis selbst aus- probieren konnten,“ erzählt die Stationsleitung über den Start des Projekts an ihrem Haus. „Das motivierte Stationsteam war von den diversen Aromaölen, Nasensticks und der Ohrakupunk- tur begeistert“, berichtet Dambmann stolz. Komplementäre Pflege kommt an Die 35 Kollegen wurden daraufhin kurzerhand zum „Versuchskaninchen“ für Ohrakupunktur. Eine Kollegin war so begeistert, dass sie die 18 beiden Kursteilnehmerinnen bat, sie beim Kampf gegen das Nikotin zu unterstützen. Sie wollte in Kürze in Rente gehen – und das als Nicht-Raucherin. Dambmann und ihre Kollegin setzten ihr die entsprechenden Nadeln. Das Ergebnis: Die Ohrakupunktur hat ihr geholfen, sie war mit Renteneintritt Nicht-Raucherin. „Unser Chef stand die ganze Zeit voll hinter uns und wir haben geschaut, was wir aus der Weiterbildung bei unseren Patienten umsetzen können. Das fing an bei Aromaölen, wie zum Beispiel Pfefferminze gegen Übelkeit, die wir ebenso wie die Ohrakupunktur postoperativ erst einmal nur auf unserer Station eingeführt haben“, weiß die Pflegeexpertin zu berichten. Immortelle-Spray in Verbindung mit Häma- tom-Öl wird seither regelmäßig postoperativ für mehrere Tage bei allen Hüft- und Knie- endoprothesen eingesetzt. Die Blutergüsse CNE.magazin 4.23 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

pflege konkret gefunden, der diese Thematik als Ganzes er- fasst.“ Man hätte damals für jede Maßnahme wie Aromaöle, TENS-Behandlung oder Taping jeweils immer einzelne Kurse besuchen müs- sen. So kam es dazu, dass Scharnagel am Ende 2018 in Bayreuth ein Curriculum für einen Kurs erstellt hat – zum Pfl egeexperten für nicht-medikamentöse Schmerztherapie. Der Kurs war ursprünglich für das eigene Personal am Klinikum Bayreuth gedacht gewesen. „Es haben dann aber so viele Häuser angefragt, dass wir schnell drei Kurse pro Jahr mit jeweils 25 Teilnehmern aus dem ganzen deutschspra- Quelle: Kirsten Oborny/Thieme chigen Raum voll hatten“, erinnert sich Scharnagel an die Anfänge. Dann kam eines zum anderen und die Lawine war ins Rollen dass 35 Prozent der Befragten gerne mehr Schmerzmittel bekommen hätten. Davon hätten knapp 90 Prozent in gewissen Situati- gebracht, die Weiterbildung wurde zum Selbst- läufer. „Grüne“ Sprechstunde in Bayreuth Der allgemeine Trend, naturheilkundliche onen nicht-medikamentöse Maßnahmen gegenüber Medikamenten bevorzugt. Und auch im Kollegenkreis standen damals 70 Prozent den Neuerungen off en gegen über. Die Ärzte hingegen waren zu zwei Drittel Maßnahmen zur Linderung von Symptomen, skeptisch bezüglich des Themas nicht-medi- ergänzend zur Schulmedizin, einzusetzen ist im Kommen. Naturheilkundliche Maßnahmen sind laut Scharnagel bei den Patienten sehr beliebt. Das zeigen sowohl die Behandlungs- ergebnisse als auch Patientenbefragungen, die in Bayreuth regelmäßig gemacht werden. Be- fragungsergebnisse aus dem Jahr 2022, in dem 250 Patienten eingeschlossen wurden, zeigten Ver losung „Taschenatlas Ohrakupunktur nach Nogier/Bahr“ Machen Sie mit und gewinnen Sie das Buch zum Thema. Teilnahme unter: cne.thieme.de/quiz Einsendeschluss: 10.10.2023 20 kamentöser Behandlung, wenn auch nicht ablehnend. „Der Beginn der Ohrakupunktur ist mit dem Start von Dr. Bernd Linsmeier als leitender Tho- raxchirurg bei uns im Haus einherge gangen. Er ist ein versierter Experte in Sachen Ohraku- punktur mit der Zusatzbezeichnung Naturheil- kunde und ich habe sehr viel bei ihm lernen dürfen. Gemeinsam haben wir dann 2018 das Zentrum für Integrative Medizin am Klinikum Bayreuth gegründet, in erster Linie zur Senkung der Symptomlast bei den Patienten“, berichtet Scharnagel. Ein Produkt aus dieser gemeinsa- men Arbeit war auch die naturheilkundliche