Mühsam versuche ich, die wichtigsten Daten und Fakten aus den Jungs herauszukitzeln. Wer kommt wann nach Hause? Wie viele Es- ser sind wir? Und wie viele inklusive Freunden? Wann schreibt ihr die Matheklausur? Hast du an das Geburtstagsgeschenk für Nils ge- dacht? Nicht? Na ja, ist ja dein Freund. Bevor er gleich zum Flughafen muss, liest mein Mann Tee schlür- fend, was in der Welt passiert ist. »Früher raschelte dabei wenigs- tens noch die Zeitung«, denke ich und merke, wie ich wieder einmal in mich hineingrummle. In meinem Kopf schwirren die Termine der Teenager, meine Einkaufslisten, Essenspläne, Verabredungen, Ge- schenke. »Was? Ja, ich bringe dir nachher neues Deo mit, mein Sohn. Und deine Hemden hole ich auch aus der Reinigung, Schatz.« Hektisch pa- cken meine drei Männer ihre Rucksäcke und werfen sich die Jacken über. Sogar eine Mütze kommt heute zum Einsatz, Premiere in die- sem Jahr. Der Sommer hat sich wohl endgültig verabschiedet. Ich sehe schon die Wäscheberge wachsen. Dann kommt mein tägliches Highlight. Der Moment, auf den ich mich den ganzen Morgen freue: auf die Zehenspitzen, meine Lieb- lingsmänner in die Arme nehmen und fest drücken. Das Ganze drei Mal. Sekunden voller Glück. Die Tür knallt zu. Stille kehrt ein. Hastig räume ich das Frühstücksgeschirr weg und stelle die Waschmaschine an. Was für eine Hetzerei! Jetzt wenigstens einmal kurz durchatmen, bevor ich mich für den Job fertigmache. Gut, dass ich Sir Earl Grey auch kalt mag. Auf dem Weg in die Agentur ziehen meine Gedanken beleidigte Kreise. Immer muss ich mich um alles kümmern! Tagein, tagaus. Von morgens bis abends. Und nie fragt jemand, wie es mir dabei geht. Das Leben ist einfach nicht fair. Tief im Selbstmitleid versunken, drücke ich die schwere Tür auf und schlurfe über den Flur. »Was hast du für eine tiefe Furche auf der Stirn, Moni? Siehst aus, als wärst du gegen eine Laterne gelaufen. Guten Morgen, Sweet- heart.« So kenn ich sie, meine Lieblingskollegin. Anna sagt nicht nur, was sie denkt. Sie trifft mitten in die Wunde. Auch heute. Ich knurre 10 | Zitronen zum Frühstück