zentralen Leistungsträgern, den Oberärztinnen und Oberärzten ermöglichen, sich in Teilen aus der klini- schen Versorgung auszuklinken und Wissenschaft voranzutreiben. Das sind die Forscher, die keine Sachbeihilfen, sondern vor allem Zeit brauchen. Und diese Zeit können wir nun über die DGIM finanzieren. Andere Aktivitäten haben unter Corona leider gelit- ten. Wir hatten zum Beispiel mit viel Elan die Autoren- akademie angefangen, die auch einmal stattgefun- den hat, von allen sehr hoch gelobt wurde. Das war ein kleiner Kreis von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die schlicht von zwei alten Ha- sen gelernt haben, wie man einen guten Vortrag hält und was man beim Schreiben einer wissenschaftli- chen Arbeit beachten muss. Ich wünsche mir sehr, dass wir das im nächsten Jahr, wenn wir hoffentlich alle geimpft sind, wieder anfangen können. die dgiM als eine der größten und wichtigsten fachgesellschaften in deutschland hat auch in der gesundheitspolitik etwas zu sagen. Professor ertl, sie sehen den umgang mit alterung und Multi- morbidität als eine der größten gesellschaftlichen herausforderungen. auch hier hat die Pandemie gezeigt, wie verletzlich die gruppe der älteren ist. Was muss hier in den nächsten Jahren geschehen? ertl: Ich sehe darin eine große Aufgabe der DGIM. Die Patienten in unserem Krankenhaus, das habe ich mal ausrechnen lassen, werden pro Dekade durchschnittlich 2,5 Jahre älter. Bei der Herzinsuffi- zienz zum Beispiel ist das durchschnittliche Alter 75 Jahre und die durchschnittliche Anzahl der Komorbiditäten ist fünf. Das heißt, ein Patient ist eben nicht nur kardiologisch krank, sondern er ist systemisch krank. Und wir erkennen auch zuneh- mend, dass systemische Manifestationen wie etwa die systemische Inflammation etwas sind, was vermutlich auch im fortgeschrittenen Lebensalter eine ganz große Rolle spielt. Das wurde auch im Kontext der Corona-Pandemie deutlich: Da sehe ich einen riesigen Forschungsbedarf und wir als DGIM müssen uns daran beteiligen. Darüber hinaus haben die älteren internistischen Patienten ganz andere Versorgungsbedürfnisse. Ich habe erlebt, dass eine sehr alte Patientin, die bei uns mit einer COVID-19-Erkrankung eingeliefert wurde, reanimiert wurde. Das war mit Sicherheit nicht der Wunsch dieser Patientin, aber uns lag keine Information hier- zu vor. Dennoch hätte man mit Augenmaß vielleicht darauf verzichten können. Das ist eine Frage der Aus- und Weiterbildung, dass junge Ärztinnen und Ärzte lernen, unter Berücksichtigung des Patienten- willens ethisch richtig zu entscheiden. Eine weitere Frage, die wir uns stellen müssen, ist, wie wir unsere Krankenhäuser in Zukunft organisieren. Wir wissen jetzt, dass wir mit solchen Epidemien immer wieder konfrontiert sein werden. Wir brauchen ausreichend Möglichkeiten, Bereiche abzutrennen, und wir brau- chen altersgerechte Krankenhäuser. glauben sie, dass die diskussion, die im Zusam- menhang mit cOvid-19 geführt wird, hilft, den blick auf die hochbetagten zu schärfen und im gesundheitswesen etwas zu verändern? ertl: Für unsere Region kann ich sagen, dass das tatsächlich der Fall war. Das Entscheidende ist, dass alte Patienten mit COVID-19, die nicht schwerstkrank sind, die Versorgung in ihrem Alten- und Pflegeheim brauchen. Das gilt übrigens auch für Patienten, die schwerstkrank sind, aber keinen Wunsch haben, in einem Krankenhaus ver- sorgt zu werden. Und das müssen wir sicherstel- len. Die Altenheime pflegen heute die Patienten, die vor 20 Jahren in den kleinen Krankenhäusern gelegen haben. Und sie sind da auch gestorben. Diese Patienten liegen heute im Pflegeheim und müssen da sterben dürfen, was sie übrigens auch außerhalb der Corona-Pandemie tun. Und keiner kommt auf die Idee, sie ins Krankenhaus zu schicken. Aber die ärztliche Versorgung muss ähnlich sein wie die in einem früheren kleinen Krankenhaus. Die muss nicht aufwendig sein, aber es muss ein Arzt da sein, der dort angestellt oder zumindest vertraglich gebunden und in der Finan- zierung sichergestellt ist. schellong: Wir brauchen noch viel mehr klare Absprachen über Behandlungsziele. Mir geht es dabei zum Beispiel darum, dass diese auch aufge- schrieben werden – etwa in einer Patientenverfü- gung. Ich glaube, dass das durch COVID-19 einen Entwicklungsschub bekommen könnte, den man auch unbedingt unterstützen muss. Das heißt, es sollten eigentlich alle älteren Menschen, ganz gleich, ob sie im Pflegeheim betreut werden oder ob sie zu Hause wohnen, nach einer entsprechen- den Beratung explizit ihren Wunsch äußern, wie mit ihnen zu verfahren ist. Wir brauchen noch viel mehr klare Absprachen über Behand- lungsziele. Prof. Dr. Sebastian Schellong 13