Ambulanz, die sogenannte Grüne Sprechstun- de. „Mittlerweile haben wir das Konzept um- gestellt von der Privatsprechstunde zu einem naturheilkundlichen Konsildienst, für den wir eigens eine Pfl egekraft eingestellt haben. Die Unterstützung seitens der Pfl egefachkraft geht jetzt bei uns quer durch alle Fakultäten, wobei die Anwendung der Ohrakupunktur neben der Aroma pfl ege im Vordergrund steht“, erklärt der Experte. Scharnagel erinnert sich noch an einen besonderen Fall: eine chemotherapeutisch be- handelte Patientin, die aufgrund der therapie- resistenten Nebenwirkungen der Medikamente keinen Lebenswillen mehr hatte. „Wir sind dann als quasi letzte Hoff nung von den Kolle- gen der Onkologie angerufen worden und haben bei der Patientin eine Ohrakupunktur durchgeführt und ihr ein passendes ätherisches Öl gegeben. Als wir nach einer halben Stunde die Nadeln im Ohr entfernt haben, hat uns die glückliche Patientin mitgeteilt, dass die Symp- tome weg sind“, erzählt er. Solche und ähnliche Erfolge hatte er inzwischen schon viele Male erlebt und das spricht für die Maßnahmen, „vor allem, wenn die Schulmedizin an ihre Grenzen stößt“. Der Trend zur nicht-medizinischen Schmerz- behandlung nimmt Fahrt auf und erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Aufgrund der eigenen Erfahrungen ist sich Scharnagel sicher, dass in fünf bis zehn Jahren keine große Klinik es sich mehr leisten kann, den Patienten keine sanften Methoden im Sinne des integrativen Behandlungsmanagements anzubieten. „Ein musterhaftes Beispiel hierfür ist die Umsetzung an der Asklepios Klinik in Schwalmstadt“. Alexandra Heeser CNE.magazin 4 . 23 | © 2023 . Thieme. All rights reserved.

pflege und mehr – Interview – Die Katze, die sich in den Schwanz beißt Die Forderung ambulant vor stationär ist nicht neu. Mit der Diskussion um die Kranken hausstrukturreform sind auch die Hybrid-DRGs auf den Plan getreten, die die Sektorengrenzen durchlässiger machen sollen. Die Möglichkeit, künftig ambulant an Kliniken operieren und dies geregelt bezahlt zu bekommen, hat auch Auswirkungen auf die Profession Pflege. Umfang für ambulante Leistungen zugelassen und Medizinische Versorgungszentren müssen stärker gefördert werden. Einen ersten Schritt in die richtige Richtung sind die Diskussionen um die Hybrid-DRGs. Sie können meiner Meinung nach eine große Chance sein. Ambulantisierung bedeutet aber auch, dass sich Krankenhäuser oder Teile davon in intersektorale Versorgungszentren wandeln werden. Das kann bedeuten, dass die Gesamtzahl der Kliniken in Deutschland gegebenenfalls abnehmen könnte. Für NRW gibt es bereits einen Vorschlag von Minister Laumann für einen neuen Krankenhausplan. Das bedeutet für die Zukunft, dass nicht mehr das Krankenhausbett, sondern Leistungs- bereiche mit zugeordneten Leistungsgruppen die Grundlage jeder Planung sind. Der Ansatz ist meines Erachtens der richtige. Aber bei allen Änderungen am Gesundheitssystem dürfen das Ziel und die Zusage der Politik einer flächendeckenden, wohnortnahen Versorgung der Bevölkerung mit Gesund- Quelle: Paavo Blåfield/Thieme (Symbolbild) Herr Rantzsch, welche Veränderungen hat bzw. kann die Ambulantisierung für die Pflege mit sich bringen? Mit der Ambulantisierung zurzeit noch pflegerische Leistungen ohne permanente ärztliche Anwesenheit erbringen dürfen. Die Universitätskliniken mit den Medi- zinischen Fakultäten spielen in diesem meist stationär erbrachter Leistungen sind Prozess eine besondere Rolle. Sie sind nicht heitsleistungen nicht aus dem Blick geraten. für das deutsche Gesundheitssystem viele nur in der Lage, höchst komplexe Be- Ich bin der Überzeugung, dass wir diese Potenziale verbunden: Allem voran können handlungen