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Studienreferate Bei Patienten mit Fuchs-Dystrophie etwa liegt die Rate eines sekundären Transplan- tatversagens (SGF) bei 6% innerhalb von 10 Jahren. In Fällen von PGF und SGF ist eine erneute Hornhauttransplantation er- forderlich. Bislang gibt es nur wenige Da- ten zu Erfolgsraten und Risikofaktoren für das Scheitern einer erneuten DMEK bei komplexen Augen (z. B. nach Vitrektomie, vorheriger Glaukomchirurgie und vorheri- ger PKP oder DSAEK). Ziel der aktuellen Studie von Eyal Cohen vom Toronto Wes- tern Hospital in Kanada und Kollegen war es, die Erfolgsraten und funktionellen Er- gebnisse der Re-DMEK zu ermitteln und die Risikofaktoren für ein Versagen der Re-DMEK bei Patienten mit fehlgeschlage- ner primärer DMEK zu identifizieren. Die Ärzte führten eine retrospektive Un- tersuchung aller Augen mit primärem DMEK-Versagen durch, die sich zwischen 2013 und 2019 einer erneuten DMEK un- terzogen und mindestens 6 Monate nach- untersucht worden waren. Alle primären DMEK-Eingriffe wurden von demselben er- fahrenen durch- geführt. Hornhautchirurgen PGF wurde definiert als vollständig abge- löstes Transplantat mit zentralem Horn- hautödem, das sich nach erneutem Re- Bubbling nicht verbesserte oder wenn die Hornhaut postoperativ nicht klar war, ob- wohl das Transplantat befestigt war. SGF wurde als Hornhautdekompensation nach einem anfänglich intakten DMEK-Trans- plantat definiert. Eine endotheliale Trans- plantatabstoßung wurde definiert als Auf- treten einer Entzündung. Von 590 konsekutiven DMEK-Eingriffen mussten sich 40 Augen (6,7%) von 40 Pa- tienten einem erneuten DMEK-Eingriff un- terziehen. Die durchschnittliche Nach- beobachtungszeit betrug 39,7 Monate. Das Durchschnittsalter lag bei 70 Jahren, und 58% der Patienten waren weiblich. Die Ursache für die primäre DMEK war bei 13 Augen (32,5%) eine Fuchsʼsche endo- theliale Hornhautdystrophie (FECD), bei 14 Augen eine pseudophake bullöse Kera- topathie (35 %), bei 11 Augen ein geschei- tertes Transplantat (27,5%; 7 post-PKP und 4 post-DASEK) und bei 2 Augen ande- re Indikationen (5%). Fünfundfünfzig Pro- zent der Patienten wurden als Patienten mit einem komplizierten vorderen Augen- abschnitt eingestuft. FA Z I T Die Ursachen für das Versagen der primä- ren DMEK waren PGF bei 23 Augen (57,5%), SGF bei 13 Augen (32,5%) und Immunabstoßung bei 4 Augen (10%). Die durchschnittliche Zeitspanne zwischen primärer DMEK und erneuter DMEK lag bei 4,2 Monaten. Postoperative Komplikationen nach erneuter DMEK Sechs Augen (15%) hatten eine Transplan- tatablösung von mehr als 30% der Fläche. Bei 2 Augen (5%) wurde ein einziges Mal und bei 2 Augen 2-mal ein Re-Bubbling durchgeführt. Fehlschlagen der erneuten DMEK-Transplantation Ein Versagen der Re-DMEK wurde bei 12 Augen (30%) dokumentiert. Die Ursa- chen für das Versagen der Re-DMEK waren PGF in 8 Augen und SGF in 4 Augen. Bei der Re-DMEK wurde keine Immunabsto- ßung beobachtet. Die mediane Dauer zum Versagen der Re-DMEK betrug 2,7 Monate. Von denjenigen, bei denen die Re-DMEK fehlschlug, unterzogen sich 9 (75%) einem dritten DMEK-Verfahren und 1 (8,3%) einer anschließenden PKP. Risikofaktoren für erneutes DMEK-Versagen Die FECD war ein protektiver Faktor, bei dem keine Fälle von Re-DMEK-Versagen auftraten. Augen mit einem misslungenen vorherigen Transplantat als Indikation für die primäre DMEK hatten ein höheres Risi- ko für ein erneutes Versagen der DMEK. Das Vorhandensein eines komplizierten vorderen Augenabschnitts erwies sich ebenfalls als Risikofaktor, ebenso wie eine frühere Glaukomoperation und die Not- wendigkeit eines erneuten Re-Bubbling. In der binären logistischen Regressionsana- lyse war der einzige Faktor, der sich als sig- nifikanter Prädiktor für das Scheitern einer erneuten DMEK erwies, das Vorhandensein eines komplexen Vorderabschnitts. Eine Re-DMEK ist eine praktikable Option für Fälle, in denen die primäre DMEK versagt, insbesondere bei Au- gen mit FECD als Indikation für eine primäre DMEK ohne okuläre Morbidi- täten. Die Transplantatversagensrate bei erneuter DMEK betrug in dieser Studie 30%. Vor allem Augen mit einem komplizierten vorderen Au- genabschnitt haben eine hohe Miss- erfolgsrate bei der Re-DMEK. In dieser Situation sollten Ärzte mit dem Pa- tienten über die höhere Misserfolgs- rate von bis zu 50% der Fälle spre- chen. Dr. Michaela Bitzer, Tübingen Überkorrektur mit Negativ- linsen bei intermittierender Exotropie – eine großangelegte Studie Chen AM et al. Overminus Lens Therapy for Children 3 to 10 Years of Age With Intermittent Exotropia. A Randomized Clinical Trial. JAMA Ophthalmol 2021; 139: 464–476 Um die Kontrolle über die intermittie- render Exotropie (IXT) bei Kleinkindern zu verbessern, kommt häufig die Über- korrektur mit Negativlinsen als vor- übergehende Behandlung zum Einsatz, bevor eine Operation in Betracht gezo- gen wird. Mehrere Studien konnten zeigen, dass eine gute Kontrolle mög- lich ist und die binokulare Funktion aufrechterhalten werden kann, wenn die Stärke der Negativlinsen allmählich verringert und die Korrektur schließ- lich ganz abgesetzt wird. Bei den meisten dieser Studien handelt es sich jedoch um retrospektive Fallserien oder um kleine prospektive Studien ohne Vergleichsgruppen. Nun veröffentlichten die Mitglieder der Pediatric Eye Disease In- vestigator Group die Ergebnisse ihrer großangelegten Studie zu diesem Thema: Die Studiengruppe untersuchte bei Kin- dern im Alter von 3 bis 10 Jahren die Wirk- samkeit der Überkorrektur mit Negativlin- 6 Augenheilkunde up2date 2022; 12 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Studienreferate Pseudomonas-Keratitis: Vergleich von Patienten mit und ohne Kontakt- linsen Enzor R et al. Comparison of Clinical Features and Treatment Outcomes of Pseudomonas aeruginosa Keratitis in Contact Lens and Non-Contact Lens Wearers. Am J Ophthalmol 2021; 227: 1–11 Pseudomonas aeruginosa verursacht die schwerwiegendsten Fälle von bak- terieller Keratitis. Immer häufiger fin- den sich multiresistente Pseudomo- nas-aeruginosa-Keratitiden (PAK). Die oft rasch fortschreitende PAK kann massive Folgen haben, einschließlich Hornhautvernarbung und ‑perfora- tion. Das Tragen von Kontaktlinsen gilt im Allgemeinen als Hauptrisikofaktor für die infektiöse Keratitis und steht in einem besonders engen Zusammen- hang mit PAK. Interessanterweise hat die PAK-Rate im Laufe der Zeit zwar zugenommen, deren Schweregrad jedoch abgenommen. Ange- sichts der zeitlichen Korrelation zwischen einer zunehmenden Zahl an Kontaktlin- senträgern, steigender Inzidenz und ab- nehmendem Schweregrad der PAK stell- ten Rikki Enzor und Kollegen der University of Pittsburgh die Hypothese auf, dass P. ae- ruginosa bei Nichtkontaktlinsenträgern im Vergleich zu Kontaktlinsenträgern schwe- rere Infektionen verursacht. In ihrer aktu- ellen Studie untersuchten sie daher, ob PAK bei Nichtkontaktlinsenträgern zu einem schlechteren Sehschärfeergebnis führt und mehr chirurgische Eingriffe we- gen Stromanekrosen notwendig sind. Au- ßerdem wollten sie herausfinden, welche klinischen Merkmale zu schlechteren Seh- schärfeergebnissen führen. Die Autoren werteten dazu die Kranken- akten aller Patienten aus, bei denen zwi- schen 2006 und 2019 am University of Pittsburgh Medical Center eine kulturposi- tive PAK diagnostiziert wurde. Klinische Merkmale, mikrobiologische Befunde und der Behandlungsverlauf wurden zwischen Kontaktlinsenträgern und Nichtkontaktlin- senträgern verglichen. Insgesamt identifizierten Enzor und sein Team 214 infizierte Augen bei 207 Patien- ten mit PAK. Davon traten 163 (76,2 %) bei Kontaktlinsenträgern und 51 bei Nicht- kontaktlinsenträgern auf. Von den Kon- taktlinsenträgern nutzten 161 (98,8%) weiche Kontaktlinsen und 2 harte, gas- durchlässige Linsen. Zum Zeitpunkt der Präsentation hatten die Kontaktlinsenträger eine Sehschärfe von durchschnittlich 1,39 logMAR und die Nichtkontaktlinsenträger von 2,17 log- MAR. Die von der Stromainfiltration einge- nommene Fläche betrug im Durchschnitt 18,9 mm

Impressum Augenheilkunde up2date 12. Jahrgang Die Augenheilkunde up2date erscheint 4-mal jährlich. ISSN (Print): 1616-9719 eISSN: 1616-9735 Copyright & Ownership Wenn nicht anders angegeben: © 2022. Thieme. All rights reserved. Die Zeitschrift Augenheilkunde up2date ist Eigentum von Thieme. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany Herausgebende Prof. Dr. med. Eckart Bertelmann Charité – Universitätsmedizin Berlin Campus Virchow-Klinikum Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin Dr. med. Bettina von Livonius Augenklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München Mathildenstraße 8, 80336 München Prof. Dr. med. Ulrich Kellner AugenZentrum Siegburg Europaplatz 3, 53721 Siegburg Prof. Dr. med. Thomas Klink Gemeinschaftspraxis Schönfeld, Haritoglou, Klink Nymphenburger Straße 43, 80335 München PD Dr. med. Stefan Lang Klinik für Augenheilkunde Universitätsklinik Freiburg Killianstraße 5, 79106 Freiburg Prof. Dr. med. habil. Christian Meltendorf Beuth Hochschule für Technik Berlin Augenoptik/Optometrie Kurfürstenstraße 141, 10785 Berlin Prof. Dr. med. Wolfgang J. Mayer Augenklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München Mathildenstraße 8, 80336 München Prof. Dr. med. Heimo Steffen Hôpitaux Universitaires Genève, Ophtalmologie Rue Alcide-Jentzer 22, 1205 Genf, Schweiz Die Herausgebenden sind nicht verantwortlich für die Rubrik „Forum der Industrie“ sowie für in der Zeitschrift enthaltene Anzeigen und Beilagen. Verlag Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart oder Postfach 301120, 70451 Stuttgart Tel.: + 49 711 89 31-0, Fax: + 49 711 89 31-298 www.thieme.de, www.thieme.de/augen-u2d www.thieme-connect.de/products Web-App: www.thieme.de/eref-app Redaktion Sie erreichen die Redaktion unter: augen-u2d.impressum@thieme.de V. i. S. d. P.: Sabine Görlich-Gündüz, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart Verantwortlich für den Anzeigenteil Thieme Media Pharmedia Anzeigen- und Verlagsservice GmbH Christine Volpp, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart oder Postfach 300880, 70448 Stuttgart Tel.: + 49 711 8931-603, Fax: + 49 711 8931-470 E-Mail: christine.volpp@thieme-media.de Produktionsmanagement E-Mail: ahk_up2date_herstellung@thieme.de Abonnentenservice Wir bitten unsere Abonnent*innen, Adressänderungen dem Abonnentenservice mitzuteilen, um eine reibungs- lose Zustellung der Zeitschrift zu gewährleisten. Tel.: + 49 711 89 31-321, Fax: + 49 711 89 31-422, https://kundenservice.thieme.de Unter dieser Adresse können Abonnent*innen der Augen- heilkunde up2date kostenlos einen neuen Archivierungs- ordner bestellen. Bitte geben Sie Ihre Anschrift und Abo- Nummer an. Die Inhalte der Zeitschrift stehen online in Thieme con- nect zur Verfügung (www.thieme-connect.de/products). 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Weitere Informationen finden Sie unter https://lp.thieme.de/fachzeitschriften/ijbp/ Wichtiger Hinweis Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwick- lungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behand- lung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Heft eine Dosierung oder eine Applikation er- wähnt wird, darf der Lesende zwar darauf vertrauen, dass Autor*innen, Herausgebende und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissens- stand bei Fertigstellung der Zeitschrift entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applika- tionsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr über- nommen werden. Jede*r Benutzende ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwende- ten Präparate und ggf. nach Konsultation eines Spezialis- ten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in dieser Zeitschrift abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwende- ten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt ge- bracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzenden. Autor*innen und Verlag appellieren an alle Benutzenden, ihnen etwa auffallende Ungenauigkei- ten dem Verlag mitzuteilen. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträ- ge und Abbildungen sind für die Dauer des Urheberrechts geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Gren- zen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigung und Verbreitung in gedruckter Form, Übersetzung, Übertragung und Bearbeitung in andere Sprachen oder Fassungen sowie die Einspeicherung und Verbreitung in elektronischen Medienformen (z. B. CD‑ROM, DVD, USB-Speicher, Datenbank, Cloudbasierter Dienst, E-Book und sonstige Formen des Electronic Publi- shing) und auch öffentlicher Zugänglichmachung (z. B. Internet, Intranet oder andere leitungsgebundene oder ‑ungebundene Datennetze), u. a. durch Wiedergabe auf stationären oder mobilen Empfangsgeräten, Monitoren, Smartphones, Tablets oder sonstigen Empfangsgeräten per Download (z. B. PDF, ePub, App) oder Abruf in sons- tiger Form etc. Hinweis zu Studienreferaten Die Autorinnen und Autoren unserer Referaterubriken schreiben frei- oder nebenberuflich für verschiedene Auf- traggebende aus Verlagsbranche, Wissenschaft und In- dustrie. Bei Fragen zu Interessenkonflikten einzelner Au- tor*innen wenden Sie sich bitte mit der im Impressum un- ter „Redaktion“ genannten E-Mail-Adresse an den Verlag. Datenschutz Wo datenschutzrechtlich erforderlich, wurden die Namen und weitere Daten von Personen redaktionell verändert (Tarnnamen). Dies ist grundsätzlich der Fall bei Pa- tient*innen, ihren Angehörigen und ihrem Freundeskreis, z. T. auch bei weiteren Personen, die z. B. in die Behand- lung von Patient*innen eingebunden sind. Wertschätzende Sprache und geschlechtergerechter Sprachgebrauch Thieme Publikationen streben nach einer fachlich korrek- ten und unmissverständlichen Sprache. Dabei lehnt Thieme jeden Sprachgebrauch ab, der Menschen beleidigt oder diskriminiert, beispielsweise aufgrund einer Her- kunft, Behinderung oder eines Geschlechts. Thieme wendet sich zudem gleichermaßen an Menschen jeder Geschlechtsidentität. Die Thieme Rechtschreib- konvention nennt Autor*innen mittlerweile konkrete Bei- spiele, wie sie alle Lesenden gleichberechtigt ansprechen können. Die Ansprache aller Menschen ist ausdrücklich auch dort intendiert, wo im Text (etwa aus Gründen der Leseleichtigkeit, des Textumfangs oder des situativen Stilempfindens) z. B. nur ein generisches Maskulinum ver- wendet wird. Printed in Germany Satz: Ziegler und Müller, text form files, Kirchentellinsfurt Druck und Bindung: Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG, Calbe (Saale) 10 Augenheilkunde up2date 2022; 12 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

100 % Fort- und Weiterbildung MEHR ERFAHREN Scannen Sie den QR-Code, wählen Sie eine up2date und lesen Sie eine Ausgabe online! FORTBILDUNG PUR – jetzt für Ihr Team abonnieren! 24/7 VERFÜGBAR – mit dem klinikweiten Online-Zugang www.thieme.de/up2date-institution ►Frauenheilkundeup2date CME-Fortbildung▪ Präkonzeptionelle Beratung–Wie berate ich beiKinderwunsch?▪ Diagnostik in derUrogynäkologie▪ Indikationen und Inhalteder humangenetischenBeratung▪ Erwartungen von Eltern andie Versorgung vonFrühgeborenen – Sicht einerElternvertretung SOP / Arbeitsablauf▪ GeburtseinleitungSchritt für Schritt▪ Chirurgische Therapiedes Lichen sclerosuset atrophicusGastroenterologieup2date► CME-Fortbildung▪ Aktuelle Therapie derHepatitis C: Wo stehenwir 2018?▪ Renale und pulmonaleKomplikationen derLeberzirrhose▪ ImmunvermittelteÖsophagitiden▪ GastrointestinaleInfektionen – AktuellesSchritt für Schritt ▪ Endosonografi scheFeinnadelpunktionSOP / Arbeitsablauf▪ Entlassungsmanagement►up2dateNotaufnahmeKlinische Akut- und Notfallmedizin1Oktober 2019 Seite 1–96 1. Jahrgang CME-Fortbildung ▪ Synkope oder „…auf einmal war ich weg“▪ Management starker Blutungen ▪ Schädel-Hirn-Trauma bei Kindern▪ Sepsis in der NotaufnahmeSOP / Arbeitsablauf▪ Akute DyspnoeSchritt für Schritt▪ Ultraschallgesteuerte VenenpunktionOnkologieup2dateHeft 5 • Mai 2015 • 41. Jahrgang • Seite 161 – 210 CME-Fortbildung▪Schmerztherapie in derPalliativmedizin▪Kolorektales Karzinom▪Diagnostik und Therapievon Weichgewebssarkomen▪PET/MR: aktuelleEinsatzmöglichkeiten in deronkologischen DiagnostikSOP / Arbeitsablauf▪SOP Umgang mit demPortkatheterSchritt für Schritt▪Punktion eines Port-katheters►Notfallmedizinup2date CME-Fortbildung▪Apps in der medizinischenNotfallversorgung▪Ersteinschätzung in derZentralen Notaufnahme▪Reanimation beitraumatischem Herz-Kreislauf-Stillstand▪Penetrierende Verletzungen▪Akute Herzrhythmus-störungen bei Kindernund JugendlichenSOP / Arbeitsablauf▪Akutes BeatmungsproblemSchritt für Schritt▪Immobilisationstechnikender Wirbelsäule►Pädiatrieup2date CME-Fortbildung▪ Das späte Frühgeborene–unterschätzte Morbidität▪ Mukoviszidose▪ Humane Papillomaviren:Erreger, Impfung undPraxishinweise▪ Neue Therapieoptionen beiAutoimmunerkrankungenIntensivmedizinup2date► CME-Fortbildung▪ Lungenersatzverfahren▪ Diff erenzierter Einsatzkardiovaskulär wirksamerSubstanzen▪ Infektionen untermedikamentöserImmunsuppression▪ Pulmorenales Syndrom aufder Intensivstation▪ Das abdominelleKompartmentsyndromSOP / Arbeitsablauf▪ DysphagieSchritt für Schritt▪ Erweitertes-FokussiertesAssessment mit Sonografi ebei Trauma (E-FAST)-KonzeptKardiologieup2date► CME-Fortbildung▪Diabetes undHerzinsuffizienz▪Update kardiovaskuläreRisikofaktoren▪KombinierteantithrombotischeTherapiestrategien▪Peripartum-KardiomyopathieSOP / Arbeitsablauf▪HerzschrittmacherSchritt für Schritt▪Notfallsonografie desHerzensNeurologieup2date► CME-Fortbildung▪Blutdruckmanagementbeim akuten Schlaganfall▪Neue Therapieansätzebei progredienter MS▪Stufenadaptierte Therapiedes Status epilepticus▪Diagnostik und Therapieder Muskeldystrophien▪Kopfschmerzen–Update 2018SOP / Arbeitsablauf▪HirnnervenläsionenSchritt für Schritt▪Nystagmus+up2dateGeriatrie CME-Fortbildung▪Orthogeriatrie▪Delir beim alten Menschen▪Das Schädel-Hirn-Traumabeim ÄlterenCNE Fortbildung▪BegegnungsorientiertesArbeiten mit Menschenmit DemenzSOP / Arbeitsablauf▪Bewegungsstörungen –ParkinsonsyndromeSchritt für Schritt▪Nystagmus

