Zeitabstände, Impfrisiken CRM Handbuch Reisemedizin 2024 R e i s e i m p f u n g e n z. B. Alter, Schwangerschaft, chronische Krankheit, oder im Reise- land, z. B. spezielle Krankheitsvorkommen, Ausbrüche, niedriger Hygiene standard, unzureichende medizinische Versorgung, oder im Reisestil, z. B. einfache Reisebedingungen, Langzeitaufent- halte, bestimmte Aktivitäten (Beruf, Freizeit), Einsätze (Katastro- phenhilfe, Militär), Tierkontakte, Exposition gegenüber speziellen Infektions risiken. Daraus ergeben sich Indikationen für Impfungen wie Hepatitis A, Typhus, Tollwut, Meningokokken-Meningitis, Japanische Enzephalitis, FSME, ferner für Hepatitis B, Masern, Varizellen, Zoster, Grippe (saisonal), Pneumokokken; ggf. sind auch Auffrisch impfungen erforderlich. Eine Impfung gegen Tuber- kulose wird derzeit in Deutschland aufgrund mangelnder Effekti- vität und problematischen Nebenwirkungsprofils prinzi piell nicht empfohlen, sie ist auch nicht verfügbar. Impfplan Die Aufstellung des Impfplanes erfolgt nach Indikation, Zeit, Priori- tät und Wirkdauer; detaillierte Hinweise zu Impfabständen finden Sie nachstehend. Sofern eine Gelbfieber-Impfung indiziert ist, soll- te man mit dieser beginnen. Im Hinblick auf die übliche Zeitdauer bis zum Eintritt der Wirksam- keit sowie auf eventuelle Nebenwirkungen soll das Impfprogramm möglichst 10 bis 14 Tage vor der Reise abgeschlossen sein. Ausnahmen hiervon sich jedoch möglich. Die meisten Impfungen können notfalls auch noch wenige Tage vor der Reise durchgeführt werden. Zeitabstände Attenuierte Erreger (Lebendimpfungen) Grundregel: Simultan (am gleichen Tage) oder Mindestabstand von 4 Wochen. Bei engerem Zeitabstand ist ggf. der Impferfolg der zweiten Imp- fung gefährdet, da die durch die erste Vakzinierung induzierte Zytokinantwort eine Inhibierung der Replikation des zweiten Impf- stoffes verursachen kann. Eine Gefährdung des immun kompetenten Geimpften besteht jedoch auch bei zu engem Abstand zwischen zwei Lebendimpfungen in keinem Fall. Voraussetzung: Reaktion der vorangegangenen Impfung muss vollständig ab geklungen und Komplikationen dürfen nicht aufgetreten sein. Ausnahmen: Typhus oral und Cholera-Lebendimpfung: keine Zeitabstände zu anderen Impfungen oder Immunglobulinen erforderlich. Inaktivierte Erreger, Antigenbestandteile, Toxoide, nicht-repli- zierende Vektoren oder mRNA-Impfungen (Totimpfungen ) Keine Zeitabstände untereinander, zu Lebendimpfungen oder zu Standard -Immunglobulinen erforderlich. Bei Gabe spezifischer Immun globuline in Zusammenhang mit der entsprechenden Imp- fung (z. B. Tollwut) Hinweise bei den einzelnen Impfstoffen bzw. in den Fachinfos beachten! Immunglobuline („passive“ Immunisierung) Nach homologen Immunglobulinen sowie Bluttransfusionen Min- destabstand zu parenteralen Lebend-Virus-Impfstoffen 3 Monate, bei umgekehrter Reihenfolge in der Regel 2 Wochen (bei Gelb- fieber 1 Woche). Zu Totimpfungen keine Abstände erforderlich (Ausnahmen bei Hyperimmunglobulinen s. o.) Grundimmunisierung und Zeitabstände Sind zum Aufbau einer Grundimmunisierung – egal ob attenuiert oder inaktiviert – mehrere Einzelimpfungen erforderlich, sollen die hierfür angegebenen Mindestabstände im Regelfall nicht unterschritten werden. Dagegen gibt es keine unzulässigen Maximalabstände. Jede Impfung zählt. Auch eine für viele Jahre unterbrochene oder zurückliegende Grundimmunisierung muss nicht neu begonnen werden. Nach der jetzigen Datenlage ist davon auszugehen, dass diese Regel für alle T-Zell-abhängigen Impf stoffe (Antigene) gilt, die durch Aus bildung eines immunologischen Gedächtnisses jederzeit rasch boosterfähig sind. Impfrisiken Der Aufklärung über das einer Impfung anhaftende Risiko und das weitaus größere Risiko, nicht geimpft zu sein, kommt in der ärzt- lichen Praxis hohe Bedeutung zu. Die wichtigsten „Un erwünschten Arzneimittel-Reaktionen UAR“, früher Nebenwir kungen genannt, sind unter der Spalte „Impfrisiko“ bei den einzelnen Impfungen angesprochen. Hier sind ggf. auch Krankheits erscheinungen aufge führt, deren ursächlicher Zusammenhang mit der Impfung un geklärt oder hypothetisch ist. Ausführliche Angaben finden Sie bei der STIKO und in den Gebrauchsinformationen der jeweiligen Her steller. Die Nomenklatur zur Häufigkeit der UAR ordnet den Prozentbereichen bestimmte Bezeichnungen zu. Hierfür gibt es eine Vorlage der europäischen Zulassungsbehörde, die für die Fach- informationen der Pharma-Hersteller („Summary Product Characteri- sation – SPC“) verbindlich ist. Sie sieht folgende Einteilung vor: SPC-Guideline very common common uncommon rare very rare %-Angaben > 10 % 1 % – 10 % 0,1 % – 1 % 0,01 % – 0,1 % < 0,01 % deutsch sehr häufig häufig gelegentlich selten sehr selten „very rare – sehr selten“ schließt Einzelfälle mit ein. Klären Sie den Reisenden darüber auf, verweisen Sie ihn auf die Packungsbeilage, geben Sie ihm Gelegenheit, Fragen zu stellen und führen Sie ihn zu einer für ihn verständlichen und zustimmungs- fähigen Risiko-Nutzen-Abwägung. Ein begründeter Verdacht auf eine Impfkomplikation ist nach IfSG meldepflichtig (s. am Ende des Impfkapitels). Impfungen – Profile Affenpocken (Mpox, Monkeypox) Indikation Impfstoff Personen mit einem erhöhten Expositions- und Infektionsrisiko (z. B. während eines Mpox-/Affenpo- ckenvirus-Ausbruchs). Modifiziertes Vacciniavirus Ankara – Bavarian- Nordic-Lebendvirus, mindestens 5 × 107 I.E., proziert in Hühnerfibroblasten; Lagerung bei −20 °C, bei Lagerung im Kühlschrank verfällt der Impfstof nach 8 Wochen. Zusatz Restspuren von Hühnerprotein, Benzonase, Genta- micin und Ciprofloxacin Applikation Erwachsene ab den 18. LJ erhalten 2 Dosen s.c. im Abstand von 4 Wochen. Einmalige Impfung bei Personen, die bereits gegen Pocken geimpft wurden. Immungeschwächte Patienten (z. B. Patienten mit HIV-Infektion, Patienten unter Immunsuppressiva), die zuvor bereits gegen Pocken geimpft wurden, erhalten zwei Auffrischungsdosenim Mindest- abstand von 28 Tagen. © Centrum für Reisemedizin 429