anzubieten, sondern können künftig gerade auf dem Land durch Leistungen dadurch noch patienten- orientierter und effizienter angeboten werden. Damit dies gelingt, muss jedoch die interprofessionelle und intersektorale Zusammenarbeit gestärkt werden. Pflege- fachpersonen müssen in einem solchen Setting eigenständiger agieren und 22 auch inter sektorale Innovationen der ambulante Angebote – egal ob an Kliniken Versorgung erforschen und in die Fläche bringen. Was wird sich mit der Ambulantisierung künftig für Kliniken ändern? Krankenhäuser müssen in einem stärkeren oder in Zentren – entsprechend ergänzt um pflegerische Angebote gewährleisten können. NRW hat einen ersten Aufschlag vorgelegt, es gilt jetzt diesen in Ruhe anzuschauen und abzuwägen. Aber wir brauchen eine Reform, das steht außer Frage. CNE.magazin 4.23 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

pflege und mehr Askese – wenn weniger mehr ist Warum Enthaltsamkeit und Verzicht glücklich machen Back to the Roots? Forschungen zeigten, dass eine zufriedene Grundeinstellung weniger an Wohlstand, sondern vielmehr an Wohlbefinden ge- koppelt ist. Das Journal of Positive Psycho- logy veröffentlichte im Jahr 2021 eine Meta- analyse zum Thema „Minimalism, voluntary simplicity, and well-being“, die verdeutlichte, dass bewusster Verzicht und darüber hinaus eine gewisse Distanz zu einem verbrauchs- intensiven Lebensstil positive Effekte auf das Wohlbefinden der Testpersonen erzielte . Durch eine einfache Lebensweise können wir unser individuelles Glückserleben gezielt beeinflussen. Wir fokussieren uns konkreter auf unsere primären Bedürfnisse, lernen alte Glaubenssätze zu durchbrechen und verinnerlichen gleichermaßen neue Ge wohn- heiten. Julia Pfannenstein W er kennt es nicht: Frühdienst besetzt. Eine weitere Krank- Nummer sieben in Folge. Unter- meldung und ein damit einhergehendes bedrohtes freies Wochenende. Langsam bahnt sich ein Gefühl der Unzufriedenheit an und schlägt uns dunkel aufs Gemüt. Da kommt er doch gerade recht: der Sommerschlussverkauf mit seinen leuchtend roten Prozenten. Er lockt mit scheinbar unschlagbaren Angeboten, lässt unser Herz höherschlagen und kurbelt fleißig unser Belohnungssystem an. Jedoch verführt uns der Dopamin-Bote auch zu jenen Impuls- käufen, die wir ein paar Tage später eher miss- trauisch be äugen. Wir konsumieren, um zu kompensieren, und wir wollen mehr. Mehr besitzen, mehr haben, mehr erleben. Eine ge- Seit der Antike dient die Enthaltsamkeit als spirituelle Methode geistiger und körperlicher Reinheit, um zweckmäßig eine höhere Form des Seins zu erreichen. Am reichsten ist der, der am wenigsten braucht. Marcus Lucius Annaeus Seneca Der altgriechische Begriff „askesis“ be- deutet übersetzt so viel wie „Übung“, um durch wiederholtes Verhalten Abläufe ge- zielt zu optimieren und zu ver innerlichen. Auch außerhalb des spirituellen Kontextes kann Askese ein guter Wegbegleiter sein, um mehr Glückseligkeit zu empfinden, das bereits durch Aristoteles als vollkommenes eignete Strategie für mehr Zufriedenheit und Wohlbefinden? und selbstgenügsames Gut sowie Endziel des menschlichen Handelns definiert wurde. 1 Minimalismus für dich und andere Durch einen minimalistischen Lebensstil müssen wir auf nichts verzichten. Ganz im Gegenteil: Wir lernen das, was wir bereits haben, viel mehr zu schätzen. Loszulassen macht frei, schafft Leichtigkeit und Klarheit darüber, was wir tatsächlich brauchen. Hin und wieder den Kleiderschrank auszumisten und überschüssige Dinge an wohltätige Organisatio- nen zu spenden, kann sich bereits unglaublich befreiend anfühlen. © Robert Kneschke/stock.adobe.com 24 CNE.magazin 4.23 | © 2023. Thieme. All rights reserved.