CME-Fortbildung Unter dieser Rubrik sind bereits erschienen: Diabetisches Makulaödem T. Barth, H. Helbig Heft 3/2021 Diabetische Retinopathie T. Barth, H. Helbig Heft 3/2021 Echografie M. Fiorentzis, A. M. Foerster, P. Rating, N. E. Bechrakis Heft 1/2021 Netzhautablösung – Teil 2. Behandlung der rhegmatogenen Netzhautablösung F. Schaub, T. Schick Heft 4/2020 Netzhautablösung – Teil 1. Epidemiologie – Risikofaktoren – klinisches Bild – Diagnostik T. Schick, H. Heimann, F. Schaub Heft 4/2020 Arterielle Gefäßverschlüsse der Retina G. E. Lang, S. J. Lang Heft 4/2017 Spektrale Reflexionsfotografie des Augenhintergrundes: klinische Beurteilung S. Kellner, S. Weinitz, G. Farmand, U. Kellner Heft 4/2015 Spectral-Domain optische Kohärenztomografie der Makula: klinische Beurteilung U. Kellner, S. Kellner, A. Golshahi, S. Slowik, S. Bedar, S. Weinitz, G. Farmand Heft 3/2015 Degenerative Makulopathien (bei jüngeren Patienten) G. Haas, B. Treiblmayr, M. Kralinger, N. Bechrakis Heft 4/2014 Tumoren und Pseudotumoren der Netzhaut und des Ziliarepithels E. Biewald, S. Schlüter, T. Kiefer, S. Dalbah, N. Bornfeld, N. E. Bechrakis Heft 3/2020 Posteriore Uveitis. Teil 1: Diagnostik und Grundkonzepte der Therapie A. Heiligenhaus, M. Breitbach, G. Spital, N. Stübiger, S. Winterhalter, C. Deuter, M. Becker, F. Mackensen Heft 2/2014 Das Management von Glaskörpertrübungen A. Lommatzsch Heft 3/2020 Posteriore Uveitis. Teil 2: Die unterschiedlichen Krankheits- bilder A. Heiligenhaus, M. Breitbach, G. Spital, N. Stübiger, S. Winterhalter, C. Deuter, M. Becker, F. Mackensen Heft 2/2014 Anteriore Uveitis: Klinik, diagnostisches Vorgehen und Behand- lungsoptionen U. Pleyer, D. Pohlmann, J. Rademacher Heft 2/2020 Vitreomakuläre Interface-Erkrankungen C. Jandeck Heft 1/2014 Fundusautofluoreszenz: Klinische Anwendung und diagnosti- sche Bedeutung A. Bindewald-Wittich, U. Kellner Heft 1/2020 Prinzipien der Diagnostik retinaler Erkrankungen. Teil 2 K. Rüther, S. Kellner Heft 3/2013 OCT-Angiografie A. Lommatzsch Heft 4/2019 Vitreomakuläre Interface-Erkrankungen C. Jandeck Heft 3/2019 Pars-plana-Vitrektomie S. Bopp, U. Kellner Heft 1/2019 Eindellende Operationstechniken S. Bopp Heft 1/2019 Prinzipien der Diagnostik retinaler Erkrankungen. Teil 1 S. Kellner, K. Rüther Heft 3/2013 Trauma mit Beteiligung des hinteren Augenabschnitts. Teil 2 P. Walter, G. Rössler, B. Mazinani Heft 2/2013 Trauma mit Beteiligung des hinteren Augenabschnitts. Teil 1 P. Walter, G. Rössler, B. Mazinani Heft 2/2013 Venöse Gefäßverschlüsse der Retina G. E. Lang, S. J. Lang Heft 3/2018 Intravitreale operative Medikamentenapplikation 2013 U. Kellner, S. Kellner Heft 1/2013 Lasertherapie in der Augenheilkunde – ein Update F. Schaub, P. Enders, S. Fauser Heft 2/2018 Altersabhängige Makuladegeneration. Teil 2 J. Wachtlin, M.-A. Gamulescu Heft 4/2012 ALLES ONLINE LESEN IHR ONLINE-SAMMELORDNER JETZT FREISCHALTEN Mit der eRef lesen Sie Ihre Zeitschrift: online wie offline, am PC und mobil, alle bereits erschienenen Artikel. Für Abonnenten kostenlos! https://eref.thieme.de/augen-u2d Sie möchten jederzeit und überall auf Ihr up2date-Archiv zu- greifen? Kein Problem! Ihren immer aktuellen Online- Sammelordner finden Sie unter: https://eref.thieme.de/PHWUW Sie haben Ihre Zeit- schrift noch nicht freigeschaltet? Ein Klick genügt: www.thieme.de/eref-registrierung

CME-Fortbildung FALLBEISPIEL Ein männliches Frühgeborenes, Gestationsalter (GA) 24 + 1 Schwangerschaftswochen (SSW), Geburtsgewicht 725 g, mit einem post- menstruellen Alter (PMA) von 33 + 5 Wochen wurde aus einer externen Klinik zur Therapie bei Frühgeborenenretinopathie (retinopathy of prematurity, ROP) überwiesen. Bei der Untersuchung zeigte sich beidseits ein ROP-Stadium 3 in Zone I mit Plus-Disease (▶ Abb. 1). Aufgrund der noch sehr unreifen Netzhaut mit Vaskularisationsgrenze in Zone 1 entschieden wir uns für eine intravitreale Anti-VEGF- Therapie (VEGF: vascular endothelial growth factor). Die Behandlung erfolgte mit Ranibizumab (0,2 mg in 20 µl, Lucentis). Das Kind wurde anschließend im Heimatkrankenhaus weiter augenärztlich kontrolliert. Laut der dortigen Dokumentation zeigten sich post- operativ ein rascher Rückgang der Plus-Disease und im Verlauf auch eine Rückbildung der Gefäßproliferationen mit weiterer Ausvas- kularisation der Netzhaut. ▶ Abb. 1 9-Feld-Fundusfotografie des linken Auges (RetCam Shuttle; Natus Medical, Pleasanton, Kalifornien, USA) mit ROP-Stadium 3 + in Zone I vor der intravitrealen operativen Medikamentenapplikation (IVOM) in einem PMA von 33 + 5 Wochen. Es ist eine zirkuläre Leiste mit extraretinalen Proliferationen an der Grenze der vaskularisierten zur avaskulären Netzhaut in Zone I sichtbar. Die Gefäße sind vermehrt ge- schlängelt und dilatiert im Sinne einer Plus-Symptomatik. Ebenso sind Blutungen in der vaskularisierten Netzhaut und am Rand der Leiste zu sehen (Fotos: T. Krohne). 16 Li JQ et al. Frühgeborenenretinopathie Augenheilkunde up2date 2022; 12: 13–32 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung FALLBEISPIEL – FORTSETZUNG ▶ Abb. 3 Befund unmittelbar nach erfolgter Lasertherapie mit nahezu konfluierenden Herden (Fotos: T. Krohne). lisierte deutschen Leitlinie „Augenärztliche Screening- Untersuchung bei Frühgeborenen“ [4], die ebenfalls 2020 überarbeitete Stellungnahme der deutschen oph- thalmologischen Fachgesellschaften zur „Anti-VEGF-The- rapie der Frühgeborenenretinopathie“ [5] und die neue Klassifikation ICROP3 [3] vorgestellt werden. Pathogenese und Systematik der Klassi- fikation der Frühgeborenenretinopathie Pathogenese und Risikofaktoren Die Vaskularisation der Netzhaut beginnt ab der 13. SSW ausgehend von der Papille in die Peripherie [3, 6]. In der Regel ist die Vaskularisation in der 40. SSW bzw. mit dem errechneten Termin abgeschlossen. Merke Bei vorzeitiger Geburt kommt es mit dem Einsetzen der Lungenatmung bereits bei Raumluft zu einer re- lativen Hyperoxie des Netzhautgewebes verglichen mit intrauterinen Sauerstoffwerten [4]. Dies führt zunächst zu einer reduzierten Expression von Wachstumsfaktoren wie dem VEGF und damit zu einer Hemmung der retinalen Gefäßbildung. In einer zweiten Phase, die ab der 32.–34. postmenstruellen Woche (Al- tersbegriffe s. ▶ Tab. 1) beginnt, kommt es durch die re- tinale Reifung zu einem erhöhten Sauerstoffbedarf des retinalen Gewebes und damit zu einer relativen Hypoxie der peripheren, noch nicht vaskularisierten Netzhaut mit Anreicherung des Hypoxie-induzierbarem Faktors 1 (HIF- 1). HIF-1 bewirkt eine vermehrte Transkription und Aus- 18 Li JQ et al. Frühgeborenenretinopathie Augenheilkunde up2date 2022; 12: 13–32 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Lokalisation von Veränderungen wird mithilfe von Uhrzei- ten (je 30°) aus Sicht des Untersuchers beschrieben. ICROP3 In der neuen ICROP3 wurde zudem die posteriore Zone II (IIp) als 2 Papillendurchmesser breite Region peripher der Zone I definiert. Der peripher davon gelegene Anteil der Zone II wird dementsprechend als anteriore Zone II be- zeichnet (IIa). Außerdem wurde der Begriff „Notch“ (Ein- kerbung) eingeführt, der eine Einziehung der temporalen Vaskularisationsgrenze über 1–2 Uhrzeiten nach poste- rior beschreibt. Die Vaskularisationsgrenze wird auch in diesem Sonderfall anhand der am meisten posterior gele- genen Zone beschrieben. Bei Vorliegen eines Notches in Zone I bei ansonsten in Zone II gelegener Vaskularisa- tionsgrenze liegt dementsprechend eine ROP „Zone I secondary to notch“ (Zone I durch temporale Einker- bung) vor. Durch diese Bezeichnung ist eine Abgrenzung von einem Befund möglich, bei der die Vaskularisations- grenze ausschließlich in Zone I liegt. Gemäß der neuen ICROP3 werden 5 Stadien der akuten Erkrankung unterschieden (s. Box „Stadieneinteilung der Frühgeborenenretinopathie“). Hierbei stellt das Stadium 5 mit der vollständigen Netzhautablösung die maximale Ausprägung einer ROP dar. Vor Erreichen der kompletten Vaskularisation der Netzhaut sollte laut ICROP3, sofern keine akuten Erkrankungsstadien vorliegen, der Begriff „inkomplette Vaskularisierung“ statt „keine ROP“ oder „unreife Netzhaut“ verwendet werden. DEFINITION Stadieneinteilung der Frühgeborenenretinopathie (ICROP3 [3]) ▪ Stadium 1: dünne, weiße, im Netzhautniveau liegende Linie an der Vaskularisationsgrenze (zwischen vaskulärer und avaskulärer Netzhaut) (▶ Abb. 5) ▪ Stadium 2: prominente leistenförmige Netzhautverdickung, die sich im Bereich der Demarkationslinie gebildet hat und leicht über das Netzhautniveau erhaben ist. Die Leiste ist weißlich, durch entstehende arteriovenöse Shunts kann es zu einer rela- tiven Hyperämie und damit Rotfärbung kommen (▶ Abb. 6). ▪ Stadium 3: prominente Leiste und extraretinale fibrovaskuläre Proliferationen/Neovaskularisationen (▶ Abb. 7) ▪ Stadium 4: partielle Netzhautablösung ohne (4A) oder mit Ein- beziehung der Makula (4B) ▪ Stadium 5: Amotio totalis mit offenem oder geschlossenem Trichter. Durch anteriore Verlagerung des retinalen und extrare- tinalen Gewebes kann es zu einer retrolentalen Membranbildung kommen. Neu ist eine Unterteilung in 3 Unterstadien: – 5A mit funduskopisch sichtbarer Papille (offener Trichter) – 5B mit funduskopisch nicht sichtbarer Papille (aufgrund retro- lentaler fibrovaskulärer Membran oder geschlossenem Trichter) – 5C mit zusätzlichen Veränderungen der vorderen Augen- abschnitte (z. B. Verlagerung der Linse, deutliche Abflachung der Vorderkammer, iridokapsuläre Adhäsionen) ▶ Abb. 5 Stadium 1 in Zone II. Weitwinkelfundusfoto: In der temporalen Zone II ist eine dünne weißliche Linie am Übergang zwischen vaskularisierter und nicht vasku- larisierter Netzhaut sichtbar (Foto: B. Lorenz, RetCam II [Clarity, Pleasonton, California, USA]). ▶ Abb. 6 Stadium 2 in Zone IIa. Temporal sind eine weiß- liche Leiste sowie ein angedeuteter Notch (Kerbe) sichtbar. Eine Plus-Disease liegt nicht vor. Hier ist gemäß Leitlinie eine Kontrolle in 1 Woche empfohlen (Foto: B. Lorenz, RetCam II [Clarity, Pleasonton, California, USA]). ▶ Abb. 7 Stadium 3 in Zone IIp. Temporal ist eine Leiste mit extraretinalen Proliferationen über mehrere Uhrzeiten sichtbar. Auch sieht man fächerförmige Gefäße, die auf die Leiste zulaufen, und Blutungen am Rand der Leiste sowie in der vaskularisierten Netzhaut (Foto: B. Lorenz, RetCam II [Clarity, Pleasonton, California, USA]). 20 Li JQ et al. Frühgeborenenretinopathie Augenheilkunde up2date 2022; 12: 13–32 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Neovaskularisationen können nicht nur an der Vaskulari- sationsgrenze, sondern auch in der vaskularisierten Netz- haut sichtbar sein. Insbesondere flache Neovaskularisati- onsgrenzen an der Vaskularisationsgrenze können von weniger erfahrenen Untersuchern leicht übersehen wer- den. Als schwerwiegender Befund kann bei der A‑ROP auch ein sogenanntes „vulcano tractional detachment“ als traktive zentrale Netzhautablösung mit anliegender Peripherie als Sonderform eines Stadium 4B entstehen. Regression und Reaktivierung Vor dem Hintergrund der Einführung der Anti-VEGF-The- rapie war eine Anpassung bzw. Definition der Begriffe „Regression“ und „Reaktivierung“ notwendig: ▪ Bei der Regression kommt es zu einem Rückgang einer eventuell vorhandenen Plus-Disease und eine zu- nehmende Vaskularisierung der peripheren avaskulä- ren Netzhaut (spontan oder nach Therapie). Eine Rückbildung der Tunica vasculosa lentis, eine verbes- serte medikamentöse Mydriasis, Aufklarung der bre- chenden Medien oder die Resorption intraretinaler Blutungen können weitere Zeichen einer Regression sein. Eine Regression kann spontan oder infolge einer Behandlung auftreten und erfolgt nach Anti-VEGF- Therapie in der Regel schneller (nach 1–3 Tagen) als nach Lasertherapie (nach ca. 7–14 Tagen) oder im Rahmen einer spontanen Regression. Die Vaskularisie- rung der peripheren Netzhaut kann komplett oder in- komplett sein. Auch können sowohl in der Peripherie als auch am hinteren Pol (hier v. a. nach Anti-VEGF- Therapie) persistierende avaskuläre Netzhautareale auftreten (persistierende avaskuläre Retina, PAR). Die- se Bereiche sollten möglichst genau hinsichtlich der Lokalisation beschrieben werden. ▪ Eine Reaktivierung wird nach Lasertherapie nur selten beobachtet und ist dann in der Regel ein Hinweis auf eine inkomplette Behandlung. Häufiger tritt eine Re- aktivierung nach Anti-VEGF-Therapie auf (s. u. Kapitel „Verlaufskontrollen nach Therapie“). Auch im Rahmen einer spontanen Regression ist eine Reaktivierung möglich. Bei der Reaktivierung werden nicht zwin- gend alle ROP-Stadien durchlaufen. Gerade extrareti- nale Neovaskularisationen können sich außerdem de- zenter darstellen und daher schwieriger zu sehen sein als solche im Rahmen der akuten ROP. Die Dokumen- tation sollte den oben beschriebenen Regeln folgen, zusätzlich sollte der Begriff „reaktiviert“ vorangestellt werden (z. B. „reaktiviertes Stadium 1 in Zone II“). ROP-Screening Durchführung der Untersuchung Ein ROP-Screening sollte durch augenärztliche Unter- sucher/innen erfolgen, die Erfahrung mit der Unter- suchung von Frühgeborenen (Stichwort Einarbeitung) haben, die indirekte Ophthalmoskopie beherrschen und Kenntnisse über die Diagnostik und Klassifikation der ROP haben. Für die Untersuchung, die sowohl stationär als auch am- bulant erfolgen kann, sollte eine maximal mögliche me- dikamentöse Pupillenerweiterung gewährleistet sein. Dies kann durch das Eintropfen von z. B. Tropicamid 0,5% und Phenylephrin 2% im Wechsel, alternativ auch Atropin 0,1%, in den Bindehautsack des Kindes erfolgen. Mögli- che systemische Nebenwirkungen der Mydriatika durch die behandelnden Neonatologen gemonitort werden. Bei Kindern, die im Inkubator versorgt werden, sollte mit den Neonatologen ein Öffnen des Inkubators zur Unter- suchung diskutiert werden, da die Untersuchung im ge- schlossenen Inkubator die Beurteilbarkeit stark herabset- zen kann. Für telemedizinische Untersuchungen muss der Inkubator immer geöffnet werden. Merke Zur Funduskopie wird das Kind von einer zweiten Per- son gehalten (z. B. Pflegekraft). Hierbei ist eine Fixie- rung des Kopfes wesentlich, um Verletzungen im Rah- men der Funduskopie und Indentation zu vermeiden. Zur Vermeidung von Schmerzen muss vor Einsetzen des Lidsperrers ein Lokalanästhetikum in den Bindehautsack des Kindes geträufelt werden. Unterstützend kann dem Kind Glukoselösung oral verabreicht werden. In der Leit- linie ist ein standardisierter Untersuchungsablauf be- schrieben: ▪ Zunächst sollte nach Einsetzen des Lidsperrers die Be- urteilung der vorderen Augenabschnitte und der Pu- pillenweite erfolgen, insbesondere hinsichtlich Indika- toren für eine therapiebedürftige ROP wie eine rigide Pupille, Irishyperämie, Rubeosis iridis und erweiterte Gefäße einer persistierenden Tunica vasculosa lentis. Auch eine Beurteilung der brechenden Medien sollte hierbei erfolgen. ▪ Im nächsten Schritt erfolgt die Beurteilung der zentra- len Netzhaut auf Veränderungen nach internationaler Klassifikation, insbesondere auch auf die Vaskularisa- tionsgrenze und das Vorliegen einer Plus-Disease. Auch Blutungen, Glaskörperverdichtungen, eine Amo- tio retinae oder Netzhauttraktionen können bereits zentral sichtbar sein. ▪ Nachfolgend sollte die periphere Netzhaut in Bezug auf die Vaskularisationsgrenze sowie Veränderungen im Rahmen einer eventuellen ROP beurteilt werden. Hierbei sollten bei der Funduskopie eine Indentation und Rotation des Bulbus zur Darstellung der Periphe- rie erfolgen. Bei telemedizinischen Untersuchungen z. B. mittels RetCam ist aufgrund der Weitwinkeloptik (bis 130°) eine Indentation nicht notwendig. In der Re- gel erfolgt eine Bildgebung über ein Kontaktgel. Für periphere Aufnahmen wird das die Kamera enthalten- de Handstück geschwenkt und auf die Peripherie aus- 22 Li JQ et al. Frühgeborenenretinopathie Augenheilkunde up2date 2022; 12: 13–32 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung einer behandlungsbedürftigen ROP auch bei extrem früh- geborenen Kindern hier noch nicht zu erwarten ist [17, 18]. In einer aktuellen Auswertung des deutschen Reti- na.net-ROP-Registers war bei 281 behandelten Kindern die Therapie sogar frühestens in einem PMA von 32 Wo- chen notwendig [14]. Die empfohlenen Screening-Intervalle richten sich nach dem Schweregrad der Erkrankung. Grundsätzlich gilt ein Screening-Intervall von 2 Wochen. Eine Reduktion auf ei- nen 1-wöchentlichen Kontrollabstand erfolgt dann, wenn die Vaskularisationsgrenze in Zone I oder in der posterio- ren Zone II liegt oder ein Stadium 2 oder 3 in Zone IIa oder eine ROP mit Plus-Disease vorliegt. Kürzere Kontroll- intervalle als 1 Woche können beispielsweise bei rasch progredienter ROP oder sehr unreifer Netzhaut sinnvoll sein. Sofern die Vaskularisationsgrenze in Zone III liegt, kann das Screening-Intervall auf 3 Wochen ausgedehnt werden (s. Box „Empfohlene Kontrollintervalle im Rah- men des ROP-Screenings“). Außerdem können die jeweils genannten Kontrollintervalle um 1 Woche verlängert werden, falls über mehrere Untersuchungstermine ein rückläufiger Befund festgestellt oder der errechnete Ge- burtstermin bereits überschritten wurde. Eine Beendigung des Screenings kann erfolgen, wenn die Netzhaut peripher zirkulär ausvaskularisiert ist oder eine deutliche Regression der peripheren Netzhautverän- derungen nach akuter ROP erkennbar ist (keine Prolifera- tionen mehr, Vaskularisationsgrenze in Zone III) und der errechnete Geburtstermin bereits überschritten wurde. Sofern eine Behandlung, insbesondere eine Anti-VEGF- Behandlung, durchgeführt wurde, gelten abgewandelte Kriterien, die im Kapitel „Verlaufskontrollen nach Thera- pie“ behandelt werden. ZUSATZINFO Empfohlene Kontrollintervalle im Rahmen des ROP-Screenings, auch als ausdruckbare Kitteltaschenkarte verfügbar in [19] Kontrollintervalle grundsätzlich alle 2 Wochen, außer in folgenden Situationen: ▪ Kontrolle nach 1 Woche (solange keine Therapieindikation besteht) bei: – Vaskularisationsgrenze in Zone I oder IIp (unabhängig vom Vorliegen einer ROP) – Stadium 2 oder 3 in Zone IIa – jeder ROP mit Plus-Disease ▪ Kontrolle erst in 3 Wochen bei Vaskularisationsgrenze ohne ROP in Zone III ▪ Verlängerung des jeweiligen Kontrollintervalls um 1 Woche bei: – rückläufigem Befund über mehrere Kontrollen – überschrittenem errechnetem Geburtstermin Therapie der akuten Frühgeborenenretinopathie Eine Therapie sollte in enger Absprache mit den Eltern und den behandelnden Neonatologen erfolgen, auch um die erforderlichen Schritte einzuleiten und zu organi- sieren, wie etwa eine eventuelle Narkose. Die deutsche Stellungnahme gibt Empfehlungen zur Anti-VEGF-Thera- pie bei ROP [5]. Eine Behandlung darf nur nach ausführ- licher Aufklärung und schriftlicher Einwilligung der Eltern erfolgen. Dabei sollten Risiken der jeweiligen Behand- lung, Vor- und Nachteile einer Anti-VEGF- und Laserthe- rapie, Nachkontrollen und eventuelle Nachbehandlungen und Folgen einer Nichtbehandlung thematisiert werden. Behandlungsindikationen Eine Therapieindikation bei akuter ROP wird basierend auf dem Erkrankungsstadium gestellt. In der amerikani- schen Leitlinie wird die Indikation zur Therapie bei Vorlie- gen einer „type 1 ROP“ gestellt, auch „high-risk pre- threshold ROP“ genannt [17, 20]. Im Gegensatz zu euro- päischen Leitlinien wird eine Therapie dort bereits bei Vorliegen eines Stadium 2 + in Zone II empfohlen [5, 21]. In der aktualisierten deutschen Leitlinie und Stellungnah- me wurden die Therapieindikationen ausgeweitet, um eine individuellere Anpassung der Therapie an die Bedürf- nisse der einzelnen Kinder zu ermöglichen. Merke Die Behandlung einer ROP in Zone II mit gleichzeiti- gem Vorliegen von Stadium 3 und Plus-Disease ist spätestens bei Proliferationen in 5 zusammenhän- genden oder 8 nicht zusammenhängenden Uhrzeiten notwendig. Neu ist, dass nach Maßgabe des Behandlers bereits bei geringer ausgeprägten Proliferationen ab einer Uhrzeit eine Therapie indiziert werden kann. Eine Therapie in Zone III ist in der Regel auch bei vorliegender Plus-Disease nicht erforderlich und auch in anderen nationalen Leitlini- en nicht vorgesehen [17, 21 – 23]. Weiterhin ist eine Be- handlung bei ROP in Zone I bei jedem Stadium mit Plus- Disease oder bei Vorliegen eines Stadium 3 (mit oder ohne Plus-Disease) sowie bei Vorliegen einer A‑ROP indi- ziert (s. a. Fallbeispiel) [5]. Bei Vorliegen einer A‑ROP kann aufgrund des Risikos einer schnellen Progredienz eine ra- sche Behandlung (teils schon innerhalb von 24 Stunden) notwendig sein. Im Falle eines Stadium 4 oder 5 ist eine Lasertherapie nicht möglich und eine Anti-VEGF-Behand- lung aufgrund des Risikos einer Zunahme der vitreoreti- nalen Traktionen kontraindiziert [5], sodass chirurgische Interventionen erwogen werden müssen. 24 Li JQ et al. Frühgeborenenretinopathie Augenheilkunde up2date 2022; 12: 13–32 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung vierung der Erkrankung zu erwarten ist, kann es nach Anti-VEGF-Behandlung zu ungenügender Regression bzw. zur Reaktivierung der akuten ROP kommen, die eine erneute IVOM oder eine anschließende Laserbehandlung notwendig machen (s. Fallbeispiel). Außerdem ist zu be- achten, dass es bei intravitrealer Injektion auch zu einer systemischen Suppression der VEGF-Aktivität kommt, die sich in der Höhe bei den verschiedenen Medikamen- ten unterscheidet. Eine systemische VEGF-Unterdrü- ckung wird als Risiko für Entwicklungsstörungen u. a. der Lunge und des Gehirns diskutiert [28, 29]. Die geringste Unterdrückung der systemischen VEGF-Aktivität liegt nach Ranibizumab vor [26, 30]. Ein wesentlicher Aspekt der Anti-VEGF-Therapie ist die Notwendigkeit von deut- lich längerfristigen Nachkontrollen (s. u. „Verlaufskontrol- le nach Therapie“). Merke Hinsichtlich der Wahl des Therapieverfahrens (Laser vs. IVOM) liegen keine allgemeingültigen Empfeh- lungen vor, sodass eine individuelle fallbezogene Abwägung sowie eine ausführliche Aufklärung der Eltern erfolgen müssen. Hierfür bietet die Stellungnahme der deutschen Fachge- sellschaften [5] wichtige Hinweise und eine Bewertung der Evidenz für eine Anti-VEGF-Therapie bei ROP, insbe- sondere in Abgrenzung zur Lasertherapie. Bei behand- lungsbedürftiger ROP in Zone I (Stadium 1 +, 2 + und 3 ±) ist die Anti-VEGF-Behandlung hinsichtlich der Re- gression der Lasertherapie überlegen. Bei der Laserbe- handlung bei ROP in Zone I ist zu beachten, dass ein sehr großes Netzhautareal behandelt werden muss und so das Risiko für eine ausgeprägte Gesichtsfeldeinschränkung besteht. Nach Anti-VEGF ist dagegen eine weitere Vasku- larisation der Netzhaut und Umwandlung in funktionales Gewebe noch möglich. Bei A‑ROP und ROP in Zone I er- scheint eine IVOM-Therapie der Laserbehandlung als ers- ter Schritt überlegen. Eine simultane Behandlung mit La- ser und Anti-VEGF-Therapie ist in der Regel nicht sinnvoll, da bereits eine Monotherapie meist zu einem ausreichen- den Therapieerfolg führt und sich bei Kombination die unerwünschten Wirkungen wie laserinduzierte Netzhaut- verödung und potenzielle systemische Effekte der Anti- VEGF-Therapie summieren könnten. Da die Blut-Retina- Schranke durch eine Laserbehandlung akut massiv ge- stört wird, könnte eine simultane IVOM-Therapie zu einer stärkeren Belastung aufgrund vermehrter systemischer Suppression von VEGF führen. Ein eventuelles sequenziel- les Vorgehen erscheint dagegen in ausgewählten Fällen sinnvoll (z. B. zunächst Anti-VEGF, im Verlauf Laserthera- pie bei Persistenz verbleibender avaskulärer peripherer Netzhautanteile), wie im Fallbeispiel dargestellt. Behandlungsoptionen bei Stadium 4 und 5 Ein Fortschreiten der Erkrankung in ein Stadium 4 oder 5 sollte durch eine zeitgerechte Behandlung mittels Laser oder Anti-VEGF-Therapie in den meisten Fällen verhindert werden können. Sollte es dennoch zu einer Netzhaut- ablösung kommen, ist eine chirurgische Therapie mög- lich. Eine operative Behandlung sollte vor einer Betei- ligung der Netzhautmitte, also im Stadium 4a erfolgen. Möglich sind im Stadium 4 sowohl eindellende Verfahren als auch eine Pars-plana-Vitrektomie (PPV), bei Stadium 5 ausschließlich die PPV. Bei Stadium 4b ist in aller Regel im Hinblick auf die zu erreichenden funktionellen Ergebnisse eine PPV effektiver als eine eindellende Operation. Verlaufskontrollen nach Therapie Sowohl nach Laserbehandlung als auch IVOM sind eng- maschige postinterventionelle Kontrollen erforderlich. Bei der Laserbehandlung ist insbesondere auf einen Reiz- zustand oder Augeninnendruckanstieg zu achten. Unmit- telbar nach einer IVOM sollte eine Kontrolle der Perfusion der Netzhautgefäße und auf eventuelle Linsenläsionen erfolgen. Im weiteren Verlauf müssen postinterventio- nelle Komplikationen, allen voran eine Endophthalmitis, ausgeschlossen werden. Eine Fundusuntersuchung in Mydriasis zur Kontrolle der Perfusion und zum Ausschluss von Linsenverletzungen oder Endophthalmitis sollte min- destens einmal innerhalb der ersten 4 Tage erfolgen. Nach IVOM kann die Regression der ROP in ein nicht be- handlungsbedürftiges Stadium bis zu 4 Wochen dauern [31]. Aus zahlreichen Studien geht hervor, dass ein Fol- low-up nach Anti-VEGF-Behandlung deutlich länger erfol- gen muss als nach Laserbehandlung [24, 32]. In der BEAT‑ROP-Studie traten in der Bevacizumab-Gruppe Re- zidive (nach ICROP3 besser: Reaktivierungen) bei einer Nachkontrolle bis zur 52. postmenstruellen Woche nach 16 ± 4,6 Wochen auf (vs. 6,2 ± 5,7 Wochen in der Laser- gruppe) [27]. Im Anschluss an die Studie fand eine lange Nachbeobachtung von 241 mit Bevacizumab behandel- ten Kindern statt [24]. Die Inzidenz eines Wiederauftre- tens eines therapiebedürftigen Stadiums (Reaktivierung nach neuer Nomenklatur der ICROP3) in der Kohorte lag bei 8,3%, wobei das größte Risiko bei Vorliegen einer AP‑ROP (31,6%, nach ICROP3: A‑ROP), einer langen Hos- pitalisierungsdauer oder eines geringeren Geburts- gewichts beschrieben wurde. Im Mittel trat die Reaktivie- rung bei einem PMA von 51,2 ± 4,6 Wochen auf, eine Wiederbehandlung fand nach einem mittleren Intervall von 16,2 ± 4,4 Wochen statt. Ein Auftreten später be- handlungsbedürftiger Reaktivierungen wurde auch im Rahmen weiterer Studien beschrieben, in Einzelfällen bis zu einem PMA von 69 Wochen oder 35 Wochen nach letz- ter erfolgte Anti-VEGF-Injektion [33 – 35]. Daher können nach Anti-VEGF-Therapie Kontrolluntersuchungen bis weit über den errechneten Geburtstermin hinaus erfor- derlich werden. 26 Li JQ et al. Frühgeborenenretinopathie Augenheilkunde up2date 2022; 12: 13–32 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung KERNAUSSAGEN ▪ Mit der Einführung der Anti-VEGF-Therapie haben sich die Be- handlung der akuten ROP, aber auch die Nachbeobachtung nach Therapie wesentlich geändert. ▪ In diesem Artikel wurden die wesentlichen Änderungen der Klas- sifikation der akuten ROP, die 2021 von einem internationalen Gremium als ICROP3 publiziert worden sind, der 2020 revidier- ten deutschen AMWF-Leitlinie zum ROP-Screening und der ebenfalls 2020 überarbeiteten Stellungnahme der deutschen augenärztlichen Fachgesellschaften zur Anti-VEGF-Behandlung der Frühgeborenenretinopathie zusammenfassend dargestellt sowie weitere aktuelle Publikationen zur ROP diskutiert. ▪ Eine besondere Herausforderung nach Behandlung stellen späte Reaktivierungen der Erkrankung nach Anti-VEGF-Therapie dar, die langfristige Nachkontrollen erforderlich machen. ▪ In Zukunft werden retinale Bildgebungsverfahren wie Weitwin- kelfundusfotografie und Fluoreszeinangiografie eine zuneh- mende Rolle spielen, die zur Verlaufsdokumentation und im Rahmen eines telemedizinischen Screenings eingesetzt werden könnten. ▪ Derzeit noch vor allem in wissenschaftlichen Studien zur Anwen- dung kommt die optische Kohärenztomografie mit handgehal- tenen Geräten. Interessenkonflikt Erklärung zu finanziellen Interessen Forschungsförderung erhalten: ja, von einer anderen Institu- tion (Pharma- oder Medizintechnikfirma usw.); Honorar/geld- werten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: ja, von einer anderen Institution (Pharma- oder Medizintechnikfirma usw.); Bezahlter Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfän- ger: ja, von einer anderen Institution (Pharma- oder Medizin- technikfirma usw.); Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/ Partner, Ehepartner, Kinder) an im Bereich der Medizin aktiven Firma: ja; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an zu Sponsoren dieser Fortbildung bzw. durch die Fortbildung in ihren Geschäftsinteressen berührten Firma: nein. Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen U. Kellner: Mitglied von DOG, BDOC, RG, RWA, EURETINA, ARVO, ISCEV, ISGEDR, Vorstandsvorsitzender VoA, Mitglied im Aufsichtsrat OcuNet, Leiter Arbeitskreis klinische Fragen und Mitglied des Wissenschaftlich-Medizinischen Beirats der Pro- Retina e.V. T. U. Krohne: Mitglied u.a. von DOG, RG, BVA, RWA, BDOC, EURETINA, ARVO. J. Q. Li: Mitglied von DOG, RG, BVA, EURETINA. B. Lorenz: Mitglied von DOG, BVA, AAO, ARVO, EPOS, Vor- standsmitglied ISGEDR, Mitglied des Lenkungsausschuss EVICR.net, stellvertretende Vorsitzende der Sektion DOG-Ge- netik. A. Stahl: Mitglied der DOG, Mitglied des Vorstands der RG, Sprecher und Erster Vorsitzender von retina.net e.V., Gutach- ter für das National Eye Institute, National Institutes of Health (NIH), USA Autorinnen/Autoren Jeany Q. Li Dr. med. 2008–2014 Medizinstudium. 2015– 2020 Facharztausbildung Augenheilkunde in Köln und an der Universitäts-Augenklinik Bonn. 2020 Fachärztin für Augenheilkunde. Seit 01/ 2021 Fachärztin mit Schwerpunkt Netzhaut- erkrankungen am Zentrum für Augenheilkunde der Uniklinik Köln. Ulrich Kellner Prof. Dr. med. 1977–1983 Medizinstudium. 1984–1990 Facharztausbildung und Facharzt, Zentrum für Augenheilkunde, Essen. 1990– 2003 Facharzt, leitender Oberarzt und Profes- sur, Klinikum Benjamin Franklin FU Berlin. 2004–2011 AugenZentrum Siegburg. Seit 2011 MVZ Augenärztliches Diagnostik- und Therapiecentrum Siegburg GmbH, Ärztlicher Leiter, Geschäftsführer. Schwer- punkte: erbliche und toxische Netzhaut- und Sehbahnerkran- kungen. Birgit Lorenz Prof. Dr. med., FEBO, FARVO. 1968–1974 Medizinstudium. 1974 Promotion. 1981 Fach- ärztin für Augenheilkunde. 1989 Habilitation. 1991 Zusatzqualifikation Medizinische Genetik. 1991–2007 C3-Professorin für Kinderophthal- mologie, Strabologie-Neuroophthalmologie und Ophthalmogenetik, Universität Regensburg. 2007– 2019 Universitätsprofessorin JLU Gießen und Klinikdirektorin, Augenklinik des UK Gießen/Marburg. Seit 2020 Professorin emerita UK Bonn. Schwerpunkte Ophthalmogenetik, Gen- therapie, Kinderophthalmologie, insbesondere Frühgebore- nenretinopathie inkl. Telemedizin. Andreas Stahl Prof. Dr. med. 1998–2005 Medizinstudium. 2006–2012 Facharztausbildung für Augenheil- kunde. 2008–2010 Forschungsaufenthalt an der Harvard Medical School. 2012 deutsche und europäische Facharztprüfung für Augen- heilkunde (FEBO). Anschließend Oberarzt an der Universitätsaugenklinik Freiburg bis 2018. Seit 2019 Leiter der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde an der Univer- sitätsmedizin Greifswald. Schwerpunkte: Retinologie, insbe- sondere Frühgeborenenretinopathie sowie künstliche Intelli- genz in der Augenheilkunde. Tim U. Krohne Univ.-Prof. Dr. med., FEBO. Nach Medizinstudi- um und Facharztausbildung 3 Forschungsjahre in der Abteilung für Zellbiologie des Scripps Research Instituts in La Jolla/Kalifornien. 2010– 2020 geschäftsführender Oberarzt an der Uni- versitäts-Augenklinik Bonn. Seit 2020 Professur für Netzhautchirurgie an der Universität Köln. Leiter des Schwerpunkts für Netzhauterkrankungen und vitreoretinale Chirurgie am Zentrum für Augenheilkunde der Uniklinik Köln. 28 Li JQ et al. Frühgeborenenretinopathie Augenheilkunde up2date 2022; 12: 13–32 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung [27] Mintz-Hittner HA, Kennedy KA, Chuang AZ. Efficacy of intravi- treal bevacizumab for stage 3 + retinopathy of prematurity. N Engl 603–615. doi:10.1056/NEJ- Moa1007374 J Med 2011; 364: [28] Lien R, Yu MH, Hsu KH et al. Neurodevelopmental Outcomes in Infants with Retinopathy of Prematurity and Bevacizumab Treatment. PLoS One 2016; 11: e0148019. doi:10.1371/jour- nal.pone.0148019 [29] Morin J, Luu TM, Superstein R et al. Neurodevelopmental Out- comes Following Bevacizumab Injections for Retinopathy of Prematurity. Pediatrics 2016; 137: e20153218–e20153218. doi:10.1542/peds.2015-3218 [30] Stahl A, Krohne TU, Eter N et al. Comparing Alternative Ranibi- zumab Dosages for Safety and Efficacy in Retinopathy of Pre- maturity: A Randomized Clinical Trial. JAMA Pediatrics 2018; 172: 278–286. doi:10.1001/jamapediatrics.2017.4838 [31] Isaac M, Tehrani N, Mireskandari K. Involution patterns of reti- nopathy of prematurity after treatment with intravitreal beva- cizumab: implications for follow-up. Eye 2016; 30: 333–341 [32] Isaac M, Mireskandari K, Tehrani N. Treatment of type 1 reti- nopathy of prematurity with bevacizumab versus laser. J AAPOS 2015; 19: 140–144. doi:10.1016/j.jaapos.2015.01.009 [33] Hu J, Blair MP, Shapiro MJ et al. Reactivation of retinopathy of prematurity after bevacizumab injection. Arch Ophthalmol 2012; 130: doi:10.1001/archophthal- mol.2012.592 1000–1006. [34] Jang SY, Choi KS, Lee SJ. Delayed-onset retinal detachment after an intravitreal injection of ranibizumab for zone 1 plus retinopathy of prematurity. J AAPOS 2010; 14: 457–459. doi:10.1016/j.jaapos.2010.05.011 [35] Wong RK, Hubschman S, Tsui I. Reactivation of retinopathy of prematurity after ranibizumab treatment. Retina 2015; 35: 675–680. doi:10.1097/IAE.0000000000000578 Die Schlagzeilen l e w a r / a l i l [36] Wang SK, Callaway NF, Wallenstein MB et al. SUNDROP: six years of screening for retinopathy of prematurity with teleme- dicine. Can J Ophthalmol 2015; 50: 101–106. doi:10.1016/j. jcjo.2014.11.005 [37] Maldonado RS, Toth CA. Optical coherence tomography in ret- inopathy of prematurity: looking beyond the vessels. Clin Peri- natol 2013; 40: 271–296 [38] Klufas MA, Patel SN, Ryan MC et al. Influence of fluorescein an- giography on the diagnosis and management of retinopathy of prematurity. Ophthalmology 2015; 122: 1601–1608 [39] Harper III CA, Wright LM, Young RC et al. Fluorescein angio- graphic evaluation of peripheral retinal vasculature after pri- mary intravitreal ranibizumab for retinopathy of prematurity. Retina 2019; 39: 700–705 [40] Andrassi-Darida M, Mais C, Stieger K et al. Fluorescence angi- ography-assisted management of recurrences in aggressive posterior retinopathy of prematurity (APROP) after Intravitreal monotherapy with 0.312 mg Bevacizumab. Klin Monbl Augen- heilkd 2020; 237: 1468–1476 Bibliografie Augenheilkunde up2date 2022; 12: 13–32 DOI 10.1055/a-1488-0839 ISSN 0023-2165 © 2022. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany Sie möchten Studienergebnisse, neue Erkenntnisse tragen? Hatten schon einmal eine unangenehme Begegnung mit den Medien? Kennen die Situation, Journalisten gegenüber Rede und Antwort zu stehen? ankommen. Dazu bieten wir Ihnen ein modular aufgebautes Medientraining für Einzelpersonen und Kleingruppen. Interessiert? www.thieme.de/medientraining o t o F © 30 Li JQ et al. Frühgeborenenretinopathie Augenheilkunde up2date 2022; 12: 13–32 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Punkte sammeln auf CME.thieme.de Fortsetzung … Frage 8 Frage 10 Wann sollte, sofern notwendig, eine Anti-VEGF-Behandlung frü- hestens wiederholt werden? A nach 28 Tagen B nach 21 Tagen C nach 14 Tagen D nach 3 Monaten E Eine Wiederholung der IVOM-Therapie ist grundsätzlich nicht empfohlen. Frage 9 Bei welchem Befund besteht nach deutscher Leitlinie keine Indi- kation zur Therapie? A ROP Stadium 2 in Zone III mit Plus-Symptomatik B ROP Stadium 3 in Zone I ohne Plus-Symptomatik C ROP Stadium 3 in Zone II mit Plus-Symptomatik D ROP Stadium 1 in Zone I mit Plus-Symptomatik E A‑ROP Welche Antwort bezüglich Plus-Disease trifft nicht zu? A Die Beurteilung ist untersucherabhängig. B Die Beurteilung erfolgt anhand der Gefäßdilatation und ‑schlängelung. C Eine Plus-Disease liegt vor, wenn sich eine Leiste mit Prolife- rationen in Zone I zeigt. D Im Verlauf kann es u. a. auch zu Glaskörper-Haze kommen, dies ist jedoch nicht notwendig für die Diagnose einer Plus- Disease. E Als Abstufung dient der Begriff „Prä-Plus“ für Befunde, die nicht für die Definition einer Plus-Disease ausreichen. Service für unsere Leser up2date immer dabei! Wissens portal eRef plus App. CME-Beitrag SOP/Arbeitsablauf Schritt-für-Schritt ... ... ... ... Jetzt downloaden: up2date – Fortbildung mit dem roten Faden 32 Li JQ et al. Frühgeborenenretinopathie Augenheilkunde up2date 2022; 12: 13–32 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Unter dieser Rubrik sind bereits erschienen: Die moderne Orthokeratologie – scharf sehen über Nacht T. Ring-Mangold, R. Emminger Heft 2/2021 Phake Intraokularlinsen F. H. Hengerer, I. Conrad-Hengerer Heft 2/2017 Eintrübung von Intraokularlinsen R. Khoramnia Heft 2/2021 Endophthalmitis nach Kataraktchirurgie D.-T. Pham, U. Pleyer Heft 1/2017 SMILE – Small Incision Lenticule Extraction G. Steinwender, M. Shajari, W. J. Mayer, D. Kook, M. Dirisamer, T. Kohnen Heft 2/2020 Refraktive Hornhautchirurgie: Nachkorrekturen D. Kook, W. J. Mayer, M. Shajari, G. Steinwender, T. Kohnen Heft 2/2020 Presbyopiekorrektur mittels Linsensystemen M. C. Knorz Heft 4/2019 Linsenchirurgie: Einsatz von multifokalen Intraokularlinsen M. Shajari, W. J. Mayer, S. Priglinger Heft 4/2019 Pseudophake additive Intraokularlinsen F. H. Hengerer, I. Conrad-Hengerer Heft 4/2017 Refraktiver Linsenaustausch F. H. Hengerer, I. Conrad- Hengerer Heft 3/2017 Presbyopiekorrektur mittels Laserchirurgie B. Pajic, H. Massa, E. N. Eskina Heft 3/2017 Kataraktchirurgie mit dem Femtosekundenlaser – aktueller Stand und Ausblick H. Dick, T. Schultz Heft 3/2016 LASIK und Femto-LASIK T. Schlote, M. Kynigopoulos Heft 3/2016 Sekundäre Linsenimplantation K. Gekeler, F. Gekeler Heft 3/2015 Multifokale und Add-on-Intraokularlinsen K. Gekeler, F. Gekeler Heft 4/2014 Diagnostik in der refraktiven Laserchirurgie T. Schlote, A. Heuberger, L. Schluep, C. Gebhard Heft 4/2012 Die Linse bei systemischen Erkrankungen J. Rohrbach, P. Szurman, T. Schlote, K. Bartz-Schmidt Heft 3/2012 Kataraktchirurgie und altersbedingte Makuladegeneration H. Baatz Heft 1/2012 ALLES ONLINE LESEN IHR ONLINE-SAMMELORDNER JETZT FREISCHALTEN Mit der eRef lesen Sie Ihre Zeitschrift: online wie offline, am PC und mobil, alle bereits erschienenen Artikel. Für Abonnenten kostenlos! https://eref.thieme.de/augen-u2d Sie möchten jederzeit und überall auf Ihr up2date-Archiv zu- greifen? Kein Problem! Ihren immer aktuellen Online- Sammelordner finden Sie unter: https://eref.thieme.de/PHWUW Sie haben Ihre Zeit- schrift noch nicht freigeschaltet? Ein Klick genügt: www.thieme.de/eref-registrierung