medien medien-tipps mit Osteoporose. Mittels Tagebuch können Trainingsfortschritte dokumentiert werden. Der Ratgeber erfordert keine Fachexpertise und ist eine wertvolle Unterstützung für alle Menschen mit Gelenkproblemem. Simone Schwarz, Traunstein Asselmann E, Easy Relax: Raus aus der Stressfalle in 20 Sekunden, Ariston, 16,00 € Easy Relax: Raus aus der Stressfalle Natürlich bin ich direkt am Titel hängen geblieben: Raus aus der Stressfalle in 20 Sekunden. In 20 Sekunden?! Und das auch noch wissenschaftlich erprobt? Wer wird da nicht hellhörig: Sei es im Beruf, während des Wutanfalls des eigenen Kindes, beim Auto- fahren ... Stressfallen gibt es viele. Glücklicher- weise gibt es aber auch verlässliche Mittel und Wege, diese nicht zuschnappen zu lassen – und mit diesem Buch kann man die „Easy Relax“- Methode lernen. Allerdings geht genau das nicht in 20 Sekunden. Man muss dieses (sehr anschaulich geschriebene) Buch lesen und an sich arbeiten. Dabei erfährt man viel über den Faktor Stress selbst, über Entspannungs- techniken und die wissenschaftlichen Hinter- gründe (Wissen to go). Schritt für Schritt wird der Leser dann an die „Easy Relax“-Methode herangeführt, anhand gekennzeichneter 1:1-Coaching-Abschnitte. Für das Erlernen der Technik muss man sich natürlich Zeit nehmen, viel mehr als man benötigt, um die ja recht überschaubaren 153 Seiten zu lesen. Man muss Tagebuch schreiben und die Methode letztlich in den Alltag integrieren. Hat man das aber geschaff t, vergisst oder verlernt man sie wohl nie wieder. Alena Kunter, München Sutor V, Bumb T. Der kleine Sutor V, Bumb T. Der kleine Arthrose-Coach: 40 Übungen für schmerzfreie Gelenke. TRIAS , 14,99 € Tipps für die Gelenke Das handliche Softcover sieht erst mal nach nicht viel aus, aber das täuscht: Der Ratgeber ist wissenschaftlich fundiert und praxisnah formuliert. Neben Fachwissen gibt es Selbsttests und Übungen, um effi zient mit Arthrosebe- schwerden umzugehen und beweglicher zu werden. Die Autoren zeigen, dass das subjektive klinische Befi nden bei der Behandlung im Vordergrund steht und bildgebende Verfahren dies nur ergänzen. Es bietet drei aufeinander aufbauende Übungs programme für Einsteiger*innen, Fortgeschrit tene und Expert*innen sowie ein Programm für Menschen impressum Eigentümer und Copyright © Georg Thieme Verlag KG 2023 Verlag: Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstr. 14 70469 Stuttgart Telefon: 0711/8931-420 Telefax: 0711/8931-871 Kontakt: https://kundenservice.thieme.de cne.thieme.de Persönlich haftender Gesell schafter: Dr. Albrecht Hauff Registergericht: Stutt gart Registernummer: HRA 3499, Verkehrsnummer 16427 Umsatzsteuer-ID gemäß § 27 a UStG: DE 147638607 ISSN: 1864-1865 Programmplanung Pflege: Thomas Moser V.i.S.d.P.: Simone Schwarz Fachredaktion: Kathrin Hilkens, Christine Köhler, Alena Kunter, Jael Ramsden, Stefanie Reuter Marketing: Stephanie Strobel Satz: Christine Köhler, Jael Ramsden Herstellung: Selina Römer Druck und Bindung: Vogel Druck und Medienservice GmbH, Höchberg Jahresbezugspreis für Privat perso nen: 325 € inkl. 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Die Ansprache aller Menschen ist ausdrücklich auch dort intendiert, wo im Text (etwa aus Gründen der Leseleichtigkeit, des Textumfangs oder des situativen Stilempfi ndens) z.B. nur ein generisches Maskulinum verwendet wird. CNE.magazin 4 . 23 | © 2023 . Thieme. All rights reserved.

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