CME-Fortbildung Die Linse ist begrenzt durch die Linsenkapsel; sie wird als ihre Basallamina von den Linsenepithelzellen gebildet und nimmt im Laufe des Lebens an Dicke kontinuierlich zu. Sie ist im vorderen Bereich etwa 14 µ dick, im zentra- len posterioren Bereich am dünnsten mit 4–5 µ, am dicksten in der vorderen und hinteren prääquatorialen Zone mit 20–23 µ. Ihre äußerste Lamelle wird als zonulä- re Lamelle bezeichnet – hier inserieren die Zonulafasern. Das Linsenepithel ist eine einschichtige Lage von kuboiden Zellen auf der Innenseite des vorderen Anteils der Linsen- kapsel. Sie sind verantwortlich für die Biosynthese von Proteinen, Nukleotiden, Lipiden sowie von ATP für den Energiebedarf der Linse. In einem schmalen Band prä- äquatorial, der „germinativen Zone“, teilen sich die Epi- thelzellen: Die neu gebildeten Zellen migrieren zum Äquator, wo die Differenzierung zu Linsenfasern beginnt. Mit der weiteren Wanderung nach knapp retroäquatorial erfolgt die endgültige Ausdifferenzierung zu Linsen- fasern. Dieses appositionelle Wachstum innerhalb des begrenz- ten Volumens innerhalb der Kapsel führt zu zunehmen- der Verdichtung des Linsenmaterials; die Zellen/Linsenfa- sern wandern im Laufe der Zeit weiter ins Linseninnere und verlieren ihre Kerne und zahlreiche Organellen: Dies ist optisch vorteilhaft, weil die so zunehmende optische Homogenität die Transparenz verbessert und Lichtstreu- ung vermindert. Gleichzeitig werden diese Zellen aber zunehmend abhängig von glykolytischer Energiezufuhr über die oberflächlichen Linsenepithelzellen für ihren Stoffwechsel. Linsenkern und Linsenrinde (Nucleus und Kortex) sind Be- zeichnungen aus dem Aspekt im spaltlampenmikroskopi- schen Bild und nach dem Verhalten der unterschiedlichen Linsenschichten im chirurgischen Bereich: Tatsächlich besteht der Unterschied in den verschiedenen Tiefen der Linse lediglich darin, in welchem Lebensalter die entspre- chenden Fasern entstanden und niedergelegt worden sind. Lediglich der embryonale Kern besteht aus den (primären) Linsenfasern aus den Zellen des posterioren Anteils des Linsenvesikels (bis zur etwa 6. Woche). Alle anderen Schichten bestehen aus den – sekundären – Lin- senfasern aus dem anterioren Linsenepithel. Der fetale Kern besteht aus den Fasern, die bis zur Geburt entstanden sind; der juvenile Kern aus Fasern bis zum Ab- schluss der Pubertät. Der adulte Kern besteht aus den Fa- sern, die im Erwachsenenalter entstanden sind. Den äußeren Kortex bilden Fasern im Stadium der Elongation, die inneren kortikalen Schichten bestehen aus Fasern, de- ren Elongation abgeschlossen ist und die ausreifen. Ultra- strukturell lasen sich auch morphologische Unterschiede der Fasern aus den unterschiedlichen Altern und damit aus unterschiedlichen Tiefen nachweisen, ohne dass dies von klinischer Relevanz wäre. Pathogenese der Bildung einer Alterskatarakt Die Pathogenese der Alterskatarakt ist sehr multifak- toriell und bei Weitem nicht in allen Einzelheiten geklärt. Zu den wesentlichen Mechanismen gehören [2]: ▪ Die Verdichtung und Verhärtung des zentralen Linsen- materials (Kernsklerose) – durch das kontinuierliche appositionelle Wachstum neuer Linsenfasern und da- mit einhergehende Veränderungen des Stoffwechsels und des Energiehaushaltes der Linsenfasern. ▪ Veränderungen der Linsenproteine (Κristalline), wel- che zu einer Veränderung ihrer chemischen Zusam- mensetzung und ihrer Molekülstruktur führen, die in einem Transparenzverlust resultieren. ▪ Eine zunehmende Gelb- und weiter Braunfärbung der Linsenproteine, insbesondere im Kernbereich; durch Einlagerung von Pigmenten und/oder durch eine Ver- längerung der Wegstrecke für das Licht im Kern- bereich und Veränderungen in der Zusammensetzung und Konzentration der Ionen innerhalb der Linse. Klinik Objektive Zeichen Kortikale Katarakt (Rindenkatarakt) Sie besteht aus feinen netzförmigen Irregularitäten, spin- delförmigen und/oder keilförmigen Trübungen der vor- deren, äquatorialen und/oder hinteren Rinde, aus Vakuo- len und Wasserspalten. Einige der wesentlichen Faktoren, welche dafür überwiegend verantwortlich gemacht wer- den, sind: ▪ vermehrte Irregularitäten in der Formierung der Lin- sennähte mit den zunehmenden Schichten, ▪ lokale Membranschäden an ausgereiften Zellmembra- nen, die zum Verlust von intrazellulären Metaboliten und Proteinen und deren Denaturierung führen, sowie ▪ osmotische Faktoren durch Störungen des ionischen Gleichgewichts intra- und extrazellulär, die zu Wasser- ansammlungen zwischen den Fasern führen. Im Spaltbild sind die Trübungen weißlich, die Wasserspal- ten und Vakuolen erscheinen „optisch leer“. Im regre- dienten Licht sind die Trübungen dunkel, die Wasser- ansammlungen transparent. Merke Eine Sonderform von Einlagerungen sind Choleste- rinkristalle, die als „Christbaumschmuck-Katarakt“ anschaulich bezeichnet werden. 36 Neuhann I et al. Die senile Katarakt Augenheilkunde up2date 2022; 12: 33–53 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Monokulare Diplopie Eine weitere Besonderheit kann durch die Myopisierung hervorgerufen werden, insbesondere, wenn die Kernver- dichtung in einem vergleichsweise kleinen Durchmesser besonders ausgeprägt ist: Weil dann, insbesondere bei mittlerem oder weiterem Pupillendurchmesser, die zen- traler einfallenden Strahlen stärker gebrochen werden als die weiter peripher einfallenden Strahlen, können mo- nokulare Doppelkonturen entstehen. Dieses Phänomen wird im deutschen Sprachraum anschaulich auch als „Butzenscheiben-Katarakt“ bezeichnet. Diagnostisches Vorgehen Die allgemeinen Grundsätze der augenärztlichen Anam- nese- und Befunderhebung gelten natürlich auch hier und werden vorausgesetzt. Dargestellt werden hier nur besondere Aspekte für die Alterskatarakt. Es ist sinnvoll, zwei Untersuchungsgänge systematisch getrennt voneinander zu betrachten: Dabei handelt es sich zum einen um denjenigen Untersuchungsgang, der sinnvoll und angezeigt ist, wenn ein Patient mit entspre- chenden Fragen, Beschwerden und Symptomen die Kon- sultation sucht. Er dient der Diagnosefindung, der Objek- tivierung und Quantifizierung der subjektiv empfunde- nen Beschwerden und der auf die individuelle Situation und die individuellen Bedürfnisse des Patienten abge- stimmten Beratung. Ein zweiter, sehr viel detaillierterer Untersuchungsgang ist dann indiziert, wenn die Entscheidung zur operativen Behandlung vom Patienten getroffen worden ist; auf des- sen Basis kann dann die differenzierte Beratung zu unter- schiedlichen Behandlungsoptionen, deren relative Vor- und Nachteile, Erfolgsaussichten, Risiken und sonstige in- dividuelle Besonderheiten, die es zu berücksichtigen gilt, vorgenommen werden. In der klinischen Wirklichkeit werden die beiden im Fol- genden geschilderten Abläufe den jeweils individuellen Bedürfnissen, Vorinformationen und Situationen entspre- chend zu getrennten Zeitpunkten oder in unterschiedli- cher Weise zu einem einzigen Untersuchungs- und Bera- tungstermin vorgenommen werden können. Die hier vor- genommene getrennte Darstellung erfolgt zur besseren systematischen Übersicht. Allgemeiner Untersuchungsgang Anamnese Wie in der Medizin generell unerlässlich, ist auch hier die Erhebung der Anamnese Ausgangspunkt der gesamten Betreuung. In der modernen Medizin haben standardi- sierte Fragebogen zur Anamnese vielfach Einzug gehal- ten: So sehr sie im allgemeinen Bereich die Erhebung er- leichtern und verkürzen können, so wenig genügen sie oft den Anforderungen spezieller Situationen – wie etwa bei der Alterskatarakt. Deshalb ist es für diesen hier rele- vanten Aspekt sinnvoll, für bestimmte Aspekte gezielte Fragen zu stellen: Patienten geben in standardisierten Anamnesefragebögen vielfach potenziell relevante De- tails nicht an, etwa weil sie unterstellen, dass sie „für die Augen“ nicht relevant seien. So sollte etwa bei der Medikamentenanamnese grund- sätzlich gezielt gefragt werden, ob Medikamente zur Be- handlung einer Prostatahypertrophie eingenommen wer- den. Auch die gezielte Nachfrage nach womöglich frühe- rer längerer Kortisontherapie oder einer Strahlenthera- pie, insbesondere bei hinterer Schalenkatarakt, ist sinn- voll. Außerdem ist die gezielte Frage nach Überempfind- lichkeiten gegen gewisse Medikamente oder Medika- mentengruppen wichtig (z. B. Lokalanästhetika, Antibio- tika, Konservierungsmittel etc.), ebenso wie etwaige Be- sonderheiten, wie früher erfahrene Drucksteigerungen unter steroidhaltigen Augentropfen. Schließlich sollten die Patienten nach ihrer Schilderung der geklagten Beschwerden befragt werden. Bei all- gemeiner Angabe einer „Sehverschlechterung“ ist es sinnvoll, gezielt und differenziert nach Blendung und Trü- bung bzw. Problemen beim Erkennen kleiner Details, ins- besondere beim Lesen, oder Verzerrtsehen nachzufra- gen. Hieraus können sich erste Anhaltspunkte ergeben, inwieweit Trübungen der brechenden Medien bzw. ma- kuläre Veränderungen ursächlich im Vordergrund stehen. Visusprüfung und subjektive Refraktometrie Die Prüfung des bestkorrigierten Visus für Ferne und Nähe zeigt das Ausmaß der funktionellen Beeinträchtigung un- ter optimalen Prüfbedingungen. Auffallende Unterschie- de zwischen Fern- und Nahvisus können zur Differenzie- rung des Einflusses der Medientrübung gegenüber etwa retinalen Veränderungen auf die Funktionseinschränkung beitragen. Der Vergleich zu bisher getragenen Korrekturen zeigt, ob eine Myopisierung stattgefunden hat – und wie weit ein entsprechender Ausgleich die beklagten Beschwerden zu bessern oder zu beheben vermag. Die Prüfung des Visus mit bester Korrektur im Gegenlicht (etwa mit einer Lichtquelle von vorn-seitlich auf die Au- gen gerichtet) kann etwaige Diskrepanzen in der subjek- tiven Angabe der empfundenen Beeinträchtigung im täg- lichen Leben gegenüber dem Ergebnis unter den standar- disierten optimalen Untersuchungsbedingungen erklä- ren. Eine standardisierte quantitative Prüfung des Kontrast- sehens und/oder des Dämmerungs- und Nachtsehens, ohne und mit Blendung, ist für die Evaluierung der Alters- katarakt in der Regel nicht erforderlich und wird speziel- len Situationen und Fragestellungen vorbehalten bleiben. 38 Neuhann I et al. Die senile Katarakt Augenheilkunde up2date 2022; 12: 33–53 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung dasjenige Modell auszuwählen, das für ein individuelles Auge die bestgeeignete Korrektur ermöglicht. Merke In modernen optischen Biometriegeräten ist die Hornhautmessung zumeist integriert. Achslängenmessung Ultraschallbiometrie – Die „klassische“ Methode ist die Messung der Achsenlänge des Bulbus mithilfe des Ultra- schall-A-Bildes. Dabei können auch die Tiefe der Vorder- kammer und die Dicke der Linse bestimmt werden. Das Verfahren hat den Nachteil, dass es in der Durchfüh- rung vergleichsweise aufwendig und anspruchsvoll ist, um optimale axiale Ausrichtung zu erreichen. Die poten- zielle Quelle von Ungenauigkeit durch Indentation bei di- rektem Sondenkontakt kann durch eine Untersuchung unter Wasserbadankoppelung vermieden werden. Wegen der technischen Schwierigkeit und des Aufwands hat das Verfahren heute seinen Platz im Wesentlichen nur noch dort, wo die modernen optischen Verfahren nicht brauchbar durchführbar sind (z. B. nicht hinreichend transparente Medien, unzureichende Kooperationsfähig- keit etc.). Die optische Biometrie ist im heutigen klinischen Alltag das Verfahren der Wahl: Mit dem Verfahrensprinzip der OCT werden die Teilstrecken der Achsenlänge präzise und kontaktfrei gemessen, die Ausrichtung der Messstre- cke entlang der optischen Achse in die Fovea ist durch die Fixation gewährleistet und kann durch das OCT-Bild gesi- chert werden. Neben der technisch sicheren und vergleichsweise ein- fachen Bedienbarkeit sind die Präzision der Messwerte, die Kontrollierbarkeit der richtigen Ausrichtung und die mit gleicher Methodik – und damit im gleichen Unter- suchungsgang – mögliche Keratometrie von Vorder- und Rückfläche im zentralen Hornhautbereich dem Ultra- schallverfahren überlegen. Die Grenzen der Methodik lie- gen in der Medientransparenz und der der Kooperations- fähigkeit der Untersuchten (s. o.) OCT der zentralen Netzhaut Insbesondere bei durch die Katarakt bereits beeinträch- tigtem ophthalmoskopischem Einblick wird in der Litera- tur zunehmend die Durchführung einer solchen Unter- suchung zur Abklärung, quantitativen Abschätzung und Dokumentation diskreter Veränderungen an der zentra- len Netzhaut, wie etwa epiretinale Membranen, diabeti- sche Veränderungen, insbesondere diskrete diabetische Makulaödeme, oder altersbedingte Veränderungen, empfohlen, ja als Sorgfaltsstandard gefordert. TIPP Angesichts der derzeitigen hohen Erfolgserwartun- gen an die Komplikationsfreiheit und Ergebnisquali- tät von Operationen der Alterskatarakt kann diese Objektivierung und Dokumentation dazu dienen, die Erfolgsaussichten realistisch einzuschätzen und postoperativ auftretende Befunde mit dem prä- operativen Zustand zu vergleichen. Konservativ/medikamentöse Behandlung Eine medikamentöse oder sonstige nicht operative Be- handlungsoption mit auch nur andeutungsweise nach- weislicher Wirkung für eine Verlangsamung der Entwick- lung einer Alterskatarakt, gar einer Besserung vorhande- ner Trübungen, gibt es bis heute nicht. Anhaltende For- schungsaktivität auf diesem Sektor zeigt immer wieder neue potenzielle Angriffspunkte für eine mögliche Be- handlung, ohne dass sich daraus bisher anwendbare The- rapiemöglichkeiten ergeben hatten. Aus der Grundlagen- forschung zur Kataraktentwicklung ergeben sich Anhalts- punkte, dass bestimmte Verhaltensweisen bzw. Vermei- dung oder Minimierung kataraktogener Einflüsse sinnvoll sein können. Dazu gehören etwa die Begrenzung von UV- Exposition, die Begrenzung von oxidativem Stress – ggf. die Einnahme von Antioxidanzien –, die Vermeidung von Rauchen, um nur einige diskutierte Maßnahmen zu nen- nen [2]. Spekularmikroskopie des Hornhautendothels Chirurgische Behandlung Diese Untersuchung empfiehlt sich zur Abklärung und Dokumentation eines etwaigen erhöhten Risikos für en- dotheliale Komplikationen einer Operation. Unerwartet und anders nicht feststellbare Herabsetzungen der En- dotheldichte, diskrete Guttata-Veränderungen sind für die Risikoabschätzung und ‑information ebenso wichtig wie für die Planung zusätzlicher endothelschonender int- raoperativer Maßnahmen. Besonders wichtig ist dies beim Vorliegen von kornealen Komorbiditäten (etwa Z. n. Keratoplastik) oder sonstigen kornealen Risikofaktoren (z. B. sehr enges Vordersegment). Merke Die einzige wirksame therapeutische Option bei Alterskatarakt ist die operative Entfernung der getrübten Linse und – heute regelhaft – der Ersatz durch eine Kunstlinse. Bei der Operation der Katarakt handelt es sich um eine der frühesten dokumentierten operativen Behandlungen in der Geschichte; die Entwicklung der entsprechenden Techniken und Verfahren hat gerade in den letzten Jahr- zehnten eine fulminante Entwicklung durchlaufen, die 40 Neuhann I et al. Die senile Katarakt Augenheilkunde up2date 2022; 12: 33–53 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Zusätzliche Entscheidungen zur Wahl des Ope- rationsverfahrens und der Aphakiekorrektur Ist die Indikation zur Operation gestellt, sind die folgen- den Details abzuklären und zu entscheiden: Als Standardverfahren hat sich die extrakapsuläre Kata- raktextraktion durch Phakoemulsifikation für alle Situa- tionen etabliert, in welchen sie technisch möglich ist. Wird in seltenen Einzelfällen das Komplikationsrisiko der Phakoemulsifikation für inadäquat hoch für die Wahrung des Vorteils der kleinen Inzision angesehen (z. B. bei ex- tremer Kernhärte und vorgeschädigter Hornhaut), ist die extrakapsuläre Kataraktextraktion mit Entbindung des Linsenkerns im Ganzen durch eine entsprechend ausrei- chend große Inzision die erste Alternative. Ist eine sinnvolle Erhaltung des Kapselsackes nicht mög- lich (beispielsweise bei fortgeschrittener Zonulolyse, etwa bei Pseudoexfoliation), ist eine intrakapsuläre Lin- senextraktion zumeist die sinnvollste und am wenigsten komplikationsträchtige Wahl. Für die optische Korrektur der Aphakie ist ebensolcher Standard die Implantation einer intraokularen Kunstlinse (IOL). Im Regelfalle der Phakoemulsifikation ist die Im- plantation faltbarer Kunstlinsen in den Kapselsack der etablierte ideale Standard – so ist eine Erweiterung der kleinen Inzision nicht erforderlich und kein Kontakt der Kunstlinse zu uvealem Gewebe gegeben. Als Material ha- ben sich Acrylat-Kopolymere praktisch ausschließlich durchgesetzt. Verwendete Haptikkonfigurationen sind vielfältig – für die intrakapsuläre Implantation haben sich „einstückige“ Linsendesigns überwiegend durchgesetzt; auch „dreistückige“ IOL – mit dem optischen Teil aus falt- barem Acryl und eingesetzten Haptiken aus unterschied- lichen Kunststoffmaterialien, überwiegend Polypropylen – können in den Kapselsack implantiert werden. Ist wegen eines Defektes der hinteren Linsenkapsel eine intrakapsuläre Implantation nicht möglich, jedoch noch hinreichend vorderer Kapselrand vorhanden, kann eine dreistückige Linse in den Sulcus ciliaris implantiert wer- den. Dabei ist ein Modell zu wählen, welches über einen Haptikdurchmesser von wenigstens 13 mm verfügt! Ein- stückige Faltlinsen, die für die Kapselsackimplantation ausgelegt sind, sind für die Implantation in den Sulcus ci- liaris dagegen aufgrund der Haptikkonfiguration und des Haptikdurchmessers grundsätzlich nicht geeignet! Ist keine hinreichende Kapselunterstützung mehr vor- handen, kommen drei Optionen für eine Linsenfixation in Frage: ▪ Die Fixation dreistückiger Faltlinsen durch transsklera- le Nähte im Sulcus ciliaris; alternativ deren intrasklera- le Haptikfixation in diesem Bereich mit unterschiedli- chen Techniken, deren jüngste, relativ am wenigsten invasive und eleganteste, aber auch technisch an- spruchsvolle Version die Technik nach Yamane ist. ▪ Alternativ kommen die irisfixierte Intraokularlinse des Modells nach WORST in Frage („Lobster Claw“ oder „Iris-Clip“), die entweder auf der Irisvorderfläche oder, heute oft bevorzugt, an der Irisrückfläche („invers“) enklaviert werden. ▪ Eine weitere Alternative schließlich sind kammerwin- kelfixierte Vorderkammer-IOL. Die wenigen derzeit noch verfügbaren Modelle aus PMMA-Material haben gleichartige Haptiken mit Fußplatten für die federnde Fixation im Kammerwinkel im Bereich unmittelbar hinter dem Skleralsporn auf dem Ziliarkörperband. Anästhesie Grundsätzlich kommen die klassischen Anästhesieverfah- ren für jede Art der Kataraktoperationen infrage – näm- lich Vollnarkose und Lokalanästhesie, gegebenenfalls mit begleitender Sedierung; für letztere Option gibt es für Katarakt-OPs die Optionen der lokalen Infiltrationsanäs- thesie (retrobulbär, parabulbär, peribulbär, subtenonal) sowie die topische (Oberflächen-)Anästhesie durch anäs- thesierende Augentropfen – mit und ohne begleitende Sedierung unterschiedlicher Intensität. (Voll-)Narkose Sie kommt im Wesentlichen bei der Operation der Alters- katarakt dann infrage, wenn Patienten dies aus persönli- chen Gründen wünschen oder für die Durchführung in Lokalanästhesie wesentliche Hindernisse bestehen, wie etwa mangelnde Kooperationsfähigkeit. In Einzelfällen kann bei komplexen Gesamtsituationen auch für den Chi- rurgen die Vollnarkose wünschenswert sein. Lokalanästhesie Die Anästhesie durch Injektion eines Lokalanästhetikums im Bereich der Orbita hat den Vorteil, dass sie absolute lokale Schmerzfreiheit bewirken kann sowie vollständige bis für alle praktischen Belange hinreichende Akinesie des Bulbus. Potenzielle Nachteile sind die Inkaufnahme des Einstichs durch die Patienten sowie das geringfügige, aber nicht ausgeschlossene Komplikationsrisiko, etwa durch Blutung oder Bulbusperforation, gegebenenfalls auch die Erhöhung des intraorbitalen Druckes und damit die Verursachung von „Vis a tergo“ intraoperativ. Merke Von den unterschiedlichen technischen Varianten der Infiltrations-/Leitungsanästhesie intraorbital ist heute die peri-/parabulbäre Anästhesie am weitesten verbreitet. Topische („Tropf“-)Anästhesie Die Operation der Alterskatarakt wird heute weltweit in großen Umfang unter topischer Anästhesie operiert. Die modernen Verfahren im geschlossenen System und mit kleiner Inzision haben diese Option deutlich befördert. 42 Neuhann I et al. Die senile Katarakt Augenheilkunde up2date 2022; 12: 33–53 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung ben können. Dies gilt grundsätzlich für alle unterschiedli- chen Arten von Mehrstärken-IOL – für bi- und trifokale Linsen, wie für solche mit erweiterter Tiefenschärfe (EDOF – enhanced depth of focus), ob sie auf diffraktiver oder refraktiver Konstruktion beruhen; die unterschiedli- chen Aspekte der optischen Nebenwirkungen können sich je nach Ausführung quantitativ unterscheiden. Ein besonderer Aspekt bei der Wahl der Zielrefraktion ist die Korrektur eines Astigmatismus, der – nach Entfer- nung der Linse – von der Hornhaut bestimmt wird. Torische IOL können einen astigmatischen Brechkraftfeh- ler weitestgehend – für alle praktischen Belange vollstän- dig – korrigieren. Sie müssen dazu nicht nur in der korrek- ten meridionalen/Achsenlage implantiert werden, son- dern dort auch stabil verbleiben während der Heilungs- phase und der damit einhergehenden positionellen Stabi- lisierung der Kunstlinse. Gegebenenfalls ist eine spätere Nachkorrektur der Achsenlage nötig, aber auch möglich – der ideale Zeitpunkt hierfür liegt bei etwa 2–4 Wochen postoperativ. Bei all diesen differenzierten Erwägungen ist es aber un- erlässlich, abschließend darauf hinzuweisen, dass trotz bester aktuell angewendeter Mess- und Berechnungs- methoden die exakte Erreichung der so differenzierten Refraktionsziele nicht zu gewährleisten ist (s. u.): Dies ist kein Grund, nicht wenigstens die Planung individuell zu optimieren – darf aber nicht zu unrealistischen Erwartun- gen führen! Berechnung der IOL-Brechkraft Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte sind zahlreiche For- meln entwickelt worden mit zunehmend höherer Genau- igkeit in der refraktiven Vorhersage. Die wesentlichen Be- rechnungsparameter, die individuell einzugeben sind, sind die Hornhautbrechkraft und die Achsenlänge des Auges; manche Formeln erfordern auch die Eingabe der Vorderkammertiefe. Allen Formeln ist gemeinsam, dass sie einen wesentlichen Parameter, nämlich die „effective lens position“ (ELP), das ist die exakte Position, welche die IOL postoperativ im Auge einnimmt, für den jeweils indi- viduellen Fall naturgemäß nicht kennen und deshalb – nach je Formel unterschiedlichen Algorithmen und An- nahmen – ermitteln. höchsten Werte für die Vorhersagegenauigkeit auf – auf diesem Gebiet hält die Entwicklung unverändert an: Zu- nehmend genauere Messmethoden und die Einführung von „big Data“ und KI sind nur zwei der Faktoren, die hier, wie in der Vergangenheit, auch zukünftig inkrementelle Verbesserungen zu bringen versprechen [4 – 8]. Als „Messlatte“ (Benchmark) für die eigenen Resultate kann über die Gesamtheit der Kataraktoperationen eine Vorhersagegenauigkeit innerhalb von ± 0,5 dpt in etwa 65–70%, innerhalb von 1 dpt von etwa 90% gelten. Auch unter maximal optimierten Bedingungen sind Vorher- sagegenauigkeiten innerhalb ± 0,5 dpt „nur“ in knapp 90% der Fälle erzielt worden [9]. Sonstige technische IOL-Eigenschaften Wellenlängenfilter: Blaufilterlinsen Während heute alle zugelassenen IOL UV-Filter für die Wellenlängen zwischen dem sichtbaren Bereich und der Absorption durch die Hornhaut (ca. 300 nm) enthalten, gibt es IOL, die zusätzlich Filter für Wellenlängen aus dem sichtbaren kurzwelligen Bereich enthalten. Ihre Transmission reicht – mit geringen Unterschieden zwi- schen einzelnen Herstellern – von praktisch vollständiger Absorption jenseits von etwa 400 nm bis zu vollständiger Transmission bei etwa 500 nm. Dies entspricht grob dem Transmissionsverhalten einer natürlichen menschlichen Linse um etwa das 50. Lebensjahr. Hintergrund der Entwicklung solcher Blaufilterlinsen sind theoretische Erwägungen zu einem höheren Risiko für zentrale Netzhautschädigungen durch die kurzwelligen Lichtanteile und deren hohe Absorption durch das – mit zunehmendem Alter zunehmende – Lipofuszin in der Netzhaut und entsprechend interpretierte epidemiologi- sche Studien, welche ein erhöhtes Risiko für das Auftre- ten später Stadien einer vorbestehenden Altersmakulo- pathie in Augen nach Kataraktoperation im Vergleich zum nicht operierten Partnerauge ergaben, welches auf den Fortfall des natürlichen „Blaufilters“ der Katarakt zu- rückgeführt wurde. Später konnte in der AREDS-Studie dafür kein Anhalt gefunden werden. Insgesamt ergibt sich aus systematischen Übersichten keine belastbare Datenlage für einen kausalen Zusammenhang von be- schleunigter Progression von AMD nach Kataraktopera- tion [10 – 12]. Die derzeit „klassischen“ Formeln, die seit vielen Jahren standardmäßig verwendet werden (SRK‑T, Haigis, Hof- ferQ, Holladay), zeigen in der Regel nur geringfügige Un- terschiede in der Berechnung für Ausgangsparameter aus dem mittleren Normbereich; bei Ausgangswerten aus den extremeren Bereichen der Messwerte und nach kornealer refraktiver Chirurgie können jedoch durchaus deutliche Unterschiede auftreten. In jüngeren großen Vergleichsuntersuchungen weisen zwei neuere Formeln (z. B. Barrett, Kane) ziemlich konsistent im Mittel die Studien, die einen tatsächlichen Vorteil von Blaufilter-IOL belegen, gibt es nicht. Die existierenden Studien zeigen auch praktisch keine nennenswerten relevanten Nach- teile – etwa für die Farbwahrnehmung –, wie sie sich theoretisch denken ließen. Auch für die aus theoretischen Überlegungen diskutier- ten negativen Folgen solcher Blaufilterlinsen auf den zir- kadianen Rhythmus durch eine Hemmung der Unterdrü- ckung der Melatonin-Sekretion durch Licht insbesondere 44 Neuhann I et al. Die senile Katarakt Augenheilkunde up2date 2022; 12: 33–53 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung senkern mechanisch zerstäubt („Prinzip Pressluftham- mer“). Als potenzieller Nachteil kann gelten, dass die Operation von einer vergleichsweise komplexen Technologie abhän- gig ist und die Lernkurve zur sicheren Durchführung und zur Vermeidung und Beherrschung eventueller Komplika- tionen nicht unerheblich ist. Femtosekundenlaser-assistierte Phakoemulsifikation In jüngsten Jahren sind Femtosekundenlaser entwickelt worden, mit denen wesentliche Schritte der Klein- schnitt-Kataraktextraktion auf besonders komplikations- arme, sichere und präzise Weise vorgenommen werden können. Vordere Kapsulektomie – Mit dem Laser lässt sich die Eröff- nung der vorderen Linsenkapsel extrem präzise im Bezug auf den Durchmesser, die kreisrunde Kontur und die ge- wünschte Zentrierung durchführen. ▪ Vorteile gegenüber der manuellen Durchführung sind zweifelsfrei die unbedingt verlässliche reproduzier- bare Präzision der Parameter der Kapseleröffnung. ▪ Potenzieller Nachteil ist der im Vergleich hohe Auf- wand und – in Abhängigkeit von den Behandlungs- parametern – das Risiko von minimalen Diskontinuitä- ten im Schnittrand und davon möglicherweise aus- gehenden Einrissen des Kapselrandes. Inzision – Auch hier ist der Vorteil, dass die Inzisions- parameter absolut verlässlich und präzise den gewünsch- ten Maßen entsprechen. Ein Nachteil ist, dass nur rein korneale Inzisionen möglich sind, weil der Laser nicht transparentes Gewebe prinzipiell nicht durchtrennen kann. Die potenziellen Vorteile einer hinteren limbären Inzision können damit nicht genutzt werden. Anderer- seits sind potenzielle Nachteile manueller Inzisionen als höchst geringfügig einzuschätzen. Kernfragmentierung – Der Laser ermöglicht es, den Lin- senkern bereits in kleinere Fragmente vorzuzerteilen. Hierfür gibt es praktisch eine Reihe von Zerteilungsmus- tern, deren Auswahl vom Chirurgen nach eigener Präfe- renz gewählt werden kann. Diese Technik kann dem Chi- rurgen die Zerkleinerung von insbesondere sehr harten Linsenkernen und deren technische Aufarbeitung erleich- tern – ohne dass sich ein Nachteil erkennen ließe. TAKE HOME MESSAGE Für die chirurgische Sicherheit und Präzision bietet der Femtosekundenlaser insgesamt Vorteile; sie können insbesondere bei komplizierten Ausgangs- situationen (u. a. lose Zonula, beeinträchtigtes Horn- hautendothel, sehr harter Linsenkern etc.) das Sicherheitsprofil erhöhen. Dem stehen der beträcht- liche technische Aufwand und die dadurch ver- ursachten Mehrkosten gegenüber. In Vergleichs- studien haben sich bisher über das gesamte unter- suchte Patientenkollektiv keine signifikanten Unter- schiede in den untersuchten Ergebnisparametern zeigen lassen [14, 15]. Extrakapsuläre Kataraktextraktion (ECCE) Sie unterscheidet sich von der Phakoemulsifikation da- durch, dass eine Inzision gewählt werden muss, die weit genug ist (ca. 10 mm), um den Linsenkern im Ganzen zu entfernen. Hierzu werden in neuerer Zeit zunehmend sklerale Taschenschnitte unterschiedlicher Konfiguration statt der klassischen Inzisionen im Bereich des Hornhaut- limbus gewählt. Moderne Varianten begrenzen die Schnittgröße, indem der Kern mit unterschiedlichen Techniken (u. a. mit einer Metallschlinge) in zwei Hälften geteilt wird, welche nach- einander ausgeleitet werden. Nach vorläufigem Wundverschluss mit einer Naht erfol- gen die Absaugung der Rindenschichten und die Linsen- implantation in einem im Wesentlichen geschlossenen System, vergleichbar der Phakoemulsifikation. Ein end- gültiger Nahtverschluss der Inzisionen ist in der Regel er- forderlich – wenn es auch Beschreibungen von Techniken gibt, die ohne Nahtverschluss auskommen. Der Vorteil dieses Verfahrens ist die Vermeidung der technischen Komplexität und des Komplikationsrisikos durch die Instrumentenspitze der Phakoemulsifikation. Die Nachteile sind der größere Schnitt mit seinen Kon- sequenzen für Astigmatismusinduktion und Verschluss- sicherheit und der – begrenzte – Zeitraum der intraope- rativen Hypotonie. Intrakapsuläre Kataraktextraktion (ICCE) Diese heute nur noch in Ausnahmefällen durchgeführte Technik erfordert in der Regel einen Schnitt am Hornhau- trand – von rein korneal bis posterior limbär – von 160– 180°, durch den die Linse einschließlich ihrer Kapsel ex- trahiert wird. Dazu wird die Linse nach Anheben der Hornhaut (in der Regel durch die Assistenz) heute in aller Regel mit einem Kryostift angefroren und extrahiert. Wenn die Zonula bereits extrem lose ist – eine der we- sentlichen Indikationen für diese Technik heute –, kann 46 Neuhann I et al. Die senile Katarakt Augenheilkunde up2date 2022; 12: 33–53 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Frühpostoperative Komplikationen Die Darstellung in diesem Zusammenhang beschränkt sich bewusst auf wenige „klassische“ Situationen, die für prinzipiell wichtig angesehen werden, um den gegebe- nen Rahmen des Artikels nicht zu sprengen. Hornhautödem Dies hat in aller Regel eine Irritation des Hornhautendo- thels intraoperativ als Ursache; möglicherweise aber auch nur ein verlängertes Hornhautödem nach Hydrata- tion des Hornhautstromas zur Abdichtung der Inzisionen. Je nach intraoperativem Verlauf bildet es sich üblicher- weise innerhalb begrenzter Zeit spontan zurück. Um die Rückbildung zu beschleunigen, können vorübergehend als topische Medikation hyperosmolare Augentropfen bzw. Augensalben (z. B. 5%-Glukose-Augensalbe) rezep- tiert werden. Drucksteigerung Eine vorübergehende Drucksteigerung, zumal in den un- mittelbar postoperativen Tagen, ist zunächst kein Grund zur Besorgnis – möglicherweise nicht vollständig abge- saugte Reste viskoelastischer Substanzen können dies verursachen. Die rein symptomatische vorübergehend systemisch drucksenkende Medikation mit Azetazolamid ist in aller Regel ausreichend. Vermehrter Entzündungszustand Merke Bei der postoperativen Kontrolle ist es von großer Wichtigkeit, den normalen postoperativen Entzün- dungszustand und seine Variationsbreite von der initialen Symptomatik einer Endophthalmitis zu unterscheiden. Im Zweifelsfall ist zunächst die topische antiphlogistische Therapie zu erhöhen, gleichzeitig sollten die Kontroll- intervalle verkürzt werden. Ist die Intensivierung der anti- phlogistischen Therapie nicht ersichtlich kurzfristig wirk- sam oder verschlechtert sich der Zustand gar trotz Behandlung, sollte sicherheitshalber bis zum Beweis des Gegenteils die Möglichkeit einer Endophthalmitis als vor- rangig erwogen werden. Cave Wir empfehlen sicherheitshalber im Zweifelsfall umgehend die Punktion von Kammerwasser und dessen mikrobiologische Untersuchung sowie um- gehend eine massive topische – einschließlich intra- okularer Eingabe – breitbandantibiotische Kombina- tionstherapie bei begrenzter Aktivität, systemisch bei massiver Entzündungsaktivität. Dann sind täg- liche Kontrollen zwingend. Mittelfristige Komplikationen Nachstar Zur Behandlung des Nachstars seien in diesem Zusam- menhang die Bemerkungen auf zwei wesentliche Punkte begrenzt: ▪ Zum einen sollte die Laser-Kapsulotomie des Nach- stars nicht nach dem morphologischen Befund, son- dern nach den subjektiven Beschwerden der Patienten indiziert werden. ▪ Zum anderen empfiehlt es sich, eine solche Laser-Kap- sulotomie nicht vor etwa 3 Monaten postoperativ durchzuführen: Dafür gibt es zwar keine Studien- daten, aber „ungeordnete klinische Hinweise“, dass das Komplikationsrisiko, wie etwa für zystoides Ma- kulaödem, dann nicht erhöht ist. TIPP Ein spezieller Aspekt ist bei Multifokallinsen zu be- achten: Eine Kapsulotomie sollte erst dann durch- geführt werden, wenn vorab geklärt ist, dass ein etwaiger Linsenaustausch auch dann nicht ge- wünscht wird, wenn die Kapsulotomie die beklagten Beschwerden nicht (vollständig) behebt. Fehlrefraktion Weicht trotz größter Sorgfalt das erwünschte vom erziel- ten Refraktionsergebnis ab, ist mit dem Patienten zu klä- ren: ▪ Hat die Abweichung ein Ausmaß, das die visuelle Le- bensqualität beeinträchtigt – nur dann sind weitere Überlegungen sinnvoll. ▪ Korrekturmöglichkeiten sind grundsätzlich: – eine Laserkorrektur an der Hornhaut – überwie- gend für vergleichsweise geringfügige Fehlrefrak- tionen; – ein Linsenaustausch: im Wesentlichen für größere Abweichungen und wenn die ursprüngliche Im- plantation nicht zu lange zurückliegt; – eine „Add-on-Linse“ bei größeren Abweichungen und bereits länger zurückliegender Implantation mit entsprechend ausgeprägter Kapselfibrosie- rung. Zystoides Makulaödem (CMÖ) Bei sonst unkomplizierter Pseudophakie nach Operation einer Alterskatarakt kann mit einem Drei-Stufen-Plan in aller Regel in absehbarer Zeit eine Behebung auf Dauer erreicht werden: 48 Neuhann I et al. Die senile Katarakt Augenheilkunde up2date 2022; 12: 33–53 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung KERNAUSSAGEN ▪ Die Alterskatarakt ist keine Krankheit im eigentli- chen Sinne – sie ist eine natürliche Alterungsfolge und betrifft jeden Menschen, wenn auch in einer weiten zeitlichen Bandbreite des Auftretens mit relevanten funktionellen Konsequenzen. ▪ Ihre einzig sinnvolle Behandlung ist die operative Entfernung der getrübten Linse und der Ersatz durch eine Kunstlinse. Dies ist eine der häufigsten Operationen am Menschen, wenn nicht die häu- figste. ▪ Das Erfolgs-/Risikoprofil von Kataraktoperationen ist unter derzeitigen Bedingungen extrem günstig. ▪ Die Möglichkeiten der funktionellen Rehabilitation sind heute sehr vielfältig – eine sehr differenzierte individuelle Beratung ist deshalb unerlässlich. Interessenkonflikt Erklärung zu finanziellen Interessen Forschungsförderung erhalten: nein; Honorar/geldwerten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: nein; Bezahlter Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an im Bereich der Medizin aktiven Firma: nein; Patent/ Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an zu Sponsoren dieser Fortbildung bzw. durch die Fortbil- dung in ihren Geschäftsinteressen berührten Firma: nein. Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessen- konflikt besteht. Autorinnen/Autoren Irmingard Neuhann Prof. Dr. med. Medizinstudium in Budapest, Berlin und München. 2001–2006 Facharztwei- terbildung in Praxis Prof. Neuhann München, Salt Lake City und Tübingen. 2001–2003 be- rufsbegleitendes Fernstudium „Technik in der Medizin“ Technische Universität Kaiserslautern 2017 FEBO, 2006–2009 Fachärztin und Oberärztin Univer- sitäts-Augenklinik Tübingen. Ab 2009 Gemeinschaftspraxis/ MVZ Prof. Neuhann München. 2010 Habilitation (Tübingen), 2013 Apl.-Professur Univ. Tübingen. Stellvertretende Leitung der Hornhautbank München. Lukas Neuhann 2006–2012 Jurastudium Universität München – 2012 1. Staatsexamen. 2012–2019 Medizin- studium Universität München und Technische Universität München. Praktisches Jahr in New York, Montreal, Seoul und München. Seit 2019 Facharztweiterbildung Augenheilkunde MVZ Prof. Neuhann. Thomas Neuhann Prof. Dr. med. Facharztweiterbildung an der Universitäts-Augenklinik Heidelberg 1973– 1977, Facharzt und Oberarzt an der Univer- sitäts-Augenklinik Mainz 1977–1982, 1982 dort Habilitation. Seit 1982 in eigener Praxis in München niedergelassen und Leitung der Augenabteilung des Rotkreuzklinikums. Apl. Professur 1988 Universität Mainz, 1997 Technische Universität Mün- chen. Gründung der Hornhautbank München 1991, des re- fraktiv-chirurgischen Zentrum alz 1996. 1998–2000 Präsident der ESCRS. 2002–2010 Leitung der Kommission refraktive Chirurgie von BVA und DOG. Korrespondenzadresse Prof. Dr. med. Thomas Neuhann MVZ Prof. Neuhann gmbH Helene-Weber-Allee 19 80637 München Deutschland prof@neuhann.de Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungs- bestimmungen für diesen Beitrag ist Prof. Dr. med. Thomas Neuhann, München. Zitierweise für diesen Artikel Klinische Monatsblätter für Augenheilkunde doi:10.1055/a-1758-3451 Literatur [1] Hashemi H, Pakzad R, Yekta A et al. Global and regional prev- alence of age-related cataract: a comprehensive systematic review and meta-analysis. Eye (Lond) 2020; 34: 1357–1370 [2] Nartey A. The Pathophysiology of Cataract and Major Inter- ventions to Retarding Its Progression: A Mini Review. Adv Ophthalmol Vis Syst 2017; 6: 00178. doi:10.15406/ aovs.2017.06.00178 [3] Mellerio J. Yellowing of the human lens: Nuclear and cortical contributions. Vision Res 1987; 27: 1581–1587 [4] Wang Q, Jiang W, Lin T et al. Meta-analysis of accuracy of intra- ocular lens power calculation formulas in short eyes. Clin Exp Ophthalmol 2018; 46: 356–363 [5] Chen H, Chen X, Wang H et al. Intraocular Lens power calcula- tion after laser refractive surgery: a meta-analysis. Sci Rep 2020; 10: 2645 [6] Wei L, Meng J, Qi J et al. Comparisons of intraocular lens power calculation methods for eyes with previous myopic laser re- fractive surgery: Bayesian network meta-analysis. J Cataract Refract Surg 2021; 47: 1011–1018 [7] [8] Li T, Stein JD, Nallasamy N. AI-powered effective lens position prediction improves the accuracy of existing lens formulas. medrxiv 2020. doi:10.1101/2020.10.29.20222539 Savini G, Taroni L, Hoffer KJ. Recent developments in intraocu- lar lens power calculation methods-update 2020. Ann Transl Med 2020; 8: 1553 50 Neuhann I et al. Die senile Katarakt Augenheilkunde up2date 2022; 12: 33–53 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Punkte sammeln auf CME.thieme.de Diese Fortbildungseinheit ist in der Regel 12 Monate online für die Teilnahme verfügbar. Den genauen Einsendeschluss finden Sie unter https://cme.thieme.de. Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, finden Sie unter https://cme.thieme.de/hilfe eine ausführliche Anleitung. Wir wünschen viel Erfolg beim Beantworten der Fragen! Unter https://eref.thieme.de/CXHEMT6 oder über den QR-Code kommen Sie direkt zur Startseite des Wissenstests. VNR 2760512022161721115 Frage 1 Frage 5 Eine Kataraktoperation ist bei Alterskatarakt indiziert, wenn … A der Visus unter 0,6 liegt. B der Visus unter 0,3 liegt. C der Kern deutlich verhärtet ist. D katarakttypische Symptome subjektiv hinreichend beein- trächtigen. Nur eine der folgenden Aussagen zur Epidemiologie der Kata- rakt ist korrekt. Welche? A Die Katarakt ist weltweit die zweithäufigste Ursache für einen Visusverlust. B Ein Drittel der Weltbevölkerung ist durch Katarakte in ihrem Sehvermögen beeinträchtigt. E der Blendungsvisus ≥ 3 Stufen unter dem Visus ohne Blen- C Frauen sind überproportional häufig von einer Katarakt be- dung liegt. Frage 2 Wovon hängt die Operationsindikation für Alterskatarakt ab? A vom Visus B von der Kernhärte C vom Kontrastsehen D von der augenärztlichen Gesamteinschätzung E von der Beurteilung der Beeinträchtigung von Patientenseite Frage 3 Bei vorliegender altersbedingter Makuladegeneration (AMD) … A ist eine Kataraktoperation nicht mehr sinnvoll. B ist das Risiko für eine Verschlechterung der AMD durch die Kataraktoperation erhöht. C gibt es kein Risiko der Verschlechterung durch die Katarakt- operation. troffen. D In den westlichen Industrieländern beträgt die Katarakt- häufigkeit ein Drittel der Zahlen im Vergleich zu weniger ent- wickelten Ländern. E Neben dem Senium liegt ein weiterer Altersgipfel im Klein- kindalter. Frage 6 Wodurch sind Intraokularlinsen mit Filtern für kurze Wellenlän- gen („Blaufilterlinsen“) im Vergleich mit intraokularen Kunstlin- sen (IOL) ohne solche Filter gekennzeichnet? A Blaufilterlinsen bewirken eine nachweislich geringere Inzi- denz von altersbedingter Makuladegeneration. B Blaufilterlinsen können aus theoretischen Überlegungen eine protektive Wirkung für die Netzhaut haben, ohne nachweisli- chen Nachteil. C Blaufilterlinsen haben keinen theoretischen oder praktischen D senkt eine Blaufilterlinse das weitere Verschlechterungsrisiko Nutzen, aber Nachteile für die Farbwahrnehmung. nachweislich. E senkt die Kataraktoperation das weitere Verschlechterungs- risiko. Frage 4 Wodurch ist die Femtosekundenlaser-assistierte Kataraktopera- tion gekennzeichnet? A Sie ist aktueller Mindeststandard. B Sie hat keine belastbaren Vorteile. C Sie erkauft geringfügige Präzisionsvorteile mit erheblich er- höhtem Komplikationsrisiko. D Sie ist derzeit noch im experimentellen Stadium. E Sie kann in komplizierten Situationen das Sicherheitsprofil er- D Blaufilterlinsen können eine protektive Wirkung haben, aber auf Kosten von nachweislichen Nachteilen für Schlafrhyth- mus und Farbwahrnehmung. E Blaufilterlinsen sind bei allgemeiner Lichtempfindlichkeit in- diziert. ▶ Weitere Fragen auf der folgenden Seite … höhen. 52 Neuhann I et al. Die senile Katarakt Augenheilkunde up2date 2022; 12: 33–53 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

Notizen

THE QUINTESSENTIAL STEP-BY-STEP GUIDE ON SURGICAL MANAGEMENT OF STRABISMUS This unique how-to book provides comprehensive coverage of strabismus treatment – with state-of-the- art techniques based on recent anatomical research and discoveries. These approaches are designed to correct muscle displacements and muscle defects related to abnormalities of the extraocular muscle pulleys and inter- muscular bands. KEY HIGHLIGHTS • Recognition and repair of stretched scar and flap tear • Cutting-edge procedures for CNS-related causes of strabismus such as nystagmus and cranial nerve palsies • A wealth of surgical videos demonstrate a full spectrum of basic to advanced techniques • Remarkable illustrations beautifully capture the complex anatomy of the eye muscles and pulleys Ebook available Online at MedOne ISBN 978 1 62623 526 7 The Americas RRP $129.99 Europe, Africa, Asia, Australia RRP 119,99 € o t o h p k c o t S – m o c . e b o d a . k c o t s – k n a b o t o h P © o t o h P www.thieme.com . e c i t o n t u o h t i w e g n a h c o t t c e b u s e r a s e c i r P . j o r u E n , a c i r f A , e p o r u E n i s r e m o t s u C . r a l l o D s e t a t S d e t i n U n i d e c i o v n i e r a s a c i r e m A e h T n i s r e m o t s u C i d e c i o v n i e r a a i l a r t s u A d n a a i s A

CME-Fortbildung Unter dieser Rubrik sind bereits erschienen: Die moderne Orthokeratologie – scharf sehen über Nacht T. Ring-Mangold, R. Emminger Heft 2/2021 Phake Intraokularlinsen F. H. Hengerer, I. Conrad-Hengerer Heft 2/2017 Eintrübung von Intraokularlinsen R. Khoramnia Heft 2/2021 Endophthalmitis nach Kataraktchirurgie D.-T. Pham, U. Pleyer Heft 1/2017 SMILE – Small Incision Lenticule Extraction G. Steinwender, M. Shajari, W. J. Mayer, D. Kook, M. Dirisamer, T. Kohnen Heft 2/2020 Refraktive Hornhautchirurgie: Nachkorrekturen D. Kook, W. J. Mayer, M. Shajari, G. Steinwender, T. Kohnen Heft 2/2020 Presbyopiekorrektur mittels Linsensystemen M. C. Knorz Heft 4/2019 Linsenchirurgie: Einsatz von multifokalen Intraokularlinsen M. Shajari, W. J. Mayer, S. Priglinger Heft 4/2019 Pseudophake additive Intraokularlinsen F. H. Hengerer, I. Conrad-Hengerer Heft 4/2017 Refraktiver Linsenaustausch F. H. Hengerer, I. Conrad- Hengerer Heft 3/2017 Presbyopiekorrektur mittels Laserchirurgie B. Pajic, H. Massa, E. N. Eskina Heft 3/2017 Kataraktchirurgie mit dem Femtosekundenlaser – aktueller Stand und Ausblick H. Dick, T. Schultz Heft 3/2016 LASIK und Femto-LASIK T. Schlote, M. Kynigopoulos Heft 3/2016 Sekundäre Linsenimplantation K. Gekeler, F. Gekeler Heft 3/2015 Multifokale und Add-on-Intraokularlinsen K. Gekeler, F. Gekeler Heft 4/2014 Diagnostik in der refraktiven Laserchirurgie T. Schlote, A. Heuberger, L. Schluep, C. Gebhard Heft 4/2012 Die Linse bei systemischen Erkrankungen J. Rohrbach, P. Szurman, T. Schlote, K. Bartz-Schmidt Heft 3/2012 Kataraktchirurgie und altersbedingte Makuladegeneration H. Baatz Heft 1/2012 ALLES ONLINE LESEN IHR ONLINE-SAMMELORDNER JETZT FREISCHALTEN Mit der eRef lesen Sie Ihre Zeitschrift: online wie offline, am PC und mobil, alle bereits erschienenen Artikel. Für Abonnenten kostenlos! https://eref.thieme.de/augen-u2d Sie möchten jederzeit und überall auf Ihr up2date-Archiv zu- greifen? Kein Problem! Ihren immer aktuellen Online- Sammelordner finden Sie unter: https://eref.thieme.de/PHWUW Sie haben Ihre Zeit- schrift noch nicht freigeschaltet? Ein Klick genügt: www.thieme.de/eref-registrierung

CME-Fortbildung können. Transiente Augeninnendruckerhöhungen, vor al- lem in Augen mit einer pathologischen Kammerwinkel- anatomie, das Auftreten eines postoperativen zystoiden Makulaödems und eines Nachstars sind signifikant häufi- ger als in nicht uveitischen Augen nach konventioneller Kataraktoperation anzutreffen. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Visusprognose vor allem aufgrund eines höheren Verständnisses der Ätiolo- gie, Pathogenese und des klinischen Verlaufs sowie des Ansprechens auf die Therapie der verschiedenen Uveitis- formen verbessert. Auch aufgrund einer besseren prä- operativen Vorbereitung des Patienten, fortschrittlicher Operationstechniken mit biokompatiblen IOL-Materialien (IOL: Intraokularlinse) und schließlich einer engmaschi- gen und aggressiven postoperativen Betreuung des Pa- tienten wurde dies erreicht. Nicht zuletzt hat der Einsatz von DMARD (Disease-modifying anti-rheumatic drugs), seien es konventionelle nichtsteroidale Immunsuppres- siva wie Methotrexat oder Mycophenolatmofetil sowie in jüngerer Zeit die zunehmende Anwendung von Biologika, die Therapie der intraokularen Entzündungen grund- legend verbessert. Dieser Paradigmenwechsel hat eben- falls dazu beigetragen, dass die Behandlung der Uveitis- Katarakt zugänglicher geworden ist. Nichtsdestoweniger erfordert sie eine sorgfältige individualisierte Planung in Hinblick auf den richtigen Operationszeitpunkt, umsichti- ge chirurgische Manöver sowie eine aggressive entzün- dungshemmende Therapie und eine engmaschige Über- wachung mit angemessenem Umgang mit eventuell auf- tretenden postoperativen Komplikationen, wie beispiels- weise Kapselsackphimosen oder Ablagerungen auf Intra- okularlinsen. Die Retinitis pigmentosa (RP) beschreibt eine Reihe von vererbten degenerativen Netzhauterkrankungen, bei der Photorezeptoren und retinale Pigmentepithelzellen (RPE- Zellen) beschädigt werden und die mit einigen okulären Komplikationen, u. a. einer frühzeitigen Kataraktentwick- lung, einhergehen. Die RP wird in diesem Abschnitt ge- nannt, da die Pathogenese höchstwahrscheinlich auf eine RP-bedingten Entzündungsreaktion beruht [13]. Auch hier ist die häufigste Erscheinungsform die Cataracta sub- capsularis posterior (PSC). Die Inzidenz von intra- und postoperativen Komplikationen nach Kataraktoperation ist bei Vorliegen einer RP erhöht [13]. Myopie und Katarakt Über 2 Milliarden Menschen, d. h. mehr als ein Viertel der Weltbevölkerung, sind kurzsichtig [1]. Weltweit nimmt der Anteil der Myopen weiter zu, sodass Holden u. Mit- arb. [14] voraussagen, dass bis 2050 über 4,7 Milliarden Menschen kurzsichtig sein werden. Regionale Unter- schiede spielen dabei eine wichtige Rolle: Ein größerer Anteil von Asiaten und ein kleinerer Anteil von Afroameri- kanern sind myop. Definitionsgemäß bezieht sich die „hohe Myopie“ auf ein sphärisches Äquivalent von − 6,0 ▶ Abb. 1 Cataracta complicata mit hinteren Synechien bei Uveitis. vordere und hintere Außerdem muss die Operation unter Berücksichtigung vorbestehender pathologischer Veränderungen der Hornhaut, des vorderen und hinteren Segments geplant werden, wie z. B. Hornhautvernarbung, Irisatrophie und Gefäßbrüchigkeit, Synechien (▶ Abb. 1), Pupillen- und zyklische Membranbildung, Glaskörpertrübungen, zystoides Makulaödem, epiretina- le Membran, Sehnerventzündung, ‑ischämie und ‑atro- phie [10]. Ebenso wichtig müssen dem Patienten prä-, in- tra- und postoperative entzündungshemmende Medika- mente – hauptsächlich Steroide und nichtsteroidale Anti- phlogistika (NSAID) – verabreicht werden, um schwere und fulminante postoperative Entzündungen zu vermei- den, die sowohl den postoperativen Visus als auch die Re- zidivhäufigkeit der Entzündungen beeinflussen können [11]. Allerdings besteht kein allgemeiner Konsens über die Art und Dosierung der perioperativen Therapie. Der chirurgische Eingriff gilt als komplex und kann eine Herausforderung auch für den erfahrenen Vorder- abschnittschirurgen darstellen. Intraoperative Manöver wie Synechiolyse, Membranektomie und/oder Pupillen- sphinkterotomie, Verwendung von Irisretraktionshaken u. a. sind erforderlich, um die intraoperative Visualisie- rung zu verbessern. Das Management von intraokularen Blutungen und Irispigmentdispersion muss in solchen Fäl- len ebenfalls berücksichtigt werden. Bei signifikanter Glaskörpertrübung oder Blutung muss eine mögliche kombinierte Pars-plana-Vitrektomie (PPV) in Betracht ge- zogen werden [11]. Während bei erwachsenen Uveitispa- tienten die Kataraktoperation als ein relativ sicheres und effektives Verfahren gilt, stellt bei Kindern die postopera- tive intraokulare Entzündung eine ernsthafte Bedrohung dar. In einer ausführlichen Übersicht wurden die Beson- derheiten dieses Spezialgebiets gründlich erarbeitet [12]. Das postoperative Management erfordert eine eng- maschigere Überwachung, um das Auftreten von Entzün- dungsreaktionen früh zu erkennen und behandeln zu 60 Bisorca-Gassendorf L et al. Erworbene Katarakte Augenheilkunde up2date 2022; 12: 57–72 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung mals wurde diese Veränderung durch Adolf Vossius 1906 [21] beschrieben und ist daher auch als Vossius-Ring be- kannt. Der Vossius-Ring ist oft erst nach Pupillenerwei- terung erkennbar und aufgrund seiner parazentralen Lage meistens nicht visusrelevant. Seine Größe ist abhän- gig von der Pupillenweite. Typischerweise führt die fort- währende Kammerwasserzirkulation dazu, dass sich der Vossius-Ring Wochen oder Monate nach der stattgefun- denen Kontusion zurückbildet und somit nicht therapie- bedürftig ist. Es scheint, dass der Vossius-Ring bei Kin- dern häufiger auftritt, nicht nur aufgrund ihrer alters- bedingten Prädisposition für Traumata, sondern auch vermutlich aufgrund einer geringeren Irisrigidiät [20]. Perforierende Bulbusverletzungen Perforierende Bulbusverletzungen können zur Eröffnung der Linsenkapsel führen, was zur umgehenden Hydrata- tion und konsekutiver Degeneration von Linsenfasern führt. Ist die Verletzung klein, kann eine lokalisierte Trü- bung auftreten. Meistens entwickelt sich jedoch eine schnell progressive Trübung, bis hin zur fortgeschritte- nen Katarakt. Die Sehschärfe ist meist auch unabhängig von einer zentralen Lokalisation herabgesetzt und es kann sich eine sogenannte Perforationsrosette zeigen. Im Gegensatz zur Kontusionsrosette tritt die Perfora- tionsrosette im hinteren Linsenbereich auf. Der Grund dafür ist nicht abschließend geklärt. Manchmal kann nach einer Perforation die Proliferation von Linsenepithel- zellen dazu führen, dass die Kapseleröffnung gedeckt wird und eine Kapselnarbe oder ein „Kapselstar“ ent- steht. Seltener und vor allem, wenn dieses Ereignis zeit- nah nach der Linsenperforation entsteht, gibt es die Mög- lichkeit, dass bereits entstandene Trübungen teilweise rückläufig sind und somit mit einer Intervention abge- wartet werden kann. ▶ Abb. 3 Cataracta traumatica, Sonderform einer Kon- tusionsrosette mit Aniridie, anamnestisch etwa 20 Jahre nach chirurgischer Primärversorgung nach Contusio bulbi. geprägt und nicht visusrelevant, kann eine Verlagerun- gen von Rindenfasern über Jahre oder Jahrzehnte dazu führen, dass sich die Kontusionsrosette nach posterior in die Tiefe verlagert. Diese Besonderheit kann auch im Rah- men eines Gutachtens relevant sein, da sie einen Rück- schluss auf den etwaigen Zeitpunkt einer Verletzung ge- ben kann [20]. ▶ Abb. 3 und Abb. 4 zeigen ebenfalls kon- tusionelle Linsentrübungen. Bei einer therapiebedürfti- gen Veränderung ist zu beachten, dass eine möglich ent- standene Zonulainsuffizienz die Kataraktoperation er- schweren kann, weswegen die Behandlung der traumati- schen Katarakt ausschließlich erfahrenen Operateuren überlassen werden sollte. Darüber hinaus kann sich durch den druckbedingten Ab- druck von Irispigment auf die vordere Linsenkapsel eine meistens ringförmige Pigmentablagerung zeigen. Erst- ▶ Abb. 4 a Vorderabschnittsfoto. b Spaltlampenfoto in Retroillumination: kontusionelle Trübung ca. 1 Jahrzehnt nach Bulbus- trauma mit Handball. Visus 1,0, keine relevanten Beschwerden, Inzidentalbefund. 62 Bisorca-Gassendorf L et al. Erworbene Katarakte Augenheilkunde up2date 2022; 12: 57–72 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung ▶ Abb. 5 Cataracta diabetica vera – „Schneeflocken- katarakt“. ▶ Abb. 6 Cataracta syndermatotica bei atopischer Dermatitis. wirken. Diabetische Linsen haben aufgrund einer beein- trächtigten antioxidativen Kapazität ohnehin eine erhöh- te Anfälligkeit für oxidativen Stress [23]. Die Cataracta diabetica gilt als schnell fortschreitend, ge- rade wenn deutliche Blutzuckerschwankungen vorliegen. Andererseits muss erwähnt werden, dass sich beginnen- de Wasserspalten nach optimaler Blutzuckereinstellung auch zurückbilden können. Bei Visuseinschränkung durch die Katarakt liegt eine Operationsindikation vor. Die Kata- raktoperation bei Diabetikern stellt in der Regel eine He- rausforderung dar, da in vielen Fällen die prä-, peri- und postoperative Führung der Patienten durchaus komplex ist: Dadurch, dass viele Patienten berufstätig sind, muss dieser Tatsache genüge getan werden, aufgrund mögli- cher Netzhautbeteiligungen mit eventuell mehrfach er- folgten intravitrealen Injektionen (IVOM) oder gar einer Vitrektomie sind die anatomischen Verhältnisse im Halte- apparat anspruchsvoll und der Operateur muss mit vor- bestehenden Problemen der Hinterkapsel rechnen. Wei- terhin muss erwähnt werden, dass die Inzidenz eines postoperativen Makulaödems erhöht ist. Um dem ent- gegenzuwirken, wird eine postoperative Kombinations- therapie aus lokalen steroidalen und nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAID) diskutiert [24], ebenfalls wird eine prophylaktische Gabe von parabulbären Steroiden diskutiert und vor allem im angloamerikanischen Sprach- raum durchgeführt. Katarakt im Rahmen von anderen systemischen Erkrankungen In früheren Publikationen wurde der Terminus Cataracta syndermatotica [20] oder dermatogenes [25] verwendet. Diese Art der Linsentrübungen ist vor allem bei Patienten mit atopischer Dermatitis beschrieben. Etwa 10–25% [25] dieser Patienten entwickeln im Laufe des Lebens die- se Kataraktform. Patienten mit Psoriasis vulgaris und Sklerodermie können ebenfalls betroffen sein. Dabei kann die Linsentrübung vor allem im Bereich der subkap- sulären Rinde vorliegen – sowohl nach anterior als auch nach posterior. ▶ Abb. 6 zeigt eine lokalisierte Trübung, die als typische Erscheinungsform der Cataracta synder- matotica bei atopischer Dermatitis gilt [25]. Die Patho- genese ist weitgehend ungeklärt, wobei ein möglicher Zusammenhang mit der Steroidtherapie, die bei der je- weiligen Hauterkrankung zur Anwendung kommt, eben- falls diskutiert wird. Außerdem wird die gemeinsame Em- bryonalentwicklung von Haut und Augenlinse – beide entwickeln sich aus dem Ektoderm – als möglicher Faktor genannt [20]. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass es möglicherweise eine gewisse Korrelation in der Pathogenese zwischen Asthma bronchiale und Katarakt gibt. Über multiple Sig- nalwege (u. a. PI3K/AKT, MAP-Kinase und NF-κB-Signal- weg) kann eine allergisch bedingte Entzündung oder ein Ungleichgewicht des Immunsystems zur Kataraktogene- se beitragen [26]. Linsentrübungen bei seltenen Erkrankungen Es gibt bestimmte systemische Erkrankungen, die oft mit Linsentrübungen einhergehen. Der genaue Pathomecha- nismus ist oft komplex und nicht geklärt, während die kli- nische Relevanz aufgrund der Seltenheit dieser Erkran- kungen nicht sehr ausgeprägt ist. Im Rahmen der syndromalen Chromosomenstörungen kommen Katarakte gehäuft vor. Bei der Trisomie 21 (Down-Syndrom) spielen sie auch klinisch eine Rolle, da das Down-Syndrom mit einer Inzidenz von etwa 1 : 700 relativ häufig vorkommt. Über die Hälfte der Down-Pa- tienten entwickeln visusrelevante Linsentrübungen, die Mehrzahl im frühen Erwachsenenalter und danach, ein kleiner Teil jedoch bereits in der Kindheit. Sobald die Ka- tarakt visusrelevant ist, sollte sie operiert werden, vor al- lem im amblyogenen Alter. In diesem Kontext muss aller- 64 Bisorca-Gassendorf L et al. Erworbene Katarakte Augenheilkunde up2date 2022; 12: 57–72 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Das Alport-Syndrom ist eine dominant, rezessiv oder X- chromosomal vererbte Krankheit, die eine hämorrhagi- sche Nephropathie und sensorineurale Taubheit verursa- chen kann. Zu den okulären Merkmalen gehören die kon- genitale oder postnatale kortikale Katarakt, der Lentiko- nus (sowohl Lenticonus anterior als auch Lenticonus pos- terior) und die Mikrospherophakie [28]. Weitere seltene syndromale Erkrankungen, die ebenso mit einer meist beidseitigen frühen Kataraktbildung as- soziiert sind, sollen im Folgenden nur erwähnt werden: Rothmund-Thompson-Syndrom, Werner-Syndrom, Nan- ce-Horan-Syndrom, Rubinstein-Taybi-Syndrom, Haller- mann-Streiff-Syndrom und Cockayne-Syndrom [25, 28]. Eine andere systemische Ursache, die das Auftreten einer Katarakt begünstigt, ist die Hypokalziämie (Tetanie). Eine Störung des Serumkalziumspiegels kann aufgrund eines breiten Spektrums von Erkrankungen auftreten, die häu- figste Ursache ist jedoch mit der Thyreoidektomie eine ia- trogene. Dabei können die Nebenschilddrüsen mit ent- fernt oder beschädigt werden, was zu einem Mangel an Parathormon (PTH) führen kann. Der PTH-Mangel führt folglich zur Hypokalziämie. Der vorgeschlagene Mecha- nismus der Bildung einer Cataracta tetanica ist nicht ab- schließend geklärt, diskutiert wurde aber ein osmoti- sches Ungleichgewicht (niedriger Kalziumgehalt im Kam- merwasser und erhöhter Natriumgehalt in der Linse) bei beschädigter Plasmamembran des Linsenepithels [29, 30]. Meistens handelt es sich um eine bilaterale Rinden- trübung der vorderen oder hinteren Linsenrinde, die vor- wiegend im mittleren Lebensalter auftritt. Die Trübungen können flockenförmig oder punktförmig sein und eine PSC liegt nicht selten ebenfalls vor. Katarakt nach intraokularen Eingriffen Intraokulare Eingriffe gelten grundsätzlich als potenziell kataraktogen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich nach in- traokularer Operation eine Katarakt bildet oder eine be- reits bestehende Linsentrübung schneller fortschreitet, hängt allerdings von der Art des Eingriffs ab. Die PPV stellt in der Praxis den wichtigsten zu nennenden Eingriff dar. Vor allem Menschen über 50 Jahre [31], die einer Vi- trektomie unterzogen werden, entwickeln am betroffe- nen Auge innerhalb der ersten 2 Jahre bis zu 100% eine signifikante Kernsklerose [32]. Holekamp u. Mitarb. ha- ben 2005 in einer umfassenden Arbeit [33] mithilfe von intraoperativen Sauerstoffdruckmessungen zeigen kön- nen, dass der Sauerstoffpartialdruck im Glaskörper (und vermutlich als Folge auch in der Linse) perioperativ und in den Monaten nach einer PPV deutlich erhöht ist. Durch diese Kombination aus akuter und chronischer Erhöhung der Sauerstoffkonzentration hinter der Linse und den Ver- lust des natürlichen Glaskörper-Netzhaut-Sauerstoffgra- dienten konnte letztendlich auch die ältere Hypothese bestärkt werden, dass oxidativer Stress zur Schädigung von Linsenproteinen führt und sehr wahrscheinlich ur- sächlich für die Kernsklerose ist. Diese Annahmen gehen auf Beobachtungen aus den 1980er-Jahren zurück, bei denen aufgefallen ist, dass es nach hyperbarer Sauerstoff- therapie zur (oftmals reversiblen) Myopisierung und dem Auftreten der Kernsklerose kommt [34]. Die oben bereits zitierte Publikation [33] kommt darüber hinaus zum Schluss, dass bei Patienten, deren PPV unter Vollnarkose mit Einatmung von über 90% O2 durchgeführt worden ist, ebenfalls ein signifikant höherer intravitrealer Sauer- stoffpartialdruck gemessen wurde. Im Übrigen kommt es in Abhängigkeit von der ausgewählten Endotampona- de zu typischen Trübungen, bei Luft oder Gasgemischen zu einer vorübergehenden „Fiederung“ der Linse und bei Silikonöltamponaden häufig zu einer persistierenden PSC. Die Trübung der Linse im Zusammenhang mit der Berüh- rung von Operationsinstrumenten muss pathophysiolo- gisch von den vorher genannten Trübungen abgegrenzt werden. Sie ist eher einer iatrogenen Cataracta traumati- ca, wie nach perforierenden Bulbusverletzungen, gleich- zustellen und kann prinzipiell bei jedem intraokularen Eingriff auftreten. Deshalb ist es wichtig, dass bei der Operationsplanung von phaken Augen auch die stan- dardmäßige Durchführung einer Biometrie zur Intraoku- larlinsenberechnung erfolgt. Außerdem sollte im Rah- men des präoperativen Aufklärungsgesprächs auch auf diese seltene Komplikation hingewiesen werden, besten- falls mit Festlegen der Zielrefraktion, falls eine simultane Kataraktoperation notwendig wird. Ein anderer Eingriff, dessen Kataraktogenität meist unter- schätzt wird, ist die Laser-Iridotomie. In einer Arbeit von Radhakrishnan u. Mitarb. [35] wird das Risiko für eine Ka- taraktprogression mit 23% bis zu 39% angegeben. Katarakt als Berufserkrankung Historisch ist in diesem Kontext noch der Infrarotstar zu nennen. Die mittlerweile sehr selten gewordene Linsen- trübung entsteht nach langjähriger beruflicher Exposi- tion (über 30 Jahre) primär bei Glasbläsern, aber auch bei Stahlkochern. Dabei kann es durch die thermische Schädigung zu einer regelrechten Exfoliation der zentra- len vorderen Linsenkapsel kommen [20]. Die Verände- rungen können allerdings auch die hintere Kapsel im Sin- ne einer PSC oder sogar die gesamte Linse betreffen. 66 Bisorca-Gassendorf L et al. Erworbene Katarakte Augenheilkunde up2date 2022; 12: 57–72 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung ▶ Abb. 10 Glaukomflecken. plegie, zu einer dauerhaften Heilung ohne Iridektomie führen. Als Cataracta glaucomatosa bezeichnete Vogt die weißen Glaukomflecken der Linse dicht unter der Vorderkapsel. Nach einem halben Jahr beobachtete er ein „Abrücken der Flecken nach der Tiefe zu“ (▶ Abb. 10). Jahrhundert verbreitete sich in der Erst spät im 20. Augenheilkunde die unglückliche und sinnlose Gleich- setzung von Glaukom und Grünem Star. Interessenkonflikt Erklärung zu finanziellen Interessen Forschungsförderung erhalten: nein; Honorar/geldwerten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: nein; Bezahlter Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an im Bereich der Medizin aktiven Firma: nein; Patent/ Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an zu Sponsoren dieser Fortbildung bzw. durch die Fortbil- dung in ihren Geschäftsinteressen berührten Firma: nein. Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessen- konflikt besteht. KERNAUSSAGEN ▪ Die altersbedingte Katarakt gilt als weltweit häu- figste Erblindungsursache. Deutlich seltener und dadurch auch weniger bekannt ist die erworbene Katarakt, die diagnostisch und chirurgisch eine Herausforderung darstellen kann. ▪ Katarakt bei Uveitis: Operation erst, sobald die intraokulare Entzündung unter Kontrolle ist, d. h. keine Vorderkammerzellen für mindestens 3–6 Monate (ideal 6 Monate) präoperativ. ▪ Die Kataraktoperation eines myopen Auges kann aufgrund der meist tieferen Vorderkammer eben- falls eine Herausforderung für den Operateur dar- stellen. ▪ Sollten traumatische Linsen- und Kapselverän- derungen vorliegen, ist immer die Operation durch einen erfahrenen Vorderabschnittschirur- gen empfohlen, da die Gefahr von Zonulolyse, Kapselrissen oder auslaufender Kapsulorrhexis erhöht ist. ▪ Linsentrübungen treten bei Diabetikern häufiger früher auf und sie haben grundsätzlich ein erhöh- tes Risiko für ein Makulaödem nach Operation, weshalb eine postoperative Kombinationstherapie aus lokalen steroidalen und nichtsteroidalen Anti- phlogistika (NSAID) diskutiert wird. ▪ Der Hauptgrund für die fast als sicher geltende fortschreitende Linsentrübung nach Pars-plana- Vitrektomie (PPV) ist eine Erhöhung des Sauer- stoffpartialdrucks im Glaskörperraum. 68 Bisorca-Gassendorf L et al. Erworbene Katarakte Augenheilkunde up2date 2022; 12: 57–72 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung [20] Rohrbach JM, Feudner EM, Szurman P. Pathognomonische Lin- sentrübungen – Der Blick über den Tellerrand der Katarakt hi- naus. Teil 2: Pathognomonische Linsentrübungen als Folge von Systemerkrankungen und Verletzungen des Auges. Z Prakt Augenheilkd 2008; 29: 479–489 [21] Gipner JF. Clinical and Experimental Studies on Traumatic An- nular Opacity of the Anterior Lens Surface (Vossiusʼ Ring). Trans Am Ophthalmol Soc 1929; 27: 296–313 [22] Thiagarajan R, Varsha MKNS, Srinivasan V et al. Vitamin K1 prevents diabetic cataract by inhibiting lens aldose reductase 2 (ALR2) activity. Sci Rep 2019; 9: 14684 [23] Kiziltoprak H, Tekin K, Inanc M et al. Cataract in diabetes mel- litus. World J Diabetes 2019; 10: 140–153 [24] Juthani VV, Clearfield E, Chuck RS. Non-steroidal anti-inflam- matory drugs versus corticosteroids for controlling inflamma- tion after uncomplicated cataract surgery. Cochrane Database Syst Rev 2017; (7): CD010516 [25] Rohrbach JM, Szurman P, Schlote T et al. Die Linse bei systemi- schen Erkrankungen. Klin Monbl Augenheilkd 2012; 229: 843– 856; quiz 857–848 [26] Zhao Y, Liu S, Li X et al. Cross-talk of Signaling Pathways in the Pathogenesis of Allergic Asthma and Cataract. Protein Pept Lett 2020; 27: 810–822 [27] Elman MJ, Miller MT, Matalon R. Galactokinase activity in pa- tients with idiopathic cataracts. Ophthalmology 1986; 93: 210–215 [28] Wevill M. Epidemiology, Pathophysiology, Causes, Morphol- ogy, and visual Effects of Cataract. In: Yanoff M, Duker JS, eds. Ophthalmology (Expert Consult). Philadelphia: Saunders; 2014: 415 [29] Takahashi H. [Ca(2+)-ATPase activity in the hypocalcemic cata- ract]. Nippon Ganka Gakkai Zasshi 1994; 98: 142–149 [30] Daba KT, Weldemichael DK, Mulugeta GA. Bilateral hypocalce- mic cataract after total thyroidectomy in a young woman: case report. BMC Ophthalmol 2019; 19: 233 [31] Petermeier K, Szurman P, Bartz-Schmidt UK et al. Pathophysio- logie der Katarakt-Entwicklung nach Vitrektomie. Klin Monbl Augenheilkd 2010; 227: 175–180 [32] Cheng L, Azen SP, El-Bradey MH et al. Duration of vitrectomy and postoperative cataract in the vitrectomy for macular hole study. Am J Ophthalmol 2001; 132: 881–887 [33] Holekamp NM, Shui YB, Beebe DC. Vitrectomy surgery in- creases oxygen exposure to the lens: a possible mechanism for nuclear cataract formation. Am J Ophthalmol 2005; 139: 302–310 [34] Palmquist BM, Philipson B, Barr PO. Nuclear cataract and myo- pia during hyperbaric oxygen therapy. Br J Ophthalmol 1984; 68: 113–117 [35] Radhakrishnan S, Chen PP, Junk AK et al. Laser Peripheral Iri- dotomy in Primary Angle Closure: A Report by the American Academy of Ophthalmology. Ophthalmology 2018; 125: 1110–1120 Bibliografie Augenheilkunde up2date 2022; 12: 57–72 DOI 10.1055/a-1488-0240 ISSN 0023-2165 © 2022. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany Service für unsere Leser Sammelordner voll? Neuen Ordner bestellen: www.thieme.de/mein-up2date-ordner up2date – Fortbildung mit dem roten Faden 70 Bisorca-Gassendorf L et al. Erworbene Katarakte Augenheilkunde up2date 2022; 12: 57–72 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Punkte sammeln auf CME.thieme.de Fortsetzung … Frage 9 Wann entsteht ein sogenannter „Vossius-Ring“? A nach perforierender Augenverletzung B nach rezidivierenden Regenbogenhautentzündungen C nach stumpfem Bulbustrauma D durch erhöhten Blutzuckerspiegel E durch eine progressive Linsenverdickung Frage 10 Welche postoperative Komplikation tritt nach der Kataraktope- ration bei uveitischen Augen häufiger auf? A zystoides Makulaödem B transienter Druckanstieg C epiretinale Gliose D Ablagerungen auf der Intraokularlinse E Alle Antworten sind richtig. Sie möchten Studienergebnisse, neue Erkenntnisse und komplexe die Situation, Journalisten gegenüber Rede und Antwort zu Dazu bieten wir Ihnen ein modular aufgebautes www.thieme.de/medientraining 72 Bisorca-Gassendorf L et al. Erworbene Katarakte Augenheilkunde up2date 2022; 12: 57–72 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Unter dieser Rubrik sind bereits erschienen: Sekundäre Winkelblockglaukome S. Nüßle, J. Lübke Heft 3/2021 Primäre Offenwinkelglaukome E. M. Hoffmann, V. Prokosch-Willing Heft 3/2017 Pigmentdispersionssyndrom M. Nobl, M. Mackert Heft 2/2021 Klassifikation, Genetik und Epidemiologie der Glaukome R. Höhn, N. Pfeiffer Heft 2/2017 Perimetrie in der Glaukomdiagnostik R. Lämmer, C. Huchzermeyer Heft 1/2021 Kombinierte Eingriffe bei Katarakt und Glaukom J. Lübke, A. Anton, T. Reinhard, J. F. Jordan Heft 1/2017 Medikamentöse Therapie des Glaukoms E. Emrani Heft 3/2020 Welche Papille ist glaukomverdächtig? Der strukturierte Sehnervencheck W. Budde Heft 3/2015 OCT-Diagnostik beim Glaukom: Tipps & Tricks C. Mardin Heft 1/2020 Gonioskopie – eine vergessene Untersuchungsmethode? U. Löw, B. Seitz Heft 2/2015 Pseudoexfoliationssyndrom und Glaukom M. Nobl, M. Mackert Heft 3/2019 Chirurgische Möglichkeiten der Glaukomtherapie T. S. Dietlein, A. Rosentreter Heft 2/2018 Kongenitale und kindliche Glaukome T. Dietlein Heft 4/2013 Akuter Winkelblock, chronisches Winkelblockglaukom und ihre Differenzialdiagnosen O. Schwenn Heft 4/2013 Die nichtpenetrierende Glaukomchirurgie M. Niegel, N. Körber Heft 2/2012 ALLES ONLINE LESEN IHR ONLINE-SAMMELORDNER JETZT FREISCHALTEN Mit der eRef lesen Sie Ihre Zeitschrift: online wie offline, am PC und mobil, alle bereits erschienenen Artikel. Für Abonnenten kostenlos! https://eref.thieme.de/augen-u2d Sie möchten jederzeit und überall auf Ihr up2date-Archiv zu- greifen? Kein Problem! Ihren immer aktuellen Online- Sammelordner finden Sie unter: https://eref.thieme.de/PHWUW Sie haben Ihre Zeit- schrift noch nicht freigeschaltet? Ein Klick genügt: www.thieme.de/eref-registrierung

CME-Fortbildung FALLBEISPIEL Fall 1 Eine 56-jährige Frau stellt sich bei uns in der Glaukomsprechstunde zur Mitbeurteilung vor. In der Anamnese gibt sie beidseits keine subjektive Visusminderung an. Sie verneint Kopfschmerzen, Druck- gefühl an den Augen oder visuelle Erscheinungen. In der weiteren Anamnese zeigt sich, dass die Patientin niedrigen Blutdruck, häufig kalte Füße und Hände hat. Bei Stress oder föhnigem Wetter leidet sie unter Migräne. Die restliche Anamnese ist unauffällig. Die Pa- tientin nimmt keine Medikamente ein. Der Visus ist beidseits mit Korrektur bei 1,0. Der Augeninnendruck liegt beidseits bei 15 mmHg. Auf Nachfrage lag er auch bei jähr- lichen Kontrollen stets im Normbereich. Die Familienanamnese ist ophthalmologisch unauffällig. Bei der Untersuchung der Patientin zeigt sich ein reizfreier vorderer Augenabschnitt ohne weitere Auffälligkeiten. Der Kammerwinkel ist gonioskopisch offen. Die Funduskopie zeigt eine Kerbe im supe- rioren Bereich mit zusätzlichem Nervenfaserdefekt im superioren Bündel (▶ Abb. 1) des linken Auges. Das rechte Auge ist unauffällig. Die Gesichtsfelduntersuchung zeigt einen korrespondierenden inferioren Defekt des linken Auges, das Gesichtsfeld des rechten Auges ist unauffällig. Die Diagnose Normaldruckglaukom (NDG) wird gestellt. ▶ Abb. 1 Am linken Auge zeigt sich eine auffällige Exkavation der Papille mit superiorer Kerbe und neuroretinalem Nervenfaserbün- deldefekt (Pfeile; a) mit korrespondierendem Gesichtsfelddefekt (b). Methodik Der Artikel beruht auf einer selektiven Literaturrecherche in PubMed zu Original- und Übersichtsarbeiten, die im Zeitraum von 1965 bis 2021 veröffentlicht wurden. Als Suchbegriffe wurden beispielsweise „Niederdruckglau- kom“, „vaskuläre Neuropathie“, „Schlafapnoe Syndrom“, „neurodegenerative Erkrankungen“ in die Suchmaske eingegeben und im Kontext in diesem Artikel aufgearbei- tet. Die Guidelines der European Glaucoma Society (EGS) wurden ebenfalls als Grundlage hinzugefügt. Definition des Normaldruckglaukoms Gemäß der European Glaucoma Society Guidelines (5. Auflage) definiert sich das NDG folgendermaßen [1]: DEFINITION Normaldruckglaukom ▪ Das NDG ist eine chronische, progressive, potenzi- ell zur Erblindung führende Sehnervenerkrankung mit retinalem Nervenfaserverlust und korrespon- dierenden Gesichtsfeldverlusten. ▪ Gleich dem primären Offenwinkelglaukom handelt es sich um eine Optikusneuropathie. ▪ Das NDG ist eine Form des primären Offenwinkel- glaukoms, bei der andere Risikofaktoren eine hö- here Bedeutung haben als der Augeninnendruck selbst. Vaskuläre Faktoren spielen vermutlich eine Rolle. Die Unterteilung ist dabei willkürlich. ▪ Der Kammerwinkel ist beim NDG offen. (nach [1]) Erste Beschreibungen der Entität Das Glaukom als solches ist bereits seit der Antike be- kannt, als es erstmals als „Verhärtung des Augapfels“ be- schrieben wurde. Im Jahr 1862 entdeckte Donders, dass ein hoher Augeninnendruck zur Erblindung führen kann, und nannte die Krankheit „Glaucoma simplex“ [2]. In den 1850er-Jahren beschrieb von Graefe zum ersten Mal ei- nen Zustand, der heute als Normal- oder Niedrigdruck- glaukom bezeichnet wird [2]. In den 1900er-Jahren wur- de das NDG als neue klinische Entität beschrieben [3]. Aufgrund des mangelnden Verständnisses der Pathophy- siologie des NDG wurde eine Vielzahl von Begriffen wie Pseudoglaukom, Paraglaukom, Niederdruckglaukom oder Glaukom ohne Hochdruck und arteriosklerotische Optikusatrophie geprägt. Erstaunlicherweise wissen wir heute, dass eine glaukomatöse Papillenexkavation und Gesichtsfeldeinschränkung bei 30–90% der Patienten mit einem IOD im Normalbereich zu finden ist [4, 5]. Mittlerweile wird das NDG gar nicht mehr als eigene Enti- tät mit strikter Trennung vom primären Offenwinkelglau- kom betrachtet. Beide werden als Optikusneuropathien mit typischen klinischen Befunden angesehen. Bei der Unterform des NDG spielen vermutlich andere Risikofak- toren eine größere Rolle als der Augeninnendruck. 76 Prokosch V et al. Normaldruckglaukome Augenheilkunde up2date 2022; 12: 73–88 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung mal Tension Glaucoma Study) auch ein Risikofaktor für die Glaukomprogression [18, 20]. Blutdruckschwankungen Eine 24-h-Blutdruckmessung ist häufig sinnvoll. Patholo- gische Blutdruckveränderungen scheinen vermutlich mit einer Progression zusammenzuhängen, obwohl dies nicht komplett geklärt ist. Das geringste Risiko diesbe- züglich besteht bei einer physiologischen nächtlichen Blutdruckabsenkung um 10–20% (Dipper). Sowohl ein zu geringer (Non-Dipper: < 10%) als auch ein zu starker (Extreme-Dipper: > 20%) nächtlicher Blutdruckabfall för- dern dagegen – auch bei gleichem Augeninnendruck – die Glaukomprogression. Extreme Dippers mit einem dia- stolischen Blutdruck unter 60 mmHg sind dabei ebenfalls unter erhöhtem Risiko unabhängig vom prozentualen Tag-Nacht-Zyklus. Der vermeintliche Widerspruch be- züglich der Non-Dipper erklärt sich dadurch, dass diese Gruppe die besonders schweren Hypertonieformen um- fasst, bei denen die normale Blutdruckvariabilität nicht mehr stattfindet. Merke Für die effektive Behandlung von Bluthochdruck- patienten mit Glaukom ist daher die enge Abstimmung zwischen Augenärzten und Allgemein- medizinern bzw. Internisten essenziell. Pathogenese des Normaldruckglaukoms Das NDG und dessen Pathophysiologie ist bislang nicht hinreichend geklärt. Im Laufe der Jahre wurden jedoch verschiedene Ansätze postuliert, die sich im Wesentli- chen in den folgenden Gruppen zusammenfassen lassen: Mechanische Theorie Patienten mit Normaldruckglaukom sind empfindlicher gegenüber IOD als andere, sodass bereits ein normaler Augeninnendruck zu mechanischen Schäden und zu Stress für die Axone in der Lamina cribrosa führt. Da sich der IOD in verschiedenen Populationen und bei verschie- denen Personen unterschiedlich auswirkt, wird postu- liert, dass unterschiedliche Anfälligkeiten bestehen. Das allgemeine Konzept ist dabei, dass gerade beim NDG die Lamina cribrosa anfälliger für IOD-Veränderungen ist. Eine Verformung der Lamina cribrosa und die damit ver- bundene Belastung der Axone bewirken den progressiven RGC-Verlust [15]. Vaskuläre Dysregulation Das Normaldruckglaukom wird durch lokale oder all- gemeine vaskuläre Dysregulationen vermutlich verstärkt. Fast pathognomisch sind gehäuft auftretende Papillen- randblutungen, welche innerhalb von 6–9 Monaten eine spontane Resorption zeigen. Oft bleibt in diesem Bereich ein Defekt. In mehreren Studien konnte nachgewiesen werden, dass eine unzureichende Blutversorgung zu einem Verlust der Ganglienzellen der Netzhaut führt [16 – 19]. Patienten mit NDG leiden auch häufiger an einem niedrigen systemischen Blutdruck, kalten Akren und Migräne. Insbesondere ist bei diesen Patienten der nächtliche Blutdruck sehr niedrig [16 – 19]. Druckgradient der Lamina cribrosa Während der Augeninnendruck eine anteriograde Kraft auf die Lamina cribrosa ausübt, ist die Liquor cerebrospi- nalis die Gegenkraft auf der Rückseite. Die Lamina cribro- sa und die Sehnervenaxone befinden sich daher im Gra- dienten zwischen dem Augeninnendruck (IOD) und dem Hirndruck (ICP). Die Differenz zwischen diesen wird als translaminarer Druck (IOP–ICP) ausgedrückt. Beim NDG besteht ein höherer Druckgradient [18, 20]. Gestörte Liquorzirkulation im Subarachnodialraum Der Sehnerv ist vollständig von Liquor umgeben. Störun- gen in der Zerebrospinalflüssigkeit (CSF) bieten vermin- derten Schutz vor mechanischer Schädigung und eine eingeschränkte Nutrition von Neuronen, Axonen und Gliazellen. Ein verringerter CSF-Umsatz ist mit einem er- höhten A-Beta- und Tau-Proteinspiegel assoziiert, was ei- nen Risikofaktor für die Alzheimer-Krankheit darstellt [18]. Cave Eine Stagnation des Liquors und eine beeinträchtigte Liquordynamik werden als Teil der Pathophysiologie neurodegenerativer Erkrankungen wie der Alzhei- mer-Krankheit und des Glaukoms angesehen [21, 22]. Klinik des Normaldruckglaukoms Die Klinik des NDGs zeigt eine glaukomtypische Verände- rung des Sehnervenkopfs mit einer auffälligen Papillen- exkavation und Verdünnung des papillären Randsaums bei normalen Augeninnendruckwerten. Zudem können Papillenrandblutungen vorliegen, die häufig für eine Pro- gression des Normaldruckglaukoms sprechen. Auch die Perimetrie zeigt sich auffällig. Diese Gesichts- felddefekte werden in der Regel erst in einem fort- geschrittenen Stadium der Erkrankung von den Betroffe- nen bemerkt, da die Erkrankung sich zu Beginn schlei- chend und symptomarm über Jahre entwickelt. Merke Die Gesichtsfelddefekte können meist zentraler als beim primären Offenwinkelglaukom sein. Umso wichtiger ist die frühzeitige Detektion der Erkran- kung durch geeignete Diagnostik, auf die nun im Folgen- den näher eingegangen wird. 78 Prokosch V et al. Normaldruckglaukome Augenheilkunde up2date 2022; 12: 73–88 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung ▶ Abb. 2 Die Beurteilung der Nervenfaserschicht sollte im rotfreien Licht erfolgen. In diesem Beispiel der Papille lässt sich hierdurch der diffuse Verlust der retinalen Nervenfaserschichtdicke (RNFL) deutlich besser beurteilen. ▶ Abb. 3 Exemplarische Papillenrandblutungen: Eine sorgfältige Untersuchung der Papille ist notwendig, um Papillenrand- blutungen zu entdecken (a). b, c Papillenrandblutungen im Verlauf mit Resorption. dranten des Papillenrandes (s. ▶ Abb. 3). Oft folgt den Pa- pillenrandblutungen ein Bündeldefekt der retinalen Ner- venfasern im weiteren Verlauf der Erkrankung. Die Papil- lenrandblutungen persistieren häufig über 6–9 Monate, bevor sie spontan resorbieren. Oft werden sie bei Unter- suchung in Miosis übersehen und fallen später in Fundus- fotos häufig auf (▶ Abb. 3). Patienten mit einer funduskopischen Papillenrandblu- tung zeigen in Studien reduzierte Pulsamplituden und ei- nen reduzierten pulsatilen okulären Blutfluss, sodass eine Papillenrandblutung als frühes Zeichen einer möglichen Progression des Glaukomschadens interpretiert werden kann [35, 36]. Die optische Kohärenztomografie kann hierbei die Fundusbeurteilung an der Spaltlampe sinnvoll 80 Prokosch V et al. Normaldruckglaukome Augenheilkunde up2date 2022; 12: 73–88 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung FALLBEISPIEL Fall 2 Ein 58-jähriger Patient stellte sich zur Verlaufskontrolle in der Glau- komsprechstunde bei uns in der Universitätsklinik vor. Der Visus rechts zeigt sich mit Korrektur bei 0,8 und am linken Auge bei 0,6. Der Patient ist beidseits pseudophak. Anamnestisch gibt der Patient an, dass er links mehr als rechts eine Visusminderung und teils visuelle farbliche Wahrnehmungen sub- jektiv bei sich beobachtet. Er verneint Kopfschmerzen. Der Patient zeigt einen normalen Allgemein- und Ernährungs- zustand und hat einen behandelten Hypertonus, der unter Therapie relativ gut reguliert ist, sowie ein nicht behandlungsbedürftiges Asthma. In der Anamnese ist sich zudem zu erfahren, dass der Patient nachts sehr stark schnarcht und teilweise Apnoen zufolge der Ehefrau hat. Als drucksenkende Therapie nimmt er einen kon- servierungsmittelfreien Carboanhydrasehemmer 2 × täglich in beide Augen. Andere topische Therapien mussten aufgrund von Kontraindikationen und Nebenwirkungen, die die Compliance reduziert haben, abgesetzt werden. Bei der Untersuchung bei uns zeigt sich ein Augeninnendruck von RA/LA = 12/14 mmHg, jedoch mit einem deutlich glaukomatös be- dingten Schaden speziell am rechten Sehnerv, was in der perimetri- schen Messung offensichtlich wird (s. ▶ Abb. 5) Die Papille rechts ist hochoval exkaviert mit einer CDR von 0,6 mit einer frischen strich- förmigen Papillenrandblutung bei 8 Uhr als Zeichen der Progredienz und einer temporal-inferioreren Randsaumverdünnung. ▶ Abb. 5 Deutlicher glaukomatöser Schaden, vor allem am rech- ten Auge, der auf einen deutlichen Verlust der retinalen Nerven- faserschichtdicke (RNFL) zurückzuführen ist. Merke Es sollte wie beim primären Offenwinkelglaukom stets mit einer Monotherapie begonnen werden [36]. Falls die Monotherapie keine Drucksenkung erreicht, soll- te auf ein alternatives Präparat gewechselt werden, erst danach eine Kombinationstherapie eingeleitet werden [1, 39, 41]. Der Zieldruck sollte 30% des Ausgangsdrucks oder maximalen Augeninnendrucks betragen [1]. Immer wieder diskutiert wird hierbei die Gabe von Beta- blockern und deren Auswirkungen auf die Blutdruck- schwankungen und Dips und damit verbundenem erhöh- tem Risiko für eine mögliche Progression. Die Gabe von topischen Betablockern kann eine gegebenenfalls beste- hende Hypotonie ebenfalls verstärken und daher die Pro- gression eines NDG ungünstig beeinflussen. Bei Patien- ten mit bekanntem NDG können zudem Carboanhydra- sehemmer gute Anwendung finden, da sie die Perfusi- onsproblematik eher verbessern (sog. Haldan-Effekt der Physiologie). Richtig fundierte Evidenz hierfür gibt es je- doch nicht. TIPP In Anbetracht der Tatsache, dass die IOD-Fluktuatio- nen eine Rolle bei der Glaukomprogression spielen, ist es entscheidend, die lokal angewandten anti- glaukomatösen Augentropfen nicht nur auf ihre IOD- senkende Wirkung zu untersuchen, sondern auch auf ihre Fähigkeit, die IOD-Fluktuationen aufzufangen und zu senken [42 – 44]. Es konnte jedoch in einem Cochrane Review aus dem Jahr 2012 gezeigt werden, dass die Drucksenkung mit einer Operation deutlich besser ist [43]. Bei einem progredien- ten Normaldruckglaukom sollte daher eine operative In- tervention wie bei allen Glaukomen erwogen werden. Merke Bei den operativen Verfahren gilt die Trabekulek- tomie (TE) als Goldstandard in der Therapie des Normaldruckglaukoms und des primären Offen- winkelglaukoms. Bislang wird mit der Trabekulektomie immer noch die beste Drucksenkung erreicht, daher scheint sie gerade beim Normaldruckglaukom mit maximal niedrig ge- wünschtem Augeninnendruck als die Therapie der Wahl mit der besten Wirkung. Die Nachsorge ist dabei so ent- scheidend wie die Operation. Um einer Vernarbung des Filterkissens entgegenzuwirken, kommen Antimetabolite wie 5-Fluorouracil (5-FU) und Mitomycin C (MMC) zum Einsatz. Sie besitzt eine der besten Drucksenkungsraten und einen günstigen Kosten-Nutzen-Effekt [45, 46]. 82 Prokosch V et al. Normaldruckglaukome Augenheilkunde up2date 2022; 12: 73–88 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung KERNAUSSAGEN ▪ Wichtigster Risikofaktor ist das Alter. ▪ Gleich dem primären Offenwinkelglaukom handelt es sich beim Normaldruckglaukom um eine Opti- kusneuropathie. ▪ Das Normaldruckglaukom ist eine Form des pri- mären Offenwinkelglaukoms, bei der andere Risi- kofaktoren eine höhere Bedeutung haben als der Augeninnendruck selbst. Vaskuläre Faktoren spie- len vermutlich eine Rolle. Die Unterteilung ist da- bei willkürlich. ▪ Der Kammerwinkel ist beim Normaldruckglaukom offen. ▪ Das Normaldruckglaukom (NDG) verhält sich an- ders als primäre Offenwinkelglaukome (POWG), was die Art der Gesichtsfelddefekte und dessen Zusammenhang mit systemischen Faktoren wie dem Raynaud-Phänomen und der Migräne betrifft. ▪ Auf eine dünne Hornhaut (auch bei Patienten nach refraktiven Laseroperationen) sollte geachtet wer- den, da die Druckmessungen zu niedrige IOD- Werten ausweisen können. ▪ Eine 24-h-Blutdrucküberwachung ist vor allem bei Patienten sinnvoll, die eine blutdrucksenkende Behandlung erhalten, da diese angepasst werden kann, um nächtliche Schwankungen zu verringern. ▪ Bei potenziellem Normaldruckglaukom sollte im- mer ein Neuro-Imaging und der Ausschluss ande- rer Optikusneuropathien in Betracht gezogen werden, insbesondere bei sehr asymmetrischer, atypischer oder einseitiger Erkrankung. ▪ Trotz der vielen pathophysiologischen Theorien zur Ätiologie des NDG ist die Senkung des Augen- innendrucks nach wie vor die wichtigste Behand- lung des NDG. Interessenkonflikt Erklärung zu finanziellen Interessen Forschungsförderung erhalten: nein; Honorar/geldwerten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: nein; Bezahlter Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an im Bereich der Medizin aktiven Firma: nein; Patent/ Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an zu Sponsoren dieser Fortbildung bzw. durch die Fortbil- dung in ihren Geschäftsinteressen berührten Firma: nein. Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessen- konflikt besteht. Autorinnen/Autoren Verena Prokosch Prof. Dr. med. Professorin für Glaukom an der Universität und der Uniklinik Köln. Fachärztin für Augenheilkunde mit Spezialisierung auf das Glaukom sowie Clinician Scientist. Nach ihrem Medizinstudium in Deutschland, Norwegen, der Schweiz und Spanien arbeitete sie in Münster, Mainz und Köln. Für diese Arbeiten erhielt sie meh- rere nationale und internationale Preise und Stipendien. Sie ist aktives Mitglied in verschiedenen nationalen und inter- nationalen Organisationen (EGS, WGA und DOG). Karl Mercieca Dr. MD PGCMEd FRCOphth FEBOS‑GL, Fach- arztausbildung in Malta und Großbritannien. Mehrere spezielle Fellowships im Bereich Glau- kom. Zuletzt am Manchester Royal Eye Hospital (MREH) als „Consultant“ und Dozent für Au- genheilkunde an der University of Manchester tätig. Seit 4/2021 an der Augenklinik des Universitätsklini- kums Bonn (UKB). Schwerpunkte: Glaukom, Glaukomchirur- gie einschließlich kombinierter Operationen und Glaukom- operationen. Sarah Barbara Zwingelberg Dr. med. 2009–2015 Studium der Pharmazie an der LMU München, 2012–2018 Studium der Humanmedizin an der LMU München, seit 2019 Assistenzärztin für Augenheilkunde am Univer- sitätsklinikum Köln; Promotion 2020. Stipen- dium für Kurzzeitdozentur für Ghana der Deut- schen Ophthalmologischen Gesellschaft. Korrespondenzadresse Prof. Dr. med. Verena Prokosch Universität zu Köln, Medizinische Fakultät Zentrum für Augenheilkunde Kerpener Straße 62 50937 Köln Deutschland verena.prokosch@uk-koeln.de Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungs- bestimmungen für diesen Beitrag ist Prof. Dr. med. Verena Prokosch, Köln. Zitierweise für diesen Artikel Klinische Monatsblätter für Augenheilkunde doi:10.1055/a-1758-3486 84 Prokosch V et al. Normaldruckglaukome Augenheilkunde up2date 2022; 12: 73–88 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung [39] Leskea MC, Heijl A, Hyman L et al. Factors for progression and glaucoma treatment: the Early Manifest Glaucoma Trial. Curr Opin Ophthalmol 2004; 15: 102–106 [45] Matlach J, Hipp M, Wagner M et al. A comparative study of a modified filtering trabeculotomy and conventional trabecu- lectomy. Clin Ophthalmol 2015; 9: 483–492 [40] Caprioli J, Coleman AL. Intraocular pressure fluctuation a risk factor for visual field progression at low intraocular pressures in the advanced glaucoma intervention study. Ophthalmology 2008; 115: 1123–1129.e3 [41] Rezapour J, Hoffmann EM. [The role of intraocular pressure fluctuation in the development and progression of glaucoma]. Klin Monbl Augenheilkd 2019; 236: 667–671 [42] Mozaffarieh M, Flammer J. New insights in the pathogenesis and treatment of normal tension glaucoma. Curr Opin Phar- macol 2013; 13: 43–49 [43] Burr J, Azuara-Blanco A, Avenell A et al. Medical versus surgical interventions for open angle glaucoma. Cochrane Database Syst Rev 2012; (9): CD004399 [44] Caprioli J, Coleman AL. Intraocular pressure fluctuation a risk factor for visual field progression at low intraocular pressures in the advanced glaucoma intervention study. Ophthalmology 2008; 115: 1123–1129.e3 [46] Gedde SJ, Heuer DK, Parrish RK 2nd; Tube Versus Trabeculec- tomy Study Group. Review of results from the Tube Versus Tra- beculectomy Study. Curr Opin Ophthalmol 2010; 21: 123–128 Bibliografie Augenheilkunde up2date 2022; 12: 73–88 DOI 10.1055/a-1262-3134 ISSN 0023-2165 © 2022. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany Service für unsere Leser up2date immer dabei! Wissens portal eRef plus App. CME-Beitrag SOP/Arbeitsablauf Schritt-für-Schritt ... ... ... ... Jetzt downloaden: up2date – Fortbildung mit dem roten Faden 86 Prokosch V et al. Normaldruckglaukome Augenheilkunde up2date 2022; 12: 73–88 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

CME-Fortbildung Punkte sammeln auf CME.thieme.de Fortsetzung … Frage 6 Frage 9 Welche Aussage stimmt zufolge der European Glaucoma Society (2015) nicht bezogen auf die Definition des Normaldruckglau- koms? A Das Normaldruckglaukom führt potenziell zur vollständigen Erblindung. B Das Normaldruckglaukom ist eine chronische Erkrankung. C Das Normaldruckglaukom ist eine fortschreitende Erkran- kung. D Die Gesichtsfeldverluste liegen definitionsgemäß peripher. E Es handelt sich um eine Sehnerverkrankung. Frage 7 Eine der folgenden Aussagen stimmt nicht. Welche? A Cytochrom P4501B1 (CYP1B1) ist eine Monooxygenase und spielt eine Rolle bei der Entwicklung von Schlemm-Kanal und Trabekelwerk. B Myocilin, Forkhead-related Transcription Factor C1 (FOXC1) sowie die Gene FOXE3, EXA1, PAX6 sind bekannte Gene, die mit Glaukomerkrankungen assoziiert sind. Wodurch ist die Diagnostik des Normaldruckglaukoms gekenn- zeichnet? A Die durchschnittliche Hornhautdicke beim Normaldruckglau- kom liegt in der Pachymetrie bei ca. 550 µm. B Die Gonioskopie ist nicht mehr Bestandteil der Basisdiagnos- tik bei V. a. Normaldruckglaukom. C Die Perimetrie ist zur Verlaufsbeurteilung ungeeignet, stellt aber das wichtigste Diagnostikum der Wahl bei Erstdiagnose dar. D Eine Funduskopie-Untersuchung im rotfreien Licht ist geeig- net, Defekte der retinalen Nervenfaserschichtdicke darzustel- len. E Zur Beurteilung der Vorderkammertiefe wird in der Spaltlam- penuntersuchung ein schmaler, gerade von vorn einfallender Lichtspalt eingestellt. Frage 10 Welche Aussage zum Normaldruckglaukom stimmt nicht? A Man kann das Normaldruckglaukom in eine sklerotische und C Das Latent Transforming Growth Factor Beta-bindende Pro- eine vasospastische Form einteilen. tein 2 (LTBP2) spielt beim Glaukom eine Rolle. B Eine arterielle Hypotonie schützt effektiv vor der Entwicklung D Eine genetische Disposition für das Normaldruckglaukom wurde aufgrund der überwiegend familiär auftretenden Fälle (> 50%) nachgewiesen. E Es wird angenommen, dass mitochondriale Genommutatio- nen an der Pathogenese des Glaukoms beteiligt sind. eines Normaldruckglaukoms. C Die Prävalenz von Papillenrandblutungen liegt bei Glaukom- patienten zwischen 2,0 und 33,4%, was deutlich höher liegt verglichen mit der Normalbevölkerung (0–1,4%). D Beim Normaldruckglaukom liegt eine verminderte Druck- Frage 8 In welcher der genannten Regionen ist das Normaldruckglau- kom am häufigsten? A Asien B Europa C Südamerika D Australien E Nordamerika toleranz vor. E Die PPA-α-Zone ist meistens eine Hyper- oder Hypopigmen- tierung des retinalen Pigmentepithels, während die PPA-β- Zone eine RPE-Atrophie darstellt. 88 Prokosch V et al. Normaldruckglaukome Augenheilkunde up2date 2022; 12: 73–88 | © 2022. Thieme. All rights reserved